Blog nach Monat: November 2007

28.11.2007 14:28
Fairnessnorm-Verletzung bestrafen?
In einer Studie von Forschergruppen der Universitäten Ulm und Zürich unter der Leitung von Manfred Spitzer und Ernst Fehr wurde die Bereitschaft untersucht, eine Fairnessnorm einzuhalten. Dabei wurde beobachtet, was sich im Gehirn der Menschen abspielt, wenn sie eine soziale Norm verletzen, aber mit einer Strafe für dieses Verhalten rechnen mussten. Die Studie ergab, dass die Hirnregionen bei der Androhung einer Strafe aktiver wurden, die auch für die Unterdrückung egoistischer Impulse verantwortlich sind. Besonders aktiv waren diese Hirnregionen bei jenen Personen, die sich besonders unfair verhielten, wenn sie sich vor einer Strafe sicher fühlten, sich bei der Androhung einer Strafe aber eines Besseren besonnen.

Ernst Fehr kommentiert: „Menschen, die vor allem wegen der Strafandrohung die Fairnessnorm einhalten, müssen vermutlich ihre egoistischen Impulse stärker unterdrücken, was dann diese Region des Frontalhirns stärker aktiviert. Dieses Resultat erweitert und bestätigt frühere Befunde von uns, die zeigen, dass eher egoistische Entscheidungen gefällt werden, wenn diese Gehirnregion in ihrer Aktivität gehemmt wird.

Zum Hintergrund: Bestimmte soziale Normen wie Ehrlichkeit, Fairness und Kooperation sind unerlässlich für das Funktionieren einer menschlichen Gesellschaft. Die Einhaltung dieser Normen wird durch verschiedene Mechanismen gesichert. Zum einen sind die meisten Menschen bereit, sich nach bestimmten Regeln zu verhalten, wenn sich auch andere danach richten. Zum anderen gibt es aber auch Menschen, die sich nur an bestimmte Normen halten, da andernfalls Strafe droht. Wenn solche Menschen die allgemeingültigen Normen ungestraft verletzen könnten, könnte dies zur Folge haben, dass auch die freiwillige Bereitschaft der anderen Menschen zur Einhaltung der Normen zusammenbricht, da diese Bereitschaft darauf beruht, dass sich alle an die Normen halten. Es ist in diesem Zusammenhang von Interesse, dass sich die hier involvierten Hirnregionen erst im Erwachsenenalter vollständig entwickelt haben, was erklären könnte, warum sich gerade Jugendliche durch Strafen erstaunlich wenig abschrecken lassen.

Ergo: Strafen und abschrecken ist weniger effektiv und sinnvoll als positive Wertvermittlung und das praktische Vorleben von fairem Handeln.

23.11.2007 12:13
Kennen Sie das BOHICA-Syndrom?
Kennen Sie das BOHICA-Syndrom? Es ist ein Akronym für "Bend Over, Here It Comes Again" (Da kommt's schon wieder, geht in Deckung). Und meint, wenn sich Mitarbeiter in mental gebückter Haltung einem neuen Reorganisationsprozess oder Change Management entziehen. Unter dem Motto: Das ist die 3. Welle in 2 Jahren und werden wir auch überleben. Wie lange läuft der Vertrag vom Vorstand noch?

Restrukturierungen, Fusionen, Zukäufe, harte Strategiewechsel: da macht sich bei den Führungskräften und Mitarbeitern Changezynismus breit, der auch die wohlfeilen Formulierungen von Synergieeffekten, Neuausrichtung und optimierter Performance nur noch sarkastisch kommentiert.

Eine Studie der UNI Mainz hat festgestellt, dass Veränderungsprozessen ausgewichen und abwehrender Zynismus aufbaut wird, wenn
1. vorhergehende Veränderungen als nicht erfolgreich erlebt wurden,
2. der Grund für das Scheitern in Kompetenzmängeln oder zu geringem Engagement der Verantwortlichen gesehen wurde.

Entscheidend ist das Vertrauen, dass das Top-Management im Vorfeld einer Veränderung erworben hat und durch die Herangehensweise unter Beweis stellt. Wenn Veränderungen mit einer schicksalhaften Automatik einhergehen, dass Budgets verkleinert, Teams auseinander gerissen, Stellen abgebaut, Positionen neu ausgewürfelt und Leistungsanforderungen um ein Mehrfaches gesteigert werden, dann ist der Zynismus nicht aufzuhalten. Denn die Angst von Menschen vor Arbeits-, Ansehens-, Einkommens- und Zugehörigkeitsverlust ist stärker als alle Versprechen, die keiner prüfen kann. Daher ist Fairness der maßgebliche Faktor, der Vertrauen in das Spitzenführungsteam und Erfolg der Veränderung garantiert. Nur wird dafür meistens weder ausreichend Zeit noch Geld investiert. Was sehr kurzsichtig ist!

06.11.2007 13:11
Daten speichern und Privatheit opfern?
Datenvorratsspeicherung – das Wort hat das Zeug zum Unwort des Jahres. Gemeint ist die sechsmonatige Speicherung aller Verbindungsdaten der Nutzer im Tele- und Internetkommunikationsbereich für den Zugriff der staatlichen Sicherheitsbehörden auf richterlichen Beschluss hin.

Dagegen wehren sich inzwischen mehr als 7000 Datenschützer, Internetnutzer und Bürgerrechtler, die für heute 17 Uhr zu dezentralen Demonstrationen aufgerufen haben. Am 9.11.2007 entscheidet der Bundestag über die Gesetzesvorlage.

Der „Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung“ sieht „den faktischen Wegfall privater Kommunikation“ (FR 6.11.07). Anonyme Hotlines, Helplines, Mailberatungen und –briefkästen wären nicht mehr möglich bzw. nicht mehr komplett geschützt. Whistleblower, Hinweisgeber, Risikoboten wären im Zweifelsfall der Verfolgung durch Behörden ausgesetzt.

Seit 1928 können Sicherheitsbehörden bereits auf die Verbindungsdaten auf richterlichen Beschluss bei begründetem Verdacht zugreifen. Das muss reichen. Mehr ist des Guten zu viel.

Denn der Schutz einer freiheitlichen und offenen Gesellschaft vor ihren Feinden ist eine schwere Aufgabe, die jedoch nicht durch schrittweise Auflösung der freiheitlichen Gesellschaft erreicht werden kann. Auf diese Weise würde man den Feinden einer offenen Gesellschaft in die Falle gehen, die durch Freiheits-, Demokratie- und Offenheitsverluste die Unzufriedenheit der Bürger mit ihrem Gesellschaftssystem fördern möchten. Sicherheitsbedürfnisse lassen sich nicht einmal in einer unfreien Gesellschaft komplett abdecken. Privates, dem Zugriff des Staates entzogenes Leben, muss solange verdachtsfrei und unkontrolliert bleiben, bis es für einen Verdacht Gründe gibt. Das flächendeckende und totale Sammeln von Kontaktdaten gehört nicht dazu.
http://www.vorratsdatenspeicherung.de

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