Blog nach Kategorie: Bildung

15.02.2024 15:38
Klimawandel, Krise und Unfairness
Sicher: ein anspruchvolles Interview in der FR mit einer Philosophin zu Klimawandel und Krise, den Unterschied von Optimismus und Hoffnung, zu Tierleid und Risiken der Gesellschaft - das sich zu lesen lohnt - und etwas aussagt, über Fairness und Unfairness in unserer Zeit und Gesellschaft:

"Frau Professorin Pelluchon, wir leben in Zeiten der Krise, heißt es. Blickt man in die Geschichte, war dies immer die beste Phase der Philosophie. Richtig?

Es ist die große Zeit der Philosophie. Aber auch eine, in der viele Menschen weniger Demokratie fordern, um die Herausforderungen meistern zu können. Sie weigern sich, ihre Vorstellungen und Existenzweisen infrage zu stellen. Dabei werden wir mit Fragen konfrontiert, die Achtung vor der Welt erfordern. Die Gefahr eines Kollapses besonders durch die Klimaerwärmung legt unsere Verletzbarkeit offen. Wir sollten daher aufhören zu glauben, dass wir für alle Probleme immer eine Lösung hätten. Das haben wir nicht.

Viele Menschen reagieren eher mit Wut und Ignoranz …

Bei so vielen schlechten Nachrichten haben die Menschen die Tendenz, die Realität zu leugnen. Die negativen Emotionen, die durch Kriege und die Klimaerwärmung ausgelöst werden, sind allerdings psychisch und moralisch sehr schwierig. Viele versuchen, die schlechten Nachrichten zu verdrängen, um nicht darunter zu leiden. Das ist der Grund dafür, dass sie ihren Lebensstil nicht ändern, obwohl sie über genügend Informationen verfügen, dass wir dabei sind, den Planeten zu zerstören. Sie leugnen das Phänomen lieber, um ihre Todesangst zu kaschieren. Manche Menschen folgen eher politischen Führern, die die menschengemachte Erderwärmung leugnen, um den Herausforderungen nicht ins Auge sehen zu müssen. Und doch könnte es auch eine Chance sein, uns anders zu sehen und anders zu leben. Doch die Konsum- und Lebensgewohnheiten ändern sich nicht. Es ist eine gefährliche Lage, in der wir uns befinden.

Die Ungewissheit ist unser Alltag geworden?

Auf einer individuellen und kollektiven Ebene ist das der Fall. Die Herausforderung der Klimaerwärmung ist zu groß für uns. Das einzusehen, ist sehr schwierig für die, die gewohnt sind, alles zu kontrollieren und Probleme zu lösen. Diese Illusionen der Allmacht müssen aufgegeben werden. Das heißt, dass einige unserer Vorstellungen und Dogmen nicht mehr relevant sind, zum Beispiel unser Denken über den Fortschritt, den wir mit Konsum und Wachstum identifizieren. Diese Vorstellungen waren in der Vergangenheit relevant, aber sie haben sich überlebt.

Was kommt stattdessen?

Die derzeitige Lage ist sehr beängstigend. Wir wissen, was nicht mehr relevant ist, aber wir haben noch kein Wissen, was richtig sein könnte. Wir wissen nur von Unwissenheit und Gefahr. Es gibt keine umfassende Vorstellung, die uns in die Lage versetzt, eine Zukunft zu konfigurieren. Die Verzweiflung sucht uns heim, weil wir denken, dass es keine Zukunft gibt. Viele junge Menschen denken, dass es morgen schlechter wird als heute. Unter solchen Umständen leidet man. Man sperrt sich ein oder erträgt die Lage nicht mehr. Das hat Folgen. Um seine eigene Hilflosigkeit nicht mehr zu empfinden oder eine stellvertretende Allmacht zu spüren, ist die Versuchung groß, jenen zu folgen, die sich als allmächtig ausgeben.

Wir kommen nicht umhin, das Unmögliche zu durchqueren, schreiben Sie in Ihrem neuen Buch. Was heißt das?

Unsere Lage erfordert, das Unmögliche zu akzeptieren. Wenn man verzweifelt ist, glaubt man, dass die Nacht kein Ende hat. Statt zu kämpfen, muss man die Lage akzeptieren. Das klingt paradox. Aber wenn man darauf verzichtet, alles zu kontrollieren, erst dann kann man merken, dass es Leute gibt, die gute Dinge tun, dass es Vorzeichen eines neuen Zeitalters gibt, das die Zukunft öffnen könnte. So bezeichne ich das, was ich Hoffnung nenne: eine Erwartung, die noch nicht da ist, aber eine Ankündigung darstellt.

Eine Art Optimismus?

Der Optimismus ist eine Art Verleugnung. Er resultiert aus fehlender Ehrlichkeit, man macht glauben, dass man die Lösung für alle Probleme habe. Der Optimismus verschleiert also die Wirklichkeit. Die Hoffnung ist das Gegenteil von Optimismus. Man darf sie nicht mit Optimismus verwechseln.

Was sollen wir denn darunter verstehen?

Die Hoffnung besteht darin, trotz der Schwierigkeiten, denen wir uns gegenübersehen, dennoch die nicht spektakulären Zeichen zu bemerken. Erst das ermöglicht es, dass das Unerwartete eintritt. Hier ist es wichtig zu wissen, dass die Hoffnung erst kommt, wenn man es nicht erwartet. Sie ist das Unerwartete.

Was, wenn das Unerwartete nicht kommt?

Die negativen Emotionen, die mit dem Klimawandel verbunden sind, führen die Gefahr mit sich, dass sich das Leiden in Hass und Tyrannei verwandelt. Wenn man leidet, keine Zukunft mehr sieht, nicht mehr atmen kann, neigt man dazu, Scham zu empfinden, aber manchmal auch Hass. Deshalb hat die Verzweiflung eine destruktive Dialektik. Sie kann zu Selbstmord führen oder zu Groll und Destruktivität. Andererseits gibt es ohne die Durchquerung des Unmöglichen, ohne die Anerkennung seiner eigenen Grenzen und Fehlbarkeit, keine Möglichkeit, seine Existenzweise zu ändern. Für mich sind die negativen Emotionen wie Hilflosigkeit, Angst notwendige Stufen; nur so können alle lernen, dass die Lösungen nicht in unserem Besitz sind und wir lernen müssen, dass einige unserer Gewohnheiten nicht relevant sind. Die Spezifizität der Erderwärmung ist die Möglichkeit unserer Unmöglichkeit, es handelt sich um unseren Tod und die Zerstörung anderer Arten. Der Klimawandel ist eine Krisis, wobei das Wort zu schwach ist; es zeigt die Prekarität, die Verletzlichkeit unserer Zivilisation.

Was bedeutet das für jeden Einzelnen von uns?

Die Herausforderung ist zu viel für den Einzelnen. Diese Erfahrung erfordert Geduld und sogar Demut, die eine Bedingung für Mut ist. Wenn man akzeptiert, diese Schwierigkeit zu durchqueren, kann man Dinge bemerken, die man vorher nicht bemerkt hat. Charles Péguy hat Hoffnung mit einem kleinen Mädchen verglichen, das niemand sieht. Es ist die Fähigkeit, trotz der chaotischen Gegenwart die Vorboten zu bemerken, die eine Zukunft für uns eröffnen könnte. Natürlich ist das nicht sicher, dass es so kommt. Es gibt viele Kämpfe vor diesem Zeitalter der Lebendigkeit, wie ich es nenne. Alle negativen Nachrichten können dazu führen, dass wir die Realität durch die Gefängnisstäbe des Negativen sehen. Wie bei einer Depression trägt es dazu bei, dass man mehr und mehr leidet. Es gibt diese mögliche Destruktivität, die zur Katastrophe führt. Aber es gibt auch in dieser Lage Hoffnung, wenn wir demütig und mutig sind angesichts der Gefahren. Unsere beängstigende Lage hat bereits Folgen. Es gibt überall eine Zunahme der extremen Rechten. Es ist nicht voneinander zu trennen.

Was ist das große Problem am Optimismus? Der Psychologe Steven Pinker sagt, alles hat sich gut entwickelt, wir sollten optimistisch sein, wir nehmen die Welt nur falsch wahr. Sie streiten das ab, warum?

Optimismus und Pessimismus sind keine philosophischen Begriffe. Natürlich müssen wir in unserem Alltag Illusionen und Wünsche haben. Für Hoffnung gibt es zwei Bedeutungen, die das Französische kennt: l’espoir, die persönliche Erwartung, also meine Wünsche, und l’espérance, Hoffnung als theologische Tugend, die keinen persönlichen Sehnsüchten entspricht, sondern eine Beziehung zur Geschichte aufweist. Optimismus ist ein Trost, eine Lüge, eine Haltung, ach, morgen wird es besser, und ich habe Lösungen, etwa dass wir durch Technologien den Klimawandel aufhalten können. Das sagen einige. Einige sagen, es gibt Probleme, aber nicht so große. Das ist eine Lüge und ein Hindernis, denn so muss man seine Lebensweise nicht ändern. In dieser Hinsicht sind diejeinigen, die unter Depressionen leiden, als Wächter anzusehen, denn sie sagen angesichts der beschriebenen Haltung: Halt, der Optimismus ist eine Lüge. Sie zeigen ihr trauriges Gesicht, um zu demonstrieren, dass wir so nicht weiter leben können – und dabei auch den Tieren so viel Gewalt zufügen. Die Optimisten verweigern sich, sie wollen nichts ändern.

Aber ist das nicht etwas zu viel Schwarzmalerei? Es gibt ja auch Fortschritte.

Aber natürlich, es gibt Fortschritt. Sie und ich sind glücklich, der Arzt kann unser Leben retten, wir haben viele Vorteile durch die Technologie im täglichen Leben. Auch in der Moral, etwa bei Männern und Frauen, MeToo ist ein Zeichen des Fortschritts, weil die Gesellschaft ein paar Dinge nicht mehr akzeptiert. Ich will den Begriff des Fortschritts nicht über Bord werfen, aber man kann nicht sagen, alles ist perfekt. Optimismus ist also nicht nur eine Lüge, sondern auch ein Hindernis. Er ist eine Verleugnung. Es ist so schwierig, seine eigenen Illusionen zu verlieren, dass man die Neigung hat, zu vergessen und so zu tun, als ob es keine Probleme gäbe. Die Verdrängung unserer Angst, die Verleugnung unserer Todesangst hat dramatische Folgen; sie trägt dazu bei, dass wir uns wie starke Menschen sehen, weiter konsumieren und politische Führer wählen, die dem Bild der Allmacht entsprechen. Trotz der Informationen über den Klimawandel ändern die Menschen ihre Essgewohnheiten in Bezug auf Fleisch nicht. Und weil sie sich verloren fühlen, wollen sie einem Heroismus frönen, um das zu verschleiern. Wir alle haben viele Illusionen. Wir sind enttäuscht und fühlen uns angesichts der großen Gefahren hilflos. Wir leben in einer Ungewissheit, die unser Leben kennzeichnet.

Wie sollen wir dann in dieser Ungewissheit handeln?

Wenn wir diesen Mut haben, die Reife haben, sehen wir unserer Sterblichkeit und Verletzbarkeit und der unserer Zivilisation ins Auge. Erst wenn wir unsere Illusionen verlieren, gibt es etwas, das uns hilft: den dünnen Leitfaden, der uns mit den anderen Lebewesen verbindet. Es ist wie bei Derrida, der am Ende seines Lebens stand und sagte, man versteht, wenn nicht mehr viel Zeit ist. Dann hat man eine Achtsamkeit; man ist dazu fähig, die Schönheit zu bemerken und das Leben zu genießen, das ist meine eigene Erfahrung und die der jungen Leute, die unter Depression und Hilflosigkeit und Wut leiden. Der Grund ihres Leidens ist die Liebe zur Welt. Wenn sie ihre Emotionen mitteilen, dann bemerken sie, dass es Leute gibt, die viel Gutes hervorbringen, die gute und konkrete Dinge etwa in Bezug auf Landwirtschaft, Viehzucht, Erziehung und so weiter bringen. Von ihnen spricht man nicht, sondern nur von denen, die viel Lärm machen. Wir finden Mut, um Widerstand gegen Rechte zu haben. Hoffnung ist kein Diskurs, sondern eine Art Energie. Man hat die sanfte Macht, die Zukunft zu gestalten. Man hat wieder den Glauben an die Zukunft, obwohl man das Böse, die Gefahr sieht, der eigenen Fehlbarkeit ins Auge sieht.

Sie fordern eine neue Aufklärung, eine Art Aufklärung 2.0. Das Leid der Tiere verändere auch uns Menschen, schreiben Sie in Ihren Büchern. Wie steht es um das Leid der Tiere?

Wenn man sich um die Tiere kümmert, wenn man sich für sie interessiert, dann gibt es keinen Sonntag. Die Tiere leiden jeden Tag überall in der Welt. Die Menschen fügen ihnen unerträgliches Leid zu. Für mich ist die Tatsache, dass immer mehr Menschen sich um Tiere kümmern, ein Zeichen eines moralischen Fortschritts. Natürlich warten wir in der Produktionsweise auf Fortschritte, damit sich ihre Lage verbessert. Vor 20 Jahren, als ich mich um die Frage gekümmert habe, gab es nicht viele, die das Thema interessierte. Die Politiker sind etwas langsam, hören oft nicht zu, nehmen die Frage nicht ernst genug. Aber eine neue Aufklärung im „Zeitalter des Lebendigen“ ist wesentlich eine Haltung, ein Ethos, der darin besteht, seine eigene Gegenwart als Objekt seines Gedankens zu halten, um ihre Herausforderungen und Gefahren zu identifizieren. Das Laster unserer Zivilisation ist sozusagen die radikale Trennung von Mensch und Natur; die Tatsache, dass wir vergessen haben, dass auch wir Lebewesen sind. Es gibt große Unterschiede zum Tier, aber auch viele Gemeinsamkeiten; Empfindungsfähigkeit reicht aus, um Tieren Rechte zuzuschreiben. Es muss eine Aufklärung nach der Finsternis, nach Holocaust, Hiroshima, dem kolonialen Verbrechen sein. Sie muss die Wertschätzung („considération“) auf eine zivilisatorische Ebene stellen, die Trennung von Tier und Mensch muss überwunden werden, das leistet die Ökologie, eine Phänomenologie der Ernährung, die hier eine heilende Kraft hat.

Zur Person Corine Pelluchon, 1967 im Département Charente geboren, hat eine Philosophieprofessur an der Université Gustave Eiffel. Sie ist zudem Mitglied des Hannah Arendt Interdisciplinary Laboratory for Political Studies. Zudem arbeitete sie am „New Institute“ an dem Programm „The Human Condition in the 21st Century“. Ihre Schwerpunkte sind Moralphilosophie, Politische Philosophie sowie Angewandte Ethik. Im Februar erhielt sie in München den Günther- Anders-Preis für kritisches Denken. Ihr Buch „Das Zeitalter des Lebendigen. Eine neue Philosophie der Aufklärung“ ist 2021 in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt erschienen.
Corine Pelluchon: Die Durchquerung des Unmöglichen: Hoffnung in Zeiten der Klimakatastrophe. München 2023. C.H.Beck. 159 Seiten, 22 Euro.

07.11.2023 12:31
Keine faire deutsche Gesellschaft - Der allgegenwärtige Rassismus in Deutschland
Forschende haben 21.000 Menschen zu ihren Rassismus-Erfahrungen in Deutschland befragt. Das Ergebnis offenbart ein massives Gefälle zwischen weißen Menschen und all jenen, die als rassistisch markiert gelten. Spiegel-Online berichtet darüber heute:

„Rassismus ist in Deutschland allgegenwärtig. Viele nicht deutsch gelesene Menschen machen regelmäßig negative Erfahrungen – im Umgang mit Mitmenschen, Behörden, in Praxen oder bei der Polizei. Das ist das Ergebnis einer umfangreichen Untersuchung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim). Am stärksten betroffen sind schwarze Menschen, hier hat der Analyse zufolge mehr als jeder zweite eigene Rassismuserfahrungen in der Öffentlichkeit gemacht.

Demnach berichten vor allem schwarze Männer (54,8 Prozent) häufiger davon, in ihrer Freizeit Diskriminierungserfahrungen zu machen. Muslimische Männer sind mit 41,2 Prozent ebenfalls stark betroffen. Dezim hat für die Untersuchung von Juni bis November 2022 eine repräsentative Befragung mit mehr als 21.000 Personen durchgeführt.

Zentrale Details aus der Rassismus-Studie:

Fast jede fünfte schwarze Frau (19 Prozent) gibt an, immer wieder Bedrohungen oder Belästigungen zu erfahren, bei den schwarzen Männern sind es 18 Prozent. Unter den nicht rassistisch markierten Menschen betrifft dies nur elf Prozent der Frauen und sechs Prozent der Männer.

37 Prozent der schwarzen Männer gaben an, dass ihnen regelmäßig mit Angst begegnet wird. Das ist damit viermal mehr als bei nicht rassistisch markierten Männern (neun Prozent). Bei den schwarzen Frauen berichtete jede Fünfte, dass ihr immer wieder mit Angst begegnet wird – im Vergleich zu etwa jeder 30. nicht rassistisch markierten Frau (vier Prozent).

Muslimische Menschen machen besonders oft Diskriminierungserfahrungen in Ämtern und Behörden sowie mit der Polizei. Mehr als ein Drittel der muslimischen Männer (39 Prozent) berichte von häufigeren Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen bei der Polizei, 51 Prozent würden Ämter und Behörden nennen. Unter den muslimischen Frauen hätten 46 Prozent angegeben, dass sie Diskriminierung in Ämtern und Behörden nicht selten erlebt haben. Im Kontakt mit der Polizei beträgt der entsprechende Anteil 25 Prozent.

Die Diskriminierung von Sinti und Roma ist ebenso aggressiv wie vielfältig

Als rassistisch markiert definieren die Forschenden beispielsweise Personen, die sich als schwarz, muslimisch oder asiatisch identifizieren. Als nicht rassistisch markiert gelten mit Blick auf Deutschland weiße Personen.

Mit speziellem Schwerpunkt haben die Forschenden das Gesundheitswesen untersucht. »Schwarze, muslimische oder asiatische Frauen und Männer geben jeweils mehr als doppelt so häufig wie der Rest der Bevölkerung an, im letzten Jahr medizinische Behandlungen aus Angst vor Schlechterbehandlung verzögert oder vermieden zu haben«, sagte der Direktor des Dezim-Instituts, Frank Kalter. Diskriminierung finde hier an unterschiedlichen Stellen statt. Die Betroffenen erhielten zum Beispiel schlechter Termine und fänden weniger Gehör mit ihren Leiden.

Dem Bericht zufolge machen dort Frauen häufiger negative Erfahrungen als Männer: 39 Prozent der schwarzen Frauen, 35 Prozent der muslimischen Frauen und 29 Prozent der asiatischen Frauen berichten von mindestens gelegentlich ungerechter und schlechterer Behandlung. Und auch 26 Prozent der nicht rassistisch markierten Frauen haben Diskriminierung im Gesundheitswesen erlebt.

Eine Teilnehmerin berichtete, eine Frauenärztin habe ihr einen Gesundheitscheck für sexuell übertragbare Krankheiten verweigern wollen. So was »sei eher unwahrscheinlich bei Frauen aus meiner Kultur«, gibt sie die Begründung wieder. »Bei Frauen aus meiner Kultur?« »Du gehst zum Frauenarzt«, berichtete eine andere Betroffene, »und sie fragen dich: ›Haben Sie schon einen HIV-Test gemacht?‹ Nur weil du schwarz bist, wollen sie dich testen.«

Naika Foroutan, Leiterin von Dezim, beklagte eine ungleiche Verteilung von erlebter Diskriminierung in Deutschland. »Das darf in Demokratien nicht passieren, dass gerade deren Ämter und Institutionen nicht alle Menschen gleichbehandeln«, so Foroutan. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, nutzte die Studienergebnisse zur Werbung für bessere Antirassismus-Schulungen bei Ärztinnen und Ärzten sowie in Krankenhäusern. »Hautfarbe oder Nachname dürften niemals entscheiden, wer wann den Arzttermin oder den Therapieplatz erhält«, sagte die SPD-Politikerin“.


25.09.2023 14:45
Bananen sind mitunter Einladungen zur Unfairness
Bananen – umweltfreundlich und unter fairen Arbeitsbedingungen produziert? Was ist von den Nachhaltigkeitssiegeln zu halten?
ZDF-Reporter haben sich auf die Spur von Bananen in deutschen Supermärkten gemacht. In Ecuador und Costa Rica entdecken sie ein System der Angst. Die Siegel werden oft ohne das Einhalten der erforderlichen Standards vergeben werden. Arbeiterinnen und Arbeiter berichten von massiven Arbeitszeitverstößen und ungeschütztem Kontakt mit giftigen Pestiziden – auch bei Betrieben, die mit Nachhaltigkeitssiegeln von großen Zertifizierern ausgezeichnet sind.

Die Dokumentation "Die Spur" im ZDF deckt auf, was sich hinter den Kulissen abspielt: Niedrige Standards, lasche Kontrollen und die mutmaßliche Abhängigkeit der Zertifizierer von der Lebensmittelindustrie. Die Bananen, die wir kaufen, haben oft einen bitteren Beigeschmack. Den Preis zahlen die Menschen vor Ort.

„Wir nutzen eine Vielzahl von Pestiziden“

Zu Hause im Supermarkt gibt es viele schöne Aufkleber. Den WWF-Pandabär. Das Bio-Siegel. Das Siegel „Rainforest Alliance“. „Marken können damit ausdrücken, dass Gutes in ihren Produkten steckt“, verspricht der Werbefilm. Das ZDF-Team startet nach Lateinamerika. Ein Drittel aller Bananen weltweit kommt aus Ecuador. Bei Dole oder Chiquita will man mit dem Fernsehteam nicht sprechen. Es filmt dann eben den üppigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf die Bananen. „Wir nutzen eine Vielzahl von Pestiziden“, plaudert ein Produzent sehr freimütig. Die Arbeiter machen das ohne Atemschutz.
Bananen und Bananen-Republiken

1870 ist das Jahr, in dem die Banane ihre Weltkarriere beginnt. Da entdecken US-Unternehmer die Frucht als Verkaufsschlager. In Lateinamerika entstehen Monokulturen. Korrupte Regierungen spielen mit – und handeln sich den Titel „Bananen-Republik“ ein. Die Regierungen gehen, die Pestizide bleiben. Die Leiterin einer Schule inmitten von Plantagen berichtet von einer weißen Schicht, die sich auf der Haut ihrer Schüler absetzt, wenn die Sprühflugzeuge unterwegs sind. „Wenn sie sprühen, fühlen sich die Kinder schlecht“, sagt die Lehrerin. Die Piloten oben tragen Masken. Die Schüler unten und die Arbeiter in den Plantagen aber nicht.

Welche Chemikalien eingesetzt werden? Mancozeb etwa, in der EU verboten, aber in Ecuador erlaubt. Es beeinflusst die Schilddrüse. Wenn werdende Mütter dem Stoff ausgesetzt sind, zeigen ihre Kinder später Schwächen „bei emotionalen und kognitiven Tests“, erklärt eine Wissenschaftlerin. Kurz: Kopf und Gefühlsleben sind gestört. Krebserregend soll die Chemikalie auch sein. In Bayern empfiehlt die Verbraucherzentrale, sich der Rückstände wegen nach dem Anfassen von Bananenschalen die Hände zu waschen. In Südamerika fliegen Sprühflugzeuge über Kinder und Arbeiter.

„Da werden sogar die Steine grün angestrichen“

Beispiel REWE. Auf Bananen klebt der grüne Frosch von „Rainforest Alliance“, das Siegel schmückt angeblich 40 Prozent der Bananen in Deutschland. Die ZDF-Reporter besuchen den Herstellungsbetrieb in Ecuador. Die Versprechen: weniger Pestizide, gute Arbeitsbedingungen. Eine Arbeiterin, Maria genannt, erzählt Anderes: „Die Bedingungen sind schrecklich“, sagt sie. „Sie lassen uns von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends arbeiten – zahlen aber nur Teilzeit.“ Heißt: Deutlich weniger als die gesetzlich vorgeschriebenen 450 Dollar Mindestlohn.

Die Kontrollen fürs Siegel werden im Regelfall angemeldet. Das ZDF spielt die Audioaufnahme von einem Vorarbeiter ein: „Morgen kommt möglicherweise jemand von ,Rainforest‘“, sagt der – und gibt vor, welche Chemie eingesetzt werden darf: Glyphosat. Und vor allem, welche Pestizide samt Umverpackungen für diesen Tag verschwinden müssen. „Da werden sogar die Steine grün angestrichen“, berichtet ein Gewerkschafter vor Ort.

„Es duscht einen!“

Nächste Station: Costa Rica, ein Viertel der deutschen Bananen kommt von hier. Ein Video von Arbeitern zeigt, wie sie im Sprühnebel der Chemieflugzeuge arbeiten. Dreimal im Monat komme das vor, sagt einer. „Es fliegt über einen hinweg und duscht einen!“ Einer der Betriebe produziert für Aldi. Auch er hat ein „Rainforest Alliance“-Siegel. Aldi will untersuchen – und nimmt die Produkte des Herstellers so lange aus dem Sortiment.

104.289 Bio-Siegel aktuell in Deutschland

Wer also ist diese „Rainforest Alliance“? In den vergangenen zehn Jahren habe die Organisation die Einnahmen auf 90 Millionen Dollar verdoppelt. Millionenspenden kommen von Jacobs, Walmart und Ikea. Das große Geschäft bringen mit 60,3 Prozent aber die Lizenzgebühren – also der Verkauf des Grüner-Frosch-Siegels. Zwei Zahlen dazu: 78 Prozent der Verbraucher in Deutschland gaben schon 2019 an, dass Siegel ihre Kaufentscheidung erleichtern. Im Juni 2023 trugen in Deutschland 104.289 Produkte Bio-Siegel.

Noch gibt es Bananen in jedem Supermarkt. Aber wird das auch in Zukunft so sein?

Entwarnung gibt es nicht, im Gegenteil: "Die Situation ist wirklich dramatisch", sagt Gert Kema von der niederländischen Universität Wageningen, einer der weltweit führenden Bananenforscher. "Gegen diesen neuen Erreger der Panama-Krankheit gibt es kein Mittel. Und gegen weitere Pilze helfen nur riesige Mengen an Fungiziden. Die Banane, die wir kennen, ist extrem bedroht - und ein Nachfolger nicht in Sicht."

Geklonte Pflanzen

Cavendish heißt die Sorte, die zu mehr als 95 Prozent den globalen Bananenhandel dominiert, in Deutschland sogar zu 99 Prozent. Während wilde Bananenpflanzen erbsengroße Samen enthalten können, ist die Cavendish samenlos - die Frucht entwickelt sich ohne Bestäubung.

Die Cavendish-Banane vermehrt sich mithilfe von abgeschnittenen Trieben, die in den Boden gesteckt werden. Damit sind praktisch alle Cavendish-Bananen auf der Welt geklont: Sie sind genetisch gleich. "Bananen sind die schlimmste, verrückteste Monokultur der Welt", sagt Kema.

Über eine Million Tonnen Bananen essen die Deutschen jedes Jahr. Damit haben sie eine Spitzenposition in Europa - mit enormer Preismacht. Denn ein Drittel des gesamten EU-Bananenimports landet auf heimischen Ladentischen, in den Supermärkten und bei den Discountern. In einem gnadenlosen Preiskampf verkommt hier die gelbe Frucht zur Ramschware. Der Preis für Bananen ist seit 20 Jahren nicht gestiegen. Der Film deckt die erstaunlich große Macht deutscher Supermarktketten auf und zeigt, welch dramatische Folgen unser Billigwahn für Arbeiter und Umwelt in den Anbauregionen Lateinamerikas hat.
Trotz möglicher Alternativen greifen die Kunden vor allem zu den Billigangeboten. Entgegen allen Lippenbekenntnissen fristen Bio- und Fair-Trade-Bananen ein Nischendasein. Der über ein Jahr lang recherchierte Film zeigt in eindringlichen Bildern: Die wahre "Bananenrepublik" liegt heutzutage nicht mehr in Lateinamerika, sondern in Deutschland.
Die Banane ist das meistkonsumierte Frischobst der Welt und auch die beliebteste Südfrucht der Deutschen: Rund 18 Kilo werden hierzulande im Schnitt jährlich pro Privathaushalt verzehrt. Obwohl Bananen per Schiff aus Ländern wie Peru, der Dominikanischen Republik, Kolumbien oder Ecuador importiert werden müssen, kosten sie häufig nur halb so viel wie heimische Äpfel. Der Preisdruck wird häufig an die Produzent*innen weitergereicht, und das bei stetig steigenden Produktionskosten.
Herausforderungen

Der Klimawandel mitsamt seinen Folgen ist die größte Herausforderung der Agrarproduktion. Er beeinflusst auch den Bananenanbau massiv: Extreme Hitzewellen, Überschwemmungen oder außergewöhnliche Kälteperioden bedrohen die Ernten. Hinzu kommen Pflanzenkrankheiten wie Fusarium TR4. Diese gefährden nicht nur die Verfügbarkeit der Banane, sondern auch Lebensgrundlagen der Produzent*innen.

Kleinbauernfamilien fürchten um ihre Existenz, da sie dem Preisdruck, der von Exporteuren, Importeuren und Supermärkten ausgeht, oft nicht standhalten können. Das Überleben der Kleinbauernfamilien, die in Konkurrenz mit riesigen Bananenplantagen stehen, ist nicht gesichert.

Arbeiter*innen auf nicht Fairtrade-zertifizierten Bananenplantagen arbeiten oft unter katastrophalen Arbeitsbedingungen. Dazu gehören teilweise Arbeitszeiten von bis zu 15 Stunden und willkürliche Gehaltszahlungen, die meist weit unter dem Mindestlohn liegen. Das liegt unter anderem daran, dass unabhängige Gewerkschaften fehlen – auf vielen konventionellen Bananenplantagen sind diese verboten.

Bananen sind „Pestizid-Weltmeister": Die meisten Verbraucher*innen kaufen am liebsten makellose Bananen. Deshalb werden Pestizide oft großzügig und unkontrolliert eingesetzt – mit enormen Risiken für Mensch und Natur. Dazu gehören gesundheitliche Schäden für Arbeiter*innen bis hin zum Verlust der Biodiversität. Für Fairtrade-Bananen gibt es dagegen strenge Umweltstandards. Dadurch sind auch konventionelle Fairtrade-Bananen nachhaltiger als herkömmliche Bananen.

Warum Fairtrade den Unterschied macht

Der faire Handel unterstützt die Arbeiter*innen auf den Bananenplantagen und setzt sich gleichzeitig für die Bananen-Kleinbauernfamilien ein

Gedüngt wird beim Bio-Bananenanbau wie folgt: >Pflanzenmaterial der abgeschlagenen Pflanzen wird auf der Stelle mit der Machete zerkleinert und sichelformig um den Schößling gelegt »Kompost wir hergestellt »nie wird Dünger unkompostiert aufs Feld gebracht (BCS-Auflage) »der Dünger besteht hauptsächlich aus Kuhmist, Ziegenmist, Schafmist, geschredderten Bananenstengeln (Kalium!), Reisasche, Asche aus Sägespänen, Stroh, Bananenschalen, Kakaoblättern. Zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit wird außerdem der Anbau von Leguminosen von der BCS vorgeschrieben. Dabei handelt es sich um Gandules (Linsenart). Die Pflanzen sollen am Feldrand und in der Plantage stehen. Sie werden außerdem in eigenen Feldern angebaut, dann zerkleinert und dem Kompost zugegeben. Pflanzenschutz: Das Unkraut wird manuell geschnitten »gegen die Blattkrankheit Sigatoka wird alle 10-14 Tage mit Kryphton oder Milagros (Metallsulfate, BCS-zertifiziert) geflogen »zum Schutz gegen Insekten werden Tüten an der Staude angebracht, sobald sich die Blüte zeigt »Gegen Kronenfäule wird eine Tinktur aus Citrex, Zitronensaft (0,1%) und Alaun (10%) mit dem Pinsel aufgebracht »Rund um und in der Packstation wird zur Desinfektion und zum Fernhalten von Insekten, wie z.B. Kakerlaken, Kalk ausgestreut.

Mit Material des ZDF, das Erste, Faire Trade und Querbeet.

11.09.2023 13:02
Fairness und Klugheit gehen anders - Lehrermangel mutwillig provoziert
Das ist nicht zu fassen: In Deutschland fehlen knapp 14.500 Lehrkräfte an den Schulen – und etliche Bundesländer schicken ihre Referendare, befristet eingestellte Lehrkräfte und Honorar-Lehrkräfte während der Sommer-Schulferien in die Arbeitslosigkeit. Beziehungsweise zur Arbeitsagentur, um sich arbeitslos zu melden und wenigstens Bürgergeld zu bekommen. Gewerkschaften finden das nicht nachvollziehbar - vor allem vor dem Hintergrund des dramatischen Lehrkräftemangels. Es ist grotesk – und gegenüber den Lehrenden krass unfair und politisch unklug, um nicht zu sagen: dumm.

Denn es wird die Motivation für den Lehrberuf nicht steigern. Und wer schon mal davon gehört und gelesen hat, wird den Beruf ganz meiden.
Bei Referendaren sieht das so aus: Die zweite Phase der Ausbildung nach dem Studium mit praktischem Einsatz in der Schule, wird auch Vorbereitungsdienst genannt. Dauer je nach Bundesland 12 Monate (z.B. Brandenburg) bis 24 Monate (z.B. Bayern und Thüringen), in den meisten Ländern sind es 18 Monate wie in Baden-Württemberg. Vergütung abhängig von Bundesland und Schulform. Der "Anwärtergrundbetrag" liegt laut GEW zwischen 1.426 € und 1.595 € brutto (Stand Oktober 2021). Von wegen vermindert einsatzfähig wegen Lernprozess: Der Lehrermangel führt oft dazu, dass Referendare volle Leistung bringen müssen.

Der Bundesverband der GEW hat eine Umfrage innerhalb der eigenen Landesverbände gemacht. Laut dieser gibt es unter anderem in Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein keine Gehaltslücke für Referendarinnen bzw. sind sie dort durchgehend beschäftigt. In anderen Bundesländern gibt es kürzere Lücken als die sechs Wochen Sommerferien. In anderen beträgt die Lücke sogar bis zu sechs Monaten. Das liegt an den unterschiedlich langen Referendariaten.

Der deutsche Lehrerverband verurteilt, dass
Referendare mehr oder weniger lang auf Bürgergeld angewiesen sind. Es sei ein leidiges Thema. "Wer an Werktagen und Wochenenden für ein Bundesland gearbeitet hat, ihm und seinen Kindern gedient hat, der hat die Bezahlung der Sommerferien verdient", so der Präsident des Lehrerverbandes Stefan Düll.
"Stattdessen schicken Bundesländer wie beispielsweise Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen die frisch gebackenen Lehrerinnen und Lehrer zunächst in die Arbeitslosigkeit. Wertschätzung sieht anders aus".

Vor dem Hintergrund des dramatischen Lehrkräftemangels sei das Verhalten einiger Bundesländer nicht nachvollziehbar, so der GEW-Bundesverband.
Und der Lehrkräftemangel ist auch in Baden-Württemberg groß. Das Land hat aktuell gleich zwei Werbekampagnen gestartet, um neue Interessenten für den Job zu begeistern. Sowohl das Wissenschaftsministerium als auch das Kultusministerium werben mit Slogans wie: "Lieber Lehramt" und "Lust auf Veränderung? Dann werde Lehrkraft."

Dass die Referendarinnen und Referendare die Sommerferien über auf Bürgergeld angewiesen seien, sei kein Widerspruch dazu. Nach den Sommerferien hätten diese eine lebenslange Jobgarantie, wenn sie ein gewisses Maß an örtlicher Flexibilität zeigen würden. So das Kultusministerium. "Sie erhalten ein sehr attraktives Gehalt, eine private Krankenversicherung, Beihilfe, Familienzuschläge und eine Pension im Alter."
Alles in allem sei das ein hervorragendes Angebot, das auch nicht im Widerspruch dazu stehe, mehr Personen für ein Lehramtsstudium beziehungsweise für eine Tätigkeit als Lehrkraft zu begeistern. Die Werbekampagne koste so viel wie eine einzige Lehrerstelle für etwas mehr als zwei Jahre.

Man spare über die Sommerferien kein Geld ein, da man die Referendarinnen und Referendare nicht entlasse, sondern deren Arbeitsvertrag auslaufe.

Arbeiten ohne Bezahlung

Außerdem dürften die Referendare formal das Schulgebäude während der Sommerferien nicht betreten, weil sie nicht dort angestellt sind. Sie müssten aber, weil vor Schuljahresbeginn schon Konferenzen stattfinden. Und sie müssen unbezahlt im Sommer für die Schule arbeiten, so wie Referendar David Hanke. "Wenn man mit einem vollen Deputat wieder anfängt und dann nachher 25 Stunden in der Woche unterrichten soll, müssen die auch irgendwann vorbereitet werden."

Diese Praktiken der Kultusministerien gibt es schon seit Jahrzehnten. Lehrer und Lehrerinnen und Sparbrötchen der Landeshaushalte – bei gutem Einsatz für Schule, Unterricht, Schüler und Eltern.

Wer mehr Lehrkräfte händeringend sucht, sollte diese Praktiken schleunigst beenden und mehr Wertschätzung signalisieren und umsetzen. Sonst bleiben die Kultuspolitiker und -minister unglaubwürdig. Und der Lehrberuf unattraktiv. Fairness und Klugheit gehen anders.

(mit Material der Tagesschau)

14.04.2023 08:09
Gesetz gegen digitale Gewalt und gegen Hass im Internet
In rechten Kreisen kursieren Handbücher für Hassrede, die erklären, wie man Menschen online systematisch zerstört und zum Schweigen bringt. Jede Äußerung im Internet kann eine Welle von Hass nach sich ziehen. Jana Ballweber kommentiert in der Frankfurter Rundschau die Vorschläge des Bundesjustizministers Marco Buschmann:

„Ein Gesetz gegen Hass im Netz ist zwar überfällig, doch Buschmanns Entwurf verteilt Schritte gegen digitale Gewalt mit der Gießkanne, statt maßgeschneidert gegen die verschiedenen Vergehen vorzugehen. Der Kommentar.

Digitale Gewalt hat viele Ausprägungen. Rechte Trolle verabreden sich zu Shitstorms; Männer spielen ihren Partnerinnen Überwachungssoftware aufs Handy, um sie zu kontrollieren; private Daten werden veröffentlicht, um Menschen zu gefährden. Der Justizminister will Opfer digitaler Gewalt besser schützen. Ein Gesetz, das allen Formen mit maßgeschneiderten Mitteln etwas entgegensetzt, ist überfällig, um den digitalen Raum und damit die demokratische Teilhabe für alle zu sichern.

Doch stattdessen verteilt der Entwurf politische Maßnahmen mit der Gießkanne. Account-Sperren dürften in den meisten anonymen, organisierten Hasskampagnen wirkungslos sein. Das Recht, Auskunft über IP-Adressen von „Täter:innen“ zu erlangen, könnte in gleichem Maß für Todesdrohungen wie für gefälschte Restaurantbewertungen gelten. Messenger-Dienste werden ähnlich behandelt wie soziale Netzwerke, obwohl es deutliche Unterschiede bei den Dynamiken digitaler Gewalt gibt.

Gleichzeitig schwächt der Entwurf die Anonymität im Netz, was Opfer benachteiligt, die sich selbst schlechter schützen können, und ein mögliches Einfallstor für staatliche Überwachung wäre. Auf eine wirksame politische Regulierung müssen Betroffene also weiter warten.

Fachleute halten die Eckpunkte des Bundesjustizministers gegen Gewalt im Netz für nicht besonders wirksam. Denn Menschen hätten ohnehin mehrere Online-Profile“.

Markus Decker von der Frankfurter Rundschau erläuterte den Kontext:

„Das Eckpunkte-Papier von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) für ein entsprechendes Gesetz zur Eindämmung von Hass im Netz ist bei Fachleuten auf prinzipielle Zustimmung gestoßen. Allerdings fordern sie Nachbesserungen.

Aus den Eckpunkten ergibt sich, dass Betroffene von „schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzungen“ unter gewissen Voraussetzungen per Gericht die Sperrung eines Accounts verlangen können. Eine Sperrung müsse laut Entwurf freilich verhältnismäßig sein und dürfe nur erfolgen, wenn andere Möglichkeiten wie die Löschung eines Beitrags nicht ausreichten. Zuvor soll der Inhaber oder die Inhaberin des Accounts von der jeweiligen Plattform auf ein Sperr-Ersuchen hingewiesen werden und Gelegenheit zu Stellungnahme haben. Buschmann will es Betroffenen ferner erleichtern, die Identität des Menschen zu erfahren, der Hass-Beiträge gegen sie verfasst hat.

Er betonte, bei dem Vorhaben gehe es nicht darum, die Meinungsfreiheit einzuschränken. „An den Spielregeln des demokratischen Diskurses wird das Gesetz nichts ändern. Was heute geäußert werden darf, darf auch künftig geäußert werden.“ Verringert werden solle aber der Aufwand für diejenigen, die im Internet bedroht, verleumdet oder beleidigt würden. Betroffene hätten es „oft unnötig schwer, ihre Rechte selbst durchzusetzen“, sagte der FDP-Politiker.

SPD, Grüne und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, Opfer digitaler Gewalt mit einem Gesetz besser zu schützen. Viele Politiker:innen sind auch selbst betroffen und versuchen, mit juristischen Mitteln gegen entsprechende Posts und ihre Urheber vorzugehen – so etwa die Grünen-Bundestagsabgeordnete und ehemalige Verbraucherschutzministerin Renate Künast. Die Sprecherin der Nichtregierungsorganisation Hate Aid, Josephine Ballon, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland:

„In der aktuellen Ausgestaltung gehen wir nicht davon aus, dass die Accountsperren eine besonders große praktische Relevanz haben werden.“ Schließlich müsse man sich „vergegenwärtigen, dass viele Menschen ohnehin mehrere Profile haben und sich innerhalb von wenigen Minuten mit anderen Daten auch einfach einen neuen Account anlegen können. Insofern ist bereits der konkrete Nutzen einer solchen Sperre fraglich.“

Aus prinzipiellen Gründen seien die hohen Hürden aber richtig, so Hate Aid. Dabei plädiert die Organisation nur dafür, dass bei Bedarf nicht allein Einzelpersonen, sondern auch NGOs gegen Accounts vorgehen können.

Bei der Erteilung von Auskünften über die Daten von Inhaber:innen der Accounts müsse noch „konkretisiert werden, wie Betroffene letztlich an die Daten gelangen“, so Ballon weiter. Ansprüche müssten möglichst in einem Durchgang geltend gemacht werden können. Und um die Kosten für Betroffene zu reduzieren, wenn sie juristisch tätig würden, sei es ratsam, den Gegenstandswert der Verfahren pauschal festzulegen, zum Beispiel auf 250 Euro. „Das würde die Kosten wenigstens senken, da aktuell von zirka 5 000 Euro pro Äußerung ausgegangen wird.“

Hate Aid fordert die Einführung eines gesetzlichen Schmerzensgeldanspruchs sowie einheitlicher elektronischer Anzeigenformulare. Es sei „nicht mehr zeitgemäß“, dass ein schriftlicher – sprich: analoger – Strafantrag gestellt werden müsse, heißt es.Der Kampf gegen Hass im Netz wird von wechselnden Bundesregierungen seit Jahren mit durchwachsenem Erfolg geführt. So sieht das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zwar die Löschung rechtswidriger Inhalte vor. Messengerdienste wie Telegram oder digitale Netzwerke kommen dem indes nur ungenügend nach“.

"Hilfe bei Cyberattacken"

"Welche Cyberattacken es gibt und was sie bedeuten"

03.01.2022 11:00
Zynisch mit Armut wirtschaften
Unternehmen und Handwerk spielen laut mit dem Gedanken, gegen zwölf Euro Mindestlohn zu klagen. Die Drohung ist zynisch – aber sie passt ins System. Ein Kommentar von Stephan Hebel aus der Frankfurter Rundschau (31.12.2021, S. 13):

Der Mindestlohn ist eigentlich eine ziemlich traurige Sache. Diese Aussage mag überraschen: Sorgt nicht die gesetzliche Untergrenze dafür, dass menschliche Arbeit wenigstens halbwegs würdig vergütet wird? Doch natürlich, das tut sie. Aber traurig ist, dass es den Mindestlohn überhaupt geben muss.

Seine Einführung im Jahr 2015 war ja nichts anderes als die Folge eines gar nicht erfreulichen Befunds: Die Tarifautonomie, gedacht als Instrument des gerechten Interessenausgleichs zwischen Arbeit und Kapital, hatte das Abspeisen von Millionen Menschen mit Armutslöhnen nicht verhindert. Der Übermacht der Kapitalseite hatten schwächer werdende und nicht gerade im Übermaß kämpferische Gewerkschaften zu wenig entgegenzusetzen.

Unternehmen und Handwerk erwägen Klage gegen Mindestlohn-Erhöhung

Nun bringen die Verbände von Unternehmen und Handwerk eine Verfassungsklage gegen die geplante Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro ins Gespräch. Das ist auf fast schon skurrile Weise zynisch: Das neuerliche Eingreifen des Gesetzgebers, argumentieren sie, gefährde die Tarifautonomie, weil sie die Festlegung der Mindestlohn-Höhe durch die Tarifparteien in der zuständigen Kommission unterlaufe. Das heißt: Der höhere Mindestlohn wird unter Berufung auf eben jene Tarifautonomie angegriffen, wegen deren Versagen die Untergrenze überhaupt eingeführt wurde.

Im Rahmen eines Streiks demonstrieren Mitarbeiter aus Berliner und Brandenburger Einzelhandelsunternehmen auf dem Breitscheidplatz für ein höheres Gehalt. Zu dem Warnstreik hatte die Gewerkschaft Verdi aufgerufen. Betroffen sind Betriebe der Unternehmen wie Rewe, EDEKA, Kaufland, Penny oder Ikea. Die Gewerkschaft fordert unter anderem einen Mindestlohn von 12,50 Euro pro Stunde.

Natürlich wissen Unternehmen und Handwerk, wie sie den gesetzlichen Mindestlohn ganz schnell überflüssig machen könnten: durch eine Bezahlung, die Vollzeit-Beschäftigte wenigstens über die Grenze der international verbindlich definierten Armutsgefährdung bringt. Das sind 60 Prozent des mittleren Lohns, und die werden mit den 10,45 Euro, die bisher für Sommer 2022 anvisiert waren, noch lange nicht erreicht – mit zwölf Euro gerade mal so. Für ein späteres Rentenniveau oberhalb der Grundsicherung reicht auch das noch nicht aus, dafür bräuchte es nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes 12,63 Euro pro Stunde.

Mindestlohn: Klage ist nicht verwunderlich

Ja, zynisch ist die Drohung der Kapitalseite mit einer Verfassungsklage vor diesem Hintergrund allemal. Verwunderlich ist sie allerdings nicht: Dass sie gegen einen Staat ankämpfen, der wenigstens die unwürdigsten Auswüchse kapitalistischer Wirtschaft abzumildern versucht, ist Teil des Systems, in dem wir leben. Nicht schön, aber wahr.

21.09.2020 05:51
Fair zu Fremden - wieso das denn?
Schauen Sie sich die Fotos, die Mitwirkenden und das Video unserer Veranstaltung in drei Teilen an zu:

Fair zu Fremden!?

Mit
Schriftsteller, Übersetzer, Verleger und Filmemacher Ilija Trojanow,
Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel - Direktor des Weltethos Instituts in Tübingen,
Diplom-Geographin Nicole Broder - Bildungsreferentin in der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main,
Dr. Boniface Mabanza Bambu - Koordinator und Referent der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika in Heidelberg

Moderation: Dr. Norbert Copray, Direktor der Fairness-Stiftung in Frankfurt am Main

"Fotos und Videoübertragung der Veranstaltung 'Fair zu Fremden ?!"

Sie sehen

30 Minuten den Eröffnungsvortrag "Fairness als Voraussetzung einer freien Gesellschaft" mit Projektion der wichtigsten Aspekte von Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel,

90 Minuten das Podiumsgespräch zum Thema: "Wie Fremdheit wirkt und was sie überwindet" mit Diplom-Geographin Nicole Broder - Bildungsreferentin in der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, und Dr. Boniface Mabanza Bambu - Koordinator und Referent der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika in Heidelberg

90 Minuten das Podiumsgespräch zum Thema: "Fremde oder Freunde - wohin führt uns die Pandemie?" mit Schriftsteller, Übersetzer, Verleger und Filmemacher Ilija Trojanow und dem Direktor des Weltethos-Instituts in Tübingen Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel.

27.11.2018 08:10
Versagt die Werteerziehung in der Schule?
Verrohende Sprache, aggressives Verhalten und herabsetzende Aktionen zeigen Wertedefizite

Mit einer repräsentativen forsa-Umfrage unter Eltern und Lehrkräften soll der Wertorientierungen und Werteerziehung in Deutschland mehr Geltung verschafft werden. Werteerziehung soll mehr Priorität, mehr Gestaltungsfreiraum und mehr Zeit in der Schule bekommen. Der VBE erklärt:

„Angesichts der Verrohung der Umgangsformen in unserer Gesellschaft und aktueller Ereignisse wie jüngst in Chemnitz ist der sofortige Ruf der Politik nach mehr Werte- und Demokratieerziehung laut geworden. Dies hat der Verband Bildung und Erziehung (VBE) mit 164.000 Mitgliedern die größte Fachgewerkschaft innerhalb des Deutschen Beamtenbundes zum Anlass genommen, eine Umfrage unter Eltern und Lehrkräften zum Thema Wertorientierungen und Werteerziehung in Auftrag zu geben und hiermit einen Impuls für die Wertedebatte zu setzen. Eltern wie auch Lehrkräfte formulieren danach in überwältigender Deutlichkeit, wie wichtig Ihnen das Thema Werteerziehung und eine Orientierung an den gesetzlich verankerten Bildungs- und Erziehungszielen in Schule sind.

Über 90 Prozent der Eltern geben für 8 der 16 abgefragten Bildungs- und Erziehungsziele an, dass ihnen diese (sehr) wichtig sind, über 90 Prozent der Lehrkräfte erachten sogar 12 der 16 Bildungs- und Erziehungsziele als (sehr) wichtig“, kommentiert Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des VBE, anlässlich der heute veröffentlichten Ergebnisse. Für die Studie wurden von der Universität Tübingen in Kooperation mit forsa 1.111 Eltern schulpflichtiger Kinder sowie 1.185 Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen befragt. Die Ergebnisse liefern erstmals einen Abgleich zwischen den Erwartungen von Eltern und den Einschätzungen von Lehrkräften zu diesem Thema.

Gleichzeitig sehen sowohl Eltern als auch Lehrkräfte klare Defizite bei der Umsetzung aller Ziele. Gründe für ein Nicht-Erreichen einzelner Bildungs- und Erziehungsziele sehen Eltern wie auch Lehrkräfte vor allem in einer unzureichenden Berücksichtigung im Lehrplan. Bezeichnend sei laut Beckmann, dass die Umsetzung bestimmter Ziele genau dort gelinge, wo diese im Lehrplan integriert seien. Eltern als auch Lehrkräfte beurteilen die praktische Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema, etwa in Form von Projektwochen oder Workshops, als zweitwichtigsten Grund für das Erreichen bestimmter Werterziehungsziele. „Die Politik muss die Ernsthaftigkeit ihrer Forderungen nach mehr Werte-und Demokratieerziehung an Schule belegen – mit dem notwendigen Gestaltungsfreiraum für Lehrkräfte. Werte müssen erlebt und gelebt werden, dafür braucht es weniger starre Strukturen und stattdessen mehr Flexibilität und vor allem mehr Zeit

Der sich ändernde Alltag in der Gesellschaft und damit verbunden die zunehmenden Erziehungsaufgaben für Schule müssen Platz finden im starren Korsett der Leistungsorientierung. Nur so können junge Menschen eine an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung orientierte Wertehaltung entwickeln“, so Beckmann.

Gefragt nach aktuellen Themen in der Wertedebatte vertreten über 90 Prozent der Eltern und Lehrkräfte die Meinung, dass auch in einer multikulturellen Gesellschaft bestimmte Werte für alle Menschen, die hier leben, gelten müssen. Nur 3 Prozent der Lehrkräfte und 10 Prozent der Eltern halten eine Wertediskussion in Schule für überflüssig. Immerhin 54 Prozent der Eltern und sogar 73 Prozent der Lehrkräfte sehen eine Gefahr, die von einer „Beliebigkeit in der Frage um Werte“ ausgehen würde. „Schule ist ein Ort, der Schülerinnen und Schülern eine Orientierung in der Ausbildung ihrer Werthaltung geben soll und muss. Deshalb muss für Schule ein universell geltender Gesamtkanon an zu vermittelnden Werten gelten“, fordert Beckmann.

Hinsichtlich der Frage, wie wichtig bestimmte Akteure bei der Vermittlung von Werten gegenüber Kindern und Jugendlichen sind, betonen nahezu alle Eltern und Lehrkräfte die bedeutsame Rolle des Elternhauses. Eine große Mehrheit der Eltern und Lehrkräfte gibt zudem an, dass folgend mit ähnlicher Bedeutung auch Schule, die Partnerin bzw. der Partner, der Freundeskreis und der Eigeneinfluss eine wichtige Rolle spielen. Was die Umfrage auch zeigt: Nur ein Drittel der Eltern und Lehrkräfte geben an, dass die Kirche beziehungsweise Religionsgemeinschaft wichtig ist.

„Die Politik muss Schule adäquater und entschiedener dabei unterstützen, gerade die jungen Menschen in ihrer Entwicklung einer reflektierten Werthaltung zu fördern, bei denen dies durch deren sozialen oder kulturellen Hintergrund nicht ausreichend gegeben ist. Nur so können wir negativen Auswirkungen auf die weitere Biografie dieser jungen Menschen und auf uns als Gesamtgesellschaft entgegenwirken“, betont Beckmann.

Der VBE fordert:
- Die feste fächerübergreifende Verankerung und deutlich stärkere Priorisierung aller Erziehungs- und Bildungsziele in den Lehrplänen von Schulen und zwar fächerübergreifend.
- Mehr Flexibilität, freie Gestaltungsräume und vor allem mehr Zeit für Schule, um Werteerziehung zu implementieren und erlebbar machen zu können.
- Basierend auf einem Diskurs von Politik und Gesellschaft die Verständigung auf einen gemeinsamen Wertekanon, der Orientierung für alle Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Eltern bietet.
- Entschiedenes Handeln von der Politik, welches für die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen, Rahmenbedingungen und Unterstützungsleistungen sorgt. U. a.: die Einsetzung multiprofessioneller Teams, den Ausbau von qualitativer, werteorientierter Ganztagsschule und adäquate Voraussetzungen für die Erziehungspartnerschaft zwischen Lehrkräften und Eltern.
- Ein verbessertes, intensiveres und standardisiertes Angebot von Veranstaltungen zur Werteerziehung in allen Phasen der Lehreraus- und -fortbildung, welches die intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Werteverständnis zum Ziel hat.
- Die Bereitstellung einer zeitgemäßen technischen Infrastruktur an Schule, um einen reflektierten Umgang mit Medien als einem wichtigen Akteur bei der Wertevermittlung fördern zu können.
- Ein verstärktes gesellschaftliches Engagement, welches außerschulische Angebote an Schule heranträgt und Lehrerinnen und Lehrer bei der Werteerziehung unterstützt“.

Ohne eine intensivere, systematischere und freiheitlichere Beachtung und Behandlung von Wertethemen und -Konflikten in Schule und Bildung wird es keine besseren, wertgestützten Verhaltensweisen in der Gesellschaft geben, die an Würde, Respekt und Fairness orientiert sind.

Gerechtigkeit durch Bildung ist das erklärte Ziel des VBE. Der VBE – Verband Bildung und Erziehung ist die größte Fachgewerkschaft innerhalb des dbb deutschen beamtenbundes mit ca. 164.000 Mitgliedern. Er organisiert hauptsächlich Lehrer und Lehrerinnen an Grund-, Haupt-, Real-, Förder- und Gesamtschulen, aber auch an sonstigen Schultypen in Deutschland sowie Erzieherinnen und Erzieher. Mit dem Einsatz für eine Stärkung des Lehrerberufs in der Gesellschaft, einer Anerkennung der Gleichwertigkeit der Lehrämter sowie gleicher Bezahlung aller Pädagogen unabhängig von der Schulart soll dieses Ziel erreicht werden. Für die Erzieher wird eine Ausbildung an Fachhochschulen auf europäischem Niveau gefordert.

"Der VBE"

23.10.2017 09:50
Mitgefühl im Zentrum der Fairness
Am Samstag, den 4.11., veranstaltet unter diesem Titel die Fairness-Stiftung in Kooperation mit der Rabanus Maurus-Akademie im Haus am Dom in Frankfurt einen Psychosozialen Thementag.
Mit Kurzvorträgen von Prof. Dr.med. Luise Reddemann, Mitbegründerin der Traumatherapie, und Dr. Olga Maria Klimecki-Lenz, Neurowissenschaftlerin und Psychologin. Anschließend findet ein Podiumsgespräch unter meiner Moderation statt.
9:30 Uhr ist Einlass; die Veranstaltung geht von 10 bis 12:30 Uhr. Anmeldung ist noch möglich bis kommenden Freitag, den 27.10.2017 unter
"Hier Ticket für die Veranstaltung kaufen und Teilnahmeplatz buchen
Teilnahmebetrag: 15 € (ermäßigt 10 €).

Unter anderen geht es um folgende Fragen:
Ohne Mitgefühl keine Fairness. Stimmt das? Braucht es ein Selbstmitgefühl, um anderen mit Mitgefühl und Fairness zu begegnen? Muss man Nächstenliebe und Effizienz zusammendenken? Wird dabei nicht Wesentliches verraten? Können wir uns noch Mitgefühl und Fairness ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte leisten? Was bedeutet das zum Beispiel im Blick auf den Umgang mit Flüchtlingen, Bedürftigen oder Menschen mit Behinderungen?

31.01.2009 12:33
Motivation und Mitarbeiterbindung - was Weltwirtschaftskrise und Gallup-Studie lehren
87 % der deutschen Beschäftigten sind kaum oder gar nicht an ihre Firma gebunden. 20 % davon haben innerlich gekündigt. Nur 13 % fühlen sich ihrer Firma innerlich verpflichtet und arbeiten engagiert und hoch motiviert. Soweit die jetzt veröffentlichten Erkenntnisse aus der jährlich durchgeführten, weltweiten Gallup-Umfrage zu Engagement und Motivation deutscher Arbeitnehmer.

Auf der Suche nach den Ursachen der Lage wird das Gallup-Institut in seiner Studie bei den Führungskräften fündig. Die Mitarbeiter beklagen sich über mangelnde bis gar keine Anerkennung und über nahezu völliges Desinteresse an ihren Meinungen seitens der Chefs.

Was bringt Chefs dazu, Mitarbeitern Anerkennung und Interesse vorzuenthalten und damit gegenüber Mitarbeitern illoyal zu sein? Warum nehmen sie in Kauf, dass die geringe Mitarbeiterbindung und Motivation beispielsweise in einem Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitern Kosten in Höhe von 485.000 € verursacht, überwiegend durch Fehltage, die bei wenig gebundenen Mitarbeitern deutlich höher liegen als bei den wenigen 13 % stark motivierten Arbeitnehmern?

Drei Erkenntnisse sind möglich:
1. Führungskräfte agieren unter so hohem ökonomischem Druck, dass für sie Mitarbeiter nur als Ressource und Manövriermasse in den Blick kommen. Sofern Mitarbeiter eigene Interessen, Meinungen und Anerkennungsbedürfnisse signalisieren, stören sie nur die höchstmögliche Effizienz des Führens. Das wäre allerdings echte Führungsblindheit und damit Inkompetenz. Denn gerade Krisen und kritische Situationen lassen sich sehr gut mit Mitarbeitern bewältigen, die kooperativ, kommunikativ und solidarisch gegenüber der Firma sind. Und das sind Mitarbeiter nur bei fairem Umgang und Respekt.
2. Die Chefs sind zwischen ökonomischen Anforderungen und Ansprüchen moderner Personalführung so hin und her gerissen, dass sie dieses Dilemma nicht auszubalancieren in der Lage sind. Dann fehlt es ihnen an Führungskompetenz, mit Zielkonflikten angemessen umzugehen und sie lösen ihr Dilemma einseitig auf Kosten der Mitarbeiter. Solche Chefs müssen entweder durch bessere ersetzt oder zu besseren Dilemma-Managern fortgebildet werden.
3. Zwischen Führungsebene und Mitarbeiterschaft ist große Nüchternheit eingekehrt. Beide Seiten glauben erfahren zu haben, dass es nur um’s Geld bzw. um die Rendite geht, wenn’s hart auf hart kommt. Und zwar auf beiden Seiten. Ziele über ökonomisches Denken hinaus gelten als Ladenhüter, Nebelkerzen oder Schikanen des eigentlichen Geschäfts. Mit dieser Mentalität wird aber weder ein Unternehmen noch eine Führungskraft noch ein Mitarbeiter jemals wirklich erfolgreich sein können, wenn unter Erfolg ein dauerhafter Erfolg mit eigenen Fähigkeiten verstanden wird. Denn wie die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise weltweit lehrt, ist auch das Geschäfts- und Geldmachen von Kooperation, Vertrauen und ethischer Verlässlichkeit abhängig. Wer das nicht wahrhaben will, wird lange durch Krise lernen müssen. Andere können Fairnesskompetenz erwerben. Denn Fairness ist der Schlüssel zu Kooperation und Vertrauen. Die Bereitschaft, Fairnesskompetenz zu erwerben und zu praktizieren, wird wachsen. Doch es wird dauern, ehe alle begriffen haben, was die Weltwirtschaftskrise wirklich lehrt.

22.12.2008 23:48
Ein gutes und allen Widrigkeiten zum Trotz ...
erfüllendes Neues Jahr mit mehr Fairnessqualität wünschen wir Ihnen allen!

21.02.2007 20:01
Unis missbrauchen Studiengebühren
Finden Sie das richtig und fair? Viele Universitäten verwenden die Studiengebühr nicht dem Zweck entsprechend und sanieren ihre leeren Kassen.

So schafft zum Beispiel die Uni Göttingen mit den Einnahmen Sportgeräte für den Hochschulsport an. An der Uni Aachen wurden im Wintersemester neue Imagebroschüren gedruckt. Die Fachhochschule Hildesheim/Göttingen stopfte ein Haushaltsloch von 300.000 Euro, die Uni Dortmund will ein Defizit von 400.000 Euro ausgleichen. (Quelle: rp-online).

Und das obwohl die Gebühren eigentlich der Verbesserung der Lehre dienen sollen. Laut Gesetz sowie Aussagen von Politik und Universitätsleitungen. Wer kontrolliert die Universitäten bei der Verwendung der Studiengebühren, wer haut ihnen auf die Finger bei ihrer unzulässigen Praxis?

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