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05.02.2013 11:05
Öffentliche Mediationen brauchen Skepsis  

Einer Mediation ist nicht zu trauen, die der Kontrolle von Regierungsstellen und Unternehmen unterliegt. Etwa durch Planungsunterlagen oder Wirkungsabschätzungen. Wie bereits mehrfach hier im Blog berichtet, weisen sowohl das Mediationsverfahren zur Erweiterung des Frankfurter Flughafens als auch die Mediation zum Stuttgarter Bahnhofsneubau viele Finten auf, mit denen die Bürger hinters Licht geführt wurden. Kosten werden in der Planung geschönt, runter- und rausgerechnet, Folgen wie Lärm und Belastung werden minimiert ausgewiesen. Eine realistische Darstellung ist selten; eher geht es um eine werberische Darstellung seitens der staatlichen und wirtschaftlichen Interessengruppen. Daher gilt: Für eine faire öffentliche Mediation braucht es viel mehr Skepsis der Bürger als bisher.

Jüngst hat der Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftler Friedrich Thießen Aufklärung über die „Job-Maschine“ Frankfurter Flughafen gefordert. Er wirft den Verantwortlichen unterdrückte Erkenntnisse zur Verlagerung oder zum Abbau von Arbeitsplätzen im Rhein-Main-Gebiet vor. Die Frankfurter Rundschau führte mit ihm dazu das Interview:

Herr Thießen, Sie haben das Mediationsverfahren zum Ausbau des Frankfurter Flughafens unter die Lupe genommen. Was haben Sie festgestellt?

Bei dem Gutachten wurden grobe wissenschaftliche Fehler festgestellt. Sie haben die Ergebnisse sehr stark beeinflusst. Hin zu mehr Arbeitsplätzen als tatsächlich entstehen. Es gibt Gutachten auf empirischer Basis, die untersucht haben, wie viele Arbeitsplätze Flughäfen in der Vergangenheit tatsächlich neu geschaffen haben. Nämlich im Durchschnitt keine. Dieses Ergebnis ist in den Gutachten zum Planfeststellungsbeschluss unterdrückt worden.

Überhaupt keine neuen Arbeitsplätze?

Ja. Der Ausbau von Flughäfen hat lediglich Verlagerung zur Folge.

Wo werden die Arbeitsplätze abgezogen?

Zum Teil von anderen Verkehrsmitteln wie der Bahn. Außerdem kann man Geld nur einmal ausgeben. Das bedeutet, wenn die Menschen mehr Geld fürs Fliegen ausgeben, dann sparen sie an anderer Stelle. Wenn der Luftverkehr wächst, entwickeln sich andere Teile der Wirtschaft nicht so gut.

Wie wurden die Gutachten unterdrückt?

Die von den Flughäfen beauftragten Gutachter haben eine Methodik entwickelt, die immer zu einer positiven Zahl der Arbeitsplätze kommt. Diese Methodik zeichnet sich durch Lückenhaftigkeit aus. Es werden bestimmte Wirkungen außer Acht gelassen. Dadurch ergeben sich im Sinne der Auftraggeber die positiven Effekte.

Wusste die Politik davon?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Politik das nicht gemerkt hat. Schon durch die Organisation des Mediationsverfahrens hat Wiesbaden die Weichen gestellt. Es musste bekannt gewesen sein, wie viel manipuliert worden ist.

Ihr Gesamturteil über das viel gelobte Mediationsverfahren zum Flughafenausbau?

Das ganze Mediationsverfahren zeichnet sich durch viele dubiose Eingriffe aus, die den Vorwurf der Manipulation rechtfertigen. Das fängt an bei den Arbeitskreisen.

Sie meinen die Arbeitskreise, die den Mediatoren zuzuarbeiten hatten.

Genau. In einem Arbeitskreis zum Thema Verkehr zum Beispiel waren von vier Teilnehmern zwei Lufthansa-affin, einer kam von Lufthansa direkt, und nur einer war unabhängig. In einem anderen Arbeitskreis wurde den Teilnehmern gesagt, sie bräuchten nichts Schriftliches mitzubringen, es werde nur diskutiert. Dann hatte der Regierungs-Vertreter doch ein Papier dabei, das dann zum Arbeitsergebnis erklärt wurde.

Haben Sie noch ein Beispiel?

Der Arbeitskreis, der externe Effekte des Luftverkehrs behandeln sollte, hat sich aufgelöst mit der Begründung, es gebe keine Literatur. Dabei war dieses Thema sehr wichtig, wie wir jetzt bei den Montagsdemonstrationen sehen.

Was ist beim Mediationsverfahren außerdem falsch gelaufen?

Es wurden Fragen ausgeklammert oder unzureichend geprüft. Magerere Erkenntnisse wurden der Öffentlichkeit als wichtig verkauft, andere Erkenntnisse wurden verschwiegen. Das ist einfach. Gutachter wurden verpflichtet, über ihren Vertrag, ihre Ergebnisse und sonstige Erkenntnisse über den Prozess zu schweigen. Es gab unzureichende Forschungsdesigns, fehlende Nachvollziehbarkeit von Argumenten, fehlende Objektivität der Beteiligten.

Das Interview führte Jutta Rippegather

Friedrich Thießen ist Professor der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der TU Chemnitz. Privat engagiert sich der Finanzwissenschaftler unter anderem im Vorstand des Rhein-Main-Instituts für Arbeits-, Struktur- und Umweltforschung.
http://www.fr-online.de/flughafen-frankfurt/flughafen-frankfurt-fluglaerm-das-job-maerchen-vom-flughafen-ausbau,2641734,21642128.html

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