Blog nach Monat: Februar 2020

25.02.2020 11:40
Lieferkettengesetz für mehr Fairness jetzt
Barbara Küppers, Kinderrechtsexpertin von Terre des Hommes, setzt sich für eine EU weite Regelung der Lieferketten ein. Den Verbrauchern allein kann es nicht weiter überlassen bleiben, ob faire und soziale Standards Beachtung finden. Hier ist der Staat gefragt. Aber er lässt sich sehr viel Zeit und wird durch Lobbyisten in Parteien und Ministerien kräftig aufgehalten und irritiert. Küppers schreibt:

„Für die Verwirklichung von Menschenrechten und Umweltschutz sind nationale Regierungen zuständig. Sie sind gehalten, gesetzliche Mindestlöhne festzulegen, von denen die Menschen leben können. Sie müssen in ihrem Land Kinder vor Ausbeutung schützen und Umweltauflagen durchsetzen.

Verantwortlich sind allerdings auch die, die ausnutzen, dass grundlegende Arbeitsrechte und Umweltstandards in einem Land nicht eingehalten werden, und damit profitable Geschäfte machen. Dass Unternehmen verantwortlich handeln, ist Grundlage sozialer Marktwirtschaft und festgelegt in den Leitlinien der OECD und der Vereinten Nationen.

Ob Firmen sich daranhalten, liegt aber noch immer viel zu sehr in ihrem eigenen Ermessen. Bisher sind es Menschenrechtsorganisationen, Umweltschützer oder Journalisten, die Missstände aufdecken und Verantwortliche benennen. Bisher müssen schreckliche Unglücke geschehen, bevor sich Branchen bewegen, wie etwa der Einsturz der Näherei Rana Plaza in Bangladesch.

Bürgerinnen und Bürger hierzulande reagieren seit Jahren: Sie ermöglichen mit ihrer Kaufentscheidung fairen Handel und Sozialsiegel gegen Kinderarbeit. Auch einige namhafte Unternehmen wie Adidas und Otto, C&A und Tchibo haben Standards und Verfahren für Menschenrechte und Umweltschutz entwickelt, ebenso Biobetriebe wie Hess Natur und familiengeführte Mittelständler wie Vaude. Internationale Rankings bestätigen, dass ihre Maßnahmen wirken.

Zu viele Unternehmen ducken sich weg oder geben ihrem Geschäft nur einen grünen Anstrich. Terre des Hommes fordert als Teil der Initiative Lieferkettengesetz, eines Zusammenschlusses von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, kirchlichen Verbänden und Gewerkschaften, einen fairen und starken rechtlichen Rahmen. Während Arbeitgeberverbände, so BDA-Präsident Ingo Kramer, Unternehmer „bereits mit einem Bein im Gefängnis“ sehen, fordern Tchibo, Otto, der Discounter Lidl und die Bekleidungskette Kik einen rechtlichen Rahmen und gleiches Recht für alle.

Ein Lieferkettengesetz würde Firmen verpflichten, sorgfältig zu prüfen, ob es bei der Herstellung ihrer Produkte Risiken für Mensch und Natur gibt: Wird Baumwolle in Sklavenarbeit gesponnen, wie etwa in Tamil Nadu, einem der größten Textilstandorte der Welt? Werden unter Naturschutz stehende Wälder abgeholzt für Palmölplantagen, wie in Guatemala und Indonesien? Werden Arbeiterinnen erschossen, die sich für Arbeitsschutz und bessere Löhne engagieren, wie in Südafrika oder Kambodscha? Schürfen Kinder Mineralien, wie etwa in Indien und Madagaskar?

Alle international tätigen großen Unternehmen und auch solche mittlerer Größe in riskanten Branchen wie Textilien, Bergbau oder Chemie müssten zunächst die eigene Lieferkette von der Rohstoffgewinnung bis zum Endprodukt genau überprüfen. In der Realität ist solche Transparenz eine Herausforderung, denn bei vielen Produkten sind Dutzende oder sogar Hunderte Zulieferer in vielen Ländern beteiligt. Dass Transparenz machbar ist, zeigen einige Unternehmen schon heute.
Ein Lieferkettengesetz würde Firmen verpflichten, Risiken mit angemessenen eigenen Aktivitäten auszuschließen. Was „angemessen“ ist, hängt nicht nur davon ab, wie schwer ein Verstoß gegen die Arbeitsrechte oder den Umweltschutz ist, sondern auch von der Größe und Einkaufsmacht. Man wird reden müssen bevor Verträge geschlossen werden: mit Menschenrechts- und Umweltorganisationen vor Ort, mit Gewerkschaften und mit den betroffenen Menschen, die viel zu oft keine Lobby haben.

Natürlich wird es darauf ankommen, wie ambitioniert das Gesetz formuliert wird. Es wird darauf ankommen, wie die Stelle ausgestattet ist, die Unternehmensberichte prüft. Die politische Auseinandersetzung im Kabinett und im Bundestag wird sich um die Frage drehen, was genau eine „angemessene Gegenmaßnahme“ ist.

Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen werden mit Wirtschaftsverbänden um Millimeter ringen.
Dabei scheint es eine Koalition der Vernünftigen zu geben: Unternehmen, die verantwortlich handeln wollen. Das Bündnis für ein Lieferkettengesetz, das Augenmaß bewahrt, damit das Gesetz in der komplexen Realität funktionieren kann. Und schließlich die von SPD und CSU geführten Arbeits- oder Entwicklungshilfeministerien, die in diesen Tagen Eckpunkte für ein Sorgfaltspflichtengesetz vorlegen werden.
Es muss gelingen. Denn die, die unter unwürdigen Bedingungen für den Weltmarkt schuften, brauchen dringend bessere Arbeitsbedingungen. Und ja: Eine europaweite Regelung wäre noch besser. Dafür könnte sich die Bundesregierung einsetzen, wenn sie im Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt“.

20.02.2020 09:41
Google sabotiert frei unabhängige Reparaturbetriebe
Google benachteiligt systematisch unabhängige Reparaturbetriebe. Das bedroht nicht nur Existenzen sondern auch die Umwelt. Und die Politik? Tut nichts. Schreibt Christina Ax vom Runden Tisch Reparatur in Berlin in der heutigen Frankfurter Rundschau:

„Seit Mitte vergangenen Jahres maßt sich Google an, die Anzeigen freier Reparaturwerkstätten abzuschalten. Hersteller und ihre autorisierten Werkstätten haben dieses Problem nicht. Google behauptet dies sei im Interesse der Verbraucher, weil es unter den Werkstätten schwarze Schafe gebe. Ein mehr als fadenscheiniges Argument, angesichts der vielen Meisterbetriebe, die betroffen sind.

Wegen der marktbeherrschenden Stellung von Google ist das für die Betriebe zum Teil existenzbedrohend. Es gibt keine vergleichbaren Werbeplattformen mit ähnlicher Reichweite.

Schade, dass sich in Deutschland bisher keine Politiker dieser Sache angenommen haben. Dass weder der Wirtschaftsminister noch die FDP den Versuch unternehmen, Google zu stoppen. Sie akzeptieren stillschweigend, dass nicht mehr „der Markt“ sondern Google Angebot und Nachfrage reguliert und darüber entscheidet, wer seine Dienstleistungen in Zukunft noch anbieten darf. In Frankreich dagegen wurde Google vor einigen Wochen von der Wettbewerbsbehörde für ein ähnliches Verhalten mit 150 Millionen Euro Strafe belegt.

Der Hilferuf unabhängiger deutscher Reparaturbetriebe, der vor einiger Zeit an das Kartellamt geschickt und vom Runden Tisch Reparatur in Berlin unterstützt wurde, hat auch keine Wirkung gezeigt. In diesem Fall ging es darum, dass viele unabhängige Werkstätten von wichtigen Herstellern gar nicht oder nur zu überteuerten Preisen mit Ersatzteilen beliefert werden.

Das deutsche Kartellrecht erweist sich als stumpfes Schwert, wenn es darum geht, faire Rahmenbedingungen am Markt zu schaffen oder zu verteidigen. Kein gutes Zeugnis für die Hüter der freien Marktwirtschaft in der Berliner Politik.
Das ist deshalb besonders ärgerlich, weil die Forderung nach einem Recht auf Reparatur auf immer mehr Unterstützer stößt.

Selbst der Green Deal der EU unterstreicht die Bedeutung der Reparatur und längeren Nutzung von Produkten. Doch was nutzt das, wenn die Zahl der Unternehmen mit dem entsprechenden Know-How wegen des Machtmissbrauchs von Google und den großen Herstellern immer weiter schrumpft. Man gewinnt den Eindruck, dass das Kartell der Konzerne vor nichts zurückschreckt, um in Zukunft alleine darüber entscheiden zu können, ob und was repariert werden darf – und von wem“.

Christine Ax ist Ökonomin und Philosophin sowie Vorständin des Runden Tisches Reparatur (www.runder-tisch-reparatur.de)

13.02.2020 10:59
Wenn der Job krank macht: Wird die Anerkennung von Berufskrankheiten fairer?
Arbeitnehmer in Deutschland im europäischen Vergleich eher schlecht da. Das Bundesarbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD) hat jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Anerkennung und Entschädigung von Berufskrankheiten neu regeln soll. Journalist Christian Burmeister schreibt dazu in der Frankfurter Rundschau:

"Doch vielen geht dieser nicht weit genug.
Ob die Pflegerin mit Bandscheibenvorfall, der Dachdecker mit Knieproblemen oder die Friseurin mit Hautkrankheiten aufgrund von ständigem Chemikalienkontakt: Jedes Jahr zeigen laut dem Dachverband der Berufsgenossenschaften etwa 75 000 Menschen eine berufsbedingte Erkrankung an. Aber nur gut ein Viertel der Fälle wird anerkannt und entsprechend entschädigt. Rund 2500 Menschen sterben jährlich sogar an den Folgen einer Berufskrankheit – fast so viele wie im Straßenverkehr.

In Deutschland werden von den Unfallversicherungen pro hunderttausend Erwerbstätigen nur 85-mal Berufskrankheiten anerkannt. In Italien liegt die Quote bei 86, in Dänemark bei 149, in Spanien bei 192 und in Frankreich sogar bei 426. Das berichtet das Portal Buzzfeed unter Berufung auf französische Studien. Allerdings: Eine Anerkennung hat in den verschiedenen Ländern auch verschiedene finanzielle und arbeitsrechtliche Folgen.

Das neue Gesetz von Heil sieht nun mehrere Maßnahmen vor:
So soll der Sachverständigenrat personell und finanziell aufgestockt werden. Dieser entscheidet über die Aufnahme von Berufskrankheiten in den Katalog der Versicherer, arbeitet nach Ansicht von Experten aber viel zu langsam. Das Gesetz sieht auch eine Abschaffung des sogenannten Unterlassungszwangs vor. Dieser schloss bisher für neun Krankheiten (zum Beispiel Rückenschmerzen) Entschädigungen aus, wenn Arbeitnehmer trotz ihrer Krankheit weiterhin berufstätig waren. „Das soll die Voraussetzungen schaffen, damit erkrankte Arbeitnehmer die Arbeit reduzieren oder beenden können, bevor womöglich eine endgültige Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird“, sagt Beate Müller-Gemmeke, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Der Politikerin geht das Gesetz aber nicht weit genug. Dabei weiß sie sich mit der Linkspartei und den 16 Bundesländern einig. Sie alle fordern von Heil zum einen eine Härtefallregelung. Müller-Gemmeke: „Manche Berufskrankheiten sind extrem selten und nicht als solche anerkannt. Auch hierfür braucht es zumindest eine Grundlage, damit diesen Menschen geholfen werden kann.“ Außerdem fordern die Länder eine „Beweislasterleichterung“.

Hintergrund: Arbeitnehmer haben es bisher oft schwer, die nötigen Belege für den Grund ihrer arbeitsbedingten Erkrankung zu beschaffen – beispielsweise wenn ein Arbeitgeber seiner Dokumentationspflicht beim Umgang mit Schadstoffen nicht nachgekommen ist oder schon seit Jahren nicht mehr existiert. „In solchen Fällen sollten auch Plausiblitätsnachweise genügen“, fordert Müller-Gemmeke.

Der Bundesrat will am Freitag einen entsprechenden Änderungsantrag für das Gesetz beschließen und anschließend mit der Bundesregierung über entsprechende Nachbesserungen verhandeln. Ausgang offen".

05.02.2020 09:08
Amazon droht Mitarbeitern mit Entlassung
Hunderte Mitarbeiter kritisieren Amazons Klimapolitik. Sie fordern von Amazon mehr Einsatz für den Klimaschutz - und riskieren damit ihre Jobs. Eine Richtlinie verbietet Mitarbeitern öffentliche Kritik an Unternehmensentscheidungen. Eigentlich ist Amazons Mitarbeitern öffentliche Kritik am Unternehmen untersagt.

Eine Gruppe von 357 Angestellten hält sich jedoch nicht daran: In einem Blog-Eintrag von diesem Sonntag kritisieren die Amazon Employees for Climate Justice (AECJ, Amazon-Angestellte für Klimagerechtigkeit) die Klimaziele des Internetkonzerns als unzureichend. Sie rufen Amazon auf, deutlich ambitioniertere Ziele im Kampf gegen den Klimawandel zu setzen als bisher.

Im September vergangenen Jahres hatte Konzernchef Jeff Bezos mitgeteilt, sein Unternehmen wolle beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle einnehmen und bis zum Jahr 2040 CO2-neutral werden. AECJ fordert nun, dieses Ziel auf 2030 vorzuziehen.

"Als Amazon-Mitarbeiter sind wir nicht nur für den Erfolg des Unternehmens verantwortlich, sondern auch für seine Auswirkungen", sagte Softwareentwicklerin Sarah Tracy. "Es ist unsere moralische Pflicht, uns dafür einzusetzen, und die Änderungen der Kommunikationsregeln halten uns davon ab, dieser Verantwortung nachzukommen."

Tracy und ihre Kollegen unterschrieben den Blogeintrag mit Namen und Job-Titel, obwohl der Konzern ihnen vor Kurzem per Brief mit der Entlassung gedroht hatte, wenn sie weiterhin Kritik öffentlich äußerten. Bereits im vergangenen Jahr hatten mehr als 8000 Beschäftigte einen offenen Brief an Konzernchef Bezos unterzeichnet. Darin forderten sie, dass Amazon seine CO2-Emissionen senkt und seinen Einsatz fossiler Energien beendet.
Amazon ist mit knapp 650.000 Mitarbeitern, so der neueste Stand von 2018, der weltgrößte Internethändler. Der Konzern wird unter anderem für die Belastungen seiner Paketlieferungen für das Klima kritisiert. Amazon nutzt fossile Brennstoffe, um seine Pakete in Flugzeugen und Lkw um die Welt zu transportieren. Der Konzern hat zudem einen gewaltigen Strombedarf, weil er für seine lukrativen Clouddienste große Datenzentren betreibt. In der Kritik steht auch, dass Amazon Anwendungen zu künstlicher Intelligenz (KI) an Firmen aus dem Ölsektor verkaufe.
Amazon will bis 2030 nur noch erneuerbare Energien einsetzen

Amazon teilte nach der erneuten Kritik mit, dass es neben seinem Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden, auch bis 2030 zu 100 Prozent erneuerbare Energien einsetzen wolle. Auf die Vorwürfe zu den externen Kommunikationsrichtlinien entgegnete der Konzern, dass diese nicht neu seien, für alle Angestellten gleichermaßen gelten und denen anderer großer Firmen ähnelten.
Tatsächlich ist es nicht ungewöhnlich, dass Unternehmen ihren Beschäftigten auferlegen, sich öffentlich mit Kritik an Unternehmensentscheidungen zurückzuhalten.

Die Zeitung "Washington Post", die Amazon-Chef Bezos gehört, zitierte in einem Artikel Amazon-Sprecher Drew Herdener mit den Worten, dass Amazon-Angestellte ermutigt würden, ihre Kritik stattdessen auf internen Plattformen zu äußern. Maulkorb nach außen, aber nicht nach innen? Schwer zu glauben.

Jedenfalls kann das 1 Billion teure Unternehmen laut Börsenwert sicher eine deutlich nachhaltige Klimapolitik betreiben. Doch durch das neue Angebot, Waren just in time innerhalb von 24 Stunden nach der Bestellung auszuliefern, hat 150 Millionen Kunden dieses Prime-Abonnement annehmen lassen. Was zu erhöhtem Lieferverkehr mit entsprechenden CO2-Abgasen und Schadstoffen führt.

mit Material von afp vom 27.1.2020

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