Blog nach Kategorie: Kaufen & Haben

13.09.2023 10:52
„Fair. Und kein Grad mehr!“
„Fair. Und kein Grad mehr!“ – unter diesem Motto geht die Faire Woche am 15. September – pünktlich zum globalen Klimastreik in die nächste Runde. Gemeinsam rufen die Veranstalter dazu auf, sich dem weltweiten Protest anzuschließen und gemeinsam für Klimagerechtigkeit stark zu machen. Denn ein Blick auf die Extremwetterereignisse des Hitzesommers 2023 verdeutlicht: Der Klimawandel hat schon jetzt enorme Auswirkungen.

„Vor allem im Kaffeeanbau leiden die Menschen unter den Wetterextremen. Viele sind gezwungen, den Anbau aufzugeben oder auszuwandern, auf der Suche nach einem besseren Auskommen. Aber es gibt auch Hoffnung: Ich habe selbst gesehen, welchen Unterschied der Faire Handel für Produzentinnen und Produzenten machen kann“, sagt Maira Elizabeth López, Mitglied der Fairtrade-zertifizierten Kooperative Agraria Norandino aus Peru.

Bis zum 29. September informiert die Faire Woche mit mehr als 2.100 Veranstaltungen, wie der Faire Handel zu mehr Klimagerechtigkeit beiträgt. Organisiert wird die Aktionswoche vom Forum Fairer Handel in Kooperation mit dem Weltladen-Dachverband und Fairtrade Deutschland.

Im Zentrum der Fairen Woche 2023 steht die Forderung nach Klimagerechtigkeit.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze, Schirmherrin der Aktionswoche, erklärt dazu: „Die Auswirkungen des Klimawandels treffen die Länder des Globalen Südens mit besonderer Härte: So wie jüngst in Indien, wo extreme Monsunregen für Überflutungen und Erdrutsche sorgten oder in Ostafrika, wo die schlimmste Dürre seit 40 Jahren herrscht, Ernten zerstört und das Vieh sterben lässt. Doch anders als bei uns sind viele Menschen in unseren Partnerländern ganz auf sich gestellt, wenn sie solche Katastrophen treffen. Deshalb gehört für mich der Aufbau von sozialen Sicherungssystemen zu einer engagierten und ganzheitlichen Klimapolitik dazu. Dass wir in den Industrieländern unseren fairen Anteil an dieser Aufgabe tragen, ist für mich eine Frage der Gerechtigkeit.“

Fairer Handel ist Teil der Lösung

Der Faire Handel ist Teil der Lösung auf dem Weg zu mehr Klimagerechtigkeit weltweit. „Er macht Kleinbäuerinnen und -bauern widerstandsfähiger gegen die Folgen der Klimakrise und setzt sich für eine gerechte Klimapolitik, die Eindämmung des Klimawandels und zukunftsfähige Produktionsweisen ein“, fasst Andrea Fütterer, Vorstandsvorsitzende des Forum Fairer Handel, zusammen. „Sinkende Erträge infolge der Klimakrise bei gleichzeitig horrend steigenden Lebenshaltungs- und Produktionskosten machen vielen Kleinbäuerinnen und -bauern im Globalen Süden zu schaffen. Faire und verlässliche Handelspartnerschaften eröffnen Zukunftsperspektiven, die im konventionellen Handel immer mehr Menschen verweigert werden“, ergänzt Becki Möbius, Vorständin des Weltladen-Dachverbandes.

Klimagerechtigkeit braucht Handelsgerechtigkeit

„Handelsgerechtigkeit ist für uns die zentrale Grundlage, damit die Menschen am Beginn der Lieferkette dem Klimawandel trotzen können“, konstatiert Fütterer. Denn Anpassungsmaßnahmen – etwa resilientere Anbaupraktiken – und das dafür notwendige Know-how sind mit massiven Kosten verbunden. „Umso wichtiger ist es, dass das EU-Lieferkettengesetz alle Akteure in die Pflicht nimmt, kostendeckende Preise zu zahlen“, fordert Möbius. „Weltläden stehen schon seit 50 Jahren für ein Wirtschaften, bei dem der Mensch und die Natur im Mittelpunkt stehen und nicht der Profit für einige wenige.“ Zudem muss Deutschland seine gerichtlich eingeforderten Klimaverpflichtungen einhalten und internationalen Vereinbarungen zur Eindämmung der Klimakrise nachkommen. Dass die Bundesregierung mit der Bereitstellung von internationalen Klimahilfen in Höhe von rund 6,3 Milliarden Euro frühzeitig ihr für 2025 zugesagtes Ziel erreicht hat, ist ein positives Signal. In Zukunft gilt es, den Beitrag von 6 Milliarden Euro jährlich auszubauen. Aus Sicht der Fair-Handels-Bewegung müssen besonders kleinbäuerliche Kooperativen sowie kleine Handwerksbetriebe unbürokratischen Zugang zu finanziellen Fördermitteln erhalten.

Service
Den Veranstaltungskalender der Fairen Woche finden Sie unter www.faire-woche.de/kalender
Pressekontakte
Katrin Frank, Forum Fairer Handel e.V., Tel.: 030 - 28045259, [email protected]
Hannah Maidorn, Fairtrade Deutschland e.V., Tel.: 0221- 94 20 40 94, [email protected]
Christoph Albuschkat, Weltladen-Dachverband e.V., Tel.: 06131- 68 907-81, [email protected]

Faire Woche 2023: Von A wie Ausstellung bis Z wie Zukunftswerkstatt: Kennzeichnend für die größte Aktionswoche des Fairen Handels in Deutschland ist die große Vielfalt an Veranstaltungen. Es sind niedrigschwellige Mitmachangebote, die alle Menschen dazu einladen, den Fairen Handel kennenzulernen und mehr darüber zu erfahren. Veranstalter der Fairen Woche ist das Forum Fairer Handel e.V. in Kooperation mit Fairtrade Deutschland e.V. und dem Weltladen-Dachverband e.V. Die Faire Woche wird gefördert durch ENGAGEMENT GLOBAL mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, durch Brot für die Welt mit Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes sowie durch MISEREOR.

"Wer verkauft Faires fair?"

18.07.2023 12:04
Fairer Handel in Deutschland stabil und legt zu
Trotz inflationsbedingter Kaufzurückhaltung hat sich der Faire Handel in Deutschland im Geschäftsjahr 2022 positiv entwickelt.

"Erstmals hat der Gesamtumsatz mit Produkten aus Fairem Handel die zwei Milliarden Euro Schwelle überschritten", berichtet Matthias Fiedler, Geschäftsführer des Forum Fairer Handel (FFH) anlässlich der Jahrespressekonferenz des Verbands in Berlin. 2,18 Milliarden Euro gaben die Verbraucher*innen im vergangenen Jahr für fair gehandelte Lebensmittel, Textilien, Kosmetik, Blumen und Kunsthandwerk aus. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Umsatz um 11,5 Prozent gestiegen. "Trotz der hohen Inflation im vergangenen Jahr ist das eine solide Entwicklung", konstatiert Fiedler. Seit 2015 ist der Umsatz mit fair gehandelten Produkten um 70 Prozent gestiegen. Doch der Marktanteil von fairem Kaffee in Höhe von 5,6 Prozent zeigt, wieviel Luft nach oben bleibt.

Faire Lieferketten in Krisenzeiten wichtiger denn je

"Für unsere Handelspartner in Afrika, Asien und Lateinamerika sind faire Lieferketten wichtiger denn je", konstatiert Andrea Fütterer, Vorstandsvorsitzende des FFH. "Wo sinkende Erträge in Folge der Klimakrise auf horrend gestiegene Lebenshaltungskosten treffen, eröffnen faire und verlässliche Handelspartnerschaften Zukunftsperspektiven, die immer mehr Menschen verweigert werden", fasst Fütterer zusammen. Denn: Noch immer sind viele Erzeuger*innen gezwungen, Lebensmittel zu Dumpingpreisen an marktmächtige Konzerne zu verkaufen. Deswegen fordert das FFH im Rahmen der Initiative Faire Preise ein gesetzliches Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten.

Derweil duldet der gemeinsame Kampf gegen die Klimakrise keinen Aufschub und setzt die Produzent*innen weiter unter Druck. Das führt zu einem verstärkten Engagement der FFH-Mitgliedsorganisationen vor Ort: "Durch Investitionen in die Klimaresilienz ihrer Handelspartner oder die Diversifizierung von Produktion und Vermarktung arbeiten wir gemeinsam mit unseren Handelspartnern an einem zukunftsfähigen Wirtschaftsmodell, das den Menschen und die Natur in den Mittelpunkt stellt", erklärt Fütterer.

Krisenfest dank überzeugter Verbraucher*innen

Durchschnittlich 25,83 Euro gaben die Menschen in Deutschland pro Kopf für faire Lebensmittel, Textilien und Handwerksprodukte aus. 70 Prozent der Verbraucher*innen in Deutschland greifen bei ihrem Wocheneinkauf mindestens gelegentlich, häufig oder sogar immer gezielt zu fair gehandelten Produkten. Das ergab eine aktuelle repräsentative Befragung im Auftrag des FFH. Die Motive für den Kauf fairer Produkte sind vielfältig: Jedoch stehen für etwa ein Drittel der Befragten eine faire Entlohnung der Produzent*innen für ihre Produkte bzw. ihre Arbeit (33,7 Prozent) und der Verzicht auf Kinder- und Zwangsarbeit bei der Herstellung (31,7 Prozent) an vorderster Stelle.

"Fest steht: Was den Fairen Handel krisenfest macht, sind auch Verbraucher*innen, die nach Wert und nicht alleine nach dem Preis kaufen", fasst Matthias Fiedler zusammen. Das gilt insbesondere für die überzeugte Kundschaft in den über 900 Weltläden in Deutschland, die in diesem Jahr ihr fünfzigstes Jubiläum feiern. Ihnen verdanken die Weltläden und Fair-Handels-Unternehmen in Deutschland vornehmlich die stabile wirtschaftliche Entwicklung im Geschäftsjahr 2022.

Höchste Zeit für ein anderes Wirtschaftsmodell

"Doch die Verbraucher*innen allein können den notwendigen Wandel für mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit im Welthandel nicht bewerkstelligen“, erklärt Andrea Fütterer. Wir brauchen ein Wirtschaftsmodell, das Fairness und Nachhaltigkeit entlohnt und in dem die Prinzipien des Fairen Handels zum Standard werden.

Übernommen vom Portal https://www.forum-fairer-handel.de/

Wasser in den Wein: Über 95 % swe gehandelten Waren in Deutschland sind nicht fair produziert und gehandelt.

18.11.2022 10:05
Der Bio-Check: Sind Öko-Produkte wirklich besser und teurer?
Erkenntnisse aus dem Bio-Check am 17.11.22 bei Sat1:

"Bio-Produkte sind in allen Preisklassen und fast jedem Einzelhandel zu finden

Bio-Lebensmittel sind wegen der Herstellungsart oft teurer

Günstiger sind oftmals Bio-Eigenmarken. Auch da gibt es sehr gute Qualität. Siehe unten!

Bei den Bio-Siegeln ist das EU-Bio-Siegel das Mindestmaß, das Demeter-Siegel eines der strengsten (siehe unten).

Ob Discounter wie Aldi, Penny oder Lidl, Supermärkte wie Edeka oder Rewe oder spezialisierte Biogeschäfte wie Denns, Biocompany, Alnatura oder VollCorner: Überall kannst du inzwischen deinen Einkaufswagen mit Bioprodukten füllen. Der einzige Unterschied ist das Sortiment. Biomärkte und Supermärkte haben meist eine größere Bio-Warenauswahl – so kann man z.B. zwischen mehreren Bio-Apfelsäften wählen, wohingegen es vielleicht in einem Discounter nur eine Bio-Option geben könnte.

Ein Grund, warum es manche Produkte beim Discounter gar nicht oder nur in geringer Auswahl gibt, ist das Kaufverhalten der Kunden.

Dr. Julia Adou, Leiterin Corporate Responsibility Aldi Süd, gibt an, dass bei Aldi Süd vor allem frische Ware und unverarbeitete Produkte in Bioqualität angeboten werden. Der Grund: Diese Produkte haben eine höhere Nachfrage als stark verarbeitete Produkte.

Warum sind Bio-Lebensmittel teuer?

Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft erklärt, dass Bio-Lebensmittel oft teurer sind, weil die ökologische Herstellung von Erzeugung, Verarbeitung und Verteilung aufwendiger ist. In den Preisen sind auch die Preise für (diverse) Öko- und Biosiegel enthalten, deren Nutzung die Hersteller zahlen müssen. Da Bio-Lebensmittel und Bio-Produkte immer beliebter werden, gehen Expert:innen davon aus, dass sich die Preise künftig verringern – der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft ist anderer Meinung und vermutet, dass Bio wohl immer etwas teurer bleiben wird.

Wo bekomme ich günstige Bio-Produkte?

Überraschend ist es nicht: Im Discounter bekommst du Bio-Waren meist am günstigsten, im Mittelfeld befinden sich in der Regel die klassischen Supermärkte, Preisspitzenreiter sind oftmals die Biomärkte.

Um bei Bio-Produkten Geld zu sparen, helfen Eigenmarken. Diese halten sich mindestens, aber nicht ausschließlich, an die EU-Standards und können dadurch mit Bio-Markenprodukten mithalten.

Wie man jetzt beim Einkaufen sparen kann

Durch die derzeit herrschende Inflation sind Lebensmittelpreise grundsätzlich gestiegen. Das führt dazu, dass derzeit manche Bio-Produkte gleich viel kosten oder sogar günstiger sind als Waren ohne Bio-Siegel.
Die Bio-Lebensmittelpreise steigen langsamer an und viele Landwirte haben sich für eine Preisbremse ausgesprochen. "Biopreise verteuern sich aufgrund längerer Kontraktlaufzeiten derzeit langsamer als die konventionelle Ware", erklärt Peter Röhrig, Vorstand des Bio-Dachverbandes BÖLW in einem Interview.

Welche Bio-Siegel gibt es?

Es gibt über 100 Bio-Siegel und Labels in Deutschland. Und nicht jedes Wording, das auf Bio-Anbau schließen lässt, ist auch aussagekräftig. So sind zwar Wörter wie "ökologisch" oder "bio" geschützt, nicht aber "natürlich" oder "naturnah". Joghurt mit 100% natürlichen Zutaten muss nicht gleichzeitig ein Bio-Produkt sein.

Ein Dschungel an Angeboten also, bei denen Bio-Siegel helfen können, sich zu orientieren. Neben großen Siegeln gibt es auch einige regionale wie das Bio-Siegel Bayern. Die vier bekanntesten Bio-Siegel sind das EU-Bio-Siegel, Demeter, Naturland und Bioland.

Das EU-Bio-Siegel: Das EU-Bio-Siegel gibt es seit 2010, es gilt verpflichtend für alle verpackten Bio-Lebensmittel, die in der EU produziert wurden. Das Siegel zeigt an, dass diese Lebensmittel den Mindeststandard für biologische Produkte einhalten. Darunter fällt, dass keine Pestizide zum Einsatz kommen, maximal 49 Zusatzstoffe in verarbeiteten Lebensmitteln stecken, 95% des Futters Bio sein müssen und Tierbestände sowie artgerechter Auslauf sollen gewährleistet werden.

Ein Kritikpunkt: Es handelt sich wirklich um das Minimum, was das Tierwohl angeht. Bei Hühnern zum Beispiel muss nur ein Drittel des Stalls als Scharrfläche dienen. Aber ob und wie lange die Tiere nach draußen dürfen ist nicht geregelt, weswegen reine Stallhaltung und das EU-Bio-Siegel sich nicht ausschließen. Auch Aspekte wie Nachhaltigkeit in der Verpackung oder Herstellung werden nicht im Siegel berücksichtigt.

Treffen 95% der Kriterien auf ein Produkt zu, darf es das EU-Bio-Siegel nutzen. Mindestens einmal im Jahr werden Hersteller, die das Siegel nutzen, auf die Standards kontrolliert.

Das Demeter-Siegel dürfen nur Höfe führen, die strenge Vorgaben einhalten müssen.
Demeter: Demeter gibt's schon seit 1924 und ist somit der älteste Bio-Verband in Deutschland. Und das Demeter-Siegel hat den Ruf, besonders streng zu sein.
Wie auch das EU-Siegel ist es nicht nur auf Deutschland begrenzt, sondern wird auch international eingesetzt. Demeter-Landwirte arbeiten nach der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise, die als äußerst ökologisch und nachhaltig gilt. Demeter-Höfe verstehen sich als ein Organismus, der im Einklang mit der Natur arbeitet. Die Landwirte beachten auch Mondphasen und wie sie sich auf das Wachstum der Pflanzen auswirken.

Es dürfen zudem maximal 21 Zusatzstoffe verarbeitet werden, Legehennen müssen ausreichend Auslauf haben, es werden weniger Tiere pro Hektar gehalten und auch auf schmerzhafte Praktiken wie das Enthornen von Rindern wird verzichtet. Das sind nur einige der Regeln, an die sich die Landwirte für das Demeter-Siegel halten müssen. Die Betriebe werden mindestens einmal im Jahr von unabhängigen Stellen kontrolliert.

Bioland und Naturland haben ähnliche Anforderungen, damit ihr jeweiliges Siegel vergeben wird.
Bioland und Naturland: Die Siegel werden oft in einem Atemzug genannt, da sie sich in den meisten Punkten überschneiden. Der offenkundigste Unterschied: Bioland gibt’s nur in Deutschland und Südtirol, Naturland international.

Beide verpflichten sich, 100% Bio-Futter zu nutzen, gewähren den Tieren ebenfalls mehr Platz pro Hektar und achten auf einen artgerechten Auslauf. Bioland lässt zudem Kälber zwischen einem und drei Tagen bei ihren Müttern. Auch bei Fisch setzen beide auf gezüchteten Fisch aus Aquakulturen, die z.B. beim Einsatz von Medikamenten strenger sind als die EU-Vorschriften. Auch hier kontrollieren unabhängige Stellen die Landwirte mindestens einmal im Jahr.

Sind Bio-Eigenmarken gut?

Gegen Bio-Eigenmarken ist nichts einzuwenden. Ein Bio-Angebot verschiedenster Waren zu haben wird immer wichtiger, weshalb Supermärkte wie Rewe und Discounter wie Lidl auch immer mehr anbieten. Die Eigenmarken spielen strategisch eine wichtige Rolle, da sich die Märkte so nicht von Zulieferern abhängig machen, ihre Ware günstiger anbieten können und gleichzeitig die Bio-Autorität ihrer Märkte selbst erhöhen. Bio-Eigenmarken müssen – wie alle Bio-Produkte – zumindest die Standards des EU-Bio-Siegels erfüllen. Eine Bio-Eigenmarke ist dementsprechend genauso vertrauenswürdig wie eine Nicht-Eigenmarke mit Bio-Siegeln.

Diese Bio-Eigenmarken halten sich u.a. an Standards von Naturland, Bioland oder Demeter:

Biotrend von Lidl
ReweBio
dmBio
enerBio von Rossmann
EdekaBio
Alnatura

Ist Bio immer besser?

Bio-Produkte müssen bestimmten Standards entsprechen, damit sie sich überhaupt so nennen dürfen. Diese Richtlinien wirken sich natürlich auch auf den Anbau und die Landwirtschaft aus – und so auch auf die Umwelt.

Beispielsweise setzt man bei der ökologischen Landwirtschaft auf natürliche Pestizide. In der konventionellen Landwirtschaft kommen oft chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel zum Einsatz, deren Rückstände sich in den Lebensmitteln nachweisen lassen. Auch die Nitratbelastung von Wasser kann durch die ökologische Landwirtschaft gemindert werden.

Kurz: Ökologische Landwirtschaft hat eine bessere Umweltbilanz.

Oft profitieren auch die Nutztiere davon – zum Beispiel durch mehr Auslauf. Somit hilft der Kauf von Bio-Produkten auch, diese Art der Landwirtschaft und Tierhaltung weiter voranzutreiben.
Trotzdem ist Bio nicht gleich Bio und die Siegel wie auch deren Anforderungen an den Landwirt und seine Produkte unterscheiden sich",

schrieb Jannah Fischer auf Sat1.de

04.10.2022 08:26
Bundesbürger an nachhaltigen Produkten weniger interessiert als andere Nationen
Die Bundesbürger interessieren sich weit weniger für sogenannte „nachhaltige“ Produkte als Konsumenten aus anderen Regionen der Welt. Das ist das Ergebnis einer weltweiten Studie der Beratungsfirma BCG, für die im Juni und Juli rund 19.000 Kunden in acht Ländern befragt wurden, wie der „Spiegel“ berichtet.

Ob bei Unterhaltungselektronik, im Supermarkt oder auch bei Luxusgütern wie Schmuck: Klima- und Sozialstandards scheinen hierzulande beim Einkauf keine entscheidende Bedeutung zu haben. Das jedenfalls gilt im Vergleich zu Käufern aus Frankreich, Italien oder gar China. Lediglich bei der Wahl des Energieversorgers sowie bei Haushaltsprodukten spielen Nachhaltigkeitskriterien überdurchschnittlich oft eine Rolle. Entsprechend ist Deutschland auch bei der sogenannten Adaption Schlusslicht – also etwa bei der Frage, wie sich das eigene Konsumverhalten an strengere Klima- und Umweltziele anpassen lässt.

In jeder abgefragten Produktkategorie liegen die deutschen Konsumenten unter dem Schnitt der acht befragten Länder. Besonders bei der Wahl von Hautpflegeprodukten, Baumaterialien oder dem Auto spielen Ökokriterien eine geringe Rolle. Während Kunden in Italien oder China angeben, sich umfassend darüber zu informieren, wie nachhaltig ihr Neuwagen ist – und dann oft ein elektrisches oder ein Hybridmodell kaufen – gibt mehr als die Hälfte der Bundesbürger an, solche Fahrzeuge seien ihnen zu teuer. Sie setzen stattdessen auf kleinere, konventionelle Verbrenner.

24.08.2022 09:07
Fairness beim Reisen: Ethische Bedenken beeinflussen die Urlaubsentscheidung der Deutschen
Eine repräsentative Umfrage von HolidayCheck 2022 zeigt auf, dass ethische und moralische Aspekte bei der Wahl des Reiselandes für viele Deutsche eine große Rolle spielen. Um fundierte Entscheidungen treffen zu können, möchte die Mehrheit der Deutschen gut über die Lage der Bevölkerung vor Ort informiert sein. Fast jede und jeder zweite Deutsche glaubt zudem, dass Tourismus zum gesellschaftlichen Wandel in einem Land beitragen kann.

Zunächst geht es um den Preis: HolidayCheck befragte Deutsche nach den wichtigsten Entscheidungskriterien für den Urlaub. Wenig überraschend spielt der Preis eine große Rolle bei der Wahl einer Urlaubsdestination: 20 Prozent der Befragten möchten wissen, was die Reise am Ende kostet, gefolgt von möglichen Freizeitaktivitäten (12 Prozent) und Informationen rund um die Unterkunft (11 Prozent). Faktoren wie Kriminalität, die innenpolitische Sicherheitslage sowie Land und Leute spielen mit 6 Prozent eine nachgeordnete Rolle.

Wird die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, sind moralische Faktoren hoch relevant. Wählen die Befragten aus einer Liste an Entscheidungskriterien rund um den Urlaub, ändert sich das Bild deutlich. Sicherheitsrelevante, aber auch ethisch-moralische Aspekte gewinnen stark an Relevanz.

So zeigt sich: Eine kritische innenpolitische Sicherheitslage wirkt sich auf die Reiseentscheidung am meisten aus. Dieser Umstand beeinflusst 73 Prozent der Befragten sehr stark oder stark. Auf dem zweiten Platz folgt Kriminalität als Ausschlusskriterium für ein Urlaubsland. Aber auch Einschränkungen in der freien Meinungsäußerung (70 Prozent) oder die systematische Diskriminierung von Frauen (62 Prozent) sind für die Deutschen bei der Urlaubsentscheidung sehr wichtig. Über 50 Prozent der Befragten bewerten den Einfluss folgender Kriterien als stark bzw. sehr stark für die Reiseentscheidung: nicht-demokratische Regierungsformen, die Diskriminierung von Minderheiten, unfaire Arbeitsbedingungen im Tourismus und Einschränkungen der Pressefreiheit. Über 30 Prozent lassen sich beeinflussen von möglichen Einschränkungen für die LGBTQI+ Community.

„Im Urlaub liegt der Fokus auf der Entspannung und dem Loslassen vom Alltag. Die wichtigsten Entscheidungskriterien drehen sich um den Preis, die Unterkunft und die Freizeitmöglichkeiten vor Ort. Das zeigt auch unsere Umfrage“, erklärt Christoph Ludmann, Geschäftsführer von HolidayCheck, dem größten deutschsprachigen Bewertungsportal. „Gestützt befragt wird deutlich, wie wichtig aber auch die Sicherheit und ethische Werte für die Deutschen bei der Wahl eines Reiselandes sind.“

Tourismus als Motor für gesellschaftlichen Wandel

Die Deutschen sind sich bewusst, dass der Tourismus zum gesellschaftlichen Wandel beitragen kann – 48 Prozent glauben dies. Fast 70 Prozent schließen aufgrund moralischer und ethischer Bedenken bestimmte Länder generell aus ihren Urlaubsplänen aus. Ausschlaggebend dafür sind zum einen persönliche Motive wie Sicherheitsbedenken. Uneigennützige Gründe spielen jedoch eine ebenso große Rolle. So gibt mit knapp 70 Prozent ein Großteil der Befragten an, sich in Ländern, bei denen sie ethische Bedenken verspüren, nicht wohlzufühlen, aber auch die Länder durch den eigenen Urlaub nicht finanziell unterstützen zu wollen. Knapp 30 Prozent der Befragten haben Angst vor persönlichen Konsequenzen oder möchten ein Zeichen setzen, indem sie einzelne Länder für die Urlaubsreise ausschließen.

Negativliste: Russland auf Platz 1

Auf die Frage, welches Land UrlauberInnen aufgrund moralischer und ethischer Bedenken als Destination aktuell ausschließen, wurde Russland mit 30 Prozent am häufigsten genannt. Dahinter folgen die Türkei mit 22 Prozent, China mit 15 Prozent, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (jeweils 6 Prozent) sowie Iran und Nordkorea (jeweils 5 Prozent).

Hoher Informationsbedarf

So hat die Tourismusbranche zukünftig den klaren Auftrag, neben Informationen zu Flugverbindungen und Klimatabellen auch weitere Informationen, insbesondere zu dem Thema „Ethisch vertretbares Reisen“ zur Verfügung zu stellen.

„Wir sehen in unserer Studie deutlich, dass die Deutschen gut informiert sein wollen, was die eigene Sicherheitslage, aber auch die Lage der Menschen im Reiseland betrifft – das trifft auf Pauschal- oder Individualreisende gleichermaßen zu. Als eine der größten deutschsprachigen Reiseplattformen sehen wir es als unseren Auftrag, UrlauberInnen die Möglichkeit zu geben, sich auf unserem Portal einfach und neutral zu informieren. Bei vielen Destinationen gibt es ein Spannungsfeld zwischen innenpolitischer Lage und Preisgefüge. Wir möchten Reisenden die notwendigen Informationen an die Hand geben, um selbst abzuwägen und für sich zu entscheiden, welches Ziel für sie infrage kommt“, erklärt Christoph Ludmann.

So hat HolidayCheck auf die Wünsche der UrlauberInnen bereits reagiert: Seit Juni 2022 gibt es auf den Iänderspezifischen Informationsseiten den Reiter „Gut zu wissen“. Darunter finden sich Informationen über das jeweilige Land zu den Themen LGBTQI+, Meinungsfreiheit, Menschenrechte und Regierungsform. Aktuell sind bereits 22 Destinationen mit diesen wichtigen Informationen befüllt. Interessierte finden hier als Beispiel die Destinationsseite Ägypten.

Jeder Beitrag zählt

„Bewusstes Reisen beginnt jedoch auch schon beim eigenen Verhalten im Zielgebiet“, sagt Christoph Ludmann. „Auch die eigenen Handlungen und Gesten der UrlauberInnen vor Ort können dort positive Wirkung entfalten“. So hat HolidayCheck für Interessierte diese fünf Tipps und Anregungen zum Verhalten vor Ort zusammengestellt.

- Sich vor und während der Reise über Kultur und Menschen informieren und die wichtigsten Worte in der Landessprache kennen
- Lokale Unternehmen und Gastronomie unterstützen
- Trinkgeld geben: Beim Service in Restaurants sind Trinkgelder für Angestellte sehr wichtig, da die Stundenlöhne in der Regel gering sind
- Auf Augenhöhe bleiben: UrlauberInnen sollten darauf achten, keinen „Armuts-Tourismus“ zu betreiben und beispielsweise auf die Besichtigung von Slums verzichten, beim Besuch von Schulen oder Dörfern mit den Menschen sprechen und in einen respektvollen Austausch kommen
- Lokale Gepflogenheiten kennen: zum Beispiel bei Ausflügen die Kleidung an lokale Gepflogenheiten anpassen.

"Die Studie mit Grafiken zu den Umfrageergebnissen"

09.08.2022 09:27
Der sehr lange Weg zum fairen Preis
„Wir zahlen im Laden nicht den wahren Preis“, sagt Volkert Engelsman, Chef des Bio-Fruchthändlers Eosta, im Interview mit Tobias Schwab für die Frankfurter Rundschau. Es geht über soziale und ökologische Kosten und eine neue Definition von Gewinn.

„Herr Engelsman. Preise sind gerade ein großes Thema. Viele Menschen haben mit den hohen Teuerungsraten zu kämpfen. Sind Lebensmittel trotzdem noch immer zu billig?

Ja, selbstverständlich. Solange die externalisierten Kosten – also all das, was durch den Nahrungsmittelanbau an Schäden für Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität, Klima, Wasser und Gesundheit verursacht wird – nicht in die Kalkulation eingehen, zahlen wir im Laden nicht den wahren Preis.

Was bedeutet das?

Für die ökologischen und sozialen Schäden kommen nicht die Verursacher auf. Die Allgemeinheit muss die langfristigen Folgen tragen, wir verschieben die Kosten auf unsere Kinder und die nachfolgenden Generationen. Und die Menschen mit geringem Einkommen, die sich nur die vermeintlich billigen Lebensmittel leisten können, leiden am meisten unter einer Produktionsweise, die Umwelt und Gesundheit schädigt.

Aber viele Menschen brauchen jetzt eine finanzielle Entlastung.

Das verstehe ich. Und es gibt da eine ganz pragmatische Lösung. Ich fordere seit Jahren null Prozent Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse und höhere Abgaben auf Fleisch. Das würde gesündere Lebensmittel erschwinglicher machen und könnte auch zu einer Verringerung des Fleischkonsums beitragen, mit positiven Folgen für die Umwelt. Durch die intensive Viehhaltung und den Anbau von Futtermitteln verlieren wir weltweit in jeder Minute fruchtbare Böden in einer Größe von 30 Fußballfeldern und schädigen die Artenvielfalt.

Sie machen sich für das True-Cost-Accounting stark. Was verbirgt sich dahinter?

Es geht darum, die wahren Kosten eines Produktes zu bilanzieren. Der Markt ist nach meiner Überzeugung erst frei und kann richtig funktionieren, wenn tatsächlich alle Faktoren in eine Bilanz eingehen. Das heißt, neben den direkten Kosten eines Produktes müssen auch die sozialen und ökologischen Folgen geldlich bewertet werden. All das müsste dann idealerweise in den Verkaufspreis einfließen. Unternehmen, die große ökologische und soziale Schäden anrichten, dürfen nicht länger Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten haben, die biologisch produzieren und ihre Ware fair handeln.

Lassen sich die wahren Kosten tatsächlich erfassen und dann auf einzelne Produkte umlegen?

Als US-Präsident Kennedy 1961 die Landung auf dem Mond als Ziel ausgab, war das für viele Menschen auch ein unfassbares Projekt. Und in der Tat, es ist eine komplexe Geschichte, die externalisierten Kosten zu kalkulieren. Es braucht first movers, Unternehmen, die vorangehen und sich mit der Komplexität auseinandersetzen, Prototypen liefern, um die Dinge dann in den Umsetzung für alle einfacher zu machen. Veränderungen gehen immer von einer Minderheit aus. Wo ein Wille ist, da findet sich auch ein Umweg.

Welchen Weg geht Eosta?

Wir haben uns vom Wirtschaftsprüfungsunternehmen EY und Soil & More International, einer Tochter von Eosta, die externalisierten Kosten in den Kategorien Gesundheit, Boden, Klima, Wasser für bislang neun Produkte unserer Marke „Nature & More“ errechnen lassen. Zugrunde gelegt werden dabei Formeln der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO sowie der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Wie müssen wir uns das vorstellen?

Die Gesundheitskosten, die der Anbau von Birnen verursacht, wurden beispielsweise auf Basis der Auswirkungen, die Pestizide auf die Verbraucher haben, berechnet. Eingegangen ist in die Kalkulation auch die Exposition der Beschäftigten auf den Farmen. All die Daten wurden dann in die Maßeinheit Daly der WHO umgerechnet. Ein Daly steht kurz gesagt für ein Jahr verlorener Gesundheit, das geldlich quantifiziert werden kann. In den Niederlanden wird ein Daly beispielsweise mit gesellschaftlichen Kosten von 77 000 Euro beziffert. In der Kategorie Klima gehen wir von den Werten aus, die die FAO pro Kilo Treibhausgasemissionen ansetzt. Es lässt sich so zeigen, welchen Vorteil Bio-Früchte gegenüber konventionell erzeugtem Obst haben.

Können Sie ein Beispiel geben?

Wenn wir die Auswirkungen auf Klima, Boden und Wasser in Rechnung stellen, dann liegt der Kostenvorteil unserer Bio-Birnen gegenüber konventionellen Früchten bei 2290 Euro pro Hektar Obstplantage und Jahr. In Kilo umgerechnet, beträgt der Kostenvorteil 5,7 Cent für das Bio-Obst. Tatsächlich dürften die Vorteile der Bioprodukte sogar noch größer sein, da die Vollkostenrechnung noch in der Entwicklung ist und viele positive Faktoren nachhaltiger Landwirtschaft in den Modellen noch nicht berücksichtigt werden.

Was müsste noch in die Rechnung eingehen?

Die sozialen Kosten, zum Beispiel der Umgang der Unternehmen mit Beschäftigten, vor allem Frauen, und der Preis, den die Folgen des Anbaus für die Biodiversität haben. Da fehlen noch die entsprechenden Tools, um das zu bepreisen. Aber ein Anfang ist gemacht, jetzt braucht es eine Koalition der Willigen, die da weiter vorangehen und das True-Cost-Accounting dann auch anwenden.

Wo sind denn die Willigen, wer sind Ihre Verbündeten?

Banken, Versicherer und Wirtschaftsprüfer beispielsweise sind längst auf unsere Seite. Sie berücksichtigen in ihren Risikoanalysen mittlerweile Nachhaltigkeitskriterien. Geldhäuser legen bei der Kreditvergabe zum Beispiel auch den ökologischen Fußabdruck eines Unternehmens zu Grunde, weil entsprechende Abgaben auf Emissionen die Firma in Zukunft finanziell belasten könnten. Banken fragen Kunden auch nach ihren Wertschöpfungsketten und interessieren sich für die dort gezahlten Löhne. Der Trend ist unumkehrbar.

Und bei den Herstellern von Konsumgütern und Handelsfirmen?

Auch da wächst die Bereitschaft, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen. Zu den Pionieren gehört beim True-Cost-Accounting auch die Firma Hipp. Aber selbst Penny engagiert sich. Der Discounter zeigt in seinem Nachhaltigkeitsmarkt in Berlin bei ausgewählten Produkten neben den normalen Ladenpreisen auch die deutlich höheren wahren Preise an. Mit der doppelten Auszeichnung der Ware bringt Penny seine Kunden hoffentlich zum Nachdenken. Selbst große Player wie Unilever beschäftigen sich im Hintergrund mit dem Thema, ohne das groß von den Dächern zu rufen.

Wie weit ist Eosta selbst? Fließen die wahren Kosten schon in die Preise für Ihre Produkte ein?

Es ist im Handel nie einfach, wahre Kosten durchzusetzen. Und die Bildung von Preisen ist eine komplexe Angelegenheit. Faktoren sind schließlich auch Angebot und Nachfrage.

Und Sie wollen bei allem ja auch noch Gewinn machen ...

Profit ist für ein Unternehmen wichtig. Aber gesund ist eine Firma nur, wenn sie die Kosten für Umwelt und die Menschen berücksichtigt und trotzdem Gewinne erzielt. Die alte Gewinndefinition steht unter Druck. Die neue berücksichtigt auch soziale und ökologische Kosten. Unser Slogan lautet „Wo Ökonomie auf Ökologie trifft“. Beides wollen wir verbinden. Dafür haben wir einen klaren Managementplan.

Was heißt das konkret?

Wir arbeiten an der vollen Transparenz auf allen Ebenen, streben die Rückverfolgbarkeit unserer Produkte bis zum Acker an, monetarisieren die externalisierten Kosten und beraten unsere Produzenten auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Und wir schauen, wo wir unseren Einfluss nutzen können. Dazu gehört, mit Kommunikations-Kampagnen und Projekten Öffentlichkeit für das Thema zu schaffen – beispielsweise auch für faire Löhne.

Was ist ein fairer Lohn?

Einer, der umfassend die Existenz sichert. Mit Mangos aus Burkina Faso, Avocados aus Kenia und Passionsfrüchten aus Peru zeigen wir, wie es geht. In unserem Bio-Sortiment können sich Verbraucher für Produkte mit einem Existenzlohn-Aufschlag entscheiden. Bei Mangos beispielsweise lässt sich die Lücke zu einem Lohn, mit dem die Menschen in Burkina Faso der Armut entkommen können, schon mit einem Aufpreis von zehn Cent pro Kilo schließen. Wir können nicht die ganze Welt von heute auf morgen retten, aber wir fangen damit an. Und wir fordern von der Politik, dass sie die nötigen Rahmenbedingungen verändert.

Was erwarten Sie konkret?

Wir brauchen faire Verhältnisse auf dem Markt. Noch immer findet der Wettbewerb auf einem schiefen Spielfeld statt, auf dem Verschmutzer einen Konkurrenzvorteil haben. Konventionelle Erzeuger befinden sich auf der nach oben geneigten Seite, Bio spielt weiterhin unten. Erst wenn die Produzenten, die die Umwelt schädigen, auch dafür zahlen müssen, haben wir faire Bedingungen. Der Staat muss Verschmutzer mit Steuern zur Kasse bitten und jene fördern und belohnen, die Natur und Ressourcen schonen. Denn bislang gilt noch immer: Nicht Bio ist zu teuer, Konventionell ist viel zu billig“.

Volkert Engelsman , 64, hat Volks- und Betriebswirtschaft an der Rotterdamer Erasmus-Universität studiert und danach zunächst als Manager für den US-Agrar-Multi Cargill gearbeitet. 1990 gründete der Niederländer gemeinsam mit seinem Studienfreund Willem van Wijk das Unternehmen Eosta. 2007 rief er die Tochtergesellschaft Soil & More Impacts, eine landwirtschaftliche Beratungsfirma, ins Leben. Eosta ist nach eigenen Angaben Europas größter Importeur von biologisch angebauten Produkten und beliefert große Einzelhändler und Naturkostläden in Europa, den USA, Kanada und im Fernen Osten. Jährlich gehen 150 Millionen Kilo Obst und Gemüse durch die Lagerhallen von Eosta in der Nähe von Gouda. Die Firma zählt 250 Beschäftigte und macht keine Angaben zu Umsatz und Gewinn.

15.07.2021 09:39
Dumpingpreise für Faire Trade im Discounter
Es ist ein Corona-Knick, auf den Matthias Fiedler blickt. So Thomas Magenheim-Hörmann in der Frankfurter Rundschau. Und weiter: „Um knapp drei Prozent auf 1,8 Milliarden Euro sind die Umsätze mit fair gehandelten Produkten voriges Jahr in Deutschland gesunken, bilanziert der Geschäftsführer des Forums Fairer Handel (FFH). Das ist der Dachverband von Weltläden und anderen Verkaufsstellen für Produkte aus dem globalen Süden, deren Erzeugerinnen und Erzeugern auskömmliche Preise garantiert werden.

Über sieben von zehn heimischen Verbraucher:innen kaufen derartige Lebensmittel oder Textilien gezielt, um Kinderarbeit oder Hungerlöhne in Asien, Afrika oder Lateinamerika zu unterbinden. Nachfrage ist also da. Was 2020 gebremst hat, waren geschlossene Weltläden aber auch Preisdumping von Discountern.

Denn dort werden hierzulande die bei weitem meisten Waren mit Fairtrade-Siegel verkauft. Discounter sind mit Rekordgeschäften große Pandemiegewinner. Zugleich locken sie Kunden oft mit Sonderangeboten für Kaffee oder Bananen. Beides sind bevorzugte Fairtrade-Waren. Auf Kaffee allein entfallen 30 Prozent des gesamten Fairtrade-Umsatzvolumens, Bananen und andere Südfrüchte kommen auf ein Zehntel, Lebensmittel allgemein auf gut drei Viertel an den 1,8 Milliarden Euro Branchenumsatz.

Um weit überproportionale 14 Prozent sei wegen des Preisdumpings von Discountern auch der Umsatz mit fair gehandelten Bananen 2020 in Deutschland zurückgegangen, kritisiert FFH.

Wenn Discounter fair gehandelten Produkten mit solchen Methoden das Wasser abgraben, treffe dieses Gebahren gezielt Erzeuger:innen im globalen Süden dieser Welt, warnt FFH-Chefin Andrea Fütterer. Ihr Verband fordert deshalb eine Nachbesserung des jüngst verabschiedeten Lieferkettengesetzes. Ein Verbot für Dumpingpreise auf Lebensmittel müsse dort zusätzlich aufgenommen werden. Freiwillige Absichtserklärungen des Handels hätten in der Realität keinen Bestand. Es dürfe keine Endverbraucherpreise geben, die unter den Erzeugungskosten lägen. Aufgeschlossenheit für diese Forderung im Bundestag gebe es. Vor der Wahl im Herbst werde aber nichts mehr beschlossen. Die neue Regierung müsse sich des Themas annehmen".

Thomas Magenheim-Hörmann in der Frankfurter Rundschau am 15.7.2021

18.12.2020 09:14
Pullover aus Kaschmir, Merino oder Unterwäsche aus Angora gefällig? Lieber nicht, zu unfair!
Über „geschundene Tiere, karges Land“ schreibt Hanna Gersmann in der heutigen Frankfurt Rundschau dazu. Denn Kaschmir, Angora und Mohai sind in. Sie stellt fest: „Auch Kaufhäuser und Discounter bieten jetzt Ware aus dem edlen Garn zuhauf an. Doch Tiere und Umwelt leiden.

Sich was Gutes tun, sich einkuscheln, gerade jetzt, vor Weihnachten, in diesem Corona-Jahr: Warum sich nicht einen neuen Kaschmirpullover gönnen? Zumal: Das weiche Garn aus dem Unterhaar der Kaschmirziege liegt nicht mehr nur in edlen Boutiquen zu Verkauf aus. Kaschmirpullover stapeln sich auch auf den Tischen großer Kaufhäuser, selbst bei Discountern ist das einstige Luxusprodukt jetzt zu haben. Nur: Der Trend hat eine nicht so schöne Seite. Denn er schadet den Tieren, und die Natur leidet auch.

Ulrike Schempp ist Professorin für Textiltechnik an der HAW, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg. Sie sagt: „Die Haltung von Kaschmirziegen ist eine Industrie geworden, die Raubbau betreibt.“ Mit der rapide gewachsenen Nachfrage – Deutschland gehört zu den vier größten Abnehmern mongolischer Kaschmirwolle weltweit – „leiden immer mehr Tiere“, erklärt auch Kathrin Zvonek vom Deutschen Tierschutzbund: „Die Wollgewinnung ist für sie sehr schmerzhaft.“

Zwar gibt es für die Schnäppchenpreise mehrere Ursachen. Die Pullover sind zum Beispiel dünner, also mit weniger Garn gestrickt. Oder sie sind nicht aus Premiumkaschmir, sondern aus einer billigeren Qualität. Und sie sind nicht immer aus reinem Kaschmir, sondern mit anderem Material gemischt. Doch – egal ob billig oder teuer – entscheidend sei eine Zahl, sagt Zvonek: „27 Millionen“.
27 Millionen Kaschmirziegen werden heute auf den Weideflächen der Mongolei gehalten, sechsmal so viele wie früher – 1990 waren es noch 4,5 Millionen. Der Großteil des weltweit, auch in Deutschland gehandelten Kaschmirs kommt aus der Mongolei, auch aus China. Da die Ziegen das Gras mitsamt der Wurzel fräßen, wachse dort nun nicht mehr viel, erklärt Textilexpertin Schempp. Laut UN seien bereits bis zu 70 Prozent der Weidegründe in der Mongolei massiv überweidet. Schempp: „Flächen sind abgegrast, verwüsten, Sandstürme entstehen.“ Das sei aber nur das eine Problem, das andere: das Tierleid.

In der Mongolei können die Temperaturen im Winter auf minus 30 Grad Celsius absacken. Gegen die Eiseskälte ist die Kaschmirziege gut geschützt, im Herbst wächst ihr ein wärmendes Unterfell. Das ist langes und feines weiches Haar. Und wenn es im Frühjahr wieder wärmer wird, sich der Fellwechsel ankündigt, wird den Tieren dieses Unterfell ausgekämmt. Früher habe das fünf bis sechs Stunden gedauert, sagt Zvonek. Heute sei das anders – „eine Akkordarbeit“.

Bereits im Oktober 2019 machte die Tierschutzorganisation „Peta Asia“ Videoaufnahmen öffentlich, in denen eine ganz andere, eine rabiate Prozedur zu sehen ist. Da drücken Arbeiter blökende Kaschmirziegen gewaltsam zu Boden. „Sie reißen ihnen das Unterfell mit spitzen Metallkämmen regelrecht aus“ sagt Johanna Fuoß von Peta Deutschland – „in rund 50 Minuten pro Tier.“ Dokumentiert seien blutende Verletzungen, ausreichend versorgt würden die Wunden nicht.
„Für einen reinen Kaschmirpullover braucht es das Unterfell von drei bis vier Ziegen“, sagt Tierschützerin Zvonek.

Die Hamburger Stiftung „Aid by Trade Foundation“, 2005 von dem Hamburger Unternehmer Michael Otto gegründet, hat mittlerweile einen Leitfaden für nachhaltiges Kaschmir entwickelt: „The Good Cashmere Standard“. Darin ist vorgeschrieben, wie eine schonendere Haltung der Tiere, der Schutz der Umwelt sowie die Arbeitsbedingungen der Bauern und angestellten Arbeiter gewährleistet werden sollen. Seit vergangener Woche liegen Pullis mit einem entsprechenden Etikett zum Beispiel bei Aldi in den Regalen. Andere Modefirmen wie Cos haben Ähnliches in diesem Winter ins Sortiment aufgenommen.

„Trotz des Standards leiden die Tiere weiterhin erhebliche Schmerzen“, sagt allerdings Zvonek, „denn das schmerzhafte Kämmen und die Fixierung der Tiere mit Seilen bleibt erlaubt.“ Sie rät, ganz auf Kaschmir zu verzichten – und stattdessen eine Alternative zu wählen: Biobaumwolle. Und wenn es unbedingt Wolle sein müsse, dann sei Schafswolle aus Deutschland besser. Denn hierzulande gäbe es immerhin gesetzliche Vorgaben zum Tierschutz und eine adäquate tiermedizinische Versorgung.

„Die Modeindustrie wird nicht so schnell komplett auf Kaschmir verzichten“, sagt indes Tina Stridde, die Geschäftsführerin des „The Good Cashmere Standard“. Und weiter: „Wir finden es besser, uns stattdessen für mehr Tierwohl in Haltung und Schur der Ziegen einzusetzen. Wir schließen die Kämmprozedur nicht aus, wir schreiben aber zum Beispiel vor, dass die Arbeiter dafür richtig ausgebildet werden und ihre Instrumente in Ordnung sein müssen.“

Bleibt am Ende noch ein Tipp der Textilexpertin Schempp. Sie meint, Verbraucher sollten sich öfter folgende Frage stellen: „Trage ich das eigentlich alles?“ Meistens läge der eine oder andere Kuschelpulli doch ohnehin schon im Schrank“.

09.10.2020 11:21
Wird bio nachhaltig - und ist es fair?
Mehr Bio, weniger Plastik: Immer mehr Konsumenten in der EU achten laut einer Umfrage beim Einkauf auf Nachhaltigkeit. Besonders ausgeprägt ist dieser Trend demnach in Deutschland.

Die Sorge um die Umwelt verändert laut einer aktuellen Studie das Einkaufsverhalten der Menschen. Für die Studie befragte das Nürnberger Konsumforschungsunternehmen GfK im Juni knapp 61.000 Haushalte in zehn europäischen Ländern.

42 Prozent gaben demnach an, dass Umweltthemen eine wichtige Rolle spielten.

Mehr als ein Drittel der Haushalte haben nach eigenen Angaben das eigene Einkaufsverhalten verändert: Sie verzichten demnach teils auf Produkte oder Dienstleistungen, die ihrer Ansicht nach der Umwelt oder der Gesellschaft schaden könnten. Drei von zehn Haushalten achteten zudem darauf, dass die von ihnen gekauften Artikel nicht in Plastik verpackt seien.
Im Vergleich zu einer ähnlichen Studie im vergangenen Jahr habe das Umweltbewusstsein bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugenommen, sagte GfK-Experte Jan-Fredrik Stahlbock. Am stärksten ausgeprägt sei dies in Deutschland. "Aber auch in Frankreich und Spanien werden die Menschen umweltbewusster."

Den größten Einfluss auf das, was im Einkaufskorb landet, haben nach der GfK-Studie die Kinder. In den zehn untersuchten Ländern sagten 45 Prozent der Befragten, dass ihre Kinder für das umweltfreundliche Konsumverhalten ausschlaggebend seien, gefolgt von Freunden (42 Prozent), dem Ehepartner (37 Prozent) und den Eltern (19 Prozent).
Die größte Verantwortung, Umweltschäden zu begrenzen, sehen die Befragten bei den Herstellern (40 Prozent) und den Regierungen (35 Prozent). Sich selbst sehen nur 20 Prozent in der Pflicht". So die Meldung von ssu/dpa.

Nachhaltig ist der Trend noch nicht. Und Bio allein ist noch nicht tiefgreifend. Im letzten Jahr gab jeder Verbraucher 22,23 Euro im Jahr (!) für fair gehandelte Lebensmittel und Handwerksprodukte aus. Das ist fast nichts. Bio, öko und fair gehören zusammen, wenn Missstände überwunden und bio wirklich für die Ehrfurcht vor dem Leben der Menschen, der Tiere und Pflanzen wirksam sein soll.

02.09.2020 12:10
Streit auch um gefakte Bio-Eier: Krasse Unfairness im Eiermarkt
"Tierschützer berichten von riesigen Anlagen mit bis zu 40.000 Legehennen in einem Stallkomplex. Videos, die Tierschutzvereine wie Animal Rights Watch veröffentlichen, dokumentieren, dass Bio nicht gleich Bio ist und die Idylle auf der Verpackung täuschen kann. Ungelöst ist nach wie vor, dass auch in den meisten Biobetrieben männliche Küken vergast oder geschreddert werden, denn sie legen keine Eier", schreibt die Redaktion von Frontal 21 am 1.9.2020. Und weiter:

"Doch es gibt Ausnahmen wie die Bio-Legehennenhalter Lukas und Anna Propp in Mecklenburg Vorpommern. „Wir ziehen zu jeder Legehenne einen Bruder mit auf.“ Man könne die 50 Prozent männliche Küken nicht einfach töten. „Für uns war ganz klar, dass wir die nicht schreddern oder vergasen lassen wollen“, sind sich die Propps einig - auch wenn es sich ökonomisch nicht rechne.

„Das glückliche Huhn ist so ein bisschen ausgelutscht als Begriff“, sagen sie. Rund 6600 Hühner halten sie auf ihrem Hof. „Wir liefern die Bilder, wie sich der Verbraucher das vorstellt. Und dann denkt er, wenn es bei denen so aussieht, dann wird es ja überall so aussehen.“

Natürlich sei das nicht fair, „aber das ist der Markt, in dem wir uns bewegen.“

Dieses Video aus einem angeblichen Biohühnerstall wollen Sie nicht wirklich sehen:
"Kurzfilm von Frontal21 - nur noch bis 13.3.2021"


1. Fazit:

Kaufen Sie nur Eier mit Qualitätslabel wie Demeter, Bioland und Naturland. Alles andere kann Schwindel sein: Biowashing.

Und nicht nur das: "Bittere Realität in der Eier-Industrie: Käfig-Eier sind zwar aus deutschen Supermärkten verschwunden. Und doch essen viele Verbraucher Eier aus Legebatterien in rauen Mengen, ohne das zu ahnen.

"Denn Hühnereier in verarbeiteten Produkten wie Kuchen oder Keksen kommen eben doch oft aus Käfighaltung. So berichtet die ukrainische Tierschützerin Katja Belkina über ihren Kampf gegen international agierende Eierkonzerne in ihrem Land. Dort werden nach wie vor Hennen in Legebatterien gehalten und die Eier aus der tierquälerischen Haltung werden in die EU – auch nach Deutschland - exportiert.

Käfig-Eier in Kuchen und Keksen

Die Aktivistin präsentiert Videomaterial, das grausame Zustände enthüllt und sagt mit Blick auf Deutschland: "Wir wollen bei den Menschen ein Bewusstsein schaffen, dass sie begreifen, wie Tiere industriell gehalten werden."

"Tierquälerei in Massen-Legebatterien für den EU-Markt und Deutschland"

Tatsächlich stammt fast jedes zweite Ei, das in die EU exportiert wird, aus ukrainischen Legebatterien. Hierzulande werden diese Käfig-Eier millionenfach weiterverarbeitet und landen zum Beispiel in Backwaren oder Nudeln. Für die Verbraucher sind diese versteckten Käfig-Eier nicht zu erkennen.

Normalerweise können Verbraucher im Supermarkt die Herkunft der Eier sehr gut nachvollziehen. Dafür gibt es auf den Eiern einen Stempel mit einem Zahlencode: 3 steht für Käfig, 2 für Bodenhaltung, 1 für Freilandhaltung, 0 für Bio. Doch diese Stempel sind nur auf den Schaleneiern zu finden. Sobald Eier verarbeitet und als Zutat in einem Fertigprodukt verwendet worden sind, gibt es so eine verpflichtende Kennzeichnung nicht mehr.

Wenn sie in den Supermarkt gehen und es keine Zusatzdeklaration auf der Verpackung gibt und Sie wissen, dass es Ei enthält, würde ich davon ausgehen, dass mit höchster Wahrscheinlichkeit das Eiprodukt aus Käfig-Eiern stammt“, schätzt Nicolas Entrup von der Tierschutzorganisation Shifting Values".

2. Fazit: Kaufen Sie nur Gebäck und z.B. Nudeln mit Ei von anerkannten Bioproduzenten wie Demeter, Bioland und Naturland.

26.08.2020 06:32
Trauen Sie keinen Produktempfehlungen - sie sind häufig eine Täuschung
Glauben Sie nur Produktempfehlungen, die Sie selbst geschrieben und veröffentlicht haben. Oder von Personen, die Sie persönlich kennen und auf deren Urteil Sie vertrauen. Denn die Produktkommentare, die Sie im Internet lesen und keiner Ihnen bekannten Person zuordnen können (auch um mal nachzufragen), sind vermutlich überwiegend gefälscht bzw. gekauft. Für 270 Dollar gibt es 3200 Twitter-Follower. 2100 Youtube-Abonnenten für 810 Dollar. „Verifizierte“ Amazon-Bewertungen zum Stückpreis von 29 Dollar. Vier nette Ebay-Kundeneinträge für 70 Dollar. 14 App-Store-Bewertungen für 225 Dollar.

Die Journalistinnen Imre Grimm und Julia Rahtke zeigen das nachweislich in der Frankfurter Rundschau (26.8.20) am Beispiel von Amazon, das durch Käuferempfehlungen sein Geschäft mächtig antreibt und riesigen Umsatz macht. Gerade jetzt, denn:
"Amazon verdient in der Corona-Krise besonders viel. Der Onlinehandel boomt – und mit ihm der Betrug. Wem kann die Kundschaft noch trauen?

Nein, nein, die „12 Meter LED OMERIL 120er USB Lichterkette“ ist nicht irgendeine Lichterkette. Sie ist „wunderschön“, „brillant“, „perfekt“ und „unaufgeregt praktisch“. Kunden schwärmen vom „Super Preis-Leistungs-Verhältnis!“ und sind „absolut begeistert“: „So eine praktische Lichterkette hatte ich noch nie!“ 2552 Kundenrezensionen verzeichnet Amazon für die Kette, 76 Prozent davon mit Höchstwertung: fünf Sterne.
Wie kommt es, dass eine banale Lichterkette eine solche kollektive Ekstase auslöst? Das klärt ein kurzer Test auf der Webseite Reviewmeta.com. Sie hilft dabei, gefälschte Bewertungen in Onlineshops zu entlarven. Ergebnis für die Lichterkette: 76 Prozent aller Kundenrezensionen stehen unter Fälschungsverdacht. Wortgleiche Sätze. Auffällige Benutzerprofile. Fake. Lüge. Menschen glauben Menschen. Dieses Prinzip, tief im humanen Erbgut verankert, hat sich Jeff Bezos 1995 bei der Gründung seines kleinen Onlinebuchhandels Amazon zunutze gemacht. Er erlaubte es seinen Kunden, über ihre Erwerbungen zu urteilen.

Mit seinem Vorstoß hat er vor 25 Jahren den Boden bereitet für ein heute weltumspannendes Bewertungssystem, in dem Hunderte von Millionen Sternchenverteilern Milliarden-Dollar-Ströme lenken, Händlerschicksale steuern und über Wohl und Wehe von Bluetooth-Lautsprechern, Ladekabeln, Ärzten, Staubsaugern, Uber-Fahrern, Airbnb-Unterkünften, Museen und LED-Lichterketten entscheiden. Nichts ist im Marketing so wertvoll wie eine vermeintlich persönliche Empfehlung.
Und wohl noch nie hat die Onlinerezension eine wichtigere Rolle gespielt als in der Corona-Pandemie.

Die Corona-Krise hat Amazon eine Umsatzexplosion beschert. Im zweiten Quartal 2020 lag der Umsatz 40 Prozent über dem Vorjahreswert – bei 88,9 Milliarden Dollar. Das entspricht rund 10 000 Dollar pro Sekunde, Tag und Nacht. Der Gewinn betrug von April bis Juni 5,2 Milliarden Dollar – das ist etwa doppelt so viel wie im Vorjahr. Die Verkaufszahlen waren so gigantisch, dass der Konzern laut „Wall Street Journal“ gar Werbeaktionen wie zum Muttertag strich, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Bestellungen nicht hinterherkamen. Und das, obwohl Amazon seit Beginn der Pandemie 175 000 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt hat. Bezos verkaufte Anfang August Aktien aus persönlichem Besitz im Wert von drei Milliarden Dollar, um das Geld in andere Firmen zu stecken. Vergleichsweise Peanuts.

Im Corona-Lockdown entfiel das letzte große Plus des stationären Handels vollständig: die Möglichkeit, Qualität und Aussehen der Ware vor Ort zu prüfen und sich persönlich beraten zu lassen. Umso wichtiger ist die Rolle, die Onlineurteile spielen.

Aber die Jagd nach den Sternen hat ein globales System von Betrügern geboren. Das Netz ist voll von Anbietern, die dabei helfen, künstlichen Hype zu erzeugen. Allein Amazon hat nach Schätzungen eine halbe Milliarde Rezensionen gespeichert. Jede fünfte Amazonbewertung aber soll gefälscht sein – mindestens. Eine britische Studie kam im April 2019 zu einem noch spektakuläreren Ergebnis: Bis zu 87 Prozent der untersuchten Bewertungen seien nicht glaubwürdig. Betroffen sind vor allem Kopfhörer, Smartwatches und Fitnesstracker, meist aus chinesischer Produktion. Ein Kopfhörer etwa verzeichnete 439 Fünf-Sterne-Bewertungen an einem einzigen Tag. Keine davon war ein „verifizierter Kauf“, stammte also tatsächlich von einem Kopfhörerkäufer.

Der Zwang, im Netz in bestem Licht zu erscheinen, ist ein gesellschaftlicher Megatrend. Die gefälschte Amazon-Rezension ist im Kern nur eine kommerzielle Spielart des beschönigenden Instagram-Filters. Hinter beidem steckt die Absicht, sich selbst oder seinem Produkt ein besseres Image zu verpassen. Bewertungen sind eine Macht im Netz: Auf Kununu werden Arbeitgeber bewertet, auf Jameda Ärzte, auf bewertet.de regionale Dienstleister, auf Yelp Frisöre, Zahnärzte, Bäcker oder Restaurants. Und überall lockt der Betrug.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jüngst über die Frage entschieden, wer eigentlich haften muss, wenn Kundenbewertungen falsche Informationen über ein Produkt enthalten. Der Verband Sozialer Wettbewerb hatte gegen einen Anbieter von Muskeltapes geklagt. Dieser hatte sich daraufhin verpflichtet, nicht mehr damit zu werben, dass seine Produkte „zur Schmerzbehandlung geeignet“ seien. Auf Amazon aber steht in mehreren Kundenrezensionen, das Kinesiologietape habe Schmerzen gelindert („Die Schmerzen gehen durch das Bekleben weg“). Der Anbieter sollte deshalb eine Vertragsstrafe zahlen. Der BGH aber urteilte: Die Verantwortung für eine irreführende Rezensionen trägt nicht der Händler, sondern der Urheber. Also in diesem Fall der Kunde.

Kundenbewertungen sind ein mächtiges Instrument. Denn die digitale Mundpropaganda wirkt. Bewertungen anderer Kundinnen und Kunden sind nach einer Studie des Branchenverbandes Bitkom das wichtigste Kriterium beim Onlinekauf. 90 Prozent der Käufer würden laut Studien niemals ein Produkt erwerben, das weniger als drei Sterne hat.

Eine Untersuchung der Harvard Business School hat ergeben, dass eine einzige zusätzliche positive Bewertung bei bestimmten Produkten für bis zu neun Prozent mehr Umsatz sorgen kann. Und wem als Verkäufer die persönlichen Empfehlungsschreiben nicht schnell und zahlreich genug eintreffen, der greift selbst nach den Sternchen. Bei Unternehmen wie Five Star Marketing oder App Sally gibt es alles, was digitalen Erfolg simuliert: 3200 Twitter-Follower für 270 Dollar. 2100 Youtube-Abonnenten für 810 Dollar. „Verifizierte“ Amazon-Bewertungen zum Stückpreis von 29 Dollar. Vier nette Ebay-Kundeneinträge für 70 Dollar. 14 App-Store-Bewertungen für 225 Dollar.

„Gekaufte Bewertungen im Onlinehandel sind immer schwieriger zu erkennen“, sagt Philipp Obladen, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz in Köln. Früher habe man sie an den schlecht übersetzten Textfragmenten entlarven können, heute habe sich das perfide Geschäft damit professionalisiert. Dabei bewegen sich Agenturen wie Fivestar im rechtlichen Graubereich – sie geben vor, „authentische Bewertungen“ zu liefern, „objektive Meinungen von echten Menschen“. Juristisch angreifbar aber ist der Käufer von Fake-Bewertungen. Er kann auf Unterlassung verklagt werden. „Dafür muss den Betrug aber erst einmal jemand bemerken“, sagt Obladen.

Wie der Kauf von Rezensionen läuft, zeigt ein Selbstversuch. Der Auftrag an die beiden Reviewanbieter AppSally und Five Star: je eine positive Rezension eines Bananenschneiders für 7,49 Euro bei Amazon. Kosten für eine positive Besprechung: 22,95 Euro bei Fivestar, 30 Euro bei AppSally, zu bezahlen gern per Paypal. Man darf in dem Auftrag seinen eigenen Text vorschlagen: „Dieser Bananenschneider hat mein Leben verändert. Kaufen Sie ihn, er ist sehr gut.“ Per E-Mail kommt wenig später die Bestätigung: Der Auftrag ist eingegangen und wird an einen „geeigneten Reviewer“ weitergeleitet.

18 Tage später ist die erste Bewertung online. Ein Kunde mit dem Namen „Wesa-moss“ hat fünf Sterne für den Bananenschneider vergeben. Nur den Text hat man geändert in: „Ich habe das von internet gekauft und es gefällt mir sehr gut und past gut.“ Drei Tage und ein paar Mailnachfragen später folgt auch das zweite gekaufte Höchstlob. Einfacher geht es kaum.

Auch die Stiftung Warentest hat jüngst mit absichtlich gefälschten Besprechungen das System entlarvt. Und festgestellt: Mittelgute Rezensionen akzeptieren die Agenturen nur selten. Vier oder fünf Sterne sollten es schon sein. Und die meisten Auftragstexte wurden geändert.

Die Sternchenhändler argumentieren, hinter ihren Rezensionen steckten schließlich echte Menschen. Immer wieder bewerten Gerichte die Praxis jedoch als „Schleichwerbung“ oder „irreführende geschäftliche Handlung“. Das Urlaubsportal Holidaycheck etwa, das zum Burda-Konzern gehört, klagte im November 2019 erfolgreich gegen die Agentur Fivestar, die Hoteliers Fälschungen anbietet. Der Konzern hatte ermittelt, dass ein einziger Rezensent innerhalb weniger Stunden 30 Hotels mit „sechs Super-Sonnen“ bewertet hatte.

In der Praxis aber nützt es wenig, dem Drachen den Kopf abzuschlagen, denn es wächst sogleich ein neuer nach. Schon im Oktober 2016 hatte Amazon Händlern verboten, Kunden im Gegenzug für eine Positivbesprechung kostenlos Waren zu überlassen. Das verlagerte die Jagd nach den Sternen nur in den Untergrund.

Bei Facebook finden sich Hunderte Gruppen, in denen fünf bis zehn Dollar pro Review angeboten werden. Mehrere dieser Gruppen – darunter der „Amazon Review Club“ – mit bis zu 50 000 Mitgliedern wurden jüngst geschlossen. Auch das nützte wenig. Denn der Nachweis, dass eine Rezension gefälscht ist, bleibt aufwendig.
„Amazon akzeptiert ausnahmslos nur authentische Bewertungen – wir entfernen gefälschte Rezensionen und gehen gegen alle an dem Missbrauch Beteiligten vor“, teilt ein Sprecher mit.

Mit „leistungsstarken Programmen des maschinellen Lernens und erfahrenen Prüfteams“ analysiere Amazon wöchentlich „mehr als zehn Millionen Rezensionen“.
Die Firma hat ein neues System eingeführt, bei dem Menschen für ein Produkt, das sie tatsächlich gekauft haben, sofort per Mausklick Sterne vergeben können. Die erhoffte authentische Sterneflut soll das Problem der Fake-Rezensionen kaschieren – eine Lösung ist das aber noch nicht.

Allein Amazon investiert pro Jahr angeblich 400 Millionen Dollar in den Kampf gegen Fake-Reviews. „Wir sind zuversichtlich, dass dieses Vorgehen Wirkung zeigt.“ Der Konzern hat dabei vor allem jene Verkäufer im Auge, die Amazon lediglich als Plattform nutzen. Im Februar 2019 hatte die Firma ein Grundsatzurteil am Oberlandesgericht Frankfurt erstritten, wonach gekaufte Bewertungen klar kenntlich gemacht werden müssen. In der Folge sperrte Amazon diverse Händler, die unter Betrugsverdacht standen. Auch das nützte wenig.

Rechtsanwalt Obladen vertritt zwar regelmäßig Onlinehändler – allerdings als Kläger, nicht als Beklagte. Denn auch Fake-Bewertungen echter Menschen sind ein Problem. Klagen wegen falscher Tatsachenbehauptung oder Schmähkritik sind die Regel – und haben meist gute Aussichten auf Erfolg. „Unsachliche Bewertungen zu verfassen, kann teuer werden“, sagt Obladen. Zwischen 500 und 2000 Euro zahlt der Verfasser meist allein an anwaltlichen Kosten. Hinzukommen können hohe Schadensersatzansprüche, wenn der Umsatz des betroffenen Händlers nachweisbar eingebrochen ist.

„Für Menschen, die fair spielen, ist es heutzutage sehr hart, überhaupt irgendetwas auf Amazon zu verkaufen“, sagte Tommy Noonan, Gründer des Testportals MetaReview.com, der „Washington Post“. „Wenn Ihr Produkt im Wettbewerb eine Chance haben soll, müssen Sie betrügen.“ Die Corona-Pandemie hat dieses Prinzip noch einmal beflügelt".

07.03.2020 10:08
Rohstoffe fairer nutzen: Jeder kann beitragen
Eine Expertenrunde diskutierte in Frankfurt am Main über Wege zu nachhaltigeren Smartphones. Ein Bericht von Joachim Wille (FR):

„Deutsche Schubladen sind eine Rohstoffquelle, nur: Kaum einer nutzt sie. Dort liegen nach Expertenschätzung über 120 Millionen alte Handys, die nicht mehr genutzt werden. Pro Haushalt sind es im Schnitt es drei bis fünf Geräte. Wertvolle Metalle und Mineralien finden sich darin, darunter 2,9 Tonnen Gold, 1100 Tonnen Kupfer sowie Stoffe wie Coltan, Kobalt und Palladium. Recycling oder Rückgabe an den Hersteller, so wie in anderen Ländern üblich, etwa Großbritannien oder den Niederlanden – meist Fehlanzeige. „Wir Deutsche haben ein mangelndes Ressourcenbewusstsein“, urteilt Cornelia Szyszkowitz, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der Deutschen Telekom.

Das Bewusstsein zu schärfen war Ziel der neuesten Ausgabe des „Forum Entwicklung“, einer Diskussionsserie, die Frankfurter Rundschau, hr-info und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Entwicklung (GIZ) veranstalten. „Smartphone ohne Schattenseiten?“ lautete der Titel des Abends, der passenderweise im Frankfurter Museum für Kommunikation stattfand. Die Zahlen, die das Problem umreißen: Rund 24 Millionen Smartphones werden in Deutschland pro Jahr verkauft, und 60 Prozent der Nutzer tauschen es nach nur einem Jahr bereits wieder gegen ein neues, moderneres Modell aus. In jedem Gerät stecken rund 60 Mineralien, von denen eine ganze Reihe „Konfliktmineralien“ sind, Rohstoffe, die aus Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo stammen und dort oft unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut werden.

Auch einen großen Netzbetreiber wie die Telekom treibt das Thema um. Szyszkowitz hat in dem Unternehmen ein Handy-Rücknahmeprogramm aufgebaut und durchgesetzt, dass inzwischen auch generalüberholte Geräte („refurbished“) angeboten werden sowie das „Fairphone“, das als nachhaltige Alternative zur Apple, Samsung und Co. gilt. Als anzustrebende Ziele nannte sie: Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit, Recyclingfähigkeit. Doch sie räumte ein: „Das ist noch weit weg vom Mainstream.“
Unter welch verheerenden Bedingungen die Rohstoffe vielfach gewonnen werden, machte in der Diskussion die Koordinatorin des Ökumenischen Netzwerks Zentralafrika, Gesine Ames, deutlich. Beispiel Kongo, wo Coltan und Co. zum großen Teil aus Kleinminen stammen: „Es gibt keinen geregelter Arbeitstag für die Minenarbeiter, eine hohe Unfallgefahr, und oft werden Kinder eingesetzt.“ Hier herrsche immer noch „Alarmstufe rot“. Trotzdem sei ein Boykott von Rohstoffen aus dem Kongo, die ein Fünftel zur Wirtschaftleistung des Landes beitragen, der falsche Weg. Dann breche für viele die Lebensgrundlage weg. „Nötig ist eine gerechte Rohstoffpolitik“, sagte Ames – ein Job für die Staaten, in denen Smartphones produziert werden. Eine Chance biete hier das in Deutschland debattierte Lieferkettengesetz.

GIZ-Experte Stefan Bauchowitz betonte: Ein Rückzug aus Ländern wie dem Kongo ist unsinnig. So seien allein im Süden des Landes bis zu 200 000 Menschen auf die Einkünfte aus dem Bergbau angewiesen. Ziel der GIZ-Arbeit vor Ort ist es daher, Hilfestellung zur Umsetzung internationaler Standards zu Menschen- und Arbeitsrechten sowie Umweltschutz zu geben. Die Entwicklungsorganisation schult lokale Bergbau-Kooperativen, zum Beispiel in Sicherheitsfragen, unterstützt die Erarbeitung einer nationalen Strategie gegen Kinderarbeit im Bergbausektor, begleitet die Zertifizierung von Minen, damit sichergestellt ist, dass es dort keine schweren Menschenrechtsverstöße und in ihrem Umfeld keine bewaffneten Gruppen gibt, die sich mit dem Rohstoffverkauf finanzieren. Handy-Materialien von dort sind zumindest „fairer“ als andere.
Nur zertifizierte Rohstoffe zu nutzen, reicht natürlich nicht.

Dass Hersteller tatsächlich viel mehr tun können, machte in der Diskussion Carsten Waldeck deutlich, der Co-Geschäftsführer und Mitgründer des alternativen Smartphone-Herstellers „Shift“ aus dem nordhessischen Falkenberg. Das per Crowdfunding finanzierte Familienunternehmen entwickelt, baut und verkauft modular designte Geräte. Deren Kennzeichen: langlebig, leicht reparierbar, Bauteile wie Akku, Display und Kamera vom Nutzer austauschbar, viele Jahre lang Software-Aktualisierung garantiert. Die Arbeiter, die die Smartphones in China produzieren, bekämen „faire Löhne“ und hätten bessere Arbeitsbedingungen als vielerorts in Deutschland. Das Credo der Firma laut Waldeck: „So viel Gutes tun, wie wir können, und keinen Schaden anrichten.“
Das Unternehmen aus dem „Silicon Valley in hessisch Sibirien“ (Moderator Tobias Schwab) hat 2019 laut Waldeck bereits 50 000 „Shiftphones“ verkauft, noch wenig im Vergleich zu den Großen im Geschäft, aber doch wegweisend. Chinesische Hersteller hätten bereits Entwicklungen von Shift kopiert. Das sei auch gewollt, sagte Waldeck, „unsere Technik ist frei verfügbar, wir haben keine Patente beantragt“.

Ein wenig hat die Veranstaltung in Frankfurt übrigens dazu beigetragen, dass die Rohstoffquelle Schublade genutzt wurde. Teilnehmer konnten alte Handys mitbringen, die nun recycelt werden. Es kamen immerhin rund 100 Geräte zusammen“.

Quelle: Frankfurter Rundschau 7. März 2020, S. 17

28.01.2020 12:12
Billigfleisch ist Unfairness gegen Tier, Mensch und Umwelt
Der ganz überwiegende Teil des von den großen Supermarktketten angebotenen Frischfleischs stamm laut Greenpeace von Tieren aus klimaschädlicher und tierschutzwidriger Haltung.

Dies habe eine Abfrage bei neun führenden deutschen Lebensmittelanbietern ergeben, teilte die Umweltorganisation am Samstag, den 26.1.2020, in Hamburg mit. Demnach seien 88 Prozent des Fleischs im Handel mit den Haltungsformen 1 oder 2 gekennzeichnet.

Laut freiwilliger Kennzeichnung des Handels entspricht die erste Haltungsform «Stallhaltung» lediglich den gesetzlichen Mindestanforderungen. Fleisch, das mit der Stufe 2 - «Stallhaltung plus» - gekennzeichnet ist, sichert Tieren unter anderem mindestens zehn Prozent mehr Platz und zusätzliches Beschäftigungsmaterial.
Tiere aus diesen Haltungsformen würden «unter qualvollen und häufig gesetzeswidrigen Bedingungen» gehalten. «Es ist erschreckend, wie viel Tierleid noch immer im Sortiment der Supermärkte steckt», sagte Stephanie Töwe, Landwirtschaftsexpertin von Greenpeace.

Billigfleisch schade Umwelt, Klima und Gesundheit. Der Handel müsse dieses Fleisch aus den Regalen nehmen.

Oft werden sehr niedrige Preise für Fleisch von Discounter und Supermärkten aufgerufen, um damit Kunden zu ködern und ins Geschäft zu locken. Wer Fleischqualität kaufen will, halte sich an die Siegel Bioland, Naturland und Demeter. Wer nicht, verzichte lieber, denn er tut sich selbst mit dem billig produzierten Fleisch aus Massentierhaltung keinen Gefallen.

07.01.2020 12:28
Du bist hier der Chef - neue Wege der Lebensmittel
"Du bist hier der Chef!" ist Teil einer internationalen Bewegung, die viele Verbraucher in Europa (und sogar noch ein bisschen weiter weg) anspricht. "Egal in welchem Land wir leben und einkaufen, teilen wir alle dieselben Werte und wollen sowohl die transparente Mitgestaltung von Produkten durch uns Verbraucher erreichen als auch die faire und gerechte Vergütung von regionalen landwirtschaftlichen Erzeugern fördern".

Die Idee – die Initiatoren schreiben:

„Wir sind eine Gruppe engagierter Verbraucher, die bei jeder Kaufentscheidung Verantwortung übernehmen will. Wir wollen die Kontrolle über unsere Ernährung zurückerlangen, indem wir zusammen den Kreations­prozess zu wertvollen, fairen und nachhaltigen Produkten von der Produktion bis hin zur Vermarktung selbst bestimmen und damit verantwortungs­­bewusstes Handeln stärken! So möchten wir unser Konsum­verhalten positiver gestalten und die Macht ausüben, die uns bei jeder Kauf­entscheidung zusteht.

Was bewegt uns?

Wir wollen wissen, wo unsere Lebensmittelprodukte herkommen, wie sie hergestellt werden, welche Qualitätsunterschiede dies bedingt. Tierwohl, regionale Produktion aus Deutschland und faire Vergütung für die Landwirte liegen uns am Herzen. Wir möchten erfahren, welche Konsequenzen unser Kaufverhalten hat. Wir wollen selbst entscheiden dürfen, was uns bei Lebensmittelprodukten besonders wichtig ist, wofür wir bereit sind, etwas mehr zu bezahlen, und zu welchem fairen Preis die Produkte verkauft werden sollen!

Die Idee unserer Initiative stammt ursprünglich aus Frankreich, wo seit Ende 2016 die von Verbrauchern kreierten Produkte unter der Verbrauchermarke "C’est qui le patron?!" im Lebensmitteleinzelhandel erfolgreich vermarktet werden.
Unsere Werte leben wir vor!

Transparenz
Wir zeigen auf, wer wir sind, was wir vorhaben und machen. Wir fordern das Gleiche von unseren Partnern, egal ob Landwirt, Produzent oder Händler!

Gleichheit
Wir wollen mit allen Verbrauchern und Partnern auf Augenhöhe zusammen­arbeiten und wertvolle, faire und nachhaltige Produkte und damit unsere Zukunft positiv gestalten.

Ethik
Wir sind bemüht, das Richtige zu tun und zu unterstützen! Wir bringen Landwirte, Hersteller und Händler zusammen und fördern Austausch und Dialog auf Augenhöhe, damit alle mit uns gewinnen!

Dialog
Kontroverse Diskussionen und unterschiedliche Meinungen sind erwünscht und ein wichtiger Treiber für unsere Initiative. In der Diskussion liegt die Lösung.

Vertrauen
Ohne geht es nicht. Wir glauben an das Gute im Menschen und handeln entsprechend.

Ehrlichkeit
Darunter verstehen wir Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit.

Verantwortung
Wir sind uns bewusst, dass wir mit jedem Kauf das System unterstützen, das sich hinter dem jeweiligen Lebensmittelprodukt versteckt. Indem wir den Entstehungs­prozess unserer Lebensmittel­produkte von Du bist hier der Chef! mitbestimmen, nehmen wir aktiv Einfluss auf die Qualität der Produkte, auf den Herstellungs­prozess und auf die Verteilung der Wert­schöpfungs­kette. Nach dem Motto: faire Produkte müssen für alle fair sein!

Wer macht was?

Die Verbrauchergemeinschaft bringt die Verbraucher zusammen, wählt die zu gestaltenden Produkte aus, gestaltet die Produkte und legt die Pflichtenhefte mit der Community fest, kontrolliert und garantiert die Einhaltung der Pflichtenhefte, sorgt für Transparenz und Fairness, sichert eine eigene Verbindung und Vernetzung zu den Verbrauchern, Ist die Stimme der Verbraucher bei gezielten Kommunikationsmaßnahmen.

Unsere Verbraucherinitiative wurde im Juni 2019 offiziell mit der Gründung des gemeinnützigen Vereins „Die Verbrauchergemeinschaft g.V.“ und der „Du bist hier der Chef!“ UG gestartet. Der Verein bringt die Verbraucher zusammen, definiert mit der Community die Ideal-Produkte und sorgt für Transparenz im Kreationsprozess und in der Wertschöpfungskette.

Die UG, die 5% des Verkaufspreises eines Produktes erhält, steuert die operative Umsetzung der Produkte und Ideen, entwickelt Onlineprojekte für die Verbraucher und finanziert die Initiative und das dafür benötigte Team. Außerdem führt sie Marktanalysen durch, konzipiert die Fragebögen, bereitet die Pflichtenhefte vor, sucht aus, begleitet und betreut die Partner, begleitet die Vermarktung der Produkte, sichert die Zusammenarbeit aller Akteure ab, entwickelt Onlineprojekte, stellt das benötigte Team zusammen und finanziert die Initiative.

Besondere Vorteile unserer Verbraucher-Initiative sind:

Die gewonnene Transparenz über den gesamten Entstehungsprozess eines Produkts, von der Konzeption über die Produktion bis hin zur Vermarktung.

Wir schaffen wieder Vertrauen in die Produktqualität und in die Menschen, die diese produzieren.

Wir zeigen auf, wo unser Geld hingeht und welche Veränderungen bei bewussterem Kaufverhalten möglich sind.

Die Wissensvermittlung zu den Produkten beim Ausfüllen des Fragebogens.

Die faire und gerechte Vergütung für die Landwirte, die eine 3-Jahre-Preis-Garantie erhalten.

Der empfohlene Verkaufspreis, der unsere Zahlungsbereitschaft als Verbraucher unterstreicht und eine faire Verteilung der Wertschöpfungskette garantiert.

Der Verzicht auf Werbung für unsere eigenen Produkte: wir setzen lieber auf die Kraft unserer Community und erzielen somit signifikante Einsparungen im Verbraucherpreis, die uns zugutekommen.

Die Vermarktung unserer Produkte unter der Verbrauchermarke „Du bist hier der Chef!“ im stationären Lebensmittelhandel.

„Du bist hier der Chef!“: das ist nicht nur unser Motto, sondern auch unsere Verbrauchermarke!

Was ist das Besondere daran? Sie ist viel mehr als nur ein Erkennungszeichen im Regal: sie hört unseren Wünschen zu, ­ sie folgt unseren Entscheidungen, sie gewährt uns transparente Einblicke in die Lebensmittel­­­produktion, sie bringt uns als Verbraucher zusammen und sie gibt unserem Konsumverhalten einen Sinn!“

"Alles zu 'Du bist hier der Chef'"


21.11.2019 10:59
Nur 30 % der Verbraucher kaufen nachhaltig & fair
„Das wichtigste Thema ist ein existenzsicherndes Einkommen“, sagt Rewe-Manager Dirk Heim. Doch: „Ich kenne keinen Kaffee, der das gewährleistet“, gibt der Mann zu, der bei der bundesweit vertretenen Supermarkt-Kette Bereichsleiter für Nachhaltigkeit ist.

Der Satz fällt am 19.11.2019 auf dem „Forum Entwicklung“, das von Frankfurter Rundschau, hr-iNFO und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) veranstaltet wird. Joachim Wille, Redakteur der Frankfurter Rundschau, schildert Verlauf, Argumente und Hintergrund:

„Kaffee, Tee, Kakao, Bananen – Standard-Produkte, die fast jeder im Supermarkt oder beim Discounter kauft. Kaum jemand, der das tut, ahnt, wie stark er damit die Lebenssituation der Kleinbauern und Landarbeiter mitbestimmt, die die Genussmittel und Früchte anbauen und ernten. „Das wichtigste Thema ist ein existenzsicherndes Einkommen“, sagt Rewe-Manager Dirk Heim. Doch: „Ich kenne keinen Kaffee, der das gewährleistet“, gibt der Mann zu, der bei der bundesweit vertretenen Supermarkt-Kette Bereichsleiter für Nachhaltigkeit ist. (…)

Gut findet Heim das, natürlich, nicht. Rewe arbeite daran, die Situation zu verbessern, berichtet er. Zum Beispiel in einem Projekt mit Kakaobauern in Westafrika für Fairtrade-Schokolade, die dadurch ein existenzsicherndes Einkommen erhalten sollen. Das würde den Menschen erlauben, sich gut zu ernähren, die Gesundheitsversorgung und Schule für die Kinder zu bezahlen und etwa Geld für Krisenzeiten zurückzulegen. Auch für Orangensaft gebe es ein solches Rewe-Projekt, berichtet Heim, nämlich in Brasilien. Die Bauern würden geschult, um ihre Löhne besser verhandeln und Pestizide sparsamer einsetzten zu können.

Allerdings räumt der Manager ein: Ein Unternehmen wie Rewe sei nicht in der Lage, so etwas für das gesamte Sortiment zu machen. Erstens wegen dessen Umfangs: „Wir haben noch 1000 Produkte vor uns.“ Und zweitens, „weil 70 Prozent der Kunden nach Preis kaufen“, wie Heim sagt, auch wenn sie in Umfragen angeben, nachhaltige Waren seien ihnen wichtig. Billigpreise und fair produzierte Lebensmittel – das beißt sich offenbar.
Wie kritisch die Lage ist, hat im vorigen Jahr ein Supermarkt- und Discounter-Test der Entwicklungsorganisation Oxfam gezeigt. Untersucht wurde, wie gut die Unternehmen darauf achten, dass bei der Produktion der bei ihnen verkauften Waren die Menschen-, Frauen- und Arbeitnehmerrechte eingehalten werden. Das ernüchternde Ergebnis: „Es gibt kaum ein Produkt ohne Menschenrechtsverletzungen“, so Oxfam-Referentin Franziska Humbert, die auf dem Forum mitdiskutiert. Die deutschen Unternehmen lagen dabei deutlich hinter der Konkurrenz etwa in den Niederlanden oder Großbritannien. Inzwischen bewege sich etwas, berichtet Humbert – „allerdings nur in Trippelschritten“. Bei Aldi gebe es inzwischen einen Menschenrechtsbeauftragten, und Rewe sei dabei, einen „Beschwerde-Mechanismus“ einzuführen.

Als großes Hemmnis sieht die Expertin jedoch die „Preispolitik“ der Einzelhandelskonzerne, die den Kampf um die Kunden vielfach mit Billigangeboten führen. Auch Nachhaltigkeits-Labels für Produkte wie die von UTZ oder Rainforest Alliance, die sich immer häufiger auf Kaffee, Schokolade und anderen Produkten finden, brächten wenig, sagte Humbert. Die Unternehmen dürften ihre Verantwortung nicht an solche Zertifizierungsorganisationen abschieben. Nötig sei ein „Lieferkettengesetz“, wie es derzeit hierzulande von Nichtregierungsorganisationen vehement gefordert wird. Es würde die Einzelhändler darauf verpflichten, auch im Ausland Menschenrechte und Umweltstandards zu achten, und Geschädigten ermöglichen, vor deutschen Gerichten gegen Verstöße zu klagen. Rewe-Manager Heim lässt an diesem Abend für ein solches Gesetz gewisse Sympathien erkennen.

GIZ-Expertin Maike Möllers spricht in dieser Debatte den Verbrauchern eine wichtige Rolle zu. Sie sollten sich vor dem Einkauf möglichst gut informieren. Die richtigen Produkte zu wählen, sei nämlich so „wichtig wie die Entscheidung an der Wahlurne“. Allerdings: „Sie können nur kaufen, was im Regal steht.“ Daher komme den Unternehmen die zentrale Rolle zu. „Sie müssen handeln.“
Möllers hält Nachhaltigkeitssiegel durchaus für wichtig, sie alleine reichten aber nicht. Die Einzelhändler müssten ihre eigenen Lieferketten selbst anschauen und verbessern. Zudem schlägt sie vor, das Dumpingpreis-Problem dadurch zu lösen, dass die Umwelt- und Sozialkosten in die Preise „internalisiert werden“, der Verbraucher also gar nicht in die Versuchung kommt, sich auf Kosten der armen Bauernfamilien in Entwicklungsländern schadlos zu halten – das freilich ist eine ferne Vision.

„Eine echte Drecksarbeit“

Sara Nuru fällt in der Diskussion die Rolle zu, alles zu erden. Die junge Schwarze mit äthiopischen Wurzeln, Model seit dem Gewinn von Heidi Klums Casting-Show GNTP 2009, aber auch Mit-Gründerin eines Kaffee-Start-ups in Berlin, weiß aus eigener Anschauung, wie das Lieblingsgetränk der Deutschen normalerweise produziert wird. „Das ist eine echte Drecksarbeit“, sagt sie, mit Jobs etwa von Tagelöhnern, oft auch Frauen, die im reichen Deutschland sicher niemand machen würde.
Nuru hat mit ihrer Schwester ein Unternehmen gegründet, das Kaffee aus einer äthiopischen Kooperative verkauft und dieser deutlich höhere Löhne ermöglicht – freilich auch zu deutlich höheren Preisen als im Supermarkt. „Man muss die Leute aufklären, wie normaler Kaffee entsteht“, dann seien sie auch bereit, mehr zu zahlen. „Die Nachfrage ist da.“ Doch auch Nuru glaubt, dass es alleine mit Freiwilligkeit nicht geht. Es müsse Gesetze geben, die Menschenrechte und Umwelt garantieren“.

"Joachim Wille (FR) über die Lieferkettenproblematik auf dem Forum Entwicklung"

28.06.2019 15:08
So unfair ist das Pfandsystem: Händler platzt wegen Aldi, Lidl und Kaufland der Kragen
Ein Großgetränkehändler und seine Mitarbeiter haben über 12 Wochen PET-Einwegflaschen und -dosen gesammelt. Dabei verkauft das Unternehmen nur Mehrwegverpackungen. Das Ergebnis ist schockierend. CHIP-Online-Redakteur Konstantinos Mitsis schreibt:

„Greifen Sie bei Aldi, Lidl oder Kaufland auch zu PET-Einwegflaschen? Etwa wenn Sie Coca-Cola oder Mineralwasser kaufen? Wo geben Sie diese Flaschen ab? Hans-Peter Kastner, Chef des Großgetränkehändlers Kastner, aus dem beschaulichen Vaihingen bei Stuttgart kennt die Antwort – und lässt in einem Facebook-Beitrag Dampf ab.

In einem offenen Brief beklagt der Stuttgarter Unternehmer über die Mentalität vieler Kunden. Obwohl sein Unternehmen keine PET-Einwegflaschen verkauft. "Wir verzichten bewusst in unserem Sortiment auf Einweg-Sprudel", heißt es im Beitrag. Und das obwohl der Marktanteil von PET-Produkten bei knapp 50 Prozent liege.

Über 10.400 Flaschen und Dosen kamen in drei Monaten zusammen. 52 Säcke mit jeweils 200 PET-Einwegverpackungen kamen zusammen. Das Foto des Plastikmüllberges stellte er vergangenen Montag ins Netz. Über 21.000 Menschen (Stand 20. Juni) haben den Beitrag bereits geteilt.

Facebook-Post zeigt unfaire Pfandregel
Ein Großteil der 10.400 Flaschen und Dosen stammt aus dem Einzelhandel. Vorzugsweise von Aldi, Lidl oder Kaufland. Statt die Produkte dorthin zu bringen, geben Kunden das Pfand einfach beim Großgetränkehändler ab. Er muss das Pfandgeld vorstrecken und zahlt dann auch noch eine Pauschale für die Entsorgung des Plastikmülls.

Bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von einem Euro pro Getränkepackung hätten Kunden also 10.400 Euro bei den "Freunden von Aldi, Lidl und Co." gelassen. Bei einem Gewinn von 25 Prozent macht das einen Erlös von 2600 Euro. Nur die Entsorgung des Pfands verlagern die Discounter an den Fachhändler – mithilfe der Kunden. Diese würden sich nicht in die Schlange vor den Pfandautomaten stellen. Der Händler bleibt auf den Kosten von 500 Euro für die Entsorgung sitzen.
Obwohl Kastner das Pfandgeld "irgendwann" von der sogenannten Clearing-Stelle zurückbekomme, müsse er 5 Cent pro Dose und Flasche abgeben. Im Preis enthalten: Abholung, Zählung, Lagerung und Entsorgung.
Kastner appelliert: "Umweltbewusster einkaufen"

Der Stuttgarter Unternehmer appelliert an seine Kunden und Nicht-Kunden. Sie sollten auf PET-Einwegflaschen verzichten oder sie direkt bei Aldi, Lidl oder Kaufland zurückgeben. Es sei unklar, was mit den Einwegflaschen passiere, die bei ihm landen. Lidl, Kaufland und Aldi erklären in Werbevideos zwar, dass ihre Flaschen und Dosen komplett recycelt werden. Allerdings gilt das eben nur für die Flaschen und Dosen, die in ihren Automaten landen.Kastner erklärt, in seinem Unternehmen gebe es "unzählige Produkten in Mehrwerggebinden, Mehrwegflaschen oder Zweiweg-Pet-Flaschen".
Die Hersteller könnten garantieren, dass die Flaschen zur Herstellung von neuer Verpackung verwendet werde und somit zu 100 Prozent recycelbar sei.Am Ende wird der Unternehmer emotional. "Wenn ich betriebswirtschaftlich an den Punkt komme, dass ich Plastikmüll verkaufen muss, um zu überleben, dann schließe ich meinen Betrieb. Denn ich habe kein Problem damit, meinen Kindern zu sagen, dass ich gescheitert bin. Ich habe aber ein Problem damit, meinen Kindern zu sagen, dass ich nichts gegen die Umweltverschmutzung getan habe"."

10.06.2019 16:24
Verbraucher an ethischem Konsum und Fairness desintessiert?
Die meisten Kunden sind nur am Produkt interessiert und nicht an den technischen und sozialen Merkmalen des Herstellungsprozesses, schreibt André Kieserling in der FAZ. Und thematisiert damit einen entscheidenden Aspekt, der in der Diskussion um fairen Handel meist untergeht. Ihn zu benennen, führt häufig zur Ratlosigkeit oder um Übergehen dieses Sachverhalts. Dieser Tunnelblick der Kunden wie übrigens auch der meisten Mitarbeiter in Betrieben kommt, so schreibt Kieserling, der Lernfähigkeit des Betriebes entgegen. Er kann über Themen wie Arbeitslohn oder Umweltschutz entscheiden, ohne dies mit der Kundschaft abstimmen zu müssen, und gewinnt so die Möglichkeit, geänderten Vorstellungen der Gewerkschaft oder des Gesetzgebers zügig zu folgen.

Kieserling: „Diese Indifferenz fällt dem Kunden leicht, solange er sich darauf verlassen kann, dass starke Gewerkschaften und ein starker Gesetzgeber dafür sorgen, dass Arbeitnehmerrechte und Umweltstandards beachtet werden. Bei Waren aus Entwicklungsländern ist das nicht gesichert. Hier greifen manche Kunden nur zu, wenn ein vertrauenswürdiges Zertifikat ihnen versichert, dass die Produkte aus moralisch und ökologisch korrekter Erzeugung stammen: keine Zwangs- oder Kinderarbeit, keine Verwendung giftiger Chemikalien und so weiter.

Man hat diesen Sondermarkt für zertifizierte Produkte bisher bevorzugt aus der Sicht dieser Kunden beschrieben. Aber was bedeutet er aus der Sicht der Betriebe?

Die Luzerner Soziologin Nadine Arnold ist dieser Frage nun im westafrikanischen Staat Ghana nachgegangen, und zwar am Beispiel des Anbaus von Ananas, die für den Schweizer Einzelhandel bestimmt sind. Kleinbauern und Großplantagen, die höhere Standards für Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz respektieren als von der lokalen Rechtsordnung verlangt, winken im Austausch dafür ökonomische Vorteile gegenüber den Konkurrenten vor Ort.
Nämlich feste, die Produktionskosten deckende Preise, langfristige, von kleineren Marktschwankungen unabhängige Vertragsbeziehungen zu den Abnehmern im Handel und schließlich finanzielle Unterstützung beim Bau von Schulen oder Krankenhäusern. Bezahlt werden diese Vorzüge aus dem höheren Preis, den die zertifizierten Produkte bei der moralisch anspruchsvollen Kundschaft erzielen.

Fairtrade-Produkte für unfaire Preise?

Zu den interessanten Ergebnissen der Fallstudie gehört, dass es offenbar viel mehr Ananas gibt, die jenen hohen Standards genügen, als man an den Fairtrade-Zertifikaten ablesen könnte. Ohne es zu wissen, kommen Kunden, die vor allem auf günstige Preise ansprechen, in den unentgeltlichen Genuss von Vorzügen, die ihnen nichts bedeuten. Wie ist das möglich?
Der opferbereite Kunde der fair gehandelten Produkte stellt sich die von ihm unterstützten Betriebe gerne so vor, als würden sie ausschließlich für Leute wie ihn produzieren.

In Wahrheit wird den zertifizierten Betrieben aber immer nur ein mehr oder minder großer Anteil ihrer Ernte zu Fairtrade-Bedingungen abgenommen, und der Rest geht an Händler, die den moralisch indifferenten Normalverbraucher bedienen.
Aus dessen Sicht bietet das korrekt hergestellte Produkt keinen zusätzlichen Nutzen, der einen höheren Verkaufspreis rechtfertigen könnte, und daher sind die ihn repräsentierenden Händler auch nicht bereit, sich an den höheren Produktionskosten für zertifizierte Früchte zu beteiligen, die dann eben unerkannt und zum Normalpreis im Supermarkt landen.

Wandernde Kundschaft

Von der Größe des fair gehandelten Ernteanteils hängt viel ab, denn wenn er unter eine bestimmte Schwelle sinkt, lohnen sich die immer erneut aufzubringenden Zertifizierungskosten nicht mehr. Da die Großabnehmer des Handels am liebsten mit Großanbietern verhandeln, sind es vor allem die Plantagen, die diesen Schwellenwert erreichen, während dies für Kleinbauern und ihre Kooperativen praktisch unmöglich ist.

Für kleine Betriebe, die den Standards nicht genügen, kann das Zertifikat daher kein Anreiz zu Umstellungen sein. Andere Betriebe genügen älteren Standards, die etwas Ähnliches abverlangt hatten, ohne es Fairtrade zu nennen. Sie könnten sich jederzeit umstellen, tun es aber nicht, weil sich die Zertifizierungskosten nicht lohnen.

Den Großbetrieben wiederum kann die moralisch empfindliche Kundschaft abhandenkommen – und mit ihr das Motiv, sich erneut um das Zertifikat zu bemühen. In einem der untersuchten Fälle entschied das Management darum, den einmal erreichten Standard zu halten und dies durch interne Kontrollen sicherzustellen, um jene Kundengruppe der ethisch Anspruchsvollen im Falle ihrer Rückkehr sogleich bedienen zu können, ihn aber nicht nochmals zertifizieren zu lassen, um die damit verbundenen Kosten zu sparen“. (siehe: Nadine Arnold, Die Produzenten in moralisierten Märkten, in: Zeitschrift für Soziologie 48 (2019), S. 70-91).

Dazu passt auch: Lidl ist mit dem Versuch gescheitert, die Konsumenten von der Fairtrade-Banane zu überzeugen: „Der Kunde kauft anders ein, als er redet“. Vom Sommer an gibt es wieder Bananen zum Einstiegspreis.

Der Discounter Lidl hat seine Pläne aufgegeben, nur noch fair gehandelte Bananen zu verkaufen. Erst im Herbst vergangenen Jahres hatte der Discounter ankündigt, als erster Einzelhändler in Deutschland nur noch fair produzierte Bananen zu verkaufen. Die Ziele waren groß: Lidl sollte der nachhaltigste Discounter in Deutschland werden. Dafür erntete der Discounter sogar Lob vom Bundesentwicklungsminister Müller auf der „Grünen Woche“ in Berlin.

So kommentierte Klaus Gehrig, Chef der Schwarz-Gruppe, auf einer Pressekonferenz: „Der Kunde kauft anders ein, als er redet“. Mit der fairen Banane würde Lidl kaum Gewinne machen. Rund 90-Prozent des Umsatzes würde noch immer über die konventionelle Frucht erwirtschaftet.
Kurz vor Ostern senkte Lidl seinen Preis für die fair gehandelten Bananen von 1,69 Euro auf 0,89 Euro. Auf Anfrage der F.A.Z. sagte der Konzern damals noch, dass er den „Kunden mit Hilfe von Preisaktionen eine Brücke“ bauen wolle, um „ihnen die Entscheidung für Fairtrade-Bananen zu erleichtern.“ Diese Brücke scheint nun abgebrochen.

Ergo: Fairer Handel ist und bleibt vermutlich noch lange ein Nischenmarkt. Auch wenn PR und wohlmeinende Reden einen anderen Eindruck machen wollen. Im Grunde ist der bisherige Erfolg, der durchaus ein Erfolg ist, wenn man die Ausgangssituation bedenkt, mager und zugleich eine Verpflichtung. Denn er ist erbärmlich angesichts der notwendigen fairen Produktions- und Handelsbedingungen, die über das Wohl von Mensch, Tier und Erde entscheiden. Dazu muss es politische und gesetzliches Rahmenbedingungen geben. Das kann der freie Markt und die Selbstverpflichtung nicht richten.

https://www.faz.net/aktuell/wissen/geist-soziales/fairtrade-ware-und-wechselndes-verbraucherverhalten-16206240.html

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/lidls-fair-gehandelte-banane-floppt-16192800.html



20.06.2017 11:51
Wie der Verbraucherschutz verbessert gehört
Die Verbraucherzentrale fordert im Bundestagswahlkampf von den Parteien:

DAMIT VERBRAUCHER DAS MEISTE VON IHREM GELD HABEN

1. Verbrauchern eine effiziente Altersvorsorge ermöglichen:
Ein Non-Profit-Altersvorsorgeprodukt einführen

2. Verbraucher bedarfsgerecht beraten:
Provisionen in der Finanzanlagenberatung und bei Finanzvergleichsportalen verbieten

3. Mehr Kostengerechtigkeit für Verbraucher bei der Energiewende durchsetzen:
Sinkende Rohstoff- und Großhandelspreise für Strom und Gas an die Verbraucher weitergeben

4. Verbraucher an der Energiewende beteiligen:
Energetische Sanierungsmaßnahmen steuerlich fördern

5. Gesetzlich Krankenversicherte vor steigenden Kosten schützen:
Zur paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zurückkehren

6. Pflegebedürftige Verbraucher finanziell entlasten:
Pflegeversicherungsleistungen regelmäßig anpassen

DAMIT DER VERBRAUCHERALLTAG EINFACHER WIRD

7. Verbrauchern einen schnellen Internetzugang ermöglichen:
Flächendeckende Breitbandversorgung bis 2018 mit mindestens 10 Megabit sicherstellen

8. Verbraucher beim vernetzten und automatisierten Fahren schützen:
Regeln festlegen und gesellschaftliche Debatte initiieren

9. Verbraucher vom Freihandel profitieren lassen:
Goldstandards für Verbraucherschutz im Freihandel schaffen

10. Verbrauchern zu dem Geld verhelfen, das ihnen zusteht:
Musterverfahren zur verbindlichen Feststellung von Zahlungsansprüchen einführen

11. Verbrauchererfahrungen bei der Marktbeobachtung berücksichtigen:
Marktwächter finanziell stabilisieren und ausbauen

DAMIT VERBRAUCHER SELBSTBESTIMMT ENTSCHEIDEN KÖNNEN

12. Verbraucher vor Diskriminierung in der digitalen Welt schützen:
Bewertungskriterien für Verbraucher offenlegen, Algorithmen für Aufsichtsbehörden nachvollziehbar machen

13. Verbrauchern zu mehr Vertrauen beim Lebensmitteleinkauf verhelfen:
Staatliches Tierwohllabel einführen

14. Verbraucher beim nachhaltigen Konsum unterstützen:
Staatliche Mindestanforderungen für sozial und ökologisch verantwortungsvolle Produktion etablieren

15. Verbraucher von klein auf fit für den Alltag machen:
Das Kooperationsverbot abschaffen und Verbraucherbildung fördern

Detailliert nachzulesen auf
"Forderungen der Verbraucherzentralen - Bundesverband Verbraucherzentrale"

09.03.2017 11:38
Unfaire Praxis der Lebensmittel-Markenprodukte?
Die Aufregung bei Konsumenten in osteuropäischen Ländern ist groß. Wie sich durch Studien herausstellte, werden den Konsumenten in unterschiedlichen europäischen Ländern unter den gleichen Markennamen höchst unterschiedliche Inhaltsstoffe angeboten. In der Slowakei fand das Landwirtschaftsministerium bei 22 internationalen Markenprodukten eklatante Unterschiede zwischen einzelnen Ländern. In der Slowakei verkaufte Wurst enthielt beispielsweise weniger Fleisch, dafür mehr Fett und Flüssigkeit als das westeuropäische Produkt der gleichen Marke. Eine Studie der Universität Prag im Auftrag einer EU-Abgeordneten hatte schon 2015 festgestellt, dass in Tschechien verkaufte Pepsi mit Sirup gesüßt wird statt wie in Deutschland mit echtem Zucker. In tschechischer Sprite steckte auch das billigere Süßungsmittel Aspartam. Tschechische Fischstäbchen von Iglo enthielten sieben Prozent weniger Fisch als deutsche.

„Bekommen Osteuropäer Nutella, Cola und Co. nur als Billig-Variante?“, fragt der Stern in seiner neuesten Ausgabe. „Politiker und Verbraucherschützer schäumen: Angeblich sind Lebensmittel internationaler Hersteller in Osteuropa von minderer Qualität. Auf jeden Fall unterscheiden sich die Rezepturen“. In gleicher Weise berichten auch die Nachrichtenagentur Reuters und der Süddeutsche Zeitung. Es heißt dort: „In Ungarn fanden Prüfer heraus, dass Waffeln in Österreich bedeutend knuspriger sind und Nutella viel cremiger ist als im eigenen Land“. Und „in tschechischen Fischstäbchen von Iglo ist sieben Prozent weniger Fisch drin“. Der tschechische Landwirtschaftsminister Marian Jurecka sagte, dass man sich als "Mülleimer Europas" fühle. Deshalb haben die vier Visegrád-Staaten Tschechien, Polen, Ungarn und Slowakei eine EU-Initiative verabredet. Der Druck auf Brüssel soll in der Causa erhöht werden. Ziel ist es, gegen unterschiedliche Rezepturen vorzugehen, solange sie denn einen angeblichen Qualitätsunterschied bedeuten. "Es darf keine EU-Bürger erster und zweiter Klasse geben", erklärte der slowakische Regierungschef Robert Fico.

Die Süddeutsche Zeitung stellt fest: „Für westliche Lebensmittelkonzerne wie den Nutella-Hersteller Ferrero oder den Sprite-Mutterkonzern Coca Cola ist der Vorwurf der Diskriminierung heikel. Dementsprechend zurückhaltend reagieren die Firmen bislang. Coca-Cola erklärte gegenüber einer tschechischen EU-Abgeordneten, die Entscheidung für die Süßung der Getränke obliege dem einheimischen Abfüller der Getränke. Die individuelle Rezeptur basiere auf örtlichen Geschmackstests - und Geschmäcker seien nun mal unterschiedlich. Im Übrigen sei die tschechische Rezeptur mit der in Spanien oder in den USA vergleichbar. Auch Ferrero beruft sich auf unterschiedliche Geschmäcker. In Frankreich sei Nutella beispielsweise flüssiger, damit Franzosen den Aufstrich besser auf dem weicheren Weißbrot verteilen könnten, erklärte die Firma.

Der Wiener Manner-Konzern bestritt hingegen, dass es Qualitätsunterschiede gebe. "Diese Vorwürfe stimmen einfach nicht für Manner", sagte eine Sprecherin der Firma der österreichischen Tageszeitung Die Presse. Es gebe nur ein einziges Rezept der Waffeln, eine Umstellung der Produktion für verschiedene Märkte erfolge nicht. "Aber es gibt natürlich Firmen, die das machen", so die Sprecherin.

Andere Firmen berufen sich auf die geringere Kaufkraft in Osteuropa: Da die Preise in Osteuropa geringer seien, könne die Qualität der Produkte nicht dieselbe sein. Doch dieses Argument trifft nicht überall zu. So ist zwar in Polen hergestelltes Nutella laut dem tschechischen Verbrauchermagazin dTest rund ein Fünftel günstiger als das deutsche. Hingegen ist Fleisch und Fisch laut der Studie der Universität Prag in Osteuropa häufig sogar teurer. Wegen der stärkeren Konkurrenz in Westeuropa seien viele Lebensmittel dort günstiger, sagte der Chef des slowakischen Verbraucherschutzverbands Miloš Lauko dem Deutschlandfunk. "Das Argument, die Qualität werde wegen der niedrigeren Preise reduziert, ist also falsch."

Rechtlich ist die Sache klar: Solange Hersteller die genauen Inhaltsstoffe auf der Verpackung angeben, ist eine unterschiedliche Zusammensetzung europarechtlich nicht zu beanstanden. Für Brüssel zählt allein eine korrekte Information der Verbraucher - neben der Sicherheit der Produkte. So bleibt auch bislang vage, was genau die Osteuropäer mit ihrem Vorstoß erreichen wollen. Laut einer Erklärung des tschechischen Premierministers Bohuslav Sobotka soll es darum gehen, dass innerhalb des EU-Binnenmarkts bei gleicher Verpackung eines Produkts die gleiche Qualität garantiert sein soll. Angesichts der komplizierten Herstellung von Lebensmitteln, die für verschiedene Länder häufig in unterschiedlichen Fabriken mit unterschiedlichen Lieferanten erfolgt, rechnen Experten der Initiative der Osteuropäer aber eher geringe Chancen aus.

Für Europa wiegt auf lange Sicht wohl etwas anderes schwerer: Ein großer Teil des Kontinents fühlt sich jeden Tag an der Supermarkttheke als Bürger zweiter Klasse. Das Image der EU dürfte dieses Gefühl bei vielen Osteuropäern eher nicht heben“.

Spiegel Online schreibt am 8.3.2017: "unabhängige Verbraucherschützer sind vorsichtig. "Das Problem existiert offenbar, allerdings sind die Untersuchungen der Behörden bisher nicht sehr gründlich", sagt die Umwelt- und Verbraucherrechtlerin Anikó Haraszti vom "Verein bewusster Konsumenten" (TVE) in Budapest. In welchem Ausmaß die Formel "gleiche Marke, schlechtere Qualität" stimme, lasse sich erst durch umfassende systematische Untersuchungen klären, die die Behörden vornehmen müssten, so Haraszti. Die Verbraucherschützerin weist jedoch auf ein ganz allgemeines Problem des osteuropäischen Lebensmittelmarktes hin: Das Angebot an billigen und schlechten Lebensmitteln voller Zusatz- und Konservierungsstoffe ist generell weitaus größer als in westlichen Ländern".

Konsumenten dürfen in europäischen Ländern erwarten, dass sie fair behandelt werden. Und nicht erst im kleingedruckten Klebeschild auf den Produkten lesen und dieses auch noch auf Produkten aus anderen Ländern vergleichen müssen. Konsumenten, die zu Markenware greifen, gehen von einer gleichbleibenden Qualität und Zusammensetzung der Inhaltsstoffe aus. Gerade darum haben die Marken ihre europäische Anerkennung als Marke. Die Markenproduzenten sägen an ihrem wichtigsten Ast: Markenorientierung der Verbraucher durch Markenversprechen.

"Die Süddeutsche Zeitung am 5.3.2017 Zu den Lebensmitteltricks der Markenproduzenten im europäischen Markt"

"Der Sternam 5.3.2017 zur Ungleichbehandlung der europäischen Verbraucher durch Markentricks"

12.12.2016 11:32
Dunkle Schokolade: bisweilen gesund und oft unfair
Dunkle Schokolade erlebt einen Boom. Weil es heißt, sie sei gesund, weil sie den Bluthochdruck minimal senke. Wegen der im Kakao enthaltenen Polyphenole. Gilt aber nur für einen Kakaoanteil von 80 % oder höher. Das ist nicht nur laut einer Pilot-Studie der Pharmakologen der Universität Köln offensichtlich so, sondern wurde von kanadischen und amerikanischen Forschern bestätigt. Und kann sogar gegen Husten helfen, was britische Wissenschaftler herausgefunden haben. Flavanole können Gefäßerkrankungen und damit Herzinfarkten vorbeugen. Bitterschokolade enthält auch weniger Zucker, ist kalorienärmer und macht schneller satt. Allerdings: was körperlich gesund ist und auch vielen Spaß macht, ist für viele Menschen weder lustig noch gesund. Denn in sehr vielen Schokoladenprodukten stecken Kinderarbeit und mörderische Arbeits- und Handelsbeziehungen. Je dunkler, desto gesünder: je höher der Kakaoanteil; für die Kinder- und Plantagenarbeiter gilt das nun gerade nicht. Und manche Bitterschokolade enthält mitunter zweifelhafte und riskante Stoffe, stellte Stiftung Warentest 2007 fest. Also Augen auf beim Schokoladenkauf. Fairer kaufen und produzieren ist besser als gedankenlos genießen und gleichgültig produzieren. Auch für die eigene Gesundheit.

Nicht nur zur Weihnachtszeit. „Die Deutschen sind auf die braune Süßigkeit besonders versessen“ schreibt Andreas Frey von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Und weiter: „Im Schnitt vertilgt jeder Bundesbürger mehr als neun Kilogramm Schokolade im Jahr. Übertroffen werden sie darin nur noch von den Schweizern mit mehr als zwölf Kilogramm“. Weil Schokolade bzw. Kakao ein Armutsprodukt aus der Sicht der Arbeiter ist, ist es gut, wenn jede vierte Tafel im Supermarktregal bereits ein entsprechendes Gütesiegel trägt, wie Frey schreibt. „In fünf Jahren sollen in Deutschland die Hälfte des Kakaos aus nachhaltigem Anbau kommen, verspricht die Industrie. Gemeint sind Zertifizierungen wie Utz, Fairtrade oder Rainforest Alliance. Diese Organisationen haben sich das Ziel gesetzt, die Bedingungen für die Kakaobauern zu verbessern und gleichzeitig die Umwelt zu schonen.

Doch steckt auch fairer Handel drin, wo fairer Handel draufsteht? (…) „was genau fällt unter Kinderarbeit? Die Internationale Arbeitsorganisation in Genf definiert sie als regelmäßige Erwerbsarbeit von Jungen und Mädchen unter 16 Jahren. Zudem spricht man von Kinderarbeit, wenn Minderjährige gefährlichen oder schweren Tätigkeiten ausgesetzt sind. Im Kakaoanbau sollen sie also nicht mit Macheten hantieren, keine Pestizide versprühen und auch keine schweren Lasten tragen. Leichte Arbeiten unter Aufsicht Erwachsener fallen hingegen nicht darunter, vorausgesetzt, dem Kind bleibt genug Zeit, eine Schule zu besuchen. So jedenfalls die Theorie.

Wie die Wirklichkeit aussieht, hat der dänische Journalist Miki Mistrati in den vergangenen Jahren mehrfach dokumentiert. Im Jahr 2010 spürte er im Norden des Landes verschleppte Kindersklaven aus den Nachbarländern Mali und Burkina Faso auf. Mit versteckter Kamera filmte er Schleuser, welche die Kleinen für ein paar Dollar über die Grenze bringen. Sein kanadischer Kollege Guy-André Kieffer musste solche Recherchen offenbar mit dem Leben bezahlen: 2004 wurde er entführt und ist seither verschollen.

Die Industrie reagierte mit Imagekampagnen und kooperiert seither mit Organisationen wie Utz und Fairtrade. Doch die Gesamtsituation hat sich dadurch nicht verbessert, wie eine Studie der Tulane University in New Orleans im vergangenen Jahr belegte. So habe sich die Zahl der auf Kakaoplantagen tätigen Kinder in der Elfenbeinküste in nur fünf Jahren sogar um 51 Prozent erhöht. Insgesamt schuften demnach schätzungsweise 1,3 Millionen Kinder auf ivorischen Farmen“. Die Zertifizierungsorganisationen kämpfen dagegen an. Das ist sehr aufwändig. Frey: „Aber reicht das, um von fairem Handel zu sprechen? Kann man eine Schokolade, auf der Logos wie das von Utz prangen, ohne Gewissensbisse genießen?

Daran gibt es durchaus Zweifel. Weil zertifizierter und nicht zertifizierter Kakao in der Fabrik vermischt werden, stecken in fertigen Riegeln nur ein paar Prozent faire Schokolade. „Solche Kakao-Zertifikate sind eine Mogelpackung und pure Augenwischerei“, findet Jens Klein, der sich bei der Berliner Handelsgenossenschaft Ethiquable für richtig fairen Handel einsetzt. Das Problem sei, dass der Begriff „fair“ im Gegensatz zu „bio“ keineswegs geschützt sei. „Auch jede Schokolade, deren Kakao von Kindersklaven geerntet wird, kann als ,faire Schokolade‘ deklariert werden“, sagt er.

Die Stiftung Warentest kam ((2007)) ebenfalls zu einem eher ernüchternden Ergebnis, was die Labels Rainforest Alliance und Utz betraf. Beide hätten nur eine mittlere Aussagekraft und weniger anspruchsvolle Kriterien. Gewinner des Tests waren Naturland Fair und Fairtrade. Ansonsten gilt, was die University of London schon vor zwei Jahren für Uganda und Äthiopien beschied: Der sogenannte faire Handel bewirkt weniger als oft behauptet. Und Schokolade macht bislang meistens nur glücklich, wenn man sie isst. Nicht wenn man sie anbaut“. Inzwischen hat sich einiges getan, doch es reicht nicht und braucht die Aufmerksamkeit und Konsequenz der Konsumenten.

Fazit: Beim Schokoladenkauf eher auf die Siegel Naturland Fair und Fairtrade achten. Dann stärkt man die Anstrengungen gegen Kinderarbeit und Ausbeutung. Und kann seine Schokolade eher genießen, weil die Kehrseite für andere nicht so bitter ist.

"Hintergrundreportage von Andreas Frey über die dunkle Seite der Schokolade"

"Über Kinderarbeit und Nachhaltigkeit in der Kakaoproduktion mit Hinweisen für Verbraucher"

"Stiftung Warentest: Manche Bitterschokolade hat auch für Verbraucher einen bitteren Beigeschmack"

16.09.2016 16:50
Fairer Handel 2016: da geht noch mehr. Muss.
Fair gehandelte Produkte – fairer Handel: da geht noch mehr. Vom 16. bis 30. September 2016 findet die 15. Faire Woche statt. Doch angesichts der Vielzahl der Siegel und Zertifikate für bio-, öko- und fairproduzierte und gehandelte Produkte sind die Verbraucher verwirrt. Und für die Produzenten und Arbeiter sowie Arbeiterinnen ist das teuer. Denn: wem nutzen diese Standards wirklich? Dieser Frage geht eine neue Studie der Entwicklungsexperten Rudolf Buntzel und Francisco Marí nach. Gefördert wurde sie von "Brot für die Welt".

441 Initiativen für eigene Standards hat die Europäische Union allein für Agrar- und Lebensmittel registriert, schreibt >>Die Zeit<<. Und weiter: „Wer soll da noch kapieren, was all die Großbuchstaben versprechen und ob sie es auch einhalten: von RSPO, MST, UTZ, BCI oder CMiA bis zu RFA, Global G.A.P., GAFTA und GACP-MAP.

Dieses Durch- und Nebeneinander prangert auch die Studie an. Aber sie nimmt dabei die Perspektive der Bauern, Straßenhändler und Konsumenten in den Herkunftsländern ein. Das Resümee ist provokant: "Gutes Essen – arme Erzeuger". Höchst unfreiwillig würden kritische Verbraucher zu Verbündeten einer Ernährungswirtschaft, die "mit Standards die Nahrungsmärkte beherrscht". Und die dabei Armut nur punktuell beseitige, argumentieren die Autoren.

Damit fällen sie kein Pauschalurteil. Besonders den Bio- und Fairtrade-Siegeln, aber auch anderen Regelsystemen bescheinigen Buntzel und Marí "einen positiven Einfluss auf die Produktionsweisen des Agrobusiness". Doch je mehr globale Handelsketten und Supermarktriesen mit eigener Herstellung ihre Rohstoffgrundlagen in Entwicklungsländern sichern und sich zugleich als nachhaltig profilieren wollen, desto mehr Marktmacht üben sie dort auch mithilfe ihrer Standards aus. Diese spalten die Welt auf neue Weise in die alte Nord-Süd-Rollenverteilung. Hier die Standardsetzer, dort die Standardnehmer.

Vor allem die Bauern bekommen vorgeschrieben, nach welchen Regeln sie zu produzieren haben – und das bedeutet auch: wofür sie haften, wenn es Probleme gibt. Mit den Standards wird das Risiko auf diese Weise verlagert – nach unten. Supermarktketten setzen Nahrungsmittelkonzerne unter Druck, diese ihre Rohstoffhändler, diese die Erzeuger. Schon heute sind Kleinbauern von den Regeln der Reichen oft überfordert; besonders, wenn sie sich nicht von einem einzigen Abnehmer abhängig machen wollen. Zwischen den laufend wechselnden Wünschen unterschiedlicher Ketten müssen sie sich ständig umorientieren. Jedes Label hat seine eigenen Anforderungslisten, Dokumentations- und Abrechnungssysteme. Laboranalysen für die Lizenz kosten hohe Gebühren.

Das alles lohnt sich nur, wenn man ausreichende Mengen liefern kann. Die Folge: Standards begünstigen jene Erzeuger, die ohnehin schon besser dran sind, weil sie über mehr Bildung und Land verfügen. Ein Zertifizierer drückte es bei einer Versammlung von Mitgliedern des weitverbreiteten Global-G.A.P.-Standards so aus: "Was machen wir hier? Wir wählen die Sieger aus." Aber was ist mit den Verlierern?

Die Autoren weisen nach, dass hohe Standards deren Lage oft doppelt erschweren. So können die geschlossenen Lieferketten der Supermärkte auch die lokalen Großhändler schwächen und damit alternative Abnehmer. Informelle Märkte werden auch entwicklungspolitisch vernachlässigt. Dabei ernähren gerade sie in vielen Ländern die große Mehrheit der Menschen. Am Ende leiden nicht nur arme Erzeuger unter den Standards, sondern auch arme Verbraucher.

Buntzel und Marí wollen das janusköpfig gewordene Instrument retten und verbessern. Staaten müssten Mindestansprüche für die privaten Zertifizierungssysteme festlegen, fordern sie. Zuerst national: Ein Schritt in die richtige Richtung könnten die nationalen Siegel werden, um die sich der deutsche Agrarminister gerade beim Palmöl und der Entwicklungsminister bei Textilien bemühen. Am Ende aber global: Nötig seien weltweite ‚Standards für Standards‘.“

Ferner: Der faire Handel ist in dem Maße gewachsen, wie Kriterien für Siegel und Zertifikate absenkt oder gemildert wurden. Das macht fairen Handel zu einer Definitionssache je nach Anbieter. Hinzu kommt die oft fehlende Transparenz der Preiszusammensetzung von Produkten des Fairen Handels: Für den Verbraucher ist oft nicht genau nachzuvollziehen, wer in der Wertschöpfungskette welchen Anteil an den Mehrpreisen erhält. Die Preisdifferenz fair gehandelter Produkte im Vergleich zu konventionell gehandelten sei deutlich höher als der Mehrbetrag, den die Produzenten erhalten – der übrige Teil werde teils von Einzelhändlern abgeschöpft, teils mit den Verwaltungs- und Kontrollkosten der Organisationen erklärt, was jedoch von außen schwer nachzuprüfen sei. Auch wird die Struktur der Wertschöpfungsketten von Süd nach Nord kaum berührt.

Aus ökonomischer Sicht wird kritisiert, dass der Preis nicht mehr vollständig durch Preisbildungsmechanismen gesteuert wird, sondern von Organisationen teilweise festgesetzt wird. Da ein gerechter Preis nicht objektiv feststellbar sei, sei der festgesetzte Preis willkürlich. Weiterhin bestehe die Gefahr von Korruption und Ineffizienz, weil der Erfolg der Produzenten nicht länger von ihrer Produktivität, sondern von der Mitgliedschaft in einer fairhandelszertifizierten Organisation abhängt.

Eine von manchen Befürwortern des Fairen Handels – insbesondere von Vertretern des „Alternativen Handels“ – geäußerte Kritik besagt, dass der Faire Handel durch die zunehmende Ausrichtung auf Massenmärkte und die Zusammenarbeit mit großen Konzernen Gefahr laufe, sich von seinen ursprünglichen Zielen und Idealen zu entfernen. Innerhalb der Fairhandelsbewegung gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, ob der faire Handel auf möglichst hohe Marktanteile und Umsätze abzielen oder sich auf eine kleine, jedoch effektive Marktnische beschränken sollte. Die internationale Clean-Clothes-Kampagne etwa setzt nicht darauf, einzelne Produkte mit Gütesiegeln zu kennzeichnen, sondern möchte die Einhaltung fairer Arbeitsbedingungen in der gesamten Bekleidungsindustrie erreichen.

Im Jahr 2014 stellte die Stiftung Warentest fest, dass der Orangensaft „Fairglobe“ von Lidl, welcher das „Fairtrade“-Logo trägt, keinesfalls unter als fair zu bezeichnenden Bedingungen hergestellt wurde. Vielmehr bekam die Plantage ein „mangelhaft“ für die Arbeitsbedingungen und den Umweltschutz.

Wissenschaftler der University of London fanden heraus, dass in Betrieben mit Fairtrade-Label in Uganda und Äthiopien Löhne zum Teil niedriger und Arbeitsbedingungen schlechter waren als in Betrieben ohne Fairtrade-Label. „Laut unseren Untersuchungen war Fairtrade kein effektiver Mechanismus, um das Leben der ärmsten Landbevölkerung, der angestellten Arbeiter, zu verbessern“, sagte Studienautor Christopher Cramer dem Guardian.

Die Autorin Sina Trinkwalder nannte in ihrem Buch Fairarscht ein Beispiel für ein fragwürdig produziertes „faires“ Produkt, einen Pfefferminztee, den der deutsche Entwicklungsminister auf einer Vorlesung getrunken hat, um ihn als ein erfolgreiches Produkt des fairen Handels zu nennen. Dieser Pfefferminztee stamme aus einen „fairen“ Betrieb aus Ägypten, der für gute Arbeitsbedingungen sorgen solle. Die Autorin kritisiert den Anbau in Ägypten, da Pfefferminze in Deutschland und anderen deutschsprachigen Staaten „an jeder Ecke wächst“. Außerdem würden für den Anbau in Ägypten große Wassermengen benötigt, die dortigen Anbaubedingungen seien darüber hinaus fragwürdig weil die Pfefferminze müsse importiert werden, wobei der Transport weitere Treibhausgase aussetze.

Die Möglichkeiten des Fairen Handels, Ungerechtigkeiten im internationalen Handel zu beseitigen, sind begrenzt. Dazu bedarf es struktureller Veränderungen, die der Faire Handel benennt und einfordert. Vordringlich aber müsste er sich um Klarheit in seinen eigenen Reihen und in der Vergabe seiner Siegel und Zertifikate kümmern. Derartiger Wildwuchs ist nicht wirklich fair. Da geht noch mehr. Qualitativ. Muss.

Quellen:
"Gutes Essen - arme Erzeuger. Wie die Agrarwirtschaft mit Standards die Nahrungsmärkte beherrscht

"Die ZEIT über Faire Trade"

"Fairer Handel: Geschichte, Strukturen, Erfolge, kritische Aspekte"

"Faire Woche 2016"

09.06.2016 11:56
Bananen und Ananas - lecker, günstig, aber auch fair?
In Supermärkten und bei Discountern liegen sie und werden viel gekauft: Bananen und Ananas. Sind die günstigen Bananen und Ananas denn fair produziert? Dieser Frage ist die Nichtregierungsorganisation Oxfam nachgegangen. Oxfam besuchte hierfür Bananen- und Ananas-Plantagen in Costa Rica und Ecuador. Oxfam stellt fest: Faire Arbeitsbedingungen finden sich auf diesen Plantagen nicht.

Ole Plogstedt (Koch und Kampagnen-Botschafter „Make Fruit Fair!“ von Oxfam) trieb bei seiner Reise im Januar 2016 nach Ecuador die Frage um: „Jede/r isst Bananen und sie kosten in unseren Supermärkten einen Spottpreis – dabei reisen sie um die halbe Welt bis zu uns. Wer zahlt eigentlich den Preis für die billigen Bananen?“.

Die zugehörige Antwort sei leider ganz einfach: „Es sind die Bananen-Arbeiter/innen. Während Supermärkte, Händler und Frucht-Firmen ihren Schnitt machen, verdienen die Plantagen-Arbeiter/innen in Ecuador so wenig, dass ihre Familien unter der Armutsgrenze leben müssen. Und das bei Arbeitszeiten von bis zu zwölf Stunden am Tag. In das Ausbeutungssystem von Hungerlohn und unbezahlten Überstunden reihen sich noch weitere Missstände ein: keine Arbeitsverträge, keine Anmeldung im Sozialsystem, unbezahlter Urlaub, Arbeitskleidung und Werkzeuge werden nicht gestellt. Da bleibt einem die Banane im Hals stecken“.

Laut Plogstedt würden weiterhin Gewerkschafter gefährlich leben und müssen „mit Repressalien – von Entlassung bis hin zu Morddrohungen – rechnen“. Aber auch unter den Arbeiter/innen gelte: „Wer aufmuckt, wird schnell entlassen, landet auf der schwarzen Liste und kriegt nie wieder einen Job im Bananen-Sektor. Die Arbeiter/innen hatten alle enorme Angst, ihren Job zu verlieren. Schon mit uns zu reden, war ein Risiko. Ihre Chefs sollten von unseren Treffen nichts mitkriegen. Klar, dass die meisten nicht wollten, dass wir sie fotografieren oder ihren Namen nennen“.

Erschüttert zeigt sich Plogstedt beim Thema Arbeitssicherheit auf den Bananen-Plantagen. Laut Aussage von Arbeiter/Innen würden die Bananen regelmäßig „per Flugzeug mit Pestiziden gegen Schädlinge und Pflanzenkrankheiten besprüht, ohne Rücksicht auf die Arbeiter/innen. Mehrere Arbeiter/innen haben erzählt, dass sie teilweise beim Mittagessen sitzen und ihnen das Essen auf dem Teller verpestet wird. Oder sie arbeiten in der Plantage und bekommen den Giftnebel voll ab. Bei nur einigen wenigen Unternehmen werden die Arbeiter/innen vor dem Pestizid-Einsatz informiert. Aber da die Bezahlung nach Akkord erfolgt, arbeiten sie trotzdem weiter, weil sie sich den Verdienstausfall nicht leisten können“.

Oxfam spricht hierbei von „Pestizidvergiftungen [...]. Neben z. B. starkem Kopfweh, Hautausschlägen, massiven Pigmentstörungen, Krankheiten der inneren Organe und blutigem Erbrechen wirken sich die Gifte auch auf das Erbgut aus. In den Bananen-Provinzen kommen deswegen besonders viele Kinder mit Behinderung zur Welt. Leider gibt es zu wenig wissenschaftliche Studien, um die Bananen-Unternehmen dafür zu belangen“.

Oxfam weist darauf hin, dass unter den betrachteten Plantagen auch welche seien, die durch die Rainforest Alliance zertifiziert würden. Rainforest Alliance, welche im Vorfeld von Oxfam informiert wurde, gibt an, Untersuchungen eingeleitet zu haben, um die Vorwürfe zu prüfen.

Oxfams Hauptkritik richtet sich an den deutschen Einzelhandel. Aldi, Lidl, Edeka, Rewe und Co. würden durch ihre Preispolitik solche gefährlichen und unfairen Arbeitsbedingungen begünstigen und mitverantworten. „So sind etwa die Importpreise für Ananas trotz steigender Produktionskosten zwischen 2002 und 2014 um rund 45 Prozent gesunken. Dies trägt dazu bei, dass traditionelle Ausbeutungsstrukturen in den beiden Ländern noch verschärft werden, die Löhne der Plantagenarbeiter/innen weder in Costa Rica noch in Ecuador für den Lebensunterhalt einer Familie ausreichen und immer noch prekäre Arbeitsverhältnisse vorherrschen“.
„Während Supermarktketten das Aussehen der importierten Früchte penibel kontrollieren und beim kleinsten Makel ganze Lieferungen nicht annehmen, spielen laut Oxfam soziale und ökologische Kriterien für sie eine deutlich geringere Rolle“.

Autorin: Jolanda Humml-Butera

Es gibt Alternativen. „Banafair“ z.B. und „TransFair“-Bananen. Augen auf beim Früchtekauf.

"Zur Oxfam-Untersuchung über süße Früchte - bitte Wahrheit"

"Ole Plogstadt: Wie Bananen-Arbeiter/innen behandelt werden, macht mich wütend"

"Zur Kampagne 'Make Fruit Fair'"

"Trotz Siegel kann Obst im Supermarkt unfair sein"

"Fair produzierte Bananen - empfohlen von >>Brot für die Welt<<"

"WWf-Jugend empfiehlt: weniger Ananas verzehren, weil diese auch mit Siegel gelegentlich nicht fair produziert werden, aber gleichwohl immer auf FaireTrade und Bio-Siegel achten"

"Alle genannten und wichtigen Lebensmittelhandelsketten hier im Fairness-Check mit Fakten und Hinweisen"

15.12.2015 15:33
Und zu den Festtagen was Faires? Augen auf beim Weihnachtskauf!
Augen auf beim Weihnachtskauf. Der Konsumrausch zu Weihnachten macht blind für die Unfairness. Viele Produkte werden in unfairen Bedingungen hergestellt auf dem Rücken der Arbeiterinnen und Arbeiter.

Ein Zwanzigtausendstel erhalten Arbeiter von dem Spielzeug, das aus China massenhaft bei uns gekauft wird. Färbe- und Giftstoffe werden oft ungefiltert in die Flüsse geleitet; die Arbeiter tragen dabei weder Schutzhandhandschuhe noch Atemmasken.

Die Bauern bei uns stehen überwiegend mit dem Rücken zur Wand. Dabei hält Greenpeace-Agrarexperte die Klage des Deutschen Bauernverbandes über die rückläufigen Preise und Einnahmen der Bauern für „Gejammer“ und „heuchlerisch“. Denn der Verband „hat selbst dafür gesorgt, dass viele Landwirtschaftsbetriebe heute mit dem Rücken zur Wand stehen. Mengen- und Preisregulierungen wie die Milchquote baute die Politik auf Anraten des DBV ab. Die Tierhaltung wurde – unterstützt durch den Bauernverband – in den vergangenen Jahren extrem intensiviert, die Erzeugerpreise sind daraufhin in den Keller gerauscht. Die einseitige Ausrichtung auf Billigproduktion und Exporte unter Missachtung von Umwelt- und Tierschutz rächt sich schneller als gedacht. Die Welt hat nicht auf Schweinebäuche und billiges Milchpulver aus Deutschland gewartet.
Angesichts des voranschreitenden Klimawandels ist eine Abkehr von der industriellen Fleisch- und Milchproduktion notwendiger denn je. Weniger und dafür hochwertiger Lebensmittel zu produzieren, wäre wesentlich für Umwelt und Natur und rechnete sich auch für die Landwirte.” Merke: Produkte aus öko-sozialer Landwirtschaft sind fairer; Deregulierung hilft weder Natur noch Tier noch Mensch.

Es gibt nicht nur einen Abgas-Skandal in der Autobranche, sondern auch einen Stromverbrauchsskandal in der Elektrobranche. Denn viele Elektrogeräte geben Verbrauchswerte an, die unter Labor- und nicht unter Alltagsbedingungen erzielt werden. Im Alltagsgebrauch jedoch sind die Werte dann bisweilen meilenweit von den schönen grünen Verbrauchsangaben entfernt.

Und „die Globalisierung des Schuhhandels führte zu einer Auslagerung der Produktion in sogenannte Niedriglohnländer, wo die Schuhe häufig unter sehr schlechten sozialen und ökologischen Bedingungen hergestellt werden“ schreibt das Südwind-Institut. Unternehmen und Politik stehen in der Verantwortung, diese Bedingungen zu verbessern. Dazu gehören insbesondere die Zahlung von existenzsichernden Löhnen sowie die Abkehr von der Verarbeitung chromgegerbten Leders.
Darüber hinaus müssen sich Unternehmen und Politik aktiv in Initiativen für öko-soziale Standards engagieren, die zum Ziel haben, Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Schuhen zu schaffen – von den ersten Produktionsschritten, wie der Ledergerbung, an, bis hin zum Ende der Wertschöpfungskette, wenn die Schuhe im Laden verkauft werden. SÜDWIND setzt sich mit der Kampagne Change Your Shoes für faire und sichere Arbeitsbedingungen in Gerbereien und Fabriken sowie für die Zahlung von existenzsichernden Löhnen in der gesamten Schuh- und Lederproduktion ein“.

Überhaupt Leder: Wenn dafür eigens Tiere gezüchtet und gemetzelt werden, ist Leder extrem fragwürdig und tierfeindlich. Eine Kennzeichnungspflicht, von welchem Tier ein Lederprodukt stammt, aus welchem Land, oder wie es verarbeitet wurde, gibt es bei uns nicht. Deshalb ist es schwierig für den Kunden, sich im Vorfeld zu informieren. Dasselbe gilt für Pelze - an Kapuzen ist der Besatz auch groß in Mode. Nirgends wird dokumentiert, woher die Pelze kommen. Millionen Tiere werden eigens für diese Mode gezüchtet und getötet, obwohl den Käufern oft noch nicht einmal klar ist, dass es sich um echten Pelz handelt. Dabei wird auch der oft mit Chemikalien behandelt.

Also: Achtung auf beim Weihnachtskauf. Denn Fairness ist in der Herstellung von Produkten eher die Ausnahme, nicht die Regel. Daher braucht es Verbraucher, die clever einkaufen, ethisch orientiert, mitdenken und Wert legen: auf die Gesundheit der produzierenden Arbeiter, der Verkäufer und nicht zuletzt auf die eigene Gesundheit. Fairness also zu anderen und zu sich selbst.

"Über die dunkle Spielzeug-Macht schreibt die Badische Zeitung"

"Die selbst geschaffene Krise der deutschen Landwirtschaft"

"Alltagsferne Elektrogerätetests"

"Prüfe Deine Schuhe auf Sozialraub und auf Gift für Deine Haut"

"Wie fair können Schuhe produziert sein?"

"Einladung zum kritischen Konsum"

30.11.2015 14:03
Wegwerfartikel Mode: unfair zu Mensch und Natur
Vierzig Prozent ihrer Kleidung tragen die Deutschen selten oder nie; jeder Achte trägt seine Schuhe weniger als ein Jahr. „Mode ist zum Wegwerfartikel verkommen und genauso kurzlebig wie Plastiktüten oder Einweg-Geschirr. Das geht zu Lasten der Umwelt und Gesundheit, denn die Kleidung wird mit Hunderten giftiger Chemikalien produziert“, sagt Kirsten Brodde, Textil-Expertin von Greenpeace. Dieses Bild vom kurzlebigen Umgang der Deutschen mit Mode zeichnet eine repräsentative Umfrage, die Greenpeace beim Institut Nuggets unter 1011 Personen zwischen 18 und 69 Jahren im September 2015 in Auftrag gegeben hat.
Kleidung muss demnach nicht mehr lange halten, sondern vor allem den schnell wechselnden Trends folgen. Knapp zwei Drittel sortiert Kleidung aus, wenn sie nicht mehr gefällt; ein Drittel will einfach Platz schaffen im Schrank. In das Bild passt, dass das Reparieren aus der Mode gekommen ist: Etwa die Hälfte der Deutschen hat noch nie Kleidung zum Schneider gebracht. Über die Hälfte der 18-29-Jährigen war noch nie beim Schuster. Die meiste Kleidung landet im Müll oder der Kleidersammelbox.

Alternativen wie tauschen, leihen oder verkaufen sind für die große Mehrheit noch immer sehr exotisch: 83 Prozent der Deutschen haben noch nie Kleidung getauscht, zwei Drittel noch nie welche verliehen, über die Hälfte noch nie Kleidung weiter verkauft. Am ehesten geben die Deutschen Kleidung im Bekanntenkreis weiter. „Um den Kleiderkonsum zu drosseln, müssen die einfachen Alternativen Tauschen und Teilen zur täglichen Routine werden wie Zähneputzen“, sagt Brodde. „Angebote dafür gibt es genug – sei es die Tauschbörse im Internet, der Flohmarkt oder die Kleidertauschparty um die Ecke.“

Gebraucht statt neu kaufen, reparieren statt wegwerfen, zertifizierte Mode statt billiger Massenware. Nur so kann die Vergiftung der Wasserressourcen vor allem in den asiatischen Produktionsländern gestoppt werden. Das müsste die Kaufdevise sein. Doch es geht sogar noch ärger in die falsche, entgegengesetzte Richtung.

Lesara, der erste Discounter für Billigkleidung und Haushaltswaren, der ausschließlich im Netz verkauft, will den umkämpften Markt kräftig aufmischen, schreibt dazu der Spiegel. „Lesara ist das logische Ergebnis einer langen Entwicklung. Seit Jahren kauft die Kundschaft weniger in Innenstädten und mehr im Internet, Deichmann konkurriert mit Zalando, Amazon legt sich mit Saturn und Thalia an. Mit Lesara gibt es nun auch eine Antwort des Internets auf Tchibo und neue Konkurrenz für C&A und Pimkie. Entsprechend selbstbewusst streut Lesara die Botschaft, den E-Commerce-Markt nachhaltig verändern zu wollen.

Das Geschäftsmodell ist ausgerichtet auf hohe Effizienz, niedrige Preise - und gleicht einer Mixtur der umstrittenen Erfolgsrezepte von Primark, Kik und Amazon: Das 150-köpfige Lesara-Team kauft Billigware bei 1500 Lieferanten vor allem in China und schickt sie dann per Luftpost nach Berlin und Staufenberg bei Kassel. Dort werden die Hosen, Messerblöcke und Armbänder sofort in schlichte Tüten gepackt und zu den Kunden gesendet. (…)
Dabei spart das Unternehmen, wo es nur geht. Statt mit eigenen Designern etwa arbeitet Lesara mit Suchmaschinen und recherchiert bei Facebook oder Instagram: Im Netz oder bei der Konkurrenz angesagte Schnitte, Farben, Muster werden an die Lieferanten weitergeleitet, prompt geht die gewünschte Ware in Produktion. In eigene Entwürfe fließt also kein Geld, und nachbestellt wird nur, was sich gut verkauft. Keine Zwischenhändler und Großlager, kein Marketing, keine Saisonkataloge. Verkauft wird, was die Masse will - zu Preisen, die sie zu zahlen bereit ist. Turbokapitalismus wie aus dem BWL-Lehrbuch. (…)

Zur Kritik daran, dass fast das gesamte Sortiment aus Asien kommt, sagt der Unternehmensgründer Roman Kirsch: „Es gibt kein Produktionsland, das unumstritten ist“. „Das stimmt so allerdings nicht - zumal seit Langem bekannt ist, dass die Produktionsbedingungen in asiatischen Textilfabriken oft unmenschlich oder gar lebensgefährlich sind. Kirsch verweist auf einen verpflichtenden Verhaltenskodex für Kooperationspartner und sagt, chinesische Sozialstandards seien "fast eins zu eins eine Kopie" deutscher Regelungen. Außerdem würden seine Mitarbeiter in China darauf achten, nur mit fairen Arbeitgebern zusammenzuarbeiten.

Lesara lässt seine Produkte trotz der vielen Berichte über die schwierigen Bedingungen für Arbeiter in mehr als tausend chinesischen Fabriken herstellen. Denn das Land, immerhin weltgrößter Textilexporteur, garantiert niedrige Produktionskosten sowie überschaubare Umweltschutzauflagen. Dabei sind die Folgen dramatisch: Zwei Drittel der chinesischen Gewässer sind vergiftet, vor allem mit Chemikalien aus der Textilindustrie. Zugleich lechzt Europa nach billiger Massenware. 4,3 Millionen Tonnen Kleidung landen hier auf dem Müll - pro Jahr. Dass jedes Kilo Baumwolle bei der Herstellung 10.000 Liter Wasser verschlingt - egal.

Natürlich ist Lesara nicht allein verantwortlich für solche Missstände, und der Hunger der Massen nach Billigkleidung ist kein neues Phänomen. Doch das Start-up treibt diese Entwicklung auf die Spitze - angetrieben von einer weitverbreiteten Gleichgültigkeit beim Shoppen. Der Großteil der meist weiblichen Lesara-Kunden ist laut dem Start-up zwischen 25 und 65 Jahre alt, und eine kritischere Generation wächst nicht nach: 96 Prozent der Jugendlichen wissen laut einer repräsentativen Greenpeace-Studie von den unwürdigen Arbeitsbedingungen in der Modeindustrie - aber nicht einmal jeder Achte hat demnach sein Kaufverhalten verändert“, schreibt der Spiegel.

Praktizierte Unfairness gegenüber Natur und Fachkräften. Jämmerliche Praxis. Es geht besser. Das zeigt die Trägerin des Deutschen Fairness Preises 2015 Sina Trinkwalder mit ihrer Firma manomama.

Hintergrund und Bonus-Material:

"Textilgeschäfte im Fairness-Check"

"Händler Lesara gruselt mit Billigstkleidung"

"Greenpeace über Wegwerfkleidung"

"Trinkwalders manomama und die faire Kleidung"

20.11.2015 15:20
Wie Kleidung Textilarbeiter ruiniert - und was wir tun können
Mehrere hundert Textilarbeiter haben in sieben verschiedenen Textilfabriken Kambodschas in zwei Tagen Ohnmachtsanfälle erlitten. Verantwortlich wird dafür ein auf nahe gelegenen Reisfeldern versprühtes Insektenschutzmittel gemacht, wie die Nachrichtenagentur AFP und weitere Medien unter Berufung auf Regierungsangaben melden.

Rund 250 Beschäftigte klagten am Freitag in sechs Textilfabriken in einem Industriegebiet nahe der Hauptstadt Phnom Penh über Übelkeit oder wurden ohnmächtig. Bereits am Donnerstag hatten 119 Arbeiter in einer Spielzeugfabrik in dem Industriegebiet Ohnmachtsanfälle erlitten, wie die Behörde für Soziale Sicherheit (NSSF) mitteilte. Auch hier sollen auf den Feldern versprühtes Insektizid die Ursache gewesen sein.

In Kambodscha kommt es häufig zu massenhaften Ohnmachtsanfällen vor allem in Textilfabriken. Meist sind die schlechten Arbeitsbedingungen und mangelhafter Schutz vor gefährlichen Chemikalien schuld. Daher war das Thema des Int. Fairness-Forums am 31.10.2015 angemessen gewählt: Unsere Kleidung: wie unfair ist sie – wie fair kann sie sein?

Sina Trinkwalder, Trägerin des Deutschen Fairness Preises 2015 und Gründerin der ökosozialen Bekleidungsfirma manomama, Jürgen Stellpflug, Chefredakteur von ÖkoTest, Dr. Sabine Ferenschild vom Südwind-Institut, und Prof. Dr. Harald Welzer von der Stiftung futurzwei diskutierten über den richtigen Weg, zu Fairness in der Modebranche zu kommen. Die lebhafte Debatte kristallisierte die Streitfrage heraus, ob es entscheidender für eine nachhaltige, faire, zukunftsfähige Wirtschaft, für einen nachhaltigen, fairen, zukunftsfähigen Konsum sei, grundsätzlich weniger zu konsumieren und ansonsten um Ansätze entsprechender Produktion und Handelns bemüht zu sein oder ob es förderlicher sei, Schritt für Schritt durch Aufklärung, durch Information, durch Bewusstseinsveränderung dafür zu sorgen, dass zwar auch weniger konsumiert, aber eher anders und bewusster konsumiert werde. In einer Massengesellschaft mit 7 Milliarden Menschen ist Massenkonsum und Massenproduktion einerseits unvermeidlich, weswegen es darauf ankomme, den Konsum durch Aufklärung und Information zu orientieren, wozu auch durchaus bestimmte – nicht alle – Siegel beitrügen, die den Verbrauchern durch den Konsumdschungel verhelfen würden.

Zumal oftmals Firmen versuchten, etwas als fair und nachhaltig erscheinen zu lassen, was nicht fair und nachhaltige ist. Andererseits bedeute schon grundsätzlich weniger Konsum eine deutliche Veränderung von Konsum- und Nachfrageverhalten und damit auch einen starken Einfluss auf Produktion und Handel. Bedeutend sei, weniger den Verbraucher in den Blick zu nehmen als vielmehr den Bürger, der Einfluss nimmt auf politische Rahmenbedingungen und durch seine Beteiligung und Aktivität die Gesellschaft um- und mitgestaltet, so dass Dabei sei nicht entscheidend, von vornherein lange herauszufinden, ob sich etwas lohnen würde, also gewissermaßen von einem möglichen Endergebnis her zu denken und zu urteilen, sondern von da aus zu beginnen, was man als richtig, als fair, als ethisch geboten erkannt hat, um damit Gesellschaft, Wirtschaft und Kaufverhalten zu prägen.

Mehr dazu samt Fotos finden Sie unter:

"Wie kann Produktion und Kauf fairer Kleidung gelingen?

"Shopliste für faire Mode"

"Was ist aktuell vom Textilbündnis zu halten?

11.11.2015 15:09
Kampf gegen kontrollierten Raubbau
In Indonesien brennen seit Wochen die Wälder. Megakonzerne wollen Platz schaffen für Palmölplantagen und zugleich die einheimische Bevölkerung mit ihrer kleinteiligen Waldwirtschaft vertreiben. Palmöl steckt in vielen Produkten hierzulande: von Kosmetik bis Lebensmittel, von Schmierstoffe bis Autosprit.

Heute wurde in Berlin das "FONAP", das Forum Nachhaltiges Palmöl e.V. gegründet. Zur Gründung erklärt der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Christian Schmidt heute:

"Palmöl ist einer der wichtigsten nachwachsenden Rohstoffe. Unser Bedarf an Palmöl darf aber nicht dazu führen, dass kostbare Naturwaldflächen abgeholzt werden, Brandrodungen verheerende Waldbrände auslösen und Böden durch übermäßigen Pestizideinsatz vergiftet werden. Als Abnehmer tragen wir Verantwortung für die Art der Gewinnung des Rohstoffes.

Ich erwarte, dass die Wirtschaft die Einfuhr von nicht zertifiziertem Palmöl stoppt. Mit einer FONAP-Mitgliedschaft kann jedes Unternehmen seiner Verantwortung für Umwelt und Menschenrechte im Zusammenhang mit Palmöl nachkommen. FONAP ist der Schlüssel zum Ziel von 100 Prozent zertifiziertem Palmöl in Deutschland. Je mehr Unternehmen auf nachhaltiges Palmöl setzen, desto stärker werden sich auch die Produktionsbedingungen vor Ort verändern.

FONAP ist der nationale Wegbereiter für ein internationales Moratorium zur ausschließlichen Nutzung von nachhaltig zertifiziertem Palmöl. Weltweit soll nur noch nachhaltig produziertes Palmöl gehandelt werden! Mit FONAP machen wir dafür den Anfang. Genauso wie das Forum Nachhaltiger Kakao ist das Forum Nachhaltiges Palmöl Leuchtturmprojekt für die verantwortungsvolle Rohstoffgewinnung. Sie stehen in Zukunft Pate für weitere Agrarrohstoffe."

Dazu kommentiert Greenpeace-Waldexpertin Gesche Jürgens:
„Die Ankündigung von Minister Schmidt ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Alleine Deutschland zählt mit jährlich rund 1,4 Millionen Tonnen zu den größten Palmöl-Verbrauchern der EU. Ein Großteil der Importe stammt aus Indonesien, wo in den vergangenen Wochen riesige Torfflächen brannten.
Allein auf Zertifizierung zu setzen, greift jedoch deutlich zu kurz. Zertifizierungssysteme wie der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl reichen derzeit nicht aus, um die Produktion von Palmöl zu entkoppeln von der Zerstörung von Wäldern und Torfmooren oder Verletzungen der Menschenrechte.
Minister Schmidt muss daher auch den Verbrauch von Palmöl in Deutschland senken. Vor allem im Tank hat es nichts zu suchen. Denn Biodiesel wird auch aus Palmöl aus Indonesien hergestellt, angeblich um das Klima zu schonen. Das ist angesichts der brennenden Wälder absurd. Jedem sollte inzwischen klar sein, dass es falsch ist, mit Pflanzenölen im Sprit die Emissionen im Verkehrsbereich senken zu wollen.“

Für Rückfragen erreichen Sie Gesche Jürgens unter Tel. 0171 – 878 7833.

"BM Schmidt über Palmöl-Stopp"

"Greenpeace über die brennende Wälder für Palmöl"

"Norbert Copray über das Buch "Aus kontrolliertem Raubbau"

"Das Südwind-Institut über das verheerende Palmöl"

"Ilka Petersen vom WWF erklärte im Deutschlandfunk, wie der Weg zum Bio-Palmöl aussieht und was Verbraucher tun können"

14.09.2015 13:20
Ist fair wirklich fair? "Faire Woche" mit Fairness-Washing?
Noch bis zum 25. September findet die 14. „Faire Woche“ statt. Dabei dreht sich alles um den Fairen Handel. Mehr als 2.000 Aktionen sind dazu geplant und mehr als eine halbe Million Teilnehmer werden bundesweit erwartet.

Unter dem Motto „Fairer Handel schafft Transparenz“ fokussiert die Faire Woche auf das Problem mangelnder Transparenz in konventionellen Wertschöpfungsketten. Transparenz ist einer der Grundprinzipe des Fairen Handels. Ein transparenter Umgang zwischen allen Akteuren ist die Basis einer vertrauensvollen Partnerschaft. Ganz anders ist es meistens im konventionellen Handel. Die Folgen sind oftmals Ausbeutung von Mensch und Natur, ohne dass die verantwortlichen Unternehmen dafür haftbar gemacht werden können.

Doch so transparent geht es auch beim Fairen Handel nicht zu wie das zu wünschen wäre. Wie sich der Endpreis eines Produkts letztlich zusammensetzt, wieviel Gebühr er für die Zertifizierungsgesellschaft und Kosten für den Zertifizierungsaufwand enthält, was bei den Produzenten vor Ort, was beim Transporteur, was beim Händler vom Preis hängen bleibt, ist häufig undurchsichtig und sollte auf jeder Packung aufgelistet werden. Der französische Filmemacher Donatien Lemaitre in einem Interview zu seinem ARTE-Film über Fairen Handel: „Problematisch daran ist, dass die Handelsriesen bei den fair gehandelten Produkten besonders große Gewinnmargen einstreichen. Der Verbraucher zahlt einen höheren Preis. Aber von dem Geld, das Bedürftige unterstützen soll, bleibt der größte Teil beim Händler. Und das ist legal, weil Fairtrade den Händlern keinen Verhaltenskodex vorschreibt.“ Die meisten Kunden fragen nicht weiter nach, wenn auf der Verpackung mit fairem Handel geworben wird. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat es 2014 getan und sich stichprobenartig 32 Lebensmittel genauer angesehen. Jedes zweite Produkt fiel wegen intransparenter Angaben durch.

Und nicht überall, wo Fairer Handel drauf steht, ist auch Fairer Handel enthalten. Beispielsweise stellte 2014 „Stiftung Warentest“ fest, dass der Orangensaft „Fairglobe“ von Lidl, der das „Fairtrade“-Logo trägt, keinesfalls unter als fair zu bezeichnenden Bedingungen hergestellt wurde. Vielmehr bekam die Plantage ein „mangelhaft“ für die Arbeitsbedingungen und den Umweltschutz. Und das ist nicht der einzige Fall unsauberen Umgangs mit dem Label „Fairer Handel“, der den Verbraucher täuscht. Hinzu kommt ein gewisser Wirrwar der Siegel und Definitionen für Fairen Handel. Auf vielen Lebensmitteln wird mit Siegeln wie Fairtrade, UTZ und Gepa Plus geworben, denn das Versprechen fair gehandelter Ware spricht immer mehr Käufer an. Fair produziert ist oft nur ein kleiner Teil der Zutaten. Und dazu kommt: Der Begriff "fair" ist rechtlich nicht geschützt und jedes der 27 in Deutschland vergebenen Siegel interpretiert ihn anders.

Und schließlich: Über die Produktionsweise der anderen Produkte wissen wir gar nichts. Insofern sind Produkte des Fairen Handels zu bevorzugen und die Entwicklung zu unterstützen. Der Erfolg des Fairen Handels in den letzten Jahren ist beachtlich. Mehr als eine Milliarde Euro gaben deutsche Verbraucher im vergangenen Jahr für fair gehandelte Produkte aus. Das gab das Forum Fairer Handel in der vergangenen Woche auf seiner Jahrespressekonferenz bekannt. Mit einem Jahreswachstum von 31 Prozent erreicht der Faire Handel in Deutschland damit den drittgrößten Zuwachs innerhalb von zehn Jahren. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland allerdings deutlich hinter Skandinavien, Großbritannien oder der Schweiz und auch verbindliche Regulierungen zur menschenrechtlichen Haftung im globalen Geschäftsverkehr fehlen. Doch die Relation zum Gesamtmarkt wird oft nicht benannt, sondern der Fokus liegt fast immer auf den Produktgruppen innerhalb des Fairen Handels. Pro Kopf und Jahr betragen die Gesamtausgaben nämlich nur 13 Euro - dafür bekommt man derzeit gut zwei Pfund Kaffee, das nach wie vor wichtigste Produkt des Segments. Nur 3 % des Kaffeekaufs kommen auf den Fairen Handel. Da ist noch viel zu tun. Damit fair wirklich fair ist.

"Faire Woche - Portal"

"Eher fair als bio?"

"Fairer Handel - Lexikonartikel"

"Das Geschäft mit dem Faire Trade- und Fair-Label"

08.05.2015 11:57
Amazon muss nicht sein
Fairer und sozialer geht es durch die Buchbestellung im Internet-Versandbuchhandel zu, wenn man anstelle von Amazon andere Anbieter wählt. Einen gemeinnützigen Ansatz verfolgt beispielsweise „Fairbuch“. Hier werden 50 Prozent des Gewinns (das sind 2 Prozent vom Buchpreis) an die Kindernothilfe gespendet. „Buch7“ fördert mit 75 Prozent vom Gewinn soziale und ökologische Projekte. „Ecobookstore“ schützt mit 70 Prozent den Regenwald. Bei allen drei Anbietern sind Bücherlieferungen ab etwa 20 Euro frei Haus; ansonsten kosten sie rund drei Euro.

Wer mit gebrauchten Büchern zufrieden ist oder nach antiquarischen Werken sucht, kann auf www.das-freie-buch.de fündig werden und muss nicht zu „Abebooks“, einer Tochtergesellschaft von Amazon, oder zu ZVAB, einer Tochtergesellschaft von Abebooks, gehen. Auf dem Portal von booklooker lässt sich fast jedes Buch finden, gerade auch bei kleinen Antiquariaten. Schließlich kann man auch beim Buchhandel vor Ort oftmals schon per Internet oder Telefon bestellen; sie abholen oder sich schicken lassen. Das erhält den lokalen Buchhandel und Arbeitsplätze vor Ort.

Alternativen des Buch-Internetversandhandels:

"buch 7"

"Fairbuch"

"Der Ecobookstore"

"Gebrauchte Bücher suchen, kaufen und verkaufen"

"Das Antiquariat vom Portal 'Das freie Buch'"

10.03.2015 11:19
Irreführung durch Bewertung im Web
Vertrauen Sie keinen anonymen Internetbewertungen! Denn sie können in großer Masse gefälscht sein. Inzwischen gibt es regelrechte Bewertungsfabriken in China, wo Angestellte im Akkord im großen Stil Bewertungen abfassen und ins Internet eingeben. Will eine Firma oder jemand im App-Store-Ranking einen ersten Platz erreichen, kostest das mindestens einige Hundert Euro pro Tag. Das ist noch verhältnismäßig billig, denn eine ähnliche Tätigkeit durch PR-Agenturen in den jeweiligen Ländern kommt deutlich teurer.

Als stern TV über manipulative Kundenbewertungen im Internet berichtete, meldeten sich zahlreiche Zuschauer, die selbst diese Erfahrungen sammeln mussten. Stern schreibt: „Viele beklagen, dass sie mit ihren Dienstleistungen auf der Bewertungsplattform Yelp zu schlecht abschneiden, weil Yelp positive Kritiken herauszufiltern scheint, die negativen dagegen prominent auf der Seite zu sehen seien. Betroffen davon ist unter anderem Mahnaz Hagen-Frerichs, die in Hamburg einen Schönheitssalon betreibt. Sie sagt: ‚Wir hatten rund 180 Bewertungen in den vergangenen drei-vier Jahren, 176 davon waren positiv, darauf war ich sehr stolz. Plötzlich waren die alle weg. Das war ein Schock. Zum Glück haben wir eine breite Kundenbasis. Aber viele meiner Kollegen können sich juristisch nicht wehren, weil das natürlich auch Geld kostet. Auch für die will ich jetzt kämpfen‘“.

Die Reporter von Stern tv haben noch tiefer recherchiert: "Produkte mit positiven Bewertungen können einen Umsatzanstieg von rund 30 Prozent verzeichnen, wie eine Studie der Agentur BIG Social Media zeigen konnte.

Kein Wunder also, dass Hersteller und Anbieter ein großes Interesse haben, mit vielen und vor allem positiven Rezensionen zu punkten. Immer mehr davon sind jedoch bewusst gefälscht. Experten schätzen, dass 25 bis 30 Prozent aller Rezensionen nicht echt sind, im Durchschnitt also mindestens jeder vierte Kommentar. So sollen Hersteller ihre Produkte beispielsweise selbst in den höchsten Tönen loben, während sie die Konkurrenzprodukte nieder schreiben. Schleichwerbung – hier werden werbliche Inhalte verschleiert. Und das ist verboten, wie der Fachanwalt für IT-Recht Michael Terhaag weiß: "Bei Online-Bewertung ist es wie bei jedem Eintrag im Internet, dass immer nur wahre Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen erlaubt sind", sagt er. "Und ganz wichtig: Wenn ich Werbung für Produkte mache, dann muss ich die als solche kennzeichnen."

Umso verwunderlicher ist es, dass hinter dieser verbotenen Praxis eine ganze Dienstleistungsbranche steht. "Das ist ganz normal, das gehört zum Marketing und das wird so genutzt. Ich habe zig Hundert Kunden, wir machen das tagtäglich", erklärt ein Informant aus der Branche stern TV auf Anfrage. Ganz unverhohlen werden mittlerweile auch per Anzeige Personen gesucht, die Bewertungen schreiben, für 50 Cent pro Text. Denn bei einigen Online-Shops, zu denen auch Amazon zählt, kann jeder eine beliebige Bewertung abgeben – selbst für Produkte, die man gar nicht kennt. "Ob im Monat 100 Stück oder 150 Stück – das ist ein Knopfdruck, dann können wir die generieren", so der Informant. "Wir können die soweit einstellen, dass wir pro Tag 20, 30, 40 Bewertungen machen können am Anfang".'

Auf onlinemarketingrockstars zeigt ein Foto, in welchem Umfang und wie systematisch diese Praxis mittlerweile offenbar betrieben wird. Wie Online Marketing Rockstars herausgefunden hat, bieten auch deutsche Mobile-Marketing-Agenturen öffentlich den Kauf von Bewertungen an.

„So funktionieren App-Store-Bewertungen. Willkommen in der Realität“, schreibt Simon Pang vor wenigen Tagen bei Twitter und postet dazu ein Bild von einer jungen Asiatin, die vor einer ganzen Smartphone-Batterie sitzt und offenbar im Akkord App-Bewertungen fälscht.

Florin Rinke von RP online schreibt: „Das Fälschen von Internet-Bewertungen ist längst zu einem lukrativen Geschäft geworden. Bei Amazon, iTunes und Co. gehört das Nutzerurteil längst zum Standard-Repertoire. Kunden bilden sich mit der vermeintlichen Einschätzung anderer Kunden ein Urteil - und fällen anschließend häufig sogar eine Kaufentscheidung. Je besser die Bewertung, umso besser die Verkaufsmöglichkeiten. Besonders in den App-Stores sind gute Referenzen nützlich, um nicht in der Flut von Angeboten unterzugehen. Unklar ist, wie hoch der Anteil an gefälschten Bewertungen tatsächlich ist - denn diese sind häufig nicht leicht zu erkennen. Laut dem Analytics-Dienstleister Apptentive soll etwa ein Drittel aller Bewertungen im Netz unecht sein. Im App-Store von Apple ist der Anteil angeblich noch etwas höher als im Google Playstore.

In ihrem Blog gibt Gitte Härter Hinweise, woran man unter Umständen gefakte Internetbewertungen erkennen kann:

"1. Viele Bewertungen auf einen Haufen
Die meisten Internetnutzer sind passive Leser. Darum gibt es nur einen Bruchteil von Menschen, die aktiv mitmischen. Und darum ist eine zeitliche Anhäufung von Besprechungen immer suspekt. Das sieht man auf Restaurantportalen, wenn es bei Neueröffnung eines Lokals plötzlich positive Bewertungen hagelt oder bei Büchern, wenn in den ersten paar Wochen nach Erscheinungstermin ewig viele Besprechungen veröffentlicht werden. Klar sind das manchmal mobilisierte Freunde und Bekannte, doch das gibt natürlich ein schräges Bild, denn da wird oft nicht das Unternehmen/Produkt besprochen, sondern die Sympathie für den Menschen dahinter.

2. Die Lobeshymne
Ich habe früher Bewerbungsunterlagen geprüft und konnte den Leuten immer auf den Kopf zusagen, wenn ein Zeugnis selbst geschrieben war. Der Grund: Die Lobeshymne. Und damit meine ich wirklich HYMNE. Wenn Besprechungen völlig übertrieben super sind und eine Firma oder ein Produkt in den Himmel gelobt wird, riecht es immer nach Eigenlob. Darum ist es bei sehr übertriebenen Kundenreferenzen manchmal angesagt, das Überlob etwas zu entschärfen.

3. So redet kein Mensch!
Die Wortwahl entlarvt meistens. Das “erlesene Sortiment”, Umschreibungen wie “Die versierte Autorin” … alles, was der Normalo nicht sagen würde, was gestellt oder hochgestochen klingt, ist meistens unecht.

4. Der PR-Rundumschlag
Hier findet man nicht nur unnatürliche Wortwahl, sondern die Besprechung ähnelt einer kompletten Pressemeldung. Unternehmen werden detailliert mit allen Leistungen oder weiteren Produkten besprochen, die Firmeninhaber werden – oft in der dritten Person – mit ihrem guten Charakter oder gesamten Profil geschildert.

5. Der Absender bespricht ausschließlich eine bestimmte Person/Unternehmen oder Produkte.
Machen Sie sich mal den Spaß und klicken auf amazon auf das Profil einzelner Rezensenten. Besonders wenn es eine Besprechungsballung gibt, bei der die Rezensenten besonders neutrale Namen à la “Susanne Müller”, “Friedrich Körner” haben (viele wollen ihrer Rezension durch Klarnamen eine Extra Portion Glaubwürdigkeit verleihen). Sie werden erstaunt sein, wie oft es Leute gibt, die nur ein einziges Produkt besprochen haben. Das alleine muss natürlich noch nichts heißen! Doch wenn jemand ausschließlich ein-Rezensions-Leute hat, die unkritisch nur loben, dann ist ein Fake nicht weit.

6. Undifferenziert, ungenau, unkritisch.
Je weniger konkret eine Besprechung ist, je allgemeiner gehalten und vage, desto mehr deutet es darauf hin, dass sich der Verfasser gar nicht wirklich damit befasst hat. Abgesehen vom Lobeshymnen- und PR-Charakter ist ein Mangel an konkreten Aussagen auch oft ein Hinweis auf Besprechungsprofis. Ja, auch das ist natürlich mittlerweile eine Leistung geworden: PR-Spezialisten möbeln für Auftraggeber (angeblich) deren Reputation auf.

7. Gleicher Stil
Schließlich kann man bei Besprechungen zum selben Unternehmen/Produkt oft Leute mit gleicher Handschrift sehen. Lesen Sie mal genau hin! Das Schreiben ist oft genauso eigen wie das individuelle Sprachmuster. So kann man oft sehr ähnliche Sprachmuster in Besprechungen erkennen".

Aber mit diesen 7 Kennzeichen ist man noch nicht auf der sicheren Seite. Das sind allenfalls Indizien, aber keine garantierten Kennungen. Denn auch die Bewertungsfabriken, PR-Agenturen und Massenbewerter lernen dazu. Sie kennen diese Marker und suchen, sie zu vermeiden. Daher sind unbeholfene Formulierungen, sehr umgangssprachliche Redewendungen und Eingaben lange nach dem Ersttag eines Produkts auch noch nicht ausreichend, gefakte Bewertungen zu identifizieren. Und bereits in den Startlöchern stehen die Bewertungsautomaten, die dank algorithmischer Programmierung vollautomatisch Websites anwählen und dort in tausenderlei Varianten, Schreibstilen und Bewertungsmuster Bewertungen posten.

Auf unserem Fairness-Check gibt es all dies nicht. Dort analysieren und bewerten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fairness-Stiftung nach Fakten- und Informationslage die großen Unternehmen, deren Produkte über 80 Prozent unseres Konsums ausmachen. Das ist fair und klar.

Ansonsten: Fairness und Internet - gute Nacht!

"Unfaire Bewertungen - aufgedeckt von Stern tv"

"Was Informanten aus Agenturen über gefakte Bewertungen berichten"

"Foto auf Onlinemarketingrockstars"

"Bericht von Florin Rinke auf RP online"

"Bloggerin Gitte Härter über Anzeichen gefakter Bewertungen"

"Faire Unternehmensbewertungen ohne Fake - dafür steht die Fairness-Stiftung mit ihrem Namen"

17.12.2014 17:19
Schrei nach Fairness
Hannes Koch schrieb im Schwäbischen Tageblatt: "In der deutschen Wirtschaft passiert etwas. Ingenieure vermarkten innovative Produkte, Firmengründer stellen interessante Geschäftsmodelle auf die Beine, Investoren geben Hunderte Millionen Euro für Gründerfirmen aus – und Unternehmen wie Zalando gehen an die Börse.

Der Internet-Händler vor allem für Schuhe und Kleidung, bekannt für seine Werbe-Kampagne „Schrei vor Glück“, will möglicherweise in diesem Herbst große Summen von Aktionären einsammeln. Diese Dynamik hat auch Schattenseiten. Denn nicht selten bilden sich die Inhaber der Firmen ein, sie könnten alles neu machen, nicht nur die Produkte und den Verkaufsweg, auch die Arbeitsbedingungen. So warf die Gewerkschaft Verdi der Firma Zalando vor, die soziale Sicherheit der Beschäftigten zu untergraben: Im Verteilzentrum Erfurt sei kein Betriebsrat vorhanden, viele Beschäftigte würden nur befristet arbeiten und litten unter hohem Druck, der Lohn läge im Umkreis von neun Euro pro Stunde.

Billig-Bedingungen mögen in den Anfangsjahren eines Unternehmens funktionieren. Wird es aber größer und ist als Aktiengesellschaft stärker von öffentlicher Zustimmung abhängig, geht das nicht mehr. Deshalb wird sich die Gewerkschaft mit ihrer Forderung nach einem Tarifvertrag auch bei Zalando schließlich durchsetzen. Sollten die künftigen Inhaber das Gegenteil annehmen, wäre das nicht nur sozial, sondern auch betriebswirtschaftlich waghalsig". Koch titelte seinen Beitrag zu Recht mit "Schrei nach Fairness".

Grundsätzlich hat sich bis heute nichts an der Situation geändert. Also: Augen auf beim Weihnachtskauf - gerade auch online.

Auf Zalandos Website liest sich das dann wie ein Text mit doppeltem Sinn: "An Zalandos Erfolgsgeschichte schreibt jeder Mitarbeiter jeden Tag ein bisschen mit. Wir sind stolz darauf, dass wir ein starkes, internationales Team sind, das vielversprechende Ideen schnell umgesetzt und stets neue Wege eingeschlagen hat, um gemeinsam die beste Lösung zu finden".

Der Wirtschaftsethiker Birger Priddat sagte im Deutschlandradio über das Buch "Schrei vor Glück" des Wirtschaftsjournalisten und Textilbranchenkenner von Hagen Seidel: "Der Mann wiederholt sich natürlich häufig. So viele Informationen gibt’s gar nicht, dass man ein ganzes Buch draus machen kann. Die Firma ist ja noch klein. Es ist aber gut geschrieben und man kriegt einen Eindruck über diese Dimension.

Ich nenne mal zwei Dimensionen. Die eine ist nachher nämlich die Grundfrage: Was heißt das eigentlich, "Netzkauf"? Was ändert sich da in der Kultur? Da gehen wir gleich drauf ein. Jetzt erst mal die Firma: Das sind zwei Jungs, kümmern sich überhaupt nicht um die sonstige Wirtschaft, gehen auch nicht zur Handelskammer oder so hin, weil, da sagen sie immer, "dicke alte Männer mit Schlipsen, mit denen sie sich nicht unterhalten können und die nicht verstehen, was sie machen". Es sind so eine kleine junge Truppe, 29 ist schon für die Jungen, für die Startups schon alt, aber sie sind gut drauf und haben begonnen eine ganz verrückte Idee. Die beiden mochten lateinamerikanische Länder, haben also Facebook als Deutsche in lateinamerikanischen Ländern selbständig machen wollen – haben sogar dafür ein paar Hunderttausend gekriegt. – Ist völlig gescheitert, weil keiner von denen dort zahlt, unzuverlässig und deswegen keine Werbung. Aber sie hatten trotzdem den Mut zu sagen, wir sind so gescheitert, jetzt trauen wir uns richtig was.

Und das ist natürlich eine Haltung, die wir in Deutschland kaum kennen. Und haben dann etwas begonnen, wovon sie keine Ahnung haben, hatten und bis jetzt auch noch fast keine haben, Schuhe zu verkaufen. Das sind zwei Betriebswirte, die aber von dem Produkt keine Ahnung haben. Und alle Schuhhändler haben auch gesagt, es wird nie was. Aber sie haben eine Idee, die, also einer der Samwer-Brüder, diese berühmten Financiers, die haben sozusagen so viel Projekte schon gemacht, dass sie dauernd neue solche Projekte finanzieren… Deren Idee ist im Grunde, also, das ist ein bisschen arrogant, das gehört anscheinend zum Geschäft, die sagen: Was wollt ihr? Die Welt beherrschen. Das heißt, wir wollen größer als Amazon werden, fertig. Das ist das einzige Ziel, was wir machen – weltweit als deutsche Firma. Da werden wir den Amerikanern mal zeigen, wo die Harke steht.

Solche Ziele haben die und so arbeiten die, so denken die. Das heißt, immer groß, groß, groß, bloß nicht klein, also nicht ein Schuhgeschäft machen, sondern gleich den gesamten Schuhhandel Deutschlands einmal übernehmen.

Das dauert. Das dauert fünf Jahre, sechs, sieben Jahre. Und jetzt haben sie natürlich, jetzt kommt das Internet: Die meisten Schuhhändler sind Einzelhandelshäuser oder Ketten, die alle nicht wissen, wie Internet geht, also die meisten. Es gibt einen, Deichmann, glaube ich, der hat so eine Dimension. Graz hat so eine Dimension, aber im Grunde: Hauptgeschäft Schuhe im Regal und dann noch mal so eine kleine Linie online.

Die haben kein einziges Geschäft, wollen auch keins aufmachen, obwohl alle möglichen Leute sagen, macht so Fashiongeschäfte wie Prada, ein Geschäft, wo dann nur drei Teile stehen in einer Riesenhalle, drei Teile gut beleuchtet. – Das ist aber nebensächlich.

Die sind voll ins Onlinegeschäft gegangen und haben drei Bedingungen gemacht, die auch andere Onlinehändler nicht machen, sozusagen ganz schnelle Bedienung, das kostet viel Geld – das macht erst mal Verluste – und sofortige Zurücknahme. Alle können zurückschicken, was sie kaufen, alles. In diesen großen Kundencentern ist die Hälfte, sagen wir mal, 10.000 Quadratmeter sind Auslieferung und dann noch mal 5.000 Quadratmeter, wo sie alle wieder annehmen.

Das heißt, das kostet ein Schweinegeld, aber dadurch kriegen sie die Kunden, weil alle das Gefühl haben, das ist doch risikolos dort zu kaufen.

"Zalando kommentiert"

"Wie fair ist Zalando wirklich?"

"Birger Priddat zum Buch "Schrei vor Glück" über Zalando"

"Kochs Kommentar zu Zalando"

30.01.2014 15:14
Tierleid statt Tierwohl?
Für ihre Hunden und Katzen kaufen die Deutschen Körbchen, Kissen und Premium-Pastete – doch wie sieht es beispielsweise mit den nicht minder intelligenten Schweinen aus?

Deutschland steht bei der Schweineschlachtung europaweit auf Platz 1, über 58 Millionen Tiere kommen jedes Jahr unter’s Messer. Was nicht gebraucht wird, wird exportiert.

In sogenannten Megaställen stehen rund 5000 Tiere ihr ganzes Leben auf der gleichen Stelle. Diese Entwicklung macht es kleineren Betrieben schwer, zu bestehen. Dies gilt für Europa genau so wie für die Importländer wie beispielsweise Afrika, wo kleine traditionelle Bauern keine Chance haben, gegen die billigen Preise der Importware anzukommen. Professor Bernhard Hörnig von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde meint, man könne die biologischen Grenzen der Tiere in den Ställen sehen.

Die Frage ist: Geht ethisch vertretbare Viehzucht überhaupt mit einer Tierhaltung in dieser Größenordnung? Es macht den Anschein, als würde das Tier als Maschine gesehen, das man austauscht, wenn es kaputt geht und das bis zur vollen Auslastung genutzt werden kann. Mit Fairness hat das nichts mehr zu tun. Und nicht nur die Tiere leiden, auch die Arbeitskräfte werden oft ausgebeutet, schlecht bezahlt und die Umwelt ächzt unter den Strapazen der CO2-Produktion der ganzen Massentierhaltung und –verarbeitung. Es entstünden Treibhausgase, die einen enormen Stickstoffüberschuss durch anfallende Gülle in den Regionen der Massentierhaltung produzieren würden, so der Spiegel.

Nach Daniel Baumann, Ressortleiter Wirtschaft bei der Frankfurter Rundschau, haben die Deutschen im Jahr 2012 59,5 Kilogramm Fleisch verzehrt, was viel mehr ist als von der Welternährungsorganisation FAO empfohlen wird. Doch wo liegt der Grund dafür?

Fleisch ist ein Lebensmittel des Wohlstands – so kam früher noch der Sonntagsbraten an nur einem Tag die Woche auf den Tisch. Heute können wir uns alle Fleisch leisten und fühlen uns dadurch besser ernährt. Womöglich auch gesünder oder auch männlicher, geht man nach der Zeitschrift „Beef“, die sich mit Grilltipps ausschließlich an Männer richtet und mit besonders starker und maskuliner Kommunikation für den Fleischkonsum wirbt.

So ist es kein Wunder, dass die Empörung groß war, als die Grünen einen so genannten „Veggie-Tag“ vorschlugen. Die Menschen fühlen sich beschnitten und wollen nicht auf ihren billigen Wohlstand aus dem Supermarkt verzichten. Dass jedoch Tieren und Menschen ein Veggie-Tag gut tun würde, ist nicht im Blick.

"Menschen treiben Tier an ihre biologischen Grenzen"

"Mensch, Tier und Umwelt werden ausgebeutet"

"Tiere als Maschinen"

09.01.2014 13:00
Faire Kleidung tut not
Dass Kleidung fair produziert wird, ist für die hiesigen Verbraucher nicht wichtig. Sonst würden nicht kiloweise Textilien gekauft, verramscht und weggeworfen werden. Denn Kleidung ist hierzulande billig. Zu billig. Davon profitieren die Käufer, die Verkäufer, die Klamottenketten und die Zwischenhändler.

Auf Kosten der Arbeiterinnen und Arbeiter in Kambodscha, Bangladesh, Indien und anderswo, die in einer 70-80 Stundenwoche nicht in der Lage sind, ausreichend ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Katastrophen in Bangladesh und Todesschüsse auf demonstrierende, friedliche Arbeiter in Kambodscha werfen ein Schlaglicht auch auf unsere ausbeuterische "Kleiderordnung".

Hierzulande die Preise zu erhöhen, reicht nicht. Zu leicht stecken sich dann die Klamottenketten, Markenartikler und Zwischenhändler die Differenz in die eigene Tasche; bei den Arbeiterinnen und Arbeitern in Fernost kommt davon nichts an. Daher ist es zunächst auch wichtig, die Transparenz zu erhöhen, wie es die ehemalige Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul jüngst in der Frankfurter Rundschau (S. 10) fordert:

"Transparenz zwischen den vielen Bekleidungsunternehmen in den westlichen Industrieländern, die in den Entwicklungs- oder Schwellenländern produzieren lassen und einkaufen, und den heimischen Produzenten in diesen Ländern. Transparenz über die Rolle der jeweiligen Regierungen, ob sie die Rolle unabhängiger Gewerkschaften respektieren und diese ungehindert in den jeweiligen Produktionsstätten arbeiten können.

Transparenz bei der Lohngestaltung: Selbst die Verdoppelung oder Verdreifachung der elend niedrigen Löhne in diesen „Produktionsstätten“ würde für die Verbraucher und Verbraucherinnen in unseren Ländern nur eine minimale Steigerung des Preises zum Beispiel für ein T-Shirt zur Folge haben.

Transparenz in der Frage der Verantwortung der beteiligten Staaten und ihrer Regierungen bei der Einhaltung der festzulegenden Sicherheitsstandards in den Produktionsstätten, zum Beispiel durch wirklich unabhängige, qualifizierte Sicherheitskontrollen.

Transparenz bei der Verpflichtung der importierenden Bekleidungsunternehmen: Wie halten sie die Standards der „Corporate Social Responsibility“ ein, also der sozialen Verantwortung, die sie selbst akzeptiert haben?

Transparenz für Verbraucher und Verbraucherinnen, wenn sie bei uns Kleidung einkaufen.

Transparenz durch die hervorragende beispielhafte Arbeit der Zivilgesellschaft in unseren Ländern, aber auch in den beteiligten Entwicklungsländern. Die „Clean Clothes Campaign“, in der zahlreiche gesellschaftliche Organisationen zusammengeschlossen sind, hat hier bereits wegweisende Arbeit und Aufklärung geleistet".

Dabei ist der Druck auf die Entwicklungsländer nach dem Motto „Wenn du bei der Umsetzung der Standards und der Löhne nicht nachgibst, suchen wir uns das nächste, ,billigere‘ Land.“ nur begrenzt hilfreich. Vielmehr wird dadurch die Spirale nach unten zu immer niedrigeren Löhnen in Gang gesetzt und gehalten. Daher: "Bessere Standards und bessere Löhne sind ein positiver Standortfaktor für die beteiligen Unternehmen. Das Auseinanderdividieren der Länder durch die Unternehmen würde schwieriger.

Dieser Prozess muss jetzt endlich in Gang kommen. Denn können wir wirklich in Frieden leben (und konsumieren), wenn wir gleichzeitig zulassen, dass ausbeuterische Arbeitsverhältnisse anderswo die Basis dafür sind? Es geht um Wettbewerb nach oben statt Wettbewerb nach unten. Das ist auch im Interesse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in unseren Ländern!"

Wir brauchen eine "neue Kleiderordnung": fair, transparent, menschenfreundlich - auch körperfreundlich durch schadstofffreie und lebensangepasste Stoffe. Eine solche Kleidung tut not - den Menschen im fernen Osten und hierzulande.

06.08.2013 12:21
Wie fairer Handel (Fair Trade) fairer werden muss
Fairer Handel hat noch viel Potenzial. Und zwar bei der Fairness und bei der Verbreitung. Das zeigt der Film "Wie fair ist Fairtrade?" ARTE (Link dazu siehe unten). Das zeigt auch eine nicht repräsentative Umfrage des Bildungszentrums des hessischen Handels, die im Herbst 2013 veröffentlicht wird. Fair Trade könnte zum neuen Trend werden. Allerdings kommen auch dessen Widersprüche dann mehr auf den Tisch als bisher. Das zeigte auch im Oktober 2012 das Internationale Fairness-Forum der Fairness-Stiftung mit dem Titel: Produzieren - verkaufen - konsumieren: geht das wirklich fair?
Zur Erkenntnis der Fairness-Qualität von Unternehmen verhilft der Fairness-Check (www.fairness-check.de). Und es gibt Fairness-Qualität, wo sie als solche nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist, wie etwa der gerecht gehandelte Kaffee aus Guatemala, den als Partner hierzulande die action365 vertreibt.

Auf dem Fairness-Forum erläuterte ein Pionier der ersten Stunde und Experte für fairen Handel, Dr. Martin Kunz, was dies Widersprüche fairen Handels bedeuten: Er demonstrierte an Beispielen fair gehandelten Kautschuks (Gummi) und fair gehandelter Bio-Baumwolle die Schwierigkeit und damit die Aufgaben, die noch zu bewältigen sind. Ein Problem ist auch die noch zu geringe Nachfrage nach fair gehandelten Produkten in den Industrieländern, so dass Bio-Tee-, Kautschuk- und Baumwollbauer zwar eifrig Ländereien und Produktionen zur Bio-Erzeugung und zu fairen Handel verändert haben, aber ihre Produkte oft nicht in gleichmäßig verlässlicher Menge auf dem Markt loswerden. Dass der ganze Bereich der globalen Transporte und damit die Speditionsbranche noch gar nicht im Blick fairen Handels und ökologischer Kriterien sind.

Zum ARTE-Film berichtet der Regisseur Donatien Lemaître, wie sich mit dieser Arbeit sein Blick auf Fairtrade geändert hat: "Ich drehte eine Reportage über den Anbau von Ananas in Costa Rica. Die Produktion dort wird von amerikanischen Firmen kontrolliert, was zu grossen Mißständen führt: sowohl sozialer Natur als auch für die Umwelt. Da ich zeigen wollte, dass es noch andere Ansätze gibt, habe ich in einer Fairtrade-Kooperative gedreht.

Und - zu meiner großen Überraschung musste ich entdecken, dass bei den Kleinproduzenten die Arbeiter, hauptsächlich Nicaraguaner, nicht nur weit unter dem Mindestlohn arbeiten, sondern auch ohne jeglichen Schutz - und die Ananas ist eine empfindlich stechende Pflanze...

Insgesamt erschien mir dieser Geschäftszweig ziemlich komplex... Und so dachte ich bei meiner Rückkehr, ein langer Dokumentarfilm könnte das Thema Fairtrade global betrachten und sowohl den Erfolg als auch die Probleme aufzeigen.

Die Fairtrade-Bewegung hat große Prozesse in Bewegung gesetzt. Die Idee, kleine Produzenten zu unterstützen, war ja ganz neu. Wie man am Beispiel Mexiko sieht, können kleine Produzenten, die für Fairtrade-Kooperativen arbeiten, ihre Lebensbedingungen merklich verbessern.

In dem Dorf, in dem ich drehte, konnten sich die Familien einen Küchenanbau leisten. Das scheint auf den ersten Blick nichts Besonderes zu sein, aber so müssen die Menschen wenigstens keine giftigen Dämpfe mehr einatmen. Außerdem schicken die meisten Väter ihre Kinder auf weiterführende Schulen und finanzieren die Ausbildung, so dass die nächste Generation wahrscheinlich schon anders leben wird. Allerdings vollzieht sich dieser positive Prozess sehr langsam. Zu langsam, finden die Produzenten.

Ich finde, die Kommunikation rund um den fairen Handel ist zu vereinfachend, zu simpel. Mit dem Label Fairtrade kauft man zwar die fairen Arbeitsbedingungen, weiß aber nicht, dass die zuweilen nur für die Kleinproduzenten selbst gelten.

In der Dominikanischen Republik zum Beispiel beschäftigen die geförderten Kleinproduzenten von Bananen Erntehelfer aus Haiti, die von den Fairtrade Richtlinien überhaupt nicht profitieren. Das wird verschwiegen. Sie leben unter miserablen Bedingungen, verdienen schlecht und haben noch nicht mal ein Visum.

Außerdem wird nicht kommuniziert, dass immer mehr große Bananen-Produzenten mit mehreren hundert Mitarbeitern gefördert werden, da die Nachfrage nach Fairtrade-Bananen angeblich nicht durch die kleinen Produzenten gedeckt werden kann, vor allem für den englischen Markt. Ziel von Fairtrade ist aber, Bedürftige zu unterstützen und nicht Wohlhabende reich zu machen.

Hinzu kommt, dass Fairtrade International mit Sitz in Bonn zunehmend Partnerschaften mit multinationalen Konzernen schließt. Das ist völlig paradox: Als die Gründer (der Missionar Frans van der Hoff und der Ökonom Nico Roozen) das Label geschaffen haben, ging es ja genau darum, die Praktiken der internationalen Kaffee-Konzerne anzuprangern, die durch Kurspekulationen die kleinen Produzenten ausgehungert haben.

Fairtrade hat seine ursprüngliche politische Dimension zum Teil eingebüßt, aber viele Verbraucher wissen dies nicht: Sie sehen in diesem Label ein echtes Werkzeug, um die Welt zu verändern. Fairtrade International wiederum versucht, das System von innen heraus zu reformieren. Und genau da drückt der Schuh.

Problematisch daran ist, dass die Handelsriesen bei den fair gehandelten Produkten besonders große Gewinnmargen einstreichen. Der Verbraucher zahlt einen höheren Preis. Aber von dem Geld, das Bedürftige unterstützen soll, bleibt der größte Teil beim Händler. Und das ist legal, weil Fairtrade den Händlern keinen Verhaltenskodex vorschreibt“.

Frage von Barbara Bouillon an den Regisseur: „Sollen die Verbraucher Fairtrade denn trotz allem noch unterstützen?"

Antwort von Donatien Lemaître: "Unbedingt! Mein Film zeigt, dass Fairtrade bereits Großes umsetzen konnte. Allein die Transparenz, dass man die Kette vom Produkt bis zum Produzenten nachvollziehen kann, ist eine große Errungenschaft von Fairtrade.

Auch wenn nicht alles perfekt ist in der Kette, haben wir dank dieses Labels erste Informationen darüber, wie unser Tee, unsere Bananen, unser Kaffee am anderen Ende der Welt produziert werden.

Über die Produktionsweise der anderen Produkte wissen wir gar nichts. Also ist Fairtrade meiner Meinung nach in jedem Fall vorzuziehen. Mein Film soll die Verbraucher informieren und sensibilisieren, mit dem Ziel, dass sich Fairtrade - auch unter dem Druck der Öffentlichkeit - weiterentwickelt und verbessert“.

Auch die Fairness-Qualität der Faire Trade-Produkte und Unternehmen muss transparenter und insgesamt dadurch fairer werden.

"Fairness-Check"

"ARTE-Themenabend mit diversen Filmen und Dokumentationen"

"Faire Trade auf dem Internationalen Fairness-Forum der Fairness-Stiftung"

Gerecht gehandelter Kaffee seit 40 Jahren

03.06.2013 15:06
Viele Verbraucher fühlen sich getäuscht
Zwei Drittel der Verbraucher vermuten, dass es im Finanzbereich (63 Prozent) und bei Lebensmitteln (62 Prozent) Produkte und Anbieter gibt, die Verbraucher täuschen und schädigen können. Das zeigt eine repräsentative Studie, die das Meinungsforschungsinstitut infas im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) durchgeführt hat.

Dass Staat oder Unternehmen selbst für einen verbraucherfreundlichen Markt sorgen, daran glaubt die Mehrzahl der Befragten nicht. Nur 43 Prozent vertrauen darauf, dass die Wirtschaft für Verbraucher nachteilige Produkte aussortiert. Dem Staat traut das nur jeder Dritte zu (34 Prozent). „Das Vertrauensdefizit ist groß. Staat und Wirtschaft müssen gegensteuern. Sie müssen Verbraucherinteressen ernst nehmen und für mehr Klarheit im Markt sorgen“, sagt Gerd Billen, Vorstand des vzbv.

Besonders die Wirtschaft steht in der Verantwortung. Der Studie zufolge achten Verbraucher bei ihren Entscheidungen neben dem Preis vor allem auf die Informationen der Hersteller. In allen Märkten sehen die Verbraucher in dieser Hinsicht aber große Defizite: 57 Prozent aller Befragten sagen, dass ihnen die Informationen der Hersteller nicht ausreichen, um ihre Auswahl zu treffen.
Gerade im komplexen Finanzmarkt vertrauen Verbraucher oft auf den Ruf eines Instituts. Für 56 Prozent ist der erste Eindruck ein entscheidendes Kriterium und damit wichtiger als ethische Aspekte (48 Prozent) oder geprüfte Siegel (47 Prozent). Lediglich jeder Dritte (32 Prozent) setzt sich intensiv mit der Entscheidung bei Finanzen auseinander – gegenüber 50 Prozent bei Lebensmitteln und sogar 65 Prozent bei Gebrauchsgütern.

„Gerade bei Finanzen sind Verbraucher auf die Empfehlungen eines fachkundigen Beraters angewiesen. Sie können nicht jedes Angebot intensiv prüfen und müssen sich darauf verlassen können, dass die Marktaufsicht funktioniert“, sagt Billen. Der vzbv fordert eine unabhängige Institution, die den Markt aus Verbrauchersicht beobachtet und rechtzeitig auf Fehlentwicklungen aufmerksam macht: einen Finanzmarktwächter. Verbraucherbeschwerden könnte er systematisch analysieren und seine Erkenntnisse Politik und Wirtschaft zur Verfügung stellen, um Missstände frühzeitig zu beheben. „Nur wenn wir die Beschwerden der Verbraucher auswerten und Märkte konsequent auch aus Verbrauchersicht beobachten, bekommen wir ein Frühwarnsystem, das Verbraucher schützt, bevor Schaden entsteht“, so Billen.

Für mehr Orientierung ist die Mehrzahl der Verbraucher bereit, auf Auswahl zu verzichten. Im Finanzbereich etwa sagen zwei von drei Verbrauchern (66 Prozent), dass sie lieber weniger Produkte miteinander vergleichen und sich an Empfehlungen und Warnungen von unabhängigen Institutionen orientieren wollen. 92 Prozent der Befragten wünschen sich zudem mehr Marktkontrollen durch unabhängige Institutionen.

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass es noch ein weiter Weg zu einem wirklich fairen Verhältnis zwischen Unternehmen und Kunden ist. Ebenso wie zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, besonders im Handel. Das sind zwei Bereiche von fünf Bereichen, die der Fairness-Check regelmäßig näher beleuchtet. Bei ihm können Verbraucher, Mitarbeiter und Unternehmen erfahren, wie es um die Fairness-Qualität einzelner Firmen steht und was noch zu tun ist.

Mit Material der Verbraucherzentrale

Der Fairness-Check


"Kurzfassung der Studie mit Grafiken"


25.09.2012 07:20
Fairness-Versprechen auf dem Prüfstand
Das neue Portal „Fairness-Check“ ist gestartet: http://www.fairness-check.de.

Es nimmt die Fairness-Qualität von Unternehmen unter die Lupe. Denn immer mehr Unternehmen und Organisationen versprechen Fairness.

Das ist eine gute Entwicklung, die Unterstützung verdient. Denn gleichzeitig sind immer mehr Menschen an der Fairness von Firmen interessiert. Deswegen geben sich Unternehmen auch mehr Mühe, Fairness-Qualität zu verwirklichen. Zumindest behaupten sie das. Und das macht den Fairness-Check aktuell und nützlich für beide Seiten. Denn nicht immer wird von den Unternehmen die Fairness verwirklicht, zu der sie sich verpflichten oder die sie vorgeben zu realisieren.

Umso wichtiger ist es jedoch, Fairness als Phrase oder Werbemasche zu entlarven. Fairness versprechen und nicht halten: Das ist Irreführung und unlauterer Wettbewerb. Es tut der Fairness von Unternehmen Abbruch, die tatsächlich fair agieren. Und tritt die Erwartung und Hoffnung von Verbrauchern und Kunden mit Füßen.

Die Fairness-Spreu vom Fairness-Weizen zu trennen – das ist die Aufgabe vom Fairness-Check. So listet der Fairness-Check Unternehmen auf, die Fairness für sich als Ganzes oder in Einzelaspekten in Anspruch nehmen. Fairness-Versprechen werden im Fairness-Check dokumentiert, geprüft, bewertet und kommentiert. Fouls und unfaire Akteure werden sichtbar. Faire Akteure anerkannt und bestärkt.

Die Fairness-Qualität wird in fünf Hinsichten unter die Lupe genommen: gegenüber Kunden und Verbrauchern, gegenüber Mitarbeitern und Lieferanten, gegenüber Umwelt und Natur, gegenüber Wettbewerbern und Kapitalgebern, gegenüber Öffentlichkeit und Staat. So sorgt der Fairness-Check für mehr Transparenz der Unternehmen und damit selbst für mehr Fairness in der Gesellschaft.

Das Fairness-Check braucht ehrenamtliche Unterstützer: Fairness-Scouts, die mitrecherchieren und mitarbeiten. Und finanzielle Unterstützer, die dem Fairness-Check eine stabile Entwicklung und eine lange Existenz ermöglichen.

Der Fairness-Check: Ein Projekt der Fairness-Stiftung: http://www.fairness-check.de/

10.12.2010 16:01
Billigkauf zerstört Mensch und Natur
Wir haben angeblich Schuld, wir, die Verbraucher. Sagt ein Anwalt des Unternehmers Axel H., der Schlachthöfe mit billigen Schwarzarbeitern versorgte. Der Vorwurf des Anwalts, der der Verteidigung diente, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Nicht nur Menschen hierzulande, die am Existenzminimum leben, greifen zu billigem Fleisch. Auch wohlsituierte Menschen nehmen Discountfleisch. Aus Großmärkten, aus Sonderangeboten. Man freut sich über die Schnäppchen und verdrängt dabei, wie die billigen Schnitzel und Steaks, die billigen Hühner und Puten zustande kommen.

Das Düsseldorfer Landgericht sprach den 48jährigen Axel H. schuldig, in 107 Fällen Steuerhinterziehung und in 29 Fällen Betrug der Sozialversicherung begangen haben. Zusammen mit sieben Mittätern hat er einen Schaden von 14 Millionen Euro verursacht. Das Urteil beendete einen der größten Steuerstrafverfahren in Deutschland. Mit einem Geflecht von 50 Firmen hatten Axel H. und seine Komplizen bis zu 1000 Menschen an Schlachthöfe vermittelt. Diese arbeiteten zwar Vollzeit, wurden aber als 400-Euro-Jobber geführt, teils auch als Selbständige, so dass Sozialbeiträge und Einkommenssteuern vermieden wurden. Die Richterin Brigitte Koppenhöfer sagte: „Der Umfang der illegalen Tätigkeiten und deren Selbstverständlichkeit sind erschreckend. Das Gewerbe scheint von diesen Straftaten durchdrungen zu sein“.

Billiges Fleisch hat eigenwillige Produktionsfaktoren: Massentierhaltung, Antibiotika im Futter, gülleverseuchte Landstriche und Grundgewässer, Schnellmast, gering entlohnte Beschäftige, Steuer- und Abgabenumgehung, getarnte Beschäftigungsverhältnisse, Fleischmurks durch Fleischbehandlung mit Spezialmethoden und –stoffen für appetitliches Aussehen und fleischnahen Geschmack. Welcher Verbraucher will das mitverantworten?

Über sieben Millionen Tonnen Fleisch werden in Deutschland konsumiert. Das ist Spitze. Und das angesichts von Aufklärungskampagnen, Fleischskandalen, Fitness-Wellen und Diätwahn. Dabei wäre ein höherer Fleischpreis bei gleichzeitig verbesserten Produktionsbedingungen nicht nur machbar, sondern sogar wünschbar. Denn höherer Preis reduziert den Fleischkonsum. Und weniger Fleisch bedeutet mehr Lebensqualität für Mensch, Tier und Fauna. Da die Fleischindustrie wohl nicht selber auf diesen Trichter kommt, muss der Verbraucher eine Kehrtwende machen und mit denen an einem Strick ziehen, die Fleisch seltener, dafür aber bewusst ökologisch produziertes Fleisch essen. Denn das ist fair zum Tier, fair zum Beschäftigten, fair zur Natur und fair zu sich selbst. Weniger ist wirklich mehr. Mehr öko und bio ist mehr fair.

25.06.2010 14:29
KiK und die Billigkleidung sind krass unfair
Ein T-Shirt für einen Euro. Das ist krass unfair. Und wird nicht besser durch begleitende PR-Maßnahmen. Fair-Washing betreiben KiK und Co. im Billigsegment des Textilhandels. Zu Recht schreibt Klaus Staeck in der Frankfurter Rundschau von heute:

>> Qualität "kommt von quälen", wirbt Verona Pooth in ihrem schlichten Feldbusch-Deutsch für KiK. Wenn sie wüsste, wie recht sie damit hat. Eigentlich kann sie doch nicht so naiv sein, wie sie sich im Werbespot gibt. Selbst Verona sollte klar sein, dass ihr Auftraggeber mehr Qualen als Qualität produziert. Dieses Leiden bekommen keineswegs minderwertige Billigprodukte bei der Qualitätsprüfung zu spüren, wie der Spot suggeriert, sondern seine Mitarbeiter in Deutschland und die Näherinnen in der Dritten Welt. Doch was schert es die mit üppigen Gagen verwöhnte Werbeikone, dass die Verkäuferinnen bei KiK mit 5,20 Euro pro Stunde abgespeist werden und sich die Arbeiterinnen in Bangladesch jeden Tag nur "Reis und vielleicht alle zwei Monate ein Hühnchen" leisten können. Hauptsache, die eigene Kasse stimmt.

Plagen Verona und KiK die investigativen Medien wieder einmal, werden sie mit irreführenden PR-Kampagnen beruhigt. Ohne mit den Wimpern zu zucken, setzt sich Pooth für "SOS Kinderdörfer" oder "Ein Herz für Kinder" ein und nimmt in Kauf, dass Kinder und Frauen in Bangladesch für einen Hungerlohn im Auftrag von KiK T-Shirts zusammennähen. Da kann der Textilverramscher noch so oft beteuern, dass seine Lieferanten in Südostasien einen Verhaltenskodex unterzeichnet haben, der Mindestlöhne garantieren und Kinderarbeit verbieten soll. Obwohl dieser "Code of Conduct" wegen seltener Kontrollen nicht eingehalten wird, die Ausgebeuteten von ihren Chefs geschlagen werden und bis zu 16 Stunden pro Tag schuften müssen, wirbt KiK weiter mit seinem sozialen Engagement. In der Vermarktung ihrer bescheidenen Wohltaten sind sie ganz groß, in Sachen sozialer Verantwortung ganz klein.

Für das Image von KiK macht es sich gut, tausend Kindern in Bangladesch einen Schulbesuch und etwa ebenso vielen Fabrikarbeiterinnen einen minimalen medizinischen Gesundheitscheck zu ermöglichen. Doch für die Betroffenen ändert sich im Alltag wenig. Statt sündhaft teure PR-Maßnahmen zu starten und sich in Prospekten mit dem "Gold Standard Award" für vorbildliche Öffentlichkeitsarbeit in Asien auf die Schulter zu klopfen, sollte der Textildiscounter lieber für gerechte Löhne und gesunde Arbeitsbedingungen sorgen. Es wie die Lifestyle-Experten von Apple darauf ankommen zu lassen, dass zehn Mitarbeiter eines chinesischen Zulieferbetriebs wegen der Niedriglöhne den Freitod wählen, zahlt sich fürs Image auf Dauer nicht aus. Ebenso wenig wie die Garantien von Billigheimer Lidl, der mit fairen Arbeitsbedingungen seiner Zulieferer aus Bangladesch geprotzt hat und nach genauer Prüfung der Hamburger Verbraucherzentrale seine Werbung zurückziehen musste.

Aus eigener Einsicht oder schlechtem Gewissen werden KiK und Co. ihre Billig-Strategie nicht ändern. Die Verantwortlichen sind gefordert, die Discounter auf Sozialstandards in ihrer Lieferkette zu verpflichten. Auch der Kunde trägt eine Mitverantwortung. Er muss wissen, was hinter der Charity-Fassade so mancher Promis steckt und wieso ein T-Shirt beim Discounter statt zehn nur einen Euro kostet. Was der Kunde hier billig einkauft, kommt seine Mitmenschen in Deutschland und der Dritten Welt sehr oft teuer zu stehen. Wer also nicht so gedankenlos wie Verona handeln möchte, der kaufe besser dort, wo die Produkte nicht nur billig, sondern ihren Preis für alle Beteiligten wert sind. <<

Klaus Staeck ist Verleger und Grafiker: http://www.klaus-staeck.de/index.php
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/meinung/?em_cnt=2784208&

21.08.2009 18:53
Fairness auf dem Vormarsch?
Wenn Menschen ein Angebot als fair empfinden, zahlen sie sogar deutlich mehr als verlangt. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie des Max-Planck-Instituts. Dass Kunden immer so wenig und vor allem im Internet gar nicht zahlen wollen, ist daher ein viel gepflegtes Vorurteil. Doch Kaufentscheidungen stützen sich nicht nur auf Kosten-Nutzen-Rechnungen.

Von 2003 bis 2005 werteten Tobias Regner vom Jenaer Max-Planck-Institut und Javier A. Barria vom Imperial College London beim Online-Musik-Labels „Magnatune“ alle Verkäufe aus. Dort ist es den Kunden überlassen, zwischen 5 und 18 Dollar so viel zu zahlen, wie sie wollen. Es gibt eine Preisempfehlung von 8 Dollar. Die Studie ergab, dass die Käufer im Durchschnitt 8,20 Dollar bezahlten - also nicht nur 64 Prozent mehr als den minimalen Preis, sondern sogar einen Wert, der über der Preisempfehlung liegt.

Regner erklärt das so: „Das Verhalten des Anbieters wurde hier als nett und positiv aufgefasst. Das ist der Grund, warum Kunden im Gegenzug auch faire Preise zahlen.“ Nicht nur die freie Preiswahl gefalle den Nutzern. «Sie können die Alben über Streaming voll anhören und sich ihr Wunschalbum deshalb genau aussuchen, bevor sie es kaufen. Sie können also eine besser informierte Kaufentscheidung treffen. Und ihnen stehen mehrere Dateiformate zur Wahl. Das sei bei den großen, etablierten Anbietern des digitalen Marktes anders. Dazu kommt: Magnatune gibt die Hälfte des Erlöses an die Musiker weiter, während es normalerweise nur etwa fünf Prozent seien.

Die Studie des Max-Planck-Instituts unterscheidet vier Gruppen: Etwas mehr als die Hälfte hält sich regelmäßig an den empfohlenen Preis. 20 Prozent der Käufer zahlen laufend mehr als diese 8 Dollar, 15 Prozent nur das angesagte Minimum. Eine vierte Gruppe zahlt weniger, je mehr Alben sie kauft.

Die Studie konnte keinen Unterschied zwischen der Zahlungsbereitschaft von Frauen und Männern erkennen. Selbst eine Folgestudie ergab, dass auch Alter und Einkommen der Käufer nur einen begrenzten Einfluss auf ihre Preiswahl haben. Dies steht im Gegensatz zu Forschungserkenntnissen von Ju-Young Kim, die an der Frankfurter Universität flexible Preissysteme untersucht. Ihrer Ansicht nach spielt das Einkommen normalerweise bei der Preiswahl in flexiblen Preissystemen eine große Rolle. Allerdings haben die von ihr untersuchten Preissysteme haben im Gegensatz zu dem von kein Preislimit. Kunden können auch gar nichts bezahlen. So werden durchschnittlich etwa 80 Prozent des Normalpreises bezahlt.

Die Frankfurter Wissenschaftlerin glaubt, dass sich Fairness-Motive nicht klar von der Vermeidung von Schuldgefühlen trennen lassen. Die Max-Planck-Forscher haben diese Unterscheidung versucht. Die Folgestudie zeigt, dass Gegenseitigkeit als Hauptgrund für die hohe Zahlungsbereitschaft der Kunden gesehen werden könnten.

200 Umfrageantworten wurden ausgewertet, in denen regelmäßige Kunden ganz frei ihre Konsumentenerfahrung bei Magnatune beschrieben haben. Dabei spielten die Vermeidung von Schuldgefühlen oder der Versuch, sich als guter Mensch zu profilieren, eine untergeordnete und nebensächliche Rolle. Vielmehr stehe die Gegenseitigkeit ganz klar im Vordergrund. Regner meint: „Es geht hier um Künstler, die finanziell so gestellt sind wie man selber. Bei großen Stars mit viel Geld würde das Gegenseitigkeitskonzept so wahrscheinlich nicht funktionieren“.

Ju-Young Kim meint, dass flexible Preissysteme bei persönlichem Bezug besser funktionieren. Bei einem großen Kino hätten Kunden den Normalpreis deutlich stärker unterschritten als beim kleinen Frankfurter Restaurantbetrieb Kish. Das persische Restaurant bietet schon seit mehreren Jahren beim Mittagessen erfolgreich ein «pay what you want»-Angebot an.

Die Kunden von Magnatune kommen nach Regners Angaben aus der ganzen Welt. Etwas mehr als die Hälfte der Kunden des amerikanischen Musiklabels stamme aus den USA, zehn Prozent aus Großbritannien und vier Prozent aus Deutschland.

Es gibt deutliche Hoffnungszeichen, dass Akteure dort fair agieren, wo die Rahmenbedingungen fair sind. Die Forschungsergebnisse sind noch keine Beweise, die man verallgemeinern kann. Aber zusammen mit etlichen Erkenntnissen aus der experimentellen Wirtschaftswissenschaft wird deutlich: Fairness ist nicht nur auf dem Vormarsch, sondern die fairwilligen Akteure sind keine Minderheit - seit langer Zeit. Es braucht nur Gelegenheiten, frei und fair zu sein.
http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/2009/pressemitteilung20090727/
http://www.pay-what-you-want.net/index.htm http://www.marketingpower.com/ResourceLibrary/Documents/JMForthcoming/paywhat_jm_forth07225.pdf http://www.sueddeutsche.de/leben/229/483672/text/

Originalveröffentlichung: Tobias Regner, Javier A. Barria: Do Consumers Pay Voluntarily? The Case of Online Music. Journal of Economic Behavior & Organization, Vol. 71. Issue 2, Pages 395-406, August-Ausgabe 2009

11.12.2007 14:30
Fairness wird Maßstab für Kaufentscheidung
In einer repräsentativen Studie halten es 93 Prozent der Konsumenten in Deutschland für sehr wichtig, dass Unternehmen ethisch und moralisch korrekt handeln. Allerdings glauben nur 15 Prozent der Befragten, dass deutsche Unternehmen diese Werte auch wirklich hochschätzen. Rund 90 Prozent der Befragten nannten „Fairness gegenüber den Mitarbeitern“ und "Schonung der Umwelt“ als zentrale Punkte ethisch und moralisch korrekten Handelns. Außerdem wurde die Bereitschaft der Konsumenten erfasst, einen Aufpreis für sozialverantwortliche Produkte und Dienstleistungen zu bezahlen. Die Zahl derer, die einen Aufpreis akzeptieren, liegt bei 75 Prozent. Die Höhe des „Moralaufschlags“ liegt in der Studie des Marktforschungsinstituts Puls derzeit bei 12,4 Prozent.

Auch wenn die Verbraucher beim Einkauf ihrer eigenen Bereitschaft und Bewertung widersprechen, weil sie eher auf den Preis anstatt auf die "Fairness gegenüber den Mitarbeitern" und die "Schonung der Umwelt" achten, so ist der Trend doch eindeutig: Bei ähnlichem Preis entscheidet dann das faire und ethische Ansehen der Unternehmens und der Marke. Wobei Spendenaktivitäten der Unternehmen relativ unbedeutend für die Kaufentscheidung sind, weil sie von Konsumenten ohnehin der Marketingstrategie zugeschlagen wird.

Bei einem übersättigtem Markt, weiterem Preisdruck und steigendem Fairnessbewusstsein in der Bevölkerung werden die Unternehmen gewinnen, die sich durch Fairness von anderen Unternehmen unterscheiden. Kaufentscheidungen brauchen Gesichtspunkte, um eine Wahl treffen zu können. Fairness entwickelt sich zu einem starken Kaufargument.

14.02.2007 16:06
Ätzende Ware oder fairflowers am Valentinstag?
Heute werden 21 Millionen € für Blumen in Deutschland ausgegeben: es ist Valentinstag. Der Feiertag ist ein gelungener Coup der Blumenindustrie zu ihrer schwächsten Verkaufszeit zwischen Weihnachten und Ostern. Doch Blumen sind überwiegend eine ätzende Ware: Stark mit Pestiziden belastet ätzen sie die Haut und die Atemluft der vielen Frauen, die in Dritte Welt- und Schwellenländern für den europäischen und nordamerikanischen Markt beim Schneiden und Sortieren der Blumen ihre Haut zu Markte tragen.

Inzwischen weiß man, dass weit geringere Mengen der Schadstoffe als bisher gedacht bereits die Luftröhre und die Haut der Frauen Leben verkürzend beeinträchtigen.

Aber es gibt Alternativen. Denn besonders in armen Ländern ist der Blumenhandel oft die einzige Verdienstmöglichkeit für Frauen. Damit es dabei gesundheitlich unbedenklich und fair gegenüber den Frauen zugeht, haben die Menschenrechtsorganisation FIAN und Gewerkschaften das Blumenlabel FLP für Flower Label Program entwickelt. In Afghanistan und Äthiopien beispielsweise können so Frauen vom Koka- und Opiumanbau auf Blumenanbau und -handel umsteigen.

Hier können Sie sehen, wo es fair trade-Blumen gibt, denn Sie entscheiden mit, ob Fairness für die Unternehmen wichtiger wird: http://www.fairflowers.de/
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wirtschaft/aktuell/?em_cnt=1074085

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