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10.08.2023 08:32
48 Prozent der Berufstätigen häufig gestresst - psychische Belastungen nehmen weiter zu  

Depression, Angststörungen – Zahl der psychisch Erkrankten steigt deutlich. Die Kaufmännische Krankenkasse schlägt Alarm: Die Zahl der Arbeitnehmer, die vom täglichen Jobstress ernsthaft erkranken, ist sprunghaft gestiegen.

Man mag das Wort fast nicht mehr hören: Krise. Aber Krise ist derzeit überall, neben globalen Krisen gibt es persönliche – viele Menschen sind überlastet, leiden unter – echter oder empfundener – Ungerechtigkeit, die Inflation bedroht die finanzielle Sicherheit, und auch die Erfahrungen der Coronapandemie sind nicht vergessen. Das wirkt sich aus: Die psychische Belastung berufstätiger Menschen in Deutschland ist laut KKH Kaufmännische Krankenkasse im ersten Halbjahr 2023 drastisch gestiegen.

Den Beleg lieferten die Fehlzeiten wegen seelischer Leiden, die auf 303 Ausfalltage pro 100 Versicherte gestiegen seien, teilte die Kasse mit – ein Plus von 85 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. In der jüngeren Vergangenheit habe es einen solchen Anstieg nie gegeben. Im ersten Halbjahr 2022 waren es 164 Ausfalltage, in den ersten sechs Monaten 2021 noch 137. »Diese Entwicklung ist alarmierend, denn wir haben schon jetzt fast das Niveau des gesamten Jahres 2022 erreicht«, sagte die KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick.

Denn im vergangenen Jahr registrierte die Krankenkasse 339 Fehltage pro 100 Versicherte wegen Depressionen, Anpassungs- oder Angststörungen. 2021 und 2020 waren es 287 und im Vor-Corona-Jahr 2019 rund 274 Tage. Für die Untersuchung wertete die KKH die Zahl der Kalendertage mit ärztlichem Attest von pflichtversicherten und freiwillig versicherten eigenen Mitgliedern aus. Die KKH ist nach eigenen Angaben eine der größten bundesweiten gesetzlichen Krankenkassen mit mehr als 1,6 Millionen Mitgliedern.

Zunehmend langwierige Erkrankungen

»Der besonders starke Zuwachs bei den Fehlzeiten deutet darauf hin, dass es zunehmend schwere, langwierige Fälle von psychischen Erkrankungen gibt«, erklärte Judick. Das bereite Sorgen – auch mit Blick auf die Beschäftigten, die die Arbeitsausfälle abfedern müssten. Auch sie könnten erschöpfungsbedingte psychische Leiden entwickeln.

Eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse bestätigt: Der Stresslevel der Berufstätigen ist hoch. 90 Prozent von ihnen fühlten sich zumindest gelegentlich gestresst, rund die Hälfte davon häufig oder sehr häufig, ergab die Studie. Dafür waren im Mai bundesweit 1004 Menschen im Alter von 18 bis 70 Jahren befragt worden – darunter 722 Berufstätige.

Knapp 60 Prozent der Berufstätigen sprachen von zunehmendem Stress in den vergangenen ein bis zwei Jahren. Neben Ausbildung und Beruf sowie Krisen wie Klimawandel und Inflation (je 47 Prozent) sind es demnach vor allem hohe Ansprüche an sich selbst (51 Prozent), die die Menschen als stressig empfinden. Auch die ständige Erreichbarkeit via Smartphone (37 Prozent) sowie finanzielle Sorgen (24 Prozent) verursachen Stress. Fast zwei Drittel der Berufstätigen fühlen sich erschöpft und ausgebrannt, jede und jeder sechste Berufstätige leidet unter stressbedingten Angstzuständen.

Andere Studien ergaben ein ähnliches Bild: Laut einer Ende Februar vorgelegten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos im Auftrag des Versicherungskonzerns Axa bezeichnet sich fast ein Drittel der Befragten als psychisch erkrankt. Rund 32 Prozent erklärten, dass sie unter Depressionen, einer Angst- oder Essstörung, Zwangsneurose oder anderen psychischen Erkrankungen leiden. Insgesamt wurden im vergangenen Herbst 2000 Menschen zwischen 18 und 74 Jahren in Deutschland online befragt.

Laut der KKH-Untersuchung gingen die längsten Fehlzeiten von durchschnittlich 112 beziehungsweise 71 Tagen im ersten Halbjahr auf wiederkehrende Depressionen und depressive Episoden zurück. Am häufigsten hätten die Ärzte aber akute Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen diagnostiziert: Diese verursachten bei einem Anteil von 41 Prozent nicht nur die meisten psychisch bedingten Krankschreibungen, auch die Arbeitsunfähigkeitsquote stieg hier am stärksten – nämlich um 42 Prozent.

Das zeige, dass immer mehr Menschen »unter ungewöhnlichem Druck, großen Belastungen und Dauerstress stehen«, erklärte Judick.

Mit Material aus Spiegel Online, KKH und Forsa

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