Blog nach Monat: Juni 2020

09.06.2020 10:06
Deutlicher Anstieg der Anfragen zu rassistischer Diskriminierung
Die Zahl der bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gemeldeten Diskriminierungsfälle ist erneut gestiegen. Das gilt insbesondere für rassistische Diskriminierung. Dies geht aus dem Jahresbericht 2019 hervor, den die Antidiskriminierungsstelle am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.

Die Zahl der Beratungsanfragen zu Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft bzw. rassistischen Zuschreibungen stieg 2019 um knapp zehn Prozent auf 1176 Fälle oder 33 % aller Anfragen bei der unabhängigen Antidiskriminierungsstelle. Noch 2016 lag ihr Anteil bei nur 25 %. Insgesamt hat die Stelle im vergangenen Jahr in 3580 Fällen rechtliche Auskunft erteilt, Stellungnahmen eingeholt oder gütliche Einigungen vermittelt. Die Gesamtzahl der Beratungsanfragen ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 Prozent gestiegen (2018: 3455 Fälle).

Neben der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verteilen sich die Anfragen auf die anderen im Allgemeinen Gleichbehandlungs-gesetz (AGG) geschützten Diskriminierungsmerkmale wie folgt: Zu Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts gingen 29 % der Beschwerden ein. Es folgen Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung (26 %), des Lebensalters (12 %), der Religion (7 %), der sexuellen Identität (4 %) und der Weltanschauung (2 %). Der größte Anteil der berichteten Diskriminierungen geschieht im Arbeitsleben: 36 % der Anfragen bezogen sich 2019 auf Benachteiligungen im Beruf oder bei der Jobsuche. Am zweithäufigsten (26 %) ging es um Diskriminierung bei Alltagsgeschäften, also bei der Wohnungssuche, beim Einkauf, in der Gastronomie oder bei Versicherungs- und Bankgeschäften. Darüber hinaus gingen zahlreiche Anfragen zu Lebensbereichen ein, in denen das AGG nicht greift; dazu zählt auch staatliches Handeln.

„Deutschland hat ein anhaltendes Problem mit rassistischer Diskriminierung und unterstützt Betroffene nicht konsequent genug bei der Rechtsdurchsetzung“", sagte der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle, Bernhard Franke, bei der Vorstellung des Berichts. „Das Gefühl, mit einer Ungerechtigkeit alleine gelassen zu werden, hat auf Dauer fatale Folgen, die auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden. Diskriminierung zermürbt."

Die Antidiskriminierungsstelle fordert den Gesetzgeber in Bund und Ländern deshalb auf, die Rechtsstellung und die Hilfsangebote für Betroffene deutlich zu verbessern. Dabei geht es zum einen um eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und zum anderen um konsequenteres Vorgehen gegen Diskriminierung von Seiten der Länder. "„Eine AGG-Reform gehört dringend mit auf die Tagesordnung des Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus. Nötig sind längere Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen, ein Auskunfts- und Klagerecht der Antidiskriminierungsstelle und ein Verbandsklagerecht. Denn wir werden gegen rassistischen Hass in seiner extremsten Form nicht erfolgreich vorgehen können, wenn wir die Diskriminierung im Alltag als nachrangig behandeln“", sagte Franke.

Auch der Schutz vor Diskriminierung bei staatlichem Handeln müsse eindeutiger gefasst und mit klaren Rechtsfolgen versehen werden. Hier seien vor allem die Länder gefragt.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sieht vor diesem Hintergrund in dem kürzlich in Berlin verabschiedeten Landesantidiskriminierungsgesetz, dem ersten seiner Art in der Bundesrepublik, einen wichtigen Schritt, der Betroffenen unter anderem auch bei Diskriminierung durch Polizeibeamte oder im Bildungsbereich Beschwerdewege und Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche eröffnet. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes spricht sich zudem für den Aufbau von Landes-Antidiskriminierungsstellen in allen Bundesländern aus. Bisher ist das nur in acht von 16 Ländern geschehen. Erst in diesem Frühjahr habe der Europarat Deutschland aufgefordert, ein stimmigeres System zur Unterstützung Betroffener zu schaffen. "„Die Stärkung des rechtlichen Diskriminierungsschutzes darf auch und gerade in der Krise nicht auf bessere Zeiten vertagt werden“", sagte Franke.

Seit dem Jahr 2019 veröffentlicht die Antidiskriminierungsstelle des Bundes Jahresberichte über ihre Tätigkeit. Diese ergänzen den umfassenden Bericht an den Bundestag , den die Stelle einmal in der Legislaturperiode gemeinsam mit den Beauftragten für Menschen mit Behinderungen und für Migration, Integration und Flüchtlinge sowie anderen zuständigen Beauftragten dem Parlament übermittelt.

"Download des Jahresberichts 2019"

"Die Beratungsstelle des Bundes teilweise mit vor Ort Beratung"

02.06.2020 10:41
700 Klimaaktivisten aus 27-EU-Staaten fordern Konsequenz für mehr Fairness im Klimawandel
Aufruf von mehr als 700 Jugendklimaaktivistinnen und -aktivisten, Forschenden, Gewerkschaftern, Ökonomen, und vielen mehr aus allen 27 EU-Mitgliedsstaaten. Er erscheint zeitgleich in mehreren großen europäischen Tageszeitungen:

„Damit wir den Kampf um das Klima gewinnen können, fordern wir die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und die Staats- und Regierungschefs der EU auf, den klimatischen Ausnahmezustand anzuerkennen und glaubwürdige Lösungen zur Finanzierung eines echten Green Deal zu benennen. Diese Lösungen sollen ein Hauptpfeiler des von der Europäische Kommission angekündigten Konjunkturprogramms werden. Zu diesem Zweck schlagen wir drei Punkte vor, die unserer Meinung nach konsensfähig sind:

1. Um unseren Verbrauch an fossilen Brennstoffen drastisch zu reduzieren, beenden Sie alle Subventionen und Investitionen in fossile Brennstoffe. Das europäische Klimagesetz muss verhindern, dass EU-Staaten weiter fossile Brennstoffe subventionieren dürfen. Es muss auch garantieren, dass alle (privaten und öffentlichen) Banken und Versicherungen in der EU transparent über ihre Aktivitäten berichten und schrittweise die Investitionen in fossile Brennstoffe beenden. Im Jahr 2010 schloss das FATCA-Gesetz unter dem US-Präsidenten Barack Obama Banken, die den US-Steuerbehörden keine vollständige Transparenz gewährten, vom US-Markt aus. Ein ähnliches Gesetz brauchen wir zur Bekämpfung des Klimawandels, das den EU-Markt den Banken und Versicherungsunternehmen vorbehält, die ihre Investitionen so umschichten, dass sie die Klimakrise nicht verschärfen.

2. Die Europäische Zentralbank hat seit 2015 2,6 Billionen Euro in den Umlauf gebracht. Nur elf Prozent dieser kolossalen Summe sind in die Realwirtschaft geflossen, während der Großteil für Spekulationen verwendet wurde. Im Jahr 2020 wird die EZB neben den Hunderten von Milliarden, die sie zur Bewältigung der COVID-19-Krise zur Verfügung stellen wird, weitere 240 Milliarden in den Markt pumpen. Es ist wichtig, dass dieses Geld in Klima und Arbeitsplätze investiert wird. Diese Milliarden müssen eine Klima- und Biodiversitätsbank speisen, die jedem Mitgliedstaat zinslose Darlehen gewährt (bis zu zwei Prozent seines BIP pro Jahr über 30 Jahre, d.h. 300 Milliarden Euro).

3. Wenn jede Familie, jedes kleine Unternehmen und jede Region eine komplette Umstellung auf Klimaneutralität finanzieren soll, genügen zinslose Darlehen nicht, da die Rückzahlung begrenzt oder ungewiss ist. Um einen Katalysatoreffekt zu erzielen, müssen die Darlehen durch öffentliche Subventionen ergänzt werden. Der durchschnittliche Körperschaftssteuersatz in Europa ist in vierzig Jahren stark gesunken (von 45 auf 19 Prozent). Eine europäische Gewinnsteuer von fünf Prozent für große Unternehmen (abhängig vom CO2-Fußabdruck) würde zusammen mit anderen Eigenmitteln 100 Milliarden Euro pro Jahr für ein echtes EU-Budget für die Klima und Biodiversität einbringen. Diese zusätzlichen 100 Milliarden würden es uns ermöglichen, die Schwelle von 50 Prozent des europäischen Haushalts für Klimaschutz zu überschreiten und sowohl den öffentlichen als auch den privaten klimafreundlichen Wandel zu unterstützen.

Diese drei Lösungen würden genügend Geld bereitstellen, um einen sozial ausgewogenen Strukturwandel zu finanzieren. Sie würden es ermöglichen, durch den Green Deal der EU mehr als fünf Millionen Arbeitsplätze zu schaffen, das Leben von Millionen von Familien zu verbessern und Investitionen in die emissionsfreie Wirtschaft anzukurbeln.
Die Europäische Union wurde mit Kohle und Stahl geprägt. Sie kann mit einem europäischen Pakt für Klima und Arbeitsplätze neu ausgerichtet werden“.

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