26.03.2024 09:29
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50 Jahre Fairness-Qualität in der GLS-Bank
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Am 11. März 1974 wird das weltweit erste sozial-ökologischen Kreditinstituts gegründet. Die genossenschaftlichen Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken, kurz die GLS Bank. Das Leitbild der Bank: Sinn vor Gewinn.
Im Ranking des Fairness-Checks steht seit vielen Jahren die "GLS auf Platz 1". Von der Qualität der Führungs- und Unternehmenskultur hat sich die Fairness-Stiftung auch selbst ein Bild gemacht, mit vielen Mitarbeitenden gesprochen und konnte sich von der Fairness-Qualität der Bank in kritischen Gesprächen mit den Führungskräften überzeugen.
Zum 50jährigen Jubiläum hat Antje Mathez mit der Chefin der Bank, Aysel Osmanoglu, für die Frankfurter Rundschau, das Gespräch geführt, deren erklärtes Ziel die Gestaltung eines gerechten und regenerativen Wirtschaftens ist. Bei der Bilanzvorlage der GLS Bank am Donnerstag erteilt die Vorstandssprecherin vereinzelten Forderungen aus der Politik, es angesichts der multiplen Krisen mit der Nachhaltigkeit langsamer angehen zu lassen, eine klare Absage:
Frau Osmanoglu, Sie haben 2006 bei der GLS Bank als Trainee angefangen und sind im vergangenen Jahr zur Vorstandssprecherin aufgestiegen – haben also Ihr ganzes Berufsleben bei der GLS verbracht. Können Sie sich überhaupt vorstellen, in einem anderen Unternehmen zu arbeiten?
Ich habe schon vorher als Werksstudentin in der damaligen Ökobank begonnen und durfte bei der Übernahme durch die GLS Bank helfen. Ich habe Kundenstämme sortiert und zusammengefasst. Danach wurde ich als Trainee übernommen und durfte sehr früh an der Erarbeitung des Leitbildes teilhaben. Eine so lange Zeit prägt natürlich sehr stark. Wichtig ist für mich, meine Wirksamkeit zu erleben. In unterschiedlichen Rollen oder in unterschiedlichen Tätigkeiten. Solange ich diese Wirksamkeit spüre, gibt es keinen Grund für diese Überlegungen. Wenn sich dies ändert, sollte sich jeder die Frage stellen, ob er der Gemeinschaft an dieser Stelle hilfreich ist.
Was begeistert Sie so an der GLS Bank?
Wir sind auf vielen verschiedenen Feldern tätig, die die menschlichen Grundbedürfnisse abdecken. Wir haben Geld als sehr wirkmächtiges Instrument zur Verfügung, um die Gesellschaft positiv zu gestalten. Wir haben Mitarbeiter:innen, die aus Überzeugung für diese Bank arbeiten. Wir lehnen Kreditgeschäfte ab, hinter denen wir nicht stehen, ohne uns für irgendwelche entgangenen Gewinne rechtfertigen zu müssen, weil alle Beteiligten hinter diesem Leitbild stehen. Wir haben ein großes Netzwerk von Kund:innen und Mitgliedern die mit diesem Impuls sehr verbunden sind. Gemeinsam ziehen wir daraus eine große gestalterische Kraft. Mit meiner Tätigkeit ist das Glück verbunden, viele dieser Menschen zu besuchen, sie kennenzulernen und ihre Begeisterung und Wirksamkeit hautnah mitzuerleben.
Und dennoch hört man, dass Sie Ihren Job abschaffen wollen.
Ich möchte nicht den Job, sondern die Rolle ändern. Wir arbeiten in einem vielfältigen Team zusammen, wo die unterschiedlichen Fähigkeiten gefragt sind. Ich bin überzeugt: Alle Führungskräfte müssen lernen, ihren Kolleg:innen zu vertrauen. Ein Chef, der glaubt, auf alle Fragen selbst die beste Antwort zu kennen, passt nicht zur GLS Bank. Es geht darum, respektvoll und auf gleicher Augenhöhe zusammenzuarbeiten.
Was unterscheidet die GLS Bank von anderen Nachhaltigkeitsbanken?
Jedes Unternehmen hat einen eigenen, einzigartigen Impuls. In diesen Impulsen unterscheiden wir uns sicherlich. Unser Bankgeschäft beruht zum Beispiel auf ökologischen UND sozialen Kriterien. Für alle Kredite sowie unser Wertpapier- und Beteiligungsgeschäft gelten strenge Ausschluss- und Positivkriterien. Bei uns ganz besonders ist auch das Maß an Transparenz unserer Geschäftstätigkeit. Sowohl die Kriterien als auch die Kredite werden vollständig und transparent veröffentlicht.
Die Buchstaben GLS stehen für Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken. Seit wann verschenken Banken denn Geld?
Die GLS Bank ist vor 50 Jahren aus der heutigen GLS Treuhand entstanden. Bis heute begreifen wir uns als GLS Familie, auch wenn wir unternehmensrechtlich unabhängig voneinander sind. Die GLS Treuhand ist heute ein Anlaufpunkt für Stiftungen und Stifter:innen, also Menschen, die Geld verschenken wollen, um damit eine gesellschaftliche Wirkung zu erzielen. Als GLS Bank ergänzen wir dieses Angebot. Wir verwalten das Geld unserer Kund:innen, verleihen es an nachhaltige Unternehmen und Organisationen und finanzieren so auch eine gesellschaftliche Wirkung. Zum Beispiel neue Öko-Ackerflächen, ein neues gemeinnütziges Wohnprojekt oder wir tragen mit PV- und Windkraft-Anlagen zur Energiewende bei. Und wir haben die GLS eSpende entwickelt, mit der wir digitales Spenden vereinfachen.
In einem Interview haben Sie mal gesagt: „Geld ist Liebe“. Würden Sie mir das erklären? Ich kenne nur das Sprichwort: „Bei Geld hört die Freundschaft auf“.
Ich würde sagen, beim Geld fängt die Freundschaft an! Unser Grundgedanke ist, dass Geld unterschiedliche Qualitäten hat: Als Kaufgeld drücken wir mit Geld Anerkennung aus. Ich sehe dich, ich sehe deine Fähigkeiten, schön, dass du das gemacht hast. Als Leihgeld drücken wir mit Geld Vertrauen aus: Ich vertraue, dass dein Projekt gelingen wird, dass deine Idee in die Welt passt und gebraucht wird. Und ich vertraue darauf, dass du es zurückzahlst. Und als Schenkgeld drücken wir Liebe damit aus: Ich liebe dich, entfalte dein Potenzial. Es ist bedingungslos, wie die Liebe. Wir sollten Geld als etwas Verbindendes, und nicht als etwas Trennendes begreifen. Als Werkzeug, um etwas zusammen zu gestalten. Wir müssen Geld neu denken und dafür nutzen, was eigentlich zählt: menschliche Grundbedürfnisse und eine Lebens- und Wirtschaftsweise, die im Einklang mit Mensch und Natur steht.
Apropos nachhaltige Lebensweise: Sie sind wahrscheinlich der/die einzige Bankchef:in, die keinen Dienstwagen zur Verfügung hat. Sie fahren nicht einmal privat Auto.
Aus einer nüchternen Betrachtung ergibt sich für mich die Notwendigkeit, kein eigenes Auto zu besitzen. Es macht für mich als Stadtbewohnerin ökologisch und ökonomisch keinen Sinn. Deshalb fahre ich ganzjährig mit dem Rad zur Bank und zurück – eine wunderbare Zeit, ganz für mich, um den Kopf freizubekommen und meine Umgebung wahrzunehmen. Innerhalb der Stadt bin ich in der Regel mit dem Fahrrad auch schneller am Ziel als mit dem Auto. Ansonsten bin ich mit der Bahn, zu Fuß, mit Öffis oder Carsharing unterwegs. Privat wie dienstlich. Auch für Dienstreisen ist die Bahn schlicht praktischer, Reisezeit ist immer auch Arbeitszeit. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es die Bahn als Folge furchtbarer politischer Entscheidungen einem seit einiger Zeit sehr schwer macht. Ich versuche durchzuhalten, da es mein kleiner Beitrag dazu ist, dass langfristig die Mobilitätsalternativen erhalten bleiben und besser werden.
Die GLS Bank feiert in diesem Jahr ihr 50. Jubiläum. Welche Aufgaben sehen Sie in den nächsten 50 Jahren für die GLS?
Wir werden Menschen, Unternehmen und Organisationen auf ihrem Weg begleiten: sei es auf dem Weg zur Klimaneutralität, zu einem menschlicheren Wirtschaften, zu einem sozialeren Miteinander. Seit 50 Jahren zeigen sowohl wir als auch unsere Kund:innen, dass ein anderes Wirtschaften möglich ist. Davon werden wir noch viel mehr brauchen. Eine der Aufgaben wird sein, die soziale Frage in den Mittelpunkt zu rücken. Denn Nachhaltigkeit braucht beides: Ökologie und soziale Gerechtigkeit. Eine weitere wichtige Aufgabe wird auch sein, beizutragen, dass wir als Gesellschaft die Fähigkeit des Teilens ausbilden und stärken. Schon jetzt ist klar, dass die ökologischen Bemühungen für zahlreiche dramatische Klimaauswirkungen nicht ausreichen werden. Die sich daraus ergebenden sozialen Verwerfungen müssen wir als Gemeinschaften mit der Fähigkeit zu Teilen lösen. Teilen von enger werdenden Räumen, Teilen von knapper werdenden Ressourcen, Teilen von knapper werdenden Erträgen.
Zur Person: Aysel Osmanoglu ist seit 2017 im Vorstand der GLS Bank und hat am 1. Januar 2023 die Rolle der Vorstandssprecherin vom langjährigen GLS-Chef Thomas Jorberg übernommen. Sie verantwortet die Ressorts Strategie und Entwicklung, Menschen und Wertekultur, Kommunikation, Gesamtbanksteuerung und die Kreditsicherung. 1977 in Bulgarien geboren , emigrierte sie nach dem Zusammenbruch des Ostblocks mit ihrer Familie 1989 in die Türkei, wo sie in Istanbul ihr Berufsabitur absolvierte. Mit 18 Jahren wanderte sie nach Deutschland aus. Ihren beruflichen Werdegang begann Aysel Osmanoglu 2002 als studentische Mitarbeiterin bei der Ökobank, die ein Jahr später von der GLS Bank übernommen wurde. 2006 wurde sie Trainee und ab 2013 Bereichsleiterin Basisgeschäft und Marktfolge. Sie hat Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Heidelberg und Frankfurt am Main studiert und ist diplomierte Bankbetriebswirtin im Fach Management. Sie ist verheiratet, hat eine Tochter und wohnt in Bochum. jes Zur Person
Aysel Osmanoglu ist seit 2017 im Vorstand der GLS Bank und hat am 1. Januar 2023 die Rolle der Vorstandssprecherin vom langjährigen GLS-Chef Thomas Jorberg übernommen. Sie verantwortet die Ressorts Strategie und Entwicklung, Menschen und Wertekultur, Kommunikation, Gesamtbanksteuerung und die Kreditsicherung.
1977 in Bulgarien geboren , emigrierte sie nach dem Zusammenbruch des Ostblocks mit ihrer Familie 1989 in die Türkei, wo sie in Istanbul ihr Berufsabitur absolvierte. Mit 18 Jahren wanderte sie nach Deutschland aus.
Ihren beruflichen Werdegang begann Aysel Osmanoglu 2002 als studentische Mitarbeiterin bei der Ökobank, die ein Jahr später von der GLS Bank übernommen wurde. 2006 wurde sie Trainee und ab 2013 Bereichsleiterin Basisgeschäft und Marktfolge. Sie hat Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Heidelberg und Frankfurt am Main studiert und ist diplomierte Bankbetriebswirtin im Fach Management. Sie ist verheiratet, hat eine Tochter und wohnt in Bochum.
"2011 erhielt der Vorstandssprecher der GLS-Bank den Deutschen Fairness-Preis"
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14.03.2024 08:56
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Geringe Identifikation von Arbeitnehmern mit ihren Unternehmen
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Nur noch 14 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fühlen sich stark an ihr Unternehmen gebunden, das ist das Ergebnis einer Langzeitstudie. Noch nie wollten so viele ihren Job wechseln. Maren Hoffmann schreibt darüber in Spiegel Online am 14.3.24: „Knapp die Hälfte der in Deutschland Beschäftigten ist auf dem Sprung: 45 Prozent von ihnen sind aktiv auf Jobsuche oder zumindest offen für einen Wechsel. Das ist das Ergebnis der Langzeitstudie »Gallup Engagement Index Deutschland«, die das Meinungsforschungsinstitut seit 2001 jährlich erhebt.
Nur schwache Beziehung zum Arbeitgeber
Der Index misst unter anderem, wie sehr sich Mitarbeitende an ihre Arbeitgeber emotional gebunden fühlen. Und dieser Wert ist auf einem Zehn-Jahres-Tiefstand: Fast jeder Fünfte sagt, dass er sich »überhaupt nicht gebunden« fühlt. Vier von zehn Befragten, die weniger als ein Jahr im Unternehmen sind, schauen sich schon wieder nach einer neuen Stelle um. Nur 14 Prozent sind »emotional hoch gebunden« an ihre Firma und »erleben ein durch gute Führung geprägtes Arbeitsumfeld«; mehr als 7,3 Millionen Beschäftigte haben laut der Studie bereits innerlich gekündigt.
Auch wenn einige Unternehmen Stellen abbauten, ändere das grundsätzlich nichts daran, »dass es schon jetzt zu wenig Arbeitskräfte gibt und sie durch den Eintritt der Babyboomer ins Rentenalter von Tag zu Tag weniger werden«, so Nink. »Bei Unternehmen drückt die wirtschaftliche Entwicklung auf Geschäftsergebnisse und Stimmung. Über dem Kosten- und Krisenmanagement vergessen Führungskräfte oft das People Management. Dabei kann das eine nicht ohne das andere funktionieren.
„Das Management muss hier eine klare Richtung vorgeben, Aufbruchstimmung vermitteln und in Möglichkeiten statt im Krisenmodus denken“, sagt Pa Sinyan, Managing Partner bei Gallup für den Wirtschaftsraum Europa, Arabien und Afrika.
Nur 40 Prozent der Befragten haben uneingeschränkt Vertrauen in die finanzielle Zukunft ihres Arbeitgebers. Das war in den Coronajahren anders: 2020 lag der Wert bei 55 Prozent, der höchste im Rahmen der Studie je gemessene – seither geht es abwärts, auch mit der Überzeugung, die eigene Geschäftsführung könne künftige Herausforderungen erfolgreich meistern. Nur noch ein Viertel glaubt, dass die Chefinnen und Chefs zukunftssicher unterwegs sind – auch dieser Wert liegt mittlerweile auf Vor-Pandemie-Niveau.
Immer auf dem Laufenden bleiben?
„Das Management muss hier eine klare Richtung vorgeben, Aufbruchstimmung vermitteln und in Möglichkeiten statt im Krisenmodus denken, um so die Zuversicht zu stärken und Beschäftigte für den Kurs des Unternehmens zu begeistern“, so Pa Sinyan, als Managing Partner bei Gallup für den Wirtschaftsraum Europa, Arabien und Afrika zuständig.
Mangelnde Bindung führt zu Krankentagen
Innere Kündigung ist der Studie zufolge auch ein volkswirtschaftliches Problem: Die Autoren beziffern die dadurch entstehenden Kosten aufgrund von Produktivitätseinbußen auf eine Summe zwischen 132,6 und 167,2 Milliarden Euro. Bei geringer Bindung nehmen auch die Fehlzeiten zu: Beschäftigte, die sich emotional von ihrem Arbeitgeber verabschiedet haben, waren 2023 im Schnitt gut neun Tage krank, hoch gebundene Mitarbeitende kamen nur auf knapp fünf Tage.
Von den stark Gebundenen wollen vier Fünftel in einem Jahr noch bei ihrer derzeitigen Firma sein – von denjenigen ohne Bindung sind es weniger als ein Drittel. Der Anteil derjenigen, die fest davon überzeugt sind, in drei Jahren noch in ihrem Unternehmen sein zu wollen, ist im Laufe der Jahre auf jetzt 40 Prozent kontinuierlich geschrumpft. 2018 lag der Wert noch bei 65 Prozent.
Mehr als zwei Drittel der Befragten schätzen den Arbeitsmarkt positiv ein, mehr als ein Drittel stimmt uneingeschränkt der Aussage zu »Mein Unternehmen hat große Schwierigkeiten, den Bedarf an geeigneten Fachkräften zu decken«. Vor zehn Jahren war es nur ein Fünftel.
Der entscheidende Faktor für Wechselwilligkeit, so die Studie, sei die erlebte Führung. Nur gut ein Fünftel ist uneingeschränkt mit dem oder der direkten Vorgesetzten zufrieden. Darüber hinaus haben Beschäftigte nicht das Gefühl, dass ihre Führungskräfte ihre
Stärken wahrnehmen und wertschätzen. Nur gut ein Viertel gibt an, dass diese in ihrem Arbeitsalltag im Mittelpunkt stehen.“
Für die Untersuchung wurden zwischen dem 20. November und 22. Dezember 2023 insgesamt 1500 zufällig ausgewählte Arbeitnehmende ab 18 Jahren telefonisch interviewt. Die Ergebnisse sind laut Gallup repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft in Deutschland ab 18 Jahren.
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12.03.2024 10:34
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Wenn Konkurrenz die Fairness bedroht oder zerstört
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Das EU-Lieferkettengesetz darf nicht scheitern, fordern Gerd Müller und Kailash Satyarthi. Immer billiger zu produzieren sei der falsche Weg. Ohne die europäische Richtlinie könne die Globalisierung auf Dauer nicht erfolgreich sein.
Gerd Müller war Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und ist heute Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (Unido). Kailash Satyarthi ist Kinderrechts- und Bildungsaktivist und Friedensnobelpreisträger (2014). Und schreiben für das „Handelsblatt“ (6.3.24) wie folgt: Was meinen Sie: Wenn ein europäischer Modekonzern eine Jeans für zehn Euro in Indien produzieren lässt und in Hamburg oder Rom für 100 Euro verkauft, sollte er sich darum kümmern, dass sie nicht von Kindern genäht wurde? Und dass die Abwässer kein Trinkwasser verseuchen?
Viele Unternehmen und Menschen sind der Meinung: Ja, das sollte er. Damit dies für alle Unternehmen gilt, wurde in Brüssel intensiv an einer Richtlinie gearbeitet. Sie soll die Sorgfaltspflichten von Unternehmen in globalen Lieferketten einheitlich regeln. Ziel ist nicht, Europas Sozialstandards der Welt überzustülpen, sondern grundlegende Menschenrechtsstandards endlich umzusetzen. Rund 80 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen – auch für Europa
Für Millionen Beschäftigte in der Welt wäre die Richtlinie daher sehr relevant. Scheitert sie aufgrund von Last-Minute-Bedenken aus Deutschland und Italien nun endgültig, wäre dies ein katastrophales Signal an den globalen Süden: Grundlegende Standards wie das Verbot von Kinderarbeit oder die Verschmutzung von Trinkwasser können von international tätigen europäischen Unternehmen weiterhin unterlaufen werden. Nach dem Motto: Aus den Augen aus dem Sinn. Alles läuft wie bisher.
Dabei besteht dringend Grund zum Handeln: 25 Millionen Menschen müssen in Zwangsarbeit schuften. Rund 80 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen – auch für Produkte in Europa. Kinderarbeit ist keine historische Episode, sondern endemisch in vielen Lieferketten. Millionen Kinder arbeiten in Minen. Vor allem in Afrika arbeiten Millionen Kinder auf Kosten ihrer Kindheit, ihrer Bildung, ihrer Zukunft.
Jedes Jahr sterben über 20.000 Kinder bei der Arbeit.
So kann Globalisierung auf Dauer nicht erfolgreich sein. „Immer billiger“ ist der falsche Weg! Die Menschen brauchen Löhne, von denen sie leben können, um Kinderarbeit zu beenden. Die europäische Richtline würde zudem dafür sorgen, dass Mindeststandards bei Arbeits- und Umweltschutz auf globalen Märkten durchgesetzt würden. Einheitliche Berichtspflichten würden gleiche Wettbewerbsbedingungen in ganz Europa schaffen und verhindern, dass Vorreiter benachteiligt werden. Aus diesem Grund unterstützen Unternehmen wie Aldi, Bayer, Vaude und Tchibo ein EU-Gesetz.
Die Umsetzung von Mindeststandards führt zu mehr Qualität und weniger Produktionsausfällen
Made in Europe stand immer für hohe Qualität und sollte auch für hohe Zuverlässigkeit bei Sozial- und Umweltfragen stehen. Wichtig ist, dass die Europäische Union (EU), die Vereinten Nationen (UN) und Unternehmen die Zulieferer im globalen Süden auch dabei unterstützen, neue Regeln anzuwenden.
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04.03.2024 15:31
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Situation der Frauen strotzt weltweit von Unfairness - auch in Deutschland
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Kein Land bietet Frauen gleiche Chancen – nicht einmal die wohlhabendsten Volkswirtschaften. Weltweit genießen Frauen nicht einmal zwei Drittel der Rechte von Männern, wie eine Analyse der Weltbank zeigt und von Spiegel Online berichtet wird. Dabei könnte ihre Gleichberechtigung die Wirtschaft in kurzer Zeit erheblich ankurbeln.
Es ist kein Geheimnis, dass Frauen oftmals immer noch weniger verdienen als Männer, oder dass traditionelle Familienbilder sich nach wie vor hartnäckig in den Köpfen der Gesellschaft halten. Die Zahlen, die eine neue Analyse der Weltbank ermittelt hat, sind trotzdem ernüchternd: Frauen genießen demzufolge weltweit im Schnitt nur 64 Prozent der Rechte, die Männer haben. In der Praxis sei die Kluft zwischen den Geschlechtern noch größer, heißt es in dem Bericht. Ein Hauptgrund sei, dass es an den Maßnahmen zur Umsetzung erlassener Gesetze fehle.
Als Beispiel nennt die Weltbank, dass 98 Volkswirtschaften Rechtsvorschriften erlassen hätten, die Frauen für gleichwertige Arbeit gleiches Entgelt vorschreiben. Doch nur 35 Volkswirtschaften hätten Maßnahmen zur Lohntransparenz oder Mechanismen zur Bekämpfung des Lohngefälles verabschiedet.
Was für eine Verschwendung von Talenten. Und wie tragisch, dass in den Volkswirtschaften, in denen Talente am knappsten sind, diese am meisten verschwendet werden«, heißt es in der Analyse. Der Bericht hat Gesetze und Vorschriften in zehn verschiedenen Bereichen in 190 Volkswirtschaften untersucht.
Dabei hat sich die Weltbank unter anderem die Situation in den Bereichen Mobilität, Arbeitsplatz, Ehe, Elternschaft, Vermögen oder Ruhestand angeschaut. Als neue Indikatoren hinzugekommen sind Sicherheit vor Gewalt und Zugang zu Kinderbetreuungseinrichtungen. Wenn man alle untersuchten Bereiche einbezieht, bietet kein Land Frauen gleiche Chancen.
Deutschland kommt auf 85 von 100 möglichen Punkten und liegt damit zwar im oberen Mittelfeld, aber hinter Ländern wie zum Beispiel Italien, Neuseeland, Portugal, Belgien oder Kanada. Doch nicht in allen Ländern, die gut abschneiden, sind auch die unterstützenden Maßnahmen zur Umsetzung von Gesetzen sehr gut bewertet – ein Beispiel dafür ist Italien.
„Frauen haben die Macht, die Weltwirtschaft anzukurbeln“, aus dem Bericht der Weltbank
Deutschland und Frankreich haben einen geringen Abstand zwischen ihren Gesetzen und Maßnahmen zur Umsetzung, wie es weiter heißt. Beide Länder benötigten aber erhebliche Verbesserungen im Bereich Schutz vor Gewalt.
Ohne die beiden neuen Indikatoren haben wie im vergangenen Jahr Frauen in 14 von 190 Volkswirtschaften die gleichen gesetzlichen Rechte wie Männer – darunter in Deutschland. »Frauen haben die Macht, die Weltwirtschaft anzukurbeln, und doch werden sie durch Gesetze und mangelnde Umsetzung oft im Abseits gehalten«, so der Bericht.
Beseitigung geschlechtsspezifischer Unterschiede könnte Wachstumsrate verdoppeln
Die Beseitigung geschlechtsspezifischer Unterschiede bei Beschäftigung und Unternehmertum könne das globale Bruttoinlandsprodukt um mehr als 20 Prozent steigern, die globale Wachstumsrate könne sich in den kommenden zehn Jahren verdoppeln. »Doch überall auf der Welt hindern diskriminierende Gesetze und Praktiken Frauen daran, gleichberechtigt mit Männern zu arbeiten oder Unternehmen zu gründen.«
Als größte Schwäche wurde laut Bericht die Sicherheit von Frauen ausgemacht: Sie läge weltweit im Durchschnitt bei nur 36, was bedeutet, dass Frauen kaum ein Drittel des erforderlichen gesetzlichen Schutzes vor häuslicher Gewalt, sexueller Belästigung, Kinderheirat und Femiziden erhielten.
Mit Material von eru/dpa/AFX "Der Weltbank-Bericht 2024 zum Thema"
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01.03.2024 08:02
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Krasse Unfairness und Qualitätsmängel bei Spielzeug aus Fernost
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Über Plattformen wie Temu landet massenweise gefährliches Spielzeug in Deutschland. Die Branche schlägt Alarm, berichtet die Frankfurter Rundschau am 29.2.24 auf S. 15:
"Es ist ein Testkauf, der sprachlos macht. 19 Spielwaren des auch in Deutschland immer beliebteren Online-Marktplatzes Temu hat der europäische Spielwarenverband TIE erworben und prüfen lassen. „Keines der Spielzeuge entsprach in vollem Umfang den EU-Vorschriften, 18 von ihnen stellen ein Sicherheitsrisiko für Kinder dar“, teilt der deutsche Branchenverband DVSI das besorgniserregende Ergebnis mit.
Einmal enthielt ein Schleimspielzeug, das Babys in dem Mund nehmen, eine Chemikalie, deren Grenzwert um das Elffache überschritten war. Ein andermal sorgten Kleinteile für Erstickungsgefahr oder scharfe Kanten an Metallglöckchen für die von Schnittwunden. Die Spielwarenbranche in Europa und Deutschland schlägt Alarm.
„Die EU hat die weltweit strengsten Regeln für die Sicherheit von Spielzeug“, betont Catherine Van Reeth. „Auf Online-Plattformen können Nicht-EU-Verkäufer aber weiterhin unsicheres Spielzeug verkaufen, das die Kinder gefährdet“, kritisiert die TIE-Generaldirektorin. Ihr deutscher DVSI-Kollege Ulrich Brobeil assistiert. „Schwarze Schafe kommen oft aus China“, betont er. Das zeigten seit Jahren entsprechende Funde des europäischen Schnellwarnsystems Safety Gate, das vor gefährlichem Spielzeug warnt. Eine Spielwiese für unlauteren Wettbewerb tue sich auf, wo europäische Hersteller EU-Sicherheitsstandards achten und andere sie ignorieren können.
Auch Stefanie Grunert kennt das Problem. „Es ist die schiere Masse, die effektive Kontrollen durch Marktüberwachung und Zoll unmöglich macht“, weiß die Referentin für Recht und Handel der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Immer mehr Spielzeug würde von preissensitiv gewordenen Verbraucher:innen über Plattformen wie Temu oder Alibaba direkt von oft chinesischen Herstellern bestellt und per Direktimport vor die Haustür deutscher Kund:innen geliefert. Liege der Bestellwert, wie oft in solchen Fällen unter 150 Euro, müsse nicht einmal der Zoll tätig werden. Zugleich sei Spielzeug seit Jahren EU-weit unter den drei Produktgruppen, mit den größten festgestellten Sicherheitsmängeln.
Der VZBV sieht eine Regelungslücke. Für Direktimporte vor allem aus Asien gebe es niemanden, der für Produktsicherheit in die Pflicht genommen werden könnte. Verzerrung des Wettbewerbs
Auch eine im kommenden Dezember in Kraft tretende neue Produktsicherheitsverordnung der EU ändere daran nichts. „Leider fehlt es den neuen Vorschriften an Ehrgeiz bezüglich der Rolle der Online-Marktplätze“, findet Grunert. Sie seien in der EU eines der größten Einfallstore für gefährliche Produkte. Folgen sind Rauchmelder, die keinen Rauch melden, Kosmetika mit verbotenen Chemikalien oder eben unsichere Kinderspielzeuge. Die Gefahr sei groß, dass Verbraucher:innen im Schadensfall niemanden zur Verantwortung ziehen können, warnen VZBV und Spielwarenverbände.
Die im Testkauf bloßgestellte Plattform Temu reagiert. Man versichere, sich verpflichtet zu haben, „alle relevanten Regeln und Vorschriften der Märkte in denen wir tätig sind, einzuhalten“, erklärt das erst 2022 gegründete und zur chinesischen PDD Holding zählende Unternehmen. Alle 19 kritisierten Produkte seien in der EU nicht mehr verfügbar. Man habe auch die eigene Überwachung verstärkt. Wie die bei einer Mängelrate von 95 Prozent wie beim TIE-Testkauf funktionieren kann, lässt Temu allerdings offen.
Für jedes unsichere Spielzeug, das auf der Plattform gefunden wird, gebe es unzählige andere, die nicht gefunden werden und weiter unkontrolliert in die Hände der Verbraucher:innen in der EU gelangen, kritisiert der DVSI. Auch Florian Sieber sieht das Problem wachsen. „Die Shopping-App von Temu ist in ganz Europa seit längerem unter den fünf am meisten heruntergeladenen, das ist ein guter Indikator für die Relevanz des Verkaufskanals“, sagt der Chef von Deutschland größter Spielwarengruppe Simba Dickie in Fürth.
Wenn die EU Produktrichtlinien verschärfe, dann müsse jeder Wettbewerber sie befolgen. „Gelten die Vorschriften nicht für alle, verschärft das Preisdiskrepanzen“, warnt der Manager. Billigplattformen, die sich an keine Regeln halten müssen, könnten weiter zu Dumpingpreisen anbieten, während Spielzeug von Qualitätsherstellern sich mit jeder eingehaltenen Auflage weiter verteuere.
„Dann kaufen noch mehr Leute bei solchen Plattformen“, beschreibt Sieber einen Teufelskreis. Den wollen Verbände und VZBV unterbrechen. „Die Online-Plattformen müssen verpflichtet werden, für Sicherheitsmängel von ihnen nach Europa gebrachter Produkte geradezustehen, wenn niemand anders greifbar ist“, sagt Grunert. Sieber und DVSI stimmen zu. Aktuell gingen Kunden und Kundinnen oft fälschlicherweise davon aus, dass in der EU verkaufte Ware auch immer EU-Regularien unterliegt, weiß die VZBV-Expertin. Bei Direktimporten aus China sei das aber nicht grundsätzlich so. Ändern ließe sich das mit der derzeit diskutierten neuen EU-Spielzeugrichtlinie. Auch deren Entwurf sehe aber leider keine Haftungsverschärfung für Online-Plattformen von außerhalb der EU vor, bedauern Grunert und die Verbände.
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