Blog nach Monat: Februar 2013

26.02.2013 12:29
Fairness Opinion: was sie und wann unfair ist
Unfaire Fairness Opinion beim Mappus-Deal zu EnBw? Eine Affäre erlaubt einen Durchblick auf unfaires Finanzgebaren. Wie Eric Schreyer in CFOWorld schreibt:

"Seit Montag dieser Woche ist Stefan Mappus (CDU) wieder in den Schlagzeilen: Peter Hauk, CDU-Fraktionschef in Baden-Württemberg, rät dem ehemaligen Ministerpräsidenten, aus seiner Partei auszutreten. Es geht um die EnBW-Affäre. Im Jahr 2010 hatte das Land Baden-Württemberg 45 Prozent der Aktien des heimischen Stromversorgers EnBW vom französischen Energieversorger EdF zurückgekauft - möglicherweise zu einem überhöhten Preis.

In diesem Zusammenhang wurde eine Fairness Opinion erstellt; ausgerechnet durch Morgan Stanley unter ihrem Deutschlandchef Dirk Notheis, einem engen Freund von Stefan Mappus. Mappus hatte ihm damals gemailt, er habe „gute Lust, aus dem Scheißverein auszutreten“. Abseits des Politischen lohnt sich ein Blick auf die Funktion der Fairness Opinion sowie vor allem auf die Art und Weise, wie sie seinerzeit gehandhabt worden ist.

Fairness Opinion bezeichnet die „ehrliche Meinung“ eines unabhängigen und sachverständigen Dritten zur finanziellen Angemessenheit einer Angebotsleistung. Bei Abschluss des EnBW-Deals gab es keinen allgemein anerkannten Standards für Fairness Opinions. Im September 2007 hatte die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) zwar Grundsätze für Fairness Opinions beschlossen. Aber die DVFA ist nicht unabhängig, weil es in der Regel ihre Mitgliedsunternehmen sind, die mit Fairness Opinions beauftragt werden.

Muss es überhaupt einen Standard geben? Eine sachgerechte Angemessenheitsprüfung ist mithilfe einer investitionstheoretisch fundierten Ermittlung des Grenzpreises aus Sicht des Käufers oder Verkäufers genauso gut möglich.

Aus der öffentlichen Berichterstattung ist zu entnehmen, dass Mappus mit der Verhandlung und Vereinbarung des Rückkaufpreises für die EnBW-Aktien schneller war als Morgan Stanley mit der Erstellung der Fairness Opinion. Dies zeugt von einem falschen Verständnis. Eine Fairness Opinion ist nötig, um eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können; sie dient keinesfalls der nachträglichen Rechtfertigung eines irgendwie zustande gekommenen Transaktionspreises.

Möglicherweise war der von Mappus vereinbarte Kaufpreis höher als angemessen. Die von Morgan Stanley nach den DVFA-Grundsätzen erstellte Fairness Opinion bedient sich laut den Erkenntnissen des Rechnungshofs vergleichsbasierter Bewertungsmethoden (hauptsächlich vier verschiedene EBITDA-Vielfache) und basiert auf „unreflektierten Ertragserwartungen“. Dagegen wäre eine investitionstheoretisch fundierte Entscheidungswertermittlung sachgerecht gewesen, in deren Rahmen das Zielsystem des Landes, wesentliche wirtschaftliche Risiken, vertragsrechtliche Konsequenzen und weitere Kaufpreisindikatoren berücksichtigt worden wären (vgl. Gutachten des Rechnungshofs, S. 14, S. 57ff., S. 62f.).

Wie geht es mit diesem als „modern“ deklarierten Kapitalmarktinstrument der Fairness Opinions weiter? Gegenwärtig haben sie eher den Charakter von Gefälligkeitsgutachten, um das auftraggebende Management von seiner Haftung freizustellen. Die Kosten für diese „Haftungsfreistellung“ trägt das auftraggebende Unternehmen selbst, also letztendlich der Aktionär.

Aber auch bei der Einschaltung eines formal unabhängigen Sachverständigen darf dessen Stellungnahme nicht unreflektiert übernommen werden. Das Management hat die Pflicht, sich von der Unabhängigkeit und der Sachkunde des Gutachters zu überzeugen. Die Fairness Opinion ist kritisch zu hinterfragen und kann nur einer von mehreren Beiträgen zur Entscheidungsfindung sein. Wer eine Kapitalmarkttransaktion plant, ist nicht davon frei, sich ein eigenes Urteil über die Angemessenheit der Transaktion zu bilden".
http://www.cfoworld.de/fairness-opinion-richtig-handhaben

Weitere Quelle: Brösel, Gerrit und Zimmermann, Mario: Projekt „Olympia“ – Mappus „Fair Play“?, in: DER BETRIEB vom 10.08.2012, Heft 32, S. 1-2.

19.02.2013 12:57
Unfaire Gehälter für Manager
Jakob Schlandt, Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Rundschau, hält die hohen Gehälter für Manager unfair. Er schreibt in seinem heutigen Kommentar zu Recht: „Viel Geld für viel Leistung - das ist nur ein Mythos. Es ist an den Aktionären, Managergehälter wieder auf ein maßvolles Niveau zu reduzieren. Natürlich kann man die Debatte über hohe Managergehälter moralisch führen, man sollte sogar. Ethische Debatten bleiben aber zwangsläufig schwammig. Interessanter wird es, an die Gehälter die Maßstäbe der Manager selbst anzulegen: Erhalten sie ein Gehalt, das mit ihrer Leistung übereinstimmt? Anders: Schaffen hoch bezahlte Bosse auch höhere Werte?

Vermutlich nicht. Es gibt Studien, die argumentieren, dass der Einfluss des Vorstands – im Guten wie im Schlechten – überschätzt wird. Der Auf- oder Abstieg eines Unternehmens ist auch vom Top-Management in den meisten Fällen nur schwer zu beeinflussen. Das mag man anekdotisch widerlegen mit Erfolgstypen. Doch gibt es auch viele Nieten auf den Chefsesseln, die hoch bezahlt werden.

Noch stärker in Bedrängnis kommen die Spitzenverdiener durch Untersuchungen, die sich mit der Höhe der Bezahlung und dem Resultat beschäftigt haben. Zum Teil ist sogar herausgekommen, dass die Unternehmen im Vergleich umso schlechter abschneiden, je höher die Bezahlung der Spitzenmanager ist.

Viel Geld für hohe Leistung: Das ist nichts weiter als ein Mythos, den sich die Manager-Kaste hoch bezahlen lässt. Besser gesagt, selbst zuspricht. Manager genehmigen Managern das Gehalt. Das ist unfair für alle anderen: die Mitarbeiter, die Gesellschaft, die Aktionäre. Wenigstens die Anteilseigner könnten daran etwas ändern. Dazu müssten sie aber an einem Strang ziehen“.
http://www.fr-online.de/wirtschaft/kommentar-zu-managergehaeltern-der-mythos,1472780,21872034.html

05.02.2013 11:05
Öffentliche Mediationen brauchen Skepsis
Einer Mediation ist nicht zu trauen, die der Kontrolle von Regierungsstellen und Unternehmen unterliegt. Etwa durch Planungsunterlagen oder Wirkungsabschätzungen. Wie bereits mehrfach hier im Blog berichtet, weisen sowohl das Mediationsverfahren zur Erweiterung des Frankfurter Flughafens als auch die Mediation zum Stuttgarter Bahnhofsneubau viele Finten auf, mit denen die Bürger hinters Licht geführt wurden. Kosten werden in der Planung geschönt, runter- und rausgerechnet, Folgen wie Lärm und Belastung werden minimiert ausgewiesen. Eine realistische Darstellung ist selten; eher geht es um eine werberische Darstellung seitens der staatlichen und wirtschaftlichen Interessengruppen. Daher gilt: Für eine faire öffentliche Mediation braucht es viel mehr Skepsis der Bürger als bisher.

Jüngst hat der Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Thießen Aufklärung über die „Job-Maschine“ Frankfurter Flughafen gefordert. Er wirft den Verantwortlichen unterdrückte Erkenntnisse zur Verlagerung oder zum Abbau von Arbeitsplätzen im Rhein-Main-Gebiet vor. Die Frankfurter Rundschau führte mit ihm dazu das Interview:

Herr Thießen, Sie haben das Mediationsverfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens unter die Lupe genommen. Was haben Sie festgestellt?

Bei dem Gutachten wurden grobe wissenschaftliche Fehler festgestellt. Sie haben die Ergebnisse sehr stark beeinflusst. Hin zu mehr Arbeitsplätzen als tatsächlich entstehen. Es gibt Gutachten auf empirischer Basis, die untersucht haben, wie viele Arbeitsplätze Flughäfen in der Vergangenheit tatsächlich neu geschaffen haben. Nämlich im Durchschnitt keine. Dieses Ergebnis ist in den Gutachten zum Planfeststellungsbeschluss unterdrückt worden.

Überhaupt keine neuen Arbeitsplätze?

Ja. Der Ausbau von Flughäfen hat lediglich Verlagerung zur Folge.

Wo werden die Arbeitsplätze abgezogen?

Zum Teil von anderen Verkehrsmitteln wie der Bahn. Außerdem kann man Geld nur einmal ausgeben. Das bedeutet, wenn die Menschen mehr Geld fürs Fliegen ausgeben, dann sparen sie an anderer Stelle. Wenn der Luftverkehr wächst, entwickeln sich andere Teile der Wirtschaft nicht so gut.

Wie wurden die Gutachten unterdrückt?

Die von den Flughäfen beauftragten Gutachter haben eine Methodik entwickelt, die immer zu einer positiven Zahl der Arbeitsplätze kommt. Diese Methodik zeichnet sich durch Lückenhaftigkeit aus. Es werden bestimmte Wirkungen außer Acht gelassen. Dadurch ergeben sich im Sinne der Auftraggeber die positiven Effekte.

Wusste die Politik davon?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Politik das nicht gemerkt hat. Schon durch die Organisation des Mediationsverfahrens hat Wiesbaden die Weichen gestellt. Es musste bekannt gewesen sein, wie viel manipuliert worden ist.

Ihr Gesamturteil über das viel gelobte Mediationsverfahren zum Flughafenausbau?

Das ganze Mediationsverfahren zeichnet sich durch viele dubiose Eingriffe aus, die den Vorwurf der Manipulation rechtfertigen. Das fängt an bei den Arbeitskreisen.

Sie meinen die Arbeitskreise, die den Mediatoren zuzuarbeiten hatten.

Genau. In einem Arbeitskreis zum Thema Verkehr zum Beispiel waren von vier Teilnehmern zwei Lufthansa-affin, einer kam von Lufthansa direkt, und nur einer war unabhängig. In einem anderen Arbeitskreis wurde den Teilnehmern gesagt, sie bräuchten nichts Schriftliches mitzubringen, es werde nur diskutiert. Dann hatte der Regierungs-Vertreter doch ein Papier dabei, das dann zum Arbeitsergebnis erklärt wurde.

Haben Sie noch ein Beispiel?

Der Arbeitskreis, der externe Effekte des Luftverkehrs behandeln sollte, hat sich aufgelöst mit der Begründung, es gebe keine Literatur. Dabei war dieses Thema sehr wichtig, wie wir jetzt bei den Montagsdemonstrationen sehen.

Was ist beim Mediationsverfahren außerdem falsch gelaufen?

Es wurden Fragen ausgeklammert oder unzureichend geprüft. Magerere Erkenntnisse wurden der Öffentlichkeit als wichtig verkauft, andere Erkenntnisse wurden verschwiegen. Das ist einfach. Gutachter wurden verpflichtet, über ihren Vertrag, ihre Ergebnisse und sonstige Erkenntnisse über den Prozess zu schweigen. Es gab unzureichende Forschungsdesigns, fehlende Nachvollziehbarkeit von Argumenten, fehlende Objektivität der Beteiligten.

Das Interview führte Jutta Rippegather

Friedrich Thießen ist Professor der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der TU Chemnitz. Privat engagiert sich der Finanzwissenschaftler unter anderem im Vorstand des Rhein-Main-Instituts für Arbeits-, Struktur- und Umweltforschung.
http://www.fr-online.de/flughafen-frankfurt/flughafen-frankfurt-fluglaerm-das-job-maerchen-vom-flughafen-ausbau,2641734,21642128.html

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