15.10.2024 10:06
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Armut in einem wohlhabenden Land: krasse Unfairness gegen Benachteiligte
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17. Oktober 2024: Tag zur Beseitigung der Armut - Die Geschäftsführerin der Tafel Deutschland, Sirkka Jendis, fordert eine Zeitenwende in der Sozialpolitik.
Wenn Zigtausende Menschen trotz Arbeit nicht genug Geld zum Leben haben, wenn mehr als eine Million Kinder von Armut betroffen sind, wenn jetzt schon und in Zukunft noch viel mehr Rentner verarmen, wenn Alleinerziehende armutsgefährdet sind und wenn mehr als die Hälfte der deutschen Kommunen von der Zahlungsunfähigkeit bedroht ist, dann hat Armut System.
Sirkka Jendis – Geschäftsführerin der Tafel Deutschland – fordert eine soziale Zeitenwende und fragt: "Wie kann es sein, dass in einem der reichsten Länder der Welt so viele Bürgerinnen und Bürger auf Unterstützung durch vielfältiges ehrenamtliches Engagement angewiesen sind? Können wir es uns leisten, Teile der Bevölkerung auszugrenzen? Können wir einen Bruch mit dem Gesellschaftsvertrag begehen, der soziale Teilhabe und Chancengerechtigkeit für alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft verspricht? Und welche Konsequenzen hat die wachsende soziale Ungleichheit für unsere Demokratie?"
Sirkka Jendis schildert eindrücklich, was Armut im Alltag für Betroffene bedeutet. Sie analysiert verschiedene Dimensionen von Armut und stellt konkrete Forderungen an die Politik von der Reform des Rentensystems über den Ausbau von Betreuungseinrichtungen bis hin zur Förderung von Bildung- und Chancengerechtigkeit über das bisherige Maß hinaus.
Ihr persönliches Engagement verbindet Sirkka Jendis mit gesellschaftspolitischer Schärfe. So entsteht ein eindrückliches Plädoyer für ein neues Menschenbild und eine wirksame Armutsbekämpfung. Radikales Umdenken ist nötig, wenn es um soziale Gerechtigkeit geht – in der Bildung, zwischen den Geschlechtern und zwischen den Generationen.
Sirkka Jendis ist Geschäftsführerin der Tafel Deutschland, dem Dachverband von über 970 Tafeln in Deutschland. Zuvor war die studierte Kommunikationswissenschaftlerin Vorständin des Deutschen Evangelischen Kirchentages, Dozentin und in leitender Funktion in der ZEIT-Verlagsgruppe tätig. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Berlin.
"Gespräch mit Sirkka Jendis im WDR (38 Min.)"
"Jendis im NDR-TV"
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13.08.2024 08:42
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Für eine faire Pflegeversichung und gegen strukturelle Unfairness
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Zu Recht schreibt Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VDK Deutschland, zugunsten einer solidarische Pflegeversicherung mit Zukunft. Denn fair ist die Pflege bislang nicht organisiert. Also gilt es, mehr Fairness ins System zu bringen und eine faire Pflege zu entwickeln. Sie schreibt dazu (in der Frankfurter Rundschau am 9.8.24):
In Deutschland sind 5,6 Millionen Menschen pflegebedürftig. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass bis 2055 die Zahl um 37 Prozent zunehmen wird. Um heutigen Herausforderungen gerecht zu werden und sich auf zukünftige Aufgaben vorzubereiten, muss die Pflegeversicherung stabil und gerecht finanziert werden.
Da es keinen Goldesel für die Finanzierung der Pflege geben wird, müssen weniger märchenhafte Lösungen gefunden werden. Eine wäre, dass endlich die gesetzliche und private Pflegeversicherung zusammengelegt wird. Mit den Beiträgen von Beamtinnen und Beamten, Abgeordneten und Selbstständigen entstünde ein starkes finanzielles Fundament.
Pflegeversicherungen prognostizieren schon jetzt Milliardendefizite
Anders als bei der Krankenversicherung sind die Leistungen der Pflegeversicherung für privat und gesetzlich Versicherte identisch. Aus Sicht des Sozialverbands VDK ist die Zusammenlegung deshalb gut realisierbar. Vor allem ist sie aber eine Frage der Solidarität. Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die besser von allen Schultern gemeinsam getragen wird. Wir erwarten, dass sich die Regierung zugunsten der Pflegebedürftigen zügig einigt und nicht aus taktischen Gründen wieder viel Zeit verstreichen lässt.
Die Pflegeversicherungen prognostizieren schon jetzt Milliardendefizite. Die Beiträge drohen zu explodieren. Ohne eine gesicherte Finanzierung kippt das System, das bereits am Limit ist. In der größten Not springt dann eben doch immer die Gemeinschaft aller Steuerzahler ein und finanziert das System durch die Hilfe zur Pflege. Dramatisch ist vor allem, dass Angehörige mit ihren Kräften am Ende sind, weil sie oft nicht die nötigen Pflegeleistungen bezahlen können oder die Angebote fehlen.
Die Ampel hat mit dem Expertenbericht zur Finanzierung der Pflegeversicherung alle Fakten auf dem Tisch. Herr Lauterbach hat angekündigt, dass er nach der Sommerpause liefern will. Interessieren wird ihn hoffentlich, dass er mit einer einheitlichen Pflegeversicherung einen großen Wählerwunsch umsetzen würde: Mit 77 Prozent ist eine deutliche Mehrheit der Bundesbürger in einer repräsentativen Civey-Umfrage im Auftrag des VDK für eine einheitliche Pflegeversicherung. Falls der Minister noch widerspenstige Koalitionäre überzeugen muss: Auch fast jeder zweite FDP-Anhänger ist für eine Pflegeversicherung für alle.
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22.07.2024 08:41
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Verdacht auf Etikettenschwindel bei Palmöl - Greenwashing in großem Stil
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Bauernverband prangert Betrug mit Biodiesel an Mutmaßlicher Betrug bei Biodiesel empört den Bauernverband. Der Lobbyverband kritisiert Importe aus ökologisch fragwürdigen Quellen nach Deutschland – während heimische Landwirte auf ihrer Ware sitzen bleiben.
Der Deutsche Bauernverband klagt über betrügerische Geschäfte bei Biodiesel-Importen aus China. »Wir erleben, wie der deutsche Markt mit angeblich fortschrittlichem Biodiesel auf Basis von Altfetten aus China überschwemmt wird, der aber offensichtlich aus umetikettiertem Palmöl stammt«, sagte der Generalsekretär des Verbands, Bernhard Krüsken, der »Augsburger Allgemeinen «. Wenn die Politik in Brüssel und Berlin nichts dagegen unternehme, »ist das ein Skandal«.
Mineralölkonzerne könnten die kaum kontrollierten Zertifikate der fragwürdigen Importkraftstoffe in ihrer CO2-Bilanz anrechnen, ergänzte Krüsken. Sie kauften entsprechend weniger heimisches Rapsöl oder Bioethanol zur vorgeschriebenen Beimischung in Diesel und Benzin. Die Vorwürfe fallen in eine Zeit, in der bei vielen Bauern noch großer Unmut über die zu Jahresbeginn beschlossenen Einschnitte beim subventionierten Agrardiesel herrscht.
Millionenschaden befürchtet
Der Schaden durch den mutmaßlichen Etikettenschwindel sei nicht genau zu beziffern, sagte Krüsken. »Doch man kann für die deutschen Landwirte von einem mehrstelligen Millionenbetrag ausgehen.« Dazu komme der allgemeine Schaden für die Klimapolitik und das Vertrauen in die Zertifizierung in Drittländern. Die meisten Ölpalmen wachsen in riesigen Plantagen in Malaysia und Indonesien.
Der mutmaßliche Betrug liege »seit mehr als anderthalb Jahren mehr oder weniger offen auf dem Tisch«, sagte der Verbandsvertreter. Doch trotz Bitten der einheimischen Erzeuger sehe das Bundesumweltministerium offensichtlich keinen dringenden Handlungsbedarf. Das von der EU aufgelegte Zertifikate-System für im Ausland erzeugten Biokraftstoff lade zu Betrug und Missbrauch ein, wenn das beauftragte Unternehmen nicht in der Lage sei, die Einhaltung der Standards zu kontrollieren und zu überwachen. Umweltministerin Lemke verkündet Stopp von Klimaprojekten in China
In den vergangenen Wochen hatte eine Affäre um mutmaßlichen Betrug bei Klimaschutzprojekten in China für Aufsehen gesorgt. Hintergrund ist, dass sich deutsche Konzerne möglicherweise einen Klimaschutzbeitrag anrechnen ließen, den es nie gegeben hat – weil einige Projekte in China wohl nicht existiert haben. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sprach von einem »Betrugsgeflecht« und »schwerer Umweltkriminalität«.
Insgesamt geht es laut Lemke um 40 von 69 Projekten in China, die derzeit unter Betrugsverdacht stünden. Ermöglicht wurde der Betrug durch einen Mechanismus, der es Mineralölkonzernen in Deutschland erlaubt, mithilfe von Klimaschutzprojekten in China gesetzlich vorgegebene Klimaziele zu erreichen.
apr/dpa
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23.05.2024 20:11
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Parteien geben sich einen Verhaltenskodex für Fairness im Wahlkampf
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Die Parteien geben sich einen Verhaltenskodex für Fairness im Wahlkampf. Der Kodex besteht aus fünf Punkten:
1. „Wir bekämpfen Extremismus“ 2. „Wir fördern eine respektvolle Demonstrationskultur“ 3. „Wir setzen auf sachliche Diskussion“ 4. “Wir sagen Desinformation und Falschinformationen den Kampf an“ 5. „Wir werben für das Engagement in demokratischen Parteien“
Angriffe auf Politiker, Lügen und Propaganda: Um unter diesen Umständen die Demokratie zu schützen, geben sich mehrere Parteien einen Verhaltenskodex. Mit der AfD schließen sie jede Zusammenarbeit aus. Darüber schreibt aktuell Jonas Schaible in Spiegel Online
Die demokratischen Parteien von CSU bis Linke haben sich gemeinsame Regeln für faire Wahlkämpfe gegeben. Die Erklärung trägt den Titel »Fu¨r den Schutz unserer Demokratie und Fairness unter Demokratinnen und Demokraten« und liegt dem SPIEGEL vor. Die Wahlkampfstrategen der Parteizentralen haben den Text über Wochen erarbeitet und abgestimmt.
»Als demokratische Parteien verstehen wir es als unsere Aufgabe, den Raum des fairen demokratischen Wettstreits zu schu¨tzen und zu pflegen – in der analogen Welt ebenso wie online«, heißt es in dem Dokument. Es wurde von CDU und CSU, SPD, Grünen, FDP und der Linken gemeinsam erarbeitet und wird von all diesen Parteien getragen.
Namentlich stehen die Generalsekretäre Carsten Linnemann (CDU), Martin Huber (CSU), Kevin Kühnert (SPD) und Bijan Djir-Sarai (FDP), die Politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Emily Büning, und die Bundesgeschäftsführer der Linken, Katina Schubert und Ates Gürpinar, für die Übereinkunft ein.
Angriffe auf die freiheitliche Demokratie nähmen zu, von innen und von außen, heißt es im Text. „Wir treten ihnen geschlossen entgegen. Wir pflegen untereinander einen fairen Umgang.“
Erklärung im Superwahljahr
In den vergangenen Monaten waren mehrere Propaganda-, Spionage- und Desinformationskampagnen autoritärer Staaten bekannt geworden. Außerdem waren Vertreter mehrerer Parteien zuletzt beim Plakatieren im Wahlkampf attackiert und teils verletzt worden.
„Die aktuellen Angriffe auf Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer sind bestu¨rzend und betreffen uns alle. Wahlkampf darf nicht zum Sicherheitsrisiko werden“, teilen die Generalsekretäre, Bundesgeschäftsführerinnen und Bundesgeschäftsführer dazu in einer gemeinsamen Presseerklärung mit.
In diesem Jahr finden Europawahlen, Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg und Kommunalwahlen in neun Bundesländern statt. Im kommenden Jahr steht die nächste reguläre Bundestagswahl an.
In dieser Lage bekennen sich die Parteien zu grundlegenden Prinzipien – und verpflichten sich dazu, sich daran zu halten.
Unter der ersten Überschrift findet sich eine klare Verurteilung der AfD – und eine unmissverständliche Absage an jede Kooperation mit ihr: „Die ju¨ngst bekannt gewordenen Deportations-Pläne von Vertretern der AfD sind menschenverachtend und widerwärtig. Mit der AfD und mit Parteien, die nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, wird es keinerlei Zusammenarbeit geben“.
Die Massenproteste für Freiheit und Demokratie werden ausdrücklich begrüßt. „Durch irrefu¨hrende Formulierungen du¨rfen demokratische Parteien im Mitte-Rechts-Spektrum keinesfalls mit rechtsextremen Parteien gleichgesetzt werden“, stellen die Parteien aber auch klar. Vor allem in der Union hatten Protestaufrufe gegen »rechts« für Irritationen und das Gefühl gesorgt, mancher Protest habe sich auch gegen sie gerichtet.
Gleich in zwei Abschnitten geht es um Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit: »Der demokratische Wettbewerb beruht auf Wahrhaftigkeit und Respekt im Miteinander. Wir dulden keine Lu¨gen oder Verleumdungen«, heißt es unter der dritten Überschrift: »Unwahren Behauptungen werden wir entschieden entgegentreten.«
Man dulde die Verbreitung von Lügen nicht, heißt es dann erneut im vierten Abschnitt. Man werde bei der Veröffentlichung von Informationen von Dritten prüfen, »ob die Meldung durch Manipulation oder durch die Nutzung entwendeter Daten entstand.«
Wir sind in einer neuen Ära der Propaganda
Zuletzt werben die Parteien um Mitglieder und betonen die Rolle, die Parteien im politischen System der Bundesrepublik spielen – laut Grundgesetz wirken sie an der Meinungs- und Willensbildung mit.
Der Kodex dient dazu, dieses System zu schützen. In der gemeinsamen Erklärung drücken das die Generalsekretäre, Bundesgeschäftsführerinnen und Bundesgeschäftsführer so aus: „Unser gemeinsamer Verhaltenskodex ist ein klares Bekenntnis zum Schutz unserer Demokratie und zur Förderung eines fairen politischen Diskurses“.
Ob der Verhaltenskodex für Fairness der Parteien im Wahlkampf 2024 hält, was er verspricht? Jedenfalls müssten böswillige Unterstellungen, Lügen und Täuschungen, Angriffe unter die Gürtellinie, Annäherungen der CDU/CSU an Melonis postfaschistische Partei, die Erklärung der Grünen zum Hauptgegner (MP Söder auf dem CDU-Parteitag) sowie das Bashing von armen, arbeitslosen und kranken Menschen zur angeblich notwendigen Begründung der Schwächung des Sozialstaats, um die Reichen und Superreichen zu schonen, so dass sie nicht mehr als bisher für den Staat, die Verteidigung, die Stabilisierung des Staates und zukunftsnotwendige Institutionen in Bildungsstätten, Aus- und Verbesserung der Infrastruktur, die Stärkung von Steuerfahndung, Polizei und das Gesundheitswesen aufwenden müssen, aufhören. Fairness im Wahlkampf beginnt mit Redlichkeit, Wertschätzung und ausgleichender Gerechtigkeit – los geht’s!
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15.05.2024 09:56
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Mobbing auch im chinesischen Sprachgebrauch der Politik
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Jetzt ist der Begriff Mobbing nochmals in der globalen Politik angekommen. Spiegel-Online schrieb gestern:
"Die Ankündigung der US-Regierung, neue Sonderzöllen auf Elektroautos, Solarzellen, Halbleiter und andere Produkte aus China erheben zu wollen, hat die Spannungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt erhöht. Die chinesische Regierung reagierte umgehend und empört: Die Zölle würden »die Atmosphäre der bilateralen Zusammenarbeit ernsthaft beeinträchtigen«, heißt es in einer offiziellen Erklärung. Das chinesische Außenministerium sprach gar von »Mobbing«."
Es ist inzwischen ein eigenes Problem, dass der Begriff Mobbing infaltionär benutzt wird und dabei eine genau Begründung für seine Verwendung in einem bestimmten Kontext fehlt. Wir verstehen Mobbing https://www.fairness-stiftung.de/Mobbing.htm in ganz bestimmten Sachverhalten und mit ganz konkretem Kontext. Nur dann lässt sich dazu analysieren, reflektieren und zur Bewältigung von Mobbing beraten: https://www.fairness-stiftung.de/Fairness-Beratung.htm
Politischer Streit und Prozesse im Kontext eines Handelskriegs gehören sicher nicht dazu. Der Begriff wird sonst zusehends unscharf und damit unbrauchbar.
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12.03.2024 10:34
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Wenn Konkurrenz die Fairness bedroht oder zerstört
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Das EU-Lieferkettengesetz darf nicht scheitern, fordern Gerd Müller und Kailash Satyarthi. Immer billiger zu produzieren sei der falsche Weg. Ohne die europäische Richtlinie könne die Globalisierung auf Dauer nicht erfolgreich sein.
Gerd Müller war Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und ist heute Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (Unido). Kailash Satyarthi ist Kinderrechts- und Bildungsaktivist und Friedensnobelpreisträger (2014). Und schreiben für das „Handelsblatt“ (6.3.24) wie folgt: Was meinen Sie: Wenn ein europäischer Modekonzern eine Jeans für zehn Euro in Indien produzieren lässt und in Hamburg oder Rom für 100 Euro verkauft, sollte er sich darum kümmern, dass sie nicht von Kindern genäht wurde? Und dass die Abwässer kein Trinkwasser verseuchen?
Viele Unternehmen und Menschen sind der Meinung: Ja, das sollte er. Damit dies für alle Unternehmen gilt, wurde in Brüssel intensiv an einer Richtlinie gearbeitet. Sie soll die Sorgfaltspflichten von Unternehmen in globalen Lieferketten einheitlich regeln. Ziel ist nicht, Europas Sozialstandards der Welt überzustülpen, sondern grundlegende Menschenrechtsstandards endlich umzusetzen. Rund 80 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen – auch für Europa
Für Millionen Beschäftigte in der Welt wäre die Richtlinie daher sehr relevant. Scheitert sie aufgrund von Last-Minute-Bedenken aus Deutschland und Italien nun endgültig, wäre dies ein katastrophales Signal an den globalen Süden: Grundlegende Standards wie das Verbot von Kinderarbeit oder die Verschmutzung von Trinkwasser können von international tätigen europäischen Unternehmen weiterhin unterlaufen werden. Nach dem Motto: Aus den Augen aus dem Sinn. Alles läuft wie bisher.
Dabei besteht dringend Grund zum Handeln: 25 Millionen Menschen müssen in Zwangsarbeit schuften. Rund 80 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen – auch für Produkte in Europa. Kinderarbeit ist keine historische Episode, sondern endemisch in vielen Lieferketten. Millionen Kinder arbeiten in Minen. Vor allem in Afrika arbeiten Millionen Kinder auf Kosten ihrer Kindheit, ihrer Bildung, ihrer Zukunft.
Jedes Jahr sterben über 20.000 Kinder bei der Arbeit.
So kann Globalisierung auf Dauer nicht erfolgreich sein. „Immer billiger“ ist der falsche Weg! Die Menschen brauchen Löhne, von denen sie leben können, um Kinderarbeit zu beenden. Die europäische Richtline würde zudem dafür sorgen, dass Mindeststandards bei Arbeits- und Umweltschutz auf globalen Märkten durchgesetzt würden. Einheitliche Berichtspflichten würden gleiche Wettbewerbsbedingungen in ganz Europa schaffen und verhindern, dass Vorreiter benachteiligt werden. Aus diesem Grund unterstützen Unternehmen wie Aldi, Bayer, Vaude und Tchibo ein EU-Gesetz.
Die Umsetzung von Mindeststandards führt zu mehr Qualität und weniger Produktionsausfällen
Made in Europe stand immer für hohe Qualität und sollte auch für hohe Zuverlässigkeit bei Sozial- und Umweltfragen stehen. Wichtig ist, dass die Europäische Union (EU), die Vereinten Nationen (UN) und Unternehmen die Zulieferer im globalen Süden auch dabei unterstützen, neue Regeln anzuwenden.
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04.03.2024 15:31
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Situation der Frauen strotzt weltweit von Unfairness - auch in Deutschland
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Kein Land bietet Frauen gleiche Chancen – nicht einmal die wohlhabendsten Volkswirtschaften. Weltweit genießen Frauen nicht einmal zwei Drittel der Rechte von Männern, wie eine Analyse der Weltbank zeigt und von Spiegel Online berichtet wird. Dabei könnte ihre Gleichberechtigung die Wirtschaft in kurzer Zeit erheblich ankurbeln.
Es ist kein Geheimnis, dass Frauen oftmals immer noch weniger verdienen als Männer, oder dass traditionelle Familienbilder sich nach wie vor hartnäckig in den Köpfen der Gesellschaft halten. Die Zahlen, die eine neue Analyse der Weltbank ermittelt hat, sind trotzdem ernüchternd: Frauen genießen demzufolge weltweit im Schnitt nur 64 Prozent der Rechte, die Männer haben. In der Praxis sei die Kluft zwischen den Geschlechtern noch größer, heißt es in dem Bericht. Ein Hauptgrund sei, dass es an den Maßnahmen zur Umsetzung erlassener Gesetze fehle.
Als Beispiel nennt die Weltbank, dass 98 Volkswirtschaften Rechtsvorschriften erlassen hätten, die Frauen für gleichwertige Arbeit gleiches Entgelt vorschreiben. Doch nur 35 Volkswirtschaften hätten Maßnahmen zur Lohntransparenz oder Mechanismen zur Bekämpfung des Lohngefälles verabschiedet.
Was für eine Verschwendung von Talenten. Und wie tragisch, dass in den Volkswirtschaften, in denen Talente am knappsten sind, diese am meisten verschwendet werden«, heißt es in der Analyse. Der Bericht hat Gesetze und Vorschriften in zehn verschiedenen Bereichen in 190 Volkswirtschaften untersucht.
Dabei hat sich die Weltbank unter anderem die Situation in den Bereichen Mobilität, Arbeitsplatz, Ehe, Elternschaft, Vermögen oder Ruhestand angeschaut. Als neue Indikatoren hinzugekommen sind Sicherheit vor Gewalt und Zugang zu Kinderbetreuungseinrichtungen. Wenn man alle untersuchten Bereiche einbezieht, bietet kein Land Frauen gleiche Chancen.
Deutschland kommt auf 85 von 100 möglichen Punkten und liegt damit zwar im oberen Mittelfeld, aber hinter Ländern wie zum Beispiel Italien, Neuseeland, Portugal, Belgien oder Kanada. Doch nicht in allen Ländern, die gut abschneiden, sind auch die unterstützenden Maßnahmen zur Umsetzung von Gesetzen sehr gut bewertet – ein Beispiel dafür ist Italien.
„Frauen haben die Macht, die Weltwirtschaft anzukurbeln“, aus dem Bericht der Weltbank
Deutschland und Frankreich haben einen geringen Abstand zwischen ihren Gesetzen und Maßnahmen zur Umsetzung, wie es weiter heißt. Beide Länder benötigten aber erhebliche Verbesserungen im Bereich Schutz vor Gewalt.
Ohne die beiden neuen Indikatoren haben wie im vergangenen Jahr Frauen in 14 von 190 Volkswirtschaften die gleichen gesetzlichen Rechte wie Männer – darunter in Deutschland. »Frauen haben die Macht, die Weltwirtschaft anzukurbeln, und doch werden sie durch Gesetze und mangelnde Umsetzung oft im Abseits gehalten«, so der Bericht.
Beseitigung geschlechtsspezifischer Unterschiede könnte Wachstumsrate verdoppeln
Die Beseitigung geschlechtsspezifischer Unterschiede bei Beschäftigung und Unternehmertum könne das globale Bruttoinlandsprodukt um mehr als 20 Prozent steigern, die globale Wachstumsrate könne sich in den kommenden zehn Jahren verdoppeln. »Doch überall auf der Welt hindern diskriminierende Gesetze und Praktiken Frauen daran, gleichberechtigt mit Männern zu arbeiten oder Unternehmen zu gründen.«
Als größte Schwäche wurde laut Bericht die Sicherheit von Frauen ausgemacht: Sie läge weltweit im Durchschnitt bei nur 36, was bedeutet, dass Frauen kaum ein Drittel des erforderlichen gesetzlichen Schutzes vor häuslicher Gewalt, sexueller Belästigung, Kinderheirat und Femiziden erhielten.
Mit Material von eru/dpa/AFX "Der Weltbank-Bericht 2024 zum Thema"
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18.01.2024 12:40
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Greenwashing: EU will irreführender Werbung Einhalt gebieten
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Das EU-Parlament stimmte über Greenwashing ab. Klimaneutral oder umweltneutral: Manche Etikette sorgen am Supermarktregal für Verwirrung. Das Europäische Parlament will jetzt für mehr Transparenz bei Verbraucherinnen und Verbrauchern sorgen – und Slogans verbieten, wenn sie nicht belegt werden können.
Das Europäische Parlament hat am Mittwoch für ein Verbot irreführender Werbung mit Umweltangaben („Greenwashing“) gestimmt. Demnach dürfen Produkte nicht mehr als „umweltfreundlich“, „natürlich“, „biologisch abbaubar“, „klimaneutral“ oder „öko“ beworben werden, wenn dies nicht durch Nachweise belegt werden kann. Die neuen Regeln sollen mehr Transparenz für Verbraucher schaffen.
Strengere Anforderungen gelten auch für die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln. Bislang gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Siegel auf Produkten, die nur schwer zu vergleichen sind. In Zukunft sind in der EU nur noch Nachhaltigkeitssiegel erlaubt, die von staatlichen Stellen vergeben werden oder auf einem offiziellen Zertifizierungssystem beruhen.
Außerdem werden unbewiesene Behauptungen über die Nachhaltigkeit von Produkten verboten. So dürfen Hersteller von Waschmaschinen nicht mit 5000 Waschzyklen werben, wenn das Gerät in der Regel früher kaputtgeht. Außerdem sollen Informationen über die Garantie von Produkten besser sichtbar sein und ein neues Etikett eingeführt werden, das Produkte mit einer längeren Garantie hervorhebt.
„Wir werden von der Wegwerfkultur wegkommen“, sagte die EU-Politikerin Biljana Borzan. Unternehmen könnten nun nicht mehr behaupten, Plastikflaschen seien umweltfreundlich, weil irgendwo Bäume gepflanzt würden. „Die Menschen werden in der Lage sein, sich für Produkte zu entscheiden, die dank zuverlässiger Kennzeichnung und Werbung langlebiger, leichter zu reparieren und nachhaltiger sind“, fügte sie hinzu.
Lemke: Lange Nutzungszeit hilft Umwelt und Geldbeutel
Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) begrüßte die Entscheidung: „Mit den neuen Regeln können sich Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU künftig besser auf diese Angaben verlassen.“ Eine lange Nutzungszeit von Konsumgütern helfe nicht nur der Umwelt, sondern auch dem Geldbeutel.
Die neue EU-Richtlinie muss noch vom Europäischen Rat gebilligt werden. Danach haben die Mitgliedsstaaten 24 Monate Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht zu überführen.
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29.08.2023 09:57
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Die kalte Spitze krasser Unfairness mit tödlicher Neigung
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Zur politischen Hetze gegen Zuwanderung und das Recht auf Asyl. Ein wütender Essay von Bascha Mika in der Frankfurter Rundschau (14.8.23):
„Worte sind Waffen. Gezielt eingesetzt können sie Wellen der Gewalt und Zerstörung auslösen und dabei nicht nur einzelne Menschen treffen, sondern ganze Gesellschaften schleichend zersetzen. „Worte können sein wie winzige Arsendosen“, schreibt der Schriftsteller Victor Klemperer. „Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“ Ist es also Dummheit, Fahrlässigkeit oder kaltblütiges Kalkül, was sich Politiker und Politikerinnen der bürgerlichen Parteien derzeit leisten? Seit Monaten befeuern sie – mal grob, mal subtiler – den Diskurs über Zuwanderung und Asyl. Verunglimpfen Ausländer und Ausländerinnen, Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge. Bedienen rassistische Argumentationsmuster und entmenschlichen ihre Opfer. Mit ihren verbalen Attacken schrammen sie manchmal nur knapp an der Volksverhetzung vorbei – und die AfD freut sich.
Welche Synapsen haben sich wohl im Hirn des CSU-Politikers Peter Ramsauer verschaltet, als er in einer bösartigen Assoziationskette das Thema Fachkräftemangel mit ekligen Tieren verknüpfte? O-Ton: „Deng Xiaoping hat einmal gesagt: Wenn man die Fenster zu weit aufmacht, kommt auch viel Ungeziefer mit rein.“ Was macht man denn mit Ungeziefer, Herr Ramsauer? Man muss es vernichten, oder? Wer braucht schon Schädlinge im Haus oder Land?
Die Grundwerte einer pluralen Gesellschaft beginnen zu faulen, wenn mit ihnen gezockt wird. Die Brandmauer fällt, wenn an Menschenrechte der doppelte Standard angelegt wird, weil es politstrategisch gerade mal passend erscheint. Dabei ist der bayerische Bundestagsabgeordnete ja nur deshalb öffentlich aufgefallen, weil er einen besonders hässlichen Vergleich angestellt hat. Andere Politiker und Politikerinnen der etablierten Parteien, ob von SPD, FDP oder CDU, äußern sich in der Debatte um Asyl und Migration vielleicht weniger drastisch – aber keineswegs weniger menschenverachtend. Und suhlen sich fröhlich im braunen Gesinnungssumpf à la AfD.
Seid Ihr Volksvertreter noch ganz bei Trost? Oder schon völlig verantwortungsvergessen? Hört endlich auf damit! Tut doch nicht so, als wüsstet Ihr nicht, wo das endet. Inzwischen werden in Deutschland wieder jeden Tag zwei bis drei Geflüchtete attackiert. Bereits im vergangenen Jahr – auch provoziert durch die elende Asyldebatte in der Europäischen Union – sind die Angriffe auf Flüchtlingsheime gestiegen, zum ersten Mal seit 2015. In diesem Jahr werden sie weiter zunehmen, denn bis Juli wurden bereits 80 Anschläge oder Sachbeschädigungen registriert.
Selbstverständlich sind Fluchtbewegungen eine globale Herausforderung und Fluchtgründe so vielfältig wie die Menschen, die ihre Heimat verlassen – und zwar selten freiwillig. Nicht nur Deutschland und Europa müssen Lösungen rund um Fragen von Migration und Zuwanderung finden, was keineswegs einfach ist. Doch wollen wir in der aufgeklärten Moderne in die Barbarei zurückfallen oder uns dabei auf Errungenschaften der Zivilisation besinnen? Dass Menschenrechte unteilbar sind, zum Beispiel.
Bayern – wo sich Ministerpräsident Söder, Innenminister Herrmann und der Vorsitzende der Freien Wähler, Aiwanger, besonders gern einer menschenfeindlichen Rhetorik bedienen und Zuwanderung als bedrohlich markieren – steht bundesweit an der Spitze der rassistisch motivierten Attacken auf Schutzsuchende. 105 Angriffe auf Geflüchtete und 14 Anschläge auf Unterkünfte gab es bereits in diesem Jahr, meldet der bayerische Flüchtlingsrat.
So wird über Sprache ein Klima geschaffen, in dem Gewalt gegen spezifische Gruppen gesellschaftlich akzeptiert erscheint und dann auch weniger Mitgefühl in der Bevölkerung hervorruft. Wollt Ihr den Zusammenhang leugnen? Wie weit ist es wohl von Euren Worten zu Taten? Vom Schlagwort zum Brandsatz? Wie viele Neonazis sind denn in den vergangenen Jahrzehnten schon losgezogen – aufgestachelt von einer aggressiv fremdenfeindlichen Stimmung im Land, die Ihr mit aufgeheizt habt? Gewaltverliebte Jungmänner, Mordlust im Auge, die glaubten, des Volkes Willen zu vollstrecken: „Wir tun was, wo andere nur quatschen!“
Muss man Euch wirklich erinnern?
Eberswalde 1990: Amadeu Antonio wird von Neonazis gejagt und totgeschlagen.
Hoyerswerda 1991: Unter dem Beifall der umstehenden Menge attackieren Rechtsextremisten über Tage die Heime von Asylsuchenden, Vertragsarbeitern und -arbeiterinnen, vertreiben die Menschen, die hier wohnen, mit Steinen und Brandflaschen.
Mölln 1992: Beim Brandanschlag auf Wohnhäuser türkischer Familien werden Bahide Arslan und zwei ihrer Enkelinnen ermordet.
Rostock-Lichtenhagen 1992: Tagelang belagern Hunderte Neonazis und Tausende Schaulustige die Unterkünfte von Asylsuchenden, Vertragsarbeitern und -arbeiterinnen. Ein Heim, in dem sich 100 Vietnamesen und Vietnamesinnen verschanzt haben, wird in Brand gesteckt.
Solingen 1993: Bei einem rassistisch motivierten Brandanschlag auf das Haus der türkischstämmigen Familie Genc werden fünf Mädchen und Frauen getötet.
Schlaglichter auf die rassistische Gewalt nach der deutschen Wiedervereinigung. Mindestens 42 Menschen wurden zwischen 1990 und ’92 von Neonazis ermordet. Allein 1992 wurden über 2500 rechtsextreme Gewalttaten gezählt. Ein überbordender, vernichtender Hass. Und der kam auch damals keineswegs von ungefähr. Angestachelt von einer lang anhaltenden, erbitterten Debatte um Flüchtlinge und Asylrecht nach der Wende, war er eingebettet in eine weit verbreitete, extrem ausländer- und migrationsfeindliche Stimmung im Land.
„Asylantenschwemme“, „Asylschmarotzer“, „Flüchtlingsflut“, „Überfremdung“. So die Worte – die Taten folgten. Als Anpeitscherin trieb die Union die übrigen Parteien vor sich her, um eine Änderung des Grundrechts auf Asyl zu erzwingen. Das ist ihr zwar zynischerweise nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen mit dem sogenannten Asylkompromiss gelungen, aber profitiert haben vor allem die rechtsextremen Republikaner. Auf der Woge des „Asylmissbrauchs“ konnte die Partei in Berlin und Brüssel in die Parlamente einziehen.
Es gibt eine lange Geschichte des militanten Rassismus in Deutschland, eine bittere Kontinuität rechter und rechtsterroristischer Gewalt auch nach den 1990er Jahren. Die Morde des NSU, der Anschlag von Halle, das Attentat in Hanau ... Dennoch zeigt die Statistik des Schreckens immer dann Höhepunkte auf, wenn über öffentliche Hetzreden ein gesellschaftliches Umfeld geschaffen wird, das die Hemmschwellen senkt, von dem die Täter sich legitimiert und getragen fühlen.
Und heute?
Da gibt Innenministerin Nancy Faeser die sicherheitspolitische Hardlinerin, operiert gezielt mit dem Reizwort „Clankriminalität“ und distanziert sich nicht von Vorschlägen der Länder, „Clanmitglieder“ umstandslos abzuschieben – obwohl dies rechtsstaatlich kaum möglich ist. Hauptsache, es werden virulente Ressentiments bedient, um dann die Law-and-Order-Lösung zu präsentieren. Und weil es sich unter den Taliban so gut leben lässt, will Faeser auch gleich noch das Abschiebeverbot nach Afghanistan aufheben.
Da schwadroniert Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Union, von „Asylmissbrauch“ und fordert, das Individualrecht auf Asyl in der Europäischen Union ganz abzuschaffen. Stattdessen plädiert er für eine Kontingentlösung. Interessant. Wollen wir dann nicht auch für andere Grundrechte eine mengenmäßige Quote einführen? Applaus für Frei kommt vom Parteivorsitzenden Friedrich Merz; der freut sich offenbar, dass sein Kollege das Gedankengut der Rechtsextremisten bereits so wunderbar inhaliert hat. „Manche mögen’s rechts“, spottet die Satiresendung Extra3 über das Fischen der Union im trübbraunen Teich. Jan Böhmermanns Urteil über die CDU fällt eindeutig härter aus: „Nazis mit Substanz.“
Da palavert Thüringens FDP-Vorsitzender Thomas Kemmerich über Flüchtlinge aus der Ukraine und ärgert sich, dass die noch im Land sind. Schließlich kämen ja nicht alle aus Kriegsgebieten, deshalb solle man sie doch abschieben. Das sagt derselbe Kemmerich, der kein Problem damit hat, sich mit Reichsbürgern und AfD-Spitzenpersonal sehen zu lassen. Und der parlamentarische Mehrheiten im Thüringer Landtag, die mit Obernazi-Höckes Gnaden zustande kommen, völlig okay findet.
Die Leipziger Autoritarismus-Studie von 2022 belegt, dass über zwei Millionen Deutsche ein geschlossen rechtsextremes Weltbild haben. Dazu gehören Fremdenhass, Antisemitismus, Chauvinismus und Sozialdarwinismus, es geht gegen Migranten und Migrantinnen, Muslime und Musliminnen und andere marginalisierte Gruppen – aber auch Frauen. Wie sagte es doch Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl: „Echte Männer sind rechts.“ Und frauenfeindlich.
Dabei stellt die Leipziger Studie fest, dass die manifeste Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen zwar seit zwei Jahren abnimmt, die latente Zustimmung hingegen wächst, vor allem im Blick auf Ausländerfeindlichkeit. Es sind diese, in ihrer Einstellung noch nicht gefestigten Bevölkerungsgruppen, bei denen die AfD ihr Mobilisierungspotenzial sieht.
Und demokratische Politiker und Politikerinnen haben offenbar nichts Besseres zu tun, als die grassierende, feindliche Gesinnung im Land durch ihr gewissenloses Gerede zu bestärken – auf dass aus verkappten Rechtsextremen entschlossene Überzeugungstäter werden. Das ist zum Fürchten".
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21.08.2023 13:32
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Diskriminierung stoppen - AGG verbessern - Antidiskriminierung fördern
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Anlässlich des Jahrestags des Inkrafttretens des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) kritisierten die Vertreter*innen des Bündnisses AGG Reform – Jetzt! die Untätigkeit der Ampelkoalition bei der Verbesserung des Diskriminierungsschutzes. Deutschland hat eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa und trotzdem bleibt der von der Ampel im Koalitionsvertrag in Aussicht gestellte Fortschritt bei der Reform des AGG aus. Dieser Zustand ist insbesondere angesichts des stetig wachsenden Zuspruchs fu¨r rechtsextreme Parteien und ihre Bewegungen fu¨r Betroffene und ihre Vertreter*innen nicht hinnehmbar.
Diskriminierung ist antidemokratisch und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deutschland ist Schlusslicht, wenn es um die Gewinnung von Fachkräften geht. Als Wirtschaftsstandort sollte das Land alles im globalen Wettbewerb um Fachkräfte dafu¨r tun, um diese fu¨r den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen und auch zu halten. Auf der Pressekonferenz hat das Bu¨ndnis AGG Reform – Jetzt! mit verschiedenen Betroffenenperspektiven auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und seine Schutzlu¨cken geblickt und verdeutlicht, welche beachtlichen Auswirkungen der Mangel an Diskriminierungsschutz fu¨r das Leben von Betroffenen hat.
Der ehemalige kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Bernhard Franke, der sich jetzt ehrenamtlich in dem Bu¨ndnis engagiert, erklärt, dass es bei der Reform auch um die Stärkung von Grundrechten Betroffener durch einen besseren Rechtsschutz und kollektive Klagemöglichkeiten geht. Diskriminierung sollte abschreckend sanktioniert werden und Betroffene nicht Entschädigungssummen tolerieren mu¨ssen, “die sich quasi aus der Portokasse begleichen lassen.”, sagt Bernhard Franke.
Oriel Klatt von der Gesellschaft gegen Gewichtsdiskriminierung (GgG) stellt fest, dass dicken Amtsanwärter*innen häufig eine Verbeamtung versagt wird und somit “Gleicher Lohn fu¨r gleiche Arbeit” fu¨r sie nicht gilt. Daher fordert das Bu¨ndnis AGG Reform – Jetzt! die Erweiterung des Diskriminierungsmerkmalskatalogs im AGG unter anderem um die Kategorie “Körpergewicht”, denn “in Diskriminierungsfällen, bei denen kein Bezug zu den im AGG genannten Kategorien hergestellt werden kann, ist das AGG nutzlos und die Betroffenen damit schutzlos”, sagt Oriel Klatt (GgG).
Prof. Dr. Sigrid Arnade vom Deutschen Behindertenrat (DBR) betont, dass es unbedingt eine Verpflichtung fu¨r angemessene Vorkehrungen im AGG und somit auf dem Arbeitsmarkt, im Dienstleistungsbereich und dem Waren- und Gu¨terverkehr braucht. “Als Rollstuhlfahrerin habe ich keine freie Arztwahl, wie sie in § 76 SGB V eigentlich jeder Bu¨rgerin garantiert wird. Ärzt*innen sind nicht grundsätzlich zur Barrierefreiheit verpflichtet. Um diese Diskriminierungen zu beenden, muss das AGG ergänzt werden”, sagt Prof. Dr. Sigrid Arnade (DBR).
Karen Taylor von der Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO) macht darauf aufmerksam, dass zu viele Menschen aufgrund von Diskriminierung und Rassismus schlechtere Lebenschancen haben. Damit das Chancenland Deutschland fu¨r alle Realität wird, fordert Karen Taylor die FDP und insbesondere Justizminister Buschmann auf, die Blockadehaltung aufzugeben und endlich das AGG als wichtigen Baustein im Kampf gegen Rassismus zu gestalten.
Pia Sombetzki von AlgorithmWatch betont, dass algorithmenbasierte Diskriminierung jede*n betreffen kann und es aktuell keinen Schutz davor gibt. “Wenn das AGG so bleibt, wie es jetzt ist, blicken Betroffene von Diskriminierung in eine du¨stere Zukunft – denn es wird unter den gegebenen Umständen so gut wie unmöglich sein, gegen Diskriminierung dieser Art vorzugehen”, sagt Pia Sombetzki (Algorithm Watch).
Besonders häufig und existenziell bedrohlich ist Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Alexander Thom von der Fachstelle Fair mieten – Fair wohnen in Berlin macht darauf aufmerksam, dass Wohnraum essentiell fu¨r die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen ist. Dabei sei es aber vor allem wichtig , dass neben den Maßnahmen gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt im AGG auch die Rechtsdurchsetzungmöglichkeiten von Betroffenen gestärkt werden mu¨ssen. U.a. durch Beweislasterleichterung und Auskunftsrechte, da Diskriminierung nicht leicht nachzuweisen ist. “Unsere Ratsuchenden können bei der Bewerbung auf eine Wohnung gar keine Einsicht in die internen Abläufe der Unternehmen gewinnen, um die Diskriminierungen widerspruchsfrei zu beweisen. Ohne Beweislasterleichterung wäre der Gang vors Gericht in diesen Fällen aussichtslos und der Schutz vor Diskriminierung damit nur theoretisch”, sagt Alexander Thom (Fair mieten-Fair wohnen).
Larissa Hassoun vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) weist Deutschland auf seine internationalen Verpflichtungen zum Schutz vor sexueller Belästigung auf dem Arbeitsmarkt hin. Hassoun betont auch, dass es fu¨r den Diskriminierungsschutz von allen Beschäftigten, funktionierende Beschwerdestellen in Betrieben braucht. “Fakt ist: 17 Jahre nach Einfu¨hrung des AGG tun viele Arbeitgeber*innen noch zu wenig, um Diskriminierungsschutz im Unternehmen umzusetzen. Es braucht eine klare Botschaft an Arbeitgeber*innen: Die Erfu¨llung ihrer Schutzpflichten ist keine freiwillige Leistung”, sagt Larissa Hassoun von bff. Es fehle außerdem, so Hassoun, “im AGG der Schutz vor sexueller Belästigung in allen anderen Lebensbereichen, denn sexuelle Belästigung geschieht nicht nur am Arbeitsplatz sondern auch beim Einkauf, bei Behördenterminen oder beim Arzt – auch hier mu¨ssen Betroffene sich rechtlich wehren können.”
Eva Andrades vom Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) stellt außerdem fest, dass Antidiskriminierung nachweislich auch die Wirtschaft und Unternehmen stärkt, da Arbeitskräfte besser eingesetzt werden und es weniger personelle Fluktuation gibt. Eine starke Antidiskriminierungspolitik in Unternehmen erzeuge motiviertere Mitarbeiter*innen, da Karriereoptionen besser gestaltet werden und ein höheres Gerechtigkeitsempfinden im Unternehmen herrscht. Außerdem betont Eva Andrades im abschließenden Resu¨mée, dass Antidiskriminierung kein Nischenthema ist und die Verbände im Bu¨ndnis Millionen von Menschen vertreten. Ein effektives AGG wu¨rde, laut Eva Andrades, mehr Partizipation und Fairness in der Gesellschaft ermöglichen und mit der Stärkung der Grundrechte einhergehen. Das Bekenntnis zu einem umfassenden Diskriminierungsschutz sei aber auch ein gesellschaftliches Signal, das internationale Resonanz erzeugt. Es vermittelt die Zuversicht, dass wir uns den Barrieren und Ungleichbehandlungen in unserem Land bewusst sind und durch umfassenden effektiven Rechtsschutz und politische Maßnahmen konsequent dagegen angehen werden.
"Antidiskriminierung praktizieren"
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07.08.2023 10:27
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Globale Unfairness - heftige Kritik aus dem Süden der Erde
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Solange sich ärmere Staaten immer noch wie Bettler fühlen, braucht sich niemand zu wundern, wenn sich der Süden anderswo Bündnispartner sucht als in Europa und den USA. Dazu schreibt Thomas Gebauer in der Frankfurter Rundschau (6.8.23) auf Seite 16:
„Wie der weltweiten sozial-ökologischen Krise begegnen? Was konkret ist zu tun? Fragen, die sich Ende Juni ein „Summit for a New Global Financing Pact“ stellte, zu dem der französische Präsident Emmanuel Macron eingeladen hatte. Gekommen waren zahlreiche Regierungschefs, Vertreter:innen internationaler Organisationen, der Zivilgesellschaft und der Finanzwirtschaft. Zentrales Anliegen des Gipfels war die Verbesserung der globalen Zusammenarbeit, um jene Mittel bereitstellen zu können, die für die Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklungsziele, den Klimaschutz und die Armutsbekämpfung dringend benötigt werden.
Für die Bundesregierung betonte Kanzler Olaf Scholz die Bedeutung einer gemeinsamen Verantwortung. Man dürfe die Länder des globalen Südens mit ihren großen Herausforderungen nicht allein lassen.
In seiner Abschlussrede dankte der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa Präsident Macron für die Initiative und würdigte auch die Ideen, die auf den Tisch gekommen waren. Was ihn dennoch zweifeln ließe, seien die negativen Erfahrungen, die man in der Vergangenheit gemacht habe.
„Es gab Zeiten“, so Ramaphosa, „da haben wir uns wie Bettler gefühlt.“ Zuletzt etwa, als es darum ging, die Covid-Pandemie zu bekämpfen. Gerade als der Süden Impfstoffe am nötigsten gebraucht hätte, seien die Märkte von den Ländern des Nordens leer gekauft worden. „Darüber haben wir uns sehr geärgert, aber es kam noch schlimmer, als wir auch in unserem Wunsch gehindert wurden, eigene Impfstoffe herzustellen.“ Höflich vermied es Ramaphosa, die Namen derjenigen zu nennen, die bei den Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) dafür gesorgt hatten, dass es keine Freigabe der Patente gab, nicht einmal für die Dauer der Krise. Müßig zu betonen, dass zu den Blockierern zuvorderst die deutsche Bundesregierung zählte.
Ramaphosa endete seine Rede mit der Frage, was denn wichtiger sei: „Das Leben oder die Profite Eurer großen Pharma-Unternehmen? Was unsere Enttäuschung verstärkt hat, war das Gefühl, dass das Leben in der nördlichen Hemisphäre offenbar wichtiger sei als das im globalen Süden. Das sind die Dinge, die angegangen werden müssen.“
Und solange das nicht geschieht, sollte sich niemand wundern, wenn sich der Süden anderswo Bündnispartner sucht als in Europa und den USA“.
Der Autor war viele Jahre Geschäftsführer von medico international
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29.06.2023 10:34
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FDP - der lange Arm der Klimawandelverschärfer
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Ist die FDP der verlängerte Arm der Klimaleugner, der Blockade-Politik von bestimmten Konzernen und Teilen der Wirtschaft - auf Kosten der künftigen Generationen und eines erdverträglichen Fortschritts unserer Gesellschaft?
Diesen Eindruck kann man gewinnenn, wenn man die folgende Kolumne von Christian Stöcker über „Die heimlichen Einflüsterer der FDP“ im Spiegel am 25.6.2023 liest und die Information zur Kenntnis nimmt. Die FDP-Strategie befördert auch rechte Entwicklungen und den Aufstieg der AFD, hoffentlich nicht absichtlich, zumindest aber töricht und sehr egozentrisch:
„Die FDP versucht in der Ampel jedes relevante Klimaschutzgesetz zu torpedieren, mit erschreckendem Erfolg. Warum? Eine zentrale Rolle spielen radikale Ideologen – und ein libertärer US-Milliardär.
»Es gibt eben keine andere Wahl als die: entweder von isolierten Eingriffen in das Spiel des Marktes abzusehen oder aber die gesamte Leitung der Produktion und der Verteilung an die Obrigkeit übertragen. Entweder Kapitalismus oder Sozialismus; ein Mittelding gibt es eben nicht«. Ludwig von Mises (1929): »Kritik des Interventionismus. Untersuchungen zur Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsideologie der Gegenwart« »Je politisch einflussreicher Koch Industries wurde, desto mehr betonte es, dass seine Lobbyisten eine ausschließlich ideologische Mission verfolgten. Kochs Lobbyisten und Public Relations Teams erklärten, ihr Ziel sei es nicht, die Profite von Koch Industries zu mehren, sondern nur die Idee von Freiheit und Wohlstand zu verfechten.« Christopher Leonard, »Kochland« (2019)
Der oben zitierte Ludwig von Mises, ein österreichischer Ökonom, war ein Radikaler. Von Mises, der nicht ganz so berühmt wurde wie später sein Schüler Friedrich von Hayek, war der Überzeugung, dass jede Form staatlicher Regulierung mit »Sozialismus« gleichzusetzen sei. Er verabscheute nicht nur die Idee eines Mindestlohns, sondern sogar das Konzept des Kartellrechts: Regulierung zur Verhinderung von Monopolen hätte nur eine »produktivitätsmindernde Wirkung«.
Der reichste und mächtigste lebende Fan Ludwig von Mises und Friedrich von Hayek ist der in Deutschland bis heute kaum bekannte US-Multimilliardär Charles Koch (Laut »Forbes« derzeit 57 Milliarden Dollar schwer). Das Buch »Kochland«, eine Art kombinierte Unternehmens- und Personenbiografie von dem US-Investigativjournalisten Christopher Leonard, ist auf Deutsch leider nie erschienen. Dabei ist es sehr hilfreich, wenn man verstehen will, was in der deutschen Politik gerade passiert.
»Apparat zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung«
Charles Koch verehrte von Mises und von Hayek, Pioniere des libertären Denkens, schon seit den Sechzigerjahren, als er mit seinen Brüdern das Ölgeschäft seines Vaters übernahm. Bald gründete Koch ein Institut zur Verbreitung radikallibertären Gedankenguts, das bis heute zu den einflussreichsten Lobbyorganisationen der USA gehört: das Cato Institute. Damals begann er auch, »einen Apparat zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu konstruieren, der in der Geschichte amerikanischer Unternehmen einzigartig sein dürfte«, wie Leonard schreibt.
Koch Industries war schon ab den Siebzigerjahren ein sektenhaft geführtes Unternehmen, dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Indoktrinationsseminaren zur Unternehmensphilosophie des »Market based Managements« teilnehmen mussten. Jahrelang hielt Koch diese Seminare selbst. Sein Unternehmen wird vom »Political Economy Research Institute« an der University of Massachusetts gleich in drei Hitlisten geführt : den Top 100 der Firmen, die am meisten zum Klimawandel, am meisten zur Luftverschmutzung und am meisten zur Wasserverschmutzung beitragen. Allein seit dem Jahr 2000 hat Koch Industries über eine Milliarde Dollar an Strafzahlungen leisten müssen, 815 Millionen nur für die Verletzung von Umweltauflagen.
Teure Reisen für wertvolle Richter
Koch ließ schon sehr früh kostspielige Seminarreisen für Richterinnen und Richter organisieren, in deren Verlauf die Eingeladenen auf die Prinzipien eines möglichst unreglementierten Marktes eingeschworen wurden. Charles Koch und sein Bruder David spendeten viel Geld an die sogenannte Federalist Society, eine Vereinigung »konservativer« Richterinnen und Richter, aus deren Kreis die Republikaner in Washington gerne Leute an möglichst hohe Gerichtshöfe berufen. Zu den Leuten, die auf Koch-Kosten auf Reisen gingen gehörte zum Beispiel Clarence Thomas , einer der stramm rechten Richter am Supreme Court, der gerade wieder Ärger wegen teuren Reisen mit Milliardären hat, genau wie sein Supreme-Court-Kollege Samuel Alito . Als der Supreme Court 2022 gegen die US-Umweltbehörde EPA entschied und so deren Möglichkeiten zum Klimaschutz drastisch beschränkte, titelte das Investigativportal »The Intercept «: »Wie Charles Koch sich die EPA-Entscheidung des Supreme Courts kaufte.«
Charles Koch ist aber nicht nur ein Pionier der Methode, mit sehr langem Atem einem selbst gewogene Gerichte zu erzeugen. Er ist auch einer der wichtigsten Finanziers der Lüge, dass es keinen menschengemachten Klimawandel gebe. Es gelang Koch sogar, die um das Jahr 2009 in den USA entstehende »Tea Party«-Bewegung, die eigentlich ganz andere Interessen verfolgte, auf den Kampfschrei »der Klimawandel ist ein Hoax!« einzuschwören. Er nutzte dazu eine üppig finanzierte Pseudo-Graswurzelorganisation namens Americans for Prosperity, die Scharen von Demonstranten und Zwischenrufer mit Sprechzetteln losschickte, um Politiker unter Druck zu setzen.
Hunderte Millionen Dollar für Lobbyismus
Koch hat über die Jahre mindestens Hunderte Millionen Dollar in Desinformation und Lobbyismus gesteckt. »Die effektivste Quelle für Klimawandelleugnung war ein einzelner, entschlossener Libertärer, der glaubte, er schaffe eine bessere Welt«, schrieb »The Daily Beast « vergangenes Jahr über Koch.
Koch Industries verdankt seine immense Größe und seinen Reichtum maßgeblich Öl, Gas, Pipelines, Raffinerien, Tankern. Mittlerweile umfasst das absichtlich intransparente Konglomerat auch Rohstoffhändler, Chemie- und Düngemittelfabriken und anderes. Koch entwickelte schon ab den frühen Neunzigern das Instrumentarium, das noch heute gegen jede wirksame Klimaschutzregulierung in Stellung gebracht wird: Stiftungen, »Thinktanks«, »Bürgerinitiativen« mit undurchsichtigen Geld- und Propagandaquellen und so weiter.
2009 standen die USA kurz vor einer Gesetzesänderung, mit der die Lage der Menschheit heute nicht ganz so verzweifelt wäre. Das sogenannte Waxman-Markey-Gesetz hätte einen CO2-Preis und einen Emissionshandel in den USA eingeführt. Die Gesetzesvorlage schaffte es sogar durch das Repräsentantenhaus, auch mit den Stimmen von acht Republikanern.
Die Lüge als Hilfe beim Selbstbetrug
In diesem Moment setzte Charles Koch seine über Jahrzehnte aufgebaute Einflussoperation aus »Experten«, »Thinktanks«, »Stiftungen«, »Bürgerinitiativen« und natürlich traditionellen Lobbyisten in Marsch. In »Kochland« heißt es, Kochs Ziel sei es gewesen, »die Republikanische Partei neu zu formen und an diesen Abgeordneten ein Exempel zu statuieren«. Das Ergebnis ist die Republikanische Partei von heute. Das Waxman-Markey-Gesetz starb einen stillen Tod, es schaffte es nie in den Senat.
Offenbar reduzierten die hoch bezahlten Koch-Lobbyisten ihre kognitive Dissonanz angesichts ihrer Lügenkampagne mit der einfachsten Methode: Sie überredeten sich selbst, dass es keine menschengemachte Klimakrise gebe. Leonard zitiert aus den Erinnerungen eines ehemaligen Mitglieds der Washingtoner Lobbytruppe: »Die meisten der Anwesenden gaben bekannt, dass sie den Klimawandel für einen ›Hoax‹ hielten. Das war für ihn schwer nachvollziehbar.« Schließlich waren die Anwesenden doch »sehr intelligente« Leute, gut informiert über Kochs gewaltige Emissionen. Aber, »wenn die Erderwärmung nicht real war, dann gab es auch keinen Grund für so ein Gesetz«.
Für Marktradikale wie Charles Koch ist diese Lüge notwendig, damit sie ihr ideologisches System aufrechterhalten können. Die Logik funktioniert folgendermaßen: Märkte regeln alles zum Besten. Ein Eingriff ist höchstens bei sogenannten negativen Externalitäten zulässig, wenn also jemand Schäden verursacht, für die andere oder die Allgemeinheit anschließend aufkommen müssen. Diese Schäden müssen »internalisiert«, also vom Verursacher ausgeglichen werden, sonst herrscht »Marktversagen«.
Und damit zur FDP
Koch entschied sich augenscheinlich dafür, die Billionen Dollar schweren negativen Externalitäten, die CO2 nachweislich schon jetzt verursacht, für nicht existent zu erklären. Und doch verkniff sich Koch bei einem extrem seltenen Interview, das er 2016 der »Washington Post« gab, den Klimawandel nicht selbst explizit zu leugnen. Stattdessen stellte er jede Gegenmaßnahme infrage.
Und damit kommen wir zur FDP von heute. Als die Partei kürzlich das Gebäudeenergiegesetz torpedierte, dem sie selbst vorher bereits zugestimmt hatte, steckte dahinter vor allem ein Mann. Der Abgeordnete Frank Schäffler brachte den entsprechenden Antrag ein, versehen mit einem Feigenblatt: Der Gebäudesektor müsse früher in den Emissionshandel einbezogen werden. Noch auf dem Parteitag kassierte der Parteichef und Finanzminister Lindner diesen Teil des Antrags: Das gehe leider nicht. Das wäre ein Schachzug nach Charles Kochs Geschmack.
Schäffler selbst hat öffentlich zuletzt 2014 die Klimakrise geleugnet , in einem Beitrag fürs »Handelsblatt« (»Ich bin ein Klimaskeptiker«). Der sehr aggressive Text enthält lauter Talking Points, die heute noch gängig sind: »Klimahysterie«, »Schuldkomplex«, »Umerziehungsversuche«. Und sogar einen, mit dem auch Kochs ferngesteuerte Bürgerinitiativen schon fünf Jahre vorher antraten: »die Eisbären werden mehr«. Koch ließ 2009 sogar Leute im Eisbärkostüm bei Kundgebungen auftreten.
Vielfältige Verflechtungen
Die Verbindungen reichen aber weiter. Schäffler tritt beim nach Kochs Vorbild benannten »Ludwig von Mises Institut Deutschland« auf. Das amerikanische Mutterschiff wurde in den frühen Achtzigern von Leuten gegründet, denen Charles Koch libertäre Thinktanks nicht radikal genug waren , kein Witz. Bis 2021 war Schäffler auch Mitglied der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft, der auch ihre eigenen Mitglieder schon 2015 zuvor vorwarfen, »Staatshasser« und »rechte, reaktionäre Kräfte« zu dulden. Einen Tag nach Schäffler, Anfang 2021, trat auch Alice Weidel von der AfD aus der Gesellschaft aus, wegen der »aktuell aufgeheizten Stimmung«. Der Chef-Klimawandelleugner der AfD, Michael Limburg, ist bis heute Mitglied der Gesellschaft und hält dort Vorträge zu Klimathemen. Viele Mitglieder sind bekennende Klimawandelleugner.
Schäffler hat das sogenannte Prometheus-Institut gegründet, dessen Finanziers er nicht transparent machen will. Er verweist zu dieser Frage stets auf »ein paar Familienunternehmen«. Das ist eine interessante Wendung vor dem Hintergrund, dass Schäffler auch »Mitglied des Strategischen Beirats« des Unternehmensverbands »Die Familienunternehmer « ist, einer Organisation, die jede Art von Klimarschutzregulierung erbittert bekämpft .
Der Verband geht nach Angaben mehrerer Betroffener bei der Durchsetzung seiner Interessen auf extrem aggressive Weise vor. Die mittlerweile in der FDP bis hinauf zum Vorsitzenden hoffähige Formulierung, Klimapolitik sei »planwirtschaftlich« stammt aus dem Fundus der »Familienunternehmer« – Charles Koch und Ludwig von Mises hätten an alldem vermutlich ihre helle Freude. Spender: ExxonMobil, Philip Morris, Koch
Schäfflers Prometheus-Institut gehört zum Atlas Network, benannt nach dem von US-Libertären gefeierten Roman »Atlas Shrugged« von Ayn Rand aus dem Jahr 1957. Zitat aus der »Lobbypedia «: »Zu den Spendern gehören/gehörten ExxonMobil, Philip Morris, die US-Milliardäre Charles G. Koch und David H. Koch.« (David Koch starb 2019, Charles Koch ist heute 87 Jahre alt.)
Atlas-Jahreseinnahmen 2021: über 18 Millionen Dollar. Alle weiteren Verflechtungen aufzuzählen würde hier zu weit führen – zum Beispiel ist einer der Atlas-Geschäftsführer auch für Kochs Cato Institute tätig. Es existiert ein internationales Netzwerk mit dem Ziel, ultralibertäre Zustände zu erreichen und Klimaschutz so weit wie möglich zu verhindern. Bis heute.
Frank Schäffler und seine Verbündeten, die das Gebäudeenergiegesetz mit einer Koch-typischen Strategie zu Fall brachten, stecken mittendrin. Auch der als »Klimareferent« der FDP in Erscheinung tretende Steffen Hentrich vertritt bis heute öffentlich »Klimaskeptiker«-Positionen , trat bei der wiederum gemeinsam mit einem berüchtigten US-Klimawandelleugner bei der mit den Koch-Netzwerken verbandelten Klimawandelleugnerbude EIKE auf. Der hört heute sonst nur noch die AfD zu.
Die Geschichte von Schäfflers Wärmepumpe
Wie Schäffler bis heute operiert, zeigte sich gerade erst wieder, ganz öffentlich. Am 12. Juni twitterte er: »Der Schornsteinfeger war kürzlich bei mir, wenn Sie eine Wärmepumpe einbauen wollen, investieren Sie mit allem Drum und Dran rund 150.000 Euro«. Weniger als zwei Wochen später verriet er bei »Markus Lanz«, dass er gerade eine Wärmepumpe bestellt habe, weil er sie in seinem Neubau »für geeignet gehalten« habe. Ständige Desinformation gehört für Leute wie ihn zum täglichen Geschäft. Wie in den USA.
Und libertäres Gedankengut à la Koch scheint in der FDP von heute auch weiterhin einen festen Platz zu haben. So erklärte Verkehrsminister Volker Wissing kürzlich im »Morgenmagazin« von ARD und ZDF: »2022 waren die Bürgerinnen und Bürger nicht in der Lage, so wenig zu emittieren wie vorgeschrieben.« Es sei schließlich »nicht die Politik, die mit vielen Autos durch die Gegend fährt«. Das ist die radikale Staatsablehnung libertärer Ideologen, vorgetragen von einem Bundesminister: Die Regierung kann nichts tun, die von ihr selbst gesetzten Ziele einzuhalten, das muss die Bevölkerung schon allein hinkriegen.
Interessanterweise gibt es eine Passage aus Friederich von Hayeks Hauptwerk »The Road to Serfdom« von 1944, das sich heute wie ein Plädoyer für harte internationale Klimaregulierung liest. Übersetzt heißt die Passage: »Es muss eine Macht geben, die die unterschiedlichen Nationen davon abhalten kann, ihren Nachbarn zu schaden, ein Regelwerk, was ein Staat tun darf, und eine Autorität, die fähig ist, diese Regeln durchzusetzen.«
Das müssen Leute wie Schäffler und Koch überlesen haben.
Christian Stöcker: Jahrgang 1973, ist Kognitionspsychologe und seit Herbst 2016 Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). Dort verantwortet er den Studiengang Digitale Kommunikation. Vorher leitete er das Ressort Netzwelt bei SPIEGEL ONLINE.
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01.06.2023 12:13
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EU-Parlament stimmt für strenges EU Lieferkettengesetz - für Menschenrechte und Umwelt
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Das ist fast nicht zu glauben: Die Regeln sind strenger als ursprünglich geplant. Die Europaabgeordneten haben neue Vorgaben für Unternehmen beim Umgang mit Lieferanten beschlossen. Sie sollen nun auch für kleinere Firmen gelten. Spiegel-Online berichtet am 1.6.2023 wie folgt:
"Das EU-Parlament hat sich für ein verhältnismäßig strenges Lieferkettengesetz ausgesprochen. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte in Brüssel für Vorschriften, die Unternehmen für die Bekämpfung von Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltverschmutzung entlang ihrer weltweiten Lieferketten verantwortlich machen. Die Vorgaben sollen demnach über die im deutschen Lieferkettengesetz vorgesehenen Maßnahmen hinausgehen und etwa auch für den Finanzsektor gelten.
Die neuen Regeln übertreffen in ihrer Strenge vorherige Pläne. Denn ihnen sollen über alle Sektoren hinweg Unternehmen mit Sitz in der EU unterliegen, die mehr als 250 Angestellte und mehr als 40 Millionen Euro Jahresumsatz weltweit haben. Zunächst war das Lieferkettengesetz nur für Firmen ab 500 Beschäftigten und 150 Millionen Euro Umsatz gedacht. Auch Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU sollen sich an das neue Regelwerk halten müssen, wenn sie mehr als 150 Millionen Euro umsetzen und mindestens 40 Millionen Euro davon in der EU.
Die betroffenen Unternehmen sind künftig verpflichtet, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt zu ermitteln »und erforderlichenfalls zu verhindern, zu beenden oder abzumildern«, beschloss das Parlament. Außerdem müssen sie die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards auch bei ihren Partnerunternehmen in der Wertschöpfungskette überwachen. Dazu gehören Lieferanten, Vertriebspartner, Transportunternehmen, Lagerdienstleister oder auch die Abfallwirtschaft.
Die EU-Kommission hatte das Gesetz im vergangenen Februar vorgeschlagen. Die 27 Mitgliedstaaten einigten sich im Dezember auf eine Position, die den Vorschlag der Kommission etwas abschwächen würde. Für die abschließenden Verhandlungen zwischen Mitgliedstaaten und EU-Parlament fehlte noch die Positionierung der Abgeordneten, die nun über die Vorschläge der Kommission hinaus geht. In Deutschland gilt bereits seit Januar ein Lieferkettengesetz, das eventuell an die EU-Vorgaben angepasst werden müsste. Scharfe Kritik aus der Wirtschaft
Das deutsche und nun entsprechend auch das europäische Gesetzesvorhaben wird von Wirtschaftsvertretern scharf kritisiert. Sie warnen vor überbordender Bürokratie und einer Schwächung europäischer Unternehmen auf dem Weltmarkt.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) kritisierte, dem Gesetzentwurf fehle es an Praxistauglichkeit, Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit. »Das Lieferkettengesetz bürdet den Unternehmen ein neues und unkalkulierbares Haftungsrisiko auf.« Von ihnen werde eine Kontrolle erwartet, die außerhalb ihrer eigenen Einflussmöglichkeiten liege, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Lieferketten bestünden oft aus mehreren hundert, teils mehreren tausend Firmen. In der Regel sei einem Betrieb aber nur der direkte Zulieferer bekannt. Kleine und mittlere Unternehmen würden »komplett überfordert« durch die geplanten Richtlinien.
Der Arbeitgeberverband BDA warnt gar vor einer Abwanderung von Unternehmen durch mehr Regulierung. In Krisenzeiten brauchten Unternehmen Flexibilisierung und Spielräume für Innovationen – »und weniger Bürokratie aus Brüssel«, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Vorschlag des EU-Parlaments zu den Lieferketten bringe mehr Regulierung und keinen zusätzlichen Schutz für Menschenrechte.
Tiemo Wölken, rechtspolitischer Sprecher der Europa-SPD, sieht in dem EU-Gesetz dagegen die Chance, dafür zu sorgen, dass nicht mit zweierlei Maß gemessen werde, »sondern dass wir dafür sorgen, dass Menschenrechte und Umweltschutz überall auf der Welt gleichermaßen gelten«.
Insbesondere die CDU- und CSU-Delegation im Europaparlament hatte sich bis zuletzt für weniger strenge Vorschriften eingesetzt. Etwa sollten Subunternehmer sowie der Finanzsektor ausgenommen und nur größere Unternehmen betroffen sein. Der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss forderte noch am Mittwoch in einer Debatte im Parlament, den bürokratischen Aufwand zu stoppen. Entsprechende Änderungsanträge fanden jedoch keine Mehrheiten.
366 Abgeordnete befürworteten das geplante EU-Lieferkettengesetz, 225 Abgeordnete stimmten dagegen, 38 enthielten sich".
Der Widerstand gegen diese Fassung der Lieferkettengesetzes durch Wirtschaftsverbände im Verbund mit Politikern der konservativen Parteien, allen voran CDU und CSU, war enorm. Um so eindrucksvoller der Entscheid einer starken Mehrheit des EU-Parlaments.
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30.05.2023 10:50
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Pflegenotstand - Anwerben ausländischer Pflegekräfte ist eine Schande
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Der Arzt Dr. Bernd Hontschik ist Chirurg und Publizist. Bis 1991 war er Oberarzt am Klinikum Frankfurt-Höchst, bis 2015 in seiner chirurgischen Praxis in der Frankfurter Innenstadt tätig.
Das Zustand des Gesundheitswesens treibt ihn um. Er nennt das Anwerben von ausländischem Pflegepersonal in der Frankfurter Rundschau (26.5.23) „eine Schande“. Und schreibt weiter:
„Befragungen unter ausgestiegenen Pflegekräften ergaben in letzter Zeit immer wieder, dass die Hälfte von ihnen in ihren angestammten Beruf zurückkehren würde, wenn sie mit verträglichen Arbeitszeiten, Wertschätzung, Respekt und einer angemessenen Vergütung rechnen könnten. Was ist davon verwirklicht worden? Mehr als eine kärgliche Corona-Einmalzahlung für Wenige ist nicht herausgekommen. Ach halt, ich vergaß: Es gab außerdem auch noch sehr viel Beifall, sogar stehende Ovationen der Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Das war’s dann aber auch.
Statt sich mit einer grundsätzlichen Reform und Neuorientierung des Pflegeberufes zu befassen, bleibt das Problem seit Jahrzehnten ungelöst. Daher reist man in arme Länder, macht Werbung für die großartigen Arbeitsbedingungen in Deutschland und beraubt diese Länder ihrer qualifizierten Pflegekräfte. Das ist ein alter Hut, keine neue Idee.
Schon als ich vor über vierzig Jahren als Chirurg im Krankenhaus Höchst gearbeitet habe, kamen als Ergebnis großangelegter Anwerbekampagnen etwa ein Viertel der OP-Schwestern und -Pfleger aus Indonesien. Inzwischen sind sechzehn Gesundheitsminister:innen an mir vorbeigezogen, aber niemand hat sich an die Ursachen gewagt. Im Gegenteil. Inzwischen sind etwa die Hälfte der damals noch 4000 Krankenhäuser geschlossen worden, mehr als 50 000 Stellen im Pflegebereich gestrichen, die Anzahl der stationären Behandlungsfälle stieg um ein Viertel an, und diese Mehrarbeit mit immer weniger Personal führte zu unerträglichem Arbeitsdruck. So sind im Laufe der Zeit etwa 300 000 ausgebildete Pflegekräfte aus ihrem Beruf geflohen.
Unter Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) flog dessen Staatssekretärin Sabine Weiss zwecks „Anwerbung ausländischer Pflegekräfte“ auf die Philippinen. Auch Spahn selbst war sich nicht zu schade, in Mexiko und dem Kosovo höchstpersönlich Abkommen über die Anwerbung von Pflegekräften abzuschließen. Das nenne ich Pflegeimperialismus. Die Bundesagentur für Arbeit nennt dieses Programm aber ungeniert „Triple Win“ und ist damit unter anderem in Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Indien, Philippinen, Tunesien, Mexiko und Brasilien unterwegs: Das Herkunftsland gibt arbeitslose Kräfte ab, Deutschland besetzt freie Stellen, die Betroffenen lernen Deutsch und verdienen hiesige Löhne.
Man könnte das Ganze aber auch als „Triple-Lose“ bezeichnen: Das Herkunftsland verliert seine gut ausgebildeten jungen Menschen, in Deutschland erfüllen sie die Funktion von Lohndrückern, und die Betroffenen erhalten häufig skandalöse Arbeitsverträge, ja sie müssen sogar nicht selten „Anwerbekosten“ von mehreren tausend Euro bezahlen, falls sie – desillusioniert – kündigen wollen, um in ihre Heimat zurückzukehren. Und nun – man glaubt es kaum – werden Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im Juni nach Brasilien reisen, um wieder Pflegekräfte „anzuwerben“. Heil berichtet schon von solchen Absprachen mit Indonesien und Mexiko. Auch Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze (SPD) steht nicht zurück und hat sich im Februar zusammen mit ihm in Westafrika nach Pflegepersonal umgetan, besonders in Ghana.
Der lächerliche Applaus, die schlechten Arbeitsbedingungen und der verzweifelte Versuch, anderen Ländern qualifizierte Arbeitskräfte wegzunehmen, werden die Probleme im Pflegebereich nicht lösen. Auf diese Katastrophe ist man sehenden Auges und untätig zugesteuert, und die Prognosen sind derart furchterregend, dass die Pflege zu einer Schicksalsfrage der Nation werden wird. Längst hätte es eine nationale Ausbildungsinitiative geben müssen, hätten Krankenhäuser und Pflegeheime mit ausreichenden finanziellen Mitteln zur Einrichtung von Schulen für Pflegekräfte ausgestattet werden müssen. Längst hätte man mit dem Ausbau der universitären Pflegestudiengänge die Attraktivität und Akzeptanz dieses Berufes erhöhen können. Längst hätten Karrierechancen in der Pflege geschaffen werden müssen, endlich verbunden mit einer angemessenen Bezahlung sowie lebens- und familienfreundlichen Arbeitszeiten.
Am wichtigsten aber wäre es, endlich die Privatisierung zu stoppen, auf allen Ebenen, in den Krankenhäusern, in der ambulanten Medizin der „Versorgungszentren“ und in den Pflegeheimen. Für die Arbeitshetze in der Pflege und im ärztlichen Bereich ist in erster Linie der Zwang zur Profitmaximierung, zu möglichst hohen Renditen für Aktionärinnen und Aktionäre verantwortlich. Pflege, Fürsorge und gute Medizin ist unter diesen Bedingungen nicht möglich. Das ist der Grund für den Exodus der Pflegekräfte, von dem inzwischen auch Ärztinnen und Ärzte massiv erfasst werden. Es wird nichts von selbst besser. Das Gesundheitswesen muss gemeinnützig und Teil staatlicher Daseinsvorsorge sein“.
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10.05.2023 10:45
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Vermittlungsausschuss schwächt Schadensersatzanspruch für Whistleblower
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Bund und Länder haben sich im Vermittlungsausschuss auf ein Hinweisgeberschutzgesetz und die damit verbundene, längst überfällige nationale Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie geeinigt. An einigen inhaltlichen Punkten stellt der Kompromiss im Vergleich zum Koalitionsentwurf leider eine Verschlechterung für Whistleblower dar.
Whistleblower weisen auf Missstände und Fehlentwicklungen hin und ermöglichen so frühzeitig Abhilfe. Sie selbst zahlen dafür oft einen hohen Preis und sind schwerwiegenden Repressalien wie Mobbing ausgesetzt. Repressalien, die gravierende und langanhaltende Auswirkungen auf ihr Leben haben, deren Schaden aber aus juristischer Sicht meist von immaterieller Natur ist.
Die EU-Whistleblowing-Richtlinie und der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen (§ 37) haben daher zurecht ein Schmerzensgeld für „immaterielle Schäden“ vorgesehen. Dieser Entschädigungsanspruch ist dem Kompromiss im Vermittlungsausschuss zum Opfer gefallen. „Die Streichung des immateriellen Schadensersatzanspruches kann gravierende Auswirkungen für Whistleblower haben. Damit fällt ein Schmerzensgeldanspruch für sehr viele Repressalien, von denen Whistleblower betroffen sind, weg. Zudem wird gegen europäische Vorgaben verstoßen, obwohl gegen Deutschland bereits jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig ist““, kritisiert Dr. Simon Gerdemann, Leiter eines DFG-geförderten Forschungsprojekts zum Whistleblowing-Recht.
Wie zu erwarten war, konnten CDU/CSU im Vermittlungsausschuss weitere Änderungen zum Nachteil von Whistleblowern durchsetzen: - Die Anpassungen beim Wahlrecht zwischen interner und externer Meldung (§ 7) sehen vor, dass sich Whistleblower bevorzugt an eine (organisations-)interne Stellen wenden „sollten“. Dies könnte auf Whistleblower wie eine Abschwächung der von der EU-Richtlinie zwingend vorgesehenen Gleichrangigkeit von internem und externem Whistleblowing wirken. Studien und Erfahrungen belegen, dass sich Whistleblower an eine interne Stelle wenden, wenn sie das Gefühl haben, den Ansprechpartner*innen vertrauen und auf diesem Weg Veränderungen bewirken zu können. Eine Gleichrangigkeit der Meldewege schafft einen Anreiz für gutaufgestellte interne Hinweisgebersysteme und eine whistleblower-freundliche Organisationskultur. - Die Einrichtung anonymer Meldekanäle ist nicht mehr verpflichtend. Die Pflicht anonymen Meldungen nachzugehen, wird zu einer „Sollte“-Bestimmung abgeschwächt. Anonyme Meldekanäle ermöglichen es Whistleblowern, Vertrauen zur Anlaufstelle aufzubauen, bevor sie ihre Identität preisgeben, und ermutigen sie so zu Meldungen. Systematische Befragungen von Unternehmen haben ergeben, dass die Einführung anonymer Hinweisgeberkanäle keinesfalls Denunziantentum fördert. Der Nutzen anonymer Hinweisgeberkanäle überwiegt die (überschaubaren) Kosten bei weitem. „Der Kompromiss zeigt, dass es bei den Unionsparteien und Teilen der Wirtschaft nach wie vor große Vorbehalte gegen Whistleblower gibt, obwohl diese im Interesse von Gesellschaft und Wirtschaft handeln“, so der Geschäftsführer von Whistleblower-Netzwerk, Kosmas Zittel. „Erfreulicherweise hat sich wenigstens die Erkenntnis durchgesetzt, dass mit einer Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs keinem gedient gewesen wäre.“
Der sachliche Anwendungsbereich beinhaltet nach wie vor Hinweise zu Straftatbeständen und bestimmten Ordnungswidrigkeiten. Die von CDU/CSU geforderte Beschränkung des Anwendungsbereichs auf möglichst wenige Rechtsbereiche hätte deutlich mehr Aufwand für Unternehmen und Behörden zur Folge gehabt. Nach Eingang einer Meldung hätte jedes Mal geprüft werden müssen, ob der Verstoß in den Anwendungsbereich fällt oder nicht. Eine Abgrenzung, die bereits erfahrenen Jurist*innen in vielen Fällen schwer gefallen und für juristische Laien, wie die meisten Whistleblower, fast unmöglich gewesen wäre. Dies hätte zu Rechtsunsicherheit geführt und Whistleblower abgeschreckt.
Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber diese wahrscheinlich letzte Chance nicht genutzt, die Mängel des Gesetzentwurfes zu beheben. Whistleblower-Netzwerk bemängelt u.a. die restriktiven Vorgaben für Offenlegungen gegenüber den Medien und die weitgehenden Ausnahmen für Whistleblower aus dem Geheimschutzbereich. Außerdem fordert WBN eine Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs auf sonstiges erhebliches Fehlverhalten oder Missstände unterhalb der Schwelle eindeutiger Rechtsverstöße (s. Pressemitteilung mit Reporter Ohne Grenzen).
Weitere Informationen • Bundesrats-Pressemitteilung zur Einigung im Vermittlungsausschuss (09.05.2023) • Gesetzesbeschluss des Bundestags (16.12.2022) • WBN-Pressemitteilung und Stellungnahme für die zweite öffentliche Anhörung des Bundestags-Rechtsausschusses (27.03.2023) • WBN-Pressemitteilung zur ersten Lesung des Bundestags (15.03.2023) • WBN-Pressemitteilung zum Bundestagsbeschluss (16.12.2022) • WBN-Pressemitteilung zur ersten öffentlichen Anhörung des Bundestags-Rechtsausschusses (19.10.2022) • Podcast-Interviews zum Regierungsentwurf
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03.04.2023 10:05
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Autobahnpläne der Bundesregierung ein Desaster
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Die Prüfer des Bundesrechnungshofes gehen mit den Reformideen des Finanz- und Verkehrsministerium für die bundeseigene Autobahn GmbH hart ins Gericht. Sie sehen die Kontrollrechte des Bundestags in Gefahr. Der Spiegel (13/2023, S. 62) berichtet am 24.3.23:
„Die von Finanz- und Verkehrsministerium geplante Änderung des Gesellschaftsvertrags der bundeseigenen Autobahn GmbH stößt auf heftige Kritik des Bundesrechnungshofs (BRH). Die Prüfer aus Bonn nehmen in einem aktuellen Gutachten Anstoß daran, dass die Mitwirkungsrechte des Aufsichtsrats beschnitten, die Befugnisse der Geschäftsführung im Gegenzug gestärkt werden sollen.
»Einzelne Zustimmungsvorbehalte, wie zum Beispiel zum Erwerb von Unternehmen sowie zu Abfindungen bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, sollen künftig ganz entfallen«, kritisiert das Gutachten, das dem SPIEGEL vorliegt. Die BRH-Experten bemängeln zudem, dass die Pläne des inhaltlich zuständigen Verkehrsministeriums darauf hinauslaufen, die Kontrollrechte des Bundestags einzuschränken.
Auch wollen sich die Prüfer nicht damit abfinden, dass sie künftig nicht mehr dafür zuständig sein sollen, die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung der Autobahngesellschaft zu untersuchen. Sie sehen die Gefahr, »dass die präventive Kontrolle der Autobahn GmbH schwindet«.
Den Haushaltsausschuss fordert der BRH auf, die geplanten Änderungen abzulehnen, solange das Verkehrsministerium »nicht in jedem einzelnen Punkt überzeugend darlegt, weshalb sein Vorschlag im Interesse des Bundes ist«. Stattdessen empfehlen die Rechnungsprüfer, »die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten des Bundes auf die Autobahn GmbH eher zu stärken«.
Gigantische Fehlkonstruktion
Die haushaltspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Gesine Lötzsch, bestärkt das Gutachten in ihrer Auffassung, dass die Autobahn GmbH »eine gigantische Fehlkonstruktion« sei. Sie koste ein Vermögen. »Schon jetzt ist für den Bundestag nicht nachvollziehbar, wie diese Firma arbeitet«, sagt sie.
Besonders pikant sei, dass Zustimmungen zu Abfindungen bei Beendigung von Verträgen ganz entfallen sollen. »Da arbeiten wohl schon einige Manager an ihren eigenen Abfindungen.« Die Autobahn GmbH brauche mehr Kontrolle, nicht weniger.
Die Gesellschaft verwaltet im Auftrag des Bundes das mehr als 13.000 Kilometer umfassende Autobahnnetz in Deutschland. Von ihrer Gründung versprach sich die Politik Effizienzgewinne bei Verwaltung, Planung und Bau der Autobahnen“.
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16.03.2023 10:35
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Deutschland unternimmt nicht genug gegen Korruption
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Nach Ansicht des Europarats tut Deutschland noch nicht genug gegen Korruption. Nur eine von vierzehn Empfehlungen des Anti-Korruptions-Gremiums Greco aus dem Jahr 2020 sei zufriedenstellend umgesetzt worden, kritisierte die Staatengruppe. Lobend erwähnt wurde das Lobbyregister des Bundestags.
Das Gremium hatte beispielsweise empfohlen, Gesetzgebungsverfahren transparenter zu gestalten und Einflüsse von Lobbyisten deutlicher zu machen. Dies sei nicht umgesetzt worden, hieß es. Bedauernswert sei auch, dass es immer noch keine schärferen Regeln für den Wechsel von Politikern in die Privatwirtschaft gebe, beispielsweise längere Karenzzeiten. Auch sei mehr Transparenz in Bezug auf finanzielle Interessen der Bundesministerinnen und -minister wünschenswert.
Nach einer Auswertung der Bürgerbewegung Finanzwende ist keine andere Branche unter den 100 finanzstärksten Lobbyakteuren so stark vertreten wie die Finanzbranche. Lob gab es für die Einführung des Lobbyregisters im Bundestag, allerdings müsste es noch mehr Informationen über den Zweck von Kontakten mit Lobbyisten geben.
Transparency erhofft von Ampel-Koalition schärfere Lobbyregeln
Der Europarat mit Sitz im französischen Straßburg ist für den Schutz der Menschenrechte zuständig. Er ist kein Organ der Europäischen Union. Die Staatengruppe gegen Korruption wurde 1999 gegründet und zählt insgesamt 50 Mitgliedstaaten, deren Engagement im Kampf gegen Korruption sie in regelmäßigen Abständen beurteilen. Greco wird die deutsche Umsetzung der Empfehlungen 2024 bewerten.
RND/dpa
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25.01.2023 10:52
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Lieferkettengesetz in der Krise durch Lobbyisten der Wirtschaft
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Wirtschaftsverbände wollen mit aller Macht ein starkes EU-Lieferkettengesetz verhindern. Bei der Bundesregierung und deutschen Abgeordneten im Europa-Parlament finden sie dabei Gehör. Die übernehmen Forderungen der Lobbyisten sogar wörtlich, wie eine Analyse von Misereor und des Global Policy Forum zeigt. Die Frankfurter Rundschau berichtet:
Einen regelrechten Lobbysturm haben deutsche Wirtschaftsverbände gegen das geplante EU-Lieferkettengesetz entfacht. Mit Erfolg – wie eine Analyse des Global Policy Forum (GPF) und des Hilfswerkes Misereor belegt. Dass der EU-Rat eine deutliche Entschärfung des Kommissionsvorschlages zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten verfolgt, geht demnach vor allem auf das Konto der Bundesregierung. Vorausgegangen waren massive Interventionen von Wirtschaftsverbänden, wie Dokumente belegen, die jetzt nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zugänglich wurden.
Im Februar 2022 hatte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie präsentiert. Sie soll europäische Unternehmen verpflichten, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in ihren Wertschöpfungsketten vorzubeugen, und Opfern eine Chance auf Schadensersatz ermöglichen. Die Vorlage der Kommission geht dabei in mehreren Punkten über das seit diesem Januar geltende deutsche Lieferkettengesetz (LKSG) hinaus – zum Missfallen der Wirtschaftslobby.
Lobbyisten sprechen mindestens dreimal im Ministerium vor
In einem Brief vom 11. April vergangenen Jahres baten hochrangige Vertreter:innen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) daher Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) „nachdrücklich, unsere Bedenken bei der Positionierung zum Richtlinienentwurf der Kommission zu berücksichtigen und für den Ansatz des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes zu werben“.
Dabei blieb es nicht – zusätzlichen Nachdruck verliehen Repräsentant:innen von BDI, der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) sowie der IHK Stuttgart ihrem Anliegen im Frühjahr 2022 bei mindestens drei Treffen mit Staatssekretär:innen aus dem Hause Buschmann.
Positionen, die dann offenbar in eine interne „Weisung“ zur deutschen Positionierung in den Ratsverhandlungen eingingen. Denn anders als die EU-Kommission wollen die Mitgliedstaaten nicht alle Stufen der Wertschöpfung menschenrechtlich betrachten, sondern nur eine sogenannte Aktivitätskette in den Blick nehmen. Außen vor blieben dann zum Beispiel Finanzinvestitionen, Waffenexporte oder die Verwendung von Produkten – also beispielsweise der Einsatz giftiger Pestizide.
Wie die Kommission will der Rat zwar Unternehmen verpflichten, Klimaschutzpläne aufzustellen. Die Mitgliedstaaten lehnen aber Sanktionen ab, sollten Firmen ihre Klimaziele nicht einhalten. Auch der von der Kommission verfolgte Ansatz, die Vergütung von Vorständinnen und Vorständen an der Nachhaltigkeit eines Unternehmens auszurichten, findet sich im Ratsbeschluss nicht wieder.
Forderung nach einer „Safe Harbour“-Regelung für Unternehmen
Für Misereor und das GPF sind das „Verwässerungen“, die zu großen Teilen auf die Bundesregierung zurückgehen. Welche Rolle die Wirtschaftsverbände dabei spielten, zeigen Recherchen des Investigativmagazins Correctiv. Demnach gab es zur Weisung vom 2. September 2022 eine Vorgängerversion, die vom 26. Juli des Jahres datiert. Darin hätten die drei Bundesministerien für Wirtschaft, für Arbeit und Soziales sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine viel ambitioniertere Positionierung für die Verhandlung unter den EU-Mitgliedstaaten formuliert.
Erst als Justizminister Buschmann intervenierte und mehrere „Leitungsvorbehalte“ einlegte, wurde die Weisung den Forderungen der Wirtschaft angepasst. Eingang fand dann auch die Forderung nach einer „Safe Harbour“-Regelung für Unternehmen, die bestimmte Zertifizierungen nutzen oder Branchenstandards umsetzen. Eine solche Bestimmung hätte zur Folge, das Unternehmen nur für Schäden haftbar zu machen sind, die sie vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben. Diese Tatbestände seien für Opfer ohne Zugang zu unternehmensinternen Unterlagen aber kaum zu belegen, schreiben Karolin Seitz (GPF) und Armin Paasch (Misereor) in ihrer Analyse.
Mit der „Safe Harbour“-Forderung kam die deutsche Seite in den Verhandlungen der Mitgliedstaaten allerdings nicht durch. Die Bundesregierung widersprach dem Ratsbeschluss zwar nicht, kündigte aber in einer Protokollerklärung an, einer Richtlinie ohne „Safe Harbour“-Regelung letztlich nicht zuzustimmen.
Auch im EU-Parlament lässt die Industrielobby nichts unversucht, ein starkes Lieferkettengesetz zu verhindern. Vor allem bei Vertreter:innen der Union und der Europäischen Volkspartei (EVP) finden die Verbände dabei offene Ohren. Noch im März 2021 hatte das EU-Parlament mit den Stimmen der Unionsabgeordneten einen detaillierten Vorschlag für ein EU-Lieferkettengesetz verabschiedet, der noch deutlich schärfer als die Kommissionsvorlage ausfiel. Minister Buschmann lehnt Treffen mit der Initiative Lieferkettengesetz ab
„Doch der Wind hat sich gedreht“, stellen Paasch und Seitz fest. Im federführenden Rechtsausschuss des EU-Parlaments brachten EVP-Schattenberichterstatter Axel Voss (CDU) und weitere Abgeordnete im November vergangenen Jahres Forderungen ein, „die den Kommissionsvorschlag vollständig entkernen würden“, so die Analyse von GPF und Misereor. Auch soll das Gesetz dem Willen der EVP-Leute nach nur bei Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten greifen und erst von 2033 an gelten. Voss hatte sich zuvor nachweislich 25-mal mit Wirtschaftsvertreter:innen wegen des Lieferkettengesetzes getroffen.
Die Wirtschaft in Zeiten der Krise
Frappierend ist, dass EVP-Mann Voss seine Forderungen offensichtlich zu weiten Teilen aus Positionspapieren und Briefen von Wirtschaftsverbänden übernommen hat, wie eine Gegenüberstellung der Texte zeigt. „Teilweise sogar durch schlichtes Copy and Paste“, heißt es in der Studie von Misereor und GPF.
Grundsätzlich sei es nicht verwerflich, wenn Regierungsvertreterinnen und Abgeordnete sich Anliegen und Positionen von Unternehmen anhörten, so Seitz und Paasch. „Wichtig aber ist, dass diese Perspektive nur eine von mehreren ist.“ Daran kann aber angesichts der dokumentierten Interventionen gezweifelt werden. Während Wirtschaftsleute im Frühjahr 2022 mindestens dreimal im Justizministerium empfangen wurden, lehnte Minister Buschmann eine Gesprächsanfrage der Initiative Lieferkettengesetz nach deren Angaben ab.
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17.12.2022 15:01
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Deutscher Bundestag verabschiedet Hinweisgeberschutzgesetz - anonymes Melden möglich
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Der Bundestag hat am Freitag, den 16.12.22 in der letzten Sitzung des Jahres das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet und damit die EU-Whistleblower-Richtlinie (EU-Direktive 2019/1937) umgesetzt. Besonders erfreulich, dass beim Schutz der Whistleblower nochmals nachgebessert wurde: Meldestellen müssen nun auch anonymen Hinweisen nachgehen und Vorkehrungen treffen, um eine anonyme Kommunikation mit den meldenden Personen zu ermöglichen. Doch was oft vergessen oder absichtlich übersehen wird: interne Hinweisgeber werden oft intern unfair attackiert, also gemobbt. Ein Thema, das beim Thema Mobbing nicht selten mitschwingt und einen Teil der Fairness-Beratung der Fairness-Stiftung auch jenseits juristischer Aspekte ausmacht - dabei spielen emotionale, soziale, psychologische und strategische Elemente eine Rolle: "Fairness-Beratung"
Deutschland hat als 14. EU-Staat die EU-Richtlinie in nationales Recht umsetzt, nachdem in der letzten Woche auch Belgien und Italien diesen Schritt vollzogen haben. Dass nun auch anonyme Meldungen ermöglicht werden müssen, verbessert das Gesetz deutlich. Das erhöht zwar auch die Anforderungen an die Unternehmen, ist aber durchaus leistbar.
Unternehmen, Behörden und Kommunen müssen Meldekanäle einrichten
Für die 17.000 Unternehmen in Deutschland ab 250 Beschäftigten, aber auch öffentliche Einrichtungen und Gemeinden ab 10.000 Einwohnern besteht damit dringender Handlungsbedarf, einen Meldekanal einzurichten. Als Best Practice haben sich hier digitale Hinweisgebersysteme etabliert, da nur diese alle Anforderungen an eine sichere, anonyme und DSGVO-konforme Kommunikation erfüllen. Diese Tools können, wie es der Gesetzgeber vor allem für internationale Konzerne empfiehlt, in mehreren Sprachen aufgesetzt werden und automatisieren auch die vorgeschriebenen Prozesse für die Empfangsbestätigung und die Rückmeldung an die Hinweisgebenden.
Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland begrüßt dies sehr, obwohl das beschlossene Gesetz nicht weit genug geht. Dazu erklärt Dr. Sebastian Oelrich, Leiter der Arbeitsgruppe Hinweisgeber von Transparency Deutschland:
„Unser jahrelanger Einsatz für einen gesetzlichen Schutz von Hinweisgebenden zahlt sich heute aus. Menschen, die auf Korruption und andere Missstände hinweisen, stehen derzeit oft im Regen, weil sie ihren Job verlieren, drangsaliert oder sogar juristisch verfolgt werden können. Künftig bekommen diese Hinweisgebenden endlich einen rechtlichen Schutzschirm vor Repressalien sowie Möglichkeiten, ihre Hinweise in und außerhalb von Unternehmen sicher abzugeben.
Unternehmen und Behörden müssen neben der verpflichtenden Einrichtung von Meldestellen nun anonyme Meldewege einführen. Das ist entscheidend, da dadurch die Hemmschwelle zum Melden von Problemen deutlich sinkt. Das zeigt die Erfahrung vieler Unternehmen, die bereits heute teils anonyme Meldewege haben. Fast jeder große Skandal wurde von zunächst anonymen Hinweisgebenden gemeldet. Wir begrüßen sehr, dass die zuständigen Abgeordneten sich in den letzten Monaten intensiv bemüht und unsere Hinweise in der Anhörung zum Teil aufgegriffen haben. Das Gesetz ist jetzt besser als der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung, denn dieser sah vor, dass anonyme Hinweise gar nicht oder nur nachranging ermöglicht und bearbeitet werden sollten.
Gleichzeitig hätte der Schutz von Hinweisgebenden noch deutlich umfassender und besser ausfallen können. In bestimmten Bereichen ist es für potentielle Hinweisgebende schwierig zu beurteilen, ob sie geschützt sind oder nicht. Das liegt daran, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes begrenzt und komplex ist. Aus unserer Sicht sollte das Gesetz für sämtliche Rechtsverstöße und sonstiges Fehlverhalten gelten, dessen Meldung oder Offenlegung im öffentlichen Interesse liegt.
Das gilt insbesondere für den Bereich der nationalen Sicherheit und sogenannte Verschlusssachen, die im Gesetz fast vollständig ausgenommen sind. Dabei wissen wir aus der Vergangenheit, dass gerade dort Hinweisgebende für die Aufdeckung großer Missstände besonders wichtig sind und dafür einen besonderen Schutz brauchen.
Auch fehlt es weiterhin an notwendigen Hilfs- und Beratungsangeboten oder einem Schutzfonds für (potentielle) Hinweisgebende. Hier wird weiterhin verkannt, was für ein einschneidendes Ereignis und hohes Risiko eine Hinweisgabe für viele Personen darstellt. Hinweisgebende werden hier leider weiterhin allein gelassen.”
Zum Hintergrund
Korruption erfolgt verdeckt. Korruption wird weniger durch Prüfungshandlungen als durch Hinweisgeber aufgedeckt, die internes Wissen offenbaren und sich damit dem Risiko aussetzen, wegen ihres Handelns benachteiligt zu werden. Die Etablierung von Schutzmechanismen gegen Benachteiligungen würde die Bereitschaft potentieller Hinweisgeber, ihr Wissen zu offenbaren, deutlich erhöhen. Effiziente Korruptionsprävention in Organisationen und Unternehmen, im öffentlichen und privaten Sektor erfordert daher den Schutz der Personen, die durch ihre Hinweise Korruption aufdecken und so die Verfolgung von Korruptionstaten ermöglichen.
Der Begriff "Whistleblowing" hat – aus den USA kommend – inzwischen auch Einzug in Europa gehalten. In Deutschland wird der Begriff "Hinweisgeber" leider noch zu oft mit dem Stigma des Denunzianten belegt. Gleichwohl gibt es in Deutschland inzwischen eine Vielzahl von Hinweisgebersystemen. Länder, Kommunen, Städte und vor allem Unternehmen der Wirtschaft und des öffentlichen Sektors haben interne oder externe Stellen eingerichtet, um Menschen zu ermutigen, Hinweise auf schwerwiegendes Fehlverhalten oder gravierende Missstände zu geben. Es gibt viele Definitionen für den Begriff des Whistleblowers oder Hinweisgebers. Transparency International Deutschland e.V. verwendet diese Definition:
„Hinweisgeber ist, wer Informationen über wahrgenommenes Fehlverhalten in einer Organisation oder das Risiko eines solchen Verhaltens gegenüber Personen oder Stellen offenlegt, von denen angenommen werden kann, dass diese in der Lage sind, Abhilfe zu schaffen oder sonst angemessen darauf zu reagieren.“
Hinweisgeber sind in Deutschland nur in spezifischen Situationen geschützt, für die Mehrzahl der Beschäftigten ist der Schutz unzureichend. Hinreichend geschützt sind Beschäftige in Unternehmen oder Organisationen, die über ein System verfügen, das Vertraulichkeit gewährleistet (Ombudsanwalt, Vertrauensanwalt, nicht rückverfolgbares internetbasiertes System).
Nicht ausreichend geschützt sind vor allem Personen, die – zum Beispiel mangels einer internen Möglichkeit – einen Hinweis außerhalb ihrer Organisation platzieren wollen, sei es bei einer Behörde oder den Medien. Für dieses externe Whistleblowing gibt es in Deutschland keine klaren Regeln. Es gibt nur die schwer einschätzbare Rechtsprechung der Arbeitsgerichte im jeweiligen Einzelfall, für die der Schutz von Geheimnissen und die Treuepflicht des Arbeitnehmers (oft zu) hohe Bedeutung haben. Aufgrund dieser Rechtsunsicherheit werden Personen davon abgehalten, Missstände gegenüber Stellen aufzudecken, die Abhilfe schaffen oder – wie bei Rechtsverstößen die Ermittlungsbehörden – sonst angemessen darauf reagieren könnten.
"Was ist ein Whistleblower?"
"Wer ist ein Risk-Messenger?"
"Unfaire Geschäftspraktiken und Beschwerdestellen"
"Whistleblower-Netzwerk mit Info und Beratung"
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28.11.2022 12:32
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Julian Assange - offener Brief von New York Times, Guardian, Le Monde, SPIEGEL und El País
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Journalismus ist kein Verbrechen
Die Chefredakteure und Herausgeber von New York Times, Guardian, Le Monde, SPIEGEL und El País haben sich an die US-Regierung gewandt. Die US-Regierung sollte die Verfolgung von Julian Assange wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente einstellen.
„Heute vor zwölf Jahren, am 28. November 2010, haben unsere fünf Redaktionen in Zusammenarbeit mit WikiLeaks eine Serie von Enthüllungsgeschichten veröffentlicht, die weltweit Schlagzeilen machten. Die diplomatischen Depeschen, eine Sammlung von 251.000 vertraulichen Nachrichten des US-Außenministeriums, entlarvten Korruption, diplomatische Skandale und Spionageaffären von internationalem Ausmaß. In den Worten der »New York Times« zeigten die Dokumente »ungeschönt, wie die US-Regierung ihre wichtigsten Entscheidungen trifft, Entscheidungen, die das Land viele Menschenleben und viel Geld kosten«. Und noch immer veröffentlichen Journalisten und Historiker neue Enthüllungen, die auf diesem einzigartigen Dokumentenschatz basieren.
Für Julian Assange, den Herausgeber von WikiLeaks, hatten diese Veröffentlichungen und andere damit zusammenhängende Leaks jedoch gravierende Folgen. Am 12. April 2019 wurde Assange aufgrund eines US-amerikanischen Haftbefehls in London festgenommen. Er sitzt seit rund dreieinhalb Jahren in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis, in dem ansonsten Terroristen oder Mitglieder des organisierten Verbrechens eingesperrt werden. Ihm droht die Auslieferung an die USA und eine Haftstrafe von bis zu 175 Jahren in einem amerikanischen Hochsicherheitsgefängnis.
Unsere Redaktionen, die damals mit WikiLeaks zusammenarbeiteten, entschieden sich 2011, Assanges Verhalten öffentlich zu kritisieren, als die Dokumente im Original, ohne journalistische Bearbeitung an die Öffentlichkeit gelangten. Und einige von uns haben mit Sorge die Vorwürfe in der Anklage zur Kenntnis genommen, denen zufolge Assange dabei geholfen haben soll, in einen Computer mit Zugang zu einer geheimen Datenbank einzudringen. Aber heute äußern wir uns gemeinsam, weil wir zutiefst besorgt darüber sind, dass Julian Assange noch immer verfolgt wird, weil er geheimes Material beschafft und veröffentlicht hat.
Die Regierung von Barack Obama und Joe Biden, die während der WikiLeaks-Veröffentlichungen 2010 im Amt war, hatte es abgelehnt, Assange anzuklagen, weil dann auch Journalistinnen und Journalisten der großen Medien hätten angeklagt werden müssen. Ihre Wertschätzung der Pressefreiheit überwog, selbst in einem Fall, in dem die Konsequenzen schmerzhaft waren. Unter Donald Trump änderte sich diese Haltung jedoch. Das US-Justizministerium nutzte das alte Anti-Spionage-Gesetz von 1917, einst gedacht für die Verurteilung von Spionen während des Ersten Weltkriegs. Es wurde nie zuvor angewendet, um einen Herausgeber oder Journalisten vor Gericht zu stellen.
Die Anklage gegen Assange ist ein gefährlicher Präzedenzfall und ein Angriff auf die Pressefreiheit.
Es zählt zu den Kernaufgaben von Journalistinnen und Journalisten in demokratischen Staaten, Fehler von Regierungen zu kritisieren. Sensible Informationen zu beschaffen und zu publizieren, wenn das im öffentlichen Interesse liegt, ist Teil unserer täglichen Arbeit. Wer diese Arbeit kriminalisiert, schwächt den öffentlichen Diskurs und damit die Demokratie. Zwölf Jahre nach den Botschaftsdepeschen ist es an der Zeit für die US-Regierung, die Verfolgung von Julian Assange wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente einzustellen. Denn Journalismus ist kein Verbrechen“.
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10.11.2022 08:45
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17 Fachleute legen Empfehlungen gegen Greenwashing vor
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UN-Chef prangert Ölkonzerne wegen schöngefärbter Klimabilanzen an UN-Generalsekretär António Guterres hat Konzerne der Öl- und Kohleindustrie kritisiert, dass manche von ihnen ihre eigentlich verheerenden Klimabilanzen bewusst schönfärben. Unlautere Selbstverpflichtungen zum Netto-Null-Ausstoß an Treibhausgasen, die aber Kernprodukte nicht erfassen, "vergiften unseren Planeten", sagte er am 8. November laut Redetext auf der Weltklimakonferenz in Ägypten. Firmen müssten sich alle klimaschädlichen Emissionen vollständig anrechnen, also direkte, indirekte und auch jene aus ihren Lieferketten.
Falsche Versprechen zur Klimaneutralität seien verabscheuungswürdig. "Das ist reinster Betrug", wetterte Guterres. Solche Schummeleien könnten die Welt über die "Klima-Klippe stoßen". "Netto-Null-Emissionen" bedeutet, nur noch so viele Kohlendioxid-Emissionen zu verursachen, wie kompensiert werden können - also etwa durch die unterirdische Speicherung von CO2 oder Aufforstungen.
Den Basisprospekt sowie die Endgültigen Bedingungen und die Basisinformationsblätter erhalten Sie bei Klick auf das Disclaimer Dokument. Beachten Sie auch die weiteren Hinweise zu dieser Werbung.
Vor einem Jahr auf der UN-Klimakonferenz hatte Guterres einen Expertenrat damit beauftragt, Standards und Richtlinien für Klimaschutzversprechen zu erarbeiten, um "Greenwashing" von Staaten und Unternehmen einzudämmen. Mit Greenwashing sind Strategien gemeint, mit denen sich Unternehmen oder Staaten wahrheitswidrig als besonders umweltfreundlich darstellen.
Die 17 Fachleute legten in Ägypten nun Empfehlungen vor. Unter anderem schlagen sie vor, dass speziell große Unternehmen jährlich detailliert über ihre Fortschritte beim Klimaschutz berichten.
Die Vorsitzende des Gremiums, die frühere kanadische Umweltministerin Catherine McKenna, sagte, Klimaschutzversprechen der Industrie, des Finanzsektors und auch von Städten und Regionen müssten "ehrgeizig, transparent und glaubwürdig" sein. Dafür gebe es nun klare Standards und Kriterien. "Unser Planet kann sich keine weiteren Verzögerungen, keine neuen Ausreden und nicht noch mehr Greenwashing leisten", sagte sie.
Guterres sagte, Selbstverpflichtungen der Wirtschaft sowie von Städten und Regionen sollten Zwischenziele auf ihrem Weg zur Klimaneutralität enthalten, und zwar alle fünf Jahre und für alle ihre Emissionen. Seine Botschaft laute: "Haltet euch an diesen Standard und aktualisiert sofort eure Richtlinien - und das möglichst zur COP28." Die nächste UN-Klimakonferenz, die COP28, findet Ende nächsten Jahres in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt.
Gegen Greenwashing: "www.fairness-check.de"
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07.11.2022 11:04
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Kooperieren um zu (über-) leben - im Weltklima
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Entweder gebe es einen »Klimasolidaritätspakt oder einen kollektiven Selbstmordpakt« – Uno-Generalsekretär Guterres findet auf der Weltklimakonferenz eindringliche Worte.
Zum 27. Mal trifft sich die Weltgemeinschaft zur alljährlichen Klimakonferenz. Dieses Mal findet sie im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich statt. Am Montag und Dienstag halten mehr als 100 Staats- und Regierungschefs Eröffnungsreden, auch Bundeskanzler Olaf Scholz wird erwartet
Worum es bei der COP27 geht
Aktuell ist die Staatengemeinschaft weit davon entfernt, vereinbarte Klimaziele zu erreichen. Worum geht es bei der COP27 und kann die diesjährige Weltklimakonferenz den schlechten Vorzeichen zum Trotz noch ein Erfolg werden? Antworten auf die wichtigsten Fragen lesen Sie hier.
Guterres mahnt Staats- und Regierungschefs zum Handeln
Uno-Generalsekretär António Guterres hat die angereisten Staats- und Regierungschefs gewarnt, dass diese ohne verstärkte Zusammenarbeit im Klimaschutz das Überleben der Menschheit aufs Spiel setzen. »Die Menschheit hat eine Wahl: kooperieren oder umkommen«, sagte Guterres vor dem Plenum der 27. Uno-Klimakonferenz. Entweder gebe es einen »Klimasolidaritätspakt oder einen kollektiven Selbstmordpakt«.
»Wir sind im Kampf unseres Lebens und wir sind dabei, zu verlieren«, sagte Guterres. Doch er hat auch eine positive Botschaft: »Eins ist sicher: Diejenigen, die aufgeben, werden mit Sicherheit verlieren. Also lasst uns zusammen kämpfen – und lasst uns gewinnen.«
Der Klimawandel sei »das bestimmende Thema unserer Zeit« und »die zentrale Herausforderung unseres Jahrhunderts«, betonte Guterres. Viele der heutigen Konflikte hingen mit »dem wachsenden Klimachaos« zusammen. So habe der Ukrainekrieg »die tiefgreifenden Risiken unserer Abhängigkeit von fossilen Energieträgern« offengelegt. Der Krieg in der Ukraine und andere Krisen dürften daher »keine Entschuldigung für ein Zurückfallen« im Klimaschutz sein.
ani/AFP/dpa/Reuters
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27.10.2022 07:48
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Gerhart Baum ist überzeugt, „die Menschenwürde ist nicht totzukriegen“
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Der frühere FDP-Innenminister Gerhart Baum gab Martin Bennningshoff ein Interview über Völkerrechtsverletzungen, Putins Missachtung aller Regeln und den dringenden Reformbedarf der UN.
Herr Baum, Friedenssicherung und Menschenrechte sind Ihr politisches Lebensthema. Was bewirkt der russische Angriff auf die Ukraine bei Ihnen persönlich?
Zunächst ist der russische Angriffskrieg eine Gefahr, die weit über das bisher Bekannte hinausgeht. Die Völkerrechtsordnung ist immer Herausforderungen ausgesetzt gewesen, denken wir nur an die Völkermorde in Ruanda, Kambodscha, und an zahlreiche andere Verletzungen des Völkerrechts. Aber diese mit seiner strikten Absage an Gewalt, mit seiner Verbindung von Friedenssicherung und Schutz der Menschenwürde, blieb trotzdem der Maßstab. Das hat sich verändert: Wladimir Putin hat diese Völkerrechtsordnung ins Wanken gebracht. Er missachtet alle Regeln und bedroht diejenigen, die diese Ordnung verteidigen, mit Atomwaffen. Das ist ein schwerwiegender Tabubruch.
Sie werden in diesem Monat 90 Jahre alt. Sie haben den Zweiten Weltkrieg und Flucht miterlebt, aber auch die Jahrzehnte danach, in denen es um Wiederaufbau und Versöhnung ging. Fühlen Sie sich jetzt, im zehnten Lebensjahrzehnt, zurückgeworfen – auf alte Erfahrungen und in Ihren Bemühungen?
Trotz aller Niederlagen: In meinem Leben habe ich eine grundlegende positive Erfahrung gemacht: Das Thema Menschenrechte ist stärker geworden. Es ist mittlerweile ein Querschnittsthema der internationalen Politik. Ein Beispiel: Die Reise eines demokratischen Politikers nach Katar kann heute nicht mehr ablaufen, ohne dass die Menschenrechte zum Thema gemacht werden. Wir haben im Laufe der Jahrzehnte ein neues Instrumentarium bekommen, um das Recht gegen das Recht des Stärkeren durchzusetzen: eine internationale Gerichtsbarkeit zum Beispiel. Schutzobjekt ist jetzt der einzelne Mensch, und zur Verantwortung gezogen werden nicht nur Staaten, sondern die einzelnen Täter, jetzt zum Beispiel die russischen Militärs, die Kriegsverbrechen in der Ukraine begehen. Das weltweite Bewusstsein, die Menschenrechte zu schützen, das ist gewachsen.
Aber was bedeutet Russlands Krieg für dieses völkerrechtliche „Instrumentarium“, wie Sie sagen?
Naja, Russland ist ein Ständiges Mitglied des Sicherheitsrates und in besonderer Weise der UN-Charta verpflichtet. Und Russland tritt die Völkerrechtsordnung mit Füßen. Die Charta der Vereinten Nationen ist auf Friedenssicherung ausgelegt. Die Gräuel des Zweiten Weltkrieges sollten sich nicht wiederholen. Und diese Ordnung hat Putin praktisch aufgehoben. Das Bedrohliche ist aber auch, dass eine ganze Reihe wichtiger Staaten abseits stehen, das heißt, den Angriffskrieg zwar nicht unterstützen, ihn aber auch nicht verurteilen. Einen solchen Angriff auf die Werteordnung der Völker hat es bisher seit 1945 noch nicht gegeben.
Wie kann der Sicherheitsrat reformiert werden? Man kann doch nicht zulassen, dass Russland die Resolutionen zum eigenen Krieg weiter blockiert?
Der Sicherheitsrat ist ein Produkt der Nachkriegszeit. Wichtige Kontinente wie Afrika oder Südamerika sind überhaupt nicht vertreten im wichtigsten Gremium, dem Sicherheitsrat, Indien auch nicht. Die Zusammensetzung stimmt nicht. Und es ist nicht mehr zu ertragen, dass ein Staat die Verurteilung seiner Aggression durch ein Veto verhindern kann, wie gerade im Falle Russlands erlebt. Oder nehmen Sie den Vernichtungskrieg in Syrien, den Russland zusammen mit dem Assad-Regime dort geführt hat: Mehrfach hat der Sicherheitsrat versucht, Frieden zu stiften – und mehrfach ist das am Veto Russlands und Chinas gescheitert.
Sie haben familiäre Verbindungen zu Russland und der Ukraine, schreiben von einer „emotionalen Bindung“: Ihre Mutter wurde in Moskau geboren, Ihr Großvater stammt aus Charkiw …
… und ich habe eine große Sympathie für viele Menschen, die ich in Russland kennengelernt habe. Ich kenne viele Vertreter der Zivilgesellschaft in Russland und bin ganz anderer Meinung als jene, die behaupten, Russland sei nicht demokratiefähig. Quatsch. Die jungen Menschen, die ich kennengelernt habe, denken genauso wie wir: Sie sind gut ausgebildet, wollen vorankommen, die Welt sehen. Durch die Digitalisierung sind sie, ganz anders als frühere Generationen, durch das Internet auch verbunden mit der Welt. Russland ist anders als Putin-Russland. Die Deutschen haben ja auch unter Beweis gestellt, dass ein anderes Deutschland gab und gibt als das Nazideutschland.
Sie schreiben in Ihrem Buch von einer historischen Konfrontation zwischen demokratischen und autokratischen Staaten. In den neunziger Jahren, nicht nur in den Schriften Francis Fukuyamas, gingen viele davon aus, dass sich die liberale Demokratie mehr oder minder durchsetzt. Was ist davongeblieben?
Es gibt ja Anzeichen, dass die Demokratie weltweit unter Druck gerät und schwächelt, auch im Westen. Denken Sie an die große Demokratie, die USA, die in der Amtszeit Donald Trumps einen enormen Rückschlag in dieser Beziehung erlitten hat. Allerdings hat sie sich wieder von ihm befreit. Aber es gibt keine Blöcke mehr, stattdessen sehen wir das interessante Phänomen, dass große Staaten wie Indien, Südafrika oder Brasilien ihre Rolle suchen. Ich meine, dass die Europäer hier eine Verantwortung haben, Brücken zu bauen. Diese Staaten bestimmt eine gewisse Zurückhaltung gegenüber US-amerikanischer Dominanz. Und wir Europäer könnten die Vermittlung übernehmen. Wir sollten die berechtigten Interessen dieser Staaten aufnehmen und an unsere eigenen Interessen binden. Nicht antiamerikanisch, aber eigenständig. Wir sollten alles tun, um die schwer beschädigte Weltordnung zu reparieren, als Gegengewicht gegen die imperiale Allianz, die Putin zu schmieden versucht. Wir sind inzwischen weltweit so vernetzt, so aufeinander angewiesen, dass wir verlässliche Regeln für ein Zusammenleben auf diesem Planeten mehr brauchen als je zuvor.
Menschenrechtspolitik sei immer Einmischung und müsse das auch sein, schreiben Sie weiter. Das sehen diese Staaten, vor allem China, anders. Was kann Deutschland da tun?
Kluge Politik machen. Menschenrechtspolitik bedeutet ja nicht, die Beziehungen abzubrechen. Russland ist ein Ausnahmefall, Putin ist nicht mehr vertragsfähig. Man denke nur daran, wie er wichtige Repräsentanten der Welt und uns alle vor der Aggression getäuscht und belogen hat, Die Chinesen dagegen sind viel pragmatischer, sie wollen eine regelbasierte Politik. Wie man den Menschen, die in Diktaturen verfolgt werden, helfen kann, ist von Staat zu Staat unterschiedlich – aber alle Mühe wert. Verurteilung alleine reicht nicht, man muss versuchen, die Dinge zu ändern. Das ist schwer genug und oft aussichtslos.
Sie sagen, die Chinesen seien pragmatischer. Putin galt vielen hierzulande lange Zeit auch als vergleichsweise pragmatisch. Wer hätte vor 2014 gedacht, dass er sich ernsthaft auf einen solchen nahezu mythologisch aufgeladenen Krieg einlässt? Kann man sicher sein, dass China in der Taiwan-Frage nicht irgendwann ähnlich agiert?
Die Taiwan-Frage ist ein besonderer Fall, ich weiß nicht, ob die Chinesen das riskieren. Taiwan ist in einer merkwürdigen Situation, von uns ja auch nicht diplomatisch, aber als schutzwürdig anerkannt. Aber insgesamt sind die Chinesen eine Handelsnation. Ihr System beruht auf Wohlstandswachstum. Gefährdet sie diesen Pfad, gefährdet sich die Regierung in Peking selbst. Daraus erwächst ein gewisser Pragmatismus. Russland ist hingegen eine Tankstelle mit Atomwaffen, ein reiner Energie-Exporteur. Ökonomisch verödet Russland, alleine schon durch die Flucht der begabten und gut ausgebildeten Menschen.
Sie selbst waren Staatssekretär im Kabinett von Bundeskanzler Willy Brandt, später Minister in der sozialliberalen Koalition. „Wandel durch Annäherung“ war das Motto der Brandt’schen Ostpolitik, „Wandel durch Handel“ später der deutschen China- und auch Russland-Politik …
Ja, das war zu viel, die ökonomische Abhängigkeit von Russlands Rohstoffen war zu groß. Man wird auch mit Staaten Handel betreiben, die nicht demokratisch geordnet sind. Denken Sie an den Helsinki-Prozess von 1975 in Beziehung zur früheren Sowjetunion. Man vereinbarte zwischen Ost und West Friedenssicherung, Handel und Menschenrechtsschutz. Wir müssen in Kontakt bleiben und Handel betreiben, aber sollten nicht davon ausgehen, dass dieser politische Systeme verändert. Das ist in der Regel nicht der Fall, schon gar nicht in China.
Demokratien sind auch aus dem Inneren heraus gefährdet: In Italien regieren Postfaschisten, Ungarn verabschiedet sich nach und nach vom Rechtsstaat. Man hat den Eindruck, der Demokratie fehle das Verständnis für wirksame Gegenmittel gegen Phänomene wie den Trumpismus in den USA oder den Bolsonarismus in Brasilien. Täuscht das?
Es gibt starke Kräfte, die Protest geltend machen, allerdings oft gemeinsam mit rechtsradikalen und antidemokratischen Strömungen, das stimmt. Aber in Italien würde ich abwarten. Viele Italien-Kenner sagen, das Land bliebe in Europa, das glaube ich auch. Die Suppe wird nicht so heiß gegessen wie sie gekocht wird.
Der frühere Ministerpräsident Romano Prodi hat jüngst im „Spiegel“ auf den Fall Jörg Haider aufmerksam gemacht. Als der Rechtspopulist in Österreich an der Macht beteiligt wurde, hat Europa scharf reagiert. Seiner Ansicht nach wohl zu scharf. Aber man könnte auch sagen: Wehret den Anfängen! Wie sehen Sie das?
Ja, es bleibt eine gar nicht zu verharmlosende Grundströmung, die demokratische Grundregeln und Weltoffenheit infrage stellt. Es gibt eine Tendenz der nationalen Abschottung, auch in Frankreich. Aber es gibt immer auch lokale Ursachen, wie in Schweden. Einige Grundtendenzen in diesen Staaten sind vergleichbar, die wird man kritisch beobachten müssen. Verletzungen demokratischer Spielregeln wie durch Orban und auch in Polen, darf Europa nicht hinnehmen,
Viele Ihrer Wegbegleiter, wie Burkhard Hirsch, sind verstorben. Generell können immer weniger Menschen von ihren Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg berichten, immer weniger können auch mahnen. Sind die Jüngeren bereit, die Verantwortung des „Nie wieder“ zu übernehmen?
Die Jahrzehnte seit 1945 sind auch Jahrzehnte des moralischen Wiederaufbaus. Wir haben eine geglückte Demokratie. Und das ermutigt mich, dass dies auch in anderen Ländern möglich ist. Ich sehe mit großem Optimismus in die Zukunft, getragen von der Feststellung: Der Mensch wird frei geboren. Wir alle werden frei geboren. In uns steckt der Wille zur Freiheit, er ist einfach nicht zu unterdrücken, egal wo ich zu Besuch war. Die Menschenwürde ist nicht totzukriegen.
17.11.2022 FR
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21.09.2022 07:17
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Wer wen und wann diskriminiert - wie Diskriminierung zu stoppen ist
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Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Ferda Ataman, spricht im Interview mit Markus Decker für die Frankfurter Rundschau heute über die versteckten Formen der Benachteiligung, nötige Reformen und Vorurteile.
Frau Ataman, es gibt viele Arten der Diskriminierung. Was ist denn verboten und was nicht?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, einer Behinderung, der Religion oder Weltanschauung, wegen des Alters, der sexuellen Identität sowie aus rassistischen und antisemitischen Gründen. Doch das Gesetz muss reformiert werden. Es hat große Lücken. Zum Beispiel wird rassistische Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt durch Schlupflöcher im Gesetz legal. Oder: Viele Eltern erfahren Diskriminierung. Wir haben eine Studie dazu gemacht. Darin gaben 40 Prozent der Eltern an, dass sie am Arbeitsplatz diskriminiert werden, zum Beispiel, weil sie früher nach Hause müssen, um ihr Kind zu betreuen. Diese Form der Diskriminierung fällt nicht unter das Gesetz, gleiches gilt, wenn Arbeitnehmer Angehörige pflegen.
Das ist sicher nicht alles, oder?
Diskriminierung aufgrund des sozialen Status liegt mir sehr am Herzen. Wir haben immer wieder Fälle dazu, zum Beispiel, dass jemand eine Wohnung nicht bekommt, weil er oder sie staatliche Leistungen bezieht. Auch dieses Thema gehört ins Gesetz.
Sind manche Diskriminierungen nicht nachvollziehbar – etwa, wenn ein Arbeitgeber ein Interesse hat, junge Angestellte zu halten und ältere nicht?
Finden Sie? Arbeitnehmer:innen mit 50 Jahren haben in der Regel doch noch eine Arbeitsperspektive von 20 Jahren vor sich und sind sehr erfahren. Meist hat die Diskriminierung mit gesellschaftlichen Ressentiments und Vorurteilen zu tun. Die wirken bei Rassismus, bei Sexismus, und sie wirken ebenso beim Alter. Bis heute hält sich das Bild hartnäckig, dass Leute, die auf die 60 zugehen, fast schon in der Rente sind. Aber das ist längst nicht mehr so. Sie sind oft mittendrin im Leben oder wären es gerne, wenn man sie denn ließe. Das Thema will ich stärker angehen. Wir verhandeln das Thema Diskriminierung noch zu sehr als Minderheitenthema.
Wie meinen Sie das?
Das Gefühl, benachteiligt zu sein, kennen die meisten Menschen in Deutschland, das zeigt eine aktuelle Umfrage der Bertelsmann Stiftung. Wenn man sich die eben erwähnten Diskriminierungsgründe anschaut, hat das auch einen Sinn. Diskriminierung betrifft Frauen, Menschen mit Behinderung, Menschen aus Einwandererfamilien, queere Menschen besonders oft. Das allein sind schon mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Hinzu kommen junge Menschen und ältere, die aufgrund ihres Alters benachteiligt werden können. Zwischen diesen Lebensphasen kann man Diskriminierung erfahren, weil man Kinder bekommt, Eltern pflegt oder chronisch krank wird. Jeder kann im Laufe seines Lebens in eine Diskriminierungssituation geraten. Antidiskriminierungspolitik ist für alle da.
Und wie steht es um die Menschen aus Ostdeutschland?
Faktisch gibt es Benachteiligungen wegen der ostdeutschen Herkunft. Wir wissen, dass Ostdeutsche im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung deutlich seltener in Führungspositionen kommen. Auch sie stoßen also an die sogenannte gläserne Decke. Zudem verdienen sie oft weniger und sind einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt. Allerdings gibt es auch in der „alten“ Bundesrepublik Regionen, die stark unter einer hohen Arbeitslosigkeit und dem Strukturwandel leiden, wie das Ruhrgebiet. Deshalb sollten wir aus meiner Sicht eher über den sozialen Status als Diskriminierungsmerkmal nachdenken, statt einzelne Regionen ins Gesetz zu schreiben.
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30.08.2022 11:30
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Die Heuchelei zum Lehrermangel
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Um Geld zu sparen, entledigen sich viele Schulverwaltungen befristet beschäftigter Lehrkräfte, sobald das Schuljahr endet. Vor allem Vertretungslehrer im Angestelltenverhältnis werden für die Zeit der Sommerferien entlassen. Trotz des Lehrermangels halten einige Bundesländer an der Praxis fest, Lehrer mit befristeten Verträgen in den Sommerferien in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. Dieser Trend zeichne sich "wieder deutlich ab", sagte die Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Marlis Tepe. Die Länder sparen dadurch Millionen ein.
Was für eine Heuchelei, wenn sich Vertreter der Kultusministerin dann vor die Kamera stellen und den Lehrermangel dramatisch beklagen. Wer die Anstellung von Lehrern und Lehrerinnen so schlecht behandelt und managt, muss sich Heuchelei und Unfairness vorwerfen lassen; Unfairness auch gegenüber den Schülerinnen und Schülern, die auf etlichen Unterricht verzichten müssen.
Wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter den Kultusministerien der Länder ergab, enden in Baden-Württemberg nach Angaben eines Sprechers des Kultusministeriums die Arbeitsverträge von 3.300 Lehrerinnen und Lehrern spätestens mit dem Beginn der Sommerferien. Sie weiter zu bezahlen, würde das Land 12,5 Millionen Euro kosten.
Aus einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit geht hervor, "dass die Zahl arbeitsloser Lehrkräfte regelmäßig in den Sommerferien stark ansteigt". Bundesweit meldeten sich demnach in den Sommerferien 2017 rund 4.900 Lehrkräfte arbeitslos. Die meisten Meldungen gab es in Baden-Württemberg (1.680), Bayern (860) und Niedersachsen (470). Auch im relativ kleinen Hamburg (260) sei das Phänomen besonders erkennbar gewesen.
Die tatsächliche Zahl der betroffenen Lehrer dürfte aber höher liegen. Nicht alle meldeten sich arbeitslos, sagte Gewerkschaftschefin Tepe. Nach den Sommerferien geht die Arbeitslosenzahl wieder zurück.
Tepes Angaben nach praktizieren das vor allem die südwestlichen Bundesländer so, Baden-Württemberg etwa und Rheinland-Pfalz. Das bedeute für die Betroffenen eine "totale Unsicherheit". Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, bezeichnete die Sommer-Kündigungen als skandalös. "Junge motivierte Lehrkräfte werden damit als beliebig verschiebbare Manövriermasse missbraucht", sagte er der Bild-Zeitung. Er verlangte, dem Lehrermangel mit 50.000 Stellen zu begegnen.
Ein Sprecher des Kultusministeriums in Baden-Württemberg sagte, dass die befristete Beschäftigung dort mit drei Prozent aller Lehrer die große Ausnahme sei. Es handele sich um Vertretungslehrer, die bei längeren Krankheiten oder Ausfällen durch Mutterschutz und Elternzeit einsprängen. Die meisten Kultusministerien äußerten sich ähnlich. Wie viele Lehrer dieses Jahr betroffen sind, war aber vielerorts noch nicht klar.
Auch Referendare stehen laut Tepe in einigen Bundesländern in den Sommerferien zu Tausenden ohne Gehalt da. Nach GEW-Angaben haben die Nachwuchslehrer keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil sie als Beamte auf Widerruf während des Vorbereitungsdienstes nicht in der Arbeitslosenversicherung versichert seien.
Und dann fehlen massenhaft Lehrkräfte
Zum Schuljahresbeginn fehlen an den Schulen in Deutschland nach Einschätzung des Deutschen Lehrerverbands bis zu 40.000 Lehrerinnen und Lehrer. Die Unterrichtsversorgung habe sich in allen Bundesländern verschlechtert, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger der Deutschen Presse-Agentur. „Bundesweit gehen wir von einer echten Lücke von mindestens 30.000, vielleicht sogar bis zu 40.000 unbesetzten Stellen aus.“
Die Situation, Stellen mit voll ausgebildeten Lehrkräften zu besetzen, habe sich „im Vergleich zum Vorjahr noch einmal deutlich verschärft“, sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern. „Unterrichtsausfall gleich zu Beginn des Schuljahres ist bereits Tatsache, größere Lerngruppen, Zusammenstreichen von Förderangeboten, Kürzung der Stundentafel usw. sind an der Tagesordnung“, sagte Udo Beckmann, der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE).
Alarmmeldungen aus den Ländern
In 11 der 16 Bundesländer hat das Schuljahr inzwischen begonnen. Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland folgen nächste Woche, in der Woche darauf geht's in Bayern und Baden-Württemberg wieder los. Traditionell sind die beiden Südländer bei den Sommerferien die letzten.
Aus einzelnen Ländern kamen bereits die ersten Alarmmeldungen: In Bayern hieß es schon kurz vor den Sommerferien, dass im neuen Schuljahr Unterrichtsangebote gestrichen werden müssten, um genug Pädagogen als Klassenleiter zu haben. In der Bundeshauptstadt Berlin begann das Schuljahr mit so vielen Schülern wie nie, bei gleichzeitig 875 fehlenden Lehrkräften. Aus Sachsen hieß es zum Schuljahresbeginn von Kultusminister Christian Piwarz (CDU): „Insgesamt bleibt die Lage bei der Unterrichtsversorgung angespannt“.
Lehrerverbandspräsident Meidinger sagte, die bis zu 40.000 unbesetzten Lehrerstellen seien zwar eine Schätzung, da noch nicht in allen Ländern die Schule wieder begonnen habe. „Die bisher bekannten Zahlen sind aber dramatisch“, fügte er hinzu. Wie VBE-Chef Beckmann spricht auch Meidinger von Unterrichtsausfällen, gekürzten Stundenplänen, gestrichenen Zusatzangeboten bereits zum Schuljahresbeginn. In Deutschland gibt es mehr als 800.000 Lehrkräfte an Schulen und Berufsschulen.
Überlappende Probleme
Es gibt zwar seit Jahren Klagen über fehlende Lehrkräfte. Die Lage scheint sich aber zuzuspitzen, weil sich inzwischen mehrere Probleme überlappen:
Der allgemeine Fachkräftemangel schlägt auch im Schulbereich durch. Der geschäftsführende Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF), Kai Maaz, hatte im Juni von drohenden Verteilungskämpfen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gesprochen. Obwohl Personalmangel herrscht, entscheiden sich laut Statistischem Bundesamt mehr Lehrerinnen und Lehrer für Teilzeit. Im Schuljahr 2020/2021 arbeiteten demnach knapp 40 Prozent nicht voll, die höchste Quote seit zehn Jahren.
Durch mehr Geburten und Zuwanderung steigen nach Angaben der Kultusministerkonferenz (KMK) die Schülerzahlen - es gibt momentan knapp elf Millionen Schülerinnen und Schüler in Deutschland. Dazu kommen inzwischen mehr als 150.000 Schüler aus der Ukraine. Politische Entscheidungen, wie der Ganztagsausbau, Vorgaben zu Inklusion oder Sprachförderung verstärken den Personalbedarf an den Schulen weiter. Es drohen weiterhin Personalausfälle durch Krankheit und durch Isolationsvorschriften im Falle einer Corona-Infektion. Schwangere Lehrkräfte fallen ebenfalls aus, weil für sie nach Meidingers Angaben wegen Corona fast überall ein Beschäftigungsverbot gilt. Auch das noch: Das Angebot an Quer- und Seiteneinsteigern schrumpft. „Auch hier ist der Arbeitsmarkt mittlerweile oft leergefegt“, sagte GEW-Chefin Finnern.
Die KMK setzt „derzeit einen wesentlichen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Fachkräftegewinnung“, wie deren Präsidentin Karin Prien (CDU) auf Nachfrage erklärte. Als mögliche kurzfristige Maßnahmen zur „Sicherstellung der verlässlichen Unterrichtsversorgung“ nannte sie den Einsatz von Vertretungslehrern und „im Einzelfall auch eine Zusammenlegung von Schulklassen“. Sie fügte hinzu: Man müsse nicht nur in einzelnen Jahren oder Wahlperioden denken, sondern die Entwicklung der Bildung auf zehn, zwanzig Jahre in die Zukunft denken.
Gegen den „Schweinezyklus“
Das fordern Lehrerverbände schon lange. Die Länder sollten ihrer Ansicht nach über Bedarf ausbilden und auch einstellen, um dem „Schweinezyklus“ entgegenzuwirken - ein Begriff aus der Wirtschaftswissenschaft: Wird mehr Schweinefleisch nachgefragt, weil sich Essgewohnheiten ändern oder die Bevölkerung wächst, wird in Schweinezucht investiert. Wenn schließlich mehr Schweine auf dem Markt sind, ist die Nachfrage vielleicht schon wieder gesunken. Dann gibt es ein Überangebot. Entsprechendes Nachsteuern in die andere Richtung führt in einiger Zeit wieder zum Mangel und so weiter.
Würde bei Lehrkräften über Bedarf ausgebildet und eingestellt, so die Idee, wäre bei steigenden Schülerzahlen genügend Personal da. Sinkt der Bedarf wieder und die Stellen werden nicht wieder abgebaut, könnte das „Überangebot“ für Qualitätsverbesserungen genutzt werden und stünde dann bei steigenden Zahlen wieder bereit. Allerdings beantwortet das nicht die aktuell brennende Frage: Wo soll das Personal herkommen? Ausgebildet und eingestellt werden können nur so viele Lehrkräfte, wie potenziell da sind und es konkurrieren viele Branchen um Nachwuchs.
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17.08.2022 09:02
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Über 5600 Antidiskriminierungsfälle in 2021 gemeldet – hohe Dunkelziffer
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Die Zahl der gemeldeten Fälle von Diskriminierungen in Deutschland bleibt auf hohem Niveau. Das zeigt der Jahresbericht 2021 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, den die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.
Im Jahr 2021 gab es mehr als 5.600 Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle, die mit einem vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützten Diskriminierungsmerkmal zusammenhingen. Das ist der zweithöchste Wert in der Geschichte der Antidiskriminierungsstelle, die 2006 gegründet wurde. Der leichte Rückgang gegenüber dem Vorjahr (6383) ist auf weniger Anfragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, insbesondere zur Maskenpflicht, zurückzuführen. Die Anzahl der Beratungsanfragen zu allen anderen Diskriminierungen blieb unverändert hoch.
"„Die Zahl der uns geschilderten Diskriminierungsfälle ist alarmierend. Sie zeigt aber auch, dass sich immer mehr Menschen nicht mit Diskriminierung abfinden und Hilfe suchen"“, sagte die Beauftragte bei der Vorstellung des Jahresberichts. Ataman appellierte an alle Menschen, die Diskriminierung erleben, dagegen vorzugehen – wenn nötig vor Gericht. An die Bundesregierung richtete sie die Forderung, Betroffenen bessere Möglichkeiten zu geben, ihre Rechte durchzusetzen – etwa durch eine Verlängerung der Fristen und durch ein Verbandsklagerecht. "„Das deutsche Antidiskriminierungsrecht muss endlich internationalen Standards entsprechen. Bisher schützt es nicht wirkungsvoll vor Diskriminierung. Die von der Koalition angekündigte AGG-Reform muss umfassend und zeitnah kommen“", sagte Ataman.
Für ihre Amtszeit kündigte im Juli gewählte Bundesbeauftragte zunächst folgende Schwerpunkte an:
Den Schutz vor Diskriminierung stärken: Dafür will sie die Reform des AGG begleiten, Rechtsgutachten vorlegen und Perspektiven von Betroffenen einbringen. Das AGG bekannter machen: Alle Menschen sollten ihre Rechte kennen und wissen, was sie gegen Diskriminierung tun können. Ein flächendeckendes Beratungsangebot gegen Diskriminierung schaffen: Dazu soll ein Förderprogramm mit den Ländern und der Zivilgesellschaft aufgebaut werden.
Beratungsstatistik im Überblick
2021 wurden der Antidiskriminierungsstelle des Bundes insgesamt 5.617 Fälle gemeldet, die mit einem im AGG genannten Diskriminierungsgrund zusammenhingen. Davon bezogen sich 37 Prozent der Fälle auf rassistische Diskriminierung. An zweiter Stelle folgte mit 32 Prozent das Merkmal Behinderung und chronische Krankheiten. Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts machten 20 Prozent der Anfragen aus, aufgrund des Alters 10 Prozent. 9 Prozent bezogen sich auf den Merkmalsbereich Religion und Weltanschauung und 4 Prozent auf die sexuelle Identität.
Die meisten Diskriminierungserfahrungen wurden im Arbeitsleben (28 Prozent) und beim Zugang zu privaten Dienstleistungen gemeldet (33 Prozent). In 37 Prozent der Fälle hat sich die Diskriminierung allerdings in einem Lebensbereich abgespielt, der nicht oder nur teilweise vom AGG geschützt ist. Der größte Anteil davon betrifft Benachteiligungen im Bereich des staatlichen Handelns, also beispielsweise durch Ämter, durch die Polizei oder die Justiz. Aber auch im Bildungsbereich, in den sozialen Medien oder im öffentlichen Raum wurden regelmäßig Benachteiligungen, diskriminierende Beleidigungen bis hin zu Gewalt erlebt und geschildert.
Mehr als 2.000 Anfragen hat das Beratungsteam erhalten, in denen Bezug auf ein Merkmal genommen wurde, das vom Diskriminierungsschutz im AGG nicht erfasst wird. Rechnet man diese zu den Fällen mit AGG-Merkmalsbezug hinzu, erhöht sich die Gesamtzahl der Anfragen auf 7.750 – und liegt damit auf ähnlichem Niveau wie 2020 (7.932 Anfragen) und deutlich über dem der Vorjahre (2018: 4220; 2019: 4247 Anfragen).
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28.07.2022 08:50
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Kommt endlich der Schutz für Whistleblower?
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Darauf mussten wir lange warten und ohne die Androhung einer Klage durch den Europäischen Gerichtshof hätte es die deutsche Politik auf eine noch längere Bank geschoben. Deutschland bringt nun einen Gesetzentwurf zum Schutz für Whistleblower und zur Einrichtung von Meldestellen in Unternehmen und Behörden auf den Weg. Dazu schreibt Markus Decker in der Frankfurter Rundschau heute (S. 13):
„Das Bundeskabinett hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf gebilligt, der Bürgerinnen und Bürger, die Hinweise auf Missstände in Unternehmen oder Behörden geben, besser vor Kündigung und Mobbing schützen soll. Der Entwurf soll nun von Bundestag und Bundesrat beraten und beschlossen werden. Bei der Reform steht Deutschland unter Zeitdruck, denn es droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Eigentlich lief im Dezember eine Frist für die EU-Staaten aus, gemeinsame Regeln zum Schutz sogenannter Whistleblower in nationales Recht umzuwandeln.
Die Hinweise können Gesetzesverstöße gegen Umweltschutzvorgaben oder gegen Sicherheitsvorschriften sein. Die Meldestellen, an die sich die Whistleblower laut Entwurf künftig wenden können, müssen die Identität der Hinweisgeber vertraulich behandeln. Alle Arbeitgeber und Organisationen mit mindestens 50 Beschäftigten sollen eine solche Meldestelle einrichten müssen.
In einem Konzern soll es ausreichen, wenn es eine Meldestelle bei der Konzernmutter gibt. Für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sowie für jeden Hinweisgeber, der Bedenken hat, sich an eine interne Stelle zu wenden, will Justizminister Marco Buschmann (FDP) die Möglichkeit schaffen, beim Bundesamt für Justiz vorstellig zu werden.
Allerdings stößt der Entwurf von verschiedenen Seiten auf Kritik. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände schrieb bei Twitter, Hinweisgeberschutz sei wichtig, und Arbeitgeber könnten Fehler im Unternehmen am schnellsten beseitigen. Der Gesetzentwurf gehe aber „über die EU-Richtlinie hinaus und muss überarbeitet werden“. Konkreter wurde die BDA nicht.
David Werdermann, Projektkoordinator bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, sagte: „Wer auf ein umfassendes Schutzgesetz für Whistleblowerinnen und Whistleblower gehofft hat, wird enttäuscht. Der Entwurf lässt viele Hinweisgebende im Stich und legt ihnen Steine in den Weg.“
So würden Meldungen nicht geschützt, wenn sie sich auf Fehlverhalten bezögen, das nicht gegen Rechtsvorschriften verstoße. „Dabei kann es auch bei solchem Fehlverhalten ein erhebliches öffentliches Interesse am Bekanntwerden geben“, betonte Werdermann. „Das zeigen etwa Missstände in der Pflege oder rechtsextreme Chats von Polizeibeamten, die oft keinen Straftatbestand erfüllen, aber trotzdem skandalös und schädlich für das Gemeinwohl sind.“
Geheimdienste seien überdies vollständig ausgenommen. Edward Snowden, der weltweite Massenüberwachung ans Licht gebracht habe, wäre demnach in Deutschland nach dem Gesetzentwurf nicht geschützt. „Hier wird angeblichen Sicherheitsinteressen einseitig der Vorrang gegenüber der Presse- und Meinungsfreiheit eingeräumt.“
Schließlich fehle es auch weiterhin an abschreckenden Sanktionen für Unternehmen, wenn sie rechtswidrig gegen Whistleblower und Whistleblowerinnen vorgingen. „Bußgelder sind auf maximal 100 000 Euro beschränkt“, so Werdermann. „Unternehmen wie Volkswagen oder Wirecard bezahlen das aus der Portokasse.“
Die Abwehr gegen ein Whistleblowing-Gesetz aus der Wirtschaft, aber auch Teilen der Behörden und der Justiz ist heftig, sonst hätte sich der Vorgang auch nicht über Jahre hingezogen. Nun beginnt die heiße Phase und die Gegner laufen sich warm. Dabei ist der Entwurf schon so abgemildert, um nicht zu sagen: verwässert, dass keine wirkliche Weichenstellung zu erwarten ist.
"Siehe zur weiteren Kritik am Gesetesentwurf"
Bei Bedarf an Beratung und Hilfe: "Das Whistleblower-Netzwerk"
"Information"
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12.07.2022 14:15
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Raubbau an der Natur ungebrochen - Weltbiodiversitätsrat drängt auf Einsicht und Handlungsänderung
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Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES Wissenschaftler kritisieren Profitgier zu Lasten der Natur Was ist uns die Natur wert? Dieser Frage haben sich laut Spiegel-Online nun Fachleute des Weltbiodiversitätsrats IPBES in einem Bericht angenähert: Fazit: Gewinnstreben schließt die Berücksichtigung der vielfältigen Werte der Natur häufig aus:
„Im Grunde weiß die Menschheit schon lange, dass es um die Natur oft nicht gutsteht. Doch beim Schutz dieser wichtigen Ressource steht sich der Mensch selbst im Weg, bemängeln Wissenschaftler. Ein verengter Blick auf die Natur und ökonomisches Gewinnstreben verhindern einem nachhaltigen Artenschutz, erklärte der Weltbiodiversitätsrat IPBES nun in Bonn zu einem Expertenbericht.
Die Art, wie Natur in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen bewertet werde, sei ein Schlüsselfaktor der globalen Biodiversitätskrise – zugleich aber auch eine Chance, sie anzupacken, hieß es. Ein vorherrschender Blick auf kurzzeitige Gewinne und wirtschaftliches Wachstum schließe die Berücksichtigung der vielfältigen Werte der Natur häufig aus.
Umweltverbände äußerten sich zustimmend. Der Naturschutzbund (Nabu) erklärte, das Bruttoinlandsprodukt steige oft, wenn Natur vernichtet werde, etwa um eine Straße oder einen Damm zu bauen. »Kurzfristig profitieren wir von günstigen Preisen für ein T-Shirt oder einen Liter Milch. Doch langfristig gefährden wir damit unseren Wohlstand«, sagte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Dieser hänge auch von intakten Ökosystemen ab.
Die Umweltstiftung WWF betonte: »Für die einen ist die Natur nur Lieferantin von Nahrung und Wasser, für die andern ist sie die schützenswerte Mutter Erde«. Politische Entscheidungen sollten in Zukunft die Vielfalt zwischen ethischen, ökonomischen und kulturellen Leistungen der Natur besser widerspiegeln. »Wir müssen dringend weg vom kurzfristigen und gewinnorientierten Denken, das Wachstum über alles andere stellt«, erklärte der WWF.
Bis zu eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht
Indigene Gruppen aus Südamerika begrüßten die Beschlüsse. »Wir feiern insbesondere die Empfehlung, unsere territorialen Rechte und unser traditionelles Wissen anzuerkennen, was für einen wirksamen Schutz des Amazonasgebiets unerlässlich ist«, erklärte José Gregorio Diaz Mirabal, Koordinator des Dachverbands der indigenen Gruppen im Amazonasbecken (Coica).
Den Bericht (»Values Assessment«) hatte ein Treffen mit mehr als 900 Vertretern der 139 IPBES-Mitgliedsstaaten am Samstag in Bonn gebilligt. 82 Experten aus 47 Ländern arbeiteten an dem Papier mit, das sich auf mehr als 13.000 wissenschaftliche Referenzen stützt. Laut einem schon 2019 veröffentlichten Papier dieses Gremiums sind bis zu eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Das Wirtschaftswachstum war als ein wichtiger Faktor genannt worden.
Laut dem neuen Report haben wirtschaftliche und politische Entscheidungen bestimmte Werte der Natur bevorzugt, die zum Beispiel der marktwirtschaftlich orientierten Nahrungsmittelproduktion nützlich sind. Damit werde aber nicht angemessen berücksichtigt, wie Eingriffe in die Natur sich auf die Lebensqualität von Menschen insgesamt auswirken. Außerdem werde übersehen, dass etwa Klimaregulierung und kulturelle Identität ebenfalls mit Natur zu tun haben.
Es gebe keinen Mangel an Ansätzen, um die Werte der Natur sichtbar zu machen. Woran es fehle, seien aber Methoden, mit der ungleichen Machtverteilung zwischen Gruppen umzugehen und die verschiedenen Werte der Natur in politische Entscheidungen einzubeziehen.
Studie über invasive Arten geplant
Mitautorin Patricia Balvanera aus Mexiko erklärte, angesichts der globalen Biodiversitätskrise sei eine Verlagerung von Entscheidungen hin zu den vielfältigen Werten der Natur wichtig. »Dies bedeutet auch eine Neudefinition von Entwicklung und guter Lebensqualität«, sagte Balvanera. In Bonn beschlossen wurde ein neuer IPBES-Bericht zum Thema Wirtschaft und Biodiversität, der 2025 fertiggestellt sein soll. Im kommenden Jahr soll eine Studie über invasive Arten vorgelegt werden“.
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01.07.2022 14:40
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Greenwashing in großem Stil? Finanzprodukte in der Klimakrise noch nicht ehrlich genug
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Finance Watch fürchtet die Diskreditierung des Emissionsziels. Deshalb schlägt die NGO jetzt strengere Regeln vor. Antje Mathez schreibt dazu in der Frankfurter Rundschau (1.7.22, S. 14):
Ob aus der Wirtschaft oder der Politik – fast täglich werden Netto-Null-Emissionsziele (Net Zero targets) verkündet. Manche Unternehmen oder Kommunen führen sie neu ein, manche sind schon weiter, verschärfen ihre Vorgaben für den Klimaschutz. Denn: Ein grünes Image heften sich alle gerne an. Das mögen Anlegerinnen und Kunden. Doch da es bislang keine allgemeingültige Definition gibt, unterscheiden sich die Details hinter dem Netto-Null-Label enorm. Manche Ankündigungen beziehen sich nur auf Kohlendioxid, andere auf alle Treibhausgase. Manchmal werden gar keine echten Reduktionen angestrebt, sondern nur Kompensationsmaßnahmen. Ein großes Durcheinander.
Vergangene Woche haben die Mitglieder des Europäischen Parlaments und die Regierungen der Europäischen Union zwar für mehr Transparenz gesorgt und die verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen auf den Weg gebracht. Die Regulierung greift aber erst – je nach Art des Unternehmens – ab 2024 bis 2026 und ersetzt mit Sicherheit keine Einigung auf ein paar grundlegende Definitionen in Sachen Nachhaltigkeit.
Netto-Null als Greenwashing-Instrument?
Finance Watch warnt nun, dass die Bezeichnung Netto-Null als Greenwashing-Instrument diskreditiert zu werden droht, und fordert eine Verschärfung der Vorschriften. Die Nichtregierungsorganisation veröffentlichte dazu am Donnerstag den Bericht „The Problem lies in the net“ (Das Problem ist das Netto), der Empfehlungen an die politischen Entscheidungsträger enthält. Sie sollen dafür sorgen, dass „sinnvolle Netto-Null-Ziele festgelegt und von den Finanz- und Nichtfinanzsektoren erreicht werden“.
Ziel des Labels Netto-Null solle nicht die Dekarbonisierung von Finanzportfolios oder die Rechtfertigung des „business as usual“ sein, „sondern die Dekarbonisierung der realen Welt, um eine Klimakatastrophe zu vermeiden“, erklärte Finance Watch zur Vorstellung des Berichts. Der Finanzsektor könne Nicht-Finanzunternehmen zwar zur Kohlenstoffneutralität drängen, doch würden konkurrierende Ziele und Messungen für Netto-Null zu Verwirrung führen.
Die gemeinnützige Organisation verweist auf „die jüngsten Greenwashing-Skandale“, womit vor allem die DWS gemeint sein dürfte. Der Vermögensverwalter der Deutschen Bank hatte sein Produktportfolio wohl grüner dargestellt, als es ist. Diese Skandale würden zeigen, dass der Mangel an Klarheit zu irreführenden Behauptungen führen könne, die der Glaubwürdigkeit der Netto-Null-Ziele schadeten.
Netto-Null-Emissionen und Klimaneutralität sind zwei Unterschiedliche Label
Aber was heißt eigentlich Netto-Null? Netto-Null bedeutet laut Weltklimarat, dass alle durch Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen durch Reduktionsmaßnahmen wieder aus der Atmosphäre entfernt werden müssen und somit die Klimabilanz der Erde netto, also nach den Abzügen durch natürliche und künstliche Senken, Null beträgt. Auf Unternehmensebene ist das ein ehrgeiziges Ziel, das sich theoretisch auf die gesamte Organisation und ihre Wertschöpfungskette bezieht. Es besagt, dass auch die indirekten Emissionen von den Lieferanten bis hin zu den Verbraucher:innen reduziert werden müssen. Da das aber ein komplexes Unterfangen darstellt in einer Welt, in der Firmen nicht ihre gesamte Wertschöpfungskette kontrollieren können, werden die dort anfallenden Klimagase, sogenannte Scope-3-Emissionen, bislang nicht in die Berechnungen einbezogen.
Nicht zu verwechseln ist Netto-Null mit dem Label der Klimaneutralität. Es besagt, dass die Emissionen für einen Unternehmensstandort, ein Produkt, eine Marke oder eine Veranstaltung so weit wie möglich reduziert und der verbliebene CO2-Ausstoß kompensiert wurde.
Finance Watch fordert mehr Regulierung und Kontrolle
Zur Ruf-Rettung von Netto-Null empfiehlt Finance Watch einen verstärkten Regulierungsrahmen. Danach sollen Finanzinstitute unter anderem nur dann den „Netto-Null-Status“ beanspruchen können, wenn sie mindestens eines von drei Finanzprodukten mit Bezug zum Klimawandel verkaufen. Für die Realwirtschaft fordert der Bericht in erster Linie eine Pflicht zur Umsetzung von Übergangsplänen, die sich auf die Reduzierung der absoluten Treibhausgasemissionen einschließlich der Scope-3-Emissionen konzentrieren sollten. Die jeweiligen Ziele müssten von den Aufsichtsbehörden kontrolliert und durchgesetzt werden können. Thierry Philipponnat, Chefökonom von Finance Watch, kommentierte: „Der Begriff „Netto-Null“ kann nur dann sinnvoll sein, wenn wir ihn genau definieren und ihn nutzen, um politische Maßnahmen und Praktiken durchzuführen, die sich in der Praxis auswirken werden.“
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01.04.2022 10:02
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Wenn Rechte den digitalen Faschismus verbreiten - und viele ihm auf den Leim gehen
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Der internationale Rechtspopulismus und Rechtsextremismus bemächtigt sich der vormals klassisch linken Themen und Begriffe für seine reaktionäre Agenda. Der Medien- und Genderforscher Simon Strick über den digitalen Faschismus, seine Untergangsszenarien und seine Beschwörung einer „Normalität“ in der Frankfurter Rundschau vom 23.2.22 S. 26f.:.
„Dem Faschismus geht es gut – er ist Meme, Konsumgut und Gefühlswelt geworden.“ Sagt Simon Strick in seinem aktuellen Buch. Im Kampf um die kulturelle und politische Hegemonie nutzt die Neue Rechte diesseits und jenseits des Atlantiks die Chancen und Angebote der Social-Media-Welt. Online wie offline entwirft der Digi-Faschismus Erlebniswelten und Kommunikationsräume, in denen sich vermeintlich Abgehängte, Bedrängte und Verunsicherte aufgehoben fühlen – geschützt vor einer beschleunigten, immer komplexeren Welt, in der die weiße Mehrheitsgesellschaft um ihre Privilegien fürchtet“. Das Interview führt Klaus Walter:
„Herr Strick, in Ihrem Buch analysieren Sie eine breite Palette rechter Gefühle. Gibt es da einen Gefühlskern, einen gemeinsamen Nenner der Emotionen, der diese Leute verbindet?
Der Kern ist aus meiner Sicht ein Gefährdungsgefühl, Bedrohung, Unterdrückung. Diese Gefühle werden aber, und das ist zentral, für Bevölkerungsgruppen aufgerufen, die in der Mehrheit sind, also generell nicht marginalisiert, sondern privilegiert sind: Weiße, Männer, Konservative, Herkunftsdeutsche und so weiter.
Digitaler Faschismus, ein großes Wort! Ich denke an gedrillte Männer in schwarzen Uniformen und hochglanzpolierten Stiefeln. Mussolinis Faschismus war eine nach dem Führerprinzip organisierte, rechtsradikale Bewegung. Ähnlich hierarchisch funktionierte der Nationalsozialismus in Deutschland. Wie verhält sich dazu der digitale Faschismus von heute?
Ich finde es wichtig, die Unterschiede zu betonen. Wir verstehen den Faschismus oder das Rechtsradikale generell als Top-down-Bewegung: ideologische Führer oben, die auf autoritäre Charaktere treffen, die diese Führerfiguren verehren und denen blind folgen. So wird generell auch der Rechtspopulismus beschrieben. Im digitalen Zeitalter funktionieren diese Autoritätsverhältnisse nicht mehr. Da kann jede(r) die persönliche Agitation im Netz machen und Ideologie an allen möglichen Orten verbreiten. Diese Bewegung von unten, das Bottom-up – das ist der entscheidende Unterschied durch die Bedingungen der sozialen Medien. Es vollzieht sich weniger blindes Folgen und Gehorchen, sondern man partizipiert an Erzähl- und Erklärungsmustern, die gemeinsam plausibel gemacht werden. Ideologisch propagiert der Faschismus noch immer weiße Vorherrschaft und eine rassistische Weltordnung – nun aber eher durch User auf Facebook als durch ein Propagandaministerium.
Partizipieren statt gehorchen, kommunizieren, assoziieren, Geschichten produzieren und miteinander teilen. In Ihrem Buch entwerfen Sie ein Bild von rechten Erlebniswelten, in denen nicht mehr das Prinzip Befehl und Gehorsam gilt. Schon gar nicht: blinder Gehorsam. Denn ein wichtiges Element in diesen Kommunikationsräumen ist das Visuelle. Fotos, Bilder, Cartoons, Memes. Viele dieser visuellen Elemente sind abgebildet in „Rechte Gefühle“, auch ein Wahlplakat der AfD von 2018. Was sehen wir da?
Wir sehen eine schwangere weiße Frau, die auf einer Wiese liegt. Ihr Bauch steht im Zentrum des Bildes, darüber der Slogan: „Neue Deutsche machen wir selber, trau dich Deutschland. AfD.“
Was sagen Sie als Genderforscher dazu?
Neue Deutsche sollen weiße Deutsche sein. Das ist nicht viel anders als die Reproduktionspolitik im Nationalsozialismus: Kindermachen als deutscher weißer Widerstand gegen eine überfremdete Welt, gegen undeutsche Horden, für arischen Lebensraum und Zukunft. Die AfD formuliert hier die rechte Welterklärungsformel vom sogenannten großen Austausch. Nach dieser Theorie werden weiße Menschen in weißen Mehrheitsgesellschaften wie den USA oder Deutschland allmählich verdrängt. Sie werden – wie die AfD sagt – überfremdet. Dieser große Austausch rekurriert einerseits auf den demografischen Wandel, den es tatsächlich gibt. In den Agitationen des digitalen Faschismus ist dieser Wandel aber mit Untergangsszenarien konnotiert: Verlust einer angeblich angestammten Kultur, Unterdrückung von weißen Menschen oder auch das antisemitische Narrativ, dass dieser Austausch von geheimen Eliten gesteuert wird. Danach wird ein koordinierter Kampf gegen weiße Mehrheitsgesellschaften geführt, der diese zu multikulturellen Gesellschaften macht. Weiße werden zur Minderheit, zur bedrohten Volksgruppe. Mit Migrationszahlen und Geburtenstatistiken werden die entsprechenden Ängste getriggert, zugleich wird Kinderkriegen von Herkunftsdeutschen als völkischer Widerstand stilisiert. Ein Wechselspiel von diffusem Unbehagen und White Empowerment. Auf diesem Feld arbeiten die Akteure des digitalen Faschismus im Netz.
Aus der Alltagskultur kommt ein weiteres Meme in Ihrem Buch. Was sehen wir da?
Eine weiße Frau und ein weißer Mann um die dreißig in einem außergewöhnlich weißen Raum. Die beiden formen eine Gruppe mit der Jungfrau Maria, einem Josef und dem Jesuskind. Der Mann nimmt die mütterliche Position ein, hält aber kein Kind in den Armen, sondern einen Hund. Darüber steht eine Textbotschaft in Form eines Countdowns: Deine Urgroßmutter hatte zwölf Kinder, deine Großmutter hatte sechs Kinder. Deine Mutter hatte zwei Kinder. Du hast eine Abtreibung und einen Hund.
Die Weißen sind auf den Hund gekommen?
Für die Rechten ist die Entscheidung für den Hund und eine Abtreibung Volksverrat. An diese Text-Bild-Kombination schließen sich alle möglichen rechtsextremen Erzählungen oder Spielweisen an: Der große Austausch wird als Verfall der Geburtenraten erzählt. Die Urgroßmutter habe mit ihren zwölf Kindern noch Volk und Familie gedient. Dass sie weder wählen noch Geld verdienen oder gar abtreiben durfte, wird natürlich nicht erwähnt. Darauf folgt die Regression: statt für Kinder entscheide sich die moderne Frau für einen Ersatzhund und eine Abtreibung. In diesem Meme wird der Feminismus als reproduktive Selbstbestimmung zur Zielscheibe: Er sorge sowohl dafür, dass keine weiße Fortpflanzung mehr stattfinde, als auch dafür, dass die Geschlechterrollen unklar würden. Im Bild hält der Mann den Hund wie ein Baby. Für die Rechten ist das ein Bild des Niedergangs: Aussterben der Weißen, Feminisierung der Männer, Perversion der Familie. Schuld an allem: der Feminismus.
Das Private ist politisch! Das war eine Parole der feministischen Bewegung. Im digitalen Faschismus wird das Private von rechts politisiert, vor allem der Körper der Frau wird zum Schauplatz von Kulturkämpfen. Ist das eine Spezialität der Neuen Rechten: die Adaption und Umkehrung linker oder feministischer Errungenschaften und Strategien? Ich denke da an die Parolen gegen das Impfen. Da läuft ein Mann mittleren Alters mit einem Schild herum, auf dem steht: „Mein Körper gehört mir.“ Eine kulturelle Aneignung der speziellen Art: „Mein Bauch gehört mir“ war der zentrale Slogan der Bewegung für das Recht auf Abtreibung. Ein Amoklauf der Zeichen?
Das ist ein Kennzeichen digitaler Kommunikationen, das Spiel mit verfügbaren Zeichen und Bildern. Die Rechten haben lange geübt, und eine Bewegung ist die Übernahme emanzipatorischer Rhetorik, wie der des Feminismus. Aus ihrer Sicht geht es ja um die Emanzipation einer Minderheit, den Freiheitskampf der angeblich unterdrückten weißen Männer. Daher hat mich der Boom der sogenannten Querdenker nicht überrascht. Es gibt ein rechtes Klima, das sich seine Anlässe sucht. Corona hat eine gesellschaftliche Situation geschaffen, an der sich Bedrohungsgefühle, Gefühle der Unterdrückung sehr gut anschließen können. Die Überforderung durch die Pandemie ist uns allen gemeinsam, viele haben sie damit beantwortet, Rücksicht zu nehmen und über gesellschaftliche Abhängigkeiten nachzudenken. Die Querdenker:innen und die mitdemonstrierenden Neofaschist:innen haben ein anderes Reaktionsmuster: Wir – Weiße, Deutsche, Gesunde, Arbeiter:innen und so weiter – werden gerade unterdrückt und ausgetauscht.
Menschen fühlen sich vielfach bedroht: Corona, Political Correctness, Cancel Culture, Migration, Feminismus, neue Geschlechter, neue Sprachregelungen, und, der Gipfel: Gender Studies, Gendersprache. Warum sind diese allergischen Affekte ausgerechnet hier so ausgeprägt?
Via Genderstern kann wunderbar das Narrativ des Kulturverfalls in die breite Gesellschaft getragen werden, die Gender Studies können dann als vermeintlich ideologische Wissenschaft denunziert werden. Dabei geht es um sehr viel mehr als nur das Sternchen. Wir Genderforscher:innen beschreiben Geschlechterrollen und Geschlechtsmuster in verschiedensten Arten und Weisen. Wie sich das historisch verändert hat, wie Gesellschaft vergeschlechtlicht, dass Frauen lange nicht wählen durften oder nur bestimmten Arbeiten nachgehen konnten und immer noch können. Allgemein formuliert Genderforschung also Fragen, die mit allen Menschen etwas zu tun haben, also sowohl gesellschaftlich als auch persönlich wahrgenommen werden können. Jede(r) hat ein Geschlecht und lebt in einem Geschlechtersystem. Darüber wissenschaftlich zu sprechen, erleben nun viele so, als ob die Gender Studies den Leuten das Geschlecht wegnehmen wollen, was uns völlig fernliegt. Oder dass wir zwangsweise den Glottisschlag einführen wollen. Das ist weitgehender Unsinn und eine Verkürzung der Bedeutung von „Gender“, die aus meiner Sicht der Kulturkampf von rechts bereits angerichtet hat.
In Ihrem Buch verorten Sie den Widerstand gegen das Gendern politisch eindeutig: „Anti Genderismus ist rechter Gefühlskitt.“ Ich kenne viele Leute, die das Gendern vehement ablehnen, die sich aber ebenso vehement dagegen wehren würden, als Rechte bezeichnet zu werden. Sind das alles Rechte, ohne es zu wissen?
Der Antigenderismus ist eine Diskursfigur, an der alle möglichen Akteure Anschluss finden: ob jetzt rechtsextrem oder nur rechts oder noch gar nicht entschieden. Da wird ein totalitäres System imaginiert, das den Leuten ihre Freiheiten nehmen will als ganz normaler Mensch, als ganz normaler Bürger. Im Parteiprogramm der AfD steht, dass die Gender Studies aus den Universitäten verschwinden sollen, weil sie ein ideologisches Unternehmen seien.
Apropos normaler Bürger. Immer mehr Politiker und Politikerinnen berufen sich auf eine ominöse Normalität und den „Normalbürger“, von Olaf Scholz bis Sahra Wagenknecht, von Norbert Röttgen bis zur AfD mit ihrem Slogan: „Deutschland. Aber normal“ …
… ein einflussreicher und sehr gut gewählter Slogan.
Was ist daran gut gewählt?
Der Slogan macht aus der Position „normaldeutsch“ eine scheinbar bedrohte, was sich aus dem „aber“ ableitet. „Normal“ heißt hier natürlich weiß, heterosexuell, herkunftsdeutsch. Der Slogan vermittelt präzise das Gefühl, das die neue Rechte auslösen will: Diese angeblich „normalen Deutschen“ seien irgendwie marginalisiert. Die Normalität, die da beschworen wird, suggeriert einen Zustand des Lebens, der außerhalb gesellschaftlicher Verhältnisse, außerhalb von Politik stattfindet. Sozusagen ein Ruheraum des Lebens, wie man sich das in den 50er Jahren gerne vorgestellt hat, als quasi natürliche Ordnung. Die Frauen sind lieber zu Hause, die Männer müssen arbeiten gehen. Das sind Gefühle des Unpolitischen, die verteidigt werden möchten.
Die Sehnsucht nach dem Ruheraum des Lebens, die Angst vor dem Verlust des gewohnten Lebens, auch die Angst vor dem Verlust von Privilegien, das bezeichnen Sie als rechte Gefühle. Steht da wirklich der Faschismus vor der Tür? Sind Sie da nicht allzu alarmistisch?
Verlustängste haben sicher alle, und viele Menschen in Deutschland haben bereits viel verloren. Es ist aber der Rechtsextremismus, der die Erzählung anbietet, das „Normale“ – das weiße, konservative, geschlechtskonforme, herkunftsdeutsche Deutsche – sei in Gefahr und drohe verdrängt zu werden. Alarmismus kann man mir gerne vorhalten, und sich dann noch mal die Gewaltstatistiken zum Rechtsextremismus anschauen, die Anschläge und die Migrationsdebatten. Auf die Frage „Steht der Faschismus vor der Tür?“, frage ich zurück: welche Tür? Und welcher Raum soll das sein, wo es noch keinen Faschismus gäbe oder nur vereinzelte Rechtsextreme oder Rassismus nur ein persönliches Problem einiger Dummer wäre? Der Faschismus ist nicht weit weg, nicht so extrem außen, wie der Extremismusbegriff impliziert. Und er war es auch nie. Die Mehrheitsgesellschaft hält oft an diesem Bild fest: Oh, da gibt es plötzlich Hate Speech. Plötzlich gibt es einen Rassisten. Nichts passiert plötzlich, Rassismus und Sexismus sind Alltag in deutschen Strukturen, von denen Mehrheitsdeutsche eben profitieren. Ich schlage für diese rechte Agitation und ihre Flächeneffekte ein anderes Bild vor: nicht der plötzliche Angriff, sondern die Klimaveränderung. Der rechte Kulturkampf will das Klima der Gesellschaft ändern. Sie nennen das Metapolitik: die Ideologisierung des Alltags und der Begriffe, mit denen wir reden. Warum geht es mir gerade schlecht? Warum hast du gerade Probleme mit deinem Partner, auf der Arbeit? Das sind banale emotionale Punkte, an denen rechte Agitation ansetzt. Und sie liefert griffige Antworten und Welterklärungsformeln: Warum der große Austausch daran schuld ist, wie es uns gerade geht.
Was tun? Wie können wir den digitalen Faschismus stoppen?
Eine gute Frage, auf die ein weißer Deutscher wie ich allein keine Antwort geben kann. Ich wünsche mir breite gesellschaftliche Allianzen und diversere Öffentlichkeiten, die andere, bessere und weniger tödliche Antworten geben. Wen Sie mit „wir“ meinen, ist sehr wichtig. Aber ich antworte mal mit einer Beobachtung im Anschluss an mein Buch: Die rechten Provokationen, die ich 2014 in irgendwelchen abseitigen Internetforen wie 4Chan gefunden habe, höre ich heute etwas ausführlicher ausgedrückt in deutschen Medien. Wenn der Publizist Jan Fleischhauer damit provozieren will, Hitler hätte den Sozialstaat erfunden, dann imitiert er Memes und Diskursmanöver, die das rechte Internet seit Jahrzehnten erfolgreich ausschlachtet. Es hat sich eine beispiellose Ausbreitung digitaler Agitationsstrategien in den journalistischen Mainstream und in die Breite der Gesellschaft ereignet. Rechte Metapolitik schreitet voran, die Gewaltbereitschaft und -akzeptanz folgt ihr. Daher die Rückfrage: Wie will der Journalismus diese Entwicklung stoppen?"
Zur Person: Simon Strick, Jahrgang 1974, ist Medien- und Genderforscher am Brandenburgischen Zentrum für Medienwissenschaften in Potsdam. Seine Forschungs- und Lehrtätigkeit konzentriert sich auf Gender- und Rassismustheorien, Populäre Kulturen, Affect Studies, Medien- und Kulturanalyse. Mit Susann Neuenfeldt und Werner Türk gründete er 2009 das Performancekollektiv Panzerkreuzer Rotkäppchen. Simon Strick lebt in Berlin. Sein aktuelles Buch „Rechte Gefühle - Affekte und Strategien des digitalen Faschismus“ ist im transcript Verlag erschienen (480 S., 34 Euro).
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09.03.2022 09:50
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Neue Studie zu Lieferketten - Grenzenlose Ausbeutung: Wie Supermärkte von Hungerlöhnen und Akkordarbeit profitieren
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Katastrophale Arbeitsbedingungen und ausbeuterische Verhältnisse – die neue Studie „Grenzenlose Ausbeutung“ von Oxfam deckt massive Arbeits- und Menschenrechtsverstöße auf Ananas-, Bananen- und Traubenfarmen in Costa Rica und Südafrika auf. Besonders betroffen: Arbeitsmigrant*innen. Oxfam schreibt und fragt:
"Profitieren deutsche Supermärkte von ausbeuterischen Verhältnissen entlang der Lieferkette? In einer aufwendigen Recherche sind wir dieser Frage nachgegangen und sind den Spuren von den Regalen bis zu Farmen und Anbaugebieten gefolgt. Das Ergebnis ist erschreckend: Menschenrechtsverstöße sind an der Tagesordnung. Sie konnten in Lieferketten aller großen deutschen Supermärkte nachgewiesen werden. Das zeigt unsere neue Studie „Grenzenlose Ausbeutung“.
Hungerlöhne und Akkordarbeit auf Plantagen
Die Löhne der Arbeiter*innen sind extrem niedrig. Keine der befragten Personen im Ananas-Sektor bekam den in Costa Rica festgelegten Mindestlohn, auf einer Edeka-Zulieferplantage waren es sogar nur 4,50 Euro pro Tag. In Südafrika verdient knapp die Hälfte der für die Studie befragten Arbeiterinnen weniger als den Mindestlohn von 194 Euro pro Monat. In beiden Ländern ist Akkordarbeit mit mehr als zwölf Stunden für die Arbeiter*innen an der Tagesordnung.
Arbeiterinnen im südafrikanischen Wein und Tafeltraubenanbau berichten, dass sie zu sexuellen Handlungen genötigt werden, um eine Arbeitsstelle zu bekommen. Sie sind außerdem giftigen Pestiziden ausgesetzt und haben während der Arbeit keinen Zugang zu Toiletten und Trinkwasser.
Wenn sich die Menschen gegen diese Missstände wehren, werden sie massiv unter Druck gesetzt. Gerichtsurteile aus Costa Rica belegen die unrechtmäßige Entlassung von Gewerkschaftsmitgliedern auf einer Ananasplantage, die Rewe und Lidl beliefert und von Rewe sogar ausdrücklich als vorbildlich beworben wird. Arbeiter*innen berichteten uns, dass selbst Familienangehörige von Gewerkschaftsmitgliedern entlassen werden.
Besonders schwierig ist die Situation für migrantische Arbeitskräfte, die ständig Angst haben müssen, abgeschoben zu werden und die deshalb von Gewalt und Ausbeutung noch stärker betroffen sind.
Supermärkte spielen ihre Marktmacht aus In Deutschland teilen sich die vier großen Supermarktketten (Rewe mit Penny, Aldi Süd und Nord, Edeka mit Netto und die Schwarz-Gruppe, zu der Lidl und Kaufland gehören) 85 Prozent des Lebensmitteleinzelhandels.
„Mit dieser Marktmacht üben die Supermärkte massiven Druck auf Lieferanten und Produzenten aus: Nur wer im Einkauf billig ist, kommt ins Supermarktregal“, erklärt Tim Zahn, Oxfam-Experte für Wirtschaft und Menschenrechte und einer der Autoren der Studie.
Steffen Vogel, Oxfam-Experte für globale Lieferketten und ebenfalls Mitautor der Studie, ergänzt: „Während Arbeiterinnen mit Hungerlöhnen abgespeist werden, machen die Supermärkte auf ihre Kosten satte Gewinne.“
Was eine Plantagenarbeiterin in Costa Rica in einem Jahr verdient, streicht Lidl- und Kaufland-Eigentümer Dieter Schwarz in sechs Sekunden ein.
Das sieht man auch an den Preisen im Supermarkt: Von einer Flasche Wein, die für 3 Euro verkauft wird, kommen nur circa drei Cent bei den Farmarbeiterinnen in Südafrika an. Die Anteile am Verkaufspreis von Tankwein aus Südafrika. 51,7 % verdient der Einzelhandel, 1,2 % gehen als Löhne an die Arbeiter*innen (Quelle: Berechnungen für Wein nach Daten von VinPro, UN Comtrade, UNCTAD, OECD, DeStatis (2019).
Supermärkte müssen endlich Verantwortung übernehmen
Eins ist klar: Es muss sich etwas ändern. Wir fordern von den Supermärkten daher,
für die Einhaltung der Menschenrechte in ihren Lieferketten zu sorgen; ihren Zulieferern gerechte Preise zu zahlen, anstatt enormen Preisdruck auszuüben; die Zahlung existenzsichernder Löhne bei Erzeuger*innen sicherzustellen.
Auch die Bundesregierung ist in der Pflicht: Sie muss das 2021 verabschiedete deutsche Lieferkettengesetz ambitioniert umsetzen, damit es Betroffenen wirklich nutzt. Zudem muss sich die Bundesregierung für ein starkes EU-Lieferkettengesetz einsetzen, das Betroffenen von Arbeitsrechtsverletzungen Zugang zu effektivem Rechtsschutz verschafft.
Wir brauchen endlich ein Gesetz, das den Menschen und unserem Planeten wirklich nutzt!"
"Oxfam zu Lieferketten"
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24.02.2022 09:24
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Werden Unternehmen durch die EU ernsthafter mit einem Lieferkettengesetz in die Pflicht genommen?
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Die EU-Kommission will Firmen zwingen, Menschenrechte und Umwelt bei der Herstellung ihrer Produkte zu schützen. Sie geht viel weiter als Deutschland mit seinem Lieferkettengesetz. Damir Fras beschreibt heute in der Rundschau, was das Vorgehen der EU-Kommission für deutsche Unternehmen und für Menschenrechtsgeltung bedeutet.
„In Deutschland ist ein Lieferkettengesetz bereits beschlossen. Jetzt zieht die EU mit einem eigenen Gesetz nach. Große Unternehmen sollen künftig keine Gewinne mehr mit Produkten machen, die mit Hilfe von Kinder- oder Zwangsarbeit hergestellt werden, die Umwelt zerstören oder das Klima belasten. Das Gesetz folgt einer in den letzten Jahren immer intensiver geführten Debatte über uigurische Zwangsarbeit in chinesischen Arbeitslagern, die Zustände in Textilfabriken in Pakistan und Bangladesch und Umweltverschmutzungen der Ölindustrie in Nigeria. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach am Mittwoch bei der Vorstellung des Entwurfs in Brüssel von „einem starken Signal“ der EU: „Geschäfte dürfen niemals auf Kosten der Menschenwürde und der Freiheit gemacht werden.“ Was plant die EU genau? Ein Überblick.
Was müssen Unternehmen künftig leisten?
Die Firmen müssen nach dem am Mittwoch vorgestellten Gesetzesentwurf genau darauf achten, dass ihre ausländischen Produzenten, Zwischenhändler und Lieferanten nicht gegen Menschenrechte verstoßen oder die Umwelt zerstören. Konkret heißt das zum Beispiel: Ein deutsches Unternehmen, das Kakaobohnen vertreibt, muss sicherstellen, dass bei Anbau und Ernte der Bohnen keine Kinder eingesetzt werden. Die Lieferanten des Unternehmens, in diesem Fall zum Beispiel Reedereien, werden verpflichtet, Umwelt- und Klimastandards zu beachten.
Welche Unternehmen sind betroffen? In die Pflicht genommen werden Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mehr als 150 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Nach Angaben der EU-Kommission sind das etwa 9400 Unternehmen. Dazu kommen etwa 2600 Firmen, die ihren Sitz nicht in der EU haben, aber im EU-Binnenmarkt Geschäfte machen.
Die Auflagen sollen zudem für Firmen gelten, die mehr als 250 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von mehr als 40 Millionen Euro haben, wenn sie mehr als die Hälfte des Umsatzes in sogenannten Risikosektoren machen. Dazu gehören die Textilbranche, die Landwirtschaft, der Mineralienabbau und die Ölförderung. Das trifft etwa 3400 Unternehmen aus der EU und 1400 Unternehmen, die ihren Hauptsitz nicht in der EU haben.
Kleinere Firmen sind von dem Lieferkettengesetz ausgenommen, aber indirekt davon betroffen, wenn sie etwa als Zulieferer für größere Unternehmen arbeiten.
Welche Strafen gibt es bei Verstößen gegen das Gesetz?
Das ist in dem Gesetz nicht genau geregelt. Die EU-Mitgliedstaaten sollen die Sanktionen festlegen, wenn es Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht gibt. In dem Gesetz ist von einem Haftungsmechanismus die Rede, der Opfern von Menschenrechtsverletzungen den Zugang zu Gerichten erleichtern soll. Auch müssen Geschäftsführer:innen die Vorgaben des EU-Klimaplans in ihre Unternehmenspläne integrieren.
Wirtschaft und Menschenrechte
Ausgangspunkt für die menschenrechtliche Sorgfalt in globalen Lieferketten sind die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP). Nach diesen Prinzipien soll der Schutz der Menschenrechte weltweit in Form von „Nationalen Aktionsplänen“ (NAP) umgesetzt werden.
Deutschland verabschiedete im Dezember 2016 einen NAP zu Wirtschaft und Menschenrechten und vertraute dabei zunächst auf das freiwillige Engagement der Unternehmen, diesen entsprechend umzusetzen. Ein unabhängiges Monitoring zeigte aber, dass nur 17 Prozent der größeren Unternehmen die Anforderungen zur Beachtung der Menschenrechte erfüllten – weit weniger als das von der großen Koalition vorgegebene Ziel von mindestens 50 Prozent.
Der Bundestag verabschiedete daher am 11. Juni 2021 das innerhalb der Bundesregierung hart umkämpfte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Wirtschaftsverbände gingen von Anfang an gegen eine solche Regulierung auf die Barrikaden.
Die Industrielobby BDI warnte vor einem „nationalen Sonderweg“ und forderte stattdessen ein EU-Rahmenwerk, um ein europäisches Level-Playing-Field – also gleiche Bedingungen für alle Firmen – zu schaffen. Aber auch gegen eine EU-weite Regulierung ziehen Wirtschaft und Arbeitgeber zu Felde, wie Recherchen des Global Policy Forum und von Misereor zeigen. Zentrales Ziel ist dabei, eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen bei Menschenrechtsverstößen und Sanktionen wie den Ausschluss von der öffentlichen Auftragsvergabe auszuschließen. tos
Was haben Verbraucher:innen von dem Gesetz?
„Verbraucherinnen und Verbraucher können aufatmen“, sagte die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im Europaparlament, Anna Cavazzini (Grüne), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Denn sie können sicher sein, dass die Produkte, die sie kaufen, dank der kommenden EU-Vorschriften nachhaltiger und fairer produziert werden.“
Welche Unterschiede gibt es zum deutschen Lieferkettengesetz?
Das deutsche Lieferkettengesetz, das von 2023 an gelten soll, gilt zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten. Von 2024 an sinkt diese Schwelle auf 1000 Beschäftigte. Cavazzini sagte: „Der Vorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz geht bedeutend weiter als das deutsche Gesetz.“ Die neuen EU-Regeln zur Sorgfaltspflicht „sollen für viel mehr Unternehmen gelten und auch indirekte Zulieferer in der Wertschöpfungskette umfassen“. Der Vorschlag beinhalte konkrete Vorgaben zu umweltbezogenen Sorgfaltspflichten. „Vor allem aber enthält das europäische im Gegensatz zum deutschen Lieferkettengesetz Haftungsklauseln, die sicherstellen, dass Unternehmen vor EU-Gerichten zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sie ihren Pflichten nicht nachkommen“, so Cavazzini.
Was ist die Kritik an dem EU-Vorschlag?
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte vor einer Überlastung deutscher Unternehmen. „Es drohen enormer Aufwand und hohe Kosten – für vergleichsweise wenig Wirkung“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „Der Entwurf droht Unternehmen zu überfordern. Angesichts der Größe der Herausforderung ist es falsch, die Aufgabe des Schutzes von Menschenrechten und Umwelt in dieser Form auf die Unternehmen abzuwälzen“, sagte Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung.
Dagegen begrüßte das Bündnis „Initiative Lieferkettengesetz“, in dem Gewerkschaften und Umweltverbände vertreten sind, den Gesetzentwurf. Er gehe jedoch nicht weit genug. Auch kleinere Unternehmen müssten zu mehr Sorgfalt verpflichtet werden.
Wann tritt das EU-Gesetz in Kraft?
Der Gesetzgebungsprozess dauert anderthalb bis zwei Jahre. Danach haben die EU-Staaten zwei Jahre Zeit, um ihre Lieferkettengesetze anzupassen. Die schärferen Verordnungen dürften also in Deutschland nicht vor 2026 gelten“.
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23.02.2022 09:50
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Lieferkettengesetz muss strenger werden
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Auf größere Unternehmen in der EU könnten bald strengere Regeln gegen Menschenrechtsverstöße und Umweltzerstörung in ihren Lieferketten zukommen.
Die EU-Kommission stellt an diesem Mittwoch einen Gesetzesvorschlag vor, mit dem Firmen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie nicht darauf achten, dass ihre Lieferanten sich an bestimmte Mindeststandards halten. In einem Entwurf heißt es, dass Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern betroffen seien. Für Branchen mit einem hohen Risiko für Verstöße gegen Arbeits- und Umweltstandards soll die Grenze bei 250 liegen. Der Entwurf liegt der Deutschen Presse-Agentur vor und kann noch geändert werden.
In Deutschland sind die Regeln weniger streng: Unternehmen mit mehr als 3000 Angestellten müssen ab 2023 sicherstellen, dass in ihren Lieferketten Menschenrechte eingehalten werden und die Umwelt nicht zerstört wird. Ein Jahr später sinkt diese Grenze auf 1000. Bei Verstößen sind Bußgelder und der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen vorgesehen. Der Bundestag hat im vorigen Juni das entsprechende Gesetz verabschiedet. Sollten die EU-Länder und das EU-Parlament dem Vorschlag der Kommission zustimmen, müsste das deutsche Lieferkettengesetz voraussichtlich angepasst werden.
Über Lieferkettengesetze wird schon länger diskutiert. Größere Öffentlichkeit bekommt das Thema zumeist, wenn Missstände wie Kinderarbeit und Hungerlöhne in Entwicklungsländern ans Licht kommen oder es zu schweren Arbeitsunfällen kommt. So stürzte 2013 etwa in Bangladesch eine achtgeschossige Textilfabrik in knapp 90 Sekunden ein. Rund 1100 Menschen starben in den Trümmern.
Das aktuelle Lieferkettengesetz ist zu schwach. Das zeigt auch "Warum das Lieferkettengesetz derzeit zu schwach ist"
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06.12.2021 12:01
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Killerroboter sind schon im Einsatz - Kriege wahrscheinlicher und noch grausamer
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Künstliche Intelligenz (KI) verändert Kriege dramatisch und – macht sie wahrscheinlicher. Die UN nehmen wieder einen Anlauf für ein Abkommen gegen den kriegerischen Gebrauch von künstlicher Intelligenz. Darüber schreibt Jan Dirk Herbermann in der Frankfurter Rundschau (3.12., S. 7):
>>Mehr als sieben Jahre schon ziehen sich die internationalen Gespräche über Killerroboter bei den Vereinten Nationen in Genf hin. Weiterhin steht der eine entscheidende Schritt aus: eine klare Empfehlung an die Regierungen der Welt, mit Verhandlungen über ein Verbot der „tödlichen autonomen Waffensysteme“ zu beginnen. An diesem Donnerstag gingen die Beratungen von Diplomat:innen und Fachleuten im Rahmen der UN-Konvention über konventionelle Waffen in die nächste Runde. Eine Woche ist dafür veranschlagt.
Friedeninitiativen verlangen vehement die Ächtung der Kriegsmaschinerie, die ohne jede menschliche Kontrolle töten kann – und so den Krieg revolutioniert. „Die internationale Staatengemeinschaft muss endlich Verhandlungen für einen robusten, rechtlich bindenden internationalen Vertrag aufnehmen, um die Entwicklung und Verbreitung von Killerrobotern zu stoppen“, verlangt Mathias John von Amnesty International.
Kaum jemand glaubt an einen Erfolg der Konferenz
Doch einem Erfolg der Konferenz gibt kaum jemand eine Chance. Allenfalls könnten die Staaten das Mandat für die Beratungen verlängern – damit würden die Gespräche dann aber endgültig zur Farce. „Vielleicht wird noch ein Jahr drangehängt“, sagt Thomas Küchenmeister von der Internationalen Kampagne zum Verbot der Killerroboter.
Den Stillstand verantworten vor allem die großen Militärmächte USA und Russland. Sie sperren sich gegen ein völkerrechtlich verbindliches Verbot. In ihrem Windschatten folgen Länder wie Israel, die autonome Waffensysteme für ihr Militär als unverzichtbar betrachten.
Doch es ginge auch ohne die Bremser. „Wenn bei den Genfer Gesprächen wieder nichts Entscheidendes herumkommt, könnten die erklärten Gegner der Killerroboter mit Verbotsverhandlungen außerhalb der Konvention über konventionelle Waffen beginnen“, erklärt Küchenmeister. Besonders Österreich, Irland und Mexiko pochen auf ein Verbot.
Als Vorbild für ein solches Abkommen könnte nämlich der 2008er Vertrag zur Ächtung von Streumunition dienen. Jahrelang behinderten Washington und Moskau die Verhandlungen über die heimtückischen Waffen in den üblichen UN-Abrüstungsgremien. Darüber waren Norwegen und andere Staaten derart verärgert, dass sie einen Prozess außerhalb der UN anstießen, ohne die USA und Russland. Am Ende stand das Verbot.
Guterres: Killerroboter „moralisch abstoßend“
Warum sollten die Staaten nun Killerroboter verbieten? Besonders eindringlich beantwortet UN-Generalsekretär António Guterres das: „Autonome Maschinen, die ohne menschliches Zutun Ziele auswählen und Leben vernichten, sind politisch inakzeptabel (und) moralisch abstoßend.“ Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz macht klar: Entscheidungen „über Leben und Tod auf dem Schlachtfeld dürfen nicht Maschinen übertragen werden“.
Nach Meinung kritischer Fachleute stoßen autonome Waffensysteme die Tür auf zu einer immer brutaleren Kriegsführung. Die Unterscheidung zwischen Gut und Böse, die Abschätzung der Folgen bestimmter Aktionen, Verantwortung für das eigene Tun, Verhältnismäßigkeit – das alles würde verschwinden. Aktivist Küchenmeister betont zudem: „Es ist zu befürchten, dass allein die Verfügbarkeit autonomer Kampfroboter die Wahrscheinlichkeit kriegerischer Auseinandersetzungen erheblich erhöhen wird.“
Human Rights Watch listet die USA, Großbritannien, China, Israel, Russland und Südkorea als diejenigen Staaten auf, die bei der Entwicklung der Roboter sehr weit sind. Das Friedensforschungsinstitut in Stockholm (Sipri) berichtete 2017 von mindestens 381 autonomen Systemen zu militärischen Zwecken. Künstliche Intelligenz bildet die Grundlage für die Systeme. Sie sind oft fest verankert, zum Beispiel auf Kriegsschiffen, zum Schutz militärischer oder ziviler Einrichtungen, auch von Atomanlagen. Südkorea lässt die Grenze zu Nordkorea von Robot-Waffen überwachen. Mobile Systeme brauchen nicht unbedingt einen Marschbefehl. Als ein führender Anbieter gilt die israelische Firma Rafael Advanced Defense Systems, die das Panzerabwehrsystem Trophy anbietet. Die Firma Elbit, ebenfalls aus Israel, präsentierte im September das System Arcas, das Sturmgewehre digital vernetzt. Killerroboter: Herumlungernde Drohnen
Zu autonomen Waffensystemen zählt man auch „loitering munitions“, zu Deutsch: herumlungernde Sprengkörper. Der deutsche Bundeswehrverband definiert diese unter Berufung auf das Fachblatt „Soldat & Technik“ als unbemannt fliegende Systeme mit Lenkfunktion, „die ohne präzise Zielkoordinaten auf Verdacht gestartet werden können und im Anschluss über eine längere Zeit über einem Zielgebiet kreisen, bis ein lohnendes Ziel entdeckt und bekämpft wird“. Angeblich sollen diese Kamikazedrohnen den jüngsten Konflikt in Berg-Karabach mitentschieden haben.
Auf eine Anfrage zu Entwicklungen und Marktvolumen autonomer Waffensysteme antwortet der Düsseldorfer Konzern Rheinmetall, bei ihm sei man „davon überzeugt, dass der Mensch im Falle eines Waffeneinsatzes die Entscheidungsgewalt behalten muss“. Autonome letale Systeme lehne man ab. Rheinmetall entwickelt allerdings in Kooperation mit dem Schweizer Konzern Oerlikon das Flugabwehrsystem „Skyshield“ – mit „unbemannter Erfassungs- und Verfolgungssensoreinheit“ und mit „unbemannten Geschützen“. Laut Werbevideo nur gegen Drohnen gerichtet.<<.
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01.11.2021 12:31
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200 Millionen Dollar für einen Whistleblower
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Wenn das hierzulande Schule machte! Ein Whistleblower erhält in den USA knapp 200 Millionen Dollar von der US-Aufsicht als Belohnung, weil er den Skandal mit aufdeckte, dass die Deutsche Bank Referenzzinssätze manipulierte, um größere Gewinne einzustreichen. In Deutschland sind Whistleblover von Staat und Recht verlassen, kämpfen oft einen einsamen Kampf, riskieren berufliche Existenz und Einkommen, oft auch Gesundheit und ihr soziales Umfeld. Seit Jahren bremsen die deutsche Regierungen ein Whistleblowing-Gesetz nach us-amerikanischem oder britischen Vorbild aus.
Während der Finanzkrise soll die Deutsche Bank wichtige Referenzzinssätze künstlich niedrig gehalten haben – unter anderem beim Libor. Ein Ex-Mitarbeiter des Geldhauses deckte den Skandal um die manipulierten Zinssätze auf und erhält dafür einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zufolge nun eine üppige Belohnung.
Die US-Aufsichtsbehörde CFTC zahle dem Mann eine Rekordsumme von fast 200 Millionen Dollar, heißt es in dem Bericht unter Berufung auf Insider. Die U.S. Commodity Futures Trading Commission (CFTC), die für die Kontrolle der Derivatemärkte zuständig ist, kündigte die Belohnung in einer Mitteilung an, nannte aber keine näheren Details.
Strafen in Milliardenhöhe
In den vergangenen Jahren hatten Behörden weltweit Strafen in Milliardenhöhe gegen Banken und Händler verhängt sowie Strafverfahren angestrengt, nachdem die langjährigen Manipulationen wichtiger Referenzzinssätze aufgeflogen waren.
In den USA wurde vor Kurzem ein Gesetz verabschiedet, um das CFTC-Whistleblower-Programm aufrechtzuerhalten. Das »Wall Street Journal« hatte im Mai berichtet, das Programm sei aufgrund einer erwarteten hohen Auszahlung an einen Deutsche-Bank-Manager gefährdet.
Diese stehe im Zusammengang mit dem Vergleich in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar, auf den sich die Deutsche Bank vor einigen Jahren mit Aufsehern wegen der Libor-Manipulationen geeinigt hatte. Die CFTC lehnte eine Stellungnahme unter Hinweis auf die Politik der Behörde ab.
Der Whistleblower war laut Reuters ehemals bei der Deutschen Bank beschäftigt, wie es unter Berufung auf zwei Insider hieß. Das Geldhaus lehnte am Freitag eine Stellungnahme ab. Die Kanzlei Kirby McInerney teilte mit, die von ihr vertretene Person habe die Rekordsumme zugesprochen bekommen, da sie 2012 umfangreiche Informationen und Dokumente zur Verfügung gestellt habe. Dies habe Untersuchungen der CFTC und einer ausländischen Behörde beschleunigt. Den Namen der Person nannte sie nicht.
Die bislang größte Belohnung, die laut Reuters für einen Whistleblower bislang vergeben wurde, beläuft sich auf 114 Millionen Dollar und wurde von der Wertpapieraufsichtsbehörde gewährt. Der nun auszuschüttende Betrag sei »überwältigend«, sagte Erika Kelton, eine Whistleblower-Anwältin bei der Kanzlei Phillips & Cohen LLP.
mit Material von apr/Reuters
Zum Whistleblowing "Was ist Whistleblowing?"
"Beratung und Hilfe beim Whistelblowing"
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12.10.2021 13:44
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Tempo 130 auf Autobahnen – Wenn Verbote nötig sind
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Michael Herl bringt es auf den Punkt; >>Eigentlich wäre es ja – wie so oft – ganz einfach. Das menschliche Miteinander könnte von solch einer segensreichen Selbstverständlichkeit geprägt sein, wie es sie nicht einmal im Märchen gibt. Dort sogar am wenigsten, denn solche Fabelerzählungen sind ja bekanntlich erst recht keine immerfort blühenden Landschaften der Glückseligkeit, sondern strotzen nur so vor Hass, Neid, Missgunst, Brutalität und Beutelschneiderei.
Warum also sollte es im richtigen Leben anders sein? Ist es ja auch nicht. Es ist sogar so wenig anders, dass ohne gegenseitige Kontrolle, Verbote, Gesetze, Erlasse und Strafen das Hauen und Stechen in unserer Gesellschaft noch ausufernder wäre, als es ohnehin schon ist.
Impfpflicht – Wie weit geht „persönliche Freiheit“ und wie definieren wir diese Berühmtestes aktuelles Beispiel für ein Für und Wider von Regeln ist die Diskussion um eine Impfpflicht gegen Covid-19. Kernthema der Auseinandersetzung ist hier, wie weit der Begriff „persönliche Freiheit“ definiert werden darf.
Dabei gilt diese Frage in vielen anderen Bereichen längst als beantwortet. Zum Beispiel im Straßenverkehr. Niemand fühlt sich in seiner Entfaltung beschränkt, weil er nicht ohne Führerschein oder mit zehn Bier im Kopf Auto fahren darf. Das wird widerspruchslos eingesehen – aber dennoch ständig gemacht. Nicht selten gar in Kombination.
Autobahn und Tempolimit – Stück Freiheit oder Großmannssucht?
Ähnlich ist es bei der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Tempo 30 vor Schulen wird allgemein als vernünftig erachtet. Gleiches prinzipiell innerhalb von Ortschaften und Städten findet schon mehr Kritikerinnen und Kritiker. Die meisten Gegner aber hat die Begrenzung auf 130 Stundenkilometer auf Autobahnen. Da fühlt sich denn eine ganze Nation inklusive Regierung und Industrie gefesselt, geknebelt und bei Brot und Kerzen eingekerkert.
„Autobahn“, das ist seit Adolf Hitler das Synonym schlechthin für die Großmannssucht einer Nation, für die Leistungsfähigkeit eines Volkes, für die Freiheit einiger Auserwählter inmitten einer Welt von Geknechteten, deren Armseligkeit sich darin äußert, nicht so schnell fahren zu dürfen, wie sie wollen.
Verbote im Straßenverkehr – Ganz oder gar nicht
Was da hilft? Richtig. Eine Entnazifizierung. Und wie geht die? Das lehrt uns die Geschichte. Sie funktioniert ausschließlich durch Verbote, Gesetze, Erlasse und Strafen. Mit Setzen auf Vernunft kommt man da nicht weit. Wie weit, das sieht man seit 1978 an dem zahnlosen Tiger namens „Richtgeschwindigkeit“. Da könnte man genauso gut auch eine Keuschheitsempfehlung in Bordellen aussprechen. Wer da hingeht, will nur das Eine, und genau das wollen auch jene, die sich mit PS-strotzenden Blechhaufen auf die Autobahn stürzen.
Würden die stattdessen ihre Triebe im Freudenhaus befriedigen, wäre der Welt geholfen. Tun sie aber nicht. Oder nicht oft genug – und ergehen sich ersatzweise im Straßenverkehr. Also müssen Verbote her.
Bundesregierung: Mit Bußgeldern zum Ziel?
Das hat nun endlich auch die Bundesregierung erkannt und Bußgelder für Verkehrsdelikte nach oben geschraubt. So kostet nun zu schnelles Fahren bis zu 600 Euro. Ein netter Versuch. Aber immer noch zu wenig.
Vor allem fehlt in der Novelle etwas, das seit Jahrzehnten mehr als überfällig ist und sogar der neuen (ihr aufgezwungenen) umweltgerechten Philosophie der Autoindustrie entspräche, aber immer noch an der Starrköpfigkeit einiger Vorgestriger scheitert: Tempo 130 auf Autobahnen<<.
Michael Herl in Frankfurter Rundschau 12.10.2021 S. 30
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05.10.2021 14:38
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Facebook, Instagram, WhatsApp - Hass, Manipulation und FakeNews für Geldmaximierung
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„Die heute existierende Version von Facebook reißt unsere Gesellschaften auseinander und löst ethnische Gewalt rund um die Welt aus“, sagt in „60 Minutes“ die 37-jährige Frances Haugen, die 13 Jahre bis Mai 2021 bei Facebook gearbeitet hat. Facebook ist „eine Geldmaschine, die unsere Gesellschaften zu zerreißen droht“, sagen die preisgekrönten Journalistinnen Cecilia Kang und Sheera Frenkel in ihrem Buch „Inside Facebook. Die hässliche Wahrheit“ (An Ugly Truth. S. Fischer 2021). Haugen sagte laut Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) dem „Wall Street Journal“, sie sei frustriert gewesen, weil Facebook nicht ausreichend offen damit umgehe, dass das Online-Netzwerk Schaden anrichten könne. Zu ihrem Job bei Facebook, den sie im Mai nach rund zwei Jahren aufgab, habe der Kampf gegen Manipulationsversuche bei Wahlen gehört. Sie habe jedoch schnell das Gefühl gehabt, dass ihr Team zu wenig Ressourcen habe, um etwas zu bewirken.
Facebook stellte eigene Interessen in den Fokus
Auch sei ihr Eindruck gewesen, dass Facebook weiter auf Wachstum gesetzt habe, obwohl dem Unternehmen negative Auswirkungen der Plattform auf die Nutzerinnen und Nutzer bekannt gewesen seien. „Es gab Interessenkonflikte zwischen dem, was für die Öffentlichkeit gut war und was für Facebook gut war“, sagte Haugen bei „60 Minutes“. Und Facebook habe sich immer und immer wieder dafür entschieden, für eigene Interessen das Geschäft zu optimieren.
Der Demokrat Ed Markey verglich die Vorgehensweise des Online-Netzwerks vor allem bei Instagram, das wie WhatsApp zu Facebook gehört, mit verantwortungslosem Handeln der Tabakindustrie. „Instagram ist diese erste Zigarette der Kindheit“, die Teenager früh abhängig machen solle und am Ende ihre Gesundheit gefährde, sagte Markey unter anderem. „Facebook agiert wie die großen Tabakkonzerne: Sie verbreiten ein Produkt, von dem sie wissen, dass es der Gesundheit junger Menschen schadet.“ Haugen beantragte bei US-Behörden offiziell Schutz als Whistleblowerin – so werden Mitarbeitende genannt, die durch Weitergabe von Informationen Missstände aufdecken wollen.
Auf die Frage von Bascha Mika in der Frankfurter Rundschau „Wie steht es um den Schutz von Whistleblowing hierzulande?“ antwortet der Geschäftsführer der Organisation „Reporter ohne Grenzen“ Christian Mihr: „Es gibt seit zwei Jahren die Whistleblower-Schutzrichtlinie der EU, die bis zum 17. Dezember in nationales Recht der Mitgliedsstaaten umgesetzt werden muss. Doch Deutschland hat das bisher nicht getan und auch keine Schritte dafür in die Wege geleitet. Hintergrund ist die Diskussion in der großen Koalition, wie weitreichend dieses Gesetz sein soll. Die Richtlinie will Whistleblowing im EU-Rahmen schützen. Hierzulande geht es aber auch um die Frage, inwieweit das Gesetz dann im nationalen Zusammenhang gilt und eine Schutzfunktion hat“.
Und auf die Frage: „Was wäre erforderlich, um Whistleblowing weltweit zu schützen?“ sagt er: „Einen juristischen Rahmen, der zum Beispiel durch eine völkerrechtliche Konvention die Bedeutung von Whistleblowing weltweit betont. Kleiner gebacken bräuchte es hierzulande erst mal die Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht. Gekoppelt mit einem besseren Schutz von digitaler Kommunikation, die Überwachung verhindert. Denn sonst lässt sich die vertrauliche Kommunikation mit Whistleblower:innen ja nicht sichern.“
Dass es bis heute keine Whistleblower-Schutzgesetz in Deutschland gibt, ist ein Skandal. Das kann nur damit erklärt werden, dass es zu viele politische Entscheider gibt, die Whistleblowing zu befürchten haben (Stichwort: Maskendeals) oder die unter steuerndem Druck aus Wirtschaft und Kapital stehen. Hier braucht es künftig mehr Druck aus der Zivilgesellschaft, NGOs, Medien und, Journalisten. Es muss sich was ändern.
Bei Whistleblowing "Information über Whistleblowing" "Hilfe bei Whistleblowing" "Was Wikileaks für Journalismus und Whistleblowing bedeutet" "Ex-Facebook-Mitarbeiterin packt aus"
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01.10.2021 10:38
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Weltkaffeetag: Fair gehandelter Kaffee - „Steuer für fairen Kaffee aussetzen“
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Noch-Entwicklungsminister Müller appelliert an die kommende Bundesregierung, fair gehandelten Kaffee günstiger zu machen. Das habe Olaf Scholz schon vor Jahren versprochen. Es gibt aber auch fairen Kaffee, der nicht so heißt.
Ein sehr gutes Beispiel ist indigena von den Genossenschaft FEDECOCAGUA in Guatemala, der hierzulande in Partnerschaft von der action365 vertrieben wird. Unter dem Siegel „gerecht handeln“ gibt es folgende Garantien zum Vorteil der Kaffeebauern: mindestens 15% Aufpreis, langfristige Abnahmeverträge, Mindestabnahme zur Existenzsicherung. Die Käufer bekommen beste Arabica-Hochlandqualität, volles Aroma, Kaffee ergiebig im Verbrauch und ohne Pestizide angebaut. "Gerecht gehandelter Spitzenkaffee aus dem Hochland von Guatemala"
Ein solcher Kaffee läuft aber nicht unter „faire trade“, weil das Siegel sehr teuer und der Genossenschaft Kosten aufbürden würde, die stattdessen in die Bildung und die Weiterentwicklung der Genossenschaft gesteckt wird. Denn im Dachverband FEDECOCAGUA sind 148 lokale Kaffeebauern-Genossenschaften im guatemaltekischen Hochland organisiert, denen rund 23.000 Kleinbauernfamilien angehören. Eine große Erfolgsgeschichte. Doch wie können auch sie profitieren, wenn die Steuer für fairen Kaffee ausgesetzt wird? Tim Szent-Ivanyi berichtet in der Frankfurter Rundschau:
„Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat eine neue Regierungskoalition aufgefordert, fair gehandelten Kaffee von der Kaffeesteuer zu befreien und so den Verkauf anzukurbeln. „Die neue Regierung muss endlich handeln und die Kaffeesteuer für fairen Kaffee aussetzen. Das hatte Olaf Scholz als Bürgermeister von Hamburg selbst gefordert und als Finanzminister nicht umgesetzt“, sagte Müller dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
„Für die Verbraucher würde fairer Kaffee dann in etwa so günstig wie herkömmlicher Kaffee“, so der Minister. „Das wäre eine wirksame Maßnahme gegen Kinderarbeit, denn die Eltern auf den Kaffeeplantagen bekämen endlich anständige Einkommen für ihre harte Arbeit“, fügte er hinzu.
Die meisten Bäuerinnen und Bauern in den Kaffeeplantagen lebten in Armut und hungerten, sagte Müller. Fairer Kaffee könne das ändern, doch dessen Anteil stagniere seit Jahren. Gerade einmal sechs Prozent sei fair gehandelt, beklagte er. Deutschland sei außerdem eines der wenigen Länder, die überhaupt eine Kaffeesteuer erhöben. „Der Preisdruck bei den Einzelhändlern wird so noch stärker an die Bauern weitergegeben“, kritisierte der CSU-Politiker.
Nur 25 Cent je Päckchen
Müller sagte, Deutschland sei größter Exporteur von Kaffee in der Welt. Der Rohkaffee werde hierzulande geröstet und komme dann für vier bis sechs Euro pro Päckchen in die Läden. „Für die Kaffeebohnen erhalten die Bauern aber gerade einmal 25 Cent. Ich habe das selbst auf den Plantagen in Ostafrika gesehen“, so der Minister, der nicht wieder für den Bundestag kandidiert hat und im Januar seinen neuen Posten als Chef der UN-Organisation für industrielle Entwicklung antritt.
Die Kaffeesteuer beträgt 2,19 Euro pro Kilo. Würde die Kaffeesteuer für fairen Kaffee abgeschafft, könnte nach Angaben des Entwicklungsministeriums ein 500-Gramm-Päckchen fair gehandelter Kaffee, das derzeit etwa sieben Euro kostet, für 1,10 Euro weniger angeboten werden.
„Bund, Länder und Kommunen sollten bis dahin selbst vorangehen: In jedem Rathaus, in jeder Amtsstube, in jeder Kantine sollte nur noch fairer Kaffee beschafft und getrunken werden“, forderte der scheidende Minister“.
Es wäre an der Zeit, dass jeder Kaffee, der fair, sozial und ökologisch verträglich im Sinne von 'gerecht handeln' produziert und gehandelt wird, von der Kaffeesteuer befreit wird. "Gerecht gehandelter Spitzenkaffee aus dem Hochland von Guatemala"
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07.09.2021 20:48
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Skandal: Mordaufruf gegen grüne Wähler und Politiker von sächsicher Behörde geduldet
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Skandal der sächsischen Behörden beim Umgang mit Mordaufruf
Sachsens Behörden tolerieren Plakate mit Mordaufruf, meldet Spiegel Online heute:
>>Die rechtsextreme Partei »Der III. Weg« hetzen in mehreren Städten gegen Grüne. In Bayern wurden die Plakate entfernt, in Sachsen blieben sie laut einem Medienbericht hängen. Die Rechtfertigung der Behörden ist kurios. Es ist eine Provokation, ganz typisch für Rechtsextremisten: Man ruft zu Gewalt auf, bleibt aber ausreichend im Ungefähren, um hinterher sagen zu können, das sei doch alles ganz anders gemeint gewesen. Diese Masche reicht offenbar, um in Sachsen einen Mordaufruf plakatieren zu dürfen.
»Hängt die Grünen« und »Wählt Deutsch« steht auf Plakaten, welche die rechtsextreme Kleinpartei »Der III. Weg« nach einem Bericht des »Tagesspiegel« beispielsweise in Zwickau, Plauen, Auerbach und Werdau aufgehängt hat. Aufgetaucht seien die Plakate erstmals am Sonntag und seien beispielsweise in Zwickau genau vor der Parteizentrale der Grünen platziert worden.
Dass sie dort vorerst bleiben dürfen, begründeten sächsischen Behörden damit, dass ja nicht klar sei, welcher Grüne genau getötet werden solle. Man wisse nicht, »wer konkret angesprochen wird«, sagte ein Sprecher der Zwickauer Staatsanwaltschaft dem »Tagesspiegel«. Sowohl Politiker wie auch Wähler der Partei könnten gemeint sein. Zudem sei keine konkrete Bedrohungslage ausgemacht worden. Allerdings sei es möglich, dass die Stadt in den kommenden Tagen eine Verbotsverfügung für das Plakat erlasse.
Die örtlichen Grünen reagierten laut dem Bericht schockiert. Der Bundestagskandidat Wolfgang Wetzel sprach demnach von »einer Attacke auf Demokratie und Anständigkeit«, Kreissprecher Thomas Doyé sagte, man erwarte, dass die Plakate umgehend entfernt werden.
Anders scheint die Polizei in München mit dem Plakat umzugehen: Ein bei Twitter gepostetes Foto zeigt die Beamten offenbar beim Abhängen der Kampagne.<<
"Meldung aus Spiegel Online"
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19.08.2021 12:22
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Brutalität in religiöser Verkleidung – organisierte Unfairness und Frauenfeindlichkeit
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Mit der Afghanistan-Expertin Friederike Stahlmann sprach Bascha Mika heute für die Frankfurter Rundschau über zerstörte Perspektiven für Mädchen und Frauen, Pragmatismus im Land und die alten patriarchalen Strukturen. Sie zeichnet ein Bild für die Lage von Frauen und Mädchen, das uns beschämen muss, nachdem Deutschland zusammen mit Alliierten 20 Jahre Verantwortung für das Land übernommen und nun abrupt die Menschen im Stich gelassen hat – und nicht nur das: die meisten der mit deutschen Kräften vertrauensvoll kooperierenden Menschen in Afghanistan haben sich durch ihre Arbeit und Mitarbeit sowie die Teilübernahme westlicher Werte und Praktiken in höchste Gefahr gebracht. Was sich Deutschland mit dem abrupten Abzug der Bundeswehr geleitet hat, ist ein beispielloser Fall internationaler Unfairness und Brutalität, die nicht dadurch gemildert wird, dass die USA schlechtbeispielgebend vorangegangen sind.
Frau Stahlmann, Sie haben lange in Afghanistan gelebt. Wie geht es Ihnen, wenn Sie jetzt die Bilder aus Kabul sehen?
Das ist im höchsten Maße verstörend. Die Menschen in Afghanistan zeichnete immer eine fast absurd anmutende Zukunftshoffnung aus. Daran haben sie festgehalten, selbst wenn diese Hoffnung unrealistisch war und man dafür einen unglaublichen hohen Preis zahlen musste. Immer wieder habe ich gehört: Es wird sich schon ein Weg finden! Und jetzt zu erleben, dass diese Hoffnung zerstört wird, dass diese Menschen es nicht mehr schaffen, überhaupt Hoffnung aufzubringen – das ist vernichtend.
Was hören Sie von den Menschen, mit denen Sie Kontakt haben?
Vor allem sehr verzweifelte Hilferufe. Bitten, ob ich irgendetwas tun kann, um sie außer Landes zu bringen, um ihnen einen letzten Flug zu verschaffen, um sie und ihre Familien zu schützen. Das sind Strohhalme, an die sich die Menschen noch klammern, und ich muss ihnen dann diese letzte Hoffnung zerstören. Denn ich sehe keinen politischen Willen, ihnen zu helfen. Während das erste Evakuierungsflugzeug von Kabul aus mit sieben Passagieren gestartet ist, war der ganze Flughafen voll mit Verzweifelten, hinter denen die Taliban stehen. Da zuzusehen, ist nicht zu ertragen.
Welche Menschen bitten Sie um Hilfe?
Sie kommen aus sehr unterschiedlichen Bereichen, vielen bin ich bei meinen Feldforschungen begegnet. Es sind einfache Köche, genauso wie Aktivist:innen. Menschen, die daran glaubten, dass es trotz dieser korrupten Regierung, trotz des alltäglichen Machtmissbrauchs im Land, trotz der Macht der Taliban eine friedliche Zukunft und vielleicht sogar ein selbstbestimmtes Leben geben kann. Dafür haben sich viele von ihnen wissentlich Verfolgungen ausgesetzt, mussten immer wieder die Wohnungen wechseln und sind dennoch im Land geblieben, statt sich bei einer Konferenz im Ausland abzusetzen und Asyl zu beantragen.
Wie schätzen Sie die Lage für afghanische Mädchen und Frauen ein?
(Seufzt) Auch bisher war die Möglichkeit eines selbstgewählten Lebens für sie schon unglaublich eingeschränkt. Der große Unterschied jetzt: Die Chance darauf ist völlig zunichte gemacht. Selbst wenn irgendwo noch eine Schule stehen bleiben sollte, wird es keine ernstzunehmende gesellschaftliche Teilhabe für Frauen mehr geben, egal zu welchem Preis. Für Teilhabe zu kämpfen war bisher schon lebensbedrohlich, viele Frauen sind umgebracht worden – und nicht etwa nur von den Taliban. Es gibt sehr viele unglaublich mutige afghanische Frauen, doch jetzt haben sie keine Perspektive mehr, dass ihr Kampf etwas bringen könnte. Das ist ein Unterschied ums Ganze.
Was passiert mit Frauen, die die Taliban als Aktivistinnen identifizieren...
...das ist für sie lebensgefährlich...
...obwohl die Taliban großmütig reden und Kreide gefressen haben?
Sie haben zwar Kreide gefressen – aber was werden sie tun? In Herat zum Beispiel ist es Ärztinnen verboten, aus dem Haus zu gehen. Wo sollen denn Mädchen und Frauen jetzt hin, wenn sie krank sind? Dennoch funktionieren die PR und die öffentliche Darstellung der Taliban großartig. Es gab die Ansage, dass es keine Racheakte geben und niemand bedroht werden wird. Aber in Kabul gehen sie von Tür zu Tür. Manche Menschen werden mitgenommen, manche werden verprügelt und bei manchen wird nur dokumentiert, wo sie gearbeitet und was sie Verdächtiges im Haus haben. Und wenn die Taliban behaupten, dass sie die Rechte der Frauen respektieren – wer definiert denn, welche Rechte das sind?
Warum geben sich die Islamisten verbal überhaupt so milde?
Weil sie die Anerkennung und Gelder der internationalen Gemeinschaft wollen. Aber man muss unterscheiden: Es gibt die Taliban, die in Doha Verhandlungen führen, ihre Söhne und Töchter auf Eliteunis schicken, für die Public Relations zuständig sind und wissen, was international gehört werden möchte. Und es gibt die Taliban vor Ort, die dort die Regeln machen und entscheiden, was angeblich der Scharia entspricht – auch wenn das mit der klassischen Scharia gar nichts zu tun hat.
Sie begründen ihre Gewaltherrschaft nicht mehr mit islamistischer Ideologie?
Doch, aber im Vergleich zur ersten Taliban-Herrschaft geht es inzwischen oft mehr um politische Loyalität als um die Einhaltung ihrer Regeln. Diese Regeln und ihre gewaltsame Durchsetzung gibt es immer noch, aber politische Loyalität stand in den letzten Jahren viel stärker im Vordergrund. Ein konservativer religiöser Geistlicher war nicht davor geschützt, als politischer Gegner umgebracht zu werden, weil er die falschen Leute kannte. Warum sollte sich an dieser Haltung jetzt etwas ändern? Im ersten Halbjahr 2021 waren vierzehn Prozent aller Kriegsopfer gezielte Tötungen. Vierzehn Prozent! Und das sind nur die dokumentierten, also die prominenten Fälle.
Es gibt Berichte, dass die Taliban bei ihrem Vormarsch junge Frauen verschleppt und mit ihren Kämpfern zwangsverheiratet hätten.
Ja, Flüchtlinge aus unterschiedlichen Landesteilen haben erzählt, dass Mädchen als Kriegsbeute genommen wurden. Zwangsverheiratungen an Taliban-Kämpfer gab es auch schon die letzten Jahre. Ich mache mir besonders Sorgen um lokale Gemeinschaften oder Familien, die von den Taliban als feindlich eingestuft werden. Aber einen grundsätzlichen Freibrief durch die Führung gibt es meines Wissens nicht und er würde mich wundern. Denn gegenüber den lokalen Gemeinschaften ist das eine unglaubliche Provokation und könnte Widerstand mobilisieren. Die Taliban wollen ja nicht, dass die Leute sich wehren oder weglaufen. Es gibt auch Hinweise, dass vor einigen Wochen als Teil der Kriegspropaganda gezielt Gerüchte gestreut wurden, um Widerstand gegen die Taliban zu mobilisieren.
Während des Vormarsches der Taliban erzählte eine afghanische Frau dem britischen „Guardian“, wie sehr sich Männer auf offener Straße gefreut hätten, dass die Rechte von Frauen endlich wieder beschnitten würden.
Die alten Strukturen sind ja nicht einfach verschwunden. Die Warlords und auch Mitglieder der Regierung waren teilweise nicht weniger islamistisch als die Taliban. Politikerinnen, Frauen, die Frauenhäuser aufgebaut oder sich öffentlich positioniert haben, wurden von Regierungsangehörigen als Ungläubige beschimpft und quasi zum Abschuss freigegeben. Es gibt genug patriarchale Kräfte im Land, und die sind jetzt wahrscheinlich in einem ähnlichen Siegesrausch wie die Taliban selber.
Den Frauen haben die letzten zwanzig Jahre also nichts gebracht?
So darf man das nicht sehen. Man sollte die Spielräume, die sich manche Mädchen und Frauen in den letzten zwanzig Jahren erkämpft und die sie genutzt haben haben auf keinen Fall klein reden. Das war nicht nichts, das war wertvoll! Für sie hatte es eine unglaubliche Bedeutung, dafür haben sie viel riskiert ... Nur ist es jetzt verloren.
Auch, weil die internationalen Akteure die frauenfeindlichen Warlords unterstützten.
Die Politik der internationalen Seite war auf kurzfristige militärische Gewinne ausgerichtet. Man hätte Verantwortung für die Sicherheit der Bevölkerung übernehmen müssen, aber dazu gab’s keine Bereitschaft. Stattdessen sollten Warlords und lokale Milizen gegen die Taliban kämpfen. Statt Entwaffnung gab es also Bewaffnung, auch von bekannten Kriegsverbrechern, die sich um niemandes Rechte gekümmert haben, geschweige denn um Frauen.
Zahlen die Menschen in Afghanistan jetzt den Preis für diese gemeingefährliche Strategie?
Den zahlen sie schon lange. Die Unterstützung der Warlords wurde erkauft, indem man Machtmissbrauch, Bereicherung und Korruption duldete. Das hat natürlich auch die Legitimität der Regierung untergraben, in der viele der Warlords saßen. Die Machthaber im Land bewegten sich jenseits eines rechtsstaatlich kontrollierbaren Bereichs. All das hat sehr vieles zunichte gemacht, was es an zivilen Bemühungen um eine freiheitliche Gesellschaft gegeben hat.
Gab es überhaupt so etwas wie eine Zivilgesellschaft, die diesen Namen verdient?
Sehr viele Menschen haben sich unglaublich engagiert. Man muss da auch die Eltern einrechnen, die ihre Kinder weiter in Schulen geschickt haben, obwohl sie wussten, dass Schulen angegriffen werden und der Weg dahin lebensgefährlich ist. Was für eine Entscheidung! Ich weiß nicht, ob ich die als Mutter so treffen würde.
Aber die Warlords konnten wohl kaum an einer neuen Ordnung interessiert sein.
Nicht an einer rechtsstaatlichen! Wenn sie auf der einen Seite einen bewaffneten, unkontrollierbaren Warlord haben und auf der anderen einen gut ausgebildeten Richter – was soll der denn gegen die Verbrechen des Warlords oder dessen Sohn tun? Wie soll der Richter oder Polizist den Rechtsstaat durchsetzen? Im Zweifelsfall sind auch die Polizisten Anhänger des Warlords, weil sie um ihre Sicherheit fürchten. Diese Arrangements haben die internationalen Akteure in der Praxis unterstützt. Deshalb war das Gerede über den Aufbau einer neuen Gesellschaft ein gutes Stück verlogen.
Polizisten und Soldaten scheinen daran auch nie geglaubt zu haben. Deutsche Militärs sind ob deren Kampfmoral ja völlig fassungslos...
... ohne Brot und Nachschub ist es wohl auch kaum möglich zu kämpfen. Viele haben es ja über Jahre mit unglaublichem Einsatz und großen Opfern getan. Will man, dass diese Männer als Märtyrer sterben und ihre Familien ohne Schutz vor den Taliban zurückbleiben? Wie groß wünscht man sich denn die Zerstörung der Städte, der Schulen, der Krankenhäuser? Wie viele Tote und Verletzte hätte man denn gern bei einem Häuserkampf? In einer Situation, in der es keine Chance gibt zu siegen...
...und alle mit Sicherheit umgebracht werden.
Überleben in Afghanistan brauchte immer ein immenses Maß an Pragmatismus. Ich habe erlebt, dass Väter ihre Söhne auf alle Kriegsparteien aufgeteilt haben, in der Hoffnung, dass einer bei den Siegern dabei ist und die Familie schützen kann. Die meisten Menschen hatten kaum einen realen Spielraum. Und will man ihnen den Wunsch nach Überleben tatsächlich absprechen?
Dass nichts gut ist in Afghanistan weiß die Bundesregierung seit vielen Jahren. Warum wurde einfach immer so weitergemacht?
Ich vermute es gab mehrere Gründe, die Realität nicht anerkennen zu wollen. Zunächst hätte man dafür das eingeführte Narrativ – „Wir machen da Frieden und Wiederaufbau“ – zerstören müssen. Und wollte man nicht noch bis letzte Woche Abschiebungen durchführen? Auch das wäre dann schwer zu erklären gewesen. Diese Leugnung und Realitätsverweigerung hat sich bei der Gefährdung von Mitarbeitern und Partnern vor Ort fortgesetzt. Das Drama auf dem Kabuler Flughafen ist eine der Folgen.
Bei den Ortskräften geht es meist um die Unterstützer:innen der Bundeswehr. Doch auch andere Bundesunternehmen wie die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit hatte an die tausend Ortskräfte?
Ja, es sind sehr, sehr viele und alle sind in akuter Gefahr. Aber ich habe keine genauen Zahlen. Ich weiß auch nicht, was es für meine eigenen Mitarbeiter bedeutet, die meine Forschungen unterstützt haben. Ich bin ja keine Organisation. Haben diese Menschen eine Chance, herauszukommen?
Johann Wadephuhl, Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Verteidigungsausschuss, stellte am Dienstag ungerührt fest: „Viele Ortskräfte können nicht mehr gerettet werden.“
Das ist schon seit vielen Wochen klar. Man wäre bereits vor Jahren in der moralischen Verantwortung gewesen, die Menschen herauszuholen, die sagen, dass sie sich der Lebensgefahr nicht mehr aussetzen können. Aber es gab die Doktrin, man könne in den Großstädten sicher sein. Das war schon lange nicht mehr der Fall. Alle Betroffenen wussten: Meine Familie und ich sind in Lebensgefahr. Nur wann es sie trifft war bisher nicht klar. Die Taliban hatten ja Zeit. Jetzt weiß man, dass es soweit ist. Sie können ja ungehindert und in aller Ruhe in Häuser eindringen.
Wo sehen Sie Hoffnung für die Menschen in Afghanistan?
(Seufzt) Ich habe den Eindruck, man hat das Land und die Menschen dort aufgegeben. Das lässt mich verzweifeln. Die Frage ist nur noch, ob man jetzt die Realität anerkennt.
Frederike Stahlmann ist seit 20 Jahren als Wissenschaftlerin auf Afghanistan spezialisiert und derzeit assoziierte Forscherin am Institut für Sozialanthropologie der Universität Bern. Sie ist als Sachverständige in vergangenen Jahren für Gerichte tätig gewesen. Interview: Bascha Mika
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11.08.2021 10:08
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Extreme Unfairness gegen Bündnis 90/Die Grünen - Dreckkampagne für die AFD
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Eine Recherche des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) bringt es an den Tag: Eine "AfD-nahe Firma startet Schmutzkampagne gegen die Grünen. Eine Negativkampagne rückt die Grünen mit Falschbehauptungen in die Nähe Chinas und kommunistischer Diktaturen. Auf Großplakaten in deutschen Städten wird der Partei vorgeworfen, sie stehe für eine „Ökodiktatur”.
Dahinter steckt ein AfD-nahes Unternehmen, das nicht zum ersten Mal mit zweifelhafter Werbung auffällt. Ein AfD-nahes Unternehmen hat vor der Bundestagswahl eine groß angelegte Schmutzkampagne gegen die Grünen gestartet. Auf Plakatflächen in angeblich mehr als 50 deutschen Großstädten und im Internet wird die Partei aufs Härteste angegriffen.
Auf grünem Hintergrund werden auf den Großplakaten Slogans wie „Totalitär“, „Heimatfeindlich“ oder „Ökodiktatur“ verwendet. Dazu sind in Anlehnung an das Parteilogo der Grünen verwelkte Sonnenblumen zu sehen – und der Kampagnentitel „#GrünerMist“.
Auf der zugehörigen Website wird der Klimawandel geleugnet und Klimaschutz zur „Wohlstandsvernichtung aus Größenwahn“ erklärt. Auch offenkundige Unwahrheiten über die Partei werden von der Kampagne verbreitet: In einem Video rückt der rechte Aktivist Hagen Grell die Grünen in die Nähe Chinas und kommunistischer Diktatoren wie Stalin und Pol Pot.
Falschbehauptung ohne jegliche Grundlage
Die Grünen wollten in Anlehnung an das chinesische Sozialkreditsystem ein „Klimapunkte-System“ einführen, behauptet er. Wer zu viel gereist sei oder zu viele Kinder habe, dürfe nach den angeblichen Plänen der Grünen nicht mehr reisen oder ein eigenes Auto besitzen – eine Falschbehauptung ohne jegliche Grundlage. Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin, enthüllt ein Großflächenplakat der Grünen. Damit setzten die Grünen den Startschuss für die bundesweite Plakatierung für die Bundestagswahl 2021.
Die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth wird auf der Kampagnenseite als „Antideutsche Multikulti- und Türkei-Schwärmerin“ verunglimpft, Cem Özdemir als „Karriere-Migrant der ersten Stunde“ bezeichnet. Auch auf Facebook hat die Kampagne Werbeanzeigen geschaltet. Dahinter steckt die in Hamburg registrierte Conservare Communication GmbH, die auch das AfD-nahe Onlinemagazin „Deutschland-Kurier“ herausgibt, für das fast 30 Abgeordnete und Mitarbeitende der AfD als Autorinnen und Autoren tätig sind. Der Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter des Unternehmens, David Bendels, ist auch Vorsitzender des „Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“. Bis 2018 gab dieser Verein den „Deutschland-Kurier“ heraus, im Vorfeld mehrerer Landtagswahlen und der Bundestagswahl in den Jahren 2016 und 2017 unterstützte er die AfD im Wahlkampf. So warb er in Gratiszeitungen mit dem Titel „Extrablatt“ für die Partei und buchte Plakatflächen, auf denen zur Wahl der AfD aufgerufen wurde.
Der Verein arbeitete damals mit dem Schweizer Werbeunternehmen Goal AG zusammen, das sonst insbesondere für die rechtspopulistische SVP tätig ist. Eine Wahlkampfunterstützung der Schweizer Firma für den AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen im baden-württembergischen Landtagswahlkampf 2016 wertete die Bundestagsverwaltung als illegale Parteispende. Die Partei musste fast 270.000 Euro Strafe zahlen.
Auch die Unterstützungsaktivitäten für die AfD durch Bendels’ Verein gerieten in den Verdacht der verdeckten Parteienfinanzierung. Die Nichtregierungsorganisation Lobby Control schätzte, dass diese indirekte Wahlwerbung für die AfD mehr als 6 Millionen Euro gekostet hat. Auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) erklärte Bendels, die Goal AG habe mit der aktuellen Kampagne nichts zu tun, auch sei sie nicht mit der AfD abgestimmt. In einer Pressemitteilung der Kampagne heißt es, Internetauftritt und Großplakate würden „aus Spenden von Mittelständlern und engagierten Bürgern finanziert“.
#GrünerMist steht seit Monaten in Artikeln des „Deutschland-Kuriers“
Wie viel Geld die Kampagne kostet, wie viele Spenderinnen und Spender es gibt und ob Spenden aus dem Ausland angenommen wurden, wollte Bendels nicht beantworten. Auch ob Conservare Communications – immerhin ein Wirtschaftsunternehmen und kein gemeinnütziger Verein – die Spenden selbst eingeworben hat, ließ er offen.
Mindestens durch den „Deutschland-Kurier“, dessen Chefredakteur Bendels ist, ist die Conservare Communication GmbH jedoch eng mit der AfD verbandelt. Eine ganze Reihe an Europa-, Bundestags- und Landtagsabgeordneten schreibt als Gastautorinnen und -autoren für das Onlinemagazin oder veröffentlicht da Videobeiträge. Der Kampagnen-Hashtag #GrünerMist wird dort schon seit Monaten in Artikeln verwendet, die die Grünen angreifen.
Grüne wollen nun parteiintern für eigene Plakatspenden werben
Laut Transparenzangaben des US-Netzwerks wird die Facebook-Seite des „Deutschland-Kuriers“ auch heute noch mehrheitlich von Personen in der Schweiz verwaltet. Seit April 2019 hat Bendels’ Firma allein für Facebook-Werbung mehr als 38.000 Euro ausgegeben.
Der Außenwerbekonzern Ströer, dessen Werbeflächen die Kampagne mit ihren Großplakaten nutzt, verwies auf RND-Anfrage auf sein Informationspapier zum Umgang mit Wahlwerbung: „Ströer prüft, ob der Inhalt eines Plakats sittenwidrige oder rechtlich relevante Inhalte enthält“, heißt es da. Das Unternehmen könne „jedoch keine Werbung ablehnen, die nicht gegen Gesetze oder freiwillige Selbstbeschränkungen verstößt“.
Der politische Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, sagte dem RND, die Kampagne sei ein weiteres Beispiel dafür, wie groß die Angst der Rechten vor den Grünen sei. „Davon lassen wir uns nicht irritieren, sondern kämpfen weiter intensiv für klimagerechten Wohlstand“, so Kellner. Die Partei will den Anlass nutzen, parteiintern für Plakatspenden zu werben, „um dieser verleumderischen Kampagne noch mehr Grün auf der Straße entgegenzusetzen“."
Felix Husemann für Redaktionsnetzwerk Deutschland, 11.8.2021
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04.08.2021 08:23
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Reichtumspflege kontra sozial-ökologischer Klimawandelbegleitung
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Der Chefökonom der Gewerkschaft Verdi, Dierk Hirschel, zeigt klar und deutlich, was die verkündeten Absichten von CDU/CSU sind. Sie würden die soziale Entwicklung um Jahrzehnte zurückwerfen und deutlich notwendige Schritte im Klimawandel und zugunsten der sozialen, ökologischen und demokratischen Entwicklung kosten statt ermöglichen. Er schreibt heute in der Frankfurter Rundschau: Im September stimmen die Wählerinnen und Wähler über die zukünftige Finanz- und Steuerpolitik ab. Armin Laschet und Markus Söder wollen die Wirtschaft entfesseln.
Dafür wollen sie Steuern senken und Bürokratie abbauen. Die Union verspricht in ihrem Wahlprogramm 50 Milliarden Euro schwere Steuersenkungen. Die größten Steuergeschenke sollen Spitzenverdiener und Unternehmen erhalten. So soll der Unternehmenssteuersatz auf 25 Prozent gesenkt werden.
Nach Berechnungen des DIW führt dies zu jährlichen Steuerausfällen in Höhe von etwa 17 Milliarden Euro. Der Großteil dieser Steuerersparnis – nämlich zwölf Milliarden Euro – geht an das reichste ein Prozent. Die Abschaffung des Solidaritätszuschlages für Reiche kostet weitere zehn Milliarden Euro, wovon sechs Milliarden Euro in die Kassen des reichsten ein Prozent fließen. Die geplanten Entlastungen bei der Einkommenssteuer verursachen weitere Einnahmeverluste in Höhe von 21 Milliarden Euro. Mehr als 13 Milliarden davon erhält das reichste Zehntel.
Wenn Unternehmer und Topverdiener mehr Netto vom Brutto bekommen, investieren und arbeiten sie angeblich mehr. Das so erzeugte Wachstum schafft dann Jobs und lässt die Steuerquellen sprudeln. Nach neoliberaler Lesart finanzieren sich auf diesem Weg die Steuersenkungen selbst. Diese Voodoo-Ökonomie hat in der Praxis noch nie funktioniert.
Steuersenkungen sind kein Wachstumsmittel. Firmen investieren nicht, wenn Steuersätze purzeln, sondern wenn ihre Güter und Dienstleistungen ausreichend nachgefragt werden. Folglich reißen Steuersenkungen nur Löcher in die öffentlichen Haushalte. Vor dem Hintergrund von Schuldenbremsen und schwarzer Null drohen dann Investitions- und Sozialkürzungen. Steuersenkungen hungern nur den Sozialstaat aus.
Laschets und Söders geplante Steuergeschenke würden also zu Lasten zukünftiger Investitionen und Sozialausgaben gehen. Milliardenschwere Steuerausfälle sorgen dafür, dass für Klimaschutz, Bildung, Gesundheit, öffentlichen Verkehr und Kultur zukünftig kein Geld mehr da ist. Ein Jahrzehnt der Investitionen würde es mit dieser neoliberalen Steuerpolitik nicht geben.
Nach der Bundestagswahl will die Union die Taschen der Superreichen mit Milliarden füllen. Diese konservative Reichtumspflege bezahlen Millionen abhängig Beschäftigte und ihre Kinder“. Und auch der mögliche Fortschritt in der Ökologie und Klimawandel-Anpassung (Stichwort: Flut- und Dürrevorsorge, Schutz der Biotope, Ausbau ökoverträglicherer Mobilität usw.).
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12.07.2021 12:29
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Unternehmenssteuer: Fairer und gerechter
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„Die Mehrheit der internationalen Gemeinschaft ist willens, die Steuerflucht von großen Konzernen zu beenden. Das ist eine gute Nachricht“, schreibt Andreas Schwarzkopf in der Frankfurter Rundschau am 12.7.2021. Und weiter:
„Die geplante Mindeststeuer für große Unternehmen ist ein Fortschritt, und zwar trotz der noch zu klärenden Details wie etwa den genauen Start. Am Ende wird nicht entscheidend sein, ob die globale Steuerreform bereits im Herbst oder erst im Frühjahr unter Dach und Fach ist und dann von 2023 an gilt.
Wichtiger ist, dass die überwiegende Mehrheit der internationalen Gemeinschaft mit den ökonomischen Schwergewichten von G7 und G20 willens ist, die Steuerflucht von großen Konzernen zu beenden. Die Umverteilung von Milliarden von Euro jährlich wird es vielen Staaten ermöglichen, mehr in Bildung und sozialen Ausgleich zu investieren. Dieser Schritt trägt also dazu bei, das weltweite Steuersystem ein wenig fairer und gerechter zu machen. All das macht es verschmerzbar, dass die ursprünglich anvisierte Mindeststeuer von 21 Prozent diesmal verfehlt wurde.
In den kommenden Wochen und Monaten wird es darauf ankommen, weitere Hürden aus dem Weg zu räumen. Dabei sollte es keine weiteren Ausnahmen für Wirtschaftszweige geben, wie sie bereits für die Finanzbranche ausgehandelt sind. Außerdem sollten Deutschland und die anderen EU-Staaten alles tun, um die Verweigerer Ungarn, Irland und Estland noch umzustimmen“.
Insofern: ein entscheidender Anfang ist gemacht. Jetzt kommt es auf die konsequente Umsetzung an. Und darum, sofort die von Steueranwälten und Finanzjongleure gefundenen Lücken und Nischen zu finden, die bei den Gesetzestexten und Umsetzungen entstehen. Sie sind dann sofort zu schließen und ein hoher Standard der globalen Mindeststeuer ist nachzuhalten.
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05.07.2021 06:02
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»Wir haben keine echte Demokratie mehr«
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Das sagt das Mitglied des Bundestages, Marco Bülow, im Spiegel-Interview. Er sitzt für >Die Partei< im Bundestag. Er sagt: Das parlamentarische System ist gefährlich verkrustet, Abgeordnete handeln nicht mehr frei nach ihrem Gewissen. Wie will er das ändern? Dazu das Spiegel-Interview:
>>SPIEGEL: Herr Bülow, Sie prangern als Bundestagsabgeordneter seit Jahren fehlende Transparenz in der parlamentarischen Arbeit an. Um mal mit dem Positiven anzufangen: Gibt es aus Ihrer Sicht etwas, was gut läuft im Bundestag?
Marco Bülow: Dass es überhaupt einen Bundestag gibt, ist ja nicht so selbstverständlich, wie viele das vielleicht denken. Es ist ein großes Geschenk, eine Demokratie zu haben, dass es freie Wahlen gibt, dass sich in einem Parlament Fraktionen zusammensetzen und dann – eigentlich – in einen politischen Wettstreit treten können. Ich bin froh und dankbar, dass wir in einem föderalen und parlamentarischen System leben.
Bülow: Was ich kritisiere, ist die heutige Ausprägung unseres parlamentarischen Systems. Dieses System entfernt sich von dem, was im Grundgesetz angedacht war. Und das Parlament entfernt sich von unserer Gesellschaft.
SPIEGEL: Was hat sich denn konkret verschlechtert seit Ihrem Einzug in den Bundestag vor fast 20 Jahren?
Bülow: Der Lobbyismus, speziell der Profitlobbyismus, hat überhandgenommen. Die Macht konzentriert sich auf einige wenige Akteure. Wir erleben einen enormen Machtverlust der Fraktionen gegenüber der Regierung. Böse formuliert: Eigentlich bräuchte es nur einen oder eine Fraktionsvorsitzende, der Rest der Plätze im Bundestag könnte mit Beamten besetzt werden.
SPIEGEL: Weil sie meist geschlossen im Block abstimmen?
Bülow: Die Regierungsfraktionen nicken ab, was kommt. Und die Gesetze kommen fast alle von der Regierung. Oppositionsanträge werden ohnehin nie übernommen – dabei müsste es meinem demokratischen Verständnis nach viel mehr Austausch zwischen Regierung und Opposition geben, viel mehr Zusammenarbeit und Abstimmungen über Fraktionsgrenzen hinweg. Alle Artikel zu Republik 21
Bis zur Bundestagswahl nehmen wir uns nacheinander große Fragen aus Politik und Gesellschaft vor – und laden zum Diskutieren und Mitmachen ein. Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Frage: Wie wird Deutschland gerechter?
SPIEGEL: Aber das gibt es doch auch.
Bülow: Viel zu selten kommt das vor – das letzte Mal bei der Ehe für alle. Da aber auch nur, weil die Kanzlerin die Abstimmung zur Gewissensfrage gemacht hat. Was ja schon nahezu pervers ist: dass die Kanzlerin entscheidet, was eine Gewissensfrage ist, und nicht der Abgeordnete.
SPIEGEL: Nun findet ja auch in den Fraktionen vor einer Abstimmung ein Meinungsbildungsprozess statt, an dem der einzelne Abgeordnete beteiligt ist. Die Fraktionsdisziplin sichert auch die Arbeitsfähigkeit des Parlaments.
Bülow: Es muss eine Solidarität geben, aber beidseitig und ohne Zwang. Denn derzeit ist es so: Wer sich dem Fraktionszwang widersetzt, wer allein versucht, andere Mehrheiten zu suchen, wird abgestraft – ist schnell der Außenseiter. Wegen des Zwangs auch innerhalb der Koalition und weil ja das öffentliche Bild der Geschlossenheit gewahrt werden soll, werden am Ende höchstens Nuancen an der Regierungsvorlage geändert. »Wer sich dem Fraktionszwang widersetzt, ist schnell der Außenseiter.«
SPIEGEL: Sie sind 2018 aus der SPD-Fraktion ausgetreten. Haben Sie dadurch nicht den Einfluss eingebüßt, den es braucht, um Veränderungen anzustoßen?
Bülow: Nein. In der SPD-Fraktion habe ich zunehmend gegen Windmühlen gekämpft. Ich bin sogar der Überzeugung, dass ich heute mehr Gestaltungsspielraum habe als früher. Ich habe alle Wege, die ein Abgeordneter beschreiten kann, versucht. Ich war Sprecher für Umweltpolitik, habe eigene Anträge eingebracht und versucht, Mehrheiten zu organisieren. Ich habe vor 14 Jahren auf einem Parteitag zusammen mit meinem SPD-Kollegen Frank Schwabe einen Mehrheitsbeschluss erreicht, dass sich die Partei für ein Tempolimit einsetzt. Seitdem ist das Tempolimit nicht ein einziges Mal von der SPD in Koalitionsverhandlungen hineingetragen worden. Mit anderen Worten: Was ein Parteitag beschließt, interessiert überhaupt nicht.
SPIEGEL: Und in einer Satirepartei, die selbst nicht sicher ist, ob politische Mandate ihrem Wesen widersprechen, und deren öffentliche Wahrnehmung vor allem von einem Mann, Martin Sonneborn, geprägt wird, fühlen Sie sich besser aufgehoben?
Bülow: Ja. Es ist ehrlicher und offener. Hier findet eine größere Vielfalt ihren Platz und es läuft nicht stromlinienförmig und so strukturkonservativ ab wie bei den anderen Parteien. Natürlich ist es auch spannend und nicht vorhersehbar, was passiert. Satire ist nur eine Facette, die wir brauchen, aber gegenüber der teilweise absurden und inszenierten Politik ist sie fast schon seriös. Empfohlener redaktioneller Inhalt
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SPIEGEL: Der damalige Grünenabgeordnete Gerhard Schick und Sie haben 2013 einen Transparenzkodex entworfen, dem sich nur 40 der 709 Abgeordneten im aktuellen Bundestag angeschlossen haben. Warum haben Sie nicht mehr von denen erreicht?
Bülow: Wir haben damals völlig unterschätzt, wie schwer es ist, so etwas fraktionsübergreifend zu machen. Ich habe 2019, damals noch als Parteiloser, mit der Aktion »re:claim the house« die Klimabewegung in den Bundestag geholt und dazu alle Fraktionen eingeladen. Ich habe gesagt: Ihr könnt da hinkommen und diskutieren, ohne dass ich das parteimäßig für mich ausschlachten kann. Das hat am Anfang sogar funktioniert, die Abgeordneten sind dann aber relativ schnell wieder weggeblieben.
SPIEGEL: Ihre Erklärung?
Bülow: Alles ist der Parteitaktik unterworfen. Eine Partei lässt die Finger von so etwas, wenn sie sich den Erfolg nicht auf die eigene Fahne schreiben kann. Höchstens einzelne Abgeordnete halten sich manchmal nicht daran. Wenn die dann aber sagen: »Ich will mit der Klimabewegung reden«, heißt es aus ihrer Fraktion: »Tu das, aber nicht parteiübergreifend«. Dabei war es für die Klimabewegung ja gerade spannend, fraktionsübergreifend zu reden. Aber das politische System ist zu verkrustet, um so etwas zuzulassen.
SPIEGEL: In Ihrem neuen Buch »Lobbyland« fordern Sie, dieses System zu sprengen. Wie stellen Sie sich das vor?
Bülow: Als Erstes gehört der Fraktionszwang abgeschafft. Jeder Abgeordnete bricht praktisch in jeder Sitzungswoche das Grundgesetz, weil er eben nicht wie dort vorgeschrieben seinem Gewissen, sondern dem Fraktionsvorsitzenden oder der Regierung folgt. Natürlich ist immer schwer zu fassen, wo die Gewissensfreiheit anfängt und wo sie aufhört. Aber das Problem ist so offensichtlich, Abgeordnete sagen ja oft genug frei heraus, dass sie so oder so abgestimmt haben, weil das im Koalitionsvertrag steht. Die Verfassung sieht das aber so nicht vor. Außerdem brauchen wir als dritte Säule neben Regierung und Bundestag eine Mischung aus direkter Demokratie und Bürgerräten, die ich aber mit dem Parlament verweben möchte. »Alles ist der Parteitaktik unterworfen.«
SPIEGEL: Was heißt das?
Bülow: Bürgerräte sollten nicht nur Empfehlungen abgeben, die mal wieder kaum jemanden interessieren werden. Sie sollten Vorgaben entwickeln, die dann in den Parlamenten abgestimmt werden müssen. Dies erlaubt der Bevölkerung eine direkte Einflussnahme außerhalb der Wahlen. Ich finde es unglaublich wichtig, dass die Menschen wieder denken: Ich kann mitbestimmen. Als die Volksparteien früher – ich kenne das aus meinem Wahlkreis Dortmund gut – noch viel mehr Mitglieder hatten und aktiv am Leben in den Kommunen teilgenommen haben, hat das zum Teil noch funktioniert. Inzwischen haben die Parteien in Deutschland aber mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Und die, die noch da sind, sind zu zwei Dritteln über 60.
SPIEGEL: Sie schreiben in Ihrem Buch, dass Sie sich für eine echte Demokratie einsetzen wollen. Behaupten Sie ernsthaft, dass wir in Deutschland keine echte Demokratie mehr haben?
Bülow: Ganz genau: Wir haben keine echte Demokratie mehr. Verstehen Sie mich nicht falsch: Man kann Deutschland nicht mit Ungarn oder anderen, autoritär regierten Ländern vergleichen. Aber eine echte Demokratie bedeutet für mich, dass Abgeordnete transparent arbeiten, dass sie nach ihrem Gewissen handeln und dass die Bevölkerung der wirkliche Souverän ist, sozusagen der Chef der Abgeordneten. Bei uns konzentriert sich alles auf Wahlen, die Parteien sind aber nicht mehr verwurzelt in der Gesellschaft. Wir haben genug Gegner, die die Demokratie angreifen. Sie muss verteidigt, aber auch immer wieder neu ausgefochten und weiterentwickelt werden.
SPIEGEL: Aus »Lobbyland« soll auch eine Initiative entstehen: Soll das so etwas werden wie die Bürgerbewegung Finanzwende, die ihr früherer Kollege Schick gegründet hat?
Bülow: Schöne Idee, aber so weit sind wir noch nicht. Mal sehen, was daraus wird.<<
Spiegel-Interview von Okan Bellikli vom 04.07.2021
Marco Bülow, Jahrgang 1971, ist 2018 nach 26 Jahren aus der SPD ausgetreten. Seit 2020 ist der fraktionslose Abgeordnete Mitglied der Satirepartei Die PARTEI und kandidiert im September erneut für den Bundestag. Der gebürtige Dortmunder hat seinen Wahlkreis seit seinem Einzug ins Parlament vor 19 Jahren immer direkt gewonnen. Von 2005 bis 2009 war er umweltpolitischer Sprecher und von 2009 bis 2013 stellvertretender energiepolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
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25.06.2021 10:36
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Fairness im Wahlkampf angemahnt und notwendig
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Eine Verpflichtung aller wahlkämpfenden Parteien zu Fairness im Bundestagswahlkampf hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland während des ersten digitalen Johannisempfang der EKD angemahnt.
Die Algorhytmen der Sozialen Netzwerke spülten immer öfter Hassbotschaften nach vorn, sagte Heinrich Bedford-Strohm am Mittwochabend. "Bei allen parteipolitischen Auseinandersetzungen immer wieder die Sachebene ins Zentrum zu rücken und die eigenen Positionierungen offen zu halten für einen ergebnisoffenen Diskurs, sollte deswegen das Anliegen aller politisch Agierenden sein."
Generell sprach sich der bayerische Landesbischof für eine verantwortliche Gestaltung der Digitalisierung aus. Derzeit erlebe man ein "Fehlen von ethischen und gesetzlichen Regeln, die Orientierung für den verantwortlichen Umgang mit den neuen Technologien geben", sagte Bedford-Strohm.
Die Digitalisierung habe mit einer unfassbaren Geschwindigkeit das Leben der Menschen und die Kommunikationskultur verändert. "Deswegen ist es so wichtig, dass wir eine öffentliche Diskussion um die Ethik der Digitalisierung führen, die uns helfen kann, diese Anomie zu überwinden."
KNA)
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03.05.2021 09:03
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Rückschläge für Demokratie und Grundrechte - Fairnessmangel der Politik
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Im Schatten der Pandemie stecken Grundrechte und Demokratie folgenschwere Rückschläge ein. Schreibt die FR-Redakteurin Ursula Rüssmann heute in ihrem Leitartikel „Fataler Reformstau“ in der Frankfurter Rundschau. Sie macht deutlich, wie vollmundige Versprechen seitens der Politik besonders nach akuten Vorfällen von Diskriminierung und das politische Handeln überhaupt nicht zusammenpassen. So tragen die politischen Instanzen entgegen ihren Behauptungen dazu bei, die Zivilgesellschaft auszuhungern, zu schwächen und in der Anfeindung stehen zu lassen. Für den Zusammenhalt unternehmen die politisch Verantwortlichen zu wenig bis nichts. Rüssmann schreibt: >>Es war Anfang April eher eine Randnotiz in den Medien: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hatte ihre telefonische Beratung wegen Überlastung eingestellt, schon seit Wochen. Denn die Zahl derer, die wegen Benachteiligung Hilfe suchen, hatte sich 2020, auch durch Corona, verdoppelt. Mehr Berater:innen aber bekam die Behörde nicht. Vernachlässigung von Hilfestrukturen für Diskriminierungsopfer, und niemand schaut hin?
Der Fall ist symptomatisch für die grundrechtlichen und demokratiepolitischen Rückschläge, die das Land gerade erleidet. Im Schatten der Pandemiebekämpfung baut sich riesiger Reformstau auf, werden Defizite vergessen, die längst behoben sein sollten.
Dafür gibt es viele Beispiele, aber zunächst zur ADS, die Menschen helfen soll, wenn sie wegen ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Neigung benachteiligt werden. Bei der Institution liegt auch strukturell viel im Argen. Europarat und EU-Kommission fordern schon länger, die Unabhängigkeit der nationalen Beratungsstellen müsse gestärkt werden, aber davon ist Deutschland Lichtjahre entfernt.
Neulich kamen die Probleme bei einer Anhörung im Bundestags-Familienausschuss auf den Tisch: Leitung seit 2017 (!) unbesetzt; krasse Unterfinanzierung. Schweden gibt 1,10 Euro pro Kopf für seine nationale Gleichbehandlungsstelle aus, Deutschland nur sechs Cent. Es fehlt an einem Verbandsklagerecht; die Klagefristen sind zu kurz. Und: Die ADS kann zu wenig bewegen, weil sie – anders als etwa der Bundes-Datenschutzbeauftragte – keine unabhängige Behörde ist, sondern Teil des Familienministeriums.
Dabei wäre eine Gleichbehandlungsstelle mit Schlagkraft dringend nötig, um auch institutionelle Diskriminierungen abzubauen. Das sieht man etwa beim Kampf gegen „Racial Profiling“, also gegen gezielte Polizeikontrollen von Menschen anderer Hautfarbe. Die vom Innenministerium angekündigte Polizeistudie spart das Reizthema bekanntlich aus, weil Minister Horst Seehofer es nicht will. Bei den Planungen zur Studie hat das Ministerium die ADS nicht mal konsultiert. Stimmen, die das anprangern, finden pandemiebedingt kaum Gehör.
Der Kampf gegen Rassismus stockt auch an anderer Stelle, die Einsichten, die auf den rechten Terror von Hanau und Halle folgten, scheinen fast wieder vergessen. So ist es ein dramatischer Rückschlag, dass die Union vor einigen Wochen das Wehrhafte-Demokratie-Gesetz im Kabinett blockierte.
Das Gesetz gehört zu den Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus, zu denen sich die Konservativen nach Hanau durchgerungen hatten. Es wird von zivilgesellschaftlichen Organisationen seit Jahren herbeigesehnt, damit ihre Basisarbeit gegen rechts und die Opferberatung endlich abgesichert sind und sie nicht mehr am Tropf befristeter Projektmittel hängen.
Wird es nun verwässert und verschleppt, ist der Schaden kaum zu überschauen. Auch wenn das Kabinett jetzt Mai für den Beschluss anvisiert: Viel hängt davon ab, ob die Union ihren populistischen Plan einer „Extremismusklausel“ durchsetzt, nach der alle Geförderte ein Bekenntnis zur freiheitlichen Grundordnung ablegen sollen. Das stellt die Initiativen gegen rechts unter Generalverdacht, und es würde zum Einfallstor für die Ausgrenzung linker Projekte. Die Chancen schwinden, dass das Gesetz vor der Wahl kommt. Für die Angehörigen der Opfer rechten Terrors ist das ein weiterer Schlag ins Gesicht. Auf die traurige Liste gehört übrigens auch die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts vom Winter. Zwar gehen jetzt auch Klimaschutz und einiges andere als gemeinnützige Vereinszwecke durch, aber das Parlament hat sich geweigert, auch politisches Engagement für gemeinnützige Ziele abzusichern. Für Dorfverschönerung kann man künftig steuerbegünstigt spenden, aber nicht für eine Bürgerinitiative, die sich in die Wohnungsbauplanung einmischt. Damit agieren viele Organisationen weiter am Rand der Existenzbedrohung, ihre Kräfte werden (siehe Attac) teils jahrelang gebunden durch Konflikte mit Finanzbehörden.
Es gäbe weitere Beispiele. Allen gemeinsam ist: Stillstand und Rückschritt treffen uns alle, nicht nur ein paar Aktivist:innen und Gruppen. Die Reformverweigerung lähmt eben die, die für sozialen Ausgleich, Chancengleichheit, Minderheitenrechte eintreten. Diejenigen also, die täglich für die Demokratie arbeiten.
Ihnen kommt eine wichtige Rolle zu – erst recht nach der Pandemie, angesichts der sich schon abzeichnenden gesellschaftlichen und ökonomischen Spaltungen und Verteilungskämpfe. Ohne eine starke und hörbare Zivilgesellschaft wird der angeknackste innere Zusammenhalt in diesem Land nur schwer zu erhalten sein“.
Es mangelt der Spitzenpolitik an hartnäckigem, zugesagtem und wirksamem Einsatz für gesellschaftliche Fairness.
"Wie steht es um Ihre Fairness-Kompetenz?"
"Fataler Reformstau"
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03.04.2021 08:13
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Gesetz gegen Hass und Hetze in Kraft - Bestimmungen im Einzelnen
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Heute tritt das Gesetz gegen Hass und Hetze in Kraft. Es enthält
1. Erweiterungen und Verschärfungen des Strafgesetzbuchs
- Bedrohung (§ 241 StGB): Bislang war nach § 241 StGB nur die Bedrohung mit einem Verbrechen – wie die Morddrohung – strafbar. Jetzt sind auch Drohungen mit Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen Sachen von bedeutendem Wert (wie die Drohung, ein Auto anzuzünden), die sich gegen die Betroffenen oder ihnen nahestehende Personen richten, mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe strafbar. Wird die Tat im Internet oder auf andere Weise öffentlich begangen, drohen bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe. Der Strafrahmen für die Bedrohung mit einem Verbrechen wurde auf ebenfalls bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe angehoben, wenn diese nicht öffentlich erfolgt. Bei einer öffentlichen Drohung mit einem Verbrechen können bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe verhängt werden. Das gilt etwa für Mord- und Vergewaltigungsdrohungen im Internet.
- Beleidigung (§ 185 StGB): Öffentliche Beleidigungen sind laut und aggressiv. Für Betroffene können sie enorm belastend wirken. Wer öffentlich im Netz Menschen beleidigt, kann jetzt mit bis zu zwei statt mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden.
- Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens (§ 188 StGB): Der besondere Schutz des § 188 StGB vor Verleumdungen und übler Nachrede gilt jetzt ausdrücklich auf allen politischen Ebenen, also auch für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker. Zudem wurde der Straftatbestand auch auf den Schutz vor Beleidigungen ausgedehnt.
- Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB): Ab jetzt ist auch die Billigung noch nicht begangener schwerer Taten erfasst, wenn diese geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Dies richtet sich gegen Versuche, ein Klima der Angst zu schaffen. Das öffentliche Befürworten der Äußerung, jemand gehöre „an die Wand gestellt“ ist ein Beispiel für die nun bestehende Strafbarkeit.
- Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB): Hier ist nun neben den bereits erfassten Straftaten auch die Androhung einer gefährlichen Körperverletzung und von schweren Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung umfasst.
- Antisemitische Tatmotive werden nun ausdrücklich als strafschärfende Beweggründe genannt (§ 46 Abs. 2 StGB).
- Schutz von Notdiensten (§ 115 StGB): Mancherorts ist es Alltag, dass Rettungskräfte und medizinisches Personal attackiert werden. Rettungskräfte im Einsatz sind bereits 2017 strafrechtlich besser vor Attacken geschützt worden. Dieser Schutz wurde nun auf Personal in ärztlichen Notdiensten und in Notaufnahmen ausgedehnt.
2. Pflicht sozialer Netzwerke zur Meldung von Hasspostings an das Bundeskriminalamt
Soziale Netzwerke werden strafbare Postings künftig nicht mehr nur löschen, sondern in bestimmten schweren Fällen auch dem Bundeskriminalamt (BKA) melden müssen, damit die strafrechtliche Verfolgung ermöglicht wird. Diese Meldepflicht wird ab dem 1. Februar 2022 gelten, um dem BKA, den Staatsanwaltschaften und den Netzwerkanbietern ausreichend Vorbereitungszeit zu geben. Um Täter und Täterinnen schnell identifizieren zu können, müssen soziale Netzwerke dem BKA dann neben dem Hassposting auch die IP-Adresse und Port-Nummer, die dem Nutzerprofil zuletzt zugeteilt war, mitteilen. Die Meldepflicht wird folgende Straftaten umfassen:
- Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86a StGB)
- Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§§ 89a, 91 StGB) sowie Bildung und Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen (§§ 129 bis 129b StGB)
- Volksverhetzungen und Gewaltdarstellungen (§§ 130, 131 StGB) sowie Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB)
- Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB)
- Bedrohungen mit Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit (§ 241 StGB)
- Verbreitung kinderpornografischer Aufnahmen (§ 184b StGB)
Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung sind nicht von der Meldepflicht umfasst, da die Abgrenzung zu von der Meinungsfreiheit umfassten Aussagen hier im Einzelfall schwierig sein kann. Soziale Netzwerke müssen allerdings künftig Nutzerinnen und Nutzer darüber informieren, wie und wo sie Strafanzeige und erforderlichenfalls Strafantrag stellen können.
3. Erleichterte Auskunftssperren im Melderecht
Ab jetzt können von Bedrohungen, Beleidigungen und unbefugten Nachstellungen Betroffene leichter eine Auskunftssperre im Melderegister eintragen lassen. So sind sie davor geschützt, dass ihre Adressen weitergegeben werden. Dazu wurde § 51 des Bundesmeldegesetzes geändert. Die Meldebehörden müssen künftig berücksichtigen, ob die betroffene Person einem Personenkreis angehört, der sich aufgrund beruflicher oder ehrenamtlicher Tätigkeiten in verstärktem Maße Anfeindungen oder Angriffen ausgesetzt sieht. Bei einer melderechtlichen Auskunftssperre wird (wie bisher) bei Kandidatinnen und Kandidaten auf Wahllisten nicht mehr die Wohnanschrift angegeben.
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15.03.2021 12:31
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Holz aus Namibia in Hamburg verfeuern - wie irrwitzig ist das denn?
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ROBIN WOOD-Aktivist*innen demonstrieren vor dem Heizkraftwerk Tiefstack in Hamburg gegen dessen Umrüstung von Kohle- auf Holzverbrennung
ROBIN WOOD-Aktivist*innen haben heute mit Bannern und Rauch vor dem Heizkraftwerk Tiefstack in Hamburg protestiert. Der Grund: Die Hamburger Umweltbehörde prüft zurzeit, im Kraftwerk Tiefstack – statt Kohle – Holz aus Namibia zu verheizen. Das Projekt ist international eines der ersten Vorhaben, für das in industriellem Maßstab Holz aus Afrika zur Energiegewinnung in eine EU-Land geliefert werden soll. Aus Sicht von ROBIN WOOD und rund 40 weiteren umwelt- und Entwicklungsgruppen wäre dies eine krasse Fehlentscheidung, die dem Ziel einer klimafreundlichen, sozial gerechten Energieversorgung zuwider liefe.
Die Welt steckt mitten in der Klimakrise. Auch Hamburg muss seinen CO2-Ausstoß drastisch senken. Da will es sich die Stadt zunutze machen, dass die Bundesregierung im Zuge des Kohleausstiegs die Energiegewinnung aus Biomasse als vermeintlich erneuerbare Energie fördert. Hamburg stünde dadurch auf dem Papier bei seiner Klimabilanz besser da, obwohl das industrielle Verfeuern von Holz Klima und Artenvielfalt massiv schadet. In Namibia hingegen würden die Treibhausgasemissionen negativ zu Buche schlagen. Sie entstünden etwa durch eine Nutzung der abgeholzten Flächen für die Rinderhaltung, bei der Produktion von Pellets bzw. Holzhackschnitzeln sowie beim Transport des Holzes.
„Wenn wir für warme Wohnzimmer hier in Hamburg die Ökosysteme Namibias verheizen, ist das klimaschädlich, gefährdet die Artenvielfalt und ist unfair. Hamburg stellt das Projekt als Hilfe für Namibia dar. Dabei sollen mal wieder Ressourcen des Globalen Südens ausgebeutet werden, um den unersättlichen Rohstoffhunger von reichen Industrieländern im Norden zu stillen. Hat Hamburg nichts aus seiner grausamen Kolonialgeschichte gelernt?“, fragt Ute Bertrand von ROBIN WOOD.
ROBIN WOOD hat mit vielen anderen Akteur*innen in Hamburg den Volksentscheid für den Rückkauf der Energienetze erstritten. Seitdem ist die Stadt verpflichtet, für eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien zu sorgen. Das Verfeuern von Holz aus Namibia widerspricht diesem Ziel.
ROBIN WOOD fordert den Hamburger Umweltsenator auf, die Energiewende entschlossen voranzutreiben und der Umrüstung des Kraftwerks Tiefstack auf Holzverbrennung jetzt eine klare Absage zu erteilen. Das hätte auch Signalwirkung für ähnliche Projekte in anderen Städten.
"Robin Wood mit weiterführenden Informationen"
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04.03.2021 09:31
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Wie der Staat öffentliche Gelder in die zerstörerische Tierwirtschaft leitet
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Subventionen für Tierfabriken und Futteranbau, Sozial- und Beratungsleistungen für Tierhalter*innen oder reduzierte Mehrwertsteuer auf Fleisch, Milch und Eier: Der Staat unterstützt die Tierwirtschaft und den Absatz tierbasierter Produkte auf vielfältige Weise.
Die neue Studie von >>gemeinsam-gegen-die-tierindustrie<< fasst zum ersten Mal zahlreiche Fördermaßnahmen zusammen. Die intransparente Datenlage lässt nur bei einem Teil der Posten eine Quantifizierung zu. Aber schon dabei kommen wir auf über 13 Milliarden Euro im Jahr. Diese gigantische Summe aus öffentlichem Geld fließt maßgeblich in Tierfabriken, die die Klimakrise anheizen, Menschen ausbeuten, enormes Tierleid verursachen und unser aller Gesundheit gefährden. Hinzu kommen viele weitere Fördermaßnahmen, für die wir keine Beträge schätzen können, die wir aber in der Studie beschreiben.
Im Bewertungsteil finden sich die fatalen Auswirkungen der Tierindustrie im Hinblick auf Menschen, Tiere, Gesundheit, Umwelt und Klima dar und liefern vor diesem Hintergrund eine Kritik an der aktuellen Förderungspolitik.
Davon ausgehend fordert >>gemeinsam-gegen-die-tierindustrie<< den Ausstieg aus der Tierindustrie und damit eine umfassende Transformation von Landwirtschaft und Ernährung.
"Zur Studie 'Milliarden für die Tierindustrie' - als Lang- und Kurzfassung einzusehen"
"Was die Organisation 'gemeinsam gegen die tierindustrie' will
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10.12.2020 10:53
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Wie der Klimawandel zu mehr Hunger führt - weil die reichen Länder unfair agieren
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Der Klimawandel verschärft den weltweiten Hunger. Der jüngste Bericht des Un-Wissen-schaftsrat zum Klimawandel warnt davor, dass die Auswirkungen des Klimawandels weltweit die Ernährungssicherheit weiter untergraben, bestehende Armutsfallen zementieren und neue schaffen werden.
Die Nothilfe- und Entwicklungsorganisationen Oxfam greift das auf:
Auf der einen Seite wirken schleichende Prozesse wie steigende Temperaturen, verstärkte Trockenheit und abnehmende Regenmengen. Sie verringern die Ernteer-träge, erschweren insgesamt die Land-wirtschaft und machen sie in manchen Regionen sogar unmöglich, etwa weil geeignete Flächen verloren gehen (z.B. durch Austrocknung oder Erosion). Auf der anderen Seite ist vermehrt mit Extremwet-terereignissen wie sintflutartigen Regenfällen, Überschwemmungen und Stürmen zu rechnen, die Felder und Ernten komplett vernichten, den Viehbestand dezimieren oder Fischerboote und andere Produktionsmittel zerstören. Auch der steigende Meeresspiegel zwingt schon heute immer wieder Menschen zur Aufgabe von Anbauflächen in Küstennähe. Indirekt wird die Ernährungssicherheit zusätzlich beeinträchtigt, weil sinkende Erträge die lokalen und globalen Preise steigen lassen und dies Menschen mit geringem Einkom-men in existenzielle nöte bringt.
Mehr dazu mit weiteren Aspekten und wichtigen Hinweisen für eine zukunftsfähigere Politik finden Sie auf
"Mehr zum Zusammenhang von Klimaschwandel, Klimaschutz, Hunger, soziale Ungleichheit und soziale Sicherung" In der linken Spalte dort ein mit Grafiken belegter Report als PDF zum Runterladen.
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01.12.2020 07:52
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CDU/CSU verschleppt den Rechtsschutz für Whistleblower - Verfassungsklage droht
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Die EU will Whistleblower besser schützen, doch die Bundesregierung zögert. Nun droht der Bürgerrechtler Malte Spitz mit Verfassungsklagen. Heinrich Wefing von der ZEIT interviewte Malte Spitz, den Generalssekretär der NGO „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ und Mitglied im Parteirat der Grünen:
DIE ZEIT: Whistleblower berichten aus ihrem Unternehmen oder einer Behörde über Skandale – und helfen so bei der Aufdeckung von Straftaten. Werden diese Informanten in Deutschland ausreichend geschützt?
Malte Spitz: Absolut nicht. Whistleblower müssen regelmäßig mit Strafverfolgung rechnen oder mit massiven Konsequenzen am Arbeitsplatz – mit Versetzung, Mobbing oder fristloser Kündigung. Manchen droht das berufliche Aus. Und der Gesetzgeber lässt die Whistleblower im Stich: Immer muss der einzelne Informant sich gegen mögliche Konsequenzen verteidigen. Mangels einer Beweislastumkehr, wie es sie zum Beispiel im Antidiskriminierungsrecht gibt, können Arbeitgeber Whistleblower leicht mit vorgeschobenen Gründen loswerden. Das schreckt viele potenzielle Whistleblower ab. Und es verhindert, dass Fehlverhalten öffentlich wird. Dabei sind staatliche Stellen und die Öffentlichkeit darauf angewiesen, dass Menschen auch im Alltag mithelfen, Missstände aufzudecken.
ZEIT: Der berühmteste Whistleblower der Welt ist wohl Edward Snowden, der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter, der den NSA-Skandal aufgedeckt hat. Jemand wie er müsste in Deutschland mit Strafverfolgung rechnen?
Spitz: Ja, das wäre auch bei uns eine riskante Aktion. Im Prinzip muss ein Geheimdienstmitarbeiter, der einen vermeintlichen Skandal sieht, sich erst mal an seinen Vorgesetzten wenden, in letzter Instanz an den zuständigen Minister, bei einem BND-Mitarbeiter wäre das der Kanzleramtschef. Und erst wenn da gar nichts passiert, könnte er an die Öffentlichkeit gehen, müsste aber damit rechnen, wegen Geheimnisverrats angeklagt zu werden. Aber das gilt nicht nur für Menschen wie Snowden. Auch im Alltag gibt es in Deutschland Whistleblower. Zuletzt zum Beispiel eine Küchenhilfe, die ein Video aus der Kantine des Fleischfabrikanten Tönnies geleakt hat, das zeigte, dass dort Hygiene-Abstände nicht eingehalten wurden.
ZEIT: Nun hat die EU allerdings im vergangenen Jahr den Schutz von Whistleblowern verbessert.
Spitz: Das stimmt, und das ist ein Schritt in die richtige Richtung, es gibt besseren Schutz vor Kündigung oder anderen Repressionen.
ZEIT: Umgekehrt könnte man sagen, dass dadurch zum Denunziantentum eingeladen wird.
Spitz: Das ist in der Richtlinie klar geregelt: Wer leichtfertig unwahre Anschuldigungen meldet, der ist vom Schutz ausgenommen. Aber die EU-Richtlinie muss jetzt erst mal in deutsches Recht umgesetzt werden, und da ist die Bundesregierung viel zu zögerlich. Aktuell würgt die Bundesregierung Zivilcourage ab, statt sie zu fördern.
ZEIT: Inwiefern?
Spitz: Die EU kann nur solche Whistleblower schützen, die Verstöße gegen europäisches Recht aufdecken helfen. Also zum Beispiel den Missbrauch von EU-Subventionen. Diese Richtlinie muss die Bundesregierung umsetzen, dazu ist sie verpflichtet. Aber bei dieser Minimalvariante wollen es dann auch Teile der Bundesregierung belassen. Whistleblower, die Verstöße gegen deutsches Recht anprangern, blieben dann weiter ungeschützt. Das ist aus unserer Sicht völlig absurd: Häufig kann ein Beamter oder eine Angestellte eines Unternehmens ja gar nicht abschätzen, ob mit europäischem Geld oder mit Bundesgeld Subventionsbetrug begangen wird. Das müsste er oder sie erst genau prüfen, ehe er oder sie einen Verstoß an staatliche Behörden, zum Beispiel die Staatsanwaltschaft, meldet. Das ist völlig lebensfremd, und außerdem halten wir es für eine Ungleichbehandlung, die gegen das Grundgesetz verstößt. Ich würde mir auf Grundlage der europäischen Richtlinie ein allgemeines Schutzgesetz für Whistleblower wünschen.
ZEIT: Was hindert die Bundesregierung daran, aus Ihrer Sicht?
Spitz: Die große Koalition ist da einfach zerstritten, die SPD will mehr Schutz, die Union ist dagegen: Das Justizministerium hat Anfang 2020 für ein weitreichendes Gesetz plädiert, das Haus von Wirtschaftsminister Peter Altmaier widersprach. Setzen sich CDU/CSU durch, könnte das Kabinett deshalb demnächst eine aus unserer Sicht verfassungswidrige Minimalumsetzung beschließen. Es wäre aber auch ein Problem für die betroffenen Unternehmen, denn die müssten mal strenges EU-Whistleblower-Recht anwenden, mal nationales Recht, ein irrer Aufwand.
ZEIT: Wenn es so kommt, würden Sie vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe klagen?
Spitz: Ich hoffe, dass die Bundesregierung doch noch einen echten, umfassenden Whistleblower-Schutz etabliert. Wenn nicht, würde die "Gesellschaft für Freiheitsrechte" gemeinsam mit betroffenen Whistleblowern relativ zügig versuchen, Klagen vorzubereiten. Da rechnen wir uns gute Chancen aus. Es würde aber vermutlich Jahre dauern, und in dieser Zeit bliebe es bei der schwer erträglichen Rechtsunsicherheit für Whistleblower.
26. November 2020, DIE ZEIT Nr. 49/2020
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18.11.2020 12:10
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Kein Export von verbotenen Pestiziden - keine Unfairness beim Pestizideinsatz
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„Was für Europäer zu giftig ist, darf auch nicht in andere Länder verkauft werden. Das Geschäft belastet Mensch und Umwelt“. So Uwe Kekeritz in der Frankfurter Rundschau am 15.11.2020. Und weiterhin schreibt er:
„Der globale Handel mit Pestiziden ist ein Milliardengeschäft. Dabei hat der Einsatz der Ackergifte verheerende Folgen. Weltweit kommt es jährlich zu über 40 Millionen Pestizidvergiftungen, von denen bis zu 40 000 tödlich enden. Neben akuten Vergiftungserscheinungen gibt es eine Vielzahl von langfristigen Schäden wie ein erhöhtes Auftreten von Krebs, chronischen Krankheiten, schweren Nierenerkrankungen oder Fehlbildungen im Mutterleib. Hinzu kommen fatale Auswirkungen auf Artenvielfalt und Umwelt, wie etwa das Bienensterben oder die Belastung von Wasser und Böden.
Aus diesem Grund ist eine Reihe von Produkten und Wirkstoffen in der Europäischen Union (EU) verboten oder nicht zugelassen. Dennoch dürfen diese Pestizide von europäischen Unternehmen weiterhin in andere Länder exportiert werden. So gehen etwa 60 Prozent dieser hochgiftigen Stoffe in Entwicklungs- und Schwellenländer. Dabei gehören deutsche Unternehmen wie Bayer und BASF zu den größten Exporteuren.
Es gibt weder eine wissenschaftliche noch eine moralische Rechtfertigung für diesen Doppelstandard. Es ist schlicht verantwortungslos, Produkte, die bei uns als zu gefährlich für Mensch und Umwelt eingestuft werden, in andere Länder zu exportieren, nur weil sie schwächere Umweltgesetze und weniger Arbeitsschutz haben. Wenn etwas für uns zu giftig ist, ist es das im globalen Süden auch. Da gibt es nichts zu diskutieren. Hinzu kommt, dass diese Pestizide als Rückstände auf Obst und Gemüse teilweise auch wieder zu uns zurückkommen.
Das Gute ist: Es verändert sich etwas. Die Zivilgesellschaft macht schon seit Jahren auf diese Missstände aufmerksam. In den letzten Monaten sind etliche Studien mit neuen Erkenntnissen zum Ausmaß und den Auswirkungen dieser Exporte erschienen. Aktuell läuft in Deutschland eine Kampagne, die durch ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen getragen wird.
ndere Länder sind weiter als Deutschland, und auch auf EU-Ebene gibt es Fortschritte. Frankreich hat schon seit zwei Jahren den Export solcher Pestizide gesetzlich verboten. In der Schweiz gilt von 2021 an ein Exportverbot für fünf besonders gefährliche Wirkstoffe. Das dort ansässige Unternehmen Syngenta ist Weltmarktführer für chemische Pflanzenschutzmittel. Die im Oktober veröffentlichte EU-Chemikalienstrategie bekennt sich zu einem Produktions- und Exportstopp verbotener Pestizide und will dass dieser EU-weit umgesetzt wird.
Als Grünen-Bundestagsfraktion haben wir mit der Linken-Fraktion nun einen Antrag eingebracht, in dem wir ein Exportverbot für in der Europäischen Union verbotene oder nicht zugelassene Pestizide fordern. Die gesetzliche Grundlage dafür existiert in Deutschland bereits.
Das Pflanzenschutzgesetz sieht vor, dass das Landwirtschaftsministerium zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit von Menschen und Umwelt die Ausfuhr von bestimmten Pestiziden in Staaten außerhalb der EU untersagen kann. Die Bundesregierung müsste also nicht einmal ein neues Gesetz erlassen, sondern nur die bestehenden anwenden. Das zeigt, dass es nicht um juristische Probleme geht, sondern um mangelnden politischen Willen.
Zudem muss der Umgang mit Pestiziden auf internationaler Ebene besser reguliert werden. Es gibt bereits internationale Leitlinien und Abkommen, die aber häufig nicht verbindlich sind oder nur eine geringe Anzahl von gefährlichen Inhaltstoffen betreffen.Diese Abkommen müssen gestärkt und ausgeweitet werden. Dafür ist es wichtig, dass Deutschland und die anderen EU-Staaten mit gutem Beispiel vorangehen, um internationale Verhandlungen glaubwürdig voranbringen zu können.
Um den weltweiten Pestizideinsatz zu verringern, müssen wir an ökologisch und sozial sinnvollen Alternativen arbeiten. Dazu zählt die agrarökologische Forschung, die Züchtung und der freie Tausch von geeignetem Saatgut statt patentierter und häufig genmanipulierter Sorten, aber auch ein gerechteres Welthandelssystem, das die regionale Produktion und Vermarktung fördert und die Abhängigkeit kleiner Produzenten vom Weltmarkt verringert. Erfolgreiche Beispiele gibt es schon viele, man muss ihnen nur mehr Gehör verschaffen und sie verstärkt fördern. Sowohl in der Landwirtschaft als auch in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist hier noch viel Luft nach oben.
Uwe Kekeritz ist Sprecher für Entwicklungspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion und stellvertretender Vorsitzender im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Bundestags.
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07.08.2020 08:16
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Lobbycontrol kritisiert Einstellung des Prüfverfahrens gegen Philipp Amthor
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Wegen seines Engagements für das US-Unternehmen Augustus Intelligence war der CDU-Politiker Philipp Amthor in die Kritik geraten. Der Bundestag hat nun das Prüfverfahren gegen ihn eingestellt. Die Organisation Lobbycontrol findet: Die Regelungen, die Interessenkonflikte von Abgeordneten ausschließen sollen, sind zu schwach.
Der Bundestag sieht beim Engagement des CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor für ein New Yorker Start-up keine Rechtsverstöße. “Die erfolgte Prüfung auf Verstöße gegen die Verhaltensregeln ist abgeschlossen, auf Grundlage der geltenden Bestimmungen haben sich keine Hinweise auf Rechtsverstöße ergeben”, sagte eine Sprecherin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Amthor sagte am Donnerstag auf Nachfrage der Nachrichtenagentur dpa: “Meine beendeten Nebentätigkeiten habe ich einschließlich aller Reisen mit der Bundestagsverwaltung als zuständiger Stelle erörtert. Sie hat den Sachverhalt umfangreich geprüft und mir im Ergebnis mitgeteilt, dass sich auf der Grundlage der geltenden Bestimmungen keine Rechtsverstöße ergeben haben. Das Prüfverfahren wurde eingestellt.”
Amthor war wegen seiner Nebentätigkeit und Lobbyarbeit für das US-amerikanische IT-Unternehmen Augustus Intelligence in die Kritik geraten. Er habe die Zusammenarbeit inzwischen beendet. Seine Kandidatur für den CDU-Vorsitz in Mecklenburg-Vorpommern zog er zurück.
Berliner Staatsanwaltschaft sah keinen Anfangsverdacht der Bestechlichkeit
Der 27-jährige CDU-Politiker erklärte nun: "Jenseits des Juristischen gilt aber auch: Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist auch politisch klug. Dass mir das nicht früher bewusster war, bedauere ich sehr." Auch die Berliner Staatsanwaltschaft sah in dem Engagement keinen Anfangsverdacht einer Bestechlichkeit oder Bestechung. Es lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Amthor verbotene Zuwendungen erhalten habe, hieß es im Juli in einer Mitteilung. Amthor habe lediglich seinen Kontakt zum Bundeswirtschaftsministerium genutzt mit dem Ziel der Unterstützung des Unternehmens.
LobbyControl fordert strengere Transparenzregeln
Die Organisation LobbyControl sieht den Fall jedoch noch nicht als erledigt an. Sie fordert strengere Transparenzregeln im Bundestag. “Der Fall Amthor zeigt klar, dass die Regeln des Bundestags nicht ausreichen, um mit Interessekonflikten von Abgeordneten ordentlich umzugehen”, sagte LobbyControl-Sprecher Timo Lange dem RND. “Private Tätigkeiten, die auch der Gewinnmaximierung dienen können, und Abgeordnetenrolle werden nicht klar genug getrennt. Die Regeln sind schwammig und haben Lücken. Das Parlament sollte dies schärfer regulieren.”
Es müsse vom Bundestag klar gestellt werden, “dass das Abgeordnetenmandat nicht genutzt werden darf, um wirtschaftliche Vorteile zu erlangen”, sagte Lange weiter. “Nebentätigkeiten oder andere Verbindungen, die im Umgang mit politischen Entscheidungen Befangenheit auslösen können, müssen sichtbarer gemacht werden. Auch Aktienoptionen müssen offengelegt werden.”
Auch im Fall Amthor blieben noch viele Fragen offen. “Es wurden zwar rechtlich keine Verstöße festgestellt. Philipp Amthors Verhalten bleibt aber dennoch fragwürdig”, sagte Lange. “Um Zweifel zu zerstreuen, sollte er unter anderem öffentlich darlegen, von welchem Zeitpunkt an er mit Augustus Intelligence über Aktienoptionen und einen Direktorenposten gesprochen hat. Sollte Amthor seine Tätigkeit bei einer Anwaltsfirma wiederaufnehmen, sollte er über die Art seiner Mandate dort Auskunft geben.”
Von RND/vat/dpa
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16.07.2020 09:33
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Schritte auf dem Weg zu fairem Internet: Europäischer Gerichtshof kippt umstrittenes "Privacy Shield"
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Firmen übertragen Nutzerdaten in die USA. Ohne Rückfrage bei den Nutzern, ohne Einverständniserklärung. Dürfen Firmen wie Facebook das - Nutzerdaten in die USA übertragen? Diese Frage beschäftigte den Europäischen Gerichtshof. Denn das entspricht weder der EU-Datenschutzgrundverordnung noch einem fairen, transparenten Umgang mit Nutzerdaten. Diese Daten sind ja zugleich Waren, mit denen viel Geld erwirtschaftet werden. Nun wurde ein wichtiger transatlantischer Datenpakt für ungültig erklärt. Spiegel Online schreibt dazu heute:
"Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Datenschutzvereinbarung "Privacy Shield" gekippt, die die USA und die EU getroffen haben. Der "Privacy Shield" legt Standards für den Umgang mit europäischen Informationen in den USA fest.
Das Verfahren war aus einem Rechtsstreit des österreichischen Juristen und Aktivisten Max Schrems mit Facebook entstanden.
Das grundsätzliche Ende von Datentransfers in die USA bedeutet das EuGH-Urteil bei Weitem nicht. Unternehmen können Nutzerdaten von EU-Bürgern weiter auf Basis sogenannter Standardvertragsklauseln in die USA und andere Staaten übertragen, entschieden die Luxemburger Richter am Donnerstag. Zugleich wurde aber auch betont, dass Datenschutzbehörden verpflichtet seien, Übermittlungen von Daten auszusetzen oder zu verbieten, wenn sie der Auffassung sind, dass die Standardvertragsklauseln im Empfängerland praktisch nicht eingehalten werden oder nicht eingehalten werden können. Es geht um die Macht der US-Geheimdienste
Das Urteil geht aus einem jahrelangen Rechtsstreit um den Umgang mit personenbezogenen Daten hervor. Max Schrems hatte bei der irischen Datenschutzbehörde ursprünglich beanstandet, dass Facebook Irland seine Daten an den Mutterkonzern in den USA weiterleitet, obwohl diese Daten dort nicht angemessen gegen US-Überwachungsprogramme gesichert seien. Er begründet das damit, dass Facebook in den USA dazu verpflichtet sei, US-Behörden wie der NSA und dem FBI Zugang zu den Daten zu gewähren - ohne dass Betroffene dagegen vorgehen können. Der irische High Court rief angesichts jenes Streits schließlich den EuGH an und wollte wissen, ob die angewandten Regeln mit dem europäischen Datenschutzniveau vereinbar sind.
Die Luxemburger Richter erklärten den "Privacy Shield" nun für ungültig. Mit Blick auf die Zugriffsmöglichkeiten der US-Behörden seien die Anforderungen an den Datenschutz nicht gewährleistet. Zudem sei der Rechtsschutz für Betroffene unzureichend.
Die sogenannten Standardvertragsklauseln sollen im Kern Garantien dafür bieten, dass die Daten von EU-Bürgern auch bei einer Übermittlung aus der EU ins Ausland angemessen geschützt sind. Der "Privacy Shield" ist ein weiterer Kanal, der für den Datentransfer in die USA zur Verfügung steht.
Schrems gibt sich zufrieden
Max Schrems sagte am Donnerstagvormittag, er sei "sehr froh" über die Entscheidung des Gerichtshofs. Sie sei ein absoluter Rückschlag für Facebook und die irische Datenschutzbehörde. Es sei klar, dass die USA ihre Überwachungsgesetze ernsthaft ändern müssten, wenn US-Unternehmen weiterhin eine Rolle auf dem EU-Markt spielen wollten.
Durch eine Klage von Schrems war 2015 bereits das transnationale Safe-Harbor-Abkommen zwischen den USA und der EU für ungültig erklärt worden. Der "Privacy Shield" war als Nachfolgeregelung für das Safe-Harbor-Abkommen ausgehandelt worden und war von Anfang an umstritten. Facebook beruft sich bei der Übertragung der Daten von Europa in die USA nicht auf den "Privacy Shield", sondern auf die Standardvertragsklauseln".
Der Spiegel am 16.07.2020 mit den Agenturen mbö/dpa/AFP
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07.07.2020 08:31
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110 Bischöfe fordern Lieferkettengesetz gegen Ausbeutung
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Katholische Bischöfe aus aller Welt haben an die Regierungen appelliert, Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu verpflichten. "Wir erwarten auch von der deutschen Bundesregierung, dass sie in dieser Legislaturperiode das im Koalitionsvertrag vorgesehene Lieferkettengesetz verabschiedet", erklärte am Montag Freiburgs Erzbischof Stephan Burger, der die Kommission für Entwicklungsfragen der deutschen Bischofskonferenz leitet. Burger hat eine entsprechende Erklärung von mehr als 110 katholischen Bischöfen aus 31 Ländern unterschrieben, so die Erzdiözese.
Ziel eines Lieferkettengesetzes ist vor allem, ausbeuterische Arbeitsbedingungen bei Zulieferern im Ausland zu verhindern. "Wenn Unternehmen zur Verschmutzung von Böden, Luft und Grundwasser, zu Menschenrechtsverletzungen oder Kinderarbeit beitragen, müssen sie dafür zur Verantwortung gezogen werden. Betroffenen muss der Zugang zu wirksamen Rechtsmitteln erleichtert werden", fügte Erzbischof Burger hinzu.
Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor (Aachen), erinnerte Unternehmen an ihre Verantwortung gegenüber Textilarbeiterinnen in Bangladesch, Kakaopflückern in Westafrika oder indigenen Gemeinschaften in Brasilien. Die Corona-Krise habe gezeigt, wie verwundbar gerade die Beschäftigten am Beginn internationaler Lieferketten seien.
Die Bischöfe aus Afrika, Lateinamerika, Asien und Europa heben in der Erklärung hervor, dass die Achtung von Menschenrechten und Umweltschutz nicht länger dem freiwilligen Ermessen von Privatunternehmen überlassen bleiben dürfe. Deshalb unterstützen sie die angekündigte EU-Initiative für verbindliche menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten.
epd lbw/cez jup
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30.04.2020 11:13
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Tag der Arbeit: Whistleblower von Bundesregierung im Stich gelassen
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Am Tag der Arbeit fordern das Whistleblower-Netzwerk und Transparency Deutschland, mit denen wir kooperieren, Hinweisgeber am Arbeitsplatz besser zu schützen
Whistleblower-Netzwerk und die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland fordern das umfassende Gesetz zum Hinweisgeberschutz auf Basis der vorliegenden Richtlinie der Europäischen Union (EU 2019/1937). Die neue Gesetzgebung sollte zwingend auch rein deutsche Rechtsbereiche berücksichtigen, um in Zukunft alle Hinweisgeber gleichermaßen sinnvoll schützen zu können.
Bei der Aufdeckung von Korruptionsfällen und anderen Straftaten sind Hinweisgeber unverzichtbar. Doch wer in Deutschland im Arbeitskontext Straftaten, Fehlverhalten und Missstände meldet, ist Repressalien durch den Arbeitgeber fast schutzlos ausgeliefert.
„Auch der Tag der Arbeit steht in diesem Jahr im Eindruck der Corona-Krise. Gerade mit Blick auf bereitgestellte Staatshilfen und den Handlungsdruck auf das Gesundheitswesen und die medizinische Forschung braucht es engagierte Bürgerinnen und Bürger, die Missbrauch und Fehlverhalten ans Licht bringen", so Louisa Schloussen, Leiterin der Arbeitsgruppe Hinweisgeber von Transparency Deutschland.
Annegret Falter, Vorsitzende von Whistleblower-Netzwerk: „Wenn Beschäftigte im Zusammenhang der Corona-Pandemie auf Rechtsverstöße oder Missstände hinweisen, erwarten wir von Behörden und der Rechtsprechung schon jetzt eine richtlinienkonforme Auslegung bestehender Vorschriften.“
Die deutsche Bundesregierung muss bis Oktober 2021 die EU-Richtlinie zum Whistleblowerschutz in nationales Recht umsetzen. Damit wird eine Harmonisierung des Hinweisgeberschutzes in den EU-Mitgliedstaaten angestrebt. Whistleblower-Netzwerk und Transparency Deutschland erwarten Verbesserungen, die über EU-Recht hinaus das Schutzniveau für Hinweisgeber im Beschäftigungsverhältnis erhöhen.
Die Richtlinie schützt nur Personen, die Verstöße gegen bestimmtes EU-Recht melden. Ob ein konkreter Fall EU- oder nationales Recht betrifft, ist schon für Juristinnen und Juristen häufig schwer zu bestimmen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist eine solche Rechtsunsicherheit nicht zumutbar. Ohne eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Verstöße gegen nationales Recht müsste ein Hinweisgeber selbst wissen und entscheiden können, ob seine Meldung im konkreten Fall zulässig und er oder sie damit geschützt ist. Eine solche Regelung würde den Sinn der Richtlinie in ihr Gegenteil verkehren und Nachteile für alle Beteiligten mit sich bringen. Dem Vernehmen nach hat das Bundeswirtschaftsministerium jedoch in einem Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums umfangreiche Änderungen geltend gemacht, um eine Ausweitung auf nationales Recht zu verhindern.
„In Deutschland sind Hinweisgeber bisher nur in wenigen Bereichen gesetzlich geschützt, etwa, wenn sie Straftaten im Finanzbereich aufdecken. Die EU-Richtlinie setzt die notwendigen Impulse, um die Bundesregierung zum Handeln zu bewegen und endlich alle Hinweisgeber am Arbeitsplatz besser zu schützen“, so Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland.
"Das Positionspapier"
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08.04.2020 10:13
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Geschäfte ohne oder mit Gewissen?
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Einer der größten Textilstandorte der Welt liegt im indischen Bundesstaat Tamil Nadu. Rund 2,2 Millionen Menschen arbeiten dort. Darunter 300.000 Mädchen und junge Frauen, die vor allem in Baumwollspinnereien wie Sklavinnen schuften, heißt es im neunen terre des hommes-Magazin.
"Kann ein Lieferkettengesetz helfen, die Situation der Arbeiterinnen zu verbessern? Dazu diskutierte terre des hommes mit Bundestagsabgeordneten, Vertretern der Wirtschaft und der Initiative für ein Lieferkettengesetz bei einem parlamentarischen Abend in Berlin.
Exzessive Überstunden, erbärmlicher Lohn, unzumutbare Unterkünfte, Schikanen und sexuelle Belästigung durch die Vorgesetzten – all das gehört zum Alltag der Textilarbeiterinnen in Indien. 40.000 Mädchen hat terre des hommes bisher aus dieser Sklaverei befreit. Sie gehen wieder zur Schule oder machen eine Ausbildung. Außerdem hat terre des hommes mit der indischen Partnerorganisation Care-T einen Verhaltenskodex entwickelt für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen der Mädchen.
In Deutschland sollen Unternehmen mit dem Lieferkettengesetz dazu verpflichtet werden, Schäden an Mensch und Umwelt zu vermeiden. Beim parlamentarischen Abend betonte Cornelia Heydenreich von der Initiative Lieferkettengesetz: »Ein Lieferkettengesetz hätte vorbeugende Wirkung, denn Unternehmen müssen im Vorfeld menschenrechtliche Risiken analysieren und wirksame Maßnahmen ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung zu vermeiden. Bei Verstößen muss ein Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden können.«
Bundestagsabgeordnete Katharina Dröge von Bündnis 90/Die Grünen ergänzte, dass immer mehr Unternehmen in einem Lieferkettengesetz auch eine Chance sehen: »Dann sind alle in der Pflicht, nicht nur die, die sich bereits jetzt engagieren.« Auch Dr. Johannes Merck von der Otto Group sieht in einer gesetzlich für alle verbindlichen Regelung eine vernünftige Option.
terre des hommes-Botschafterin Margot Käßmann, die erst vor einigen Monaten das Projekt von terre des hommes in Tamil Nadu besucht hatte, machte deutlich, wie wichtig es sei, die indischen Frauen zu stärken und sie dabei zu unterstützen, ihre Rechte gegenüber den Fabrikbesitzern durchzusetzen.
Einig waren sich alle Beteiligten darüber, dass ein Boykott, solche Textilien zu kaufen, keine Lösung für die Arbeiterinnen wäre. P. E. Reji, terre des hommes-Mitarbeiter in Indien, fasste zusammen: »Wir brauchen endlich faire Arbeitsbedingungen.«
Die Initiative Lieferkette … ist ein Zusammenschluss zahlreicher Organisationen, die dafür eintreten, dass Unternehmen Menschenrechte achten und Umweltzerstörung vermeiden. Freiwillig kommen Unternehmen ihrer Verantwortung nicht ausreichend nach. Deshalb sollen Unternehmen, die Schäden an Mensch und Umwelt in ihren Lieferketten verursachen oder in Kauf nehmen, dafür haften. Skrupellose Geschäftspraktiken dürfen sich nicht länger lohnen. Geschädigte müssen auch vor deutschen Gerichten ihre Rechte einklagen können. terre des hommes unterstützt diese Initiative".
Aus: tdh-Magazin 1-2020, S. 18f "zum Magazin von terre des hommes
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06.04.2020 10:00
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Meldestelle gegen Hetze im Internet
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Im Kampf gegen Hetze und Hass im Internet setzt die hessische Landesregierung noch mehr auf die Unterstützung aus der Bevölkerung. Die erste staatliche Meldestelle hat in Hessen seine Arbeit aufgenommen, bei der sich jede und jeder mit Texten oder Fotos aus dem Netz an Experten zur Prüfung wenden kann.
Per Onlineformular, E-Mail oder über eine Telefon-Hotline können sich die Bürger nun unter www.hessengegenhetze.de
"Direkt zum Meldeformular bei Hass und Hetze im Internet"
bei Vorkommnissen melden. Ministerpräsident Volker Bouffier betonte, eine breite gesellschaftliche Unterstützung sei nötig. Nach seiner Erkenntnis sei es das erste Mal in Deutschland, dass ein solches Meldeportal eingerichtet wurde: "Das ist keine Eintagsfliege, sondern soll eine Dauereinrichtung sein."
Der stellvertretende Regierungschef Tarek Al-Wazir (Grüne) sagte, Hessen sei ein sicheres Land. In Teilen der Gesellschaft sei aber eine Verrohung erkennbar. "Wir haben eine Senkung der Hemmschwelle. Was offline gilt, gilt aber auch online", sagte Al-Wazir zu strafbaren Äußerungen im Netz. Deshalb sei diese zentrale Meldestelle eingerichtet worden.
Mehr als 80 Ermittlungsverfahren bereits eingeleitet
Die Landesregierung hatte im Herbst ein Aktionsprogramm zur Ächtung von Online-Hetze vorgestellt. Es war in Folge des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) aufgestellt worden. Vor und nach der Tat hatten Nutzer im Internet - mutmaßlich aus dem rechten Spektrum - gegen das Opfer gehetzt. Teil des Aktionsplans ist neben dem Meldesystem ein Bündnis aus Vereinen, Institutionen und Justiz gegen Hetze im Netz.
Seit dem Start Anfang November gingen rund 6.200 Hinweise bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) ein, wie Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) am Donnerstag sagte. Etwa 40 Prozent der geprüften Meldungen würden als strafrechtlich relevant eingeschätzt. 79 Ermittlungsverfahren seien daraufhin eingeleitet worden. Es reiche nicht, diese Inhalte nur zu löschen, betonte die Ministerin. Es müsse auch zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommen. Mit dieser bundesweit einmaligen Kooperation solle erreicht werden, dass Meinungsfreiheit im Netz wieder mehr Platz finde.
"Direkt zum Meldeformular bei Hass und Hetze im Internet"
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25.02.2020 11:40
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Lieferkettengesetz für mehr Fairness jetzt
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Barbara Küppers, Kinderrechtsexpertin von Terre des Hommes, setzt sich für eine EU weite Regelung der Lieferketten ein. Den Verbrauchern allein kann es nicht weiter überlassen bleiben, ob faire und soziale Standards Beachtung finden. Hier ist der Staat gefragt. Aber er lässt sich sehr viel Zeit und wird durch Lobbyisten in Parteien und Ministerien kräftig aufgehalten und irritiert. Küppers schreibt:
„Für die Verwirklichung von Menschenrechten und Umweltschutz sind nationale Regierungen zuständig. Sie sind gehalten, gesetzliche Mindestlöhne festzulegen, von denen die Menschen leben können. Sie müssen in ihrem Land Kinder vor Ausbeutung schützen und Umweltauflagen durchsetzen.
Verantwortlich sind allerdings auch die, die ausnutzen, dass grundlegende Arbeitsrechte und Umweltstandards in einem Land nicht eingehalten werden, und damit profitable Geschäfte machen. Dass Unternehmen verantwortlich handeln, ist Grundlage sozialer Marktwirtschaft und festgelegt in den Leitlinien der OECD und der Vereinten Nationen.
Ob Firmen sich daranhalten, liegt aber noch immer viel zu sehr in ihrem eigenen Ermessen. Bisher sind es Menschenrechtsorganisationen, Umweltschützer oder Journalisten, die Missstände aufdecken und Verantwortliche benennen. Bisher müssen schreckliche Unglücke geschehen, bevor sich Branchen bewegen, wie etwa der Einsturz der Näherei Rana Plaza in Bangladesch.
Bürgerinnen und Bürger hierzulande reagieren seit Jahren: Sie ermöglichen mit ihrer Kaufentscheidung fairen Handel und Sozialsiegel gegen Kinderarbeit. Auch einige namhafte Unternehmen wie Adidas und Otto, C&A und Tchibo haben Standards und Verfahren für Menschenrechte und Umweltschutz entwickelt, ebenso Biobetriebe wie Hess Natur und familiengeführte Mittelständler wie Vaude. Internationale Rankings bestätigen, dass ihre Maßnahmen wirken.
Zu viele Unternehmen ducken sich weg oder geben ihrem Geschäft nur einen grünen Anstrich. Terre des Hommes fordert als Teil der Initiative Lieferkettengesetz, eines Zusammenschlusses von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, kirchlichen Verbänden und Gewerkschaften, einen fairen und starken rechtlichen Rahmen. Während Arbeitgeberverbände, so BDA-Präsident Ingo Kramer, Unternehmer „bereits mit einem Bein im Gefängnis“ sehen, fordern Tchibo, Otto, der Discounter Lidl und die Bekleidungskette Kik einen rechtlichen Rahmen und gleiches Recht für alle.
Ein Lieferkettengesetz würde Firmen verpflichten, sorgfältig zu prüfen, ob es bei der Herstellung ihrer Produkte Risiken für Mensch und Natur gibt: Wird Baumwolle in Sklavenarbeit gesponnen, wie etwa in Tamil Nadu, einem der größten Textilstandorte der Welt? Werden unter Naturschutz stehende Wälder abgeholzt für Palmölplantagen, wie in Guatemala und Indonesien? Werden Arbeiterinnen erschossen, die sich für Arbeitsschutz und bessere Löhne engagieren, wie in Südafrika oder Kambodscha? Schürfen Kinder Mineralien, wie etwa in Indien und Madagaskar?
Alle international tätigen großen Unternehmen und auch solche mittlerer Größe in riskanten Branchen wie Textilien, Bergbau oder Chemie müssten zunächst die eigene Lieferkette von der Rohstoffgewinnung bis zum Endprodukt genau überprüfen. In der Realität ist solche Transparenz eine Herausforderung, denn bei vielen Produkten sind Dutzende oder sogar Hunderte Zulieferer in vielen Ländern beteiligt. Dass Transparenz machbar ist, zeigen einige Unternehmen schon heute. Ein Lieferkettengesetz würde Firmen verpflichten, Risiken mit angemessenen eigenen Aktivitäten auszuschließen. Was „angemessen“ ist, hängt nicht nur davon ab, wie schwer ein Verstoß gegen die Arbeitsrechte oder den Umweltschutz ist, sondern auch von der Größe und Einkaufsmacht. Man wird reden müssen bevor Verträge geschlossen werden: mit Menschenrechts- und Umweltorganisationen vor Ort, mit Gewerkschaften und mit den betroffenen Menschen, die viel zu oft keine Lobby haben.
Natürlich wird es darauf ankommen, wie ambitioniert das Gesetz formuliert wird. Es wird darauf ankommen, wie die Stelle ausgestattet ist, die Unternehmensberichte prüft. Die politische Auseinandersetzung im Kabinett und im Bundestag wird sich um die Frage drehen, was genau eine „angemessene Gegenmaßnahme“ ist.
Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen werden mit Wirtschaftsverbänden um Millimeter ringen. Dabei scheint es eine Koalition der Vernünftigen zu geben: Unternehmen, die verantwortlich handeln wollen. Das Bündnis für ein Lieferkettengesetz, das Augenmaß bewahrt, damit das Gesetz in der komplexen Realität funktionieren kann. Und schließlich die von SPD und CSU geführten Arbeits- oder Entwicklungshilfeministerien, die in diesen Tagen Eckpunkte für ein Sorgfaltspflichtengesetz vorlegen werden. Es muss gelingen. Denn die, die unter unwürdigen Bedingungen für den Weltmarkt schuften, brauchen dringend bessere Arbeitsbedingungen. Und ja: Eine europaweite Regelung wäre noch besser. Dafür könnte sich die Bundesregierung einsetzen, wenn sie im Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt“.
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13.02.2020 10:59
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Wenn der Job krank macht: Wird die Anerkennung von Berufskrankheiten fairer?
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Arbeitnehmer in Deutschland im europäischen Vergleich eher schlecht da. Das Bundesarbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD) hat jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Anerkennung und Entschädigung von Berufskrankheiten neu regeln soll. Journalist Christian Burmeister schreibt dazu in der Frankfurter Rundschau:
"Doch vielen geht dieser nicht weit genug. Ob die Pflegerin mit Bandscheibenvorfall, der Dachdecker mit Knieproblemen oder die Friseurin mit Hautkrankheiten aufgrund von ständigem Chemikalienkontakt: Jedes Jahr zeigen laut dem Dachverband der Berufsgenossenschaften etwa 75 000 Menschen eine berufsbedingte Erkrankung an. Aber nur gut ein Viertel der Fälle wird anerkannt und entsprechend entschädigt. Rund 2500 Menschen sterben jährlich sogar an den Folgen einer Berufskrankheit – fast so viele wie im Straßenverkehr.
In Deutschland werden von den Unfallversicherungen pro hunderttausend Erwerbstätigen nur 85-mal Berufskrankheiten anerkannt. In Italien liegt die Quote bei 86, in Dänemark bei 149, in Spanien bei 192 und in Frankreich sogar bei 426. Das berichtet das Portal Buzzfeed unter Berufung auf französische Studien. Allerdings: Eine Anerkennung hat in den verschiedenen Ländern auch verschiedene finanzielle und arbeitsrechtliche Folgen.
Das neue Gesetz von Heil sieht nun mehrere Maßnahmen vor: So soll der Sachverständigenrat personell und finanziell aufgestockt werden. Dieser entscheidet über die Aufnahme von Berufskrankheiten in den Katalog der Versicherer, arbeitet nach Ansicht von Experten aber viel zu langsam. Das Gesetz sieht auch eine Abschaffung des sogenannten Unterlassungszwangs vor. Dieser schloss bisher für neun Krankheiten (zum Beispiel Rückenschmerzen) Entschädigungen aus, wenn Arbeitnehmer trotz ihrer Krankheit weiterhin berufstätig waren. „Das soll die Voraussetzungen schaffen, damit erkrankte Arbeitnehmer die Arbeit reduzieren oder beenden können, bevor womöglich eine endgültige Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird“, sagt Beate Müller-Gemmeke, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Der Politikerin geht das Gesetz aber nicht weit genug. Dabei weiß sie sich mit der Linkspartei und den 16 Bundesländern einig. Sie alle fordern von Heil zum einen eine Härtefallregelung. Müller-Gemmeke: „Manche Berufskrankheiten sind extrem selten und nicht als solche anerkannt. Auch hierfür braucht es zumindest eine Grundlage, damit diesen Menschen geholfen werden kann.“ Außerdem fordern die Länder eine „Beweislasterleichterung“.
Hintergrund: Arbeitnehmer haben es bisher oft schwer, die nötigen Belege für den Grund ihrer arbeitsbedingten Erkrankung zu beschaffen – beispielsweise wenn ein Arbeitgeber seiner Dokumentationspflicht beim Umgang mit Schadstoffen nicht nachgekommen ist oder schon seit Jahren nicht mehr existiert. „In solchen Fällen sollten auch Plausiblitätsnachweise genügen“, fordert Müller-Gemmeke.
Der Bundesrat will am Freitag einen entsprechenden Änderungsantrag für das Gesetz beschließen und anschließend mit der Bundesregierung über entsprechende Nachbesserungen verhandeln. Ausgang offen".
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20.12.2019 09:59
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Juristinnen bemängeln die mangelhafte Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention in Deutschland
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Wie sähe das Land aus, wenn tatsächlich Geschlechtergerechtigkeit herrschte? Impulse für die Vorstellungskraft hat die 40. Geburtstagsfeier für das UN-Frauenrechtsabkommen am Mittwochabend in Berlin gesetzt. In der Frankfurter Rundschau berichtet darüber Kirsten Achtelik über die krasse Unfairness in der Geschlechter-Gleichbehandlung:
"Zu der Veranstaltung hatten der Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien von Ulrike Lembke und die Kommission Europa- und Völkerrecht des Deutschen Juristinnenbundes (djb) in den prestigeträchtigen Senatssaal der Humboldt-Universität geladen. Der Tenor des Abends: Die Konvention ist gut und wichtig, besser wäre es allerdings, wenn sie auch konsequent angewendet würde und zwar auf allen Ebenen: von der Politik, den Behörden und auch von Gerichten.
Die Frauenrechtskonvention ist bekannter unter ihrem englischen Kürzel CEDAW, die Abkürzung steht für „Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women“. Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau wurde am 18. Dezember 1979 von der UN-Generalversammlung verabschiedet und trat am 9. August 1985 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft.
Kritische Fragen an Berlin
Die Konvention hält fest, dass Frauen die gleichen Menschenrechte wie Männer haben und die ratifizierenden Staaten verpflichtet sind, diese auch durchzusetzen. Unzureichender Schutz vor häuslicher Gewalt, Gender-Pay-Gap, ungleiche Verteilung der Sorgearbeit, Ehegattensplitting, der Paragraf 218, Operationen an intergeschlechtlichen Kleinkindern – all das dürfte es nicht geben, wenn die Konvention in Deutschland wirklich umgesetzt würde. Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen ist nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch sicherzustellen, dabei soll die Konvention als Instrument dienen. Eine dafür entscheidende Formulierung ist die Verpflichtung der Staaten zu „wirksamen Maßnahmen“ gegen die diskriminierenden Missstände. Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, hielt in ihrer Rede unter dem Titel „Die UN-Frauenrechtskonvention – Motor für Geschlechtergerechtigkeit in Deutschland“ fest, dass es eben nicht reiche, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Wenn freiwillige Selbstverpflichtungen offensichtlich unzureichend seien, müssten halt Quoten her. Die Quotendebatte in Deutschland kranke seit den 1980er Jahren daran, dass CEDAW nicht ernst genommen werde.
Rudolf betonte, dass Diskriminierung ein Machtmittel sei. Diese abzubauen werde also nicht von allen in gleicher Weise begrüßt: „Mittelmäßige Männer ahnen: Geschlechtergleichheit bedroht ihre Privilegien. Kluge Menschen wissen: Geschlechtergleichheit nutzt allen. Denn sie überwindet geschlechtsspezifische Verhaltenserwartungen und führt damit zu mehr Freiheit für alle Menschen.“ Eine diskriminierende Absicht sei nicht erforderlich, weil die Konvention sich gegen jedes Handeln und Unterlassen richtet, das sich benachteiligend auf Frauen auswirke. Rudolf kritisierte, dass dies auch in der Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, noch „allzu oft verkannt“ werde: „Es geht nicht darum, Böses zu sanktionieren. Sondern es geht darum, Frauen gleiche Teilhabe in allen Lebensbereichen zu gewähren.“
Die Moderatorin des Abends, Ulrike Lembke, stellte fest, im Grundsatz sei CEDAW „Revolution durch Recht“. Ihre vollständige Umsetzung bedeute eine „ganz andere Gesellschaft, die wir uns vielleicht heute noch nicht vorstellen können“. 189 Staaten haben das Übereinkommen mittlerweile ratifiziert. Die Umsetzung begleitet ein Ausschuss, dem die Staaten alle vier Jahre Berichte zum Abbau von noch problematischen Ungleichheiten vorlegen müssen.
Auf der CEDAW-Jubiläumsfeier des Frauenministeriums, die bereits am 27. November stattgefunden hatte, sagte Ministerin Franziska Giffey (SPD), man sei noch lange nicht am Ziel. Sie kündigte an, weiter Druck machen zu wollen. Der jüngste Zwischenbericht der Bundesregierung liest sich allerdings etwas anders: Die Regierung verweist darauf, dass beispielsweise die deutsche Regelung zur geschlechtsspezifischen Verfolgung für die Betroffenen besser sei als das EU-Recht; sie sieht hier also keinen Handlungsbedarf. Bei der Bekämpfung von Kinderarmut sieht sie sich auf einem guten Weg. Und die Kritik des UN-Ausschusses an den restriktiven Vorgaben des Abtreibungsparagrafen 218 weist sie rundheraus zurück.
Der vollständige Bericht Deutschlands soll bis März 2020 fertig sein. Im ersten Halbjahr 2020 wird Berlin eine neue Liste mit kritischen Fragen erhalten, die die Grundlage für den neunten Staatenbericht werden sollen. Dem aktuellen Global Gender Gap Report des World Economic Forums (WEF) zufolge belegt Deutschland im internationalen Gleichberechtigungs-Vergleich den zehnten Platz – hinter Ländern wie Ruanda oder Spanien. Für das schlechte Abschneiden sind unter anderem der Gender-Pay-Gap (68. Platz) und die fehlende Machtbeteiligung in der Wirtschaft (89. Platz) verantwortlich".
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01.07.2019 11:25
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Im Zweifel für Diskriminierung und Unfairness
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In Polen entscheiden immer mehr Gerichte im Sinne der nationalpopulistischen Regierungspartei PiS, berichtet für die taz Gabriele Lesser aus Warschau. Und sie kommentiert:
„Das „gute Gewissen“ spielt in Polen eine zunehmend politische Rolle, seit die nationalpopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an der Macht ist. Katholisch kommt das „gute Gewissen“ daher, PiS-freundlich und Frauen-, Ausländer- und LGBT-feindlich.
Seit vergangener Woche diskutiert halb Polen, wer sich auf ein „gutes Gewissen“ berufen darf. Nur Katholiken oder auch Andersgläubige? Nur Männer oder auch Frauen? Schwule und Lesben aber nicht oder doch? Zbigniew Ziobro, Generalstaatsanwalt und Justizminister in einer Person, begrüßte ausdrücklich das Urteil des Verfassungsgerichts, mit dem einem Drucker das Recht zugestanden wurde, ein LGBT-Veranstaltungsplakat nicht herstellen zu müssen. Kurz darauf ordnete Ziobro ein Ermittlungsverfahren gegen das schwedische Möbelhaus Ikea an, das einem polnischen Mitarbeiter angeblich rechtswidrig „aufgrund seines Glaubens“ gekündigt habe. Dieser hatte gegen eine LGBT-Toleranz-Aktion protestiert – mit Bibelzitaten, denen zufolge Homosexuelle sich einer „Blutschuld“ schuldig machten und des Todes sterben müssten.
Zwar kennt in Polen jedes Kind den Aphorismus des polnischen Juden Stanilsaw Jerzy Lec: „Sein Gewissen war rein. Er benutzte es nie.“ Doch die universelle Bedeutung geht verloren. Ein „reines Gewissen“ im Sinne von „unbenutzt“ wird mehr und mehr Andersgläubigen zugeschrieben, auch Frauen, die vergewaltigt wurden und die „Pille danach“ fordern. Oder Schwulen und Lesben, die nicht dem katholischen Ideal einer Mann-Frau-Kind-Familie entsprechen. Ein „gutes Gewissen“ hingegen schreiben sich PiS-Anhänger und bigotte Katholiken in Polen gern selbst zu. In den Genuss dieses selbstgerechten „Ich gehöre zu den Guten“-Gefühls kamen bislang vor allem Ärzte. Apotheker und Kirchenmänner. Während sich Pädophile unter den Klerikern darauf verlassen konnten, von Bischöfen in immer neue Gemeinden versetzt zu werden, wo sie weitere Kinder sexuell missbrauchen konnten, können es Gynäkologen wie Apotheker mit Berufung auf ihr „gutes Gewissen“ ablehnen, Verhütungsmittel zu verschreiben oder zu verkaufen.
Seit einiger Zeit aber landet das „polnische Gewissen“ immer öfter vor Gericht. PiS-loyale Richter sorgen dafür, wie jetzt im Verfassungsgericht, dass das Urteil im Sinne der PiS ausfällt. Angeblich sei das Diskriminierungsverbot, auf das sich die erste und zweite Instanz wie auch später das oberste Gericht beriefen, „nicht verfassungskonform“. Zbigniew Ziobro freute sich am Mittwoch unverhohlen darüber, dass seine „Argumente vom Verfassungsgericht geteilt“ würden. „Die Freiheit kommt allen zu. Niemand soll unter dem Vorwand der Toleranz den Staatsapparat einschalten, um die anderen zur Vergewaltigung ihrer Gewissens-, Glaubens- oder Wirtschaftsfreiheit zu zwingen.“ Triumphierend setzte Ziobro hinzu: „Endlich leben wir in einem freien Land!“
Jaroslaw Jagura von der Warschauer Helsinki-Stiftung für Menschenrechte wies darauf hin, dass zahlreiche Diskriminierungsprozesse neu aufgerollt werden könnten und die Diskriminierten – Rollstuhlfahrer, Blinde mit Blindenhund, Mütter mit Kinderwagen, Schwule und Lesben – den Kürzeren ziehen könnten. Miroslaw Makuchowski von der Kampagne gegen Homophobie fragt: „Wir erinnern uns an die Zeiten, als in den Läden Schilder mit der Aufschrift hingen ‚Juden – Zutritt verboten‘. Müssen wir uns an Schilder gewöhnen wie ‚Homosexuelle bedienen wir nicht‘ oder ‚Rollstuhlfahrer – ungern gesehen‘?“.“
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04.06.2019 18:20
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Finanzlobby in der EU destruktiv - was tun
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Infolge der Finanzkrise von 2007 kam es in der Europäischen Union bedauerlicherweise nicht – im Gegensatz zu den USA – zu einer umfassenden Nachregulierung des Finanzsektors. Dies ist auch dem großen Einfluss von Finanzlobbyisten in Brüssel geschuldet. Corporate Europe Observatory hatte diesen Einfluss 2014 in einer ausführlichen Studie dokumentiert. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Macht der Finanzlobby in Brüssel trotz Finanzkrise ungebrochen ist. So arbeiten zur Zeit circa 1700 Finanzlobbyisten in Brüssel, also etwa viermal mehr als es für diesen Politikbereich zuständige EU-Beamte gibt.
Um den Einfluss der Finanzlobby zurückzudrängen, fordert die Initiative
- die Interaktionen von Finanzlobbyisten mit Parlamentariern und Entscheidungsträgern einzuschränken; - grundlegende Transparenz aller Lobbytreffen herzustellen; - dass neben der Finanzlobby auch andere Perspektiven gehört werden und diese auf europäischer Ebene gestärkt werden; - die Mitgliedschaft in exklusiven Clubs und Vereinigungen, die die Finanzindustrie mit Entscheidungsträgern zusammenbringt, abzulehnen. Damit ist etwa die Mitgliedschaft von Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), in der Finanzlobbygrouppe G30 gemeint; - sowie strengere Regeln bei Interessenkonflikten und Seitenwechseln von Beamten und Politikern aller EU-Institutionen.
Der übermäßige Einfluss von Konzernlobbyisten betrifft nicht nur Fragen der Finanzmarktregulierung. Auch insgesamt zeigt ein Blick auf den Lobbyeinfluss in Brüssel, dass insbesondere Konzerne zu viel Macht in der EU haben.
"Der Aufruf für strengere Regeln für Finanzmarkt und Lobbyismus in der EU - zum Unterschreiben"
"Zum EU-Lobbyreport von Lobbycontrol"
"Der Fairness-Initiativpreis für Lobbycontrol"
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29.04.2019 11:45
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Warum Julia Klöckner eine klare Lebensmittel-Ampel verhindert
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Es ist offensichtlich, dass die Ministerin Klöckner die Interessen der Agrar- und Lebensmittelindustrie gegen die Verbraucher und eine fairere Lebensmittel-Kennzeichnung vertritt.
Warum will Julia Klöckner eine Nährwertkennzeichnung erst im Sommer vorstellen? Und warum wird die komplizierter und damit uneffektiver als eine, die es schon gibt? Nicolai Kwasniewski schreibt dazu im Spiegel: "Ein einfaches Ampelsystem wird es wohl nicht sein - eine positive Bewertung des sogenannten Nutri-Scores ließ die Ministerin zurückhalten.
Wie können Verbraucher im Supermarkt erkennen, welche Lebensmittel gut für sie sind? Und was heißt überhaupt "gut"? Eine simple Kennzeichnung in den Ampelfarben Rot, Gelb und Grün will die Mehrheit der Hersteller unbedingt verhindern. In Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) hat die Industrie für dieses Ziel offenbar eine Unterstützerin gefunden: Sie hält eine Studie zurück, die den zunehmend populären Nutri-Score offenbar positiv bewertet.
Das geht aus einer internen E-Mail aus dem Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) hervor, die die Verbraucherorganisation Foodwatch veröffentlicht hat. In einem internen Vermerk heißt es, die Ministerin habe "ausdrücklich darum gebeten" im Zusammenhang mit der Studie "größte Vertraulichkeit sicherzustellen". Geht es wirklich nur darum, "vorzeitige Festlegungen" zu vermeiden oder soll hier ein Label schlechtgemacht werden, weil es der Industrie nicht passt?
Über die Frage, wie der Gehalt an Fett, Salz, Zucker und gesättigten Fettsäuren bei verarbeiteten Lebensmitteln gekennzeichnet werden soll, wird seit mehr als zehn Jahren gestritten, zum Teil auch erbittert gekämpft. Die Vorgaben werden in Brüssel gemacht, vor gut zehn Jahren verhinderte die Lebensmittellobby eine Kennzeichnung in den Ampelfarben - ein großer Erfolg für die Industrie.
Seither verpflichtet eine EU-Verordnung die Hersteller vorgefertigter Produkte lediglich dazu, auf der Packung den Gehalt an Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz anzugeben. Das sind jene Tabellen auf der Packungsrückseite, die nur wenige Verbraucher lesen und noch weniger vollständig verstehen.
Verbraucherschützer fordern deshalb, dass auf der Vorderseite der Verpackung gezeigt werden soll, wie viel Fett, Zucker und Salz das Lebensmittel enthält - und zwar in Rot, Gelb und Grün, für viel, mittel und wenig. Ihr Argument: So greifen Verbraucher eher zur "grünen" Version und ernährten sich langfristig ausgewogener. Die meisten Hersteller lehnen das als Bevormundung ab, nennen die Farbgebung willkürlich und argumentieren beispielsweise damit, dass auch gesundes Vollkornbrot einen roten Punkt für den Salzgehalt bekäme.
Laut EU-Recht ist eine zusätzliche Nährwertkennzeichnung auf der Packungsvorderseite ausdrücklich erlaubt. Einige Mitgliedstaaten haben deshalb eine freiwillige Kennzeichnung eingeführt. Derzeit sieht es so aus, als ob sich das französische Nutri-Score-Modell durchsetzt - nach Frankreich führen es auch Belgien, Spanien, Portugal und Luxemburg ein. (Lesen Sie hier mehr zum Nutri-Score) Unternehmen wie Danone, Iglo, Bofrost und ein paar kleinere Produzenten zeichnen ihre Produkte auch in Deutschland damit aus, auch wenn ein Verein gerade gerichtlich dagegen vorgeht.
Die Industrie will das Nutri-Score-System verhindern
Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, bis zum Sommer eine Nährwertkennzeichnung zu erarbeiten und einzuführen. Im vergangenen Jahr beauftragte Julia Klöckner das Max Rubner-Institut (MRI) mit einer wissenschaftlichen Bewertung der in Europa verwendeten Modelle. Im Herbst war dieser Bericht offenbar bereits fertig, und das MRI kam zu dem Schluss, dass die Nutri-Score-Ampel "grundsätzlich vorteilhaft für eine "Front of Pack"-Nährwertkennzeichnung ist". So steht es in der internen Ministeriums-E-Mail, die Foodwatch durch einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz bekommen hat und die dem SPIEGEL vorliegt.
Warum Klöckner um "größte Vertraulichkeit" bat, ist unklar - in der E-Mail heißt es, das MRI habe die Modelle "lediglich wissenschaftlich bewertet", es bedürfe noch "der Abstimmung mit anderen Referaten". Sicher ist, dass ihr Ministerium den MRI-Bericht erst sechs Monate später, im April 2019 veröffentlichte, offenbar in einer überarbeiteten Fassung. Foodwatch-Campaignerin Luise Molling bezeichnet es als inakzeptabel, dass die ursprüngliche Studie nicht veröffentlicht werden soll: "Politik auf der Basis von Wissenschaft und Fakten, wie von Frau Klöckner immer wieder betont, braucht keine Geheimhaltung von wissenschaftlichen Studien." Klöckner hat immer wieder darauf hingewiesen, dass sie ein eigenes Modell entwickeln möchte, und zwar in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und Verbrauchern. Zwar favorisieren auch die meisten Verbraucherorganisationen das Nutri-Score-System nach französischem Vorbild. Die Wirtschaft will die Ampel aber weiterhin vermeiden.
Auch um den Nutri-Score zu umgehen, stellte der Branchenverband Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) deshalb ein weiteres Modell vor, dass weniger eindeutig und weniger farbig ist. Vielleicht wollte Klöckner genau darauf warten - der BLL stellte sein Modell genau an jenem Tag vor, an dem die Ministerin den überarbeiteten MRI-Bericht veröffentlichte.“
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23.04.2019 11:31
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Wird ab Mai die Menschenrechtsverpflichtung der Unternehmen geprüft?
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Wirkt der Nationale Aktionsplatz (NAP) für Menschenrechte in Unternehmen? Oder ist er nur Schall und Rauch für die Show? Inwieweit kommen in Deutschland ansässige Unternehmen in ihren weltweiten Liefer- und Wertschöpfungsketten ihrer im NAP verankerten Sorgfaltspflicht nach?
Diese zentrale Frage leitet das NAP-Monitoring - im Mai 2019 startet die erste große Erhebungsphase. Zunächst 1.800 Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten werden in einer repräsentativen Stichprobe ausgewählt und in einem persönlichen Anschreiben eingeladen, an der Befragung teilzunehmen. Sie können den NAP-Prozess in Deutschland damit aktiv mitgestalten.
Darum geht es: Die Sorgfaltspflicht der Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte ist ausführlich im Nationalen Aktionsplan beschrieben. Sie setzt sich aus fünf Kernelementen zusammen: - einer Grundsatzerklärung der Unternehmen, die Menschenrechte zu achten, - Verfahren, die dazu dienen, tatsächliche und potenzielle nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte zu ermitteln, - Maßnahmen, die potenzielle negative Auswirkungen verhindern sollen sowie weitere Maßnahmen, die geeignet sind, die Wirksamkeit dieser Maßnahmen zu überprüfen, - der Berichterstattung und - Beschwerdemechanismen.
Beachten deutsche Unternehmen im Ausland die Menschenrechte? Eine Überprüfung sollte das klären. Doch das Kanzleramt interveniert bei der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans.
Zum Hintergrund ein Bericht von Tobias Schwab (von der Frankfurter Rundschau): „Billigtextilien aus Bangladesch, seltene Erze aus dem Kongo für die Elektronikindustrie, Kakao von Plantagen in der Elfenbeinküste – immer wieder sehen sich deutsche Unternehmen mit Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten konfrontiert. Mit dem 2016 beschlossenen Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) verpflichtete die Bundesregierung Firmen deshalb zu mehr Verantwortung für die Arbeitsbedingungen bei ihren Geschäftspartnern im Ausland – zunächst auf freiwilliger Basis. Im jüngsten Koalitionsvertrag vereinbarten Union und SPD allerdings, „national gesetzlich tätig zu werden“, sollten die Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht nicht wahrnehmen.
Überprüft werden soll das Engagement der Firmen mittels einer umfangreichen Befragung. Dieses Monitoring sorgt nun für Zündstoff, ein handfester Koalitionskrach droht.
Kanzleramt und Wirtschaftsministerium greifen ein
Aus dem vertraulichen Entwurf für das Monitoring, den die Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) im Auftrag des federführenden Außenministeriums erarbeitet hat, geht hervor, dass Bundeskanzleramt und Bundeswirtschaftsministerium massiv intervenieren.
Umstritten ist vor allem die Methodik des Monitorings - die letztlich darüber entscheidet, wie viele Firmen die Anforderungen erreichen. Denn der NAP setzt eine Schwelle: Demnach müssen bis 2020 mindestens die Hälfte aller in Deutschland ansässigen Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten die „wesentlichen Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt in ihre Unternehmensprozesse“ integriert haben. Andernfalls droht ein Gesetz - das Kanzleramt und Wirtschaftsressort offenbar unbedingt vermeiden wollen.
Darauf deuten jedenfalls die Änderungen im EY-Bericht hin, der der Frankfurter Rundschau vorliegt. So wollen das Kanzleramt und das Ministerium von Peter Altmaier (CDU) etwa, dass Firmen, die den Fragebogen nicht ausfüllen, als „Nicht-Responder“ registriert werden und damit aus der Bewertung herausfallen. Darüber hinaus soll die Kategorie „Grenzfälle“ geschaffen werden - für Unternehmen, die nach einer „Gesamtwürdigung“ dann doch noch zu den „Erfüllern“ gerechnet werden können. Deren Zahl wollen Kanzleramt und Altmaier offenbar auch steigern, indem Unternehmen, anders als bislang vorgesehen, Schwächen in einem Bereich durch ihre Performance auf einem anderen Feld kompensieren können.
„Germanwatch“ kritisiert Kanzleramt Bei den zivilgesellschaftlichen Akteuren kommt das gar nicht gut an. „Es ist ein Unding, dass das Kanzleramt auf den letzten Drücker die Methodik des Monitorings weiter verwässern will“, kritisiert Cornelia Heydenreich, Expertin für Unternehmensverantwortung bei Germanwatch. Damit würde das Ergebnis schöngerechnet. Und die Wahrscheinlichkeit steige, „dass mehr als die Hälfte der Unternehmen das Monitoring besteht“.
Auch Armin Paasch von der katholischen Hilfsorganisation Misereor hält die Intervention für ein durchsichtiges Manöver, „um eine gesetzliche Regelung zu vermeiden“. Das Monitoring solle den Anschein erwecken, „dass viele Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten wahrnehmen, auch wenn sie gar nichts tun“.
Bundeskanzleramt und Wirtschaftsministerium teilten auf Anfrage der Frankfurter Rundschau beinahe gleichlautend mit: Da die Beratungen zum Bericht von EY innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen seien, könnten „zu diesem Zeitpunkt keine weiteren detaillierten Auskünfte“ gegeben werden. Entschieden werde in einem interministeriellen Ausschuss (IMA) - und zwar im Konsens.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung: „Zeitalter der Freiwilligkeit hat ein Ende“
Nach Übereinstimmung sieht es im Moment aber gar nicht aus. Dem Vernehmen nach lehnen die ebenfalls im IMA vertretenen und SPD-geführten Ressorts Arbeit und Soziales, Umwelt sowie Justiz die Änderungen ab. Offiziell betonte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf Anfrage, der Koalitionsvertrag sehe vor, „dass sich die Bundesregierung für eine konsequente Umsetzung des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte einsetzt“. Und: „Sollte sich 2020 herausstellen, dass die Freiwilligkeit nicht ausreicht, wird die Bundesregierung gemäß Koalitionsvertrag gesetzlich tätig.“ Bärbel Kofler, die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, ist da schon viel weiter. „Wir brauchen gesetzliche Regelungen, das Zeitalter der Freiwilligkeit hat ein Ende“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete der Frankfurter Rundschau. „Wenn 100 Prozent der deutschen Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht gerecht würden, dann bräuchten wir kein Gesetz. Ansonsten besteht eine Schutzlücke, die wir dringend schließen müssen.“
Das sieht man offenbar auch im Bundesentwicklungsministerium von Gerd Müller (CSU) so. Wie jüngst bekannt wurde, liegt dort bereits der Entwurf für ein „Nachhaltiges Wertschöpfungskettengesetz“ auf dem Tisch. Das würde Unternehmen bei ihren Auslandsgeschäften umfassende Risikoabschätzungen vorschreiben und verlangen, Menschenrechtsverletzungen präventiv vorzubeugen.
Genug Zündstoff also für die große Koalition. Für diesen Mittwoch ist nun ein Krisentreffen des interministeriellen Ausschusses anberaumt, in dem das Bundeskanzleramt offiziell nur Beobachterstatus hat, aber doch sehr rührig mitwirkt“ (3.4.2019).
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18.03.2019 11:39
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Fairness für Whistleblower?
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Wer Rechtsverstöße in Unternehmen oder Organisationen offenlegt, lebt gefährlich. Whistleblower riskieren, strafrechtlich verfolgt oder entlassen zu werden. Jetzt hat die EU eine Richtlinie zum Schutz vorgestellt.
Illegaler Handel mit Facebook-Daten, manipulierte Abgaswerte bei Diesel-Autos, Geldwäsche und Steuerhinterziehung rund um die Panama Papers: Viele Skandale, die in den vergangenen Jahren große Schlagzeilen und zahlreiche Gerichtsverfahren mit sich brachten, wären möglicherweise unentdeckt geblieben, wenn nicht Insider brisante Informationen öffentlich gemacht hätten. Dafür zahlen Hinweisgeber häufig einen hohen Preis, so EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans.
Neue Richtlinie: drei Richtungen
Zum besseren Schutz von Whistleblowern sieht eine neue Richtlinie der EU-Kommission drei Kanäle vor: Zunächst sollen Hinweisgeber intern die Möglichkeit haben, Rechtsverstöße anzuprangern. Dafür müssen Unternehmen und Behörden vertrauenswürdige Kommunikationswege schaffen - zum Beispiel in Form von Ombudsleuten. Die Regeln betreffen alle Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz von zehn Millionen Euro. Wenn das Unternehmen auf Beschwerden nicht reagiert, sollen Whistleblower sich an staatliche Kontrollbehörden und Bürgerbeauftragte wenden. Im letzten Schritt sei der Gang an die Öffentlichkeit, über Journalisten und Medien legitim, so Timmermans.
Beweislast beim Unternehmen
In diesen Fällen sollen die Hinweisgeber nicht ihre Entlassung fürchten müssen oder andere Formen der Vergeltung. Kommt es doch dazu, muss das Unternehmen beweisen, dass etwa eine Versetzung oder Gehaltseinbußen nichts mit der Veröffentlichung zu tun haben. Nicht nur für Angestellte Dieser Schutz soll nicht nur Angestellten gewährt werden, sondern auch Auftragnehmern, Zulieferern, Praktikanten oder Bewerbern, erklärt Justizkomissarin Vera Jourova. Ein Whistleblower sei der Richtlinie zufolge jeder, der interne Informationen über EU-Rechtsverstöße offenlegt, die der Gesellschaft ernsthaft schaden. Die neue Richtlinie ist zunächst ein Vorschlag der EU-Kommission. Das Europäische Parlament fordert die neuen Regeln bereits seit langem. Schließlich müssen noch die Staats- und Regierungschefs zustimmen, bevor die Mitgliedstaaten den Schutz der Whistleblower in nationales Recht umsetzen müssen. Soweit Samuel Jackisch, ARD-Studio Brüssel
Was ist vorgesehen?
Klare Mechanismen und Pflichten für Arbeitgeber Alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten oder einem Jahresumsatz von mehr als 10 Mio. EUR müssen ein internes Verfahren für den Umgang mit Meldungen von Hinweisgebern einführen. Auch alle Landes- und Regionalverwaltungen und Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern werden von der neuen Richtlinie erfasst. Die erforderlichen Schutzmechanismen sollen Folgendes umfassen: • klare Meldekanäle innerhalb und außerhalb der Organisation, um die Vertraulichkeit zu wahren; • ein dreigliedriges Meldesystem bestehend aus: • internen Meldekanälen; • Meldungen an die zuständigen Behörden – wenn interne Kanäle nicht funktionieren oder nach vernünftigem Ermessen nicht funktionieren können (z. B. wenn die Nutzung interner Kanäle die Wirksamkeit von Untersuchungsmaßnahmen der zuständigen Behörden gefährden könnte); • Meldungen in der Öffentlichkeit/den Medien – wenn nach der Meldung über andere Kanäle keine geeigneten Maßnahmen ergriffen werden oder wenn eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses oder die Gefahr eines irreparablen Schadens besteht. • Rückmeldepflichten für Behörden und Unternehmen‚ die innerhalb von drei Monaten auf Meldungen von Missständen reagieren und sie weiterverfolgen müssen. • Vermeidung von Vergeltungsmaßnahmen und wirksamer Schutz: Jegliche Vergeltungsmaßnahmen sind untersagt und sollen geahndet werden. Wenn ein Hinweisgeber Vergeltungsmaßnahmen erleidet, soll er Zugang zu kostenloser Beratung und angemessenen Abhilfemaßnahmen erhalten (z. B. Maßnahmen gegen Belästigung am Arbeitsplatz oder zur Vermeidung einer Entlassung). Die Beweislast wird in solchen Fällen umgekehrt, sodass die von der Meldung betroffene Person oder Organisation nachweisen muss, dass sie keine Vergeltungsmaßnahmen gegen den Hinweisgeber ergreift. Hinweisgeber werden auch in Gerichtsverfahren geschützt, etwa indem sie von der Haftung für offengelegte Informationen befreit werden. Wirksame Sicherungsmaßnahmen Mit dem Vorschlag werden verantwortungsvolle Hinweisgeber geschützt, die tatsächlich im öffentlichen Interesse handeln wollen. Daher enthält der Vorschlag auch Sicherungsmaßnahmen, durch die in böser oder missbräuchlicher Absicht getätigte Meldungen unterbunden und Rufschädigungen vermieden werden sollen. Für die von der Meldung eines Hinweisgebers betroffenen Personen gilt die Unschuldsvermutung, und sie haben das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, ein faires Verfahren und Verteidigung.
"Aus dem ARD-Studio in Brüssel"
"Verlautbarung der EU-Kommission"
"Was ist Whistleblowing und was kann man tun? Die Hinweise der Fairness-Stiftung"
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13.02.2019 11:50
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Entwicklungsminister droht deutschen Firmen
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Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) droht deutschen Firmen mit empfindlichen Strafen in Deutschland, wenn sie ihre Lieferanten aus Entwicklungsländern nicht zu fairen Arbeitsbedingungen und dem Einhalten von Umweltstandards zwingen. So berichtet das Handelsblatt. "Sein Ministerium bereitet einen entsprechendes „Nachhaltige Wertschöpfungskettengesetz“ vor.
„Das Entwicklungsministerium will sicherstellen, dass Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht in globalen Lieferketten nachkommen“, sagte eine Ministeriumssprecherin auf Nachfrage. Ein erster Gesetzentwurf liegt dem Handelsblatt vor. Er droht Unternehmen mit Bußgeldern bis zu fünf Millionen Euro, mit Freiheitsstrafen und dem Ausschluss von öffentlichen Aufträgen in Deutschland, wenn sie bei ihren Lieferanten im Ausland. Menschenrechte nicht durchsetzen. Die Berliner „Tageszeitung“ berichtete zuerst über das Thema.
Müller will die Ziele des „Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte“ durchsetzen. Bisher setzt er dabei auf Freiwilligkeit. Es gibt das „Textilbündnis“, an dem sich die Hälfte der Textilindustrie beteiligt. Auch mit Kakaoproduzenten will das Entwicklungsministerium freiwillig Fairtrade-Bedingungen durchsetzen. Im Dezember drohten allerdings fünf Bundesminister, darunter auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) der Wirtschaft mit einem Gesetz, sollte es bis 2020 keine Fortschritte geben. „Sollte sich 2020 herausstellen, dass die Freiwilligkeit nicht ausreicht, wird die Bundesregierung gemäß Koalitionsvertrag gesetzlich tätig“, sagte die Ministeriumssprecherin. Damit dies dann sofort geschehen könne, gebe es „vorbereitende Arbeiten“ für das Gesetz, in dem Sorgfaltspflichten der Firmen definiert und ein Compliance-Beauftragter vorgeschrieben werden sollen. Betroffen wären vor allem die Textilindustrie und die Lebensmittelindustrie.
Während Entwicklungsorganisationen das Vorhaben loben, reagierte die FDP empört auf den Plan, minutiös ausgearbeitete Regeln für einzelne Branchen festzuschreiben. „Ein frommer Wunsch, der nicht funktionieren kann“, sagte der FDP-Abgeordnete Christoph Hoffmann. „Handel findet global statt; seine Schwerpunktmärkte liegen längst nicht mehr in Deutschland oder Europa“, sagte er. Es sei daher grundfalsch, ein Sonderrecht nur für deutsche Firmen zu schaffen.
Schlechte Politik statt Dürre – die tatsächlichen Gründe von Hungersnot
Hoffmann fürchtet, dass Müller ein Eigentor schießt: „Die kostenintensive Bürokratie wird das zarte Pflänzchen des Handels mit Entwicklungsstaaten zertrampeln und das Engagement der deutschen Mittelständler angesichts angedrohter Strafen auf Null zurückfahren“, erwartet er. Der Verband Textil + Mode etwa reagierte bereits enttäuscht auf die Drohung mit einem Gesetz: Das untergrabe die Bemühungen der Industrie im Textilbündnis. Eine komplette Kontrolle der Lieferketten durch Firmen im Ausland sei gar nicht möglich.
Hoffmann warf Müller vor, zu wenig Druck auf Regierungen mittels Entwicklungsgeldern auszuüben. „Die Despotenhilfe muss aufhören“, verlangte er. Es gelte, auf europäischer Ebene einen multilateralen Ansatz für Sanktionen zu schaffen, um gute Regierungsführung und Menschenrechte durchzusetzen, verlangte Hoffmann".
"Handelsblatt zu Müllers Drohung"
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21.12.2018 14:18
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UN sieht soziale Situation in Deutschland kritisch
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Die Vereinten Nationen sehen in Deutschland die Menschenrechte der Schwächsten unserer Gesellschaft verletzt. Explizit benannt werden Alte, Alleinerziehende und Arme. „Beschämend“ finden das die Sozialverbände.
Der UN-Sozialrat wirft Deutschland starke Mängel bei der Umsetzung der sogenannten sozialen Menschenrechte vor. Ein Beispiel: Zahllose ältere Menschen lebten „unter entwürdigenden Bedingungen“, unter anderem in bestimmten Pflegeheimen.
Nachzulesen ist dies im neuen Staatenbericht des Gremiums, aus dem vorab unter anderem die „Neue Osnabrücker Zeitung“ zitiert. Wie schon im Report vor fünf Jahren wird die Deutsche Regierung angemahnt, „unverzüglich“ mehr Geld für die Ausbildung von Pflegern bereitzustellen sowie Pflegeheime „häufiger und gründlicher“ zu kontrollieren.
Doch nicht nur die Lage vieler alter Menschen sei prekär, sondern auch die von Kindern und Niedriglöhnern, heißt es weiter. Laut dem Dokument des Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte lebten in Deutschland 2,55 Millionen Kinder (knapp 20 Prozent) in Armut, der Großteil von ihnen bei nur einem Elternteil.
Das Gremium beklagt insbesondere mangelnde Informationen und bürokratische Hürden, die verhinderten, dass Eltern die ihnen zustehenden Leistungen in Anspruch nehmen. Überdies bezweifelten die Experten, dass die Leistungen vom Kindergeld über Kinderzuschlag bis zum Teilnahmepaket ausreichten, „um den grundlegenden Bedarf zu decken“.
Der Sozialrat befürchte zudem, „dass die Höhe der Grundsicherung nicht ausreicht, um den Empfängern und ihren Familien einen ausreichenden Lebensstandard zu ermöglichen“. Gefordert werde eine Anhebung der Grundsicherung sowie ein Stopp von Leistungskürzungen bei Pflichtverletzungen von Hartz-IV-Empfängern.
„Das Existenzminimum muss erhalten bleiben“, zitiert die Zeitung aus dem Report. Besorgt seien die Autoren auch darüber, dass 1,2 Millionen Beschäftigte trotz Jobs auf Sozialleistungen angewiesen seien. Sie forderten einen höheren Mindestlohn.
Auch zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung macht der Ausschuss einige Anmerkungen. Unter anderem empfiehlt er, sicherzustellen, dass subsidiär Schutzberechtigte ihre Familie nachholen können, „auch durch Aufhebung der Begrenzung von 1000 Personen je Monat“. Zudem solle der Prozess des Familiennachzugs verbessert werden, etwa durch gestraffte Verfahren und den Abbau „praktischer und administrativer Hürden“.
Das Bundesarbeitsministerium antwortete auf die Vorwürfe und eine entsprechende Anfrage der Linke-Politikerin Sabine Zimmermann. Der Ausschuss habe in seinen Bemerkungen „keine Menschenrechtsverletzungen“ festgestellt, sondern gebe nur Empfehlungen zur Umsetzung des internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ab. Diese nehme die Bundesregierung „sehr ernst“. Im Januar sei ein erstes Treffen im Arbeitsministerium mit zivilgesellschaftlichen Gruppen geplant, um sich über die Umsetzung auszutauschen.
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10.09.2018 11:51
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Höchste Zeit für faire Steuern auf Digital-Weltkonzerne
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Warum zahlen globale Digitalunternehmen so wenig Steuern wie kein anderes Unternehmen und schon gar nicht wie viele Bürger?
Sven Giegold, Abgeordneter von Bündnis 90 / Die Grünen im EU-Parlament, erklärt, warum wir eine Digitalsteuer brauchen: „Digitalunternehmen wie Google und Apple zahlen in der EU durchschnittlich nur 9,5 Prozent Steuern auf ihre Gewinne. Andere international tätige Unternehmen dagegen 23,2 Prozent. Deshalb hat der französische Präsident Emmanuel Macron eine Digitalsteuer vorgeschlagen. Angela Merkel versprach Macron deutsche Unterstützung für eine EU-Einigung zur Digitalbesteuerung in der EU bis Ende des Jahres.
Doch nun ist ein Papier aus dem Leitungsstab des Bundesfinanzministeriums aufgetaucht. Es lehnt die Einführung der Digitalsteuer ab. Die „Dämonisierung der großen Digitalunternehmen“ sei „nicht zielführend“, berichten Medien aus dem vertraulichen Papier. Die Befürworter der Digitalsteuer wollen Google und Co. nicht dämonisieren, sondern zu einem fairen Steuerbeitrag verpflichten.
Die Wertschöpfung der großen digitalen Konzerne ist meist immateriell und deshalb einem Land nicht so eindeutig zuzuordnen wie der Umsatz des lokal verwurzelten Einzelhandels. Multinationale Digitalkonzerne können ihre Gewinne deshalb dorthin buchen, wo die niedrigsten Steuern anfallen. Deshalb brauchen wir diese Steuer: Mit einer am Umsatz orientierten Digitalsteuer sollte ein Teil der enormen Gewinne den europäischen Bürgern zugutekommen. Der unfaire Wettbewerb zwischen lokalem Einzelhandel und globalem Digitalhandel muss beendet werden.
Mit seinem Vorstoß düpiert Finanzminister Olaf Scholz den französischen Präsidenten, der die Digitalsteuer zu seiner Priorität gemacht hat, und Sozialdemokraten in ganz Europa. Scholz hatte in den letzten Monaten bereits die Finanztransaktionssteuer zu einer Börsenumsatzsteuer reduziert und die länderbezogene Steuertransparenz von Großunternehmen abgelehnt. Das Dementi von Olaf Scholz’ Sprecher zur „Bild“-Meldung ist unglaubwürdig. Das interne Papier, das auffordert, die Digitalsteuer zu „verhindern“, trägt Scholz‘ Unterschrift.
Mir scheint: In der Steuerpolitik ist dem Finanzminister das Gerechtigkeitsgefühl abhandengekommen. Scholz muss den Kampf gegen Steuerdumping und Finanzkriminalität endlich zu einer Priorität machen. Für eine Einigung bis Ende des Jahres braucht es jetzt unmissverständliche Unterstützung der Bundesregierung für die EU-Digitalsteuer. Die Digitalisierung darf nicht jenseits des Gemeinwohls stattfinden“. Offenbar steht Deutschland mal wieder wie bei Autoabgasoberwerten und bei der Finanztransaktionssteuer auf der Bremse. Oft sieht sich die deutsche Politik gern als Avantgarde Europa. Bei diesen Themen ist Deutschland das Bremserhäuschen, das die Fairness in Europa erschwert.
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13.08.2018 18:25
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Textilbündnis: Das Ende der Freiwilligkeit
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Das Textilbündnis soll Textilarbeiterinnen in Billiglohnländern mehr Sicherheit bringen - bislang mit mäßigem Erfolg. Alle Vereinbarungen waren freiwillig. Das soll sich nun ändern. Vermeldet das ARD-Hautstadtstudio wie folgt:
"Fünf Paar Socken für drei Euro, ein T-Shirt für 2,50 Euro. An solchen Kampfpreisen hat sich nichts geändert seit dem Einsturz der Rana Plaza Textilfabrik in Bangladesch im April 2013. Die Bilder des Unglücks mit mehr als 1100 toten Arbeiterinnen gingen um die Welt. Die Textilbranche musste sich mehr denn je Fragen zu ihrer Verantwortung für solche Produktionsbedingungen gefallen lassen.
Textilbündnis wird verbindlicher: Deutschlands Bundesentwicklungsminister Gerd Müller initiierte daraufhin 2014 das sogenannte Textilbündnis. Die Idee: Die Textilbranche hierzulande sollte gemeinsam mit Gewerkschaften und NGOs Standards entwickeln, um die Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben in Bangladesch, Indien oder China zu verbessern.
Konkret heißt das im Textilbündnis: Produzenten sollen ihre Zulieferer systematisch erfassen. Für diese sollen dann bestimmte Sozialstandards gelten. Zudem gibt es Regeln für den Einsatz von Chemikalien. Und: Der Anteil von nachhaltigen Naturfasern und Biobaumwolle soll schrittweise wachsen.
Bisher galt das Prinzip der Freiwilligkeit, die Unternehmen konnten sich selbst Ziele setzen. Aber nun wird das Textilbündnis verbindlicher. Es gibt verpflichtende Ziele, zudem müssen die Unternehmen sogenannte Roadmaps veröffentlichen, wie sie die Vorgaben erreichen wollen. Seit heute sind die ersten 60 Roadmaps einsehbar.
Beispiel Otto Group: Sie will für selbstbeschaffte Textilien bis 2020 ausschließlich nachhaltig produzierte Baumwolle verwenden. Zudem sollen Zulieferer dazu gebracht werden, bestimmte Chemikalien nicht mehr einzusetzen. Beispiel Tchibo: Das Unternehmen unterstützt unter anderem ein Projekt, das gegen Zwangs- und Kinderarbeit vorgeht. Zudem soll die eingesetzte Menge an Chemiefasern erfasst werden.
Das klingt kleinteilig und ist es auch. Aber je verbindlicher, desto ernster wird die Arbeit des Textilbündnisses. Seit Anfang des Jahres haben rund 20 kleinere Firmen das Textilbündnis wieder verlassen - sei es, weil sie keine konkreten Zusagen geben wollen oder weil ihnen die Erstellung der Roadmaps zu aufwändig ist. Viele große der Branche sind aber nach wie vor dabei - etwa C&A, H&M oder KiK.
Nicht beteiligt ist aber Zalando. Das Unternehmen verweist auf Anfrage auf einen eigenen Verhaltenskodex und Beteiligung an einem internationalen Bündnis. Kaufhof betont ebenfalls, eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie zu verfolgen.
Textilbündnis steht für knapp 50 Prozent der Branche: Insgesamt steht das Textilbündnis für knapp 50 Prozent der Branche gemessen am Gesamtumsatz hierzulande. Erklärtes Ziel des Entwicklungsministeriums ist es, 75 Prozent der Branche zu erfassen. Die Austritte der letzten Monate sind dahingehend ein Rückschlag. Die Spreu trenne sich nun vom Weizen, sagt Jürgen Janssen, der Leiter des Textilbündnisses. Aus Sicht von Maria Flachsbarth, der Staatssekretärin im Entwicklungsministerium ist das Glas halb voll und nicht halb leer: "In vier Jahren haben wir viel erreicht."
Kritischer äußern sich viele der am Bündnis beteiligten Organisationen: Kathrin Krause von der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert gesetzliche Vorgaben statt freiwilliger Zusagen. Deren Einhaltung sei bisher kaum zu überprüfen. Und: Wenn sich nur die Hälfte der Branche beteilige, hätten die anderen Firmen praktisch einen Freifahrtschein.
Christiane Schnura von der Kampagne "Saubere Kleidung" betont, dass sich für Näherinnen in Bangladesch kaum etwas spürbar verbessert habe. In Sachen Sozialstandards und existenzsichernde Löhne gäbe es kaum Fortschritte, sagt Katharina Edinger von der Organisation "Femnet". Gewerkschaften vor Ort würden an ihrer Arbeit gehindert.
Auch der DGB beteiligt sich am Textilbündnis. "Wir probieren das aus und werden sehen, wie weit wir kommen", sagt Frank Zach, der zuständige Referatsleiter. Deutschland sei ein wichtiger Absatzmarkt, der Druck machen könne. "Besser wäre es aber, europaweit Mindeststandards zu entwickeln - etwa zusammen mit den Niederlanden und Frankreich." Vor allem internationaler Druck habe nach dem Einsturz der Rana Plaza-Fabrik dafür gesorgt, dass der Gebäude- und Brandschutz in Bangladesch heute deutlich höher seien.
Einig sind sich alle Beteiligten: Das Textilbündnis werde nur in sehr kleinen Schritten Verbesserungen bringen. Von Kampfpreisen müssen sich die Händler noch lange nicht verabschieden".
Wenn das Textilbündnis endlich verbindlicher wird, kommt auch die Fairness - wenigstens ein wenig - in der Textilbranche voran.
"ARD zum Textilbündnis 2018"
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07.05.2018 13:33
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Die Ausbeutung von Mensch und Umwelt durch Unternehmen stoppen
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So geht der Weltladentag am 12. Mai mit der Kampagne „Mensch. Macht. Handel. Fair.“ in die nächste Runde. Nach dem Motto „neue Bundesregierung, neue Chance“ fordern das Forum Fairer Handel und der Weltladen-Dachverband nachdrücklich die Mitglieder des Bundestages auf, Menschen- und Arbeitsrechte weltweit verbindlich zu schützen. Diese Forderung untermauern die Weltläden mit einer bundesweiten Unterschriftensammlung für eine gesetzliche Unternehmensverantwortung. "Video - Stimmen zur Kampagne" Bis zum Welttag für menschenwürdige Arbeitsbedingungen am 7. Oktober zählt jede Unterschrift!
„Menschenrechtsverletzungen stellen im globalen Wirtschaftssystem keine Ausnahme dar. Oft speisen sich Unternehmensgewinne systematisch aus menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen und niedrigen Umweltstandards“, kritisiert Andrea Fütterer, Vorstandsvorsitzende des Forum Fairer Handel. Der fünfte Jahrestag der Katastrophe von Rana Plaza am 24. April erinnerte jüngst schmerzhaft an diese Ungerechtigkeit. Wenn Unternehmen im Ausland die Rechte von Arbeiter*innen verletzen, die lokale Bevölkerung von ihrem Land vertreiben oder Schäden für Umwelt und Gesundheit verursachen, bleibt dies für sie häufig ohne rechtliche Folgen. Betroffene finden weder vor Ort in ihrer Heimat noch in den Herkunftsländern der Unternehmen Rechtsschutz und Wiedergutmachung.
„Die deutsche Politik hat in den letzten Jahren viele Möglichkeiten verpasst, die Ausbeutung von Mensch und Umwelt bei der Herstellung unserer Alltagsprodukte zu stoppen und verbindliche menschenrechtliche Vorgaben für Unternehmen zu beschließen“, erklärt Anna Hirt, Kampagnenreferentin beim Weltladen-Dachverband. Auch deutsche Unternehmen sind immer wieder an Menschenrechtsverletzungen im Ausland beteiligt oder profitieren finanziell davon. Dabei hat sich Deutschland dazu verpflichtet, weltweit für sozial- und umweltverträgliche Produktionsweisen zu sorgen. „Das ist ein eklatanter Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit“, betont Fütterer.
Vor diesem Hintergrund sammeln die Weltläden in ganz Deutschland ab dem 12. Mai – dem Weltladentag, der zugleich World Fair Trade Day ist – Unterschriften für eine gesetzliche menschenrechtliche Sorgfaltspflicht für Unternehmen. Diese werden am 7. Oktober, anlässlich des Welttags für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, an die Bundestagsabgeordneten in den jeweiligen Wahlkreisen übermittelt. Die Aktion knüpft auch an die Kampagne „Visionen des Fairen Handels zur Bundestagswahl 2017“ an. In deren Rahmen haben 65 Weltläden Kontakt zu etwa 160 Kandidat*innen aufgenommen. Davon wurden 80 Personen im Herbst in den Bundestag gewählt. Genau diese Abgeordneten spricht die Kampagne „Mensch. Macht. Handel. Fair“ in diesem Jahr erneut an. „Die große Mehrheit dieser Parlamentarier*innen sagte zu, sich für die politischen Forderungen des Fairen Handels in ihrer Zeit im Bundestag einzusetzen. Wir nehmen sie nun beim Wort und fordern die Umsetzung ein!“, so Anna Hirt vom Weltladen-Dachverband zur Zielsetzung der Kampagne.
"Zu Anliegen und Hintergrund der Kampagne"
"Finden Sie den Weltladen für Ihre Unterschrift hier"
"Zum Magazin Weltladen - fair einkaufen"
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19.04.2018 18:30
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"Wo Bio draufsteht, muss Bio drin sein" - neue EU-Regeln
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Der Hunger auf Öko-Lebensmittel wächst. Aber ist Bio auch wirklich immer Bio? Gegen den Etikettenschwindel hat die EU neue Regeln gebilligt: Zukünftig gibt es strengere Kontrollen bei Produktion und Import.
Mit neuen Regeln für den Öko-Landbau will die EU künftig Etikettenschwindel bei Bio-Lebensmitteln weiter eindämmen. Das EU-Parlament billigte mit großer Mehrheit eine entsprechende neue Verordnung. Sie sieht strengere Kontrollen vor, die künftig neben der Produktion auch die Lieferkette abdecken sollen. Bei importierten Bio-Lebensmitteln aus Drittländern sollen die EU-Regeln strikter eingehalten werden. Auch müssen Bio-Landwirte darauf achten, dass ihre Produkte nicht mit Pestiziden oder anderen Chemikalien verunreinigt werden.
Regeln sollen 2021 in Kraft treten Vertreter des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten hatten sich bereits im Juni 2017 nach jahrelangem Streit auf die Neuordnung geeinigt. Formal muss nun noch der Rat der Mitgliedsländer zustimmen, bevor die Regeln 2021 in Kraft treten sollen. "Wo Bio draufsteht, muss Bio drin sein", sagte der Grünen-Abgeordnete Martin Häusling, der über die neue Verordnung mitverhandelt hatte. Das neue Gesetz mache Bio-Siegel zu einer echten Marke für Qualität und schaffe Vertrauen bei Kunden, Bio-Landwirten und den Bio-Lebensmittelherstellern.
Mehr Hunger auf Bio-Produkte
Die Produktion von Öko-Lebensmitteln ist in der Europäischen Union in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Deutschland ist unter den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch. Im Jahr 2013 gab jeder Deutsche durchschnittlich 93 Euro für Bio-Nahrung aus. Ökologische Landwirtschaft findet sich bisher jedoch nur auf etwa sieben Prozent der Weiden und Felder der EU.
Der steigende Hunger auf Öko-Produkte wird durch mehr Importe gestillt. Für diese Einfuhren sollen mit dem neuen Gesetz künftig strengere Regeln gelten. Auch Bio-Produkte aus dem außereuropäischen Ausland sollen eins zu eins den EU-Standards entsprechen. Lebensmittel, die davon abweichen, sollen nach Inkrafttreten der Verordnung nur noch fünf Jahre lang importiert werden dürfen. Ausnahmen kann es geben, falls Versorgungsengpässe drohen. Gefahr durch Pestizide des Nachbarn
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft lobt die neue Verordnung als ein Fundament, aus dem ein gutes Bio-Recht werden könne. Zentrale Regeln müssten allerdings noch ausgearbeitet werden, erklärte Geschäftsführer Peter Röhrig. Kritisch sieht er die Tatsache, dass Landwirte künftig ihr Bio-Label verlieren können, wenn ihre Produkte mit Chemikalien verunreinigt sind.
Ökobauern dürften nicht für die Pestizidanwendungen ihrer Nachbarn haften, betont Röhrig. Die sozialdemokratische Europaabgeordnete Maria Noichl sieht durch diese Kontaminationsregel gar die Gefahr, dass der Bio-Sektor in die "Nische zurückgedrängt" werden könnte. Die Herstellung ökologischer Lebensmittel sei "unter einer Käseglocke nicht möglich", sagt Noichl. Mit den neuen Regeln müssten Bauern für die Pestizide gerade stehen, die auf dem konventionellen Nachbarhof eingesetzt würden.
"Das schreibt die ARD Tagesschau dazu"
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10.04.2018 15:03
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Deutschland rechnet sich seine Entwicklungszusammenarbeit fair
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Dürftiges Engagement in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und miese Tricks beim Schön- und Fairrechnen der Leistungen. Das nennt man 'Ver-Rechnung' statt Fair-Rechnung. Deutschland steht entwicklungspolitisch schlecht da. Es ist im Blick auf Entwicklungszusammenarbeit schlicht unfair. Südwind schreibt: „Der Entwicklungsausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat gestern die aktuellen Zahlen zur öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (ODA) bekannt gegeben. Ganz im Gegensatz zu Ländern wie Schweden, Luxemburg, Norwegen, Dänemark oder Großbritannien ist Deutschland dem international vereinbarten Ziel, 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungszusammenarbeit auszugeben, mal wieder nicht nachgekommen. Das SÜDWIND-Institut kritisiert das fehlende Engagement und fordert die neue Bundesregierung auf, Worten Taten folgen zu lassen und endlich einen angemessenen Beitrag zur Förderung nachhaltiger Entwicklung zu leisten. Im Jahr 2017 wurden insgesamt 146,6 Mrd. US-Dollar für die Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben. Nach Jahren eines leichten Anstiegs gingen damit zum ersten Mal seit 2012 die gesamten ODA-Leistungen wieder zurück (0,6 %). Zurückzuführen ist dies auf die mittlerweile sinkenden Kosten für die Flüchtlingspolitik, die paradoxerweise als Beitrag zur internationalen Entwicklungszusammenarbeit angerechnet werden.
So konnte die Bundesrepublik im Jahr 2016 das 0,7 %-Ziel auch nur aufgrund der hohen Ausgaben in der Flüchtlingspolitik erreichen, „ein schlechtes Zeugnis für ein Land wie Deutschland, das Jahr für Jahr neue steigende Exporteinnahmen meldet“, sagt Dr. Pedro Morazán, Entwicklungsexperte bei SÜDWIND und Delegierter des Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) beim europäischen Dachverband CONCORD. Morazán ergänzt: „Derzeit stammen mehr als 20 % der von Deutschland gezahlten Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit aus dem Bereich der Flüchtlingspolitik. Das sind Gelder, die den Entwicklungsländern damit nicht mehr zur Verfügung stehen. Es werden zwei Politikfelder gegeneinander ausgespielt, die eigentlich aufeinander aufbauen sollten - ein Armutszeugnis für ein wirtschaftlich expandierendes Land wie Deutschland!“
Ein weiteres Problem ist, dass immer mehr Gelder der Entwicklungszusammenarbeit in Form von Krediten vergeben werden. „Einige OECD-Länder wickeln mehr als 25 % ihrer Entwicklungszusammenarbeit als Kredite und nicht als Zuschüsse ab“, meint Irene Knoke, Entwicklungsexpertin bei SÜDWIND. „Schon heute hat sich die Verschuldung vieler Länder wieder deutlich verschlimmert. Wenn dann auch noch immer mehr Kredite in der Entwicklungszusammenarbeit vergeben werden, wird das nicht zur Entspannung der Situation beitragen.“
Die Zahlentricks zur Verschönerung der ODA-Zahlen sind keine gute Visitenkarte für die internationale Konferenz für Entwicklungsfinanzierung, die Ende des Monats in New York stattfindet. Dort sollen Regierungen aller Welt und internationale Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit gemeinsam über die Fortschritte bei der Finanzierung der Agenda 2030 diskutieren. SÜDWIND ruft die Bundesregierung dazu auf, im Vorfeld der Konferenz ein starkes Signal zu setzen. „Ohne eine erhebliche reale Steigerung der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit ist eine Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele der Agenda 2030 in den verbleibenden zwölf Jahren nicht denkbar“, fasst Pedro Morazán zusammen. „Diese Mittel müssen aber klar und erkennbar auch dorthin fließen, wo sie zur Umsetzung der Agenda 2030 in den Ländern des Globalen Südens beitragen.“ Ob sich die Bundesregierung zu einer fairen Entwicklungszusammenarbeit durchringen kann?
"Südwind-Institut zur 0,7-Prozent - Trickserei"
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13.03.2018 14:00
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Wem ist klar, was drin ist?
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„Bei den zahllosen Angeboten unserer globalisierten und digitalisierten Welt den Überblick zu behalten, Rechte zu kennen und durchzusetzen, ist für Verbraucher eine immer größere Herausforderung. Die Politik muss klare Regeln schaffen, damit sich die Verbraucher in allen Alltagsbereichen sicher fühlen. Die Bundesregierung hat in der letzten Wahlperiode diese Verantwortung nicht ernst genommen und Verbraucher alleingelassen“, schreiben Renate Künast und Tabea Rößner in ihrem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau am 12.2.2018. Sie haben Recht. Fairness im Markt und für die Verbraucher sieht anders aus als was Politik und Konzerne bewerkstelligen.
Die Autorinnen nennen das „Beispiel Supermarkt: Die Einführung eines Tierwohllabels sollte das große Aushängeschild von Minister Schmidt werden. Das allerdings gibt es immer noch nicht. Stattdessen führen Supermärkte eigene Kennzeichnungssysteme ein. Das Ergebnis: Die unterschiedlichen Labels sind kaum zu durchschauen und nicht vergleichbar – kein Mehrwert also für die Verbraucher.
Dasselbe Dilemma bei der Nährwertkennzeichnung: Jahrelang haben Minister der Union eine einheitliche Nährwertampel als Bevormundung abgestempelt und blockiert. Mittlerweile setzen sich die großen Lebensmittelkonzerne selbst für eine Ampelkennzeichnung ein.
Das aber ist eine Mogelpackung, denn sie fordern eine portionsbezogene Bewertung. Damit können Hersteller mit kleinen Portionsgrößen rote Kennzeichnungen ganz einfach umgehen. Die Folge: Ungesunde Lebensmittel sind weiterhin nicht auf den ersten Blick erkennbar, unrealistische Portionsgrößen und keinerlei Vergleichbarkeit der Produkte.
Die Freiwilligkeitsgläubigkeit der letzten Bundesregierung hat nicht den Verbrauchern, sondern vor allem den Unternehmen genutzt. Sie hat mit Runden Tischen und Branchengesprächen auf Eigenverantwortung und Selbstregulierung der Wirtschaft gesetzt, etwa mit dem Bündnis für nachhaltige Kleidung oder der Umsetzung der internationalen Leitprinzipien für Menschenrechte. Dabei konnte sich die Wirtschaft mit eigenen Kampagnen profilieren, den Verbrauchern wurde mit Unmengen von Labels und fehlender Transparenz die Verantwortung für gesellschaftlich gewollte Entwicklungen zugewiesen.
Viele Verbraucher wollen Tierschutz, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Menschenrechte voranbringen. Damit sie ihre Kaufentscheidung im Sinne nachhaltiger und fairer Arbeits- und Produktionsweise auch treffen können, muss Verbraucherpolitik ihnen Transparenz und Wahlfreiheit ermöglichen. Transparenz entsteht aber nicht automatisch durch möglichst viele Herstellerinformationen, sondern erfordert – je komplexer die Produkte und unsere Warenwelt sind – einheitliche Regeln und Gestaltung. Diesem politischen Gestaltungsauftrag hat sich die Bundesregierung verweigert.
Das muss sich ändern. Das gilt auch für die digitale Verbraucherwelt. Algorithmen bestimmen, wer wie viel zahlt, welche Werbung angezeigt wird und welche Kreditbedingungen gelten. Je nach Wohnort und Endgerät können Produkte unterschiedlich teuer sein. Hier sind klare Regeln gegen Diskriminierung und für Transparenz nötig.
Ebenso beim Datenschutz: Persönliche Informationen sind heute Handelsware. Verbraucherpolitik muss dafür sorgen, dass europäische Grundsätze wie voreingestellter Datenschutz auch umgesetzt werden. Beispielsweise indem Standards und Gütezeichen geschaffen und zur Voraussetzung gemacht werden. Damit das neue Smart-TV eben nicht permanent personenbezogene Daten wie die IP-Adresse erfasst und weitergibt, ohne dass die Verbraucher es wissen.
Wo die Politik zu eng mit der Wirtschaft agiert und Leerstellen lässt, sind Verbraucher die Verlierer. Das zeigt der Dieselskandal sehr deutlich. Die Bundesregierung hat weggeschaut, als die Autohersteller ihre eigenen Regeln zur Abgaskontrolle aufgestellt und Dieselbesitzer beim Schadstoffausstoß ihrer Autos betrogen haben.
Nun müssen die Autobesitzer Fahrverbote befürchten. Dabei sind nicht sie, sondern die Hersteller Verursacher des Schadens. Daher muss die Bundesregierung diese in die Pflicht nehmen, für den Schaden aufzukommen. Sie muss Nachrüstungen auf Kosten der Autoindustrie durchsetzen und die Gruppenklage endlich einführen, damit Verbraucher in Zukunft gemeinsam gegen Unternehmen klagen können.
John F. Kennedy hat vor mehr als 55 Jahren vier grundlegende Verbraucherrechte formuliert: Das Recht auf Sicherheit, das Recht auf Information, das Recht auf Wahlfreiheit und das Recht, gehört zu werden. In dieser globalisierten Welt ist genau das wichtiger denn je: das Recht, zu wissen, wer es produziert hat und was drin ist“.
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22.01.2018 10:04
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Menschenrechte 2018: Kampf gegen Rechtspopulismus kann gelingen
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Der autoritäre Populismus kann in die Schranken gewiesen werden, wenn führende Politiker bereit sind, sich für die Menschenrechte einzusetzen, so Human Rights Watch im heute veröffentlichten World Report 2018. Der Bericht gibt einen Überblick über die Menschenrechtslage im vergangenen Jahr. Gemeinsam mit einer engagierten Öffentlichkeit und durchsetzungsfähigen multilateralen Akteuren haben führende Politiker bewiesen, dass der Aufstieg menschenrechtsfeindlicher Regierungen nicht unvermeidbar ist.
Der 643-seitige World Report, der in diesem Jahr zum 28. Mal erscheint, fasst die Menschenrechtslage in mehr als 90 Ländern weltweit zusammen. "World-Report 2018"
In der Einleitung schreibt der Executive Director von Human Rights Watch, Kenneth Roth, dass sich der immer weiter ausbreitende Populismus aufhalten lässt, wenn Entscheidungsträger Widerstand leisten und sich gegen die Dämonisierung von Minderheiten, die Infragestellung der Menschenrechte und die Angriffe auf demokratische Institutionen zur Wehr setzen. Wenn etablierte Politiker jedoch vor der Botschaft des Hasses und der Ausgrenzung kapitulieren, können Populisten Erfolg haben.
„Das zurückliegende Jahr hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, Widerstand zu leisten, wenn Demagogen die Menschenrechte bedrohen“, so Roth. „Im kommenden Jahr feiern wir den 70. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Um die darin verankerten Prinzipien zu würdigen, müssen wir sie gegen all jene verteidigen, die sich politische Vorteile verschaffen wollen, indem sie Randgruppen ihrer Rechte berauben.“
Demagogen benutzen die wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen infolge der Globalisierung und des technologischen Fortschritts, die Angst vor kulturellen Veränderungen durch die gestiegene Mobilität und die Bedrohung durch Terroranschläge, um Fremdenhass und Islamfeindlichkeit zu schüren. Sie attackieren die Werte der Toleranz, des Respekts und der Einbindung verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen, die den Kern der Menschenrechte bilden. Die Verfechter des autoritären Populismus versuchen, ihre eigennützige Interpretation des Mehrheitswillens an die Stelle der Demokratie zu setzen, in der die Befugnisse der gewählten Regierung durch Bürgerrechte und das Rechtsstaatsprinzip eingeschränkt sind.
Frankreich war das deutlichste Beispiel für den erfolgreichen Widerstand gegen Fremdenfeindlichkeit und Populismus. In Österreich und den Niederlanden versuchten Spitzenpolitiker hingegen, mit den Populisten Schritt zu halten, indem sie sich deren fremden-, migranten- und islamfeindliche Positionen zu eigen machten. Damit trugen sie eine rechtswidrige, populistische Politik in die Mitte der Gesellschaft. Emmanuel Macron wählte einen anderen Ansatz: Er bekannte sich zu demokratischen Prinzipien und trat dem Wahlkampf des Front National, der von Hass gegen Muslime und Migranten geprägt war, entschlossen entgegen. Macron steht nun vor der Herausforderung, in seiner Regierungsarbeit denjenigen Prinzipien treu zu bleiben, die er selbst propagiert hat. Seine ersten Monate im Amt zeichnen ein durchwachsenes Bild, sowohl international wie im Innern. Insbesondere Macrons Antiterrorpolitik und die Zurückhaltung während seines China-Besuchs geben Anlass zur Sorge.
In den USA betrieb Donald Trump nach seinem Wahlsieg eine Politik, die sich gegen Einwanderer richtete, ethnische Konflikte schürte und den Drogenkrieg wieder aufleben ließ. Daraufhin bekräftigten Akteure verschiedenster Lager ihre Unterstützung für die Menschenrechte und es regte sich breiter Widerstand gegen Trumps Vorhaben, insbesondere durch Massenorganisationen, Bürgerrechtsgruppen, Journalisten, Anwälte, Richter und sogar einige Parteikollegen Trumps.
In Ostmitteleuropa stießen populistische Regierungen ebenfalls auf Gegenwehr. In Polen führten die Versuche der Regierung, den Rechtsstaat und die Unabhängigkeit der Justiz zu schwächen, zu Massenprotesten und heftiger Kritik von Seiten der EU und des Europarats. In Ungarn wurde der Plan der Regierung, die Central European University zu schließen, vorerst vereitelt, nachdem die EU mit rechtlichen Schritten gedroht hatte und das Vorhaben international verurteilt wurde. Die Universität ist eine Bastion des unabhängigen Denkens und steht in Opposition zu der von Premierminister Viktor Orbán propagierten „illiberalen Demokratie“.
In Venezuela kam es zu Protesten gegen Präsident Nicholás Maduro, der die Demokratie und Wirtschaft des Landes zu zerstören drohte. Viele lateinamerikanische Staaten legten ihre übliche Zurückhaltung ab, wenn es darum geht, Kritik an Nachbarstaaten zu üben, und erhöhten den Druck für Menschenrechtsreformen in Venezuela.
Der Women‘s March in den USA entwickelte sich zu einem globalen Phänomen und brachte Millionen Menschen für die Frauenrechte auf die Straße. Bereits vor der Entstehung der #MeToo-Bewegung hatte Kanada die Geschlechtergleichheit ins Zentrum seiner Entwicklungshilfe gestellt. Frankreich kündigte neue Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt und sexuelle Belästigung an. Tunesien, Jordanien und der Libanon schafften Gesetze ab, die es Vergewaltigern ermöglicht hatten, durch Heirat ihres Opfers einer Bestrafung zu entgehen. Die Regierungen Belgiens, der Niederlande und der skandinavischen Staaten machten sich für die Einrichtung eines internationalen Fonds stark, der die erwarteten Einschnitte in den US-Hilfsprogrammen für reproduktive Medizin kompensieren soll. Schweden verschrieb sich einer feministischen Außenpolitik.
Wo der Widerstand im Innern unterdrückt wurde und es an internationalem Interesse fehlte, konnten Populisten und andere menschenrechtsfeindliche Kräfte erstarken. So demontierte Präsident Recep Tayyip Erdogan das demokratische System der Türkei, während die EU in erster Linie versuchte, sich Erdogans Unterstützung bei der Bekämpfung der Migration nach Europa zu sichern. In Ägypten unterdrückte Präsident Abdel Fatah al-Sisi öffentliche Kritik, ohne nennenswerte Einmischung der USA oder der EU. Letztere akzeptierten Sisis Behauptung, er sorge für Stabilität. In China ging Präsident Xi Jinping hart gegen unabhängige Stimmen vor, während ausländische Regierung aus Angst, lukrative Verträge aufs Spiel zu setzen, schwiegen.
Zudem besteht die Gefahr, dass sich potentielle Verfechter der Menschenrechte immer weiter zurückziehen, insbesondere die USA, Großbritannien, das mit dem Brexit beschäftigt ist, und andere europäische Staaten, die mit dem wachsenden Einfluss fremdenfeindlicher Populisten zu kämpfen haben. Ihr Zögern hat ein Vakuum hinterlassen, in dem Massengräuel oft ungehindert voranschreiten können, etwa in Syrien, Burma, im Jemen und im Südsudan.
Einige kleinere und mittelgroße Staaten haben diese Lücke jedoch teilweise gefüllt. Während die westlichen Mächte die von Saudi-Arabien geführte Koalition im Jemen unterstützten, die dort Luftangriffe auf Zivilisten durchführte und durch eine Blockade von Hilfslieferungen Cholera und Unterernährung begünstigte, stellten sich die Niederlande an die Spitze der Initiative für eine UN-Untersuchung. Mit Unterstützung Kanadas, Belgiens, Irlands und Luxemburgs zwangen sie Saudi-Arabien schließlich, eine Untersuchungskommission zuzulassen. Diese wird die Konfliktparteien unter Druck setzen, das Völkerrecht zu achten. Die Niederlande verhängten zudem ein Waffenembargo gegen Saudi-Arabien, und Norwegen untersagte Waffenexporte in die Vereinigten Arabischen Emirate.
Da Russland im UN-Sicherheit die Strafverfolgung von Verbrechen in Syrien blockierte, gelang es Liechtenstein im Dezember 2016, ein breites Bündnis für eine Resolution in der UN-Vollversammlung zu schmi ieden. Diese stimmte schließlich mit 105 zu 15 Stimmen für die Einrichtung eines Mechanismus zur Beweissicherung und zum Aufbau von Fallakten für spätere Anklagen. Dies war ein wichtiges Bekenntnis zur Strafverfolgung der Kriegsverbrechen in Syrien.
„Die zentrale Lehre des vergangenen Jahres ist, dass sich die Menschenrechte erfolgreich gegen die Angriffe der Populisten verteidigen lassen“, so Roth. „Dafür ist eine prinzipientreue Verteidigung nötig, keine Kapitulation. Wir sollten nicht resignieren, sondern zum Handeln aufrufen.“
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08.12.2017 13:49
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Fairness auch in China gefragt?
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Der staatliche Auslandsrundfunk der Volksrepublik China (Cri) meldet Interesse an Fairness im Rechtssystem seitens der Bevölkerung, der Richter, Staatsanwälte und Anwälte sowie der Unternehmen und der kommunistischen Partei. Inwieweit der Sachverhalt zutrifft, lässt sich nicht objektiv überprüfen. Gleichwohl ist es äußerst bemerkenswert, dass Fairness als Wertorientierung überhaupt und im juristischen Kontext aktuell vorkommt. Beim Chri heißt es dazu:
>>Das juristische System in China wird momentan reformiert. Die Reform soll den Bedarf der Bevölkerung an juristischer Gerechtigkeit und das Sicherheitsgefühl der Chinesen verbessern.
Das geförderte „Verantwortungssystem der Justiz" gehört zu den Arbeitsschwerpunkten der genannten Reform. Zurzeit sind 85 Prozent der Mitarbeiter der Gerichte und Staatsanwaltschaften mit Fallbearbeitungen beschäftigt. 98 Prozent der Fälle werden von Richtern und Staatsanwälten behandelt.
Chen Junsheng, Vizedirektor des Büros für juristische Reformen beim Justizministerium, sagte:
„Wir treiben das Verantwortungssystem der Justiz voran. Ziel ist es, das Professionalisierung- und Standardisierungsniveau der Richter und Staatsanwälte zu erhöhen, um ungerechte Einmischung zu verhindern. Da die Zahl der Richter und Staatsanwälte gesunken ist, werden zuständige Beamte mit entsprechenden Fachkenntnissen für die Fallbehandlung eingesetzt. Seit der Umsetzung dieses Systems ist die Petitionsrate der Betroffenen deutlich gesunken. Die Bevölkerung ist sehr zufrieden mit den Urteilen."
Trotz großer Unterschiede zu Justizsystemen in Europa und den USA entspricht das chinesische Justizsystem den Gegebenheiten des chinesischen Staats. Chen Junsheng fügte hinzu, im neuen Zeitalter habe die chinesische Bevölkerung höhere Ansprüche an Demokratie, Rechtsverwaltung, Fairness, Gerechtigkeit und Sicherheit. Die Reform des juristischen Systems diene dazu, diese höheren Ansprüche der Bevölkerung zu befriedigen.
„Der Widerspruch zwischen dem Bedarf der Bevölkerung an juristischer Fairness und der ungenügenden juristischen Kompetenz und den geringen Ressourcen ist noch sehr groß. So muss unser geltendes Justizsystem reformiert werden. Es soll ein juristisches System etabliert werden, das dem Bedarf an juristischer Gerechtigkeit, der juristischen Gesetzmäßigkeit und den Erwartungen der Bevölkerung entspricht."
Die neue Reformrunde wurde 2013 in Gang gesetzt. Bis Oktober 2017 hat die zentrale Leitungsgruppe für umfassende Reformen insgesamt 38 Sitzungen einberufen. 48 betreffende Dokumente, die überprüft und angenommen wurden, werden nach und nach umgesetzt.
Mittlerweile gibt es in China bereits mehr als 26.000 Rechtsanwaltsbüros mit etwa 330.000 Rechtsanwälten. Allerdings deckt das die Nachfrage der Bevölkerung nicht. Eine wichtige Aufgabe des Justizministeriums ist daher, rasch ein öffentliches Service-System aufzubauen. Zurzeit werden Onlineportale, Telefon-Hotlines und Servicebüros in den Städten und Dörfern aufgebaut. Dazu sagte Chen Junsheng:
„Die Bevölkerung hat einen steigenden Bedarf an juristischen Dienstleistungen. Sie will korrekte, bequeme und schnelle juristische Hilfe. Wir müssen der Bevölkerung durch unsere Dienstleistungen ein größeres Sicherheitsgefühl bei der juristischen Fairness und Gerechtigkeit geben. Alle Staatsbürger müssen schnell auf derartige Dienstleistungen zugreifen können. Bis 2020 sollen sämtliche gesetzlichen Service-Systeme zu einem wissenschaftlichen, vollständigen und koordinierten System aufgebaut werden."<<
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29.09.2017 11:30
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Multimillionär verlangt mehr Fairness im Steuersystem zu seinen Lasten
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Ein Multimillionär packt aus und greift das deutsche Steuersystem massiv an. Da würde man normalerweise denken: er will weniger Steuern zahlen und findet das Steuersystem ihm gegenüber unfair. Doch das Gegenteil ist der Fall. Wie am 20. September 2017 um 22:45 Uhr ein Interview im Stern TV mit ihm beweist. Stern TV schreibe dazu: „Man kann Josef Rick getrost als superreich bezeichnen. Der Unternehmer aus Ratingen ist Multimillionär. Dass er vom Staat kaum belangt wird, sei ihm unklar, so der 61-Jährige. Ginge es nach ihm, würde er wesentlich mehr Steuern zahlen, Geringverdiener dafür gar keine.
"Ja!", sagt Josef Rick. "Wo kann man schon 95 Prozent seines Einkommens steuerfrei vereinnahmen?" Unternehmer, wie er, und andere Reiche zahlten hierzulande kaum Steuern - ganz legal. "Meine These ist: Einkommensmillionäre können ihren Steuersatz in Deutschland weitgehend selbst bestimmen", so Josef Rick, der jährlich mehr als eine Million Euro verdient und mindestens 30 Millionen auf der hohen Kante hat. Er gilt damit als "Superreicher".
Für stern TV hat Josef Rick seine Bücher einen Spalt geöffnet und erklärt, mit welchen völlig legalen Geschäften er auf seine geringen Steuersätze kommt. Als Geschäftsführer und Anteilseigner der Schäper + Rick GmbH baut, verwaltet und vermietet er Immobilien – vom Einfamilienhaus bis zum Hotel. Zu der Holding gehören zahlreiche Tochterfirmen, die je nach Bedarf gegründet, geschlossen oder mit Gewinn wieder verkauft werden. "Wenn ein Unternehmen ein anderes Unternehmen veräußert, ist der Gewinn daraus zu 95 Prozent steuerfrei." Darüber hinaus ermögliche es die vermögensverwaltende GmbH beispielsweise, auf Einkünfte aus weiteren Immobilienbesitzen und Vermietungen nur eine Körperschaftssteuer abzuführen. Nicht aber eine Gewerbesteuer, die andere Unternehmer wie Bäcker, Klempner oder Kaffeehäuser hingegen abführen müssten. Alle diese Möglichkeiten bedeuten für Josef Rick unterm Strich persönlich: "Ich bezahle in den letzten Jahren in Summe etwa 30 Prozent Steuern. Aber ich habe kein gutes Gefühl dabei. Es kann doch nicht sein, dass diejenigen, die ihr Einkommen - quasi leistungslos - aus Vermögen beziehen, sich den Vorgaben des Staates entziehen können."
Obwohl der 61-Jährige von diesem Privileg der Wohlhabenden profitiert, kritisiert er das deutsche Steuersystem. Die von der SPD geforderte Erhöhung des Spitzensteuersatzes gehe seiner Meinung nach an der Wirklichkeit vorbei. Rick glaubt, dass die Wohlhabenden bei einer besser durchdachten Besteuerung sogar das gesamte Steueraufkommen Deutschlands schultern könnten: "Man könnte die berühmte Krankenschwester, den Busfahrer, Feuerwehrleute, Paketdienstfahrer und Polizisten – also alle die, die durch Sozialbeiträge und Steuern erheblich belastet werden – weitgehend ganz von der Einkommenssteuer befreien. Indem man ein faires Besteuerungssystem für die Wohlhabenden entwickeln würde – mit vernünftigen Steuersätzen und einer breiten Bemessungsgrundlage. Das wäre mein Standpunkt: eine Frage der Ausgewogenheit und der Fairness."
So könnte sich der Steuersatz für Einkommensmillionäre wie ihn auf bis zu 45 Prozent belaufen, findet Rick. Voraussetzung sei, dass erst einmal alle Einnahmen und Einkommen zur Besteuerung erfasst werden müssten, steuerfreie oder minimal belastete Einkommen dürfe es für Wohlhabende wie ihn nicht mehr geben. Auch das Umsatzsteuer-Karussell großer Unternehmen koste den Staat Steuereinnahmen in Millionenhöhe. "Man kann das beeinflussen. Und ich finde, es ist allerhöchste Zeit, dass wir das tun. Denn die Leistungsträger, die unsere Gesellschaft zusammenhalten, die müssen entlastet werden, damit Leistung noch Spaß macht und damit man von dem, was man erarbeitet hat, einen halbwegs fairen Anteil für sein Privatleben übrig hat."
Eine Frage der Ausgewogenheit und der Fairness. Da hat die eventuell neue Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grüne zu tun, ein solches Steuersystem hinzubekommen. Es würde ihr zur Ehre gereichen und einen klaren Kontrapunkt setzen zu Donald Trumps Steuerreform- und Steuersenkungsprogramm für die Reichen in den USA. Ein faires, transparentes und einfaches Steuersystem propagiert die FDP schon seit Jahrzehnten. Darauf können sich CDU/CSU und Grüne mit ihnen sicher einigen. Wenn man zugrunde legt, was Multimillionäre Rick dazu sagt.
"Multimillionäre will mehr Steuern zahlen - Interview im Stern TV"
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03.01.2017 14:09
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Fairness bei Klimazielen oft Fehlanzeige
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Nicht fair genug sind die Klimaziele, die die Länder für das Paris-Abkommen hinterlegt haben. So urteilt eine Studie der University of Melbourne, die im Fachjournal Nature Climate Change erschienen ist. Nur bei gut einem Dutzend Staaten können die nationalen Klimapläne als vollauf fair bezeichnet werden, zeigt der Vergleich.
Das Klimaretter-Info schreibt: „Das Forscherteam legte fünf Kriterien zugrunde, um Fairness zu definieren. Dazu gehört beispielsweise die historische Verantwortung – betrachtet werden die kumulierten Emissionen. Fair ist demnach, wenn Länder, die in der Vergangenheit viel emittiert haben, in der Zukunft mehr reduzieren. Weitere Fairnesskriterien sind das Ziel gleicher Pro-Kopf-Emissionen für alle Menschen oder auch eine Lastenverteilung, die der Wirtschaftskraft der Länder entspricht.
Die Ergebnisse ihres Vergleichs haben die Forscher in zwei Karten aufbereitet: eine Karte "Grafik für 2- und 1,5-Grad Ziel" bezieht sich auf das Zwei-Grad-Ziel, die andere auf das 1,5-Grad-Limit. In beiden Fällen erfüllt nur ein gutes Dutzend der Länder alle fünf Kriterien – fast ausschließlich afrikanische Entwicklungsländer. Bezogen auf das 1,5-Grad-Ziel ist die klimapolitische Verantwortung besonders unfair verteilt.
Einige Länder erfüllen bei keinem Szenario auch nur ein einziges Kriterium. Dazu gehören China, Russland, Saudi-Arabien und die Türkei, aber auch Argentinien und Chile. Indien und die USA kommen beim Zwei-Grad-Szenario immerhin auf zwei Übereinstimmungen. Deutschland erreicht in beiden Szenarien nur eine Übereinstimmung“. Wird das in Paris beschlossene 1,5-Grad-Limit zum Maßstab genommen (wählen Sie den entsprechenden Reiter“, bleibt sehr viel weiß auf der Karte.
Für faire Klimapolitik ist noch extrem Luft nach oben.
"Zur Klimaretter-Info"
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10.11.2016 11:56
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Was Trump versprach, wird Unfairness fördern
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"Donald Trump versprach im Wahlkampf gewaltige Investitionen, Millionen neuer Jobs, eine knallharte Einwanderungspolitik", schreibt Spiegel Online. Und geht davon aus: "An diesen Aussagen werden ihn seine Wähler messen:
Gesundheitspolitik
Donald Trump will die Gesundheitsreform Barack Obamas schnellstmöglich kippen. Er setzt auf privaten Schutz, um den Wettbewerb unter den Anbietern zu fördern. Er sagte dazu am 29. Februar 2016 bei einer Wahlkampfveranstaltung in Bentonsville, Arkansas:
"Wir werden das Grauen, das als Obamas Gesundheitsreform bekannt ist, widerrufen und ersetzen. Es ist ein Grauen."
Jobs | Steuern | Außenhandel
Donald Trump hat getreu seinem Motto "Make America Great Again" versprochen, massiv Arbeitsplätze zu schaffen und das Wirtschaftswachstum in den USA deutlich zu steigern. Neue Jobs sollen etwa durch Investitionen in die Infrastruktur entstehen. Trump verkündete am Tag seiner Wahl, am 9. November 2016, in New York:
"Wir haben einen großartigen Wirtschaftsplan. Wir werden unser Wachstum verdoppeln und die stärkste Wirtschaft auf der ganzen Welt haben."
und weiter:
"Wir werden bei diesem Wiederaufbau Arbeitsplätze für Millionen von Menschen schaffen."
Im dritten Quartal 2016 wuchs das Bruttoinlandsprodukt der USA auf das Jahr hochgerechnet um 2,9 Prozent. Die Arbeitslosenquote in den USA liegt im langfristigen Vergleich niedrig, im September 2016 lag sie bei 5,0 Prozent; im Mai lag sie mit 4,7 Prozent auf dem tiefsten Stand seit 2007.
Trump trat im Wahlkampf für drastische Steuersenkungen ein - für die Bürger aller Einkommensklassen und Unternehmen. Er sprach von der größten "Steuerrevolution" seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 80er Jahren.
Die Einkommensteuer soll bei 33 Prozent für Großverdiener gedeckelt werden, Niedrigverdiener sollen über die Nutzung von Freibeträgen zum Teil keine Einkommensteuer zahlen.
"Mehr als 19 Billionen US-Dollar Schulden sind eine vernichtende Bürde für junge Amerikaner. Mit unseren Steuerplänen werden die Steuern für alle gesenkt."
Die Unternehmenssteuern will er von 35 auf 15 Prozent senken, um die Konzerne im internationalen Wettbewerb in eine bessere Position zu bringen. Zudem will Trump verhindern, dass Betriebe aus den USA ihre Produkte künftig im Ausland herstellen lassen. Per Presseerklärung verkündete er am 24. Mai 2016 zu diesem Thema:
"Wenn sie dass tun, wird ihnen verständlich gemacht, dass das Konsequenzen haben wird."
Er versprach auch:
"Amerikanische Autos werden über die Straßen fahren, amerikanische Flugzeuge werden die Städte verbinden, amerikanische Schiffe werden über die Meere patrouillieren, amerikanischer Stahl wird überall im Land neue Wolkenkratzer aufragen lassen."
Donald Trump stellte im Wahlkampf auch internationale Handelsabkommen in Frage:
"Ich werde (das transpazifische Handelsabkommen) TPP nicht unterzeichnen, und ich werde unseren NAFTA-Partnern sagen, dass wir umgehend über die Bedingungen des Abkommens verhandeln müssen, um bessere Konditionen für unsere Arbeiter auszuhandeln."
Einwanderung | Abschiebung | Mauerbau
Trump hat vor der Wahl immer wieder angekündigt, eine rund 3000 Kilometer lange, unüberwindbare Mauer an der Grenze zwischen den USA und Mexiko errichten zu wollen. So sagte er etwa auf einer Pressekonferenz in New York am 16. Juni 2015:
"Ich werde eine großartige Mauer bauen, und niemand baut bessere Mauern als ich, glauben Sie mir. Und ich werde sie sehr kostengünstig bauen. Ich werde eine großartige, großartige Mauer an unserer südlichen Grenze bauen, und ich werde Mexiko dazu bringen, den Mauerbau zu bezahlen."
Trump hat in der Vergangenheit auch immer wieder für die Abschiebung illegaler Arbeitskräfte plädiert. In einer Fernsehdebatte der Republikaner sagte er am 25. Februar 2016:
"Wir haben mindestens 11 Millionen Menschen im Land, die illegal eingereist sind. Sie werden gehen müssen. Sie werden zurückkommen. Einige - die besten - werden ein Verfahren durchlaufen und zurückkommen. Es mag kein ziemlich schnelles Verfahren sein, aber ich denke, das ist sehr fair und gut so."
Flüchtlinge, die im Zuge der Syrienkrise in die USA einreisten, sind in den USA des Donald Trump nicht erwünscht, sagte er ABC-News am 22. November 2015:
"Ich setze alle Menschen, die im Rahmen dieser Massenintegration aus Syrien hierherkommen, darüber in Kenntnis: Wenn ich [die Wahlen] gewinne, gehen sie zurück."
Kampf gegen Terror und IS | Ausgrenzung
Donald Trump hat vor der Wahl immer wieder über einen Plan zur Bekämpfung des IS gesprochen, Details nennt er jedoch nicht. In einem Wahlwerbespot vom 18.November 2015 sagt er:
"Ich werde den IS schnell und entschieden in die Hölle bomben."
Auch zur Frage, wie mit Terrorverdächtigen umzugehen sei, und wie er zu Folter steht, hat sich Trump in der Debatte der republikanischen Präsidentschaftskandidaten am 6. Februar 2016 explizit geäußert. Er sagte:
"Im Mittleren Osten gibt es Menschen, die Christen die Köpfe abhacken. Es gibt Dinge, die wir niemals zuvor gesehen haben. Seit dem Mittelalter hat man nicht mehr gesehen, was nun passiert. Ich werde Waterboarding wieder einführen. Und ich werde verdammt viel schlimmere Dinge als Waterboarding einführen."
Grundsätzlich sprach sich Trump vor der Wahl dafür aus, dass sich die USA in internationale Konflikte weniger einmischen sollten. Ausnahme: der Kampf gegen den IS und eine Ausweitung des Militäreinsatzes in Syrien und im Irak.
Generell setzte Trump vor der Wahl diverse Male Muslime mit Terrorverdächtigen gleich. So ließ er etwa in einer Presseerklärung vom 7. Dezember 2015 verkünden:
"Donald J. Trump ruft zu einem totalen und vollständigen Einreiseverbot für Muslime in die Vereinigten Staaten von Amerika auf - bis unsere Abgeordneten herausgefunden haben, was vor sich geht. [...] Bis wir in der Lage sind, das Problem und die gefährliche Bedrohung, die es darstellt, genau auszumachen und zu verstehen, darf unser Land nicht Opfer fürchterlicher Angriffe von Menschen werden, die nur an den Dschihad glauben."
Klimaschutz | Energiepolitik
Wie steht der nächste US-Präsident zum Thema Klimaschutz? Trump hat vor der Wahl angekündigt, das Pariser Klimaabkommen aufzukündigen. Er sei "kein großer Fan" der Vereinbarung.
"Ich werde sehr, sehr genau darauf schauen und mindestens werde ich diese Abmachungen neu verhandeln, mindestens... Diese Vereinbarungen sind einseitig und schlecht für die USA."
Immer wieder hat Trump den Klimawandel in Frage gestellt. So schrieb er auf Twitter am 6. November 2012:
"Der Begriff Klimawandel wurde von den und für die Chinesen erfunden, damit die US-amerikanische Produktion nicht mehr wettbewerbsfähig ist."
und am 29. April 2014:
"Es schneit in Texas und Louisiana, rekordbrechende Kälte im ganzen Land und darüber hinaus. Der Klimawandel ist ein teurer Schwindel!"
In Sachen Energiepolitik setzt Trump auf Kernenergie und Fossile Energien. In seinem Buch "Great Again", 2015, heißt es etwa:
"Erneuerbare Energien [...] sind wirklich nicht mehr als ein teurer Weg, damit sich Baumumarmer gut in ihrer Haut fühlen."
In einem Interview erklärte er am 15. März 2011 auf Fox-News:
"Ich bin sehr für Atomenergie, sehr stark für Atomenergie. [...] Wir brauchen Atomenergie und wir brauchen viel davon ganz schnell."
Zur Zukunft der Kohleindustrie sagt er in einer Wahlkampfrede in Valdosta, Georgia, am 29. Februar 2016: "Wir werden die Kohlewirtschaft wieder zu 100 % zurückbringen.""
Kranken und Behinderten wird es nicht besser, sondern schlechter gehen. Umwelt und Klima werden noch mehr leiden. Die Zukunftsprobleme werden sich vergrößern. Schuldenberge werden sich auftürmen. Die Ungleichheit in der Gesellschaft wird drastisch zunehmen. Die Spannungen in der Welt werden steigen. Der Rechtspopulismus wird nicht abnehmen, sondern sich aufblähen. Und Sexismus, Rassismus, unfaire Schicken und Lügen werden weiter salonfähig. Das lässt für Wahlkämpfe in Europa und für die Bundestagswahl in Deutschland nächstes Jahr Schlimmes befürchten. Die Verrohung bekommt einen Namen: Die Trump-Ära. Möge es nicht so kommen.
Um so wichtiger ist es, dass jede und jeder in seiner Reichweite und nach eigener Möglichkeit gegen Unfairness, Rassismus und Sexismus spricht und handelt. Für Verständigung, Fairness, Gerechtigkeit, Achtung von Menschen, Tieren und Pflanzen eintritt. Jetzt erst recht.
"Spiegel Online: Was Trump will"
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12.08.2016 14:41
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Bundesregierung unterstützt indirekt Raubbau an Regenwald und Klima
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Die Bundesregierung will nicht gegen den Import von klimaschädlichem Palmöl vorgehen. Obwohl ihr die klima- und naturschädliche Produktion von Palmöl bekannt ist. Zudem hat sich die Beimischung von Palmöl in Biosprit zwischen 2010 und 2014 versiebenfacht: von 456 000 auf 3,2 Millionen Tonnen. Also keinen Biosprit mehr kaufen: man weiß nicht, woher es kommt. Und in der Verletzung von Sozialstandards sieht die CDU/CSU/SPD-Koalitionsregierung überhaupt keinen Grund für handelsbeschränkende Maßnahmen. In der Frankfurter Rundschau schreibt die Expertin Kathrin Hartmann – Autorin des Buches „Aus kontrolliertem Raubbau“ – dazu:
„Vor einem Jahr brannten in Indonesien die Wälder, bis November zerstörten die Feuer 1,8 Million Hektar Torfböden und Regenwälder. 500 000 Menschen litten an Atemwegskrankheiten, 20 starben. Lokale Nichtregierungsorganisationen wie Save our Borneo und Perkumpulan Hijau in Sumatra forsten noch immer Wald auf und schütten Entwässerungsgräben zu, um das verbrannte Land vor Palmölplantagen zu retten. Trotz Anbau-Moratorium der Regierung wachsen auf vielen zerstörten Flächen Ölpalmen.
Seit die EU vorgeschrieben hat, dass der Anteil nachwachsender Rohstoffe am Verkehr bis 2020 zehn Prozent betragen soll, wird Palmöl in wachsenden Mengen für Agrarsprit importiert. Laut einer Studie von Naturschutzbund Deutschland und der NGO Trade & Environment hat sich die Beimischung von Palmöl in Biosprit zwischen 2010 und 2014 versiebenfacht: von 456 000 auf 3,2 Millionen Tonnen. Mehr als die Hälfte des importierten Palmöls wird zur angeblich emissionsfreien Gewinnung von Energie verwendet.
Bei der Verbrennung von Pflanzenkraftstoffen gelange nur so viel CO2 in die Luft, wie die Pflanze vorher aufgenommen habe, heißt es. Bezieht man aber den Klimaschaden in Anbauländern ein, der durch die Zerstörung von Wäldern und Torfböden entsteht, produziert Biodiesel aus Pflanzenöl 80 Prozent mehr Emissionen als fossiler Diesel. Palmölbasierter Kraftstoff ist sogar drei Mal so klimaschädlich. Vor allem, wenn man die indirekten Landnutzungsänderungen einrechnet: Sie entstehen, wenn Nahrungsanbau durch Palmölplantagen verdrängt wird und auf Wälder oder Torfböden ausweicht. Das belegt die 2013 von der EU in Auftrag gegebene Globiom-Studie.
Dennoch sieht die Bundesregierung keinen Anlass, die Biosprit-Politik zu ändern, obwohl ihr die klimaschädlichen Auswirkungen bekannt sind. Die EU-Kommission solle die Nutzung von Palmöl „weiter beobachten“ und „prüfen, ob eine Anrechnung von Biokraftstoffen aus Palm- und Sojaöl auf künftige EU-Ziele weiterhin mit den europäischen Zielen im Bereich des Klimaschutzes vereinbar ist“, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage zur „Umsetzung verbindlicher Umwelt- und Sozialstandards in der internationalen Palmölproduktion“, die Uwe Kekeritz, Harald Ebner und Bärbel Höhn von den Grünen an die Bundesregierung stellten. Ein Importverbot für Palmöl, das keine sozialen und ökologischen Mindeststandards erfüllt, wie es die Antragsteller fordern, werde nicht in Erwägung gezogen, heißt es weiter. Die Verletzung von Sozialstandards sei nach den Regeln der Welthandelsorganisation kein Grund für handelsbeschränkende Maßnahmen. Auch sieht die Regierung keinen Anlass, sich für verbindliche Umwelt- und Sozialstandards bei importiertem Palmöl einzusetzen. Sie setzt stattdessen auf den „Dialog“ mit den Regierungen palmölerzeugender Länder und die Selbstverpflichtung von Unternehmen, sich freiwillig an Sozial- und Umweltstandards zu halten.
Antragsteller Kekeritz nennt die „Nachhaltigkeitsrhetorik der Bundesregierung“ deshalb „zunehmend doppelbödig“. Freiwillige Selbstverpflichtungen haben bislang zu keiner Verbesserung im Palmölanbau geführt. Eines der größten Zertifizierungssysteme, das die EU anerkannt, ist der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl. Zu seinen zertifizierten Mitgliedern gehören große Konzerne wie Wilmar International oder Bumitama Agri, denen seit Jahren illegale Abholzung, Zerstörung von Schutzgebieten, Landraub und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Nichtregierungsorganisationen haben während der Waldbrände 2015 mehr als zwei Dutzend Feuerherde auf Flächen von RSPO-Mitgliedern entdeckt.
Das Freihandelsabkommen zwischen EU und Indonesien, das seit Juli verhandelt wird, könne die Probleme weiter verschärfen, warnt Kekeritz: „Billiges Palmöl könnte noch billiger werden, der Absatz in Europa würde weiter steigen, verbindliche Umwelt- und Sozialstandards rücken derweil in weite Ferne.““ Doppelbödige Nachhaltigskeitsrhetorik trifft es sehr genau.
Krasser Unfairness will die Regierung nicht Einhalt gebieten, dafür unterstützt sie exemplarisch krasse Unfairness in Bezug auf Umwelt, Klima, Einwohner in Indonesien und Mitarbeiter. In 50 Jahren versteht dann niemand, warum Indonesier nach Europa flüchten, weil ihre natürliche Umwelt zerstört, das Land an Konzerne verteilt ist und die Monokultur das Leben unmöglich macht. Der militante Islam macht sich das schon zunutze und versucht, den bislang zivilen Islam der indonesischen Mehrheitsreligion zu einer Waffe zu machen.
Beispiele für problematische Palmöl-Nutzung durch Firmen:
"Unilever und die Palmölproduktion"
"Nestlé und der Regenwald"
"dm unbedarft im Umgang mit Herkunft, Produktion und Einsatz von Palmöl"
Kathrin Hartmann zur Lage an der Palmöl-Front "Beitrag in der Frankfurter Rundschau"
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08.04.2016 12:08
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Fairness-Mechanismus: Ob er hilft - wozu er hilft?
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Einen „Fairness-Mechanismus“ für Flüchtlinge will die EU-Kommission etablieren. Durch einen Fünf-Punkte-Plan will die EU-Kommission das Asylsystem EU-weit vereinheitlichen. So soll das sogenannten Dublin-Verfahren weiterentwickelt werden. Außerdem soll das EU-Asylbüro Easo die Verteilung überwachen.
Die EU-Kommission reagiert auf die Flüchtlingskrise mit einem Plan zu einem vereinheitlichten Asylsystem. Ohne direkte Auseinandersetzung mit dem Widerstand aus etlichen Mitgliedsländern will die Brüsseler Behörde die Rechte der Asylsuchenden EU-weit stärker harmonisieren und ihre Verteilung über die einzelnen Staaten gerechter regeln.
Europa müsse legale und sichere Wege für Menschen in die EU aufbauen, unabhängig davon, ob sie zum Schutz oder auf der Suche nach Arbeit kämen, sagte Innenkommissar Dimitris Avramopoulos. Auf die konkrete Ausgestaltung verzichtet die EU-Kommission erst einmal, um dem Plan eine Chance zu geben und nicht gleich wieder im Klein-Klein unterzugehen. Stattdessen hat sie zwei "Optionen" vorgelegt.
Der „Fairness-Mechanismus“ bedeutet: Nach den jetzigen Regeln müssen Flüchtlinge in dem EU-Land einen Asylantrag stellen, in dem sie zuerst den Boden der EU betreten haben. Dadurch sind Italien und Griechenland, mitunter auch Spanien, für den Großteil der Bootsflüchtlinge zuständig.
Die zweite Option der EU-Kommission gibt einen Verteilungsschlüssel vor. Ziel ist es, dass Menschen nicht mehr die oft lebensbedrohliche Reise mit Hilfe von Schleppern antreten. Dem widersetzen sich aber bislang eine Reihe von EU-Staaten - darunter osteuropäische Länder oder Frankreich.
Stärken könnte die EU-Kommission zudem die Rolle des ihr unterstellten EU-Asylbüros Easo. So könne das Büro überwachen, ob die Mitgliedsländer die Regeln bei der Überprüfung und Verteilung von Asylsuchenden einhalten und Maßnahmen vorlegen, um mögliche Defizite abzustellen. Auch sollten die Verfahrensregeln so angepasst werden, dass sich Asylsuchende nicht ein Land aussuchen können, in dem sie besonders leicht Bleiberecht und Unterstützung erhalten. Die Kommission mahnte zudem erneut einen stärkeren Datenaustausch an.
Vor allem Griechenland ist von der Flüchtlingskrise betroffen. Dort kamen 2015 mehr als eine Million Flüchtlinge an, die allerdings zum großen Teil weiter Richtung wohlhabenderer EU-Länder wie Deutschland, Österreich oder Schweden zogen.
Außerdem erwägt die EU-Kommission zur Verhinderung von Sekundärbewegungen innerhalb der EU Maßnahmen zusätzlich vorzuschlagen. Insbesondere könnten bestimmte Anrechte an die Registrierung, die Abnahme von Fingerabdrücken und den Verbleib im zugewiesenen EU-Land gebunden werden.
Ob der Plan und die Vorschläge der EU erfolgreich sind, ist fraglich, da der Widerstand einiger EU-Staaten sehr stark und grundsätzlich ist. Der Begriff „Fairness-Mechanismus“ ist etwas unglücklich gewählt, da er die der EU-Bürokratie zugeschriebene Kälte transportiert, die mit Mechanik einhergeht. „Fairness-Reglement“ wäre analog zum Reglement im Sport besser gewesen, wo es darum geht, Gemeinsamkeiten und zugleich Wettbewerb bis hin zur Gegnerschaft zu organisieren, ohne die zusammen kein Sport möglich ist. So wie keine EU ohne Fairness. Ob die EU zu einer solchen Fairness findet, die sie sich in ihrem Grundwertekatalog selbst zuschreibt und der sie sich verpflichtet hat, muss sich erweisen. Der Umgang mit den Flüchtlingen in der gesamten EU ist der humane Prüfstein dafür, der eine Balance einschließt zwischen den Flüchtenden, Ankommenden und den bisherigen Einwohnern der Länder. Fairness heißt auch: Ausgleich von Interessen bei Rücksichtnahme auf die Bedürftigen auf beiden Seiten.
"Der Vorschlag und Plan der EU-Kommission zum Fairness-Mechanismus"
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01.04.2016 11:55
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Fairness der Chancen
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Wenn es um die „Fairness der Chancen“ geht, brauchen wir einen Befähigungsstaat, schreibt Nils Heisterhagen im Debatten-Magazin „The European“. Der Politikwissenschaftler und Volkswirt meint: „Wir haben zu lange keine Debatte mehr über den Staat geführt. Staatsgegnerschaft beherrscht immer noch den Mainstream. Zeit mit einer neuen Idee die Debatte zu erneuern.
Ein Befähigungsstaat ist ein Staat, der sich verpflichtet sieht, alle seine Bürger in den Stand zu setzen, ihr Leben selbstbestimmt führen zu können und auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können. Der Befähigungsstaat hat ein instrumentelles und ein ideelles und ideales Ziel:
Sein instrumentelles Ziel ist die Befähigung aller Mitbürger ungeachtet ihrer Herkunft zu einer Arbeitskraft, die einen Platz auf dem Arbeitsmarkt finden kann. Ziel dieses Befähigungsstaates ist es, dass kein Jugendlicher mehr die Schule ohne Abschluss verlässt und dass jeder Jugendliche eine Ausbildung erhält. Weiterhin ist es das Ziel dieses Befähigungsstaates, dass die Arbeitsmarktpolitik auf Weiterbildung und Qualifizierung ausgerichtet wird und nicht auf die schnelle Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt – mithin geht es darum das Fördern beim „Fördern und Fordern“ der bisherigen Arbeitsmarktpolitik endlich umfassend, systematisch und ambitioniert ernst zu nehmen.
Ideelles und ideales Ziel des Befähigungsstaates ist vor allem die Fairness der Chancen. Wir brauchen einen Befähigungsstaat, weil jedes Kind vergleichbare Bildungschancen haben soll – egal wo es herkommt. Reichtum darf nicht darüber entscheiden, ob Bildungserfolg stattfindet oder nicht. Ziel des Befähigungsstaates ist die Annäherung an eine vergleichbare substanzielle Freiheit. Der Befähigungsstaat basiert auf einem linken Freiheitsbegriff. Ein linker Freiheitsbegriff – so wie ihn etwa der Philosoph Amartya Sen mit seiner Idee der substanziellen Freiheit vorschlägt – hat ein positives Verständnis vom Staat. Freiheit durch den Staat, auch diese gibt es. Freiheit für alle gibt es nur mit einer Politik, die den Staat als Instrument der Steigerung der individuellen Freiheiten ansieht. Eine Politik gegen den Staat – die sich nur auf Deregulierung und steuerpolitische Privilegien versteift – hingegen sorgt nur für eine substanzielle Freiheit für Wenige. Diese substanzielle Freiheit hat zwar die doppelte sozialstaatliche Dimension der Verwirklichung von sozialer Sicherheit – im Sinne der Freiheit von ökonomischer Not – und die Fairness der Chancen. Aber die Alimentierung des Staates bei Arbeitslosigkeit ist eben nur ein Teil. Der wesentlich wichtigere Teil jenes für die substanzielle Freiheit sorgenden und vorsorgenden Staates, ist die Fairness der Chancen. Und diese Fairness der Chancen wird zunächst und zumeist im Bildungssystem entschieden. Deswegen ist der Befähigungsstaat Beförderer der Freiheit und entscheidendes Instrument zur Verwirklichung des Ideals vergleichbarer substanzieller Freiheit“.
"Vollständiger Essay von Nils Heisterhagen"
"Fähigkeiten schaffen - das Konzept von Martha Nussbaum"
"Der Katalog der menschlichen Grundfähigkeiten"
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04.12.2015 11:15
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Bundesminister für mehr Fairness bei Lebensmitteln
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Mit dem gestrigen Lebensmittelgipfel will Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt offensiven Druck machen, damit es zu mehr Wertschöpfung, mehr Wettbewerbsfähigkeit und mehr Fairness in der gesamten Kette für die Produktion und den Handel von Lebensmitteln kommt.
Denn - so der Minister - „niedrige Erzeugerpreise und starke Preisschwankungen bedrohen die Existenz vieler landwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland. Mein Ziel ist die Erhaltung einer vielfältigen Landwirtschaft. Auch bäuerliche Familienbetriebe müssen eine Zukunft haben. Die Landwirtschaft ist im Ernährungsbereich die Basis einer funktionierenden Wertschöpfungskette und zugleich wirtschaftliches Rückgrat der ländlichen Räume.
Alle Beteiligten der Wertschöpfungskette tragen Verantwortung. Erzeuger, Verarbeiter, Handel und Verbraucher hängen zusammen und voneinander ab. Ziel muss es sein, die Risiken volatiler Märkte besser abzusichern. Ich erwarte von allen Beteiligten, dass der ruinöse Preiskampf mit Grundnahrungsmitteln ein Ende hat. Hier tragen der Lebensmitteleinzelhandel aber auch wir Verbraucher eine besondere Verantwortung.
Der Lebensmittelgipfel ist Baustein einer ganzen Offensive hin zu mehr Wertschöpfung, mehr Wettbewerbsfähigkeit und mehr Fairness in der gesamten Kette. Großes Potential für mehr Wertschöpfung liegt in der Herstellung von Qualitätsprodukten, die noch besser die Erwartungen der Verbraucher erfüllen. (…) Ich begrüße die von der Wirtschaft entwickelte nationale Dialogplattform: Sie sollte als wichtiges Instrument für mehr Fairness in der Kette genutzt werden.
Wichtig ist mir auch die Wertschätzung unserer Lebensmittel. Unsere guten Lebensmittel sind ihren Preis wert und dürfen nicht zu Billigpreisen verschleudert oder in der Abfalltonne entsorgt werden. Das Bewusstsein für den Wert unserer Lebensmittel will ich bei den Verbrauchern wie bei den beteiligten Unternehmen und Landwirten gleichermaßen steigern.“
Doch sind Wettbewerbsfähigkeit und faire Lebensmittel nicht in einem Grundkonflikt miteinander? Ja, heftig! Denn wo wie in Deutschland der Preis sowohl im Handel wie in der Produktion als auch bei den Verbrauchern das wichtigste Entscheidungskriterium ist, kann es keine fair produzierten und gehandelten Lebensmittel in der Breite geben. Der gegenseitige Verdrängungs- und Unterbieterwettbewerb ist selbst unfair und bewirkt unfaire Folgen: in der Landwirtschaft und beim Konsum.
Fair wären staatliche, ambitioniertere Kriterien für eine sozial-, öko- und wettbewerbspolitisch zukunftssichernde Landwirtschafts- und Verbraucherpraxis, die nicht unter dem Einfluss von Handels- und Verbandsriesen verwässert sind. Und vergleichbar dem Bio-Siegel dafür eine Basis definieren, die nicht zu unterschreiten ist. Hinzu kommt die Absenkung der Mehrwertsteuer für einen Korb von Grundnahrungsmitteln.
"Fairness-Check der Lebensmittelmärkte"
"FoodWatch zu Lebensmitteltäuschungen"
"BM Schmidt beim Lebensmittelgipfel"
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24.08.2015 12:26
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Lässt Schäuble Firmen an Kassen betrügen?
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Steuerbetrug an breiter Front: Deutsche Unternehmen sollen den Staat jährlich um rund 10 Milliarden Euro Steuern betrügen. Und das geht mittels kleiner Softwareprogramme, die die Registrier- und Warenkassen in den Geschäften manipulieren. Die Berliner Zeitung schreibt heute: „Sie heißen Eraser, Fixer, Styler oder Sneaker: Kleine Computerprogramme, mit denen sich Registrierkassen manipulieren lassen. Nach Überzeugung der Länder und des Bundesrechnungshofs werden die geheimen Schummelprogramme täglich an Hunderttausenden Kassen eingesetzt, um Umsätze zu drücken und damit Steuern zu hinterziehen“. Die bis zu zehn Milliarden Euro jährlich, die dem Fiskus durch derartige Betrügereien verloren gehen sollen „ entsprechen fast den gesamten Einnahmen aus der Kfz-Steuer. Durch neue technische Systeme wollen die Länder die Manipulationen so schnell wie möglich erschweren. Doch sie sehen sich durch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgebremst“.
Aufgedeckt hatte den Steuerskandal die ARD-Sendung PlusMinus schon im letzten Jahr. Aber es geschah nichts. Timot Szent-Ivanyi schreibt nun in der Berliner Zeitung dazu: „Die Prüfer des Bundesrechnungshofes schauten in Abgründe, als sie sich der Problematik manipulierter Kassen annahmen: In einem Bericht an das Finanzministerium schildern sie den Fall eines aufgeflogenen Inhabers eines Eiscafés, der durch die Manipulation seiner Kassen fast zwei Millionen Euro an Steuern hinterzogen hatte. Der Geschäftsmann gab an, die nötige Software habe ihm der Verkäufer des Kassensystems gleich als Zubehör auf einem USB-Stick mitgeliefert, inklusive Bedienungsanleitung und Einweisung. Auch Betriebsprüfer aus Nordrhein-Westfalen, die inkognito Fachmessen besuchten, erhielten von vielen Herstellern bereitwillig Auskunft über die besten Tricks.
Als Klassiker gilt die Nutzung der in praktisch allen Kassen vorgesehenen „Trainingseinstellung“. Dadurch lassen sich echte Umsätze einfach löschen, denn kaum ein Kunde wird merken, dass auf dem Bon ein entsprechender Hinweis aufgedruckt ist. Üblich ist auch, mobile Geräte der Kellner nicht mit der zentralen Kasse zu verbinden. Illegale Software, die sich versteckt auf den Kassen befindet („Phantomware“) sorgt dafür, dass Umsätze gar nicht aufgezeichnet oder später gelöscht werden können. Komfortable Programme erlauben es, auf Knopfdruck alle Barumsätze um einen bestimmten Betrag oder Prozentsatz zu reduzieren. Einige Programme sind sogar so clever gestaltet, dass sie teure Positionen durch billige Waren ersetzen. Das hat gegenüber dem Löschen einzelner Umsätze den Vorteil, dass verräterische Lücken bei der Nummerierung der Rechnungen vermieden werden. Betriebsprüfer haben so fast keine Chance.
Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD), der das Thema seit Monaten energisch vorantreibt, geht von einem Missbrauch in großem Stil aus. Bei seiner Schätzung der Steuerausfälle im Umfang zwischen fünf und zehn Milliarden Euro beruft er sich auf seriöse Studien aus anderen Industriestaaten. Auch der Bundesrechnungshof geht von diesen Beträgen aus. „Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung bargeldintensiver Betriebe ist nicht mehr sichergestellt“, so das Urteil der Rechnungsprüfer.
Dabei gibt es längst eine technische Lösung. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PtB) hat ein System entwickelt, mit dem derartige Manipulationen auffliegen würden. Das System mit der Abkürzung Insika basiert auf einer digitalen Signatur, also einer manipulationssicheren elektronischen Unterschrift. Diese wird durch eine Smartcard erzeugt, dauerhaft mit den Buchungsdaten verbunden und auf die Belege gedruckt. Rechnungen ohne oder mit ungültiger Signatur belegen so eine Manipulation. In Hamburg hat das System seine Praxistauglichkeit schon bewiesen. Dort sind rund zwei Drittel der Taxen mit Insika ausgestattet, der Umsatz der Taxen ist seitdem auf wundersame Weise deutlich gestiegen. Auch Walter-Borjans und der Rechnungshof favorisieren das System.
Das Bundesfinanzministerium hält diese Lösung aber für ungeeignet und verweist unter anderem auf „unverhältnismäßig hohe Bürokratiekosten“. Die Umstellung würde 1,4 Millionen Unternehmen mit rund drei Millionen Kassen betreffen und einmalig mindestens 1,6 Milliarden Euro kosten, wird argumentiert. Außerdem sei das System gar nicht sicher – beides Argumente, die Walter-Borjans entschieden zurückweist. Schäuble lehnt es ohnehin ab, die Unternehmen auf ein einziges System festzulegen. In diesem Punkt sind ihm die Länder-Finanzminister schon entgegen gekommen: Sie haben im Juni zwar grundsätzlich beschlossen, dass künftig Manipulationssperren verpflichtend eingeführt werden sollen. Das konkrete System wird aber nicht vorgeschrieben.
Nach diesem Etappensieg versichert das Bundesfinanzministerium, bis zum Herbst eine nationale Lösung anzustreben. Doch Walter-Borjans wirft Schäubles Beamten falsches Spiel vor: „Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass einige im Bundesfinanzministerium die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen gegen die Manipulation von Registrierkassen verhindern oder zumindest immer weiter verzögern wollen“, sagte er dieser Zeitung. Ständig würden neue Probleme vorgetragen. „Und sobald ein Argument nicht mehr haltbar ist, präsentiert das Ministerium neue Bedenken.“
Tatsächlich lässt Schäubles Haus auch nach dem erreichen Kompromiss keine Möglichkeit aus, die Vorstöße der Länder zu diskreditieren. So schrieb etwa Finanz-Staatssekretär Michael Meister (CDU) Ende Juli an den Bundestags-Finanzausschuss, die Schätzungen der Steuerausfälle auf bis zu zehn Milliarden Euro „entbehrten jeder Grundlage“.
Für Walter-Borjans ist damit vor allem eines klar: „Dass die Schätzungen nun auch noch unqualifiziert vom Bundesfinanzministerium bestritten werden, ist ein weiterer Beleg für die unsägliche Verzögerungstaktik.“
Kein Kassenbeleg im Restaurant? Da liegt der Verdacht auf Schwarzgeld-Wirtschaft nahe. Doch auch dort, wo es richtige Ladenkassen gibt, ist dies möglich - durch eine Manipulation der Geräte. Der Bundesrechnungshof schätzt den Schaden auf zehn Milliarden Euro.
Der Bundesrechnungshof schätzt, dass in Deutschland jährlich bis zu 10 Milliarden Euro Steuern hinterzogen werden bei Bargeldgeschäften durch manipulierte Ladenkassen. Dies geht aus einer Mitteilung an das Bundesfinanzministerium hervor, die dem ARD-Magazin Kontraste vorliegt. Wörtlich heißt es dort: "Die Steuerausfälle bei bargeldintensiven Unternehmen haben ein erhebliches Ausmaß erreicht. Selbst bei einer Eisdiele stellte ein Finanzamt Steuerhinterziehungen von 1,9 Millionen Euro fest."
Der Bundesrechnungshof hatte bereits seit 2003 auf Manipulationen an Kassensystemen und die daraus folgende Steuerhinterziehung hingewiesen. Die Behörde empfahl deshalb, manipulationssichere elektronische Ladenkassen-Systeme in Bereichen wie Gastronomie und Handel einzuführen. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, "dass sich die Besteuerung bargeldintensiver Unternehmen verbessert" habe.
Eigentlich sollten die manipulationssicheren Kassen bereits 2008 eingeführt werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde vom Kabinett seinerzeit jedoch vertagt. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte in der Vergangenheit die Einführung manipulationssicherer Kassensysteme gefördert. Unter dem Namen INSIKA (Integrierte Sicherheitslösung für messwertverarbeitende Kassensysteme) liegt ein marktreifes System vor.
Bundesfinanzminister Schäuble blockierte jedoch bislang die Einführung in Deutschland. In einem Schreiben vom 2. Juni, das Kontraste vorliegt, spricht er sich gegen eine Verpflichtung von Unternehmen für INSIKA aus und fordert zugleich eine "Harmonisierung der Anforderungen" auf EU-Ebene.
Die Finanzminister der Länder stellten auf ihrer Konferenz am 25. Juni fest, dass "wegen der sich immer schneller ausbreitenden Möglichkeiten der systematischen Steuerhinterziehung bei Bargeldschäften" dringender Handlungsbedarf bestehe und die Einführung sicherer Kassensysteme erforderlich sei“.
Seltsam: Wenn es um die Verfolgung kleiner Nachlässigkeiten, Fehler oder Schwindelversuche bei HartzIV-Empfänger geht, ist kein bürokratischer Aufwand zu groß, um es zu ahnden. Aber bei 10 Milliarden Euro hinterzogenen Steuern durch Unternehmen an der Barkasse sieht das Finanzministerium einen unangemessenen Aufwand dabei, diese Schwarzgeschäfte abzustellen und zu verfolgen. Und Eile hat es schon mal gar nicht. Ist das deutsche Finanzwesen unfair, krass unfair? Indizien sprechen dafür, nicht nur bei diesem Problem.
"Berliner Zeitung zum Kassen- und Steuerskandal"
"PlusMinus mit Bericht und Video noch bis 15.10.2015 abrufbar"
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03.08.2015 13:55
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Die EU als Verächter der Menschenrechte
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„Die EU will ebenso wie die USA ein verbindliches Abkommen über menschenrechtliche Verpflichtungen von Unternehmen verhindern“ schreibt Ute Hausmann, die Entwicklungspolitologin und Geschäftsführerin der deutschen Sektion der Menschenrechtsorganisation Fian (FoodFirst Informations- und Aktions-Netzwerk) in der Frankfurter Rundschau. „Anfang Juli tagte in Genf eine Arbeitsgruppe des UN Menschenrechtsrats. Ihr Ziel: ein verbindliches Abkommen über menschenrechtliche Verpflichtungen von Unternehmen. Ihr größter Gegner: die Europäische Union. Bereits im Juni 2014 beschloss der UN Menschenrechtsrat, einen neuen Anlauf zu nehmen und Verhandlungen über ein verbindliches Abkommen zu menschenrechtlichen Verpflichtungen von Unternehmen aufzunehmen. Frühere Initiativen, die es bereits seit den 1970er Jahren gab, waren gescheitert oder wurden auf freiwillige Initiativen umgelenkt. Gleichzeitig ist der Zugang zu Recht für viele Opfer von Menschenrechtsverletzungen schwieriger geworden, da transnational agierende Unternehmen hoch komplizierte Strukturen aufbauen und sich so der Gerichtsbarkeit entziehen können. Es erscheint deshalb logisch, dass Staaten sich darauf verständigen, wie sie in solchen Fällen kooperieren werden, um Abhilfe zu schaffen und Straflosigkeit zu verhindern. Verbindlichkeit ist dabei zentral, denn nur sie schafft für alle Beteiligten Sicherheit und Vorhersehbarkeit – für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen, für die Unternehmen und für verantwortliche staatliche Institutionen. Der Genfer Prozess macht deutlich, dass die Europäische Union – ebenso wie die USA – genau diese Verbindlichkeit nicht möchte. So stimmten Länder wie Deutschland im Juni 2014 gegen die Aufnahme von Verhandlungen. An der ersten Sitzung vor drei Wochen nahm Deutschland nicht teil und ein Vertreter der EU setzte am ersten Tag alles daran, die Arbeitsgruppe lahmzulegen. Als dies nicht gelang, verweigerte sich die EU dem weiteren Dialog. Dabei wurde in den folgenden Tagen über genau die Fragen debattiert, zu denen die EU kritische Anmerkungen hat: Was soll das Abkommen abdecken? Nur internationale Kooperation oder auch nationale Gesetzesinitiativen? Soll es nur transnationale Unternehmen oder auch nationale Unternehmen haftbar machen? Das Verhalten der EU und der Bundesregierung legt nahe, dass es ihnen nicht um konstruktiven Dialog und Inhalte geht, sondern dass sie Wirtschaftsinteressen über Menschenrechte stellen. Angesichts der brutalen Realität von Ausbeutung und Unterdrückung weltweit ein wahres Armutszeugnis“. Man kann es auch brutale Unfairness nennen. Unfairness-Praxis in großem, globalem Stil. Leider werden damit extrem schlechte Maßstäbe gesetzt, die die Unternehmen darin bestärken, Menschenrechte entweder unbeachtet zu lassen oder deren Beachtung vorzugaukeln.
"Wirtschaft und Politik gegen Menschenrechte"
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01.06.2015 12:01
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Nahles unter Beobachtung - packt sie Burnout-Anlässe an?
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Wie soll in Zukunft die Arbeitswelt gestaltet sein? Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Diese Fragen hat die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles mit ihrem Grünbuch „Arbeiten 4.0“ nicht nur in den Vordergrund geschoben, sondern auch an die Spitze ihrer Themenpalette gestellt. In einem Interview mit Spiegel Online sagte die SPD-Politikerin: „Vor allem sehe ich meine Verantwortung darin, mich um die Menschen zu kümmern, die noch ohne Internet in die Arbeitswelt gestartet sind und sich nun darin zurechtfinden müssen. Ich will noch in dieser Legislaturperiode entsprechende Gesetze umsetzen“. Sie stellt fest, die Arbeitsunzufriedenheit der Deutschen sei zu hoch, "es gibt zu viele Burn-out-Opfer“. Auch die Grenze zwischen Privatleben und Beruf müsste neu ausbalanciert werden.
Andrea Nahles sagt von sich, es sei nicht ihr Ding, nur heiße Luft zu machen: „Was ich anpacke, meine ich ernst“. Und: „In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Ausfall an Arbeitstagen wegen psychischer Belastung verdoppelt, das Zutrittsalter bei Erwerbsminderung ist von 58 auf 48 Jahre gefallen. Da müssen wir ran! Das ist nicht zuletzt auch im Sinne der Arbeitgeber. Viele glauben ja, mit dem Herunterladen ihrer Lieblingsserie aufs Tablet seien sie in der Zukunft angekommen - aber die Digitalisierung betrifft ganz besonders auch unser Arbeiten. Wir wollen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darauf vorbereiten, welche Veränderungen sie mit der fortschreitenden Digitalisierung im Job erwartet. Vor allem sehe ich meine Verantwortung darin, mich um die Menschen zu kümmern, die noch ohne Internet in die Arbeitswelt gestartet sind und sich nun darin zurechtfinden müssen. Wir wollen die Arbeitgeber dazu animieren, neue Modelle zu ermöglichen. Vom Arbeitnehmer 4.0 wird immer mehr Flexibilität verlangt - das muss die andere Seite dann aber auch erfüllen. Bessere Führung heißt dann beispielsweise: Es muss möglich sein, Führungsaufgaben auch in Teilzeit wahrzunehmen. Wir versuchen das gerade in meinem Ministerium“.
Auf die Frage, ob das in ihrem Ministerium klappt, bekennt Nahles: „Eher nicht so gut, weil es noch eine Menge Hindernisse gibt. Da sind wir dran, ein Selbstläufer ist das jedenfalls nicht. In der Zukunft werden solche Modelle eine immer größere Rolle im Wettbewerb der Arbeitgeber um die besten Arbeitskräfte einnehmen“. Und was die Balance zwischen Berufs- und Arbeitsleben angeht, sagt sie: „Es geht um das richtige Maß, vernünftige Kompromisse - dann profitieren beide Seiten. Natürlich müssen wir auch über das Arbeitszeitgesetz reden, das ist noch an der Arbeitswelt 3.0 ausgerichtet. Mehr Arbeit von zu Hause kann bei dem einen mehr Freiheit bedeuten, bei der anderen nicht. Es muss jeder den passenden Weg finden können. Das meine ich mit Flexibilität. Ich will Arbeitnehmerrechte wahren und mehr Flexibilität schaffen. Das geht. Von starren Prinzipien halte ich nichts. VW ist da auch eher rigoros, BMW nicht, bei Daimler läuft gerade eine Mitarbeiterbefragung zu diesem Thema. Daran sieht man: Die Politik kann hier Leitplanken vorgeben, aber doch nicht über die einzelnen Branchen, Betriebe und Regionen Vorschriften machen. Elf Stunden Arbeitsruhe bei einer Krankenschwester sind weiterhin richtig - aber bei einem Angestellten, der abends seine Kinder ins Bett bringt und anschließend noch mal arbeitet, sieht das wieder anders aus“.
Mit ihrem Grünbuch, ihrer Priorisierung von Arbeiten 4.0 und ihrer Statement zur verbreiteten Arbeitsunzufriedenheit und zunehmenden psychischen Problemen am Arbeitsplatz hat Nahles ein sehr ambitioniertes Arbeitsfeld umrissen, das bei richtiger und schlüssiger Bearbeitung auch ein mehr an Fairness-Qualität in die Unternehmen und die Beziehungen zwischen Arbeitnehmer, Führungskräfte und Arbeitgeber bringen kann. Das Themenfeld ist hochkomplex und daher gar nicht einfach zu beackern. Gleichzeitig weckt Nahles Erwartungen und Hoffnungen auf Fortschritte bei der Qualität der Arbeitswelt und Führungskultur. Daher steht sich nun mit ihrem Wort „Was ich anpacke, meine ich ernst“ für einen ambitionierten Ansatz. Und damit unter Beobachtung.
"Arbeiten 4.0"
"Andrea Nahles im Spiegel-Interview"
"Zu Burnout und Stress - Infos und Checks"
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23.06.2014 11:29
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Ausbeutung „made in Europe“: die nackte Wahrheit über Uniformen
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Extremausbeutung in einem Land, das uns geografisch näher liegt als Griechenland: das enthüllt die CLEAN CLOTHES CAMPAIGN (Kampagne für saubere Kleidung) über MADE IN EUROPE. Die Kampagne schreibt: „Ich verdiene monatlich zwischen 5.000 und 7.000 Denar, das ist nicht einmal der gesetzliche Mindestlohn“ sagt die mazedonische Näherin Emilija. Der Mindestlohn beläuft sich auf 101 EUR und ist damit von einem Existenzlohn ebenso weit entfernt wie in Bangladesch und weit niedriger als in China oder Indonesien. Emilija näht Berufsbekleidung. Fast jeder zweite Beschäftigte trägt sie. Oft wird sie von Steuergeldern bezahlt – z.B. für Feuerwehrleute, PolizistInnen, ÄrztInnen, KöchInnen, RichterInnen.
Der Sektor ist groß: PolizistInnen tragen sie, Krankenschwestern, Pfleger, Ordnungsamtsangestellte, Feuerwehrleute, KöchInnen, SoldatInnen, Bus- und BahnfahrerInnen. Ein großer Teil davon wird von Bund, Ländern, Kommunen oder öffentlichen Einrichtungen gekauft, also mit Steuergeldern bezahlt. Aber auch privat stehen Arbeitshosen vom Baumarkt auf dem Einkaufszettel.
Der Berufsbekleidungssektor ist so groß wie verschwiegen. Wo, wie und unter welchen Bedingungen Feuerwehruniformen, Arztkittel, Richterroben oder Tarnanzüge produziert werden, bleibt im Dunkeln. Die Recherchen der CLEAN CLOTHES CAMPAIGN zeigen Extremausbeutung auch vor unserer Haustür.
Gerade mal 101 EUR im Monat verdient eine Näherin von Berufsbekleidung in der südeuropäischen Republik Mazedonien. Ihr Lohn weicht damit nicht wesentlich von dem einer Näherin in Bulgarien oder Rumänien ab. Zum Vergleich von Preisen in Mazedonien: Milchpreis 0,67 Euro, Waschmittelpreise 4,80–6,20 Euro, Benzinpreise 1,20–1,40 Euro
Menschenrechtsgruppen beziffern einen existenzsichernden Lohn in Mazedonien jedoch auf 625 Euro. Die Diskrepanz zwischen Mindestlohn und Existenzsicherung ist damit in Mazedonien vergleichbar groß wie in Bangladesch. Der gesetzliche Mindestlohn in Mazedonien ist sogar noch erheblich tiefer als in China und Indonesien. Mazedonien hat sich wegen der Tiefstlöhne, der gut ausgebildeten Belegschaft und der geografischen Nähe als Produktionsstandort für die Berufsbekleidungsbranche empfohlen und etabliert. MADE IN EUROPE ist jedoch keine Garantie für bessere Arbeitsbedingungen.
Darüber, wo, wie und unter welchen Bedingungen Polizeiuniformen, Arztkittel, Richterroben oder Tarnanzüge produziert werden, hält sich die Berufsbekleidungsbranche bedeckt. Jüngste Recherchen der „Clean Clothes Campaign“ decken jedoch Ausbeutung vor unserer Haustür auf, in Europa! Davon profitieren Textilhändler ebenso wie Bundesländer und Kommunen. Möglich macht das ein sächsisches Vergabegesetz, das Menschenrechte außen vorlässt.
Das Entwicklungspolitischen Netzwerk ENS (Dresden; ENS) und die Initiative SACHSEN KAUFT FAIR streben eine Novellierung des sächsischen Vergabegesetzes nach dem Vorbild anderer Bundesländer in der Weise an, dass öffentliche Ausschreibungen Menschenrechte, Umweltstandards und Tariftreueregelungen berücksichtigen müssen.
Ebenso fordern ENS und SACHSEN KAUFT FAIR Berufsbekleidungshändler auf, ihre soziale Verantwortung wahrzunehmen, ihre Lieferkette transparent zu machen und Menschenrechte in der Produktion unabhängig kontrollieren zu lassen.
Die zivilgesellschaftliche Initiative SACHSEN KAUFT FAIR sammelt Unterschriften dazu ((verlinken mit http://www.sachsen-kauft-fair.de/)) wird getragen vom Entwicklungspolitischen Netzwerk Sachsen ENS (Mitglied im TrägerInnenkreis der Kampagne für Saubere Kleidung), dem DGB-Sachsen, der Grünen Liga Sachsen sowie der Ev-Luth. Landeskirche Sachsens und gehört der europäischen Initiative NetWorkWear für GUT gekleidete Städte an. Sie will dazu beitragen, dass Menschenrechte im Berufsbekleidungssektor geachtet werden“.
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07.10.2013 11:31
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Unfaire Konkurrenz durch Deutschland
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Unfair findet der französische Industrieminister Arnaud Montebourg, dass es in Deutschland keine Mindestlöhne gäbe, dafür aber Niedriglöhne und Dumpinglöhne. Das setzt die meisten Mitgliedsländer der Europäischen Union unter Druck, weil sie einen Mindestlohn haben. So verschaffe sich Deutschland einen Wettbewerbsvorteil.
Montebourg sagte in dem gemeinsam von AFP mit den Sendern LCP und France Info sowie der Tageszeitung "Le Monde" geführten Interview, dass es in Deutschland keinen Mindestlohn gebe, "beschädigt in gewisser Weise die Rechte der europäischen und insbesondere der französischen Angestellten", weil sie mit "unfairer Konkurrenz" konfrontiert würden. Es dürfe keinen "Preiswettkampf auf dem Rücken der Kaufkraft der Arbeiter" geben, sagte Montebourg.
Falls Deutschland keine Kunden mehr für seine Produkte finde, weil diese "zu ruiniert sind oder nicht die Mittel haben, deutsche Produkte zu kaufen", dann sei das auch schlecht für Deutschland, mahnte der Minister. Die Erholung der europäischen Wirtschaft hänge unter anderem davon ab, ob "die Überschüsse" im deutschen Staatshaushalt "zum Wohl Europas" eingesetzt würden. Nötig sei eine "kooperative Strategie mit Vorteilen für alle". Montebourg hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schon Ende 2011 als Oppositionspolitiker beschuldigt, den Euro zu "töten" und dafür zu sorgen, dass Deutschland "auf den Trümmern" der anderen Euroländer ein "Vermögen" mache.
Auf Grund der niedrigen Löhne in Deutschland wird Deutschland beispielsweise zunehmend zum Schlachthaus Europas. Die die anderen EU-Länder bei den Löhnen und bei den Subventionen der Fleischindustrie nicht mithalten können, konzentriert sich diese Branche mehr und mehr in Deutschland, wo Stundenlöhne zwischen 3 und 6 Euro gezahlt werden. Dieser skandalösen Lohnpolitik sieht die Bundesregierung nicht nur bereits seit Jahren zu, sondern unterstützt diese menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen auch nicht mit ihrer Verweigerung, dort für Mindestlöhne gesetzlich zu sorgen, wo nicht binnen Jahresfrist Mindestlöhne gelten. Deutschland ein Meister der Unfairness in Europa.
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05.02.2013 11:05
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Öffentliche Mediationen brauchen Skepsis
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Einer Mediation ist nicht zu trauen, die der Kontrolle von Regierungsstellen und Unternehmen unterliegt. Etwa durch Planungsunterlagen oder Wirkungsabschätzungen. Wie bereits mehrfach hier im Blog berichtet, weisen sowohl das Mediationsverfahren zur Erweiterung des Frankfurter Flughafens als auch die Mediation zum Stuttgarter Bahnhofsneubau viele Finten auf, mit denen die Bürger hinters Licht geführt wurden. Kosten werden in der Planung geschönt, runter- und rausgerechnet, Folgen wie Lärm und Belastung werden minimiert ausgewiesen. Eine realistische Darstellung ist selten; eher geht es um eine werberische Darstellung seitens der staatlichen und wirtschaftlichen Interessengruppen. Daher gilt: Für eine faire öffentliche Mediation braucht es viel mehr Skepsis der Bürger als bisher.
Jüngst hat der Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Thießen Aufklärung über die „Job-Maschine“ Frankfurter Flughafen gefordert. Er wirft den Verantwortlichen unterdrückte Erkenntnisse zur Verlagerung oder zum Abbau von Arbeitsplätzen im Rhein-Main-Gebiet vor. Die Frankfurter Rundschau führte mit ihm dazu das Interview:
Herr Thießen, Sie haben das Mediationsverfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens unter die Lupe genommen. Was haben Sie festgestellt?
Bei dem Gutachten wurden grobe wissenschaftliche Fehler festgestellt. Sie haben die Ergebnisse sehr stark beeinflusst. Hin zu mehr Arbeitsplätzen als tatsächlich entstehen. Es gibt Gutachten auf empirischer Basis, die untersucht haben, wie viele Arbeitsplätze Flughäfen in der Vergangenheit tatsächlich neu geschaffen haben. Nämlich im Durchschnitt keine. Dieses Ergebnis ist in den Gutachten zum Planfeststellungsbeschluss unterdrückt worden.
Überhaupt keine neuen Arbeitsplätze?
Ja. Der Ausbau von Flughäfen hat lediglich Verlagerung zur Folge.
Wo werden die Arbeitsplätze abgezogen?
Zum Teil von anderen Verkehrsmitteln wie der Bahn. Außerdem kann man Geld nur einmal ausgeben. Das bedeutet, wenn die Menschen mehr Geld fürs Fliegen ausgeben, dann sparen sie an anderer Stelle. Wenn der Luftverkehr wächst, entwickeln sich andere Teile der Wirtschaft nicht so gut.
Wie wurden die Gutachten unterdrückt?
Die von den Flughäfen beauftragten Gutachter haben eine Methodik entwickelt, die immer zu einer positiven Zahl der Arbeitsplätze kommt. Diese Methodik zeichnet sich durch Lückenhaftigkeit aus. Es werden bestimmte Wirkungen außer Acht gelassen. Dadurch ergeben sich im Sinne der Auftraggeber die positiven Effekte.
Wusste die Politik davon?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Politik das nicht gemerkt hat. Schon durch die Organisation des Mediationsverfahrens hat Wiesbaden die Weichen gestellt. Es musste bekannt gewesen sein, wie viel manipuliert worden ist.
Ihr Gesamturteil über das viel gelobte Mediationsverfahren zum Flughafenausbau?
Das ganze Mediationsverfahren zeichnet sich durch viele dubiose Eingriffe aus, die den Vorwurf der Manipulation rechtfertigen. Das fängt an bei den Arbeitskreisen.
Sie meinen die Arbeitskreise, die den Mediatoren zuzuarbeiten hatten.
Genau. In einem Arbeitskreis zum Thema Verkehr zum Beispiel waren von vier Teilnehmern zwei Lufthansa-affin, einer kam von Lufthansa direkt, und nur einer war unabhängig. In einem anderen Arbeitskreis wurde den Teilnehmern gesagt, sie bräuchten nichts Schriftliches mitzubringen, es werde nur diskutiert. Dann hatte der Regierungs-Vertreter doch ein Papier dabei, das dann zum Arbeitsergebnis erklärt wurde.
Haben Sie noch ein Beispiel?
Der Arbeitskreis, der externe Effekte des Luftverkehrs behandeln sollte, hat sich aufgelöst mit der Begründung, es gebe keine Literatur. Dabei war dieses Thema sehr wichtig, wie wir jetzt bei den Montagsdemonstrationen sehen.
Was ist beim Mediationsverfahren außerdem falsch gelaufen?
Es wurden Fragen ausgeklammert oder unzureichend geprüft. Magerere Erkenntnisse wurden der Öffentlichkeit als wichtig verkauft, andere Erkenntnisse wurden verschwiegen. Das ist einfach. Gutachter wurden verpflichtet, über ihren Vertrag, ihre Ergebnisse und sonstige Erkenntnisse über den Prozess zu schweigen. Es gab unzureichende Forschungsdesigns, fehlende Nachvollziehbarkeit von Argumenten, fehlende Objektivität der Beteiligten.
Das Interview führte Jutta Rippegather
Friedrich Thießen ist Professor der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der TU Chemnitz. Privat engagiert sich der Finanzwissenschaftler unter anderem im Vorstand des Rhein-Main-Instituts für Arbeits-, Struktur- und Umweltforschung.
http://www.fr-online.de/flughafen-frankfurt/flughafen-frankfurt-fluglaerm-das-job-maerchen-vom-flughafen-ausbau,2641734,21642128.html
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26.01.2013 18:10
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Unfaire Generationengerechtigkeit
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Straßen, Brücken, Schienennetz und Schulen oft marode. Reparaturen dauern zu lang. Stromtrassen nicht ausreichend. Kein ausgewogenes Förderkonzept für erneuerbare Energien. Hochschulen schlecht ausgestattet. Polizei, Justiz und Steuerfahndung auf Sparflamme. Aber Spardiktat überall. Schulden werden gesenkt. Schwimmbäder geschlossen, Bibliotheken weggespart, Jugendarbeit geschleift. Altenpflege unzureichend, Kliniken und Gesundheitswesen auf Rendite getrimmt. Gebühren hochgeschraubt wie eine zweite Steuer. Aber Ausgaben gesenkt. Bloß keinen Anlass schaffen, um Steuern da zu erhöhen, wo es einen persönlich trifft.
Unter dem Deckmantel der Generationengerechtigkeit wird die Lebensqualität verschlechtert und die Zukunftsfähigkeit aufs Spiel gesetzt. Was haben die künftigen Generationen davon, wenn die Infrastruktur für die Masse der Menschen marode und für wenige Betuchte leicht zu umgehen ist? Wo Altes abgerissen, saniert, ersetzt und ergänzt werden muss, wo Neues entstehen muss, um Herausforderungen gerecht zu werden, müssen künftige Generationen massenhaft Kredite = Schulden (mitsamt Rückzahlung und Zinsen) aufnehmen, um den Staat auf Stand zu bringen. Denn das vorhandene Geld wird ja nicht zu einem positiven Staatsvermögen – gewissermaßen die Dagobert Duckisierung der Nichtschulden, sondern wird dann doch ausgegeben. Die heute eingesparten Ausgaben und Schulden sind die Schulden von Morgen. Und dazu ein schlecht ausgestatteter Staat mit entsprechenden Folgen in der Gesellschaft.
Wer an heute schon sichtbaren und spürbaren Notwendigkeiten spart, spart heute schon die Zukunft kaputt. Wirklich gewonnen haben die künftigen Generationen nicht wirklich was. Aber die Heutigen haben die Steuerlasten in die Zukunft verschoben. Unfaire Generationengerechtigkeit.
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22.01.2013 14:07
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Finanzkrise vernichtet 28 Millionen Jobs
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Seit 2007 haben durch die Finanzkrise 28 Millionen Menschen ihre Stelle verloren, 39 Millionen gaben die Jobsuche aus Frust auf. Die Experten rechnen damit, dass sich der Abwärtstrend fortsetzt. Die weltweite Arbeitslosigkeit wird nach Einschätzung der Internationalen Arbeitsorganisation der UNO (ILO) weiter deutlich steigen. Im laufenden Jahr dürfte die Zahl der Menschen ohne Job um 5,1 Millionen auf mehr als 202 Millionen zunehmen, teilte die Sonderorganisation der Vereinten Nationen am Dienstag mit.
Damit hat die Arbeitsorganisation ILO eine verheerende Bilanz der weltweiten Wirtschaftskrise gezogen, die durch die Finanzkrise und Finanzspekulation ausgelöst wurde. Ab 2014 werde die Arbeitslosigkeit um weitere drei Millionen steigen. Die krassen Deregulierungen und Methoden einer Gemengelage von Finanzbranche und Politik haben Millionen Existenzen und Perspektiven zerstört. Die selbstgefälligen Lobreden auf die positiven Wirkungen des global agierenden, frei flottierenden Kapitals, die allen Menschen letztlich zu Gute kämen, haben sich mindestens für die jetzige junge und die künftige Generation als Fairness-Washing entpuppt.
Die weltweite Beschäftigungskrise hat sich nach einer gewissen Erholung zu Beginn des Jahrzehnts im Jahr 2012 wieder verschlimmert, so das Ergebnis eines Berichts über Globale Beschäftigungstrends, den die ILO im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums in Davos vorgelegt hat. Im fünften Jahr nach Ausbruch der Finanzkrise stieg die Zahl der Arbeitslosen um weitere 4 Millionen auf mehr als 197 Millionen. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 5,9 Prozent. Hinzu kommen 39 Millionen Menschen, die sich vom Arbeitsmarkt zurückgezogen haben, weil sie keine Hoffnung auf Beschäftigung mehr sehen.
„Die Unsicherheit über die konjunkturelle Entwicklung und die unzureichenden Gegenmaßnahmen der Politik schwächen die Nachfrage und bremsen Investitionen und Neueinstellungen“, sagte ILO-Generaldirektor Guy Ryder bei der Vorstellung des Berichts in Genf. „Dies hat den Einbruch bei der Beschäftigung noch in die Länge gezogen. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist rückläufig und die Dauer der Arbeitslosigkeit nimmt zu.“
Am schlimmsten von der Beschäftigungskrise betroffen sind junge Menschen. 2012 waren weltweit 73,9 Millionen Jugendliche ohne Arbeit – das entspricht einer Arbeitslosenrate von 12,6 Prozent – und ihre Zahl dürfte bis 2014 noch um eine halbe Million ansteigen. In Europa sind derzeit im Schnitt 12,7 Prozent der Jugendlichen weder beschäftigt noch in Ausbildung, fast zwei Prozentpunkte mehr als vor Ausbruch der Krise. Besonders besorgniserregend ist dabei, dass schon bei Jugendlichen die Langzeitarbeitslosigkeit zunimmt.
„Selbst wenn Arbeitsplätze neu entstehen, sind dafür oft Qualifikationen nötig, die die Arbeitssuchenden nicht haben“, erklärte Ryder. „Die Regierungen sollten daher ihre Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen verstärken, um die Lücke zwischen vorhandenen und geforderten Qualifikationen vor allem bei jungen Menschen zu schließen.“
Obwohl für dieses und das kommende Jahr noch mit einem leichten Wirtschaftswachstum zu rechnen ist, dürfte dieses nicht ausreichen, um die Lage auf den Arbeitsmärkten weltweit zu verbessern. Die ILO, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, prognostiziert in ihrem aktuellen Bericht vielmehr einen Anstieg der Zahl der Arbeitssuchenden auf über 210 Millionen in den kommenden fünf Jahren.
Am deutlichsten ist der Anstieg der Arbeitslosigkeit in den Industrieländern. Die Krise in Europa zieht jedoch zunehmend auch andere Länder in Mitleidenschaft. Viele Beschäftigte weltweit sind dabei zwar nicht arbeitslos, leben aber trotzdem unterhalb oder nur noch ganz knapp über der Armutsgrenze.
„Es handelt sich um eine wahrhaft globale Krise, die nicht mit Maßnahmen allein auf nationaler Ebene zu bewältigen ist“, so Ryder weiter. „Die Unsicherheit – also die Ursache für die geringe Investitionsbereitschaft und die unzureichende Schaffung neuer Arbeitsplätze – wird nicht zurückgehen, wenn einzelne Staaten widersprüchliche Lösungsansätze verfolgen.“
Zur Verminderung der Unsicherheit empfiehlt die ILO eine Kombination dreier Maßnahmen: die Stützung der Nachfrage, gegebenenfalls durch öffentliche Investitionen, solange die private Investitionsbereitschaft schwach ist; Ausbildungs- und Umschulungsprogramme, um die Qualifikationslücke zu schließen; und eine Konzentration auf Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. So hat bereits in mehreren Ländern die Erfahrung gezeigt, dass Beschäftigungsgarantien für Jugendliche zielführend und zugleich erschwinglich sind. „Die Kosten des Nichtstuns, wodurch die Langzeitarbeitslosigkeit wachsen würde und Jugendliche den Anschluss an den Arbeitsmarkt verlieren würden, wären jedenfalls viel höher“, sagte Ryder.
Im vergangenen Jahr gab es der Ilo zufolge weltweit rund 197 Millionen Arbeitslose. Das waren 4,2 Millionen mehr als im Jahr zuvor. "Das Wachstum der Weltwirtschaft wird nicht stark genug sein, um die Arbeitslosigkeit schnell zu senken", schreiben die Ilo-Experten. Seit 2007 hätten mehr als 28 Millionen Menschen ihre Arbeit verloren, etwa 39 Millionen gaben die Suche nach einer Stelle wegen fehlender Erfolgsaussichten auf.
Besonders hart trifft die Wirtschaftskrise junge Menschen. Weltweit haben der Ilo zufolge fast 74 Millionen der 15- bis 24-Jährigen keinen Job. Bis 2014 könnte eine weitere halbe Million hinzukommen.
"Viele geraten gleich zum Start ihres Berufslebens in die Langzeitarbeitslosigkeit, das hat es in früheren wirtschaftlichen Abschwüngen nicht gegeben", heißt es in dem Ilo-Bericht. In den Industriestaaten habe mehr als ein Drittel der jungen Menschen ein halbes Jahr oder länger keinen Job. Dadurch verkümmerten ihre beruflichen und sozialen Fertigkeiten. Angesichts der hoffnungslosen Lage vor allem in Europa geben der Arbeitsorganisation zufolge viele junge Menschen die Suche nach einem Job auf.
http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---dgreports/---dcomm/---publ/documents/publication/wcms_202215.pdf
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12.10.2012 15:23
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Unfairer Umgang mit Transparenzanspruch
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Dreist und heuchlerisch agieren CDU, CSU und FDP, wenn es um die Nebenverdienste von Peer Steinbrück als Bundestagsabgeordneter der SPD geht. Denn 1. sind die meisten Groß-Nebenverdiener aus der CDU sowie den anderen Koalitionsparteien, die auf Nachfrage überhaupt nicht ihre Verdienstsummen offen legen wollen, wie sie es von Steinbrück fordern, 2. weigert sich die große Koalition seit Jahren beharrlich, Korruption von Abgeordneten unter Strafe zu stellen. Ihre Begründungen für die unendliche Geschichte erscheinen international und national fragwürdig, auch in den eigenen Reihen hinter vorgehaltener Hand.
Deutschland hat nicht das Übereinkommen des Europarats / der OECD über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen von 1988 und nicht die UN-Konvention gegen Korruption von 2003 ratifiziert. Die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP behaupten, das sei nicht nötig, die deutschen Gesetze wären ausreichend.
Die Nebenverdienste von Steinbrück wurden erst Thema, als er zum Kanzlerkandidaten der SPD ausgerufen wurde. Er gehört zu den TOP-Nebenverdienstlern des Bundestages. Die anderen neun sind ausnahmslos von CDU, CSU und FDP. Während sie Steinbrück heftig angreifen, wollen die Spitzenverdiener der Koalition wie Heinz Riesenhuber (CDU), Michael Fuchs (CDU) Patrick Döring (FDP) keine völlig transparenten und genauen Veröffentlichungen der Nebenverdienste.
Längst hätten die Koalitionsparteien die UN-Konvention von 2003 ratifizieren und damit in Kraft setzen können. Längst hätten sie schärfere Regeln für Nebenverdienste und ihre Veröffentlichung erlassen können.
Jetzt also rote Karte für Merkel: Wegen der Verweigerung der Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP unter Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Korruptionsbekämpfung tatkräftig und mit entsprechenden gesetzlichen Maßnahmen voranzutreiben.
Das ist bezeichnend: während sich Union und FDP bei dem Thema in Blockadehaltung üben und die Empfehlungen des Europarats am liebsten stillschweigend ignorieren würden, zeigen sie mit dem Finger auf Steinbrück. Damit das Wahlvolk nicht merkt, dass die Koalitionsparteien im Bremserhäuschen bei der Antikorruption sitzen. Und weiterhin selbst ein trübes Süppchen bei Nebenverdiensten und Parteispenden kochen kann.
Dabei verpflichten mehrere internationale Abkommen – darunter die UN-Konvention gegen Korruption – die Bundesregierung, die bisher laxen Vorschriften gegen Bestechung oder Bestechlichkeit von Parlamentariern zu verschärfen. Auch der Bundesgerichtshof entschied voriges Jahr, der einschlägige Paragraf 108e des Strafgesetzbuchs sei "als praktisch bedeutungslose symbolische Gesetzgebung" anzusehen und reiche nicht aus, "alle strafwürdigen korruptiven Verhaltensweisen zu erfassen". Deshalb solle der Bundestag für Abhilfe sorgen.
Doch die Mehrheit der Parlamentarier weigert sich beharrlich. Ein Gesetzentwurf von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) wurde mit dem Hinweis abgelehnt, man wolle das mit einem Vorstoß aus der "Mitte des Bundestags" regeln. Die Arbeitsgruppe der Koalition aber brütet seit Monaten ohne Ergebnis.
Die Grünen wollen diese Hinhaltetaktik schon seit geraumer Zeit nicht mehr mitmachen. Einstimmig verabschiedete die Fraktion einen Gesetzentwurf. Die Grünen wollen den bislang zahnlosen Paragrafen 108e ordentlich aufrüsten. Ein Abgeordneter, der einen rechtswidrigen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, und zwar als Gegenleistung dafür, dass er in Ausübung seines Mandates eine "Handlung zur Vertretung oder Durchsetzung der Interessen des Leistenden oder eines Dritten vornimmt oder unterlässt", soll künftig mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.
„Was viele nicht wissen: Die rot-grüne Bundesregierung hatte die jetzt existierenden Regeln im Jahr 2005 gegen die Stimmen von Union und Liberalen durchgesetzt. Und Union und FDP sind es auch, die seitdem eine Verschärfung immer wieder verhindern. Der Grund scheint auf der Hand zu liegen: CDU, CSU und FDP haben prozentual betrachtet mit Abstand die meisten Abgeordneten, die nebenbei arbeiten. Und so verwundert es nicht, dass sie zwar bei Steinbrück mehr Transparenz fordern, aber bei einer Neufassung der Regelungen eher zurückhaltend sind. Die Stunde der Populisten hat geschlagen“ (Panorama, NDR 11.10.2012.
Ob der Druck der Grünen hilft? Selbst Gesichtsverlust auf internationaler Ebene hat den Ehrgeiz der Regierung bislang nicht angestachelt. Als Angela Merkel im Mai afrikanische Geistliche zu Gast im Berliner Kanzleramt hatte, referierte der kongolesische Erzbischof Laurent Monsengwo Pasinya über schlechte Regierungsführung – und meinte damit nicht nur sein Land. „Auch Deutschland“, mahnte der Erzbischof, „hat die UN-Konvention gegen Korruption noch immer nicht ratifiziert“.
http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2012/steinbrueck219.html
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16.08.2012 16:12
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Steuerkriminalität: Maximierter Betrug
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32 Billionen. So viele US-Dollar haben allein reiche Amerikaner in Steueroasen versteckt. Meldet die NGO Tax Justice Net (TJN). Eine Billionen-Summe Euro wird von Reichen aus Deutschland beigesteuert. Vor allem nach Singapur. Hinweise auf systematische Geldtransfers aus der Schweiz nach Singapur hat die NRW-Regierung nach eigenen Angaben auf angekauften sogenannten Steuer-CDs gefunden. Sie enthalten Listen von deutschen Steuerbetrügern, die ihr Geld unversteuert ins Ausland schaffen.
Doch diese Angaben hält die NRW-Finanzbehörde eher für „Beifang“. Neun Millionen Euro soll das Land NRW für die letzten vier CDs mit Daten zu Schwarzgeldkonten in der Schweiz gezahlt haben. Ein winziger Bruchteil jener 150 Milliarden Euro an Schwarzgeld, die deutsche Steuersünder nach Schätzungen der Steuergewerkschaft illegal auf Konten allein in der Schweiz lagern. Und das ist nicht alles. Steueroasen gibt es eine ganze Menge.
Alle Welt glaubt, Deutschland sei für Vermögende ein schwieriges Land. Zu hohe Steuern, lückenlose Kontrolle, Durchgriff der Finanzbehörde auf Konten, Diskriminierung von Reichtum. Würden Reiche ihren Anteil zum Staat und Gesellschaft leisten, wäre es ein blühendes Land: ohne Niedrig- und Dumpinglöhne, ohne Schlaglöcher in den Straßen und Schimmelwände in den Schulen, ohne Mangel an Erzieher und Erzieherinnen und ohne Altersarmut nach 40 Jahren Arbeit.
Das „Netzwerk Steuergerechtigkeit Deutschland“ zeigt in seinem Informationsbrief vom April 2012 den Schattenfinanzindex 2011, dass Deutschland zu den Top Ten der Steueroasen gehört. Ja, Sie haben richtig gelesen.
Im Report heißt es: „Es gibt hierzulande einige gravierende Regulierungslücken, v.a. im Bereich der Offenlegung von wirtschaftlichen Eigentümern von Vermögen sowie bei den Anforderungen an die Unternehmenstransparenz. Hinzu kommen Schwächen in der Steuerverwaltung und bei der internationalen Kooperation zur Bekämpfung von Steuervermeidung und –hinterziehung sowie von Geldwäsche. Für die ‚Spitzenplatzierung’ Deutschlands ist in erster Linie die Größe des Finanzplatzes maßgeblich. Ohne die Gewichtung anhand des Anteils am globalen Markt für Finanzdienstleistungen käme Deutschland nur auf einen Platz im unteren Mittelfeld (Platz 57)“. In einer Tabelle listete der Report genau „die Indikatoren des SFI 2011 und Deutschlands Abschneiden im Überblick“ auf.
Deutschland hat nicht das Übereinkommen des Europarats / OECD über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen von 1988 und nicht die UN-Konvention gegen Korruption von 2003 ratifiziert. Die Regierungsparteien CDU, CSU und FDP argumentieren, das sei nicht nötig, die deutschen Gesetze wären ausreichend.
Gelbe Karte für Merkel von LobbyControl: Wegen der Verweigerung der Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP unter Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Korruptionsbekämpfung tatkräftig und mit entsprechenden gesetzlichen Maßnahmen voranzutreiben. Nach Informationen von LobbyControl gibt es allerdings nicht einmal eine konkrete Entschlussvorlage für die Sitzung des Innenausschusses. Das ist bezeichnend für die Blockadehaltung von Union und FDP, die die Empfehlungen des Europarats am liebsten stillschweigend ignorieren würden.
LobbyControl schreibt: „Trotz mehrerer Skandale bei Parteispenden und Parteisponsoring in den letzten Jahren ignorieren Bundesregierung und Bundestag das Thema. Merkel muss sich als Bundeskanzlerin und Parteivorsitzender der größten Regierungspartei endlich dafür einsetzen, dass die Empfehlungen nicht weiter verschleppt werden. Sonst ist ihre Tatenlosigkeit der Nährboden für die nächsten Parteispenden-Skandale.
Eine der Forderungen des Europarats ist es, die Veröffentlichungsschwellen für Parteispenden zu senken. Bisher müssen nur Spenden über 10.000 Euro veröffentlicht werden. Eine Analyse von LobbyControl zeigt, dass dadurch die Mehrzahl der Spenden intransparent bleibt. 2010 sind 61 Prozent der gesamten Spenden von Unternehmen und Verbänden an alle Bundestagsparteien unter der Schwelle geblieben. Bei den Spenden natürlicher Personen liegt der Wert mit etwa 81 Prozent noch höher. Der Fall des Spielautomatenherstellers Gauselmann hat letztes Jahr gezeigt, wie gezielt über Spenden einzelner Führungskräfte über eine Million Euro verdeckt an Union, SPD, FDP und Grüne geflossen sind, ohne dass dies in den Rechenschaftsberichten auftauchte“.
Was ist die Moral der milliardenschweren Steuerbetrüger, die Ethik einer christlich-liberalen Bundesregierung, die Korruption betreiben, zulassen und nichts gegen sie unternehmen? Was ist das tatsächliche Motiv? Gier und Geiz bei den Reichen, um im Wettbewerb der Reichste zu werden. Hier von Ehrgeiz zu sprechen, dürfte euphemistisch sein. Bei den Regierenden? Sich die Reichen nicht zu Feinden zu machen, denn ihr Reichtum ist eine Macht, die weit reicht. Und weiter reicht, als die Masse der Benachteiligten und der Lohnabhängigen. Es wird Zeit, die Politik aus dieser Umklammerung zu befreien und sie ihrem eigentlichen Zweck zu zuführen: dem Gemeinwohl zu dienen.
http://www.taxjustice.net/cms/upload/pdf/Deutsch/infosteuergerechtigkeit006.pdf
http://www.derwesten.de/politik/nrw-wirft-schweizer-bank-hilfestellung-bei-steuerbetrug-vor-id6969654.html
http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/2012/06/5022-menschen-zeigen-merkel-die-gelbe-karte/
In englischer Sprache:
http://www.secrecyjurisdictions.com/PDF/Germany.pdf
http://www.secrecyjurisdictions.com/sj_database/Germany.xml#b128
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15.06.2012 16:09
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Wer Whistleblower nicht schützt, handelt unfair
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Kritiker, Informanten, Whistleblower, Risikoboten, die auf innerbetriebliche Missstände hinweisen, finden alle Politiker wichtig. Und bewundernswert. Denn sie beweisten Zivilcourage und müssten vor Anfeindungen geschützt werden. Darin sind sich die Fraktionen des Deutschen Bundestags einig. Das war’s dann auch schon mit der Einigkeit. Die Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP sieht keinen gesetzlichen Bedarf, diese Menschen schützen. Das zeigte sich gestern in der Debatte des Deutschen Bundestages. Die Abgeordneten berieten einen Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zum Schutz sogenannter Whistleblower (17/9782), der am Ende der Debatte an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen wurde. Darin werden Änderungen unter anderem des Bürgerlichen Gesetzbuches gefordert, die Hinweisgeber besser als bisher vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen schützen sollen.
Die Grünen machten deutlich: Hinweisgeber sind „keine Verräter“. Zur Begründung sagte die Sprecherin für Demokratie der Fraktion der Grünen, Ingrid Hönlinger, Hinweisgeber würden Verantwortung für die Demokratie übernehmen. Nach dem Willen ihrer Fraktion sollen Beschäftigte das Recht haben, sich zunächst intern um Abhilfe der Missstände zu bemühen. In schweren Fällen soll es aber auch gestattet werden, externe Stellen oder die Öffentlichkeit einzuschalten. Wenn Menschen gefährdet würden, sei es nicht nur ein Recht, sondern "nachgerade die Pflicht, darauf hinzuweisen".
Auch die SPD mahnt Regelungsbedarf an. Die Abgeordnete Kerstin Tack warf der Koalition vor, Menschen wie den Lkw-Fahrer, der auf den Gammelfleischskandal aufmerksam gemacht und daraufhin seinen Job verloren hatte, nach wie vor als „Denunzianten“ zu bezeichnen. Zum Schutz von Whistleblowern gebe es erheblichen „Regelungsbedarf“. Dass die Koalition dies bestreite, sei „zynisch“ — sie frage sich, wieso dann das Bundeskartellamt gerade eine Internetseite zum anonymen Hinweisgebertum ins Leben gerufen habe. Nicht umsonst habe sich die Bundesregierung selbst dazu verpflichtet, bis zum Ende des Jahres entsprechende Regelungen vorzulegen. Der Entwurf der Grünen findet dennoch nicht die Zustimmung der SPD: Lediglich das BGB zu ändern, reiche nicht aus. Es müsse Hinweisgebern möglich sein, sich auch ohne „betriebliche Erstuntersuchung“ an externe Stellen zu wenden.
Die Linke fordert eine Kultur des Hinsehens und Einmischens. Karin Binder unterstrich, es sei auch die Auffassung der Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass Whistleblowing ein „Grundrecht“ sei. Dass es für den Schutz der Hinweisgeber ein Gesetz brauche, habe ihre Fraktion bereits im vergangenen Jahr festgestellt. Sie begrüße, dass die Grünen diese Initiative nun aufgriffen. Es müsse dabei jedoch um mehr gehen als den Schutz vor Diffamierung. Es müsse eine neue Kultur geben, „nicht des Wegguckens und Wegduckens“, sondern des Hinsehens und Einmischens. Die Vorlage der Grünen sei nur „ein halber Schritt“, der die große Gruppe der untypisch Beschäftigten — etwa Selbstständige, Praktikanten oder Leiharbeiter — nicht einbeziehe.
CDU/CSU fordert interne Hinweisgebersysteme und sieht zusammen mit der FDP keinen Regelungsbedarf. So betonte der CSU-Abgeordnete Ulrich Lange, es sei eine „politische Reflexhandlung“, Einzelfallentscheidungen zu Gesetzeslücken hochzustilisieren. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Fall einer Altenpflegerin, die entlassen wurde, nachdem sie Missstände benannt hatte, habe die Kontrollmaßstäbe deutscher Gerichte bestätigt. Zum Schutz von Hinweisgebern gebe es bereits ausreichende Normen etwa im Arbeitsrecht. Statt neuer gesetzlicher Regelungen seien interne Hinweisgebersysteme nötig, die die Unternehmen selbst schaffen müssten.
Das Whistlebower-Netzwerk weist durch Guido Strack darauf hin, dass die Bundestag noch200 Tage Frist hat, um über die Einführung eines Gesetzes zum Schutz von Whistleblowern zu beschließen. Genau 200 Tage Zeit hat die Bundesrepublik dann noch, um ihr 2010 gegenüber den anderen G20 Staaten gegebenes Versprechen zu halten, bis Ende 2012 einen internationalen Standards entsprechenden, gesetzlichen Whistleblowerschutz auch in Deutschland einzuführen und umzusetzen.
Bei der letzten Debatte im Plenum im September 2011 hatten sich die Koalitionsfraktionen noch darauf zurückgezogen, eine OECD Studie abwarten zu wollen. Diese liegt seit November 2011 vor und bescheinigt Deutschland unzureichenden Schutz und eine unklare Rechtslage. Potentielle Whistleblower können hierzulande nicht abschätzen, wie Gerichte später ihren Fall beurteilen werden, ob sie vor Mobbing und Arbeitsplatzverlust geschützt werden oder nicht. Die Folge: Menschen, die Missstände am Arbeitsplatz beobachten, werden abgeschreckt darauf hinzuweisen. Stattdessen schweigen sie und die Missstände – gleich ob Korruption, lasche Sicherheits- und Umweltstandards oder gefährliche Behandlungen und Pflege – bestehen fort und eskalieren weiter.
Schon im Mai 2011 hatte Whistleblower-Netzwerk einen eigenen Gesetzesentwurf dazu vorgelegt, wie öffentliche Interessen durch Förderung von Whistleblowing und besseren Whistleblowerschutz besser gewahrt werden können.
Der Gesetzesentwurf von Bündnis90/Die Grünen will gutgläubige Whistleblower aus dem privaten und dem öffentlichen Sektor durch Änderungen in bestehenden Gesetzen besser vor Repressalien schützen. Er knüpft an die bisherige Rechtsprechung an und verpflichten Whistleblower, sich auch zukünftig in der Regel zunächst an den Arbeitgeber oder interne Stellen wenden zu müssen. Allerdings sollen die Ausnahmen von diesem Grundsatz ausgeweitet werden. So sollen z.B. Strafanzeigen auch ohne vorherige interne Meldung möglich sein, wenn der Arbeitnehmer aufgrund konkreter Anhaltspunkte gutgläubig vom Vorliegen einer Straftat ausgeht, wobei er seine Gutgläubigkeit insoweit auch nicht mehr selbst beweisen muss. Auch sonstige Motive des Whistleblowers sollen zukünftig unbeachtlich sein. In Ausnahmefällen, bei überwiegendem öffentlichem Interesse, wollen die Grünen eine direkte Information der Öffentlichkeit zulassen. Außerdem enthält der Vorschlag auch eine Beweiserleichterung zugunsten des Arbeitnehmers bzw. Beamten beim Nachweis von Repressalien.
Nach Meinung des Whistleblower-Netzwerks gehen die Vorschläge von SPD und Bündnis90/Die Grünen trotz gewisser Schwächen in die richtige Richtung. Durch deren sinnvolle Kombination könnte Deutschland internationalen Standards entsprechen. Das Netzwerk fordert die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen auf, ihr international gegebenes Wort zu halten und ihre Verweigerungshaltung gegenüber effektivem Whistleblowerschutz endlich aufzugeben.
Dass CDU, CSU und FDP den Gesetzesentwurf der Grünen abgeschmettert haben und trotz angeblich großen Respekts vor der Zivilcourage von Whistleblowern keinen gesetzlichen Regelungsbedarf sehen, deckt sich völlig mit der Position der deutschen Unternehmer- und Arbeitgeberverbände. Sicher wäre der Gesetzesentwurf der Grünen noch zu verbessern gewesen, sicher hätte man bestimmten Einwänden Rechnung tragen können. Aber gar keinen Regelungsbedarf zu sehen, spricht den Fakten und Erfahrungen Hohn. Über 80 Prozent der Whistleblower verlieren ihren Arbeitsplatz, leider auch mitunter durch naives Vorgehen. Viele Mitwisser ducken sich und schweigen aus Angst vor unfairen Attacken, besonders Mobbing. Von der Bewunderung mutiger Kritiker haben sie nichts. Wer ihnen gesetzlichen Schutz verweigert, handelt unfair. Und stärkt jene, die in Unternehmen und Behörden unfaire Praktiken pflegen, darum einen Abwehrwall aus Mobbing und Bedrohung bauen und so mafiöse Strukturen erhalten und weiter entwickeln. Risikohinweise und Kritik konstruktiv aufgreifen und Unternehmen verbessern: das hat Zukunft und trägt zur Fairness-Qualität in Wirtschaft und Gesellschaft bei.
Bundestagsdrucksachen zum Thema 17/9782 - Gesetzentwurf Bündnis 90/Die Grünen: Whistleblower-Schutzgesetz (PDF)
Zum Whistleblower-Netzwerk
http://whistleblower-netz.de
Informationen der Fairness-Stiftung über Whistleblowing (Risikoboten, Hinweisgeber)
http://www.fairness-stiftung.de/RMuUK.htm
http://www.fairness-stiftung.de/Whistleblowing.htm
http://www.fairness-stiftung.de/Weisse-Weste.htm (mit besonderen Hinweis zur Bau- und Immobilienbranche)
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05.05.2012 13:24
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EM-Boykott statt couragierter Politik?
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Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, verurteilt den Boykott-Aufruf zur Fußball-EM in der Ukraine als Effekthascherei. Es geht um den menschenunwürdigen Umgang der ukrainischen Regierung mit der inhaftierten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko. „Deutschland könnte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die Ukraine verklagen.
Dieser Weg wird wahrscheinlich deshalb nicht beschritten, weil er nicht als medienwirksam genug angesehen wird“, sagte er in der „Welt am Sonntag“. Stattdessen, so Papier, der 2010 eine wegweisende Rede zum Jubiläum der Fairness-Stiftung über „Fairness: Grundwert im sozialen Rechtsstaat“ hielt, „werden auch von deutschen Politikern abwegige Forderungen nach einem Boykott der Fußball-Europameisterschaft erhoben“.
Soweit sie die Teilnahme der Sportler oder die Verlegung des Austragungsorts beträfen, seien die Boykottaufrufe „völlig unrealistisch“, betonte Papier. Und führte weiter aus: „Soweit es um einen sogenannten Politiker-Boykott geht, mache ich mir als Verfassungsrechtler schon einige Gedanken“. Vor allem die obersten Verfassungsorgane seien berufen, Deutschland bei solchen Sportveranstaltungen zu repräsentieren.
„Beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit beispielsweise bin ich mir da nicht so sicher“, sagte Papier. Wenn Politiker wie Norbert Röttgen (CDU) nun öffentlichkeitswirksam mit Boykott drohten, „sieht das mehr nach Effekthascherei aus“. Der Besuch eines EM-Spiels in der Ukraine sei „eine Ehrerbietung vor allem den Spielern gegenüber – und nicht der politischen Führung des Landes", fügte Papier hinzu. „Die Europameisterschaft ist keine Veranstaltung eines Staates. Alles andere wäre eine völlige Verkennung des Sinns solcher Sportveranstaltungen“.
Als Mitglied des Europarats habe sich die Ukraine verpflichtet, die Grundfreiheiten der Europäischen Menschenrechtskonvention zu achten. „Alle Staaten des Europarats haben eine Verantwortung dafür, dass die Bestimmungen in anderen Mitgliedstaaten eingehalten werden“, betonte Papier. Dazu gebe es die Möglichkeit der Staatenbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
Ähnlich äußerte sich auch der ukrainische Box-Weltmeister Vitali Klitschko. Er fordert westliche Politiker dazu auf, die Appelle zum Boykott der Fußball-EM nicht zu beachten und stattdessen als Zuschauer in die Stadien zu kommen. „Ihr Missfallen an der Verletzung der Menschenrechte“ könnten sie dann an Ort und Stelle „direkt gegenüber den ukrainischen Machthabern äußern“, sagte der ukrainische Oppositionspolitiker in einem Interview mit dem „Focus“. So werde die Weltöffentlichkeit auf die Missstände in dem Land aufmerksam. Unter anderem könnten ausländische Politiker darauf bestehen, bei ihren Reisen in die Ukraine politische Häftlinge zu besuchen, regte Klitschko an: „Das wäre auf jeden Fall effektiver als die Fußball-EM zu boykottieren“.
Entscheidender als im Nachhinein zu Boykotten oder Drohungen Zuflucht zu nehmen, ist es, bei der Vergabe von Weltmeisterschaften und Olympiaden die Frage nach dem Umgang mit Menschenrechten zu stellen. Solche sportlichen Megaveranstaltungen müssen nicht in Staaten stattfinden, die entweder Menschenrechte mit Füßen treten oder dies hinter einer Menschenrechtskulisse tun, wenn dies vorher schon erkennbar ist.
Staaten, die zur UNO gehören, haben die UN-Charta und die Charta der Menschenrechte unterzeichnet. Wer weltweit relevante Veranstaltungen in sein Land holen will, soll den Nachweis durch unabhängige Gutachter erbringen, dass die Menschenrechte praktisch ge- und beachtet werden. Die Charta der Menschenrechte definiert die humanen und sozialen Spielregeln der Weltgemeinschaft, Wer dazu gehören will, muss sie nicht nur unterschreiben, sondern auch nachweislich einhalten und bei Verstößen Wiedergutmachung und Verbesserung vornehmen. So entsteht eine globale Fairness-Qualität der Völkergemeinschaft.
Zwar wurde die Entscheidung, die Fußball-EM neben Polen auch in die Ukraine zu vergeben, gefällt, als in der Ukraine noch ein demokratischer Aufbruch stattfand, aber mit massiven Umbrüchen in Gesellschaften ist zu rechnen. Die Ukraine hat die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet und sich auch damit an bestimmte Grundsätze und Regeln gebunden. Ihre Missachtung zu erkennen, zu kritisieren und der europäischen Gerichtsbarkeit zu überantworten, ist Sache der Politik. Und nicht des Sports. Der Mumm, der den europäischen Politikern fehlt, kann nicht durch sportliche Courage ersetzt werden.
http://www.welt.de/politik/deutschland/article106262636/Ex-Verfassungsrichter-haelt-EM-Boykott-fuer-abwegig.html
http://www.focus.de/politik/deutschland/diskussion-um-julia-timoschenko-hans-juergen-papier-gegen-em-boykott-deutschland-koennte-die-ukraine-verklagen_aid_747789.html
http://www.fairness-stiftung.de/FF2010.htm
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24.04.2012 12:50
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Plusausgaben - Schuldenkrise: Politik ohne Balance
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Schuldenkrise auf der einen Seite, Schuldenbremse auf der anderen. Da wollen Angela Merkel und die Koalition die Ausgaben steigern. Das Betreuungsgeld einerseits, neue Rentenleistungen andererseits, um CSU und die innerparteiliche CDU-Opposition bei der Stange zu halten. So soll der CDU/CSU-Streit befriedet werden. Die Folge: bis zu 22 Milliarden Mehrausgaben pro Jahr, davon ca. 1,2 Milliarden Euro für das Betreuungsgeld, gelegentlich auch Herdprämie genannt.
Kein Einkommenszuwachs durch unausgewogene Wohltaten
Gleichzeitig sind die Steuereinnahmen gestiegen. Doch die Arbeitnehmer bekommen durch Inflation und gestiegene Energiepreise und trotz deutlicher Gehaltserhöhungen keinen Einkommenszuwachs. Die Merkel-Regierung bedient ihr Klientel: Rentner und Mütter. Das ist Wahlkampf mit Blick auf die Landtagswahlen, aber vor allem mit Blick auf die nächste Bundestageswahl 2013. Statt die Steuerlast während der guten Konjunktur für Normalverdiener zu senken und die Steuerschuld drastischer abzubauen, werden Wohltaten verteilt und Sozialleistungen erhöht. Ohne Not. Wegen Koalitionsgeschacher und unausgereiften politischen Konzepten. Sogar Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind sich einig: Das ist Murks.
Nötige Eckdaten für den gesellschaftlichen Zusammenhalt
Nötig wäre vielmehr: drastischer Schuldenabbau, um der Schuldenfalle zu entkommen; Herabsetzung von Gebühren und Aussetzung der Praxisgebühr; Abbau der progressiven Steuerentwicklung; Einführung einer Vermögenssteuer und einer Mehrwertsteuer auf Finanzprodukte; Ausbau der Ganztagesschulen, -horte und –kindergärten, bessere Bezahlung der Arbeitnehmer in Krankenhaus, Pflege, Kindergärten und horte sowie der Pädagogen in der Integrationsarbeit und Migrantenbildung. So würde der Unwucht der Gesellschaft entgegen gewirkt und zunehmender sozialer Desintegration vorgebeugt. Die Sozialentpflichtung von Kapital und Vermögen würde gemäßigt, so dass der gesellschaftliche Zusammenhalt befördert wird.
Ausgabenbremse für Politiker im Wahlkampf
Regelmäßig werden vor Wahlen und unmittelbar nach Wahlen Ausgaben erhöht und Klientelgruppen bedient. Den einen zur Belohnung (Senkung der Hotel-Mehrwertsteuer), den anderen zum Ködern. Zugleich werden kommunalen Einrichtungen und notwendigen Maßnahmen die Budgets zusammen gestrichen mit dem Hinweis: Schuldenbremse. Daher ein Vorschlag gegen die Versuchung der Politiker, mit Ausgaben das Wählervolk zu bestechen und die Belastung des Steuerhaushalts zu erhöhen: 12 Monate nach einer Bundestagswahl und 24 Monate vor einer Bundestagswahl dürfen keine Ausgaben erhöht oder neu in Kraft gesetzt werden, vor allem dürfen keine Leistungsgesetze gemacht und verabschiedet werden, die dauerhafte Mehrausgaben nach sich ziehen. Ausnahme: Leistungsgesetze mit Mehrausgabeneffekt müssen durch Gesetze mit Ausgabenminderung ausgeglichen werden. Umschichtungen, Streichungen, Schuldenabbau sind jederzeit erlaubt. Dafür wird die Legislaturperiode um ein Jahr auf 5 Jahre erhöht. Das wäre ein struktureller Beitrag zu mehr Fairness und gegen selbstschädigende Folgen der Demokratie.
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13.02.2012 15:06
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So irrt Philipp Rösler über Wettbewerb
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Hat der Wettbewerb eine ethische Funktion? Bundesminister Philipp Rösler von der FDP sagte dieser Tage zur Eröffnung einer Konferenz in Wittenberg: "In der Sozialen Marktwirtschaft übernimmt der Wettbewerb eine zentrale ethische Funktion. Er fördert das Wachstum, das Grundlage für Fortschritt und sozialen Ausgleich ist. Soziale Marktwirtschaft und Wachstum gehen Hand in Hand. Zu den Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft gehört ein verantwortlicher Umgang mit Freiheiten und Vertrauen in marktwirtschaftliche Prozesse. Soziale Marktwirtschaft kann nur erfolgreich sein, wenn alle aktiv an ihrem Gelingen mitwirken. Das gilt für Unternehmer, Beschäftigte, politische Gestalter und Verbraucher gleichermaßen“.
Das ist großer Unsinn. Denn ein Wettbewerb hat keine ethische Funktion. Sondern die muss ihm durch Spielregeln und Kontrolle ihrer Einhaltung verpasst werden. Ein Wettbewerb ohne Spielregeln ist ein rohes Geschehen, wo die einzige Spielregel herrscht, die sich aufdrängt: Der Stärkere setzt sich durch. Und der setzt diese „Regel“.
Wettbewerb fördert auch nicht automatisch Wachstum und in der Folge Fortschritt und sozialen Ausgleich. Wettbewerb kann auch Wachstum hemmen, wenn ungezügelter Wettbewerb zur kurzsichtigen Ausbeute einer wichtigen Ressource führt, so dass Wachstum auf dem entsprechenden Gebiet nicht mehr möglich und auch nicht einfach ersetzbar ist. Hat der Minister noch nie von den „Grenzen des Wachstums“ gelesen oder gehört? Bebaubares Land beispielsweise ist begrenzt. Im Wettbewerb gewinnen derzeit dort diejenigen, die massiv Macht, Geld, Bedrohung und Verdrängung einsetzen. Oder Strukturvorgaben zu ihren Gunsten durch Beziehungen und Lobbyarbeit beeinflussen. Und es gibt Wettbewerb, der Fortschritt behindert. Wie seinerzeit der Wettbewerb um das beste Videoformat bewies. Das VHS-Format gewann; das Betamax und Video2000-Format blieb auf der Strecke, obwohl es technisch die bessere Bildqualität bot. Wie der Wettbewerb im Automobilsektor derzeit beweist: Die kleinen, sparsamen und umweltschonenden Fahrzeuge bleiben auf der Strecke; große, schwere und schnelle Autos gewinnen. Auf Kosten der Ressourcen und der Umwelt. Dass Wettbewerb durch Wachstum sozialen Ausgleich stiftet, ist eine Mär, der nicht nur Philipp Rösler aufsitzt. Er macht sich auch noch zu deren Herold. Wettbewerb stiftet zunächst Gewinner und Verlierer. Und nur, wenn der Gewinner auf faire Weise zu seinem Vorteil gekommen ist und dessen Fairness durch den Verlierer anerkannt werden kann, kann sozialer Ausgleich entstehen. Wenn jedoch der Wettbewerb nach der Art „wer hat, dem wird gegeben“ organisiert ist, werden die sozialen Unterschiede immer mehr verschärft. Sozialen Ausgleich gibt es also nicht durch den Wettbewerb, sondern durch Fairness und faire Regeln, der die Wettbewerber zu einem fairen Spiel veranlasst oder zwingt.
Ergo: Der Bundesminister Philipp Rösler hat eine Chance verpasst, ein wichtiges Thema geistig und ethisch zu durchdringen. Vielleicht fehlt es an ethischer Qualifikation. Vielleicht aber auch an Fairness-Bewusstsein. Wettbewerb ohne Fairness ist wie Musik ohne Pausen, Rhythmen und Takte. Nennt man Lärm.
http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachstums
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10.11.2011 11:02
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Milliardär Soros verlangt mehr Fairness durch die Politik
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Der siebtreichste Mensch der Welt, George Soros, verlangt mehr Regulierung der Finanzmärkte durch die Politik. Die Gesetzgeber müssen die Regeln aufstellen und überwachen lassen. Das setzt einen Rahmen für Fairness und faires Handeln im Markt. Würde er als Fondsmanager die Möglichkeiten in den derzeit gegebenen Regeln nicht voll ausschöpfen, würde er über kurz oder lang von den anderen Akteuren vom Markt gefegt. Entscheidend sei, dass für alle Marktteilnehmer die gleichen Regeln gelten und gegen sie durchgesetzt werden. Das ist fair, alles andere ist blauäugig, meint Soros.
„Märkte haben keine Moral“, sagt Soros. Sie funktionieren nach den gegebenen Regeln und innerhalb der gesetzten Rahmenbedingungen. Märkte können sich nicht selbst regulieren, weil alle Marktteilnehmer stets nur den eigenen Vorteil suchen. Übergeordnet sind nur die Politik und der Gesetzgeber. Dazu muss er sich aber seiner Rolle bewusst sein, sie annehmen und sie auch ausfüllen. Das habe er in den letzten Jahrzehnten nicht getan, sondern war den Finanzmärkten willfährig zu Diensten. Teils in dem irrigen Glauben, dadurch selbst von den Märkten zu profitieren. So wurden die Regierungen selbst zu Marktteilnehmern, als ihrer Gesetzgeber und Schiedsrichterrolle gerecht zu werden. Die Folge: Superreiche und Reiche zahlen in Relation lächerlich geringe Steuern, während kleinere und mittlere Verdiener relativ die Hauptlast des Gemeinwesens tragen.
Der gebürtige Ungar und heutige Amerikaner sagt: „Die Reichen in meinem Land müssen mehr Steuern zahlen. Auch ich müsste mehr Steuern zahlen. Darüber hinaus sollten Politiker endlich bessere Kontrollen einführen. Die Banken sind längst Hedgefonds geworden. Sie benutzen die Einlagen der Sparer, um auf eigene Rechnung zu spekulieren. Das gehört verboten“.
Fragt sich etwa, was die Deutsche Bank mit den Milliarden unternimmt, die die Postbank-Kunden (14 Millionen) bei ihr angespart und zusätzlich auf Giro-Konten (um die 30 Milliarden €) stehen haben. Soros hat allerdings seinen Hedgefonds mit 24 Milliarden kürzlich für Investoren von außen geschlossen und verwaltet ihn als „family office“, so dass er keiner Börsenaufsicht mehr unterliegt. So hat er nicht nur eine Lücke entdeckt, wo milliardenschwere Vermögen vermehrt werden, sondern auch einen Hinweis an den Gesetzgeber gegeben, wo Regelungsbedarf ist.
Für faire Rahmenbedingungen ist genug zu tun. Ohne sie kann es in Märkten nicht fair zugehen, was die Belange der Gemeinwesen anbelangt. Die Gesetzgeber sind dem Wohl des ganzen Volkes verpflichtet. Doch sie lassen Unfairness zu und begünstigen die Vermehrung des großen Geldes auf Kosten des Volkes, vor allem auf Kosten der kleinen und armen Menschen.
Das Interview mit George Soros erschien in stern 45/2011, S. 64-68
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20.09.2011 19:03
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Auf zur parlamentarischen Versammlung der UN
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Die Fairness-Stiftung hat einen Brief unterzeichnet, der heute an die Bundesregierung übergeben wurde:
"Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Bundesminister,
in wenigen Tagen, am 13. September 2011, wird in New York die 66. Generalversammlung der Vereinten Nationen eröffnet. Das mutige und beispiellose Eintreten von Millionen von Menschen für demokratische Reformen in den Staaten der arabischen Welt und das in jüngster Zeit weltweit gestiegene Interesse an Demokratie ist ein Anlass, um grundsätzlich über die Entwicklung der Demokratie im Zeitalter der Globalisierung nachzudenken. Nicht zuletzt deshalb ist es mehr als sechs Jahrzehnte nach Gründung der Vereinten Nationen höchste Zeit für eine wegweisende Stärkung der Demokratie in der Weltorganisation.
Wir sind der gemeinsamen Überzeugung, dass den Bürgerinnen und Bürgern der Welt die Möglichkeit gegeben werden muss, sich an der Gestaltung der Weltinnenpolitik besser beteiligen zu können.
Einen entscheidenden Schritt hierfür hat das Europäische Parlament am 8. Juni 2011 vorgeschlagen. Die direkt gewählte Vertretung der Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union empfiehlt den Regierungen der Europäischen Union, und damit auch der deutschen Bundesregierung, sich bei der bevorstehenden UN-Generalversammlung für die Einrichtung einer Parlamentarischen Versammlung bei den Vereinten Nationen einzusetzen.
Wir richten uns mit diesem gemeinsamen offenen Brief an Sie, um uns mit Nachdruck der Empfehlung des Europäischen Parlaments anzuschließen und appellieren an Sie, den Vorschlag zur Einrichtung einer Parlamentarischen Versammlung bei den Vereinten Nationen aufzugreifen und zu unterstützen. Das Anliegen ist realistisch und pragmatisch. Eine Parlamentarische Versammlung bei den Vereinten Nationen könnte zunächst aus Mitgliedern der Parlamente der UNMitgliedsstaaten zusammengesetzt sein. Nach und nach soll sie mit umfassenden Informations-, Beteiligungs- und Kontrollrechten gegenüber den UN und den Organisationen des UN-Systems ausgestattet werden. In einem späteren Schritt könnten Direktwahlen erfolgen. Für den ersten Schritt würde ein Beschluss der Generalversammlung nach Artikel 22 der UN-Charta ausreichen. Eine Reform der Charta, wie zur Erweiterung des UN-Sicherheitsrates, wäre nicht erforderlich. Wir pflichten dem Europäischen Parlament bei, dass eine Parlamentarische Versammlung den demokratischen Charakter, die demokratische Rechenschaftspflicht und die Transparenz der Weltordnungspolitik erhöhen und eine bessere Beteiligung der Öffentlichkeit an den Tätigkeiten der Vereinten Nationen ermöglichen würde. Eine solche Versammlung könnte als ein maßgeblicher Katalysator für eine Weiterentwicklung des internationalen Systems und des Völkerrechts wirken.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrter Herr Bundesminister, wir bitten Sie darum, dass sich Deutschland bei der Generaldebatte im Rahmen der UN-Generalversammlung, die ab dem 21. September 2011 stattfinden soll, für den Vorschlag ausspricht.
Mit freundlichen Grüßen" Als unterzeichnende Vereine und Verbände Andheri-Hilfe Bonn e.V., Bonn Attac Deutschland, Frankfurt a.M. Bonn International Center for Conversion, Bonn Bund für Umwelt und Naturschutz e.V., Berlin Centrum für Corporate Citizenship Deutschland, Berlin Christen für gerechte Wirtschaftsordnung e.V., Berlin Deutsche Erd-Charta Koordination, Diemelstadt-Wethen Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, Berlin Europäisches Jugendparlament in Deutschland e. V., Berlin Europa-Union Deutschland, Berlin Fairness-Stiftung, Frankfurt a.M. u.v.m.
http://www.kdun.org/de/unpa-kampagne/
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29.08.2011 10:56
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LobbyControl erhält Fairness-Initiativpreis 2011
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Mit über 58 Prozent der abgegebenen Stimmen hat sich die Organisation LobbyControl klar gegenüber den Mitwettbewerbern um den Fairness-Initiativpreis 2011 durchgesetzt. Das Kuratorium der Fairness-Stiftung hatte neben LobbyControl die Klima-Allianz (37,6 %,) und Glocalist Medien (4,1 %) für den Preis nominiert. Der Fairness-Initiativpreis wird alljährlich als Publikumspreis der Fairness-Stiftung vergeben und würdigt Initiativen des 21. Jahrhunderts, die sich in speziellen Themenfeldern für mehr Fairness in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft einsetzen.
LobbyControl klärt über Machtstrukturen und Einflussstrategien in Deutschland und der EU auf. Es liefert Impulse für Transparenz, für eine demokratische Kontrolle und für klare Schranken der Einflussnahme auf Politik und Öffentlichkeit. Es berichtet über Netzwerke und koordiniertes Lobbying hinter den Kulissen. Recherchen und Informationen dienen dazu, verdeckte Einflussnahme offen zu legen. Darin sieht die Fairness-Stiftung einen bedeutenden Beitrag zur Fairness-Qualität von Demokratie und Politik zu Gunsten der Bürger.
Das Voting für den Publikumspreis lief drei Monate. Der Preis wird im Rahmen eines Festaktes am 29.10.2011 in Frankfurt am Main übergeben.
www.lobbycontrol.de
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11.07.2011 15:08
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Bundespräsident Wulff: Fairness ist ein urmenschliches Bedürfnis
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Bundespräsident Christian Wulff hat den besonderen Stellenwert und Vorrang der Fairness herausgestellt. Er sagte:
"Fairness ist ein urmenschliches Bedürfnis. Sie ist die Voraussetzung für Kooperationsbereitschaft zwischen Menschen und Ländern. Diese Erkenntnisse dürfen nicht ignoriert werden. Menschen reagieren empfindlich, wenn Fairnessprinzipien verletzt werden. Im schlimmsten Fall bricht Kooperation ganz zusammen. Deswegen muss Unfairness sanktioniert werden".
Was Bundespräsident Wulff so in einem Interview der ZEIT vom 30.6.2011 (S. 3, 4. Spalte unten) sagte, ist fast wortwörtlich Inhalt und Text aus dem Buch "Fairness. Der Schlüssel zu Kooperation und Vertrauen", das ich im Herbst letzten Jahres veröffentlicht habe.
Dass solche Gedanken an der Spitze des Staates nicht nur angekommen sind, sondern sogar aufgegriffen, verstärkt und wiedergegeben werden, gegebenenfalls der Ergebnis eigener Reflexion sind, hätte sich niemand bei der Gründung der Fairness-Stiftung vor 10,5 Jahren träumen lassen.
Es lässt hoffen, dass der Kampf für die Fairness zuerst das Bewusstsein und dann auch die Praxis verändert. Und so dafür sorgt, dass immer mehr die Rahmenbedingungen dazu beitragen, dass Menschen ihre Fairness-Bedürfnissen mit geringerem Risiko folgen und Fairness-Verletzungen verhindern und überwinden können.
http://www.zeit.de/2011/27/Interview-Wulff/seite-2
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21.01.2011 15:16
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Nur Missstände bei der Bundeswehr?
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Es sieht nach einem System der Unfairness aus, was sich immer wieder in einzelnen Missständen bei der Bundeswehr zeigt. Die Liste gravierender Vorfälle ist lang und endet nun mit dem Ausbildungs- und Führungsdesaster auf der Gorch Fock, dem Schulschiff der Marine, der Schnüffelei in Feldpostbriefen und in der Vertuschung eines Schießunfalls in Afghanistan, dem ein Soldat zum Opfer fiel. Natürlich hat niemand ein System der Unfairness bewusst in Gang gesetzt, aber durch die Komplexität einer solchen Organisation wie der Bundeswehr entstehen Elemente, die im Zusammenwirken ein System der Unfairness ergeben. Wenn dagegen nicht aktiv für eine faire Organisationskultur vorgegangen wird.
Oder wie ist es zu beurteilen, dass die Bundeswehr mit unzureichendem Material im Ausland eingesetzt wird? Wie ist es zu sehen, dass die Bundeswehrmandate in Afghanistan Kriegseinsatz bedeuten, aber aus rechtlichen Gründen nicht so genannt werden dürfen? Was heißt es, dass der Schutz der Soldatinnen und Soldaten seit mehreren Legislaturperioden und unter verschiedenen Verteidigungsministern völlig unzureichend ist? Warum gibt es bis heute keine systematische Betreuung der Soldaten nach ihren Auslandseinsätzen? Wie Obersleutnant a.D. Andreas Timmermann-Levanas berichtet, hinken die Deutschen hier 10 Jahre hinter dem hinterher, was die Niederländer auf die Beine gestellt haben. Vieles ist geplant, vieles wird versprochen – geschehen ist gleichwohl bislang nichts und nicht viel. 12 bis 18 Monate müssen Ex-Soldaten warten, bis sie eine Bescheinigung über eine Wehrdienstbeschädigung bekommen, um eine Rente, eine Reha oder medizinische Behandlung zu bekommen. Von 1000 Anträgen auf Anerkennung einer schweren Traumatisierung werden über 75 Prozent abgelehnt oder liegen unbearbeitet auf Halde. Soldaten im Ausland können nicht einmal jeden Abend mit ihren Angehörigen zuhause telefonieren. Angeblich ist das technisch nicht machbar. Bei anderen Nationen unproblematisch. Sollen da zusammen mit geöffneter Feldpost Informationen nach Hause erschwert werden? Alles beschämend.
Dass es Ausbildungsmängel gibt, dass es bisweilen systematische Führungsmängel gibt, dass es Bossing und Mobbing gibt hier und da, alles Einzelfälle. Einzelfälle? Ein System der Unfairness wird erkennbar. Denn das trotz Kenntnis der Missstände und trotz langjähriger Versprechen sich die Dinge nicht zum Besseren zu wenden, wenig passiert ist, lässt schließen, dass dahinter – absichtlich oder unabsichtlich – Methode steckt. Wie soll auch ein Militärapparat mit strenger Hierarchie, mit Corpsgeist hier und da, mit Auslandseinsätzen bis hin zur Grundgesetz widrigen Kriegsteilnahme ein inneres System der Unfairness aus politischen und militärischen Eckdaten quasi von selbst überwinden und sich zu einer fairen Organisation entwickeln? Ein Selbstwiderspruch?
http://www.fr-online.de/politik/-wir-hinken-20--jahre-hinterher-/-/1472596/6555612/-/index.html
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,445249,00.html
http://www.sueddeutsche.de/kultur/bundeswehr-skandal-schikane-als-errungenschaft-1.65384
http://www.rp-online.de/panorama/deutschland/Die-Bundeswehr-Skandale-seit-1996_bid_52857.html
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18.08.2010 10:29
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Wie der Atomdeal politische Unfairness fördert
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Wird Angela Merkel zur Atomkanzlerin? Sie hat erkennen lassen, dass sie zu einer Verlängerung der Atomlaufzeiten steht. Aber niemand weiß, welchen Zeitraum sie bevorzugt. Immerhin war sie Umweltministerin, als weiter nuklearer Abfall in die Asse II in Niedersachsen eingefüllt wurde, obwohl es in ihrem Hause massive Bedenken gegen die Sicherheitsstandards und die Zuverlässigkeit der Asse gab. Heute steht die Bundesrepublik vor einem Scherbenhaufen des Atommülllagers und muss zwei Milliarden Euro aufwenden, um den radioaktiven Abfall aus dem Salz-Wasser-Gemisch wieder heraus zu holen. Die Frage eines Atommüllendlagers ist immer noch nicht geklärt, aber es wird weiter radioaktiver Abfall für Jahrhunderte und Jahrtausende produziert.
Offensichtlich geht es weniger um die Sicherheit der Bundesbürger als um’s Geld. Das jedenfalls lässt sich von der Tatsache ableiten, dass über die Laufzeitverlängerung zwischen den Atomenergiekonzernen und dem Bundesfinanzministerium verhandelt wird. Nicht einmal Bundesumweltminister Norbert Röttgen ist dabei. Im Vorfeld haben die Atomkonzerne die Bundesregierung wissen lassen, dass sie die älteren Atomkraftwerke abschalten würden, wenn ihnen mit einer Brennelementesteuer Gewinne verloren gingen, weil dann angeblich die Atommeiler nicht mehr rentabel seien. Die Kanzlerin ließ die Konzernbosse wissen, dass sie von diesem öffentlichen Säbelrassel nichts halte. Offenbar findet solches Droh- und Imponiergebaren aber wohl hinter verschlossenen Türen ab, womit die Konzerne ihr Erpressungspotenzial vorführen. Dabei gehört Deutschland derzeit zu den stromexportierenden Ländern, was den Konzernen auch gute Gewinne bringt. Insofern ist eine Stromlücke durch das Abschalten älterer Atommeiler nicht zu erkennen.
Doch entscheidender als das Gezeter um die Laufzeiten und die finanziellen Aspekte für die Bundesregierung und die Atomenergiekonzerne ist die Art und Weise, in der Politik gemacht wird. Politik soll sich an Gemeinwohlinteressen ausrichten, nicht ein Einzelinteressen. Doch wie versucht wird, am Bürgerwillen und an künftigen Regierungen vorbei politische Tatsachen zu schaffen, ist „ein Niedergang des demokratischen Parlamentarismus“. Wie es die Vorsitzende von Transparency International, Edda Müller, zu Recht ausspricht. Da beklagen die Politiker nach jeder Wahl die Politikverdrossenheit der Bürger. Um kurze Zeit darauf unter Missachtung von Transparenz, Gemeinwohl und Bürgerwillen schwer änderbare Fakten zu schaffen. Wenn sich starke Wirtschaftszweige wie die Atomkonzerne in der Energiewirtschaft oder die Hotelketten in der Hotelerie günstige Bedingungen ihres Profitstrebens von der Politik erkaufen oder mit Erpressungspotenzial heraushandeln können, dann steht das demokatrische System grundsätzlich auf dem Spiel. Und der politischen und steuerlichen Unfairness wird Tür und Tor geöffnet. Dabei geraten andere, schwächere gesellschaftliche Gruppen, ins Hintertreffen. Gesellschaftliche Unfairness wird zementiert.
http://www.fr-online.de/politik/-man-muss-massiv-dagegen-vorgehen-/-/1472596/4564460/-/index.html
http://www.transparency.de/Lobbyismus.737.0.html
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28.12.2009 14:29
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Wenn Religion Ungerechtigkeit fördert
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Macht verdirbt Religion. Das gilt für jede Religion – wie ein Blick in die Menschheitsgeschichte zeigt. Für den Islam hat das neuerdings der im Iran lebende, zu den ranghöchsten Geistlichen zählende Groß-Ajatollah Yussef Sanei verdeutlicht. Angesichts der ungeheuerlichen Unterdrückung des Volkes durch ein unrechtmäßiges Regime und einen nicht demokratisch legitimierten Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad sagte er, das Einssein von Religion und Macht sei ein großer Schaden. Das habe er alsbald nach der Iranischen Revolution erkannt, die er Seite und Seite mit Ayatollah Khomeini durchgesetzt habe. Daher habe er sich schon 1988 aus der Regierungsarbeit zurückgezogen, denn Menschen zum Gebet anleiten und gleichzeitig regieren, das gehe nicht gut zusammen.
Sanei ist die neue Hoffnung der iranischen Opposition, seit der Groß-Ayatollah Hussein Ali Montaserie verstorben ist, der eine maßgebliche Stimme und religiöse Unterstützung der Opposition war. Sanei ergreift deutlich Partei für eine Reform des Staates und eine Änderung der religiösen Deutung. So sagt er mit Blick auf die vorenthaltenen Frauenrechte und eine gerechte Gesellschaftsordnung: „ Das ist ein großer Fehler, dass wir über etwas, das mit dem Prinzip der Gerechtigkeit nicht in Einklang zu bringen ist, sagen: Gut, dann ist es eben ungerecht, aber weil die Religion es gesagt hat, akzeptieren wir es.“ Es müsse umgekehrt sein.
Sanei zufolge, kann der Islam prinzipiell nicht ungerecht sein, und wo nach heutigen Maßstäben die Religion ungerechte Regeln vertrete, müssten diese geändert werden – auch wenn dies dem Buchstaben des Koran widerspreche: „Wir müssen den Islam mit der Vernunft abwägen. Es darf nicht so sein, dass wir unseren Islam der Vernunft diktieren“. Die Religion, die er vertrete, sei für Freiheit und Demokratie. Die Geistlichen hätten ihre Heiligkeit verloren, weil sie Teil der Machtelite geworden sei, die das Volk unterdrücke. Daher gäbe es nur eine Lösung: Die strikte Trennung von Staat und Religion. Dann könnten die Reiligion und die Geistlichkeit zu ihrer eigentliche Aufgabe zurückkehren.
Was Sanei hier im Angesichts von Gewalt und Bedrohung im Iran sagt, stünde auch vielen ranghohen Vertretern der christlichen Konfessionen gut zu Gesicht, besonders katholischen und orthodoxen Würdenträgern. Sie schweigen in vielen Staaten zu Ungerechtigkeiten, verwehren in den eigenen Kirchen den Frauen den gleichen Anteil an der Ausübung des geistlichen Amtes und sind nicht bereit, die christliche Religion mit den Ansprüchen der Vernunft zu versöhnen, ohne dabei dem gesunden und nachdenklichen Menschenverstand Gewalt anzutun.
http://www.tagesspiegel.de/kultur/Iran-Ahmadinedschad;art772,2847850
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/themen/?em_cnt=2169127&
http://www.fr-online.de/top_news/2167830_Tote-bei-Demonstrationen-im-Iran-Das-Regime-schlaegt-zurueck.html
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17.12.2009 19:05
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Wie viel Transparenz verträgt die Privatsphäre?
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Gläsern ist allen am liebsten: der gläserne Mitarbeiter, der gläserne Kunde, der gläserne Bürger. Wirtschaft und Staat sammeln Daten wie es kaum zu übertreffen ist. Und selbst die EU-Parlamentsverwaltung durchleuchtet ihre Assistenten bis zum Gehtnichtmehr. Sogar Krankheiten, Krankheiten der Angehörigen, der Konsum von Genussmitteln, Medikamenten und der Zeitpunkt der letzten Regelblutung werden per ärztlicher Untersuchung festgestellt.
Vermutlich möchte keiner der Akteure in Wirtschaft und Staat selbst von so viel Durchleuchtung betroffen sein. Bleibt noch das häufig zu hörende Argument: Wer nichts zu verbergen hat, kann auch seine Daten preisgeben. Ein törichtes Argument. Denn wenn jemand ohne Fehl und Tadel lebt, heißt das noch lange nicht, dass er sein Privatleben veröffentlicht sehen möchte. Denn dann wäre es längstens ein Privatleben gewesen. Und was heißt auch, Daten preisgeben. Daten, die überall vorhanden und verknüpfbar sind, sind auch manipulierbar. Schnell lässt sich von findigen, kriminellen Akteuren eine Datenlage konstruieren, die jemand in Misskredit bringt und Rufmord bedeutet. Das kann so überzeugend gemacht werden, dass es aussichtslos erscheint, daran etwas zu ändern, wenn alle Indizien gegen einen Betroffenen zu sprechen scheinen.
Das Datensammeln und die Datenauswertung müssen abgerüstet werden und abrüsten. Sicher gibt es Situationen, in denen Daten zusammen getragen werden müssen, um sinnvolle Angebote zu machen, die Vorbereitung von Straftaten zu verfolgen oder Menschen zu beschützen und zu helfen. Doch erforderliche Transparenz muss durch Fairness begrenzt werden auf das notwendige Mindestmaß. Fairness als Prinzip einer Balance zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre. Was öffentlich von Belang ist, muss öffentlich werden, zumindest überprüft. Dazu gehören aber nicht Krankheiten von Angehörigen, Regelblutungen und andere persönliche Daten von EU-Parlamentsassistenten. Dazu gehört nicht das Geburtsjahr bei Abo-Bestellungen und Internetkäufen. Dazu gehören nicht persönliche Kontakte von Mitarbeitern. Und erst recht nicht das Ausspionieren von Festplatten ohne staatsanwaltliche Anweisung wegen begründeten Verdachts.
Wenn Wirtschaft und Staat mit der Privatsphäre von Menschen nicht rücksichtsvoll umgehen, dürfen sie sich nicht wundern, wenn die Bürger und Kunden ihnen etwas vorgaukeln und sie auf falsche Fährten geraten.
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03.03.2009 21:26
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SPD: Fairness in der Gesellschaft
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Nicht nur der durchschnittliche Steuerzahler soll für die Kosten der Finanzmarktkrise geradestehen müssen, erklärt die SPD. Mit eigenen Vorschlägen zu einer Börsenumsatzsteuer und einer Abgabe Steuer von Unternehmen, die in Steueroasen Geschäfte machen, haben Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier einen Beitrag „zur Fairness in der Gesellschaft“ leisten wollen. Die Börsenumsatzsteuer, die in Deutschland 1991 abgeschafft worden war, wird auf den Umsatz beim Handel von Wertpapieren erhoben. Die SPD will wie in Großbritannien künftig 0,5 Prozent verlangen. Zu den SPD-Vorschlägen gehören auch eine strenge Regulierung von Hedge-Fonds und Private-Equity-Gesellschaften, neue Bilanzierungsregeln für Finanzinstitute, das Verbot von Leerverkäufen und neue Regeln für Managergehälter.
Die CDU/CSU zeigte sich angesichts der Vorschläge verärgert und argumentierte inhaltlich. Allerdings dürfte der Ärger eher daher rühren, dass die SPD mit dem Motto „ein Beitrag zur Fairness in der Gesellschaft“ den entscheidenden Punkt in der künftigen Auseinandersetzung getroffen hat, wie die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise in der Gesellschaft fair verteilt werden. Hier haben FDP und CDU/CSU bislang nichts anzubieten, doch der Wahlkampf wird sicher darüber entscheiden, wer das überzeugendere Konzept für mehr Fairness in der Gesellschaft anzubieten hat. Die kommenden Monate mit Rezession, erhöhter Arbeitslosigkeit und eventuell gelinden Folgen für Manager und Gutverdiener werden den Druck auf alle Parteien erhöhen, zur Fairness in der Gesellschaft klar Position zu beziehen und Praxisvorschläge zu machen, über die bei der Europa- und der Bundestagswahl abgestimmt wird.
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22.01.2009 10:24
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Fairplay für US-Präsident Barack Obama zentraler Wert
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"Unsere Herausforderungen mögen neue sein. Und auch die Instrumente, mit denen wir ihnen begegnen, mögen neu sein. Aber die Werte, von denen unser Erfolg abhängt - harte Arbeit und Ehrlichkeit, Mut und Fairplay, Toleranz und Neugier, Loyalität und Patriotismus -, diese Werte sind alt. Diese Dinge sind wahrhaftig."
So weit eine Passage aus der Antrittsrede des US-Präsidenten Barack Obama am 20.1.2009.
Nicht von ungefähr stellt Obama Fairplay heraus. Fairplay ist für die Gründerväter und -mütter der USA ein zentraler Wert, der den gleichen Zugang zu Chancen, gesellschaftlicher Teilhabe und damit zur Übereinkunft über soziale Gerechtigkeit ermöglicht. Fairplay ist für Obama ein Erfolgsfaktor und Erfolg ist fairplayabhängig.
Nicht von ungefähr bindet Obama in seiner wohlüberlegten Rede Mut und Fairplay zusammen. Ohne Courage ist Fairplay weder durchzusetzen noch durchzuhalten. Wer unfaire Spieler einschränken, verhindern, aus dem Spie weisen will, braucht Mut. Nur mit Mut kann Fairplay geschützt werden. Und nur Mutige werden dann, wenn es darauf ankommt, für Fairplay eintreten, auch wenn es zum eigenen Nachteil ist.
Diese Mutigen zu würdigen, anzuerkennen und sich zum Vorbild zu nehmen, ist wiederum fair. Denn sie braucht es, wo Fairness praktiziert und gegen unfaire Akteure und Strukturen aufrecht erhalten und entfaltet wird.
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05.11.2008 10:21
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Obama - Symbolfigur eines fairen Zeitalters?
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Der überwältigende Sieg von Barack Obama bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen hat auch symbolische Dimensionen. Obama musste sehr viele herabsetzende, ehrenrührige und unfaire Attacken auf seine Person parieren. Schon bei der Kandidatur um die Wahl zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten gegen Hillary Clinton war ihm nicht nur nichts geschenkt worden, sondern viele Schläge gabe es unter die Gürtellinie, was seine Gegner John McCain und Sarah Palin später noch weitertrieben. So wurde regelrecht Hass vor allem von Palin bei den eigenen Leuten in den republikanischen Reihen geschürt. Man muss hoffen, dass daraus nicht ein Amalgam aus missionarischem Sendungseifer fundamentalistischer Religiöser, Rassismus a la Ku-Klux-Clan und geheimdienstlicher Präsidentenkontrolle entsteht, das Obamas Leben gefährdet. Vor der Wahl Obamas hatte Thomas R., der Führer des rassistischen Ku-Klux-Clans, gewarnt. Und für dessen Wahl einen "Rassen-Krieg" angekündigt.
Barack Obama hat allen Angriffen bisher widerstanden. Und nicht nur das. Er ist allen unfairen Angriffen fair entgegen getreten und hat sich selbst nicht ins Unrecht gesetzt. Ein Vorbild für alle, die sich unfairen Attacken ausgesetzt sehen, an dem zu lernen und zu sehen ist, dass Unfairness durchaus mit Fairness überwunden werden kann.
Obamas Wahl lässt hoffen, dass das Zeitalter der Fairness tatsächlich angebrochen ist. Fair zu den Bürgern, fair zum politischen Gegner, fair gegenüber den weltweitern Partnern und gegenüber den Völkern. Und fair gegenüber der Natur durch einen starken Akzent bei Umweltschutz, erneuerbaren Energien und Ressourcenschonung. Obama hat viele Mitstreiter verdient, wenn das sein Programm ist und wird. Er wäre dann die Symbolfigur eines fairen Zeitalters, das die Menschheit, die Völker dieser Erde und die Erde selbst dringender nötig haben als alles andere.
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02.06.2008 17:45
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Gesine Schwan: Mehr Fairness!
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Prof. Dr. Gesine Schwan, SPD-Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin, hat zu mehr Fairness in der politischen Auseinandersetzung aufgerufen. Der Kampf um die besseren Argumente sei aber eine unverzichtbare Voraussetzung für die Demokratie, sagte sie am Samstag zum Abschluss des SPD-Zukunftskonventes in Nürnberg. Sie werde das kommende Jahr bis zur Wahl nutzen, um für mehr Demokratie in der Gesellschaft zu werben und eine Debatte über Grundwerte in Deutschland in Gang zu bringen. Dabei betonte sie ausdrücklich, dass es zur Demokratie gehöre, miteinander streiten zu können: "Ich finde, dass wir uns wieder daran gewöhnen müssen, dass Politik kontrovers sein kann, ja muss." Weiter mahnte Gesine Schwan an, dass Politik stärkeren Einfluss auf die Wirtschaft nehmen müsse: "Politik muss Wirtschaft gestalten - Politik darf nicht das Anhängsel der Wirtschaft sein."
Wenn der Appell von Gesine Schwan tatsächlich wirken soll, dann müssten allerdings persönliche Attacken aus dem politischen Streit verschwinden. Doch daran ist nicht zu glauben, zumal eine ganze Mediengruppe davon lebt, aus Sachfragen Personenfragen zu machen und als persönliche Attacken zuzuspitzen. Zur Fairness würde im politischen Wettstreit auch gehören, weder den politischen Gegner noch den Wähler für dumm zu verkaufen.
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01.01.2008 17:01
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Managergehälter begrenzen?
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Hohe Managergehälter sind kein Problem an sich. Sie sind ein Problem der Verhältnismäßigkeit: Wie sieht es ingesamt mit der Belohnung für qualifizierte und engagierte Arbeit aus? Welchen Anteil hat die Mehrheit der Mitarbeiter an den Unternehmenserfolgen bekommen? Verdanken sich Managergehälter trickreichen Verträgen oder tatsächlichen Unternehmenserfolgen? Und: Wie sind diese zustande gekommen - fair oder rücksichtslos?
Insofern ist die Diskussion über Managergehälter eine Diskussion über Fairness in der Gesellschaft und in der Wirtschaft. Gesellschaft mit stark gespreizten Einkommensverhältnissen entwickeln über kurz oder lang so starke soziale Spannungen, dass der Arbeitsfriede gefährdet ist, den auch Manager für Erfolge brauchen.
Die Überlegung allerdings, Managergehälter zu begrenzen, geht in die falsche Richtung. Wichtiger wäre es vielmehr, andere ordnungspolitische Maßnahmen zu ergreifen, die ein Auseinanderdriften wichtiger Bevölkerungsteile verhindern. Die Frage an die Politik ist also eher: Wie trägt sie aktiv dazu bei, dass die, die arbeiten, auch einen fairen Anteil am Erfolg haben? Wie sorgt sie für diejenigen, die wegen eines Handicaps nicht so arbeiten zu vermögen, wie sie es für ein angemessenes Leben in unserer Gesellschaft brauchen, ohne dass sie sich unwürdigen Prüfungen aussetzen müssen? Und: wie entwickelt sie ein Steuer- und Unternehmensrecht, dass die Partner wirtschaftlicher Entwicklung in verhältnismäßiger Weise an Erfolg und Misserfolg je nach Leistungsfähigkeit beteiligt werden? Hier sind brachliegende Fragen gesellschaftlicher Fairness.
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06.11.2007 13:11
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Daten speichern und Privatheit opfern?
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Datenvorratsspeicherung – das Wort hat das Zeug zum Unwort des Jahres. Gemeint ist die sechsmonatige Speicherung aller Verbindungsdaten der Nutzer im Tele- und Internetkommunikationsbereich für den Zugriff der staatlichen Sicherheitsbehörden auf richterlichen Beschluss hin.
Dagegen wehren sich inzwischen mehr als 7000 Datenschützer, Internetnutzer und Bürgerrechtler, die für heute 17 Uhr zu dezentralen Demonstrationen aufgerufen haben. Am 9.11.2007 entscheidet der Bundestag über die Gesetzesvorlage.
Der „Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung“ sieht „den faktischen Wegfall privater Kommunikation“ (FR 6.11.07). Anonyme Hotlines, Helplines, Mailberatungen und –briefkästen wären nicht mehr möglich bzw. nicht mehr komplett geschützt. Whistleblower, Hinweisgeber, Risikoboten wären im Zweifelsfall der Verfolgung durch Behörden ausgesetzt.
Seit 1928 können Sicherheitsbehörden bereits auf die Verbindungsdaten auf richterlichen Beschluss bei begründetem Verdacht zugreifen. Das muss reichen. Mehr ist des Guten zu viel.
Denn der Schutz einer freiheitlichen und offenen Gesellschaft vor ihren Feinden ist eine schwere Aufgabe, die jedoch nicht durch schrittweise Auflösung der freiheitlichen Gesellschaft erreicht werden kann. Auf diese Weise würde man den Feinden einer offenen Gesellschaft in die Falle gehen, die durch Freiheits-, Demokratie- und Offenheitsverluste die Unzufriedenheit der Bürger mit ihrem Gesellschaftssystem fördern möchten. Sicherheitsbedürfnisse lassen sich nicht einmal in einer unfreien Gesellschaft komplett abdecken. Privates, dem Zugriff des Staates entzogenes Leben, muss solange verdachtsfrei und unkontrolliert bleiben, bis es für einen Verdacht Gründe gibt. Das flächendeckende und totale Sammeln von Kontaktdaten gehört nicht dazu.
http://www.vorratsdatenspeicherung.de
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16.03.2007 11:31
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Wenn das Recht nicht rechtens ausgeübt wird
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Das Recht und die Rechtsprechung sind das eine, die Umsetzung des Rechts und der Rechtssprechung das andere. Dazwischen besteht bisweilen ein garstiger Graben. Davon können viele ein Lied singen, die zwar vor Gericht Recht bekommen, es aber hinterher in der Praxis nicht erhalten haben.
So auch im Fall der Asylgesetzgebung und Verfahrensregelungen. Das sehr restriktive Asylrecht wird von Sachbearbeitern und Amtsmitarbeitern in den zuständigen Ämtern und Behörden unfair gehandhabt. Die Organisation Pro Asy hat eine Stichprobe von 77 Asylverfahren gezogen und dabei massive Verstöße gegen Recht und Fairness festgestellt. Die Amtsmitarbeiter "lassen Länderkenntnisse vermissen, verstoßen gegen zentrale Verfahrungsgrundsätze, ignorieren und bagatellisieren Folter, arbeiten einseitig und unfair". Die Kritik wird durch Urteile der Verwaltungsgerichte begründet, die die ablehnenden Bescheide der Behörden aufgehoben hätten, weil erhebliche Mängel und Rechtsabweichungen festzustellen waren.
In einem mir persönlich bekannten Fall wurde einem afrikanischen 15jährigen Jungen, der in Afrika von Banden gezwungen und gefoltert worden war, als Kindersoldat zu arbeiten, eine Sehhilfe vom Amt verweigert. Fast blind war er als unbegleitetes Kind nach Deutschland gekommen, hatte zwei Operationen erhalten, so dass die Sehfähigkeit wieder deutlich bei 80% lag - vorher bei 10%. Durch die willkürliche Verweigerung der Sehhilfe in Höhe von 300 € trübte das Auge wieder ein, die Sehfähigkeit nahm stark ab. Nicht zuletzt auch Verschleuderung von Steuergeldern, aus denen die vorhergehenden Augenoperationen bezahlt worden waren.
Amtsbescheide müssen lückenlos kontrolliert werden, fordert Pro Asyl. Nicht nur das: bei regelmäßig unsachgemäßer Bearbeitung von Anträgen und Fällen durch die Sachbearbeiter muss es Konsequenzen geben für deren Tätigkeit, Funktion und Position.
Übrigens: Wussten Sie, dass Asyl suchende Jugendliche ab 18 Jahren die Kosten für ihre anwaltlich notwendige Begleitung bei Asylantrag selbst tragen und dass sie das mit 80 € Taschengeld im Schnitt monatlich schaffen müssen?
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16.02.2007 00:22
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Schlammschlacht: Kardinal Meisner im Karneval
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Da hat der Kölner Kardinal Joachim Meisner mal eben den Hammer herausgeholt. Getroffen hat der Opus Dei-Förderer Meisner Horst Seehofer, seines Zeichens Bundesverbraucherminister und einer von zwei Kandidaten für den CSU-Vorsitz in Bayern. Meisner erhob schwere Bedenken, der Minister sei nicht wählbar, weil er ein außereheliches Verhältnis hätte und vom Vorsitzenden einer christlichen Partei verlangt werde, dass seine persönliche Lebensführung mit christlichen Vorstellungen übereinstimme. Denn danach bemesse sich die Glaubwürdigkeit. Das Private ist das Politische. Diesen Satz hat Meisner allerdings nicht gesagt, denn der ist aus der 68-Bewegung und die hasste Meisner wegen ihrer politisierenden Attitüde. Aber seine Minister-Schelte ist danach. Zugleich ein Rückfall in die moralinsauren fünfziger Jahre der Adenauer-Zeit, als die Kirche sich noch aktiv in Personalbesetzungen und Politikvorlagen aller Art einmischte.
Mit Opus Dei fördert Meisner seit Jahrzehnten einen innerkatholischen, reaktionären Geheimbund, der aus jedem seiner Schritte, Strategien und Mitgliedschaften ein Hehl macht. Ob das die bessere Lösung wäre: jeder hält seine Lebensweise geheim und kein Meisner kann ihm was am Zeug flicken? Woher hat Meisner seine Information? Aus der Bild-Zeitung, die als erste mit der Meldung an die Öffentlichkeit ging. Eine Zeitung, die für Wahrheit und lautere Absichten steht. Und die natürlich ebenso wenig wie Meisner mit der Attacke auf Seehofer die Absicht verband, den Weg für den Konkurrenten Seehofers um den CSU-Vorsitz, Erwin Huber, freizumachen, der für wirtschaftsfreundliche und –nahe Positionen steht. Seehofer teilt häufiger den Blick der kleinen Leute und sieht daher soziale Gerechtigkeitslücken eher und genauer als beispielsweise Kardinal Meisner, der in dieser Hinsicht noch nicht auffällig geworden ist.
Was Meisner indirekt empfiehlt, ist, öffentlich anders zu leben als privat. So machen es viele, auch CSU-Mitglieder, Pfarrgemeinderäte, Priester, Bischöfe und Kardinäle. Dermaßen unerfrorene Einlassungen wie von Meisner steigern bei einigen die Lust, ein Coming Out von Mitbrüdern heraufzubeschwören, denn etliche davon sind Meisner nicht unbekannt, aber solange sie ihre sexuellen Verhältnisse heimlich leben und die Priesterkinder unbekannt bleiben, stimmen ja persönliche Lebensführung und christliche Vorstellungen überein. Für die Bild-Zeitung und Kardinal Meisner.
Die CSU-Spitzen hatten gerade mehr Fairness im Kampf um den Vorsitz vereinbart. Da blieb nur Meisner, die Fairness zu missachten und mit Schlamm zu schmeißen. Richtig tugendhaft, der Kardinal. Zumal er bestimmt vorher genau und gewissenhaft mit Horst Seehofer über seine eheliche Situation, Hintergründe und Missdeutungen gesprochen hat. Wie ein katholischer Priester das eben so macht: vorbildlich seelsorglich. Es muss Karneval in Köln sein, wo dann alles Kopf steht, um den Kardinal Meisner für einen guten Priester und Kirchenführer zu halten.
http://www.sueddeutsche.de/,zl3/muenchen/artikel/773/101672
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15.02.2007 12:31
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Wer studiert, soll brav sein
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Gestern beschloss das Kabinett unter Angela Merkel (CDU) Veränderungen beim BAföG, aber keine Anhebung des BAföG-Satzes. Beiträge für Studenten im Ausland und ausländische Studenten hierzulande sowie für Studenten mit Kindern wurden in Aussicht gestellt. Aber was nützt das bei so geringem BAföG-Satz?
Im 6. Jahr in Folge wurde der BAföG-Höchstsatz nicht verändert. Er beträgt 585 € für Studenten, die zur Miete wohnen (ca. 250 €), ihre Krankenkasse selbst bezahlen (ca. 50 €), maximal 110 hinzuverdienen und deren Eltern ein sehr niedriges Einkommen haben. Im Schnitt bekommen Studenten zwischen 370 (NRW) und 420 € (Sachsen). Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel, zum Studieren ein Witz.
Begründet wurde die Nichterhöhung mit Geldmangel. Eine Lüge? Eben haben Bund und Länder beschlossen, über ihre Landesbanken und die KfW mit einem dreistelligen Millionenbetrag nahe der Milliardengrenze bei EADS einzusteigen. Das Verteidigungsministerium kauft auf Beschluss des Kabinetts 8 Tornados zu einem Stückpreis von ca. 35 Millionen Euro für den Kampf am Hindukusch ein - vorgeschlagen hatte es nur 6 Maschinen. In der Exzellenzinitiative gab es 1,9 Milliarden Euro für Edel-Unis und -Institiute. Und selbst die Landesbeamten des extrem finanzschwachen Sachsen-Anhalts bekommen ab Mai 2008 2,9% mehr Gehalt.
Das ist CDU-Strategie seit der Machtübernahme 1982 durch Helmut Kohl: Die ökonomische Basis der Studenten extrem knapp halten, dann sind sie brav und angepasst, erlauben sich kein kritisches Hinterfragen gesellschaftlicher Entwicklungen und schon gar keine Massenproteste. Kohl rasierte zuerst das BAföG. Seine Nachfolger führen die Studiengebühren ein. Der Arbeitsmarkt bleibt auch für junge, kompetente Absolventen schwierig.
Deutschland ist blind für die Zukunftserfordernisse einer breiten Hochqualifizierung seiner jungen Menschen. Das Bundeskabinett ist schäbig, weil es ausgerechnet bei den ärmeren Studenten spart. Und der Umgang der Gesellschaft mit dem Potenzial der jungen Menschen ist eine Schande.
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12.02.2007 16:38
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Fairness-Ausbruch bei der CSU?
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"Machtkampf wird gedeckelt - Fairness-Ausbruch in der CSU", so titelt der Nachrichtensender ntv in seiner heutigen Meldung und Kommentierung. Gemeint ist, dass sich die Spitzen der CSU darum bemühen, die Kampfkandidatur um die Nachfolge von Edmund Stoiber im Parteivorsitz zwischen Erwin Huber (Landeswirtschaftsminister in Bayern) und Horst Seehofer (Bundesverbraucherminister) in ihren Folgen für die Partei einzudämmen. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer forderte von allen Beteiligten Fairness. Horst Seehofer glaubte: "Wir werden eine gutes Schulbeispiel für faires, demokratisches Verhalten abliefern."
Was bei solchen Behauptungen und Bestimmungen immer vergessen wird: Fairness kann man nicht verordnen, vorgeben oder verlangen. Fairness ist das Ergebnis von Gesprächen und Verhandlungen, in denen die Fairnessvorstellungen eines jeden mit denen des oder der anderen abgeglichen, in Übereinstimmung gebracht und vereinbart werden. Das ist während eines Konflikts extrem schwierig und sollte daher in konfliktfreien oder konfliktarmen Zeiten gemacht werden. Aber nur dann gibt es eine tatsächliche Chance, dass der Ruf nach Fairness nicht bloßes Macht- und Imponierinstrument ist, sondern Erfolgsfaktor für Entscheidungs- und Konfliktzeiten.
http://www.n-tv.de/765386.html
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31.01.2007 16:40
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Demokratie von unten: Abgeordnete beobachten
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Die Site http://www.abgeordnetenwatch.de kann ich bestens empfehlen. Was vor allem überzeugt, ist ein klarer Kodex: http://www.abgeordnetenwatch.de/moderations_codex-766-0.html, der faires, demokratisches und transparentes Vorgehen erwarten lässt. Wenn sich hier viele Bürger einklinken, entsteht eine ganz neue und andere Art von Öffentlichkeit, die nicht durch die großen Medien kanalisiert und gefiltert wird, und eine neue Art von Bürger-Politiker-Dialog.
Ein Auge wird man darauf richten müssen, dass das Geld derzeit im Wesentlichen von einer Stiftung kommt, die mit Mitteln einer Kapitalbeteiligungsgesellschaft (Private Equity) bzw, von Investoren mit Interesse an Kapitalbeteiligung gespeist wird. Da derzeit die Ziele als gemeinnützig, ökologisch und sozialengiert ausgewiesen werden, muss die Zukunft zeigen, um sich Darstellung und Praxis decken. Und ob mit dem abgeordnetenwatch noch andere als die erläuterten Ziele verknüpft werden.
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