Forschende haben 21.000 Menschen zu ihren Rassismus-Erfahrungen in Deutschland befragt. Das Ergebnis offenbart ein massives Gefälle zwischen weißen Menschen und all jenen, die als rassistisch markiert gelten. Spiegel-Online berichtet darüber heute:
„Rassismus ist in Deutschland allgegenwärtig. Viele nicht deutsch gelesene Menschen machen regelmäßig negative Erfahrungen – im Umgang mit Mitmenschen, Behörden, in Praxen oder bei der Polizei. Das ist das Ergebnis einer umfangreichen Untersuchung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (Dezim). Am stärksten betroffen sind schwarze Menschen, hier hat der Analyse zufolge mehr als jeder zweite eigene Rassismuserfahrungen in der Öffentlichkeit gemacht.
Demnach berichten vor allem schwarze Männer (54,8 Prozent) häufiger davon, in ihrer Freizeit Diskriminierungserfahrungen zu machen. Muslimische Männer sind mit 41,2 Prozent ebenfalls stark betroffen. Dezim hat für die Untersuchung von Juni bis November 2022 eine repräsentative Befragung mit mehr als 21.000 Personen durchgeführt.
Zentrale Details aus der Rassismus-Studie:
Fast jede fünfte schwarze Frau (19 Prozent) gibt an, immer wieder Bedrohungen oder Belästigungen zu erfahren, bei den schwarzen Männern sind es 18 Prozent. Unter den nicht rassistisch markierten Menschen betrifft dies nur elf Prozent der Frauen und sechs Prozent der Männer.
37 Prozent der schwarzen Männer gaben an, dass ihnen regelmäßig mit Angst begegnet wird. Das ist damit viermal mehr als bei nicht rassistisch markierten Männern (neun Prozent). Bei den schwarzen Frauen berichtete jede Fünfte, dass ihr immer wieder mit Angst begegnet wird – im Vergleich zu etwa jeder 30. nicht rassistisch markierten Frau (vier Prozent).
Muslimische Menschen machen besonders oft Diskriminierungserfahrungen in Ämtern und Behörden sowie mit der Polizei. Mehr als ein Drittel der muslimischen Männer (39 Prozent) berichte von häufigeren Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen bei der Polizei, 51 Prozent würden Ämter und Behörden nennen. Unter den muslimischen Frauen hätten 46 Prozent angegeben, dass sie Diskriminierung in Ämtern und Behörden nicht selten erlebt haben. Im Kontakt mit der Polizei beträgt der entsprechende Anteil 25 Prozent.
Die Diskriminierung von Sinti und Roma ist ebenso aggressiv wie vielfältig
Als rassistisch markiert definieren die Forschenden beispielsweise Personen, die sich als schwarz, muslimisch oder asiatisch identifizieren. Als nicht rassistisch markiert gelten mit Blick auf Deutschland weiße Personen.
Mit speziellem Schwerpunkt haben die Forschenden das Gesundheitswesen untersucht. »Schwarze, muslimische oder asiatische Frauen und Männer geben jeweils mehr als doppelt so häufig wie der Rest der Bevölkerung an, im letzten Jahr medizinische Behandlungen aus Angst vor Schlechterbehandlung verzögert oder vermieden zu haben«, sagte der Direktor des Dezim-Instituts, Frank Kalter. Diskriminierung finde hier an unterschiedlichen Stellen statt. Die Betroffenen erhielten zum Beispiel schlechter Termine und fänden weniger Gehör mit ihren Leiden.
Dem Bericht zufolge machen dort Frauen häufiger negative Erfahrungen als Männer: 39 Prozent der schwarzen Frauen, 35 Prozent der muslimischen Frauen und 29 Prozent der asiatischen Frauen berichten von mindestens gelegentlich ungerechter und schlechterer Behandlung. Und auch 26 Prozent der nicht rassistisch markierten Frauen haben Diskriminierung im Gesundheitswesen erlebt.
Eine Teilnehmerin berichtete, eine Frauenärztin habe ihr einen Gesundheitscheck für sexuell übertragbare Krankheiten verweigern wollen. So was »sei eher unwahrscheinlich bei Frauen aus meiner Kultur«, gibt sie die Begründung wieder. »Bei Frauen aus meiner Kultur?« »Du gehst zum Frauenarzt«, berichtete eine andere Betroffene, »und sie fragen dich: ›Haben Sie schon einen HIV-Test gemacht?‹ Nur weil du schwarz bist, wollen sie dich testen.«
Naika Foroutan, Leiterin von Dezim, beklagte eine ungleiche Verteilung von erlebter Diskriminierung in Deutschland. »Das darf in Demokratien nicht passieren, dass gerade deren Ämter und Institutionen nicht alle Menschen gleichbehandeln«, so Foroutan. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, nutzte die Studienergebnisse zur Werbung für bessere Antirassismus-Schulungen bei Ärztinnen und Ärzten sowie in Krankenhäusern. »Hautfarbe oder Nachname dürften niemals entscheiden, wer wann den Arzttermin oder den Therapieplatz erhält«, sagte die SPD-Politikerin“.
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