24.02.2022 09:24
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Werden Unternehmen durch die EU ernsthafter mit einem Lieferkettengesetz in die Pflicht genommen?
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Die EU-Kommission will Firmen zwingen, Menschenrechte und Umwelt bei der Herstellung ihrer Produkte zu schützen. Sie geht viel weiter als Deutschland mit seinem Lieferkettengesetz. Damir Fras beschreibt heute in der Rundschau, was das Vorgehen der EU-Kommission für deutsche Unternehmen und für Menschenrechtsgeltung bedeutet.
„In Deutschland ist ein Lieferkettengesetz bereits beschlossen. Jetzt zieht die EU mit einem eigenen Gesetz nach. Große Unternehmen sollen künftig keine Gewinne mehr mit Produkten machen, die mit Hilfe von Kinder- oder Zwangsarbeit hergestellt werden, die Umwelt zerstören oder das Klima belasten. Das Gesetz folgt einer in den letzten Jahren immer intensiver geführten Debatte über uigurische Zwangsarbeit in chinesischen Arbeitslagern, die Zustände in Textilfabriken in Pakistan und Bangladesch und Umweltverschmutzungen der Ölindustrie in Nigeria. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach am Mittwoch bei der Vorstellung des Entwurfs in Brüssel von „einem starken Signal“ der EU: „Geschäfte dürfen niemals auf Kosten der Menschenwürde und der Freiheit gemacht werden.“ Was plant die EU genau? Ein Überblick.
Was müssen Unternehmen künftig leisten?
Die Firmen müssen nach dem am Mittwoch vorgestellten Gesetzesentwurf genau darauf achten, dass ihre ausländischen Produzenten, Zwischenhändler und Lieferanten nicht gegen Menschenrechte verstoßen oder die Umwelt zerstören. Konkret heißt das zum Beispiel: Ein deutsches Unternehmen, das Kakaobohnen vertreibt, muss sicherstellen, dass bei Anbau und Ernte der Bohnen keine Kinder eingesetzt werden. Die Lieferanten des Unternehmens, in diesem Fall zum Beispiel Reedereien, werden verpflichtet, Umwelt- und Klimastandards zu beachten.
Welche Unternehmen sind betroffen? In die Pflicht genommen werden Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mehr als 150 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Nach Angaben der EU-Kommission sind das etwa 9400 Unternehmen. Dazu kommen etwa 2600 Firmen, die ihren Sitz nicht in der EU haben, aber im EU-Binnenmarkt Geschäfte machen.
Die Auflagen sollen zudem für Firmen gelten, die mehr als 250 Beschäftigte und einen Jahresumsatz von mehr als 40 Millionen Euro haben, wenn sie mehr als die Hälfte des Umsatzes in sogenannten Risikosektoren machen. Dazu gehören die Textilbranche, die Landwirtschaft, der Mineralienabbau und die Ölförderung. Das trifft etwa 3400 Unternehmen aus der EU und 1400 Unternehmen, die ihren Hauptsitz nicht in der EU haben.
Kleinere Firmen sind von dem Lieferkettengesetz ausgenommen, aber indirekt davon betroffen, wenn sie etwa als Zulieferer für größere Unternehmen arbeiten.
Welche Strafen gibt es bei Verstößen gegen das Gesetz?
Das ist in dem Gesetz nicht genau geregelt. Die EU-Mitgliedstaaten sollen die Sanktionen festlegen, wenn es Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht gibt. In dem Gesetz ist von einem Haftungsmechanismus die Rede, der Opfern von Menschenrechtsverletzungen den Zugang zu Gerichten erleichtern soll. Auch müssen Geschäftsführer:innen die Vorgaben des EU-Klimaplans in ihre Unternehmenspläne integrieren.
Wirtschaft und Menschenrechte
Ausgangspunkt für die menschenrechtliche Sorgfalt in globalen Lieferketten sind die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP). Nach diesen Prinzipien soll der Schutz der Menschenrechte weltweit in Form von „Nationalen Aktionsplänen“ (NAP) umgesetzt werden.
Deutschland verabschiedete im Dezember 2016 einen NAP zu Wirtschaft und Menschenrechten und vertraute dabei zunächst auf das freiwillige Engagement der Unternehmen, diesen entsprechend umzusetzen. Ein unabhängiges Monitoring zeigte aber, dass nur 17 Prozent der größeren Unternehmen die Anforderungen zur Beachtung der Menschenrechte erfüllten – weit weniger als das von der großen Koalition vorgegebene Ziel von mindestens 50 Prozent.
Der Bundestag verabschiedete daher am 11. Juni 2021 das innerhalb der Bundesregierung hart umkämpfte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Wirtschaftsverbände gingen von Anfang an gegen eine solche Regulierung auf die Barrikaden.
Die Industrielobby BDI warnte vor einem „nationalen Sonderweg“ und forderte stattdessen ein EU-Rahmenwerk, um ein europäisches Level-Playing-Field – also gleiche Bedingungen für alle Firmen – zu schaffen. Aber auch gegen eine EU-weite Regulierung ziehen Wirtschaft und Arbeitgeber zu Felde, wie Recherchen des Global Policy Forum und von Misereor zeigen. Zentrales Ziel ist dabei, eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen bei Menschenrechtsverstößen und Sanktionen wie den Ausschluss von der öffentlichen Auftragsvergabe auszuschließen. tos
Was haben Verbraucher:innen von dem Gesetz?
„Verbraucherinnen und Verbraucher können aufatmen“, sagte die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im Europaparlament, Anna Cavazzini (Grüne), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Denn sie können sicher sein, dass die Produkte, die sie kaufen, dank der kommenden EU-Vorschriften nachhaltiger und fairer produziert werden.“
Welche Unterschiede gibt es zum deutschen Lieferkettengesetz?
Das deutsche Lieferkettengesetz, das von 2023 an gelten soll, gilt zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten. Von 2024 an sinkt diese Schwelle auf 1000 Beschäftigte. Cavazzini sagte: „Der Vorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz geht bedeutend weiter als das deutsche Gesetz.“ Die neuen EU-Regeln zur Sorgfaltspflicht „sollen für viel mehr Unternehmen gelten und auch indirekte Zulieferer in der Wertschöpfungskette umfassen“. Der Vorschlag beinhalte konkrete Vorgaben zu umweltbezogenen Sorgfaltspflichten. „Vor allem aber enthält das europäische im Gegensatz zum deutschen Lieferkettengesetz Haftungsklauseln, die sicherstellen, dass Unternehmen vor EU-Gerichten zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sie ihren Pflichten nicht nachkommen“, so Cavazzini.
Was ist die Kritik an dem EU-Vorschlag?
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnte vor einer Überlastung deutscher Unternehmen. „Es drohen enormer Aufwand und hohe Kosten – für vergleichsweise wenig Wirkung“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „Der Entwurf droht Unternehmen zu überfordern. Angesichts der Größe der Herausforderung ist es falsch, die Aufgabe des Schutzes von Menschenrechten und Umwelt in dieser Form auf die Unternehmen abzuwälzen“, sagte Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung.
Dagegen begrüßte das Bündnis „Initiative Lieferkettengesetz“, in dem Gewerkschaften und Umweltverbände vertreten sind, den Gesetzentwurf. Er gehe jedoch nicht weit genug. Auch kleinere Unternehmen müssten zu mehr Sorgfalt verpflichtet werden.
Wann tritt das EU-Gesetz in Kraft?
Der Gesetzgebungsprozess dauert anderthalb bis zwei Jahre. Danach haben die EU-Staaten zwei Jahre Zeit, um ihre Lieferkettengesetze anzupassen. Die schärferen Verordnungen dürften also in Deutschland nicht vor 2026 gelten“.
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23.02.2022 09:50
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Lieferkettengesetz muss strenger werden
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Auf größere Unternehmen in der EU könnten bald strengere Regeln gegen Menschenrechtsverstöße und Umweltzerstörung in ihren Lieferketten zukommen.
Die EU-Kommission stellt an diesem Mittwoch einen Gesetzesvorschlag vor, mit dem Firmen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie nicht darauf achten, dass ihre Lieferanten sich an bestimmte Mindeststandards halten. In einem Entwurf heißt es, dass Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern betroffen seien. Für Branchen mit einem hohen Risiko für Verstöße gegen Arbeits- und Umweltstandards soll die Grenze bei 250 liegen. Der Entwurf liegt der Deutschen Presse-Agentur vor und kann noch geändert werden.
In Deutschland sind die Regeln weniger streng: Unternehmen mit mehr als 3000 Angestellten müssen ab 2023 sicherstellen, dass in ihren Lieferketten Menschenrechte eingehalten werden und die Umwelt nicht zerstört wird. Ein Jahr später sinkt diese Grenze auf 1000. Bei Verstößen sind Bußgelder und der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen vorgesehen. Der Bundestag hat im vorigen Juni das entsprechende Gesetz verabschiedet. Sollten die EU-Länder und das EU-Parlament dem Vorschlag der Kommission zustimmen, müsste das deutsche Lieferkettengesetz voraussichtlich angepasst werden.
Über Lieferkettengesetze wird schon länger diskutiert. Größere Öffentlichkeit bekommt das Thema zumeist, wenn Missstände wie Kinderarbeit und Hungerlöhne in Entwicklungsländern ans Licht kommen oder es zu schweren Arbeitsunfällen kommt. So stürzte 2013 etwa in Bangladesch eine achtgeschossige Textilfabrik in knapp 90 Sekunden ein. Rund 1100 Menschen starben in den Trümmern.
Das aktuelle Lieferkettengesetz ist zu schwach. Das zeigt auch "Warum das Lieferkettengesetz derzeit zu schwach ist"
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22.02.2022 08:12
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Die peinlichen deutschen Unternehmen in Mexiko - Lieferkettengesetz light
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Patricia Juan Pineda arbeitet bei der Schlichtungsstelle für Arbeits- und Menschenrechte (Litigio Estrategico en Derechos Humanos Laborales, LEDHL) in Mexiko. Für das gewerkschaftliche Zentrum Cilas (Centro de Investigacion Laboral y Asesoria Sindical, Mexiko-Stadt) reiste sie durch Deutschland. Die Reise erfolgte auf Einladung des Internationalen Gewerkschaftlichen Arbeitskreises Köln (IGAKK e.V.).
Sie antwortet auf Fragen von Steffen Herrmann und Tobias Schwab für die FR. Hier Auszüge. Das ganze Interview unter: "Weckruf für Lieferketten"
In Mexiko sind viele deutsche Zulieferer und Autobauer aktiv. Welchen Ruf haben die deutschen Unternehmen unter den Arbeiterinnen und Arbeitern?
Sie haben tolle Produkte, aber behandeln ihre Arbeiter schlecht. Die deutschen Arbeitgeber haben ein schlechtes Image.
Schlechter als Unternehmen aus anderen Ländern?
Nicht unbedingt, aber wir wissen schon: Es gibt an Standorten deutscher Unternehmen in Mexiko schlechte Arbeitsbedingungen und schlechte Löhne. Auch die Deutschen setzen auf Schutzgewerkschaften, und wenn man sie dafür öffentlich angreift, sagen sie: Das ist völlig legal, das dürfen wir. Zum Beispiel BMW: In San Luis Potosi hat BMW 2014 einen neuen Standort aufgebaut. Und noch bevor die Halle errichtet war, hatte BMW schon einen Schutzvertrag unterzeichnet. Es gab noch keinen einzigen Arbeiter, aber die Schutzgewerkschaft gab es schon. Dagegen haben wir uns beschwert, aber das hat niemanden interessiert.
Und in der Pandemie: Sind die deutschen Unternehmen ihrer Fürsorgepflicht nachgekommen? Gab es Impfprogramme? Dort, wo unabhängige Gewerkschaften aktiv sind, haben wir versucht, Impfprogramme auf die Beine zu stellen. Aber in den allermeisten Werken ist die Pandemie einfach durchgerollt. Wer infiziert war, hat einen zweiten Mundschutz bekommen und musste weiterarbeiten.
Auch das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist ein Thema für Sie. Werden die Unternehmen in Mexiko nervös, weil sie sehen, dass neue Anforderungen und Berichtspflichten auf sie zu kommen?
Wir haben uns das Lieferkettengesetz aus gewerkschaftlicher Sicht angeschaut und wir haben einige Schwachstellen gefunden. Zum Beispiel: Die Unternehmen sollen Beschwerdestellen schaffen, aber sie kontrollieren dann auch, was mit den Eingaben geschieht. Uns ist wichtig, dass die Kontrolle nicht alleine den Firmen obliegt, sondern dass Mechanismen geschaffen werden, die es den Gewerkschaften ermöglichen, zu überprüfen, ob die Beschwerden tatsächlich verfolgt werden. Wenn die Unternehmen sich bereiterklären, die Menschenrechte zu respektieren: Warum möchten sie dann die Hand auf dem Beschwerdemechanismus haben? Offensichtlich werden innerhalb vieler Unternehmen mit Standorten in Mexiko und Deutschland Informationen nicht weitergereicht. Deshalb ist ein direkter Draht zwischen den Beschäftigten in Mexiko und Deutschland so wichtig. Das Lieferkettengesetz ist sehr wichtig, aber wenn gewerkschaftliche Mechanismen fehlen, die Druck aufbauen, dann ist es nur ein weiteres schönes Gesetz.
Sie misstrauen Beschwerdemechanismen? Beschwerden wirft man in der Regel in den Briefkasten des Unternehmens. Da weiß jeder Arbeiter in Mexiko: Wenn ich das mache, riskiere ich meinen Job, meine Gesundheit und die Gesundheit meiner Familie. Das heißt, so einen Unternehmens-Mechanismus würde niemand nutzen. Es gibt außerdem keine vorgesehenen Fristen für die Behandlung der Beschwerden. Wenn also das Unternehmen nicht reagiert, gibt es einen Klageweg in Deutschland – aber das dauert und ist teuer. Langsame Justiz ist in diesem Fall überhaupt keine Justiz. Zum Vergleich: Beim USMCA-Abkommen waren gerade die kurzen Fristen für uns überlebenswichtig.
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09.02.2022 08:54
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Mehr als 100 Unternehmen fordern Haftungsregel im Lieferkettengesetz
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EU-Lieferkettengesetz: Kommission kündigt Entwurf für Februar an und – mehr als 100 Unternehmen fordern Haftungsregel
Das EU-Vorhaben, Unternehmen in ganz Europa zu Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten zu verpflichten, findet Unterstützung von Wirtschaftsseite: Mehr als 100 Unternehmen und Investoren haben sich heute für ein EU-Lieferkettengesetz ausgesprochen. Die EU-Kommission hatte das Vorhaben im letzten Jahr mehrfach verschoben, nun steht es für ihre Sitzung am 23. Februar auf der Tagesordnung.
Zivilgesellschaftliche Organisationen in zahlreichen EU-Staaten fordern ein wirksames Gesetz, das die Situation von Betroffenen verbessert.
„Ohne klare Regeln kümmern sich Unternehmen viel zu selten um Menschenrechte und Umweltstandards in ihren Lieferketten – mit fatalen Folgen. Viele Länder haben deswegen mit nationalen Gesetzen vorgelegt. Die EU hat nun eine historische Chance, in ganz Europa klare Spielregeln zum Schutz der Betroffenen zu schaffen“, kommentiert Johanna Kusch, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz.
In einer heute vom Business and Human Rights Resource Centre veröffentlichten Stellungnahme sprechen sich mehr als 100 deutsche und europäische Unternehmen und Investoren für ein EU-Lieferkettengesetz aus. Erstmals fordern sie darin auch die Einführung einer Haftungsregel, die es Betroffenen ermöglichen würde, Schadensersatz zu erhalten. In der Liste der Unterzeichner finden sich bekannte Namen wie Hapag-Lloyd, Ikea und Danone.
„Viele Unternehmen unterstützen ein EU-Lieferkettengesetz und sind der Ansicht, dass menschenrechtliche Sorgfalt in den Lieferketten dazugehört“, erläutert Friedel Hütz-Adams, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei SÜDWIND e.V. „Daher befürworten so viele Unternehmen auch eine zivilrechtliche Haftung: Sie benötigen ein Level Playing Field und das Wissen, dass auch ihre Wettbewerber handeln müssen.“
Die EU-Kommission hatte den ursprünglich für Juni 2021 geplanten Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz im vergangenen Jahr mehrfach verschoben. Europäische Wirtschaftsverbände betreiben massive Lobbyarbeit gegen wichtige Teile des Vorhabens, darunter aus Deutschland insbesondere der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), die Mittelstands- und Wirtschaftsunion sowie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Das zeigt ein heute veröffentlichtes Briefing von Misereor und dem Global Policy Forum.
„Im Gegensatz zu vielen aufgeschlossenen Unternehmen setzen deutsche Wirtschaftsverbände alles daran, ein wirksames EU-Lieferkettengesetz zu verhindern. Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag zu einem solchen Gesetz bekannt und muss jetzt liefern“, fordert Armin Paasch von Misereor.
In Deutschland setzt sich die „Initiative Lieferkettengesetz“ für eine EU-Regelung ein, da das deutsche Lieferkettengesetz nicht weitreichend genug sei: Ohne zivilrechtliche Haftungsregelung bewirke es zu wenig für die Betroffenen. Zudem leiste es einen zu kleinen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz, gelte für zu wenige Unternehmen und mache zu viele Ausnahmen bei den Sorgfaltspflichten. Die Initiative fordert daher von der Bundesregierung, sich aktiv auf EU-Ebene für eine weiterreichende Regulierung einzusetzen.
„Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, sich für ein wirksames EU-Lieferkettengesetz einzusetzen. Für uns ist klar: ‚Wirksam‘ ist eine solche Regelung nur, wenn sie Unternehmen für Verfehlungen haftbar macht – und endlich unterbindet, dass Konzerne die Klimakrise und das Artensterben befeuern“, betont Ceren Yildiz, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
Der BUND gehört ebenso wie Südwind e.V. und Misereor zu den 130 Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen, Gewerkschaften und kirchlichen Akteuren, die sich zur Initiative Lieferkettengesetz zusammengeschlossen haben.
Kontakt: Initiative Lieferkettengesetz: Johannes Heeg, Sprecher, Tel.: 0151-10611346, E-Mail: [email protected] BUND: Sigrid Wolff, Pressesprecherin, Tel.: 030-27586497, E-Mail: [email protected] Misereor: Barbara Wiegard, Pressesprecherin, Tel.: 030-44351988, E-Mail: [email protected] SÜDWIND: Friedel Hütz-Adams, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Tel.: 0160-99404467, E-Mail: [email protected]
Die Initiative Lieferkettengesetz wird getragen von: Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt-Landesnetzwerke in Deutschland e.V. (agl), Brot für die Welt, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Christliche Initiative Romero e.V. (CIR), CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), FEMNET e.V., Forum Fairer Handel e.V., Germanwatch e.V., Greenpeace e.V., INKOTA-netzwerk e.V., Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V., Oxfam Deutschland e.V., SÜDWIND e.V., ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V., Weltladen-Dachverband e.V., Werkstatt Ökonomie e.V.
Weitere 110 Organisationen unterstützen die Initiative Lieferkettengesetz.
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07.02.2022 09:03
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Belästigungen und Drohungen im Internet: Warum der Ratschlag „Mach doch einfach mal das Handy aus“ nichts taugt
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Kathrin Passig schreibt jede Woche in der FR über Themen des digitalen Zeitalters. Sie ist Mitbegründerin des Blogs „Techniktagebuch“; siehe auch auf www.kathrin.passig.de. In der FR vom 5./6.2.2022 befasste sie sich mit dem Ärger, den einem/einer das Internet bereiten kann. Und gibt Hinweise, wie mit Cyber-Mobbing und seinen Spielarten am besten umzugehen ist. Dabei wirft sie auch alte Tipps über den Haufen.
"Wer im Internet beleidigt oder bedroht wird, soll die Plattformen meiden, heißt es oft. Warum hält sich dieser schlechte Rat?
Wenn jemand in einer Fußgängerzone in der Innenstadt belästigt oder bedroht wird, werden die meisten sagen „Hast du Anzeige erstattet?“ und nicht „Geh doch da einfach nicht mehr hin“. Anders ist es, wenn die Beleidigung oder Bedrohung im Internet passiert ist. Dann hören Opfer den zweiten Ratschlag ziemlich oft, manchmal sogar von der Polizei. Die Comedy-Autorin Jasmina Kuhnke berichtete im Frühjahr 2021 in der taz, die Kölner Polizei habe ihr nach rassistischen Bedrohungen geraten, sich von Twitter abzumelden: „Das ist eine Täter-Opfer-Umkehr. Sie sagen damit: Wenn du still bist, passiert dir nichts. Doch das ist nicht die Lebensrealität von Diskriminierten.“
Drohungen im Internet: Schlechter Ratschlag der Polizei
Die Spiegel-Kolumnistin Margarete Stokowski, die ebenfalls seit vielen Jahren beleidigt und bedroht wird, nennt zwei weitere Gründe, warum der Ratschlag „Mach doch einfach mal das Handy aus“ nichts taugt: „Wenn man jemanden anzeigen will, muss man alles dokumentieren, man braucht Links zu Postings und Profilen und zusätzlich Screenshots. Das kann man nicht zusammenstellen, wenn man ‚einfach mal das Handy ausmacht‘. Und das zweite Problem: Es geht nicht weg, wenn man wegguckt. Im Zweifel kann es sogar gefährlich werden, wenn man nicht mitbekommt, dass Leute einen Angriff ankündigen oder die Wohnadresse veröffentlichen.“
Der schlechte Ratschlag ist älter als die sozialen Netzwerke. Früher bekam man statt „Dann sei halt nicht bei Twitter / Facebook / Instagram“ zu hören: „Dann sei halt nicht im Internet.“ Der Ärger, den man sich dort einhandeln konnte, galt als nicht ganz echter, irgendwie lächerlicher Ärger. Internet-Ärger sprang auch noch nicht so leicht in andere Medien über, weil Geschehnisse im Internet kaum Nachrichtenwert hatten.
Deshalb ist es heute schwierig, zu rekonstruieren, ob im Internet der 90er alle noch nett zueinander waren. Meine Erinnerung sagt „haha, nein“. Aber in Printmedien taucht das Thema „Online-Mobbing“ oder „Cyber-Bullying“, wie es damals hieß, erst ab 2000 allmählich auf, und dann fast ausschließlich im Zusammenhang mit Schulen. Um 2005 kommt das Thema „Lehrkräfte werden im Internet gemobbt“ dazu. Das heißt nicht, dass Mobbing damals nur an Schulen und Universitäten betrieben wurde. Wahrscheinlich war dort nur – für die nicht selbst Betroffenen – am sichtbarsten, dass Hass im Internet Auswirkungen auch auf „das reale Leben“ hat, und das machte das Thema printmedienfähig.
Als dann allgemein bekannt war, dass Beleidigungen und Bedrohungen im Internet nicht nur Kinder, Jugendliche und deren Lehrkräfte betreffen, wurde noch einige Jahre lang die Anonymität als Ursache beschuldigt. An dieser Stelle hat sich Facebook wirklich verdient gemacht: Dank der Klarnamenpolitik von Facebook ist unübersehbar geworden, dass es denjenigen, die im Internet Hass verbreiten, gar nichts ausmacht, das unter ihrem eigenen Namen zu tun. Die Google-Mitarbeiterin Dana Fried hat 2021 bei Twitter eine Theorie vorgebracht, warum sich der Glaube an die Anonymität als Ursache so lange halten konnte: „Weiße Typen glauben gern, dass Anonymität das Problem mit Online-Räumen ist, weil Belästigung in Räumen, wo niemand Hautfarbe, Geschlecht etc. kennt, viel öfter gleichmäßig verteilt ist, und deshalb weiße Männer in diesen Räumen eher belästigt werden.“
In vielen Berufen ist es keine Option mehr, einfach das Handy auszuschalten
Manches ist also schon lange unverändert, anderes ist schwieriger geworden in den vergangenen Jahrzehnten: Das Internet hat Nachrichtenwert auch in den traditionellen Medien bekommen, die als Hass-Verstärker wirken. Und in vielen Berufen ist es keine Option mehr, einfach das Handy auszuschalten. Ganz normale Menschen brauchen Instagram, YouTube, Facebook, Twitter für ihre ganz normalen Tätigkeiten. Selbst wenn es nicht so wäre und nur TikTok-Influencerinnen, die Glitzersmoothies aus pürierten E-Scootern anpreisen, das Internet beruflich nutzten, wäre es immer noch falsch, bei Problemen „mach doch einfach mal das Handy aus“ zu sagen. Denn das Argument ist immer dasselbe: „Du machst neumodisches Zeug, das mir persönlich überflüssig erscheint. Wenn du dafür beschimpft wirst, geschieht es dir ein bisschen recht. Und wenn dich diese Beschimpfungen stören, solltest du das Gerät einfach ausschalten, denn es ist ja überflüssig. Schau mich an, ich brauche es nicht und bin auch zufrieden.“ Bis hierhin hat sich diese Kolumne an Menschen gewendet, die schon mal zu Internethass-Betroffenen „mach doch einfach mal das Handy aus“ gesagt oder sich das im Stillen gedacht haben. Aber jetzt kommt auch für die, die es bisher nicht getan haben, ein unangenehmer Punkt. Denn eines Tages wird ziemlich sicher eine Kommunikationsform erfunden, die jetzt aber wirklich absurd und überflüssig aussieht. Und wenn jemand auf diesem Weg beschimpft oder bedroht wird, müssen wir uns alle zusammenreißen und dürfen nicht „selber schuld, zieh doch einfach mal deine Connect-Socken aus“ sagen. Denn der Vorschlag wird dann noch genauso falsch sein wie heute oder vor dreißig Jahren". (Kathrin Passig)
"Wie Belästigungen und Drohungen im Internet am besten begegnen"
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01.02.2022 12:33
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Nachhaltigkeit ist oft für die Show und PR - eine nachhaltige Nachhaltigkeit fehlt den Unternehmen überwiegend
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Nur jedes vierte Unternehmen hat klar kommunizierte Nachhaltigkeitsstrategie, obwohl sich Arbeitnehmer und Vorstände in der Bewertung der Dringlichkeit einig sind
? Lediglich 15% der Vorstände setzen für zusätzliche Wertschöpfung auf Nachhaltigkeit
? Deutscher Führungsnachwuchs hat weniger Erfahrung bei Nachhaltigkeitsthemen als internationale Konkurrenz
Der Klimawandel bleibt vielfach noch ohne echte Konsequenz für die Geschäftsmodelle deutscher Unternehmen: Trotz Pandemie und jüngster Umweltkatastrophen sieht der überwiegende Teil der deutschen Vorstände und Führungskräfte Nachhaltigkeit immer noch vorrangig als Reputationsrisiko an, das es zu managen gilt, nicht aber als Hebel zur Wertschöpfung, der Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnet, profitabel zu wachsen. Das geht aus einer internationalen Umfrage der Personalberatung Russell Reynolds Associates hervor.
46% der befragten deutschen Vorstände geben an, dass Nachhaltigkeitsmaßnahmen aus Marketingerwägungen getroffen werden. Damit ist das Ziel verbunden, als gesellschaftlich verantwortlich angesehen zu werden und sich über ein Nachhaltigkeitsimage vom Wettbewerb abzusetzen. Nur 15% sagen, dass zusätzliche Wertschöpfung die treibende Kraft ihrer Nachhaltigkeitsstrategie ist.
Die Studie belegt, dass lediglich jeder vierte befragte Vorstand in Deutschland selbst der Auffassung ist, dass sein Unternehmen über eine Nachhaltigkeitsstrategie verfügt, die klar kommuniziert und umgesetzt wird. Und weniger als jeder Dritte (31%) ist der Meinung, dass sich ihr CEO persönlich für die Förderung der Nachhaltigkeit einsetzt.
Im internationalen Vergleich fällt zudem auf, dass in Deutschland gerade jüngere Führungskräfte vergleichsweise wenig mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt sind. So hatten in den vergangenen drei Jahren nur 26% der deutschen Nachwuchsführungskräfte drei oder mehr Aufgaben mit Nachhaltigkeitsbezug – gegenüber 40% ihrer Altersgruppe im weltweiten Vergleich.
„Fast alle Führungskräfte, mit denen wir sprachen, wollen zum Aufbau einer besseren Welt beitragen. Doch während sie sich verpflichten, ihre Betriebe und Produkte umweltfreundlicher zu machen, wissen viele nicht, wie sie ihren guten Willen in konkrete und nicht nur für das Image wirksame Maßnahmen umsetzen sollen,” sagt Max von der Planitz, Berater bei Russell Reynolds Associates. „Den Umbau zu nachhaltigem Wirtschaften, das lässt sich aus unserer Studie ableiten, sehen gerade Führungskräfte in Deutschland als eine der größten Aufgaben der nächsten zehn Jahre, auf die sich aber viele nicht ausreichend vorbereitet fühlen. Schliesslich muss für diesen Umbau häufig nicht weniger als ein neues Geschäftsmodell entwickelt werden - mit dem entsprechenden Risiko.“
Dabei stimmen Management und Arbeitnehmer in Deutschland laut der Studie im Vergleich zum Ausland auffällig stark darin überein, dass Klimawandel und Umweltzerstörung die größten Bedrohungen für die Gesellschaft darstellen. Einigkeit herrscht auch in der Einschätzung, dass Pandemie und Fachkräftemangel die wichtigsten den Arbeitsplatz betreffenden Themen sind.
„Es erscheint auf den ersten Blick paradox: In den elf von uns untersuchten Märkten sind sich deutsche Arbeitnehmer und Vorstände am ehesten einig über die kritischen Themen, was eigentlich die Anpassung der Geschäftsmodelle erleichtern sollte“, sagt Max von der Planitz. „Das Geschäftsmodell Nachhaltigkeit ist heute unumgänglich. Wer Nachhaltigkeit mit guter Begründung zum Topthema macht, setzt auf Themen, die deutschen Belegschaften, aber auch zunehmend den Investoren am Herzen liegen.“
Für die Studie hatte die Personalberatung 9.500 Vorstände, Nachwuchsführungskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in elf Ländern (Kanada, USA, UK, Frankreich, Spanien, Deutschland, Australien, China, Brasilien, Indien und Mexiko) befragt und auf diese Weise ermittelt, welche Einschätzungen zur Bedeutung, zum Reifegrad und der Umsetzungsfähigkeit von Nachhaltigkeitsstrategien vorherrschen. In Deutschland wurden 658 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Nachwuchsführungskräfte sowie 89 Vorstände befragt.
"Die Studie zum Runterladen"
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