Ausgerechnet während der Fairen Woche Vom 12. bis zum 26. September wird das Deutsche Lieferkettengesetz gehäckselt.
In der Fairen Woche 2025 geht es um die biologische Vielfalt, denn durch die Zusammenarbeit mit Fair-Handels-Partner*innen weltweit wird die ökologische Vielfalt geschützt und gefördert. Mit nachhaltigen Anbaumethoden und Lieferketten leistet der Faire Handel einen wichtigen Beitrag zu den globalen Zielen der UN (SDG 15), um das Leben an Land zu bewahren.
Und es geht um die die Vielfalt der Menschen, denn hinter jedem fair gehandelten Produkt stehen Menschen mit ihren Geschichten, Erfahrungen und Herausforderungen. Besonders Kleinbäuer*innen spielen eine zentrale Rolle in der globalen Ernährungssicherung. Fairer Handel fördert ihre Entwicklung, unterstützt innovative Ansätze und stärkt den Dialog.
Und es geht um die Vielfalt des Engagements, denn der Faire Handel lebt von dem Engagement vieler Akteure, Produzent*innen, Händler*innen und Konsument*innen. Jede*r trägt dazu bei, die Idee einer gerechteren und nachhaltigen Welt voranzutreiben.
Doch vor allem Vertreter der Christlichen Union, ob demokratisch oder sozial, heizen die Deregulierung an. So Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und andere, die häufig über Verwandtschaftsbeziehungen eng mit Industrie und Handel verbunden sind. „Wir sollten unseren Unternehmen wieder mehr Vertrauen schenken“, verlangt die Ministerin in einer Reaktion auf das geänderte deutsche Lieferkettengesetz.
Ihr reicht nicht, dass die Bundesregierung die Berichtspflicht für Firmen gestrichen hat. Sie fordert, auch die Dokumentationspflicht abzuschaffen. Ganz offenbar glaubt sie nicht an die Fähigkeit der Hersteller, bei Einhaltung humanitärer und – eigentlich nicht unerheblich für eine Christdemokratin – auch christlicher Pflichten, wettbewerbsfähig zu bleiben. Vielmehr unterstellt sie, dass „Made in Germany“ ohne ausbeuterischen Neokolonialismus nicht funktioniert.
Dabei könnte Hoffmeister-Kraut ganz andere Wege gehen und sich auf Produzenten berufen, die ein strenges Lieferkettengesetz befürworten, hierzulande und anderswo in Europa. Genauer gesagt: Sie müsste sogar. Denn nach den Zahlen von Unicef arbeiten weltweit 54 Millionen Kinder, viele auf Kakaoplantagen. „Kakao für die bei uns so beliebte Schokolade wird vor allem in Côte d'Ivoire und Ghana angebaut“, schreibt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen in einer aktuellen Analyse der Situation, „und leider werden für diese schwere Arbeit nach wie vor Kinder eingesetzt“.
So unterschiedliche Anbieter wie die Erfinder:innen der quadratischen Schokolade aus Waldenbuch oder der ebenfalls weltweit tätige Steirer Josef Zotter mit den rechteckigen Täfelchen in kreativer Verpackung („Ei am from Austria“) bejahen eine einschlägige Sorgfaltspflicht ohne Abstriche. „Unser Ziel ist es, transparente Lieferketten zu haben und eng mit den Menschen zusammenzuarbeiten, die den Kakao für uns anbauen“, erläutert Ritter-Sport (Umsatz 2024: 605 Millionen Euro) die eigenen Kakao-Partnerschaften. „Wir machen keinen Unterschied bei den Arbeitsbedingungen für unsere eigenen Mitarbeiter*innen oder unserer Lieferant*innen“, schreibt Zotter (Umsatz 2024: 38 Millionen Euro) in der staatlich zertifizierten Umwelterklärung mit der Begründung: „Wir tragen Verantwortung für alle Beteiligten“.
Hilft das Europäische Lieferkettengesetz? Noch in diesem Jahr soll der weitere Umgang mit der Lieferkettenrichtlinie zwischen Kommission, Europarat und Parlament verhandelt werden. Die SPD hat sich festgelegt. „Eine Abschaffung des EU-Lieferkettengesetzes liegt nicht auf dem Tisch“, sagt der Vorsitzende der sozialdemokratischen Abgeordneten aus Deutschland, René Repasi aus Karlsruhe. Weder im Parlament noch unter den EU-Staaten gebe es eine Mehrheit für einen solchen Schritt.
Der Professor für Europarecht an der Erasmus-Universität Rotterdam kann sich Änderungen vorstellen, „die Entlastungen für Unternehmen bedeuteten, das Ziel, Zwangsarbeit, Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörung einzudämmen, bleibt aber bestehen“.
Dass er am Ende Recht behält, ist noch lange nicht sicher. Hoffmeister-Kraut jedenfalls, die sich nicht mehr als Scharnier zwischen Herstellern und Gesetzgeber:innen versteht, sondern eher als Sprachrohr der Wirtschaft, stellt sich dagegen. Die geplanten EU-weiten Haftungsregeln müssen nach ihrer Ansicht dringend entschärft oder gleich ganz gestrichen werden. Und es folgt ein Satz, der sich liest, wie eine Bankrotterklärung für Geschäftsmodelle in „The Länd“ mit einem universellen und wertebasierten Anspruch: „Nur wenn die Politik auf 'Wirtschaft first' setzt, kann Europa im globalen Wettbewerb bestehen“. Dabei wollte die CDU/CSU doch für Humanität, Ökologie und fairen Handel stehen. Ach ja, nur wenn es zu eigenen Gunsten geht.
((mit Material von Kontextwochenzeitung.de ))
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