20.05.2021 12:26
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Amazon vernichtet offenbar weiterhin Neuware
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"Eigentlich soll ein neues Gesetz die Vernichtung von Rücksendungen bei Versandhändlern verhindern. Doch laut Recherchen von Greenpeace setzt Amazon die umstrittene Praxis in Deutschland fort.
Der Onlineriese Amazon vernichtet laut Recherchen der Umweltorganisation Greenpeace auch weiterhin Neuware: Am Standort Winsen in Niedersachsen würden an acht Arbeitsplätzen originalverpackte Produkte für die Vernichtung vorsortiert, berichtete Greenpeace am Donnerstag. Das zeigten Filmaufnahmen eines Greenpeace-Rechercheurs, der mehrere Wochen als Angestellter im Amazon-Logistikzentrum in Winsen gearbeitet habe. Amazon nenne diese Arbeitsplätze »Destroy«-Stationen. Der Konzern entsorge allein an diesem Standort jede Woche mindestens eine Lkw-Ladung nicht verkaufter Ware, von T-Shirts über Bücher bis hin zu Elektroartikeln, berichtete Greenpeace. Die Umweltorganisation kritisierte, dies geschehe, obwohl im vergangenen Jahr ein Gesetz gegen diese Form von Ressourcenverschwendung in Kraft getreten war. Die sogenannte Obhutspflicht soll verhindern, dass intakte Ware zerstört wird. Doch bisher werde die Obhutspflicht weder umgesetzt noch von den Behörden überwacht.
Amazon: Anteil liege im »Promillebereich«
Amazon erklärte gegenüber der ARD-Sendung »Panorama«, der Konzern arbeite daran, möglichst gar keine Produkte zu vernichten. »Nur wenn wir keine andere Möglichkeit mehr haben, geben wir Artikel zum Recycling oder zur Energierückgewinnung – oder als allerletzte Option – zur Deponierung«, zitierte die ARD am Donnerstag. Es handle sich dabei um wenige Produkte, der Anteil befinde sich im »Promillebereich«.
»Amazon setzt allein auf schnellen Umsatz und hält deshalb den Platz im Regal für wichtiger als das Produkt darin – eine klimaschädliche Ressourcenverschwendung«, kritisierte Greenpeace-Konsumexpertin Viola Wohlgemuth. Der Konzern nutze aus, dass es bisher an einer Rechtsverordnung zur Obhutspflicht fehlt, weshalb keine Strafen verhängt werden".
Was Spiegel Online hier heute zusammenfassend berichtet, lässt tief blicken. "Der Anteil liege im »Promillebereich«, meint Amazon zur Kritik von Panorama und Greenpeace. Ja, wenn das so ist: schmeißen wir doch alles mal weg, was im Promillebereich liegt. Wie das machen wir schon - gemessen am Ressourcenvorlumen der Erde und dem, was die Menschen weltweit so wegschmeißen? Na denn, dann können wir uns ja prima rausreden. Amazon sei dank sind wir auch nicht besser oder? Wenn wir die ganze Erde in Müll und Abfall verwandelt haben, werden wir merken, dass man auf ihr nicht mehr menschlich leben kann.
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06.05.2021 08:40
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Wenn der Rechtsstaat versagt. Der Fall Assange und die extreme Unfairness
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Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer. spricht im Interview mit Bascha Mika von der Frankfurter Rundschau über den Wikileaks Gründer Julian Assange, seine Bedeutung für den Journalismus und die Einschüchterung von Medienschaffenden in der Gesellschaft. Der Fall zeigt extreme Unfairness und Verstöße derer auf, die sich in Europa immer wieder auf rechtsstaatliche Prinzipien, auf die CHARTA DER GRUNDRECHTE DER EUROPÄISCHEN UNION und die europäische SOZIALCHARTA des Europarats berufen. Diese gelten als westliche Werte. Dieses Missverhältnis untergräbt den Kanon westlicher Werte unter Umständen mehr – siehe auch die Inhalte der Wikileaks-Erkenntnisse – als etliche EU-externe Versuche, die europäischen Demokratien zu zermürben, zu diskreditieren und verschafft EU-Ländern des Gefühl der Legitimation, die bei sich den Rechtsstaat beschneiden und zu eigenen Gunsten umbauen.
„Herr Melzer, Großbritannien ist ein Mutterland der Demokratie. Dennoch behaupten Sie, dass Wikileaks-Gründer Julian Assange dort gefoltert wird. Harter Vorwurf.
Ja, ich war auch schockiert. Als Sonderberichterstatter für Folter waren westliche Demokratien wie Schweden und England stets meine traditionellen Alliierten. Doch im Fall Assange hat der Rechtsstaat auch in diesen reifen Demokratien komplett versagt. Selbstverständlich begehen auch westliche Staaten Menschenrechtsverletzungen. Aber ich war immer überzeugt, wenn man Beweise dafür erbringen kann, greifen die Überwachungsmechanismen, dann kann man Missstände korrigieren. Dass das im Fall Assange trotz klarer Beweise verweigert wurde, hat mich in eine persönliche und berufliche Krise gestürzt. Plötzlich stand ich mit dem Rücken zur Wand.
Und welcher Feind stand vor Ihnen?
Die politischen Eliten des Westens. Sie sind bereits soweit von ihren Bürgern und Verfassungspflichten entfremdet, dass sie die eigenen Kriegsverbrecher und Folterer vor Strafe schützen, gleichzeitig aber diejenigen schonungslos verfolgen, die ihre schmutzigen Geheimnisse ans Licht bringen. Dies war für mich eine sehr schmerzhafte „Ent-Täuschung“ – im wahrsten Sinne des Wortes.
Woran zeigt sich, dass Assange ein Folteropfer ist?
Selbst ich als Experte habe den Fall zunächst abgelehnt. Assange und Folter? Sicher nicht! Das ist doch dieser Vergewaltiger, Hacker und Spion, der sich in der ecuadorianischen Botschaft versteckt. So habe ich damals reagiert, bis ich mir das Beweismaterial genauer anschaute und immer mehr Widersprüche sah. Der Fall war so stark politisiert, dass man sich auf nichts mehr verlassen konnte. Um ihn dennoch objektiv beurteilen zu können, beschloss ich, Assange im Frühjahr 2019 in London persönlich zu treffen – auch wenn ich eigentlich nur ausnahmsweise einzelne Gefangene besuche.
Was für einem Menschen sind Sie begegnet?
Ich nahm zwei Ärzte mit, die mich auch sonst bei Gefängnisbesuchen begleiten. Beide sind auf Folteropfer spezialisiert und wir kamen alle drei unabhängig voneinander zum Schluss, dass Assange die typischen Anzeichen psychischer Folter zeigte. Er litt unter extremen Stress- und Angstsymptomen, von denen sich der Körper nicht mehr erholt. Das ist nicht, was man sonst bei Gefangenen findet. Er war gewissermaßen über Monate nonstop unter Adrenalin. Das beeinträchtigt das Nervensystem und die Reaktionsfähigkeit.
Welche Rolle spielt dabei die Isolationshaft?
Die Isolation eines gestressten, geängstigten Menschen hat ganz schlimme Konsequenzen, der Gefangene gerät in ein Wechselbad von permanentem Panikzustand und schwersten Depressionen, was ihn stark destabilisiert und zermürbt. Dies wird zusätzlich verschlimmert durch ständige Bedrohung, Demütigung, Diffamierung und Willkür. Solche psychische – oder „weiße“ – Folter ist darauf angelegt, das Opfer zu brechen, ohne physische Spuren zu hinterlassen. Die gezielte Entwicklung solcher Methoden ist die Kehrseite des weltweiten Folterverbots.
Womit wurde Assange so in Angst versetzt?
Für ihn ist die Bedrohung die Auslieferung in die USA, wo ihm ein unfairer Spionageprozess und 175 Jahre Isolationshaft drohen. Menschenrechtsexperten sind sich einig, dass die Isolationshaft in Supermax-Gefängnissen in den USA gegen das Folterverbot verstößt und jeden Menschen unweigerlich zugrunde richtet. Es ist, wie wenn man lebendig begraben würde.
Warum setzen Sie sich gerade für diesen Mann so vehement ein?
Mein Mandat ist hier gleich dreifach betroffen. Erstens wird Assange gefoltert, und zwar nicht mit Elektroschocks und Peitschenhieben. Um die bei ihm angewandte Foltermethode sichtbar zu machen, musste ich den Fall an die große Glocke hängen, denn er ist ja kein Einzelfall. Zweitens hat er selber Folter enthüllt, die aber nicht verfolgt wird – auch das ein Völkerrechtsverstoß. Und drittens würde Assange bei einer Auslieferung in die USA wohl zu Tode gefoltert.
Spielt die Pressefreiheit für Sie dabei eine Rolle?
Sicher, denn hier wird das Recht der Bevölkerung, die Wahrheit zu wissen, ganz gezielt angegriffen. Genau darum geht es im Fall Assange.
Er und Wikileaks können sich auf die Pressefreiheit berufen?
Pressefreiheit ist Teil der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit – und dieses Recht steht allen Menschen gleichermaßen zu. Darüber hinaus kann Assange aber auch als Journalist gelten, weil er Informationen mit Öffentlichkeitswert enthüllt hat. Mit Wikileaks hat er eine Lücke gefüllt, die die etablierte Presse bei der Untersuchung von Behördenmissbrauch hinterlassen hat. Solchen Missbrauch, von Korruption bis Kriegsverbrechen, hat Wikileaks aufgedeckt…“
3. Mai 2021
Zur Person: Nils Melzer, 51, ist Professor für internationales Recht und lehrt in Glasgow und Genf. 2016 wurde er vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zum Sonderberichterstatter für Folter ernannt. Seit 2019 ist er überdies Vizepräsident des Internationalen Instituts für humanitäres Völkerrecht (IIHL) in Sanremo. Vorher war er als sicherheitspolitischer Berater der Schweizer Regierung tätig sowie als Rechtsberater und Abgesandter in Kriegs- und Krisengebieten für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Mitte April erschien sein Buch „Der Fall Julian Assange – Geschichte einer Verfolgung“.
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03.05.2021 09:03
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Rückschläge für Demokratie und Grundrechte - Fairnessmangel der Politik
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Im Schatten der Pandemie stecken Grundrechte und Demokratie folgenschwere Rückschläge ein. Schreibt die FR-Redakteurin Ursula Rüssmann heute in ihrem Leitartikel „Fataler Reformstau“ in der Frankfurter Rundschau. Sie macht deutlich, wie vollmundige Versprechen seitens der Politik besonders nach akuten Vorfällen von Diskriminierung und das politische Handeln überhaupt nicht zusammenpassen. So tragen die politischen Instanzen entgegen ihren Behauptungen dazu bei, die Zivilgesellschaft auszuhungern, zu schwächen und in der Anfeindung stehen zu lassen. Für den Zusammenhalt unternehmen die politisch Verantwortlichen zu wenig bis nichts. Rüssmann schreibt: >>Es war Anfang April eher eine Randnotiz in den Medien: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hatte ihre telefonische Beratung wegen Überlastung eingestellt, schon seit Wochen. Denn die Zahl derer, die wegen Benachteiligung Hilfe suchen, hatte sich 2020, auch durch Corona, verdoppelt. Mehr Berater:innen aber bekam die Behörde nicht. Vernachlässigung von Hilfestrukturen für Diskriminierungsopfer, und niemand schaut hin?
Der Fall ist symptomatisch für die grundrechtlichen und demokratiepolitischen Rückschläge, die das Land gerade erleidet. Im Schatten der Pandemiebekämpfung baut sich riesiger Reformstau auf, werden Defizite vergessen, die längst behoben sein sollten.
Dafür gibt es viele Beispiele, aber zunächst zur ADS, die Menschen helfen soll, wenn sie wegen ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Neigung benachteiligt werden. Bei der Institution liegt auch strukturell viel im Argen. Europarat und EU-Kommission fordern schon länger, die Unabhängigkeit der nationalen Beratungsstellen müsse gestärkt werden, aber davon ist Deutschland Lichtjahre entfernt.
Neulich kamen die Probleme bei einer Anhörung im Bundestags-Familienausschuss auf den Tisch: Leitung seit 2017 (!) unbesetzt; krasse Unterfinanzierung. Schweden gibt 1,10 Euro pro Kopf für seine nationale Gleichbehandlungsstelle aus, Deutschland nur sechs Cent. Es fehlt an einem Verbandsklagerecht; die Klagefristen sind zu kurz. Und: Die ADS kann zu wenig bewegen, weil sie – anders als etwa der Bundes-Datenschutzbeauftragte – keine unabhängige Behörde ist, sondern Teil des Familienministeriums.
Dabei wäre eine Gleichbehandlungsstelle mit Schlagkraft dringend nötig, um auch institutionelle Diskriminierungen abzubauen. Das sieht man etwa beim Kampf gegen „Racial Profiling“, also gegen gezielte Polizeikontrollen von Menschen anderer Hautfarbe. Die vom Innenministerium angekündigte Polizeistudie spart das Reizthema bekanntlich aus, weil Minister Horst Seehofer es nicht will. Bei den Planungen zur Studie hat das Ministerium die ADS nicht mal konsultiert. Stimmen, die das anprangern, finden pandemiebedingt kaum Gehör.
Der Kampf gegen Rassismus stockt auch an anderer Stelle, die Einsichten, die auf den rechten Terror von Hanau und Halle folgten, scheinen fast wieder vergessen. So ist es ein dramatischer Rückschlag, dass die Union vor einigen Wochen das Wehrhafte-Demokratie-Gesetz im Kabinett blockierte.
Das Gesetz gehört zu den Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus, zu denen sich die Konservativen nach Hanau durchgerungen hatten. Es wird von zivilgesellschaftlichen Organisationen seit Jahren herbeigesehnt, damit ihre Basisarbeit gegen rechts und die Opferberatung endlich abgesichert sind und sie nicht mehr am Tropf befristeter Projektmittel hängen.
Wird es nun verwässert und verschleppt, ist der Schaden kaum zu überschauen. Auch wenn das Kabinett jetzt Mai für den Beschluss anvisiert: Viel hängt davon ab, ob die Union ihren populistischen Plan einer „Extremismusklausel“ durchsetzt, nach der alle Geförderte ein Bekenntnis zur freiheitlichen Grundordnung ablegen sollen. Das stellt die Initiativen gegen rechts unter Generalverdacht, und es würde zum Einfallstor für die Ausgrenzung linker Projekte. Die Chancen schwinden, dass das Gesetz vor der Wahl kommt. Für die Angehörigen der Opfer rechten Terrors ist das ein weiterer Schlag ins Gesicht. Auf die traurige Liste gehört übrigens auch die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts vom Winter. Zwar gehen jetzt auch Klimaschutz und einiges andere als gemeinnützige Vereinszwecke durch, aber das Parlament hat sich geweigert, auch politisches Engagement für gemeinnützige Ziele abzusichern. Für Dorfverschönerung kann man künftig steuerbegünstigt spenden, aber nicht für eine Bürgerinitiative, die sich in die Wohnungsbauplanung einmischt. Damit agieren viele Organisationen weiter am Rand der Existenzbedrohung, ihre Kräfte werden (siehe Attac) teils jahrelang gebunden durch Konflikte mit Finanzbehörden.
Es gäbe weitere Beispiele. Allen gemeinsam ist: Stillstand und Rückschritt treffen uns alle, nicht nur ein paar Aktivist:innen und Gruppen. Die Reformverweigerung lähmt eben die, die für sozialen Ausgleich, Chancengleichheit, Minderheitenrechte eintreten. Diejenigen also, die täglich für die Demokratie arbeiten.
Ihnen kommt eine wichtige Rolle zu – erst recht nach der Pandemie, angesichts der sich schon abzeichnenden gesellschaftlichen und ökonomischen Spaltungen und Verteilungskämpfe. Ohne eine starke und hörbare Zivilgesellschaft wird der angeknackste innere Zusammenhalt in diesem Land nur schwer zu erhalten sein“.
Es mangelt der Spitzenpolitik an hartnäckigem, zugesagtem und wirksamem Einsatz für gesellschaftliche Fairness.
"Wie steht es um Ihre Fairness-Kompetenz?"
"Fataler Reformstau"
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