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13.12.2010 08:33
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Wikileaks und die Transparenz demokratischer Regierung
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Wie viel Transparenz lassen demokratische Staaten zu?
Diese Frage kommt auf, wenn man sich die Ereignisse nach den jüngsten Veröffentlichungen der Plattform Wikileaks vor Augen führt.
Diese hatte erneut umfangreiche geheime Dokumente der US-Regierung erhalten und kürzlich begonnen, über 250.000 US-Diplomatendepeschen zu veröffentlichen. Hier erfuhr die Öffentlichkeit beispielsweise wie europäische Politiker durch US-Botschaftsmitarbeiter eingeschätzt wurden. Die FDP erfuhr u.a., dass einer ihrer Mitarbeiter jahrelang Interna an den US-Botschafter in Berlin weitergegeben hatte. Aber auch Entscheidungen der deutschen Bundesregierung, beispielsweise deren Verzicht auf eine vollständige Aufklärung der Entführung eines deutschen Staatsbürgers, erscheinen in einem neuen Licht. ( http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2731785_0_9223_-cia-entfuehrungsopfer-wikileaks-veroeffentlicht-protokoll.html)
Die Empörung und Kritik auf Seiten der US-Regierung gegenüber Wikileaks ist nach diesen Veröffentlichungen groß. Um manch unangenehme Überraschung abzufedern, wurden weltweit Regierungen auf den Inhalt der Veröffentlichungen vorbereitet. Weiterhin überprüft die US-Regierung derzeit, inwiefern Sie Wikileaks oder deren Mitgründer Julian Assange für die Veröffentlichungen rechtlich belangen kann.
In Folge dessen haben Dienstleister wie everydns.net und Amazon, aber auch Finanzdienstleister wie beispielsweise PayPal, Mastercard, die schweizer PostFinance und Visa die Abwicklung von Spenden zugunsten von Wikileaks eingestellt und deren Konten eingefroren. Diese Vorgehensweisen verschiedener Unternehmen erstaunen, bedenkt man, dass sie jeglicher rechtlichen Grundlage entbehren. Es kommt vielmehr der Eindruck auf, dass versucht wird, Wikileaks die Existenzgrundlage zu entziehen und den Zugang zu Ihrer Plattform zu unterbinden und somit Zensur zu betreiben. Bedenkt man, dass dies nicht in einer Diktatur geschieht, wo Zensur zum System gehört, sondern in demokratischen Staaten, macht sich ein Unwohlsein breit.
Sollte nicht jeder Bürger möglichst alle relevanten Informationen erhalten, auf denen die Entscheidungen seiner gewählten Volksvertreter beruhen? Sollten diese Informationen nicht nur vollständig, sondern auch wahr sein?
Die Vision der Wikileaks-Plattform, welche seit 2006 besteht, und sich nur über Spenden finanziert, ist brisante Materialien, welche eine ethische, politische und historische Bedeutung haben, öffentlich zu machen. Durch die Veröffentlichungen soll das Weltgeschehen verständlicher und eine transparentere Demokratie erzeugt werden.
Mit der Veröffentlichung der US-Depeschen haben die Betreiber der Wikileaks-Seite erneut in vielen Bereichen für mehr Transparenz gesorgt. Den Bürgern wurde wieder einmal vor Augen geführt, wie ihre Regierungen miteinander, aber vor allem mit ihnen selbst umgehen. Jolanda Butera
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10.12.2010 16:01
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Billigkauf zerstört Mensch und Natur
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Wir haben angeblich Schuld, wir, die Verbraucher. Sagt ein Anwalt des Unternehmers Axel H., der Schlachthöfe mit billigen Schwarzarbeitern versorgte. Der Vorwurf des Anwalts, der der Verteidigung diente, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Nicht nur Menschen hierzulande, die am Existenzminimum leben, greifen zu billigem Fleisch. Auch wohlsituierte Menschen nehmen Discountfleisch. Aus Großmärkten, aus Sonderangeboten. Man freut sich über die Schnäppchen und verdrängt dabei, wie die billigen Schnitzel und Steaks, die billigen Hühner und Puten zustande kommen.
Das Düsseldorfer Landgericht sprach den 48jährigen Axel H. schuldig, in 107 Fällen Steuerhinterziehung und in 29 Fällen Betrug der Sozialversicherung begangen haben. Zusammen mit sieben Mittätern hat er einen Schaden von 14 Millionen Euro verursacht. Das Urteil beendete einen der größten Steuerstrafverfahren in Deutschland. Mit einem Geflecht von 50 Firmen hatten Axel H. und seine Komplizen bis zu 1000 Menschen an Schlachthöfe vermittelt. Diese arbeiteten zwar Vollzeit, wurden aber als 400-Euro-Jobber geführt, teils auch als Selbständige, so dass Sozialbeiträge und Einkommenssteuern vermieden wurden. Die Richterin Brigitte Koppenhöfer sagte: „Der Umfang der illegalen Tätigkeiten und deren Selbstverständlichkeit sind erschreckend. Das Gewerbe scheint von diesen Straftaten durchdrungen zu sein“.
Billiges Fleisch hat eigenwillige Produktionsfaktoren: Massentierhaltung, Antibiotika im Futter, gülleverseuchte Landstriche und Grundgewässer, Schnellmast, gering entlohnte Beschäftige, Steuer- und Abgabenumgehung, getarnte Beschäftigungsverhältnisse, Fleischmurks durch Fleischbehandlung mit Spezialmethoden und –stoffen für appetitliches Aussehen und fleischnahen Geschmack. Welcher Verbraucher will das mitverantworten?
Über sieben Millionen Tonnen Fleisch werden in Deutschland konsumiert. Das ist Spitze. Und das angesichts von Aufklärungskampagnen, Fleischskandalen, Fitness-Wellen und Diätwahn. Dabei wäre ein höherer Fleischpreis bei gleichzeitig verbesserten Produktionsbedingungen nicht nur machbar, sondern sogar wünschbar. Denn höherer Preis reduziert den Fleischkonsum. Und weniger Fleisch bedeutet mehr Lebensqualität für Mensch, Tier und Fauna. Da die Fleischindustrie wohl nicht selber auf diesen Trichter kommt, muss der Verbraucher eine Kehrtwende machen und mit denen an einem Strick ziehen, die Fleisch seltener, dafür aber bewusst ökologisch produziertes Fleisch essen. Denn das ist fair zum Tier, fair zum Beschäftigten, fair zur Natur und fair zu sich selbst. Weniger ist wirklich mehr. Mehr öko und bio ist mehr fair.
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06.12.2010 15:02
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Religion begünstigt Bestrafung unfairer Akteure
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Ohne Fairness, Kooperation und Wahrhaftigkeit kann das menschliche Zusammenleben nicht funktionieren. Entscheidend ist jedoch vor allem, dass möglichst viele Menschen bereit sind, unfaires Verhalten zu bestrafen. Und zwar ohne Rücksicht auf eigenen Nachteile. Werden etwa unfaire Geschäftspraktiken angesprochen, kann es mit dem entsprechenden Geschäftspartner kein Geschäft geben. Machen Schüler einen Lehrer auf unfaires Verhalten im Klassenzimmer aufmerksam, kann sich das nachteilig in der Note niederschlagen. Wird ein Vorgesetzter auf unfaire Entscheidungen hingewiesen kann es sein, dass er den Mitarbeiter dafür mit Aufgaben überhäuft. Und ein Mitarbeiter, auf unfaires Vorgehen angesprochen, mindert seine Leistung, ohne dass dies nachgewiesen werden kann.
Der in diesem Jahr mit dem Deutschen Fairness Preis ausgezeichnete Fairness-Forscher Prof. Dr. Ernst Fehr von der Universität Zürich hat durch empirische Experimente herausgefunden, dass religiöser Glaube dabei hilft, eigene egoistische Impulse abzuwehren. Dadurch wird der Weg frei für eigenes faires Verhalten und für altruistische Strafen: Menschen mit Kritik an unfairem Verhalten konfrontieren, auch wenn dadurch Nachteile für den Kritiker entstehen sollten. Denn faktisch ist es so: Religiöse Menschen bestrafen häufiger unfaires Verhalten, auch wenn sie selbst dafür Nachteile erleiden.
Der Glaube an mächtige, moralisierende Gottheiten hilft dabei. Wer glaubt, dass eine allwissende, übernatürliche Macht von ihm erwartet, faire Verhaltensnormen einzuhalten und durchzusetzen, wird dies auch eher tun. Neueste Erkenntnisse weisen darauf hin, dass religiöse Personen die Regeln der Fairness eher aufrechterhalten und sich eher an prosozialem Verhalten beteiligen. Gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie zur Erlangung eines Vorteils betrügen.
Dass ein religiöser Hintergrund förderlich dafür ist, Regeln der Fairness durchzusetzen, hatte bis jetzt noch niemand bewiesen. Aus diesem Grund untersuchte das Forschungsteam um den Ernst Fehr, Charles Efferson (beide Universität Zürich), Ryan McKay (Royal Holloway der Universität London) und Harvey Whitehouse (Universität Oxford) die Auswirkung von Religion auf die Bestrafung unfairen Verhaltens, bei der eigene Nachteile in Kauf genommen werden.
Dieses Ergebnis der empirischen Experimente lässt auf einen Mechanismus schliessen, der Normen der Fairness in großen, anonymen Gruppen festigt. Religiöse Menschen bestrafen, weil sie denken, dass die übernatürliche Macht dies von ihnen erwartet und sie diese nicht enttäuschen wollen. Wenn der Glaube an eine übernatürliche Macht das kooperative Verhalten innerhalb einer Gruppe stärkt, dann sichern Religionen einer immer grösser werdenden Anzahl von Anhängern das Überleben und Gedeihen. Auf diese Weise tragen diese Religionen auch zu ihrem eigenen Überleben bei. Und entwickeln sich selbst zu prosozialen Religionen weiter.
Welche Folgen jedoch ein Gottesbild hat, in dem eine strafende Gottheit kein Rolle (mehr) spielt, hat die Forschercrew um Ernst Fehr nicht untersucht. Ebenso wenig, wenn Menschen glauben, dass die Gottheit in ihrem Verständnis keine Bestrafung von Missetätern erwartet, sondern ‚über Gute und Böse die Sonne scheinen lässt‘.
Literatur: Ryan McKay, Charles Efferson, Harvey Whitehouse and Ernst Fehr: Wrath of God: religious primes and punishment, in Proceedings of the Royal Society B, doi: 10.1098/rspb.2010.2125
http://www.fairness-stiftung.de/Preisverleihung2010.htm
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