23.08.2017 11:19
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Annette Frier relativiert Fake News und unterstützt Qualität im Journalismus
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Annette Frier (42), Schauspielerin – TV-Serie Danni Lowinski, TV-Film Nur eine Handvoll Leben, Komikerin und Moderatorin (Doku-Serie Ach Europa), spricht über die Rolle von Fake News und Medien – auch aus eigener Erfahrung. Sie stellt sich den Fragen von Joachim Frank im Rahmen der Kampagne „Danke für Ihr Vertrauen“ des Kölner Stadtanzeigers:
"Frau Frier, sind die „Fake News“ von heute nicht die halb wahren oder häufig ganz falschen Klatsch- und Tratschgeschichten, mit denen Prominente wie Sie seit jeher leben müssen?
Stimmt, das lässt sich absolut vergleichen. Selbst jemand wie ich, die für die Revolverblätter längst nicht so interessant ist wie ein Boris Becker oder die britischen Royals, erlebt haarsträubende Geschichten. Als ich zum Beispiel 2014 mit meiner TV-Rolle als Rechtsanwältin Danni Lowinski aufhörte, stand irgendwo zu lesen: „Serienende, um Ehe zu retten“. Da war von Überlastung die Rede und von Beziehungsstress, in allen Details aufgedröselt, großformatig präsentiert. Mein Mann und ich saßen fassungslos vor dieser Doppelseite, die mir jemand vom Friseur mitgebracht hatte, und wir fragten uns, wo der ganze Blödsinn wohl hergekommen sein mochte. Quelle des Artikels? „Ein Insider verrät…“
Wie haben Sie reagiert?
Wir haben herzhaft gelacht und versucht, das Ganze mit Humor zu nehmen. Zum Glück sind „Fake News“ im Bereich des Entertainments nicht immer von wirklich zerstörerischer Qualität. Nach meiner Erfahrung gibt es nämlich keine effektive Verteidigung. Sobald man mit juristischen Mitteln dagegen vorzugehen versucht, spielt man ja das Spiel mit, bei dem dann häufig Aussage gegen Aussage steht und am Ende immer etwas hängen bleibt. Statt den Rattenschwanz abzuschneiden, wird er länger und länger.
Das Problem des Laufenlassens: Das Internet vergisst nicht.
Deshalb sollte man dem Kommunikationsraum Internet generell misstrauen. Ich warte darauf, dass endlich ein Internet-Knigge für das Verhalten im Netz herauskommt. Grundregel Nummer eins müsste lauten: Anonym gibt’s nicht. Wer im Internet etwas behauptet oder seine Meinung kundtut, muss sich outen und seine Quellen nennen. Wir haben aber für das Internet noch keine verbindlichen Regeln entwickelt, gelernt und eingeübt. Deshalb ist ist die Netzwelt unser Llano Estacado, ein Wildwest-Territorium für Desperados aller Art. Das könnte Sie auch interessieren
Die klassischen Medien dürfen demgegenüber als gesichertes Refugium gelten: präzise vermessen, gut beschildert und reglementiert durch eine Straßenverkehrsordnung der Kommunikation?
Auf alle Fälle. Natürlich kommen Fehler und Fehlleistungen auch in klassischen Medien vor. Das finde ich aber nicht so schlimm, solange es Redaktionskonferenzen gibt, das journalistische Arbeiten im Team mit Selbstreflexion und kritischer Diskussion. Redaktionen sind für mich Instanzen der Selbstkontrolle, Frühwarnsysteme, ein Gefüge von „Checks and Balances“. Das ist, wenn man so will, die Anwendung des Demokratie-Prinzips auf den Arbeitsalltag der Medien. Es kann sich dann eben nicht einer autokratisch hinstellen und seine persönlichen Ansichten als allein gültige Wahrheit in die Welt posaunen. Genau so entsteht übrigens, glaube ich, ein großer Teil der Fake News: durch das einsame Agieren irgendwelcher überspannter Typen oder natürlich aus unkontrollierter krimineller Energie staatlicher und nicht-staatlicher Akteure.
Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zur Zeitung?
Das hat für mich etwas sehr Rituelles. Wenn ich meine Kinder morgens zur Schule geschickt habe, freue ich mich auf meinen Kaffee und meinen „Stadt-Anzeiger“ Ich genieße es, dazusitzen und zu lesen – am liebsten immer noch auf Papier. Ich hantiere ungern mit den Zeitungs-Apps auf dem Smartphone oder dem Tablet, sondern blättere lieber um, Seite für Seite. Wie das wohl gesamtgesellschaftlich in 20 Jahren sein wird? Ich bin gespannt. Aber ich glaube, die Beharrungs- und Durchsetzungskraft solcher Rituale ist größer, als wir es auf unserem Trip ständiger Veränderung wahrnehmen und uns selbst zugestehen.
Als Schauspielerin sind Sie selbst „Berichtsgegenstand“ und werden von Journalisten kritisch beurteilt. Hat das Ihre Einstellung verändert?
Früher habe ich mir darüber wesentlich mehr einen Kopf gemacht. Aber je besser ich auch die andere Seite kennengelernt habe, konkret durch viele Gespräche mit Journalisten, bin ich in die Haltung hineingewachsen, dass schlimmstenfalls ein anderer Mensch eben anderer Meinung ist als ich. Ich halte meinen neuen Film für gelungen, der Rezensent findet ihn daneben. Na und? So ist das im Leben. Und das Lustige ist: Es gilt auch für den Kritiker. Jeder Journalist freut sich, wenn er gesagt bekommt, „Also, Ihr jüngster Artikel war wirklich ganz toll“. Natürlich sind wir Schauspieler dem Urteil des Publikums anders ausgesetzt als der Verfasser eines Zeitungsartikels. Aber am Ende sind wir in der gleichen Situation. Diese Einsicht hat mich viel lockerer gemacht im Umgang mit der Kritik in den Medien.
Was macht für Sie guten Journalismus aus?
Überparteilichkeit. Sobald ich rieche, dass mir jemand seine Weltsicht aufschwatzen oder unterjubeln will, reagiere ich allergisch. Und ich finde die Zeitspanne sehr wichtig, die zwischen einem Geschehnis und dem Erscheinen der Zeitung liegt. Ich weiß, auch Zeitungsredaktionen müssen online „in Echtzeit“ reagieren. Auf so manchem Newsletter ist – bildlich gesprochen – die Tinte noch nicht trocken, bevor er die Leser erreicht. Aber gerade deshalb bin ich heilfroh darüber, dass es für die Zeitung noch eine Art zweite Zeitzone gibt, in der die Journalisten Fakten checken, Hintergründe recherchieren und die Geschehnisse abwägen".
"Annette Frier über Qualität im Journalismus im Kölner Stadtanzeiger"
"Die Kampagne 'Danke für Ihr Vertrauen'"
"Annette Frier - Biographie und Engagements"
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16.08.2017 17:21
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Im Textilbündnis hakt es mit der Fairness
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"Für Fairness und Umweltschutz in der Textilindustrie“ – das Motto des Bundesentwicklungsministers Müller für das von ihm ins Leben gerufene Textilbündnis klang richtig gut. Und machte Hoffnung auf echten Fortschritt. Doch wie schreibt Timot Szent-Ivanyi vom Kölner Stadtanzeiger zu Recht:
„Der Anspruch ist hoch, doch in den Niederungen der Praxis hat sich gezeigt, dass er wohl zu hoch ist: Unter dem Eindruck der Katastrophe von Rana Plaza, bei dem mehr als 1.100 bangladeschische Textilarbeiter starben, rief Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) vor drei Jahren ein „Bündnis für nachhaltige Textilien“ ins Leben. „Wir wollen keine Kleidung auf unserer Haut tragen, für die andernorts Menschenrechte mit Füßen getreten, Menschen ausgebeutet oder vergiftet werden“ sagte der Minister damals und rief Unternehmen und Organisationen auf, gemeinsam an einer Verbesserung der Bedingungen in der Branche zu arbeiten. Nach einigen Startproblemen gewann das Textilbündnis an Fahrt. Doch mittlerweile steckt das Projekt wieder in Schwierigkeiten.
Industrie verweigerte sich fast komplett Schon am Anfang sah es so aus, als komme der Plan von Müller nicht über schöne Worte hinaus. Das Ministerium startete mit der Idee, die Textilunternehmen zu einer Einhaltung bestimmter sozialer und ökologischer Standards verpflichten zu können. Doch die Industrie verweigerte sich fast komplett. Daraufhin wurden die Anforderungen stark heruntergeschraubt: Jedes teilnehmende Unternehmen darf selbst festlegen, wie und in welchen Schritten es die Arbeitsbedingungen verbessern, die Transparenz erhöhen oder den Einsatz giftiger Chemikalien reduzieren will.
Damit das Bündnis aber nicht vollends zur Farce gerät, prüft ein unabhängiges Institut, ob die jährlich vorzulegenden Maßnahmenpläne hinreichend ambitioniert sind, wobei die Grenzen auch hier fließend sind. Nach dieser Aufweichung erklärte sich die Textilwirtschaft bereit, das Bündnis zu unterstützen. Auf dem Höhepunkt hatte der Zusammenschluss zum Jahreswechsel 2016/17 fast 190 Mitglieder, darunter auch Gewerkschaften, Verbände und nichtstaatliche Entwicklungsorganisationen. Die beteiligten Unternehmen deckten fast 60 Prozent des deutschen Textilmarktes ab“. Allerdings sind es inzwischen tatsächlich nur 81 Unternehmen der Textilwirtschaft. Und nur 17 haben ihre Roadmap veröffentlicht oder hinterlegt, die eine Fortschritt auch überprüfbar machen.
Denn – so Szent-Ivanyi - als es ernst wurde und die Unternehmen Anfang 2017 erstmals konkrete Maßnahmenpläne („Roadmaps“) vorlegen sollten, kamen dem mehrere Dutzend Firmen nicht nach. Sie stiegen aus oder wurden wegen der Verletzung der Bündnis-Regeln ausgeschlossen. Nicht mehr dabei sind Größen der Branche, wie etwa Ernsting's Family, Real, Trigema und Walbusch. „Das Bündnis jetzt zu verlassen, wo die Unternehmen über ein Lippenbekenntnis hinausgehen müssen, zeigt, dass ihr Engagement für Sozial- und Umweltstandards in ihren Lieferketten wohl doch nicht so ernst gemeint war“ sagt Berndt Hinzmann von der Entwicklungsorganisation INKOTA-netzwerk. (…)
Zudem hat sich jetzt herausgestellt, dass nur etwa zwei Drittel der von den Unternehmen für 2017 Jahre eingereichten Maßnahmenpläne vom Prüfinstitut als „plausibel“, also als hinreichend ambitioniert, beurteilt wurden. Die durchgefallenen rund 40 Firmen müssen nun nacharbeiten oder das Bündnis verlassen.
Unternehmen vermindern mit Umweltschutz ihre Wettbewerbsfähigkeit Im Entwicklungsministerium ist man über die Entwicklung nicht glücklich, doch man spricht von einer wohl notwendigen „Reinigungsphase“, bei der sich die Spreu vom Weizen trenne. Trittbrettfahrer könne man sich jedenfalls nicht leisten, heißt es. Und es wird darauf verwiesen, dass weiterhin große und einflussreiche Unternehmen dabei seien, wie etwa Aldi, Lidl, Tchibo, Adidas, C&A oder H&M.
Doch wie lange sie die Treue halten, ist unklar. Denn die geringe Marktdurchdringung ist für die Unternehmen ein Problem. Wer sich um soziale und ökologische Standards kümmert, produziert teurer und nimmt damit Wettbewerbsnachteile in Kauf. „Warum soll ich das tun, wenn ich dadurch das Geschäft der Konkurrenz fördere“, fragt man sich in den Chefetagen. Fair ist ein Bündnis nach Ansicht von Wirtschaftsvertretern erst, wenn die beteiligten Firmen etwa 75 Prozent des Marktes abdecken.
Funktioniert nationales Bündnis in globalisiertem Handel? Es gibt aber noch weitere Probleme. Langsam dämmert den Zuständigen, dass die Kritiker vielleicht doch mit ihrem Argument Recht haben, ein nationales Bündnis passe einfach nicht in die globalisierte Welt. Eines der wichtigsten Ziele des Bündnisses, die Bezahlung existenzsichernder Löhne, entpuppt sich nämlich als extrem schwierig. „Hier müssen wir die dicksten Bretter bohren“, sagt einer der Verantwortlichen.
Das überrascht wenig. Nur ein Beispiel: Selbst wenn ein deutsches Unternehmen bereit ist, an den Zulieferer in Pakistan mehr zu zahlen, kommt davon eher nichts bei einer Näherin an. Denn vielleicht hat diese deutsche Firma an der gesamten Produktion der fraglichen Fabrik nur einen Anteil von fünf Prozent, der große Rest geht hingegen an den US-Giganten Wal Mart. Dann kann ein rein deutsches Bündnis hier wenig ausrichten.
Man müsse die „Internationalisierung“ des Bündnisses vorantreiben, ist man bei den Koordinatoren des Vorhabens mittlerweile überzeugt. Ob man dafür aber noch genug Zeit hat, ist höchst unsicher. Es ist schließlich offen, ob der nächste Entwicklungsminister das Projekt, das eng mit Müller verbunden ist, noch weiter betreibt. Die notwendige koordinierende Arbeit der Bündnis-Geschäftsstelle ist jedenfalls bisher nur bis Ende 2018 finanziert“.
Fazit: In ihrer Breite und Vielfalt ist die Textilwirtschaft nicht wirklich willens, für Fairness, Umweltschutz und damit soziale und ökologische Nachhaltigkeit einzutreten. Konkurrenz wird hier zum Hebel und Motiv, der Unfairness und Ökodestruktivität weiter das Tor offen zu halten. Ohne staatliche Rahmensetzung wird es keinen Fortschritt geben. Wie so oft entpuppt sich die Selbstverpflichtung als Maske der Unverbindlichkeit.
"Was das Textilbündnis über seinen Stand der Dinge schreibt"
"Was der Kölner Stadtanzeiger zu den Problemen des Textilbündnisses schreibt"
"Wie FEMNET aktuell das Textilbündnis seht"
"Was Fashion United aktuell zum Textilbündnis kommentiert"
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