Eine Expertenrunde diskutierte in Frankfurt am Main über Wege zu nachhaltigeren Smartphones. Ein Bericht von Joachim Wille (FR):
„Deutsche Schubladen sind eine Rohstoffquelle, nur: Kaum einer nutzt sie. Dort liegen nach Expertenschätzung über 120 Millionen alte Handys, die nicht mehr genutzt werden. Pro Haushalt sind es im Schnitt es drei bis fünf Geräte. Wertvolle Metalle und Mineralien finden sich darin, darunter 2,9 Tonnen Gold, 1100 Tonnen Kupfer sowie Stoffe wie Coltan, Kobalt und Palladium. Recycling oder Rückgabe an den Hersteller, so wie in anderen Ländern üblich, etwa Großbritannien oder den Niederlanden – meist Fehlanzeige. „Wir Deutsche haben ein mangelndes Ressourcenbewusstsein“, urteilt Cornelia Szyszkowitz, Nachhaltigkeitsmanagerin bei der Deutschen Telekom.
Das Bewusstsein zu schärfen war Ziel der neuesten Ausgabe des „Forum Entwicklung“, einer Diskussionsserie, die Frankfurter Rundschau, hr-info und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Entwicklung (GIZ) veranstalten. „Smartphone ohne Schattenseiten?“ lautete der Titel des Abends, der passenderweise im Frankfurter Museum für Kommunikation stattfand. Die Zahlen, die das Problem umreißen: Rund 24 Millionen Smartphones werden in Deutschland pro Jahr verkauft, und 60 Prozent der Nutzer tauschen es nach nur einem Jahr bereits wieder gegen ein neues, moderneres Modell aus. In jedem Gerät stecken rund 60 Mineralien, von denen eine ganze Reihe „Konfliktmineralien“ sind, Rohstoffe, die aus Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo stammen und dort oft unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut werden.
Auch einen großen Netzbetreiber wie die Telekom treibt das Thema um. Szyszkowitz hat in dem Unternehmen ein Handy-Rücknahmeprogramm aufgebaut und durchgesetzt, dass inzwischen auch generalüberholte Geräte („refurbished“) angeboten werden sowie das „Fairphone“, das als nachhaltige Alternative zur Apple, Samsung und Co. gilt. Als anzustrebende Ziele nannte sie: Langlebigkeit, Reparaturfreundlichkeit, Recyclingfähigkeit. Doch sie räumte ein: „Das ist noch weit weg vom Mainstream.“ Unter welch verheerenden Bedingungen die Rohstoffe vielfach gewonnen werden, machte in der Diskussion die Koordinatorin des Ökumenischen Netzwerks Zentralafrika, Gesine Ames, deutlich. Beispiel Kongo, wo Coltan und Co. zum großen Teil aus Kleinminen stammen: „Es gibt keinen geregelter Arbeitstag für die Minenarbeiter, eine hohe Unfallgefahr, und oft werden Kinder eingesetzt.“ Hier herrsche immer noch „Alarmstufe rot“. Trotzdem sei ein Boykott von Rohstoffen aus dem Kongo, die ein Fünftel zur Wirtschaftleistung des Landes beitragen, der falsche Weg. Dann breche für viele die Lebensgrundlage weg. „Nötig ist eine gerechte Rohstoffpolitik“, sagte Ames – ein Job für die Staaten, in denen Smartphones produziert werden. Eine Chance biete hier das in Deutschland debattierte Lieferkettengesetz.
GIZ-Experte Stefan Bauchowitz betonte: Ein Rückzug aus Ländern wie dem Kongo ist unsinnig. So seien allein im Süden des Landes bis zu 200 000 Menschen auf die Einkünfte aus dem Bergbau angewiesen. Ziel der GIZ-Arbeit vor Ort ist es daher, Hilfestellung zur Umsetzung internationaler Standards zu Menschen- und Arbeitsrechten sowie Umweltschutz zu geben. Die Entwicklungsorganisation schult lokale Bergbau-Kooperativen, zum Beispiel in Sicherheitsfragen, unterstützt die Erarbeitung einer nationalen Strategie gegen Kinderarbeit im Bergbausektor, begleitet die Zertifizierung von Minen, damit sichergestellt ist, dass es dort keine schweren Menschenrechtsverstöße und in ihrem Umfeld keine bewaffneten Gruppen gibt, die sich mit dem Rohstoffverkauf finanzieren. Handy-Materialien von dort sind zumindest „fairer“ als andere. Nur zertifizierte Rohstoffe zu nutzen, reicht natürlich nicht.
Dass Hersteller tatsächlich viel mehr tun können, machte in der Diskussion Carsten Waldeck deutlich, der Co-Geschäftsführer und Mitgründer des alternativen Smartphone-Herstellers „Shift“ aus dem nordhessischen Falkenberg. Das per Crowdfunding finanzierte Familienunternehmen entwickelt, baut und verkauft modular designte Geräte. Deren Kennzeichen: langlebig, leicht reparierbar, Bauteile wie Akku, Display und Kamera vom Nutzer austauschbar, viele Jahre lang Software-Aktualisierung garantiert. Die Arbeiter, die die Smartphones in China produzieren, bekämen „faire Löhne“ und hätten bessere Arbeitsbedingungen als vielerorts in Deutschland. Das Credo der Firma laut Waldeck: „So viel Gutes tun, wie wir können, und keinen Schaden anrichten.“ Das Unternehmen aus dem „Silicon Valley in hessisch Sibirien“ (Moderator Tobias Schwab) hat 2019 laut Waldeck bereits 50 000 „Shiftphones“ verkauft, noch wenig im Vergleich zu den Großen im Geschäft, aber doch wegweisend. Chinesische Hersteller hätten bereits Entwicklungen von Shift kopiert. Das sei auch gewollt, sagte Waldeck, „unsere Technik ist frei verfügbar, wir haben keine Patente beantragt“.
Ein wenig hat die Veranstaltung in Frankfurt übrigens dazu beigetragen, dass die Rohstoffquelle Schublade genutzt wurde. Teilnehmer konnten alte Handys mitbringen, die nun recycelt werden. Es kamen immerhin rund 100 Geräte zusammen“.
Quelle: Frankfurter Rundschau 7. März 2020, S. 17
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