Blog nach Monat: September 2017

29.09.2017 11:30
Multimillionär verlangt mehr Fairness im Steuersystem zu seinen Lasten
Ein Multimillionär packt aus und greift das deutsche Steuersystem massiv an. Da würde man normalerweise denken: er will weniger Steuern zahlen und findet das Steuersystem ihm gegenüber unfair. Doch das Gegenteil ist der Fall. Wie am 20. September 2017 um 22:45 Uhr ein Interview im Stern TV mit ihm beweist.

Stern TV schreibe dazu: „Man kann Josef Rick getrost als superreich bezeichnen. Der Unternehmer aus Ratingen ist Multimillionär. Dass er vom Staat kaum belangt wird, sei ihm unklar, so der 61-Jährige. Ginge es nach ihm, würde er wesentlich mehr Steuern zahlen, Geringverdiener dafür gar keine.

"Ja!", sagt Josef Rick. "Wo kann man schon 95 Prozent seines Einkommens steuerfrei vereinnahmen?" Unternehmer, wie er, und andere Reiche zahlten hierzulande kaum Steuern - ganz legal. "Meine These ist: Einkommensmillionäre können ihren Steuersatz in Deutschland weitgehend selbst bestimmen", so Josef Rick, der jährlich mehr als eine Million Euro verdient und mindestens 30 Millionen auf der hohen Kante hat. Er gilt damit als "Superreicher".

Für stern TV hat Josef Rick seine Bücher einen Spalt geöffnet und erklärt, mit welchen völlig legalen Geschäften er auf seine geringen Steuersätze kommt. Als Geschäftsführer und Anteilseigner der Schäper + Rick GmbH baut, verwaltet und vermietet er Immobilien – vom Einfamilienhaus bis zum Hotel. Zu der Holding gehören zahlreiche Tochterfirmen, die je nach Bedarf gegründet, geschlossen oder mit Gewinn wieder verkauft werden. "Wenn ein Unternehmen ein anderes Unternehmen veräußert, ist der Gewinn daraus zu 95 Prozent steuerfrei." Darüber hinaus ermögliche es die vermögensverwaltende GmbH beispielsweise, auf Einkünfte aus weiteren Immobilienbesitzen und Vermietungen nur eine Körperschaftssteuer abzuführen. Nicht aber eine Gewerbesteuer, die andere Unternehmer wie Bäcker, Klempner oder Kaffeehäuser hingegen abführen müssten. Alle diese Möglichkeiten bedeuten für Josef Rick unterm Strich persönlich: "Ich bezahle in den letzten Jahren in Summe etwa 30 Prozent Steuern. Aber ich habe kein gutes Gefühl dabei. Es kann doch nicht sein, dass diejenigen, die ihr Einkommen - quasi leistungslos - aus Vermögen beziehen, sich den Vorgaben des Staates entziehen können."

Obwohl der 61-Jährige von diesem Privileg der Wohlhabenden profitiert, kritisiert er das deutsche Steuersystem. Die von der SPD geforderte Erhöhung des Spitzensteuersatzes gehe seiner Meinung nach an der Wirklichkeit vorbei. Rick glaubt, dass die Wohlhabenden bei einer besser durchdachten Besteuerung sogar das gesamte Steueraufkommen Deutschlands schultern könnten: "Man könnte die berühmte Krankenschwester, den Busfahrer, Feuerwehrleute, Paketdienstfahrer und Polizisten – also alle die, die durch Sozialbeiträge und Steuern erheblich belastet werden – weitgehend ganz von der Einkommenssteuer befreien. Indem man ein faires Besteuerungssystem für die Wohlhabenden entwickeln würde – mit vernünftigen Steuersätzen und einer breiten Bemessungsgrundlage. Das wäre mein Standpunkt: eine Frage der Ausgewogenheit und der Fairness."

So könnte sich der Steuersatz für Einkommensmillionäre wie ihn auf bis zu 45 Prozent belaufen, findet Rick. Voraussetzung sei, dass erst einmal alle Einnahmen und Einkommen zur Besteuerung erfasst werden müssten, steuerfreie oder minimal belastete Einkommen dürfe es für Wohlhabende wie ihn nicht mehr geben. Auch das Umsatzsteuer-Karussell großer Unternehmen koste den Staat Steuereinnahmen in Millionenhöhe. "Man kann das beeinflussen. Und ich finde, es ist allerhöchste Zeit, dass wir das tun. Denn die Leistungsträger, die unsere Gesellschaft zusammenhalten, die müssen entlastet werden, damit Leistung noch Spaß macht und damit man von dem, was man erarbeitet hat, einen halbwegs fairen Anteil für sein Privatleben übrig hat."

Eine Frage der Ausgewogenheit und der Fairness. Da hat die eventuell neue Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grüne zu tun, ein solches Steuersystem hinzubekommen. Es würde ihr zur Ehre gereichen und einen klaren Kontrapunkt setzen zu Donald Trumps Steuerreform- und Steuersenkungsprogramm für die Reichen in den USA. Ein faires, transparentes und einfaches Steuersystem propagiert die FDP schon seit Jahrzehnten. Darauf können sich CDU/CSU und Grüne mit ihnen sicher einigen. Wenn man zugrunde legt, was Multimillionäre Rick dazu sagt.

"Multimillionäre will mehr Steuern zahlen - Interview im Stern TV"

22.09.2017 17:01
Fairer Handel handelt unfair
Die Branche "Fairer Handel" und "Faire Trade" achtet auf gute Bedingungen in der Produktion, aber nicht beim Transport, sagt der Wirtschaftswissenschaftler und Journalist Hermannus Pfeiffer. Er zeigt den Zusammenhang zwischen fairem Handel und unfairen Transporten:

Zu den Fans des fairen Handels gehört auch Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller. »Als Verbraucherinnen und Verbraucher können Sie sich jeden Tag für eine gerechtere Welt einsetzen«: beim Kauf von fairer Schokolade im Supermarkt, beim Genuss von fairem Kaffee oder beim Einkauf in einem der 800 Weltläden, schreibt der CSU-Politiker in seinem Grußwort für die »Faire Woche«. Ab diesen Freitag wollen das Forum Fairer Handel, Transfair und der Weltladen-Dachverband zwei Wochen lang bundesweit auf etwa 2000 Veranstaltungen über ihre Anliegen informieren.

Aus fairen Produktionsbedingungen kann aber schnell »ein unfaires Produkt« werden, warnt die Gewerkschaft ver.di, »wenn die Transportbedingungen entlang der globalen Lieferkette nicht anständig sind«. Und das sei der Normalfall, sagt der Bundesfachgruppenleiter Maritime Wirtschaft, Torben Seebold.

Ob Kaffee oder Bananen - Bauern, Erntehelfer und Produktionsgenossenschaften erhalten im fairen Handel eine mehr oder weniger angemessene Bezahlung für ihre Arbeit. Doch wer ein Gütesiegel im »fairen Handel« erwirbt, ist entgegen der Bezeichnung üblicherweise nicht verpflichtet, eine entsprechend fair arbeitende Transportkette zu nutzen. Schon die Beförderung vor Ort ist häufig bestenfalls eine Blackbox, ebenso wie die Logistik im Empfängerland. So vertrauen sich faire Kaffeeröster in Deutschland und Österreich bei der Lagerung, Reinigung und Mischung der Rohware gerne dem weltweit führenden Kaffeedienstleister, der Hamburger Neumann Gruppe NKG, an.

Den größten Teil der Strecke zwischen den Bauern im globalen Süden und den Konsumenten im Norden legen Rohstoffe, Halbfertig- und Fertigprodukte per Schiff zurück. Das ist preiswert und günstig. Aber was Schiffstransporte nur selten sind: fair! Zwar gibt es eine Art weltweiten Tarifvertrag zwischen Reedern und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf. Doch die Heuer der Seeleute ist dennoch knapp bemessen und die Arbeitsstandards sind niedrig. Außerdem fahren viele »Totenschiffe« auf den Weltmeeren, die sich um solche Normen überhaupt nicht scheren“. Hinzu kommt, dass die meisten Schiffe mit dreckigem Schweröl angetrieben werden, das gemischt mit Dieselöl als Kraftstoff für Großdieselmotoren dient. Die Nutzung von Schweröl als Betriebsstoff von Schiffsmotoren wird von Umweltverbänden wie dem NABU angeprangert. Die Kritik richtet sich gegen die Verklappung von Sludge und auch gegen den hohen Schadstoffausstoß im Normalbetrieb. Kritisiert werden der hohe Rußausstoß und der Schwefelanteil des Schweröls.

Pfeiffer weiter: „Die in London ansässige Gewerkschaft Nautilus International und ihre schwedische Partnerorganisation SEKO haben daher als Speerspitze der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) die Kampagne »Fairer Transport« gestartet. Alle Seeleute sollen wenigstens in den Genuss des ILO-Tarifvertrages kommen. Dem Fairtrade-Dachverband in London haben die Gewerkschaften vorgeschlagen, einen fairen Schiffstransport in ihre Bedingungen für die Vergabe von Fair-Trade-Siegeln aufzunehmen.

Faire Händler in Deutschland sind skeptisch. Die Missstände im Schiffstransport seien zwar ein heißes Thema. Aber man könne jene alleine nicht ändern. Die GEPA, der wohl größte europäische Importeur fair eingekaufter Lebensmittel und Handwerksprodukte, verschifft laut Firmenangaben lediglich rund 500 Container pro Jahr. »Unsere Einflussmöglichkeit ist schon deswegen sehr begrenzt«, sagt eine Sprecherin. Weiterhelfen, heißt es bei Fairtrade Deutschland, könnten nur veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen.

Solche Argumente greifen aus Sicht von Gewerkschafter Seebold zu kurz. Händler, die Container nach Europa verschiffen, können sich eine Reederei aussuchen. Und eine Unterscheidung in gute und schlechte Transporteure sei in der Praxis machbar.

So gilt Hapag-Lloyd unter Schifffahrtsexperten als »weißes Schaf«: Viele Frachter fahren unter teurer deutscher Flagge, es gibt einen Betriebsrat und die überwiegend philippinischen Seeleute werden qualifiziert. Seebold schlägt wie die ITF ein Siegel »Fairer Transport« vor. Dies sei ein Thema, das eigentlich jeden Verbraucher angeht - nicht allein in der Fairen Woche“.

Nicht fair gehandelte Ware zu kaufen ist allerdings keine wirklich Alternative, denn diese wird nicht nur unfair transportiert, sondern von fairen Produktions- und Arbeitsbedingungen kann da erst recht keine Rede sein.

"Wie und wo der faire Handel unfair wird"

"Ein Schiffsweg, der zu Unfairness führt

04.09.2017 14:25
Krasse Unfairness in Europa
Die rechten Parteien geben in Europa den Ton an, treiben die regierenden Parteien mit Provokationen vor sich her und zu unsolidarischem Handeln gegenüber den Flüchtlingen. So ist eine krasse Unfairness in Europa entstanden – wider jede Vernunft und jenseits der europäischen und internationalen Verpflichtungen. Denn keinem Land wird etwas abverlangt, was es nicht zu leisten im Stande ist. Aber es wird suggeriert, das Abendland gehe unter, wenn vor Gewalt, Krieg und Terror Flüchtende für eine gewisse Zeit nach Europa kommen dürfen.

Im Interview mit FR-Redakteur Victor Funk kritisiert die Politikerin Ska Keller die misslungene Umsiedlung Geflüchteter in der Europäischen Union.

Frau Keller, woran, meinen Sie, ist das Programm gescheitert, mehr Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufzunehmen?

Den Mitgliedsstaaten fehlt der politische Wille zur Solidarität. Sie lassen sich von rechtspopulistischen Ressentiments statt von europäischer Verantwortung leiten. Die allermeisten Mitgliedsstaaten handeln nach dem Motto „Sollen sich doch die anderen um die Flüchtlinge kümmern“. Sie machen Abschottung statt Solidarität zum Leitprinzip der europäischen Flüchtlingspolitik. Auch die Bundesregierung führt das Wort „Solidarität“ zwar gern im Munde, aber wenn es darum geht, Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufzunehmen, ist sie säumig. Sie erfüllt nicht einmal ein Drittel ihrer Verpflichtungen, obwohl die Aufnahmelager in Griechenland und Italien immer noch überfüllt sind, während sie in Deutschland mittlerweile leer stehen. Das ist ein untragbarer Zustand. Trotzdem ist das Umverteilungsprogramm ein wichtiger, wenn auch kleiner Schritt in die richtige Richtung. Damit ist das Dublin-System (die Verordnung, nach der Migranten, in dem EU-Land um Asyl ersuchen müssen, in dem sie zuerst ankommen, d. Red.) erstmals aufgeweicht und durch einen verbindlichen Umverteilungsmechanismus ergänzt worden.

Welche Möglichkeiten hätte die EU-Kommission, von EU-Mitgliedern die Einhaltung der Zusagen zu erzwingen?

Wir dürfen es den EU-Mitgliedsstaaten nicht durchgehen lassen, dass sie sich vor der gemeinsamen Verantwortung für Flüchtlinge in Europa drücken. Deshalb ist es richtig, dass die EU-Kommission klare Kante gegen Mitgliedsstaaten zeigt, die die Flüchtlingsumverteilung boykottieren. Sie muss die im Juni eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn, Polen und die Slowakei mit aller Konsequenz vorantreiben. Die allermeisten Mitgliedsstaaten handeln nach dem Motto „Sollen sich doch die anderen um die Flüchtlinge kümmern“.

Und wenn sie sich trotzdem weigern?

Wenn diese Mitgliedsstaaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen weiter blockieren, sollte die EU-Kommission über weitere Schritte nachdenken. Sie sollte ihnen die EU-Zuschüsse für die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern in deren Heimatländer streichen. Wer keine Flüchtlinge aufnehmen will, sollte auch keine EU-Unterstützung dafür bekommen, Leute wieder loszuwerden.

Hat das jetzige Umverteilungssystem eine Zukunft?

Wenn wir völlig überfüllte Flüchtlingslager und unhaltbare Zustände für Schutzsuchende in den südlichen Grenzstaaten der EU vermeiden wollen, brauchen wir in der EU einen funktionierenden Umverteilungsmechanismus. Griechenland und Italien können die Aufnahme von Asylsuchenden nicht alleine stemmen. Deshalb ist es wichtig, dass die jetzige Umverteilung so lange weiterläuft, bis wir ein permanentes solidarisches Verteilungssystem bekommen. Wir Grüne fordern seit langem, dass das Dublin-System abgeschafft und durch ein gerechtes Verteilungssystem ersetzt wird. Dabei müssen auch Anknüpfungspunkte von Asylsuchenden berücksichtigt werden. Flüchtlinge, die bereits die Sprache eines Mitgliedsstaates sprechen, dort Verwandte haben oder berufliche Anknüpfungspunkte, tun sich deutlich leichter mit der Integration“.

Schon einmal haben die Länder Europas und außereuropäische Länder versagt, als verfolgte Minderheiten vor Unterdrückung, Terror, Verfolgung und Vernichtung aus Deutschland fliehen wollten. Denn etliche europäische Mächte hatten sich mit der Gewalt der Nationalsozialisten gegen Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, kritische Wissenschaftler, Journalisten und Künstler gemein gemacht. Etwa 12 bis 14 Millionen Deutsche und deutschstämmige Angehörige verschiedener Staaten waren zwischen 1944/45 und 1950 von Flucht und Vertreibung betroffen. Nur in geringem Maße wurden sie in andere Staaten hineingelassen. Lässt sich aus solchem Schicksal nichts lernen?

"Ska Keller im Interview mit der Frankfurter Rundschau"

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