Blog nach Monat: Juli 2024

29.07.2024 14:42
Digitale Ausgrenzung schafft strukturelle Unfairness
Termine beim Bürgeramt bekommt man nur über das Internet. Wer eine Überweisung tätigen will, kann den Papierträger kaum noch irgendwo abgeben. Vieles ist heutzutage digital. Folge: Viele alte Menschen fühlen sich ausgegrenzt. Denn längst nicht alle von ihnen sind mitgekommen in die digitale Zeit.

So wirkt sich die Digitalisierung, die ältere und andere Menschen nicht berücksichtigt, auf Unfairness hinaus. Strukturelle Unfairness ist das, die sich neu etabliert.

Wie der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest schon 2021 herausfand, hatten damals von den Senior:innen ab 80 Jahren 55 Prozent Internet und 41 Prozent ein Smartphone. Der Sozialverband VdK Hessen-Thüringen forderte daher jüngst, überall analoge Wege offenzuhalten – ob bei Bankgeschäften, Arztterminen, Bahntickets oder Behördengängen. Gerade, wenn man sparen müsse, seien die Hürden oft hoch, ergänzt VdK-Sprecher Philipp Stielow: Die günstigsten Bahnfahrten gibt es online, Rabatte bei Discountern manchmal nur mit App.

Die Vorsitzende des VdK Frankfurt, Hannelore Schüssler, betont: Vielen Älteren fehle das Geld, sich einen Computerkurs zu leisten. „Es fehlen ehrenamtliche Angebote“, sagt Schüssler. Margit Grohmann vom Seniorenbeirat der Stadt berichtet: „Wir haben eine Digitalisierungsinitiative an die Fraktionen geschickt, in der digitale Schulungen für Senioren gefordert werden.“ Es gebe aber auch ein Recht auf ein analoges Leben, niemand solle gezwungen werden, online zu gehen. Auf www.frankfurter-plattform-55plus.de werden zehn digitale Schulungen in den kommenden Monaten aufgelistet. Voraussetzung ist, dass man im Internet ist. „Das ist doch sinnig“, sagt die Vorsitzende des Frankfurter Seniorenbeirats, Renate Sterzel. Der Seniorenbeirat fordert Schulungen flächendeckend. „Es müsste sie in jedem Stadtteil geben“, sagt Margit Grohmann.

Denn sehr mobil seien die älteren Menschen nicht. Der gemeinsame Appell von Sterzel, Grohmann und Schüssler: Ehrenamtliche Studierende oder Schüler:innen, die der älteren Generation einmal in der Woche eine Schulung anbieten könnten, mögen sich beim VdK Frankfurt melden.

Schulungen sind nur die eine Seite der Medaille, die andere ist das Recht auf Teilhabe. Margit Grohmann: „In unserer Resolution geht es auch um Daseinsvorsorge, um die Pflicht der Kommune. Sie müsste immer auch analoge Angebote machen.“ Sterzel berichtet, dass es in Bürgerämtern wenigstens einen Tag pro Woche gebe, in dem man ohne (digitalen) Termin kommen könne. Aber das sei die Ausnahme. Es werde immer mehr digitalisiert. Das verlangt von den Senioren die Fähigkeit dazuzulernen und beträchtliche finanzielle Mittel. Schließlich müssen das Smartphone erworben und ein Vertrag mit einem Anbieter geschlossen werden. Dann muss man die Bedienung lernen – und zum Schluss auch ins Internet gelangen.

„Das ist in Altersheimen beispielsweise nicht einfach, denn viele haben noch kein W-Lan“, klagt Renate Sterzel. Dafür gebe es inzwischen die Möglichkeit, digitale Angelegenheiten auch vor Ort in Bürgerämtern, Stadtteilbüchereien etc. zu erledigen, wenn man kein eigenes Gerät hat. Man könne dort auch Theaterkarten etc. ausdrucken. Langfristig, glaubt Sterzel, führe an der Digitalisierung auch für Senior:innen kein Weg vorbei.

22.07.2024 08:41
Verdacht auf Etikettenschwindel bei Palmöl - Greenwashing in großem Stil
Bauernverband prangert Betrug mit Biodiesel an
Mutmaßlicher Betrug bei Biodiesel empört den Bauernverband. Der Lobbyverband kritisiert Importe aus ökologisch fragwürdigen Quellen nach Deutschland – während heimische Landwirte auf ihrer Ware sitzen bleiben.

Der Deutsche Bauernverband klagt über betrügerische Geschäfte bei Biodiesel-Importen aus China. »Wir erleben, wie der deutsche Markt mit angeblich fortschrittlichem Biodiesel auf Basis von Altfetten aus China überschwemmt wird, der aber offensichtlich aus umetikettiertem Palmöl stammt«, sagte der Generalsekretär des Verbands, Bernhard Krüsken, der »Augsburger Allgemeinen «. Wenn die Politik in Brüssel und Berlin nichts dagegen unternehme, »ist das ein Skandal«.

Mineralölkonzerne könnten die kaum kontrollierten Zertifikate der fragwürdigen Importkraftstoffe in ihrer CO2-Bilanz anrechnen, ergänzte Krüsken. Sie kauften entsprechend weniger heimisches Rapsöl oder Bioethanol zur vorgeschriebenen Beimischung in Diesel und Benzin. Die Vorwürfe fallen in eine Zeit, in der bei vielen Bauern noch großer Unmut über die zu Jahresbeginn beschlossenen Einschnitte beim subventionierten Agrardiesel herrscht.

Millionenschaden befürchtet

Der Schaden durch den mutmaßlichen Etikettenschwindel sei nicht genau zu beziffern, sagte Krüsken. »Doch man kann für die deutschen Landwirte von einem mehrstelligen Millionenbetrag ausgehen.« Dazu komme der allgemeine Schaden für die Klimapolitik und das Vertrauen in die Zertifizierung in Drittländern. Die meisten Ölpalmen wachsen in riesigen Plantagen in Malaysia und Indonesien.

Der mutmaßliche Betrug liege »seit mehr als anderthalb Jahren mehr oder weniger offen auf dem Tisch«, sagte der Verbandsvertreter. Doch trotz Bitten der einheimischen Erzeuger sehe das Bundesumweltministerium offensichtlich keinen dringenden Handlungsbedarf. Das von der EU aufgelegte Zertifikate-System für im Ausland erzeugten Biokraftstoff lade zu Betrug und Missbrauch ein, wenn das beauftragte Unternehmen nicht in der Lage sei, die Einhaltung der Standards zu kontrollieren und zu überwachen.

Umweltministerin Lemke verkündet Stopp von Klimaprojekten in China

In den vergangenen Wochen hatte eine Affäre um mutmaßlichen Betrug bei Klimaschutzprojekten in China für Aufsehen gesorgt. Hintergrund ist, dass sich deutsche Konzerne möglicherweise einen Klimaschutzbeitrag anrechnen ließen, den es nie gegeben hat – weil einige Projekte in China wohl nicht existiert haben. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sprach von einem »Betrugsgeflecht« und »schwerer Umweltkriminalität«.

Insgesamt geht es laut Lemke um 40 von 69 Projekten in China, die derzeit unter Betrugsverdacht stünden. Ermöglicht wurde der Betrug durch einen Mechanismus, der es Mineralölkonzernen in Deutschland erlaubt, mithilfe von Klimaschutzprojekten in China gesetzlich vorgegebene Klimaziele zu erreichen.

apr/dpa

15.07.2024 09:50
Cyberstalking - erkennen und verhindern
Stalker können tief in das digitale Leben ihrer Opfer eindringen. Was beim Verdacht auf Cyberstalking zu tun ist und wie man sich am besten vor Übergriffen schützt, erklärt SPIEGEL-Redakteur Patrick Beuth.

"18 Minuten-Video über Cyberstalking"


03.07.2024 09:00
Jugendlich finden die deutsche Gesellschaft ungerecht
Diese Studie lässt aufhorchen. Kinder und Jugendliche sehe unsere Gesellschaft stark von Unfairness und Ungerechtigkeit geprägt.

„Ist Deutschland gerecht?“, „Ist die Welt gerecht?“, „Was bedeutet eine gerechte Gesellschaft?“ Diese und weitere Fragen wurden im Rahmen der Sozialstudie 2023/24 zum Thema Gerechtigkeit, die im Auftrag der Bepanthen-Kinderförderung von der Universität Bielefeld durchgeführt wurde, von Kindern und Jugendlichen beantwortet. Die Teilnahme von insgesamt 1.230 Kindern (6 bis 11 Jahre) und Jugendlichen (12 bis 16 Jahre) ermöglicht ein repräsentatives Stimmungsbild.

Wenn schon junge Menschen in großer Zahl die Gesellschaft als ungerecht und unfair empfinden, gibt es drei Möglichkeiten: Sie nehmen es schicksalsergeben hin oder sie übernehmen die Wahrnehmung für eigene unfaires Verhalten oer sie treten dem entgegen durch eigene fairnes Verhalten und Handeln trotz Widerständen. Wer wird ihnen beistehen, ein Vorbild sein und mit Knowhow für Fairness ausstatten?

„Machtlos und unzufrieden“: Über 75 Prozent der befragten Jugendlichen glauben, keinen Einfluss auf die Politik zu haben.
Jeder zweite Jugendliche zweifelt am Engagement der Politik, Probleme überhaupt lösen zu wollen.

"Von wegen Generation Ego“: Jugendliche sorgen sich besonders um die Älteren

Studie offenbart große Unterschiede, wie Kinder aus unterschiedlichen sozialen Milieus Gerechtigkeit in Deutschland wahrnehmen. Der sozioökonomische Status (SOES) der Eltern spielt hier eine maßgebliche Rolle

Jugendliche fühlen sich machtlos und unbeachtet

Ein zentrales Ergebnis der Befragung ist, dass die deutliche Mehrheit der Jugendlichen (78 Prozent) erlebt – trotz des Aufkommens von Bewegungen wie „Fridays for Future“ – keinen Einfluss darauf zu haben, was die Regierung macht. 72 Prozent der Jugendlichen sind davon überzeugt, dass sich Politikerinnen und Politiker in Deutschland nicht viel darum kümmern, was Jugendliche denken. Mehr als die Hälfte (57 Prozent) spricht ihnen sogar das Bemühen ab, die wichtigsten Probleme unserer Gesellschaft lösen zu wollen.

„Besonders überraschend ist, dass die Kinder und Jugendlichen ein differenziertes Bild davon haben, wie eine gerechte Gesellschaft aussieht, diese Komponenten in ihrer Lebensrealität aber gar nicht unbedingt wahrnehmen“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Holger Ziegler von der Universität Bielefeld, und fügt hinzu: „Obwohl sie sich von der Gesellschaft und der Politik nicht genug gesehen fühlen, machen sie sich trotzdem auch Sorgen um andere Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel Rentnerinnen und Rentner.“

Die vorliegende Studie zeigt, 65 Prozent der Jugendlichen empfinden, dass für Rentnerinnen und Rentner zu wenig getan wird. „Die Vorurteile gegenüber der jungen Generation, diese „würde sich nur für sich selbst interessieren“ können in unserer Studie keinesfalls bestätigt werden“, so Prof. Dr. Ziegler.

Prof. Dr. Ziegler erklärt, dass die wichtigsten Ergebnisse mit folgenden Themen in Verbindung stehen: Förderung von Bildung, Inklusion, Herstellung von Chancengleichheit, Hilfe und Unterstützung für Alte und Arme. „Erschreckend ist, dass die Jugendlichen diese Aspekte in der Praxis wenig abgebildet sehen. In ihrer Wahrnehmung sind sie von der Politik ungesehen und ungehört“, so Ziegler, Professor für Soziale Arbeit".

"Zur Studie"

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