05.11.2024 14:18
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Das Gegenteil von Fairness
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Da beschleunigt sich ein negativer Trend: Seit knapp anderthalb Jahrzehnten geht die Schere bei den Einkommen in Deutschland zunehmend auseinander. Schreibt Frank-Thomas Wetzel in der Frankfurter Rundschau am 5.11.24. Nun, von dem Trend habe Viele schon erfahren. Er manifestiert das Gegenteil von Fairness in der Gesellschaft. Doch – so schreibt Wetzel weiter: „diese Entwicklung gab es schon in den 2010er-Jahren. Doch mit Corona und dem anschließenden Inflationsschub hat sich insbesondere die Situation der Haushalte in der unteren Hälfte der Einkommensskala noch einmal verschärft. Auch tief in die Mittelschicht steigt die Angst der Menschen, ihren Lebensstandard nicht mehr halten zu können. Dies geht aus dem aktuellen Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) hervor, das zur gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gehört.
Das hat auch Auswirkungen auf die Demokratie: Sogar in der Mittelschicht sei mittlerweile die „politische Teilhabe teilweise brüchig“, schreiben die Studienautorin Dorothee Spannagel und ihr Kollege Jan Brülle. Eine zentrale Erkenntnis der Analysen ist, dass die Einkommen immer ungleicher verteilt sind – hier wurde ein neuer Höchstwert erreicht.
Der unter Forschenden international anerkannte Maßstab dafür ist der sogenannte Gini-Koeffizient. Er reicht von null (alle haben das gleiche Einkommen) bis 1 (eine einzige Person bekommt das gesamte Einkommen eines Landes). 2010 lag der Gini-Wert noch bei 0,282 – im Jahr 2021 war es 0,310. Dies ist auch für die Debatte über den Wirtschaftsstandort Deutschland relevant. Denn in Studien über Wettbewerbsfähigkeit spielt der Gini-Wert eine wichtige Rolle. Je niedriger er ist, umso höher wird die ökonomische und politische Stabilität eines Landes bewertet.
Die WSI-Expert:innen haben sich auch intensiv die Veränderungen angeschaut bei armen und prekären Haushalten sowie bei Personen, die zur „unteren Mitte“ der Einkommensskala gehören. Damit werden alle erfasst, die unter dem Mittelwert (Median) der verfügbaren monatlichen Nettoeinkünfte liegen – das sind 2240 Euro für einen Single.
Besonders drastisch ist die Zunahme bei Personen, die unter „strenger Armut“ leiden – also weniger als 1120 Euro monatlich für einen Ein-Personen-Haushalt. 2010 waren das noch 7,8 Prozent der Menschen in Deutschland. Ihre Zahl kletterte bis 2021 auf 11,3 Prozent. Hierbei handelt es sich um Frauen und Männer, die häufig noch nicht einmal mehr abgetragene Kleidung durch neue ersetzen können. Ins Kino gehen oder der Besuch einer Sportveranstaltung ist nicht drin. Es gibt keinerlei Rücklagen für finanzielle Notlagen.
All dies resultiert aus umfangreichen repräsentativen Umfragen des sozio-ökonomischen Panels, das aktuell bis ins Jahr 2022 reicht. Die Böckler-Stiftung hat in den Jahren 2020 und 2023 zudem 4000 Personen zu ihrer Lebenslage befragt. Ergebnis: 55 Prozent der Menschen in Armut äußerten im vorigen Jahr große oder sehr große Sorgen, ihren ohnehin niedrigen Lebensstandard dauerhaft halten zu können.
Breite Verunsicherung Aber auch bei einer Mehrheit (52 Prozent) der Haushalte in der unteren Mitte – mit maximal 2240 Euro pro Person – sind die Abstiegssorgen groß oder sehr groß. Das bedeutet ein Anstieg um 15 Prozentpunkte innerhalb von nur drei Jahren, die durch die Pandemie, einen Energiepreisschock und massive Ausschläge bei der Inflation geprägt waren.
Selbst in der oberen Mittelschicht hat sich Verunsicherung drastisch ausgebreitet. Die Gruppe der Menschen, die um ihren Lebensstandard fürchten, ist zwischen 2020 und 2024 von 32 auf 47 Prozent in die Höhe geschnellt.
Diese Entwicklung ist eng mit einer wachsenden Enttäuschung über die Demokratie verknüpft. Mehr als die Hälfte der Menschen in Armut und in prekären Verhältnissen ist mit der Demokratie nicht mehr zufrieden. In dieser Gruppe stimmt gut ein Drittel der Aussage zu: „Die regierenden Parteien betrügen das Volk.“ Und immerhin jeder und jede Vierte in der oberen Mittelschicht hält dies ebenfalls für zutreffend. Dies geht einher mit einem verbreiteten Misstrauen gegenüber Polizei und Gerichten.
„Es ist entscheidend, das Teilhabeversprechen glaubhaft zu erneuern, das konstitutiv ist für eine demokratische, soziale Marktwirtschaft“, sagt WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. Dabei müsse die Politik das Rad nicht neu erfinden. Es gelte bewährte Institutionen wieder zu stärken, die leider erodiert seien. Sie zählt auf: „Tarifverträge, eine auskömmliche gesetzliche Rente und eine leistungsfähige öffentliche Infrastruktur.“
Wer diesem Trend, der Armut- und Prekariatsentwicklung nicht Einhalt gebietet wie der FDP-Boss Christian Lindner, befördert strukturelle Unfairness, die in individuelle Unfairness umschlägt und die Gesellschaft noch mehr unter Spannung setzt. Das nützt der AFD und ihren Helfershelfern. Will das Lindner, um seine Lobby zu bedienen und seine Macht zu zeigen? Lindner müsste dringend einen Crash-Kurs in Fairness-Denken und -Praxis absolvieren. Er sollte sich mit dem Buch „Freiheit, Fairness, Fortschritt –Zum normativen Profil liberaler Politik“ des kürzlich verstorbenen ehemaligen FDP-Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt befassen. Gibt es bei der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. Oder gleich das Buch Fairness https://www.penguin.de/buecher/norbert-copray-fairness/ebook/9783641050924.
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23.10.2024 10:18
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Cypermobbing, Schulhofmobbing - wie die Schülerszene verroht und was gegen Unfairness helfen kann
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Heutzutage werden Kinder und Jugendliche nicht nur auf dem Schulhof schikaniert, sondern erleben den Hass auch im Netz. Die Zahl der Cybermobbingfälle wird seit Jahren mehr. Unfairness und unfaire Attacken fangen im Kleinen an, erst unbemerkt, werden zum Mobbing-Lernprozess, bis Mobbing und Unfairness zur Gewohnheit wird bzw. von Erwachsenen nicht ernst genommen wird.
Experten geben Tipps, was dagegen hilft, mit Material von Spiegel Online und anderen.
Aus dem Klassenchat entfernt, fiese Beleidigungen unter Tiktok-Posts oder private Fotos, die ungewollt vom Empfänger oder der Empfängerin bei Snapchat weiterverbreitet werden – Cybermobbing hat viele Formen.
Laut einer aktuellen Studie des „Bündnisses gegen Cybermobbing“ sind knapp ein Fünftel (18,5 Prozent) aller Schülerinnen und Schüler davon betroffen. Und es werden seit Jahren mehr: Im Jahr 2022 lag die Zahl der Betroffenen bei circa 1,8 Millionen, 2024 sind es knapp zwei Millionen Kinder und Jugendliche. Das hat Folgen für Körper und Psyche: Betroffene klagen nicht nur über Kopf- oder Magenschmerzen, sondern können auch Angst- und Schlafstörungen entwickeln. Sie sind häufiger niedergeschlagen und von Depressionen geplagt. Besonders erschreckend ist die steigende Zahl der Betroffen mit Suizidgedanken. Mehr als jede vierte Person (26 Prozent) äußerten derartige Gedanken. Laut aktueller Studie des „Bündnisses gegen Cybermobbing“ sind das mehr als 500.000 Schülerinnen und Schüler.
Große Scham: Betroffene vertrauen sich ihren Eltern nicht an
Wenn Kinder sich zurückziehen, nicht mehr so lebhaft sind wie vorher, immer wieder über Bauchschmerzen klagen oder nicht zur Schule gehen wollen, könnte das für Eltern ein Hinweis auf Mobbing und Cybermobbing sein. Das Problem: Oft schämen die betroffenen Kinder und Jugendlichen sich so sehr, dass sie sich nicht ihren Eltern anvertrauen wollen. Deshalb richten sich viele Interventionsangebote direkt an die Betroffenen: Die Erste-Hilfe-App bei Cybermobbing der Initiative Klicksafe, die „Nummer gegen Kummer“, der Krisenchat oder die Onlineberatung Juuuport können erste Anlaufstellen sein.
„Wir erhalten etwa zehn Anfragen pro Tag, der Großteil davon betrifft Cybermobbing“, sagt Lennart Hesse-Sörnsen von Juuuport. Die Ratsuchenden schreiben sich per Kontaktformular oder Whatsapp an Juuuport ihre Probleme von der Seele. „Meist schreiben sie uns, dass sie aus dem Klassenchat ausgeschlossen oder dort beleidigt werden, fiese Kommentare unter Instagram-Posts erhalten oder Fotos unschön bearbeitet und dann verbreitet werden“, sagt Hesse-Sörnsen. Zudem betreiben auch schon jugendliche Mobber Identitätsdiebstahl und erstellen Fake-Profile, zum Beispiel auf Dating-Apps. Manche erschleichen sich auch private, potenziell bloßstellende Informationen oder intime Fotos von ihren Opfern, indem sie psychischen Druck aufbauen und sie erpressen. Diese verbreiten sie dann weiter – und schädigen den Ruf der betroffenen Person. Cybermobbing kann im schlimmsten Fall bis hin zu Gewalt- und Todesandrohungen im Netz führen. Weil Täterinnen und Täter die emotionale Reaktion ihrer Opfer nicht unmittelbar erleben, werden sie sich der Schwere und Folgen ihres Handelns nicht bewusst, vermuten Fachleute.
Können sich unsere Kinder an den Schulen noch sicher fühlen, Herr Wachs?
Eine Umfrage legt nahe, dass die Gewalt an Schulen zunimmt. Doch stimmt das? Und wenn ja, wie lässt sich diese Entwicklung erklären – und was können Schüler, Lehrkräfte und Schulen tun, um Gewalt zu verhindern? Erziehungswissenschaftler Sebastian Wachs klärt im RND-Interview auf.
Cybermobbing ist nicht so anonym wie gedacht
Manche Täterinnen und Täter posten ihren Hass unter ihrem Klarnamen, andere nutzen Pseudonyme. „Das Dramatische daran ist, dass die Täterinnen und Täter meist nicht wirklich anonym sind, sondern die Betroffenen sie aus der Schule kennen“, sagt Hesse-Sörnsen. Kinder und Jugendliche wissen dann: Das Mobbing steht im Zusammenhang mit meiner Schule, aber wer genau dahintersteckt, das ist oft unklar. Das erschwert es Betroffenen auch, konkret nachzuweisen, wer sie im Netz angegriffen hat – und gezielt darauf zu reagieren.
„Cybermobbing ersetzt das Schulhofmobbing nicht, sondern verlängert es noch.“
Cybermobbing ist für Betroffene so schlimm, weil es omnipräsent ist. „Cybermobbing ersetzt das Schulhofmobbing nicht, sondern erweitert es noch“, sagt Hesse-Sörnsen. Auch nach der Schule sind Kinder und Jugendliche rund um die Uhr der Schikane ausgesetzt und können nicht abschalten. Hinzu kommt, dass die beleidigenden Inhalte oft lange im Netz stehenbleiben und kopiert oder weitergeleitet werden können. Eine Situation, die viele Betroffene als ausweglos empfinden.
„Mobbing ist ein Gruppenphänomen“
Welche Gründe es für Cybermobbing gibt, ist wissenschaftlich nicht eindeutig erforscht. Laut dem Entwicklungspsychologen und Mobbingforscher Herbert Scheithauer liegen Cybermobbing jedoch ähnliche Dynamiken zugrunde wie dem „klassischen“ Mobbing. „Mobbing ist ein Gruppenphänomen“, sagt er. Deshalb gebe es auch nicht den einen Grund, der Mobbing erkläre.
Herbert Scheithauer forscht zu Cybermobbing und Mobbing. Er ist Professor für Entwicklungspsychologie und Klinische Psychologie an der Freien Universität Berlin und hat dort das Projekt Medienhelden entwickelt, das der Mobbingprävention an Schulen dient.
Gewisse Risikofaktoren seien aber schon nachweisbar: Kinder und Jugendliche, die schüchtern sind, weniger Freunde haben oder anders aussehen als andere, werden häufiger gemobbt. Ein geringes Selbstvertrauen erhöht nicht nur das Risiko, gemobbt zu werden, sondern auch dafür, andere aktiv zu mobben. Wer durch Eltern oder andere Familienmitglieder vorgelebt bekommt, Konflikte mit Gewalt zu lösen, zeigt häufiger aktiv mobbendes Verhalten.
Auch mobben Jungen tendenziell häufiger als Mädchen. „Aber nicht alle, die gewisse Risikofaktoren aufweisen, handeln auch danach – und nicht bei allen, die mobben oder gemobbt werden, liegen diese Faktoren vor“, sagt Scheithauer.
Es gibt nicht bloß „den Täter“ und „das Opfer“ Scheithauer warnt außerdem vor dem Schwarz-Weiß-Denken im Sinne von „der Täter“ und „das Opfer“. Das helfe nicht weiter und sei zudem auch noch falsch. Erstens sind oft weit mehr Personen an Mobbing beteiligt als zunächst gedacht: So gibt es neben aktiv Mobbenden auch Mitläuferinnen, Assistenten, Verstärkerinnen, potenzielle Verteidiger oder Außenstehende, die zwar vom Mobbing etwas mitbekommen, aber nichts dagegen unternehmen. Und zweitens können diese Rollen auch wechseln. Wer auf dem Schulhof gemobbt wird, schließt sich manchmal auch mit anderen zusammen und nutzt Cybermobbing als Mittel, um sich anonym zu rächen. Dass sie diese verschiedenen Rollen einnehmen, ist Kindern und Jugendlichen oft nicht bewusst. Um Mobbing und Cybermobbing zu bekämpfen, sind laut Scheithauer drei Dinge wichtig: Intervention wie bei Juuuport, der Dialog in Familien und Mobbingprävention an Schulen.
Handyverbote sind oft an die Falschen adressiert
Bei Juuuport erhalten die Betroffenen Antwort von anderen jungen Menschen. Diese sogenannten Scouts werden durch Psychologinnen und Medienpädagogen der Beratung geschult. „Sie kennen die Themen und Plattformen aus eigener Erfahrung und sind mehr oder weniger gleich alt wie die Ratsuchenden“, so Hesse-Sörnsen. Er sieht einen großen Vorteil im Austausch auf Augenhöhe. Denn Betroffene von Cybermobbing schämen sich oft und haben außerdem Angst, dass Eltern ihnen bei diesen Themen ohnehin nicht helfen könnten, weil sie keine Ahnung von Whatsapp, Tiktok und Co. haben. Darüber hinaus befürchten sie, dass ihnen die Schuld zugewiesen wird oder ihre Eltern ihnen das Handy wegnehmen. Solche Verbote lösen aber nicht die zugrundeliegenden Konflikte – und sind oft an die Falschen adressiert. Bei Juuuport beraten Kinder und Jugendliche Gleichaltrige bei Problemen im Internet. Ausgebildet werden die ehrenamtlichen Scouts von Medienpädagogen und Psychologinnen der Onlineberatungsstelle.
Die Autorin Leonie Lutz und Pädagogin Anika Osthoff sagen: Eltern sollten wissen, was ihre Kinder im Internet treiben, welche Spiele sie auf dem Smartphone spielen, in welchen sozialen Netzwerken ihre Teenager angemeldet sind und was sie dort konsumieren und produzieren. Absolutes No-Go: Den Kindern, vor allem Jugendlichen, heimlich hinterherschnüffeln oder ihre Nachrichten mitlesen.
Stattdessen empfehlen Lutz und Osthoff in ihrem Buch „Begleiten statt verbieten“ ein Familienritual: Einmal im Monat oder in einem anderen Zeitrahmen kommt die Familie zusammen, um sich ein Update in digitalen Medien zu geben. Eltern und Kinder zeigen dann einander neue Apps, spannende Social-Media-Accounts, drehen gemeinsam Videos oder spielen Spiele. Das schafft nicht nur Raum für Austausch, sondern ist auch eine Gelegenheit, um regelmäßig über gute Kommunikation, Chancen und Risiken im Netz zu sprechen und Grenzen zu formulieren: Wie lange und wofür sollten wir digitale Medien nutzen? Welche Regeln gelten im digitalen Raum und welche Rechte habe ich im Netz?
Herbert Scheithauer hält all diese Ideen für sinnvoll, sagt aber auch: Nicht alle Kinder und Jugendlichen haben Eltern, die so bemüht um das Wohlbefinden und die Medienkompetenz ihrer Kinder sind. Deshalb sieht er Schulen als zentralen Ort für Medienbildung und Prävention von Cybermobbing. In der Hinsicht passiere an Schulen noch zu wenig, obwohl digitale Medien eine riesige Rolle im Leben junger Menschen spielen. „Das ist, als würde ich rund um die Uhr Auto fahren, ohne je eine Fahrschule besucht zu haben.“
Was kann ich tun, wenn ich vermute, dass mein Kind gemobbt wird?
"Darin die Nummer gegen Kummer usw. für junge Leute - auch für Eltern relevant"
Interesse zeigen und ansprechbar sein: Häufig wenden Kinder sich nicht an ihre Eltern, wenn sie von Cybermobbing beziehungsweise Mobbing betroffen sind. Sie befürchten, Ärger oder Internetverbot zu bekommen, sind peinlich berührt und schämen sich oder denken, dass ihre Eltern sie sowieso nicht verstehen und die Plattformen nicht kennen. Bieten Sie sich immer wieder als Ansprechperson an und schaffen Sie Vertrauen zu Ihrem Kind.
Bleiben Sie auf dem Laufenden: Wie geht es Ihren Kindern in der Schule? Erkundigen Sie sich regelmäßig, aber möglichst beiläufig, wie das Sozialleben in der Schule klappt. Was machen Ihre Kinder in sozialen Netzwerken? Führen Sie zum Beispiel gemeinsame Medienrituale als Familie ein und lassen Sie sich die Apps erklären, die Ihre Kinder nutzen. Auch Bücher, Podcasts oder Newsletter und Infoabende von den Landesmedienanstalten oder dem Bündnis gegen Cybermobbing können helfen.
Lassen Sie Ihr Kind mit den Problemen nicht allein: Hat sich Ihr Kind Ihnen anvertraut, unterstützen Sie es, verbringen Sie Zeit mit ihm beziehungsweise sorgen Sie dafür, dass es vom sozialen Umfeld, von Freundinnen und Freunden unterstützt wird. Entscheiden Sie gemeinsam mit Ihrem Kind, ob und wann Schulsozialarbeiter, Lehrerinnen und Lehrer oder Eltern der mobbenden Kinder informiert werden. Stiften Sie Ihr Kind nicht zu Racheakten an, sondern überlegen Sie sich deeskalierende Strategien.
Dokumentieren Sie die Vorfälle: Machen Sie (bei Cybermobbing) Screenshots der Kommentare oder Beleidigungen und dokumentieren Sie möglichst genau, was wann und wo geschehen ist. Wenden Sie sich an die Plattformbetreiber: Wenn Ihr Kind Cybermobbing erlebt, sollten Sie den Betreiber der Internetplattform informieren, über die Ihr Kind gemobbt wurde. Dieser ist dazu verpflichtet, die Verunglimpfungen aus seinem Angebot zu löschen. Bei Fragen oder Problemen können Sie sich an eine Beschwerdehotline wie zum Beispiel www.jugendschutz.net wenden.
Prüfen Sie rechtliche Schritte: In einigen Fällen ist Mobbing strafrechtlich relevant, zum Beispiel bei massiven Beleidigungen und Drohungen oder groben Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Erstatten Sie gegebenenfalls Anzeige gegen die Täter.
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24.09.2024 10:52
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Kommt die Zivilgesellschaft aufs Abstellgleis?
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Am 3. September veröffentlichte Rupert Graf Strachwitz* seine neue Studie zu den Rahmenbedingungen der Zivilgesellschaft in Deutschland. Eine Leserin schrieb ihm dazu: „Insgesamt zieht sich ein Ton der Verbitterung durch das Papier.“ Strachwitz stimmt ihr zu: „ Sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen!
Wir, das sind viele Akteure der Zivilgesellschaft und Experten, die zum Teil schon seit Jahrzehnten für angemessene Rahmenbedingungen kämpfen, sind in der Tat verbittert.
Gegen jede Vernunft und gegen die Realität einer wachsenden Zivilgesellschaft glauben politische Angsthasen, diese würde sie aus dem öffentlichen Raum vertreiben. Ihnen ist wie den Extremisten und leider auch manchen Unternehmern die unabhängige Zivilgesellschaft zuwider.
Die zahllosen heterogenen Akteure der Zivilgesellschaft wollen sie als solche nicht sehen. Deshalb sind wir in Deutschland damit konfrontiert, daß der bürgerschaftliche Raum, der civic space, schrumpfen soll. Subtiler, aber im Ergebnis nur graduell anders als in autoritär geführten Regimen wird die Zivilgesellschaft bedrängt – durch Bürokratiemonster, die den Vereinen und Stiftungen zu schaffen machen, durch immer mehr Regulierungen und vor allem durch die Verweigerung eines ernsthaften Dialogs und der notwendigen Reform der Rahmenbedingungen.
22 Jahre, nachdem der Bundestag den Bericht der Enquete-Kommission ‚Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements‘ angenommen hat, hat sich substantiell nichts geändert. Kleine kosmetische Korrekturen hatten immer nur Trostpflaster-Qualität, während zugleich Stellschrauben gesetzt wurden, die mehr Regulierung, mehr Kontrolle, weniger Freiraum brachten.
Den Medien scheinen Interesse oder Sachkunde für dieses Themenfeld abzugehen, oder sie beugen sich den Wünschen derer, die ihre Aufmerksamkeit allein für sich reklamieren. Jedenfalls: Sie schweigen oder beschränken ihre Berichterstattung auf Reportagen. Bis heute gibt es Mandats- und Entscheidungsträger im politischen Raum, die Zivilgesellschaft auf das „Ehrenamt vor Ort“ reduzieren wollen, die nicht zugeben wollen, daß es sie überhaupt gibt, nicht wissen, welch wichtige Funktion sie in einer offenen Gesellschaft wahrnimmt. Alexis de Tocqueville hat diese vor fast 200 Jahren beschrieben!
„Nicht, dass Sie denken, wir wollten Sie alle in den Untergang treiben!“ Als jemand dies am 27. August 2024 in einem Fachgespräch zur neuesten Überraschung zum Thema Gemeinnützigkeitsrecht den versammelten Wissenschaftlern, Verbandsvertretern und weiteren Experten entgegenhielt, mußte ich sofort an Walter Ulbricht denken: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“, sagte Ulbricht vor der Presse am 15. Juni 1961 – zwei Monate, bevor sie tatsächlich errichtet wurde. Er hatte sich verplappert. Sollte das auch jetzt so gewesen sein?
Das und mehr ist Grund für die Verbitterung. Sie hat damit zu tun, dass unsere Demokratie nicht in einem guten Zustand ist, dass sie reformiert und weiterentwickelt werden muss, dass ein aktiver unabhängiger bürgerschaftlicher Raum dafür der Schlüssel ist, dass, wer unsere Demokratie retten will, in der Zivilgesellschaft die beste Bundesgenossin hat. Sie zu ersticken – oder, wie der jüngste „Geniestreich“ aus dem Bundesfinanzministerium beabsichtigt, sie schutzlos der Kritik auszusetzen – ist der falsche Weg.
Dass wir dafür keine Gesprächspartner finden, mit inhaltslosen Grußworten abgespeist werden, verbittert uns. Wir sind schon lange an diesem Thema dran. Viele andere sind es auch. Wann finden wir Gehör? Wann beginnt der Dialog?"
*Rupert Graham Josef Graf Strachwitz ist Politikwissenschaftler und Historiker. Nach sieben Jahren Berufstätigkeit im Malteserorden im Ausland und Malteser-Hilfsdienst in Deutschland war er von 1980 bis 1987 Präsident der Verwaltung des Herzogs von Bayern und zugleich ehrenamtliche Führungskraft beim Malteser Hilfsdienst sowie Mitglied verschiedener Gremien des Deutschen Caritasverbandes, zuletzt von 1984 bis 1985 als Vizepräsident. Im Jahr 1987 begann er mit der Beratungstätigkeit für Stiftungen und andere gemeinnützige Organisationen. 1989 gründete er die Maecenata Management GmbH, München, als spezialisierte Dienstleistungs- und Beratungsgesellschaft für diesen Bereich. Seit 1997 ist er Direktor des Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft, seit 2010 im Vorstand der Maecenata Stiftung, Er hat vielfach zum Themenbereich Zivilgesellschaft, Bürgerschaftliches Engagement, Religion und Zivilgesellschaft, Philanthropie, Stiftungswesen sowie zu europäischen Themen publiziert.
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02.08.2024 10:40
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Zum Tod des Olympiasiegers, Philosophieprofessors und Fairness-Vordenkers Hans Lenk
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Hans Lenk, Professor für Philosophie und Olympiasieger (1960), engagiert für Fairness in Gesellschaft und Wissenschaft, besonders im Sport, ist am 30.7.2024 mit 85 Jahren gestorben. Wir verdanken ihm wertvolle Anstöße. Seit Gründung der Fairness-Stiftung im Jahre 2000 war er ihr verbunden und unterstützte sie mit inhaltlichen Beiträgen:
"Hans Lenk im Interview mit der Fairness-Stiftung"
"Statement von Hans Lenk zu Fairness"
"Hans Lenk unter Punkt 9"
Hans Lenk war im Jahre 2010 der erste DOSB-Ethikpreisträger. Und: er war der erste Philosoph seit der Antike, der Olympiasieger wurde. Nicht nur das: er war Deutscher Meister, Europameister, und Weltmeister-Trainer (Sieg 1966).
Die Fairness-Weisheit seines Lehrers und Rudertrainers Karl Adam war ihm wichtig: „Nicht gewinnen ist kein Scheitern. Leistung muss nicht bloß physisch, psychisch oder egoistisch sein, sondern auch moralisch-ethische Leistungen sind darin inbegriffen.“ Nach seinem Vielfachstudium in Mathematik, Philosophie, Soziologie, Psychologie, Sportwissenschaft und Kybernetik mit einem Doktor und zwei Habilitationen übernahm er den Lehrstuhl für Philosophie der Universität Karlsruhe, heute Karlsruher Institut für Technologie.
Sein Werk umfasst über 150 Bücher und mehr als 3000 Artikel, darunter auch solche zum Sport. Bedeutsam war ihm das Eigenleisten. Damit bezeichnete er ein ganz wesentliches Kriterium unserer personalen Entwicklung. Es ist Ausdruck unserer individuellen Freiheit, denn nur der Mensch kann persönlich selbst handeln und auf diese Weise kreativ sein, er kann sich verbessern und sich mit den Ergebnissen seines eigenen Handelns identifizieren und diese für sich und im Spiegel anderer reflektieren. Dafür bietet der Sport eine ebenso offensichtliche wie reichhaltige Projektionsfläche.
Hans Lenk hat zahlreiche Gastprofessuren innegehabt (u.a. in Sao Paulo, Oslo, Tokio und Basel). Er verfügt über mehrere Ehrendoktorwürden (u.a. verliehen von der Deutschen Sporthochschule Köln). Der Jubilar hatte über mehrere Jahrzehnte zahlreiche Ehrenämter in nationalen und internationalen Wissenschaftsgesellschaften inne.
Den DOSB-Ethikpreis erhielt Prof. Dr. Hans Lenk im Jahre 2010 für seine hohen Verdienste um die Förderung der ethischen Werte im Sport. In seiner Laudatio bei der Verleihung in Lenks Geburtsstadt Berlin bezeichnete der Tübinger Theologe Prof. Dr. Dietmar Mieth (geb. 1940) als Kuratoriumsmitglied zur Verleihung des DOSB-Preises und Laudator den Preisträger Lenk u.a. als „eine moralische Institution, die als Frühwarnsystem auf viele moralische Verformungen des Sports hingewiesen und leider viel zu oft Recht behalten hat“. Der fünfte und damit derzeit jüngste DOSB-Ethikpreisträger ist übrigens der Sportwissenschaftler, Philosoph und Lenk-Schüler Prof. Dr. Gunter Gebauer (geb. 1944) von der Freien Universität Berlin, der die Auszeichnung 2018 ebenfalls in Berlin erhielt. Im Jahre 2012 wurde Hans Lenk in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen. Dem Sport ist er auch als Aktiver immer noch treu: „Alter schützt vor Leistung nicht!“ lautete dabei nach wie vor sein persönliches Motto.
Wir werden ihm eine ehrendes Andenken bewahren und sind froh, mit ihm gedacht, gelacht, gesprochen und geschrieben zu haben. Danke Hans Lenk!
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29.07.2024 14:42
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Digitale Ausgrenzung schafft strukturelle Unfairness
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Termine beim Bürgeramt bekommt man nur über das Internet. Wer eine Überweisung tätigen will, kann den Papierträger kaum noch irgendwo abgeben. Vieles ist heutzutage digital. Folge: Viele alte Menschen fühlen sich ausgegrenzt. Denn längst nicht alle von ihnen sind mitgekommen in die digitale Zeit.
So wirkt sich die Digitalisierung, die ältere und andere Menschen nicht berücksichtigt, auf Unfairness hinaus. Strukturelle Unfairness ist das, die sich neu etabliert.
Wie der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest schon 2021 herausfand, hatten damals von den Senior:innen ab 80 Jahren 55 Prozent Internet und 41 Prozent ein Smartphone. Der Sozialverband VdK Hessen-Thüringen forderte daher jüngst, überall analoge Wege offenzuhalten – ob bei Bankgeschäften, Arztterminen, Bahntickets oder Behördengängen. Gerade, wenn man sparen müsse, seien die Hürden oft hoch, ergänzt VdK-Sprecher Philipp Stielow: Die günstigsten Bahnfahrten gibt es online, Rabatte bei Discountern manchmal nur mit App.
Die Vorsitzende des VdK Frankfurt, Hannelore Schüssler, betont: Vielen Älteren fehle das Geld, sich einen Computerkurs zu leisten. „Es fehlen ehrenamtliche Angebote“, sagt Schüssler. Margit Grohmann vom Seniorenbeirat der Stadt berichtet: „Wir haben eine Digitalisierungsinitiative an die Fraktionen geschickt, in der digitale Schulungen für Senioren gefordert werden.“ Es gebe aber auch ein Recht auf ein analoges Leben, niemand solle gezwungen werden, online zu gehen. Auf www.frankfurter-plattform-55plus.de werden zehn digitale Schulungen in den kommenden Monaten aufgelistet. Voraussetzung ist, dass man im Internet ist. „Das ist doch sinnig“, sagt die Vorsitzende des Frankfurter Seniorenbeirats, Renate Sterzel. Der Seniorenbeirat fordert Schulungen flächendeckend. „Es müsste sie in jedem Stadtteil geben“, sagt Margit Grohmann.
Denn sehr mobil seien die älteren Menschen nicht. Der gemeinsame Appell von Sterzel, Grohmann und Schüssler: Ehrenamtliche Studierende oder Schüler:innen, die der älteren Generation einmal in der Woche eine Schulung anbieten könnten, mögen sich beim VdK Frankfurt melden.
Schulungen sind nur die eine Seite der Medaille, die andere ist das Recht auf Teilhabe. Margit Grohmann: „In unserer Resolution geht es auch um Daseinsvorsorge, um die Pflicht der Kommune. Sie müsste immer auch analoge Angebote machen.“ Sterzel berichtet, dass es in Bürgerämtern wenigstens einen Tag pro Woche gebe, in dem man ohne (digitalen) Termin kommen könne. Aber das sei die Ausnahme. Es werde immer mehr digitalisiert. Das verlangt von den Senioren die Fähigkeit dazuzulernen und beträchtliche finanzielle Mittel. Schließlich müssen das Smartphone erworben und ein Vertrag mit einem Anbieter geschlossen werden. Dann muss man die Bedienung lernen – und zum Schluss auch ins Internet gelangen.
„Das ist in Altersheimen beispielsweise nicht einfach, denn viele haben noch kein W-Lan“, klagt Renate Sterzel. Dafür gebe es inzwischen die Möglichkeit, digitale Angelegenheiten auch vor Ort in Bürgerämtern, Stadtteilbüchereien etc. zu erledigen, wenn man kein eigenes Gerät hat. Man könne dort auch Theaterkarten etc. ausdrucken. Langfristig, glaubt Sterzel, führe an der Digitalisierung auch für Senior:innen kein Weg vorbei.
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03.07.2024 09:00
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Jugendlich finden die deutsche Gesellschaft ungerecht
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Diese Studie lässt aufhorchen. Kinder und Jugendliche sehe unsere Gesellschaft stark von Unfairness und Ungerechtigkeit geprägt.
„Ist Deutschland gerecht?“, „Ist die Welt gerecht?“, „Was bedeutet eine gerechte Gesellschaft?“ Diese und weitere Fragen wurden im Rahmen der Sozialstudie 2023/24 zum Thema Gerechtigkeit, die im Auftrag der Bepanthen-Kinderförderung von der Universität Bielefeld durchgeführt wurde, von Kindern und Jugendlichen beantwortet. Die Teilnahme von insgesamt 1.230 Kindern (6 bis 11 Jahre) und Jugendlichen (12 bis 16 Jahre) ermöglicht ein repräsentatives Stimmungsbild.
Wenn schon junge Menschen in großer Zahl die Gesellschaft als ungerecht und unfair empfinden, gibt es drei Möglichkeiten: Sie nehmen es schicksalsergeben hin oder sie übernehmen die Wahrnehmung für eigene unfaires Verhalten oer sie treten dem entgegen durch eigene fairnes Verhalten und Handeln trotz Widerständen. Wer wird ihnen beistehen, ein Vorbild sein und mit Knowhow für Fairness ausstatten?
„Machtlos und unzufrieden“: Über 75 Prozent der befragten Jugendlichen glauben, keinen Einfluss auf die Politik zu haben. Jeder zweite Jugendliche zweifelt am Engagement der Politik, Probleme überhaupt lösen zu wollen.
"Von wegen Generation Ego“: Jugendliche sorgen sich besonders um die Älteren
Studie offenbart große Unterschiede, wie Kinder aus unterschiedlichen sozialen Milieus Gerechtigkeit in Deutschland wahrnehmen. Der sozioökonomische Status (SOES) der Eltern spielt hier eine maßgebliche Rolle
Jugendliche fühlen sich machtlos und unbeachtet
Ein zentrales Ergebnis der Befragung ist, dass die deutliche Mehrheit der Jugendlichen (78 Prozent) erlebt – trotz des Aufkommens von Bewegungen wie „Fridays for Future“ – keinen Einfluss darauf zu haben, was die Regierung macht. 72 Prozent der Jugendlichen sind davon überzeugt, dass sich Politikerinnen und Politiker in Deutschland nicht viel darum kümmern, was Jugendliche denken. Mehr als die Hälfte (57 Prozent) spricht ihnen sogar das Bemühen ab, die wichtigsten Probleme unserer Gesellschaft lösen zu wollen.
„Besonders überraschend ist, dass die Kinder und Jugendlichen ein differenziertes Bild davon haben, wie eine gerechte Gesellschaft aussieht, diese Komponenten in ihrer Lebensrealität aber gar nicht unbedingt wahrnehmen“, sagt Studienleiter Prof. Dr. Holger Ziegler von der Universität Bielefeld, und fügt hinzu: „Obwohl sie sich von der Gesellschaft und der Politik nicht genug gesehen fühlen, machen sie sich trotzdem auch Sorgen um andere Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel Rentnerinnen und Rentner.“
Die vorliegende Studie zeigt, 65 Prozent der Jugendlichen empfinden, dass für Rentnerinnen und Rentner zu wenig getan wird. „Die Vorurteile gegenüber der jungen Generation, diese „würde sich nur für sich selbst interessieren“ können in unserer Studie keinesfalls bestätigt werden“, so Prof. Dr. Ziegler.
Prof. Dr. Ziegler erklärt, dass die wichtigsten Ergebnisse mit folgenden Themen in Verbindung stehen: Förderung von Bildung, Inklusion, Herstellung von Chancengleichheit, Hilfe und Unterstützung für Alte und Arme. „Erschreckend ist, dass die Jugendlichen diese Aspekte in der Praxis wenig abgebildet sehen. In ihrer Wahrnehmung sind sie von der Politik ungesehen und ungehört“, so Ziegler, Professor für Soziale Arbeit".
"Zur Studie"
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12.06.2024 16:23
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Rassismus - bei uns doch nicht! Denkste!
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Eine eindrucksvolle und treffliche Kolumne hat der Journalist, Autor, Fernsehmoderator, Regisseur, Schauspieler und Dokumentarfilmer Michael Herl in der Frankfurter Rundschau (11.6.24) veröffentlicht (in der er seit 2012 im Wechsel eine Kolumne beisteuert):
„Was für ein schönes Land muss es sein, in dem Hautfarbe keine Rolle spielt. Dieses Land ist es nicht. Die Kolumne.
Eigentlich war der Ausgang der Europawahlen zu erwarten. Die rechtsnationale AfD ist im Vormarsch, das ist schlimm. Schlimmer ist aber, dass der Plan nicht aufgeht, den die westlichen Siegermächte nach dem Zweiten Weltkrieg ersannen. Wenn wir die Deutschen in ein gemeinsames Europa einbetten, können wir besser auf sie aufpassen, dachten sie. Prima Idee. Eigentlich.
Doof nur, dass man nun nicht nur auf die Deutschen aufpassen muss, weil die Neo-Nationalisten hier sogar weniger Stimmen bekommen als in vielen anderen europäischen Ländern, etwa in Italien, Frankreich und Österreich. Hinzu kommt, dass von Weltregulator USA eher Unheilvolles zu erwarten ist, und über Putin brauchen wir da gar nicht zu reden. Düstere Aussichten.
Also war’s das? Nein. Denn wenn du denkst, da geht nicht noch mehr, kommt von irgendwo was Schlimmeres her. Zumindest habe ich es vor einigen Tagen so empfunden.
Da nämlich veröffentlichte der WDR eine Umfrage, wonach 21 Prozent der Befragten es besser fänden, „wenn wieder mehr weiße Spieler in der deutschen Nationalmannschaft spielen“. Das versetzte mir einen Schlag in die Magengrube, von dem ich mich bis heute nicht erholt habe. Das hat nämlich eine andere Qualität als die Wahlerfolge der Ultrarechten.
Grundsätzlich bin ich ja der Meinung, dass es keine Protestwähler gibt, da jeder erwachsene Mensch wissen müsste, bei wem er da sein Kreuz macht, wenn er AfD wählt. Dennoch geschieht es offensichtlich. Die Aussage aber, keine schwarzen Spieler in der deutschen Nationalmannschaft sehen zu wollen, lässt sich auf keinen Fall mit Dummheit, Unüberlegtheit oder taktischem Kalkül entschuldigen. Da ziehen auch die ohnehin schwachsinnigen Befürchtungen nicht, wonach „die“ uns Arbeit, Wohnung, Geld und Wohlstand wegnehmen. Das ist nichts anderes als blanker, tief verwurzelter Rassismus. Und das bei jedem fünften Mitmenschen in diesem Land! Es ist bestürzend.
Die Folgen spüre ich an mir selbst. Seither fallen mir plötzlich Schwarze Menschen im Straßenbild auf. Ich bemerke, dass von fünf deutschen Silbermedaillengewinnerinnen im Halbmarathon eine nicht weiß ist. Und dadurch werde ich gewahr, wie wenig ich früher auf so etwas achtete. Und bin traurig, dass ich es plötzlich tue.
Mit einem Mal überkommt mich der Drang, jeden dunkelhäutigen Menschen zu umarmen. Und mir fällt etwas ein, das mir eine Bekannte vor einiger Zeit erzählte.
Ihr kleiner Sohn, nennen wir ihn David, wollte ihr etwas von einem Mitschüler erzählen, sagen wir mal von Tim. Er erklärte und erklärte, Mutti aber kam partout nicht darauf, wer gemeint war. „Der mit dem gelben Ranzen“, führte er an, „der bei der Concordia im Tor spielt“, „dem seine Mutter bei der Lufthansa arbeitet“, „der auf meinem Geburtstag war und den Arm in Gips hatte“ oder „dem sein Vater einen Jaguar fährt“. Doch Mutti stand auf dem Schlauch“.
Ein Text, der nicht nur zu denken gibt, sondern auch aufrüttelt und sensibilisiert, um auch subtilem Rassismus und damit Unfairness entgegen zu treten. Nur, wer ihn spürt, kann ihn meiden und aufklären.
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01.02.2024 08:13
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Swatting und Schikanen - eine Seuche im Internet
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Swatting ist eine besonders hinterhältige Form von Schikane. Durch Schikanen werden besondere Problemsituationen geschaffen, die eine Person oder Organisation in schwer lösbare Schwierigkeiten und Widersprüche bringen. ‚Schikanieren' entspricht dem Wort "Mobbing" in seiner ursprünglichen Bedeutung.
Beim Swatting werden durch vorgetäuschte Notlagen Polizeieinsätze ausgelöst – um Gegner zu schikanieren. Dabei scheint es darum zu gehen, mit vorgetäuschten Notfällen Unruhe auszulösen und psychologischen Druck aufzubauen. Ziel ist dabei der Schaden des Betroffenen. Als Motiv wird häufig Rache oder Langeweile angegeben. Der Name leitet sich von der Abkürzung SWAT der amerikanischen Spezialeinheit Special Weapons and Tactics ab. Experten sehen darin eine Form der Einschüchterung, die zunehmend gegen prominente Persönlichkeiten eingesetzt wird. Aber auch in der Videospiel-Szene, um einem Sieger einen Schlag zu versetzen und die eigene Niederlage zu kompensieren.
Das Swatting ist in Deutschland als Missbrauch von Notrufen und Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln gemäß § 145 StGB und den meisten anderen Ländern strafbar. In Deutschland ist zudem das Vergehen des Vortäuschens einer Straftat zu prüfen. Des Weiteren kann Schmerzensgeld wegen unerlaubter Handlung sowie Polizeikosten erhoben werden.
Mehr zu Schikanen, ihrer psychosozialen und juristischen Bedeutung, unter: "Über Swatting, Schikanen und andere Instrumente des Mobbing"
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15.01.2024 10:08
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Schritte aus der Einsamkeit
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Einsamkeit ist schwer zu ertragen. Sie wird immer mehr zu einer Bedrängnis – in unserer Massen- und elektronisch vernetzten Massengesellschaft.
Wenn Sie von Einsamkeit betroffen sind, können Ihnen vielleicht die Hinweise weiterhelfen, die wir neu in unser Portal der Fairness-Stiftung eingebracht haben.
Entweder hier in unserer Infothek die "Infothek - Schritte aus der Einsamkeit"
oder direkt in den Text ""Schritte aus der Einsamkeit".
Einsamkeit ist nicht selten das Ergebnis von unfairen Attacken, Mobbingaktionen und der damit einher gehenden Isolierung. Nutzen Sie unsere Hinweise, um dem entgegen zu wirken.
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14.11.2023 13:48
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Unfairness im täglichen Verkehr hat stark zugenommen
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Rücksichtslosigkeit, Regelmissachtung und Unfairness im Straßenverkehr hat deutlich zugenommen. Rowdyhaftes Verhalten und aggressive Vorteilsnahme sind weit verbreitet. Das belegt die 2023 durchgeführte Unfallforschung der Versicherer (UDV) mit einer erneuten die Befragungsstudie „Verkehrsklima in Deutschland“. Die Studie wird seit 2010 in regelmäßigen Abständen durchgeführt. Die letzten Vergleichswerte stammen aus dem Vor-Corona-Jahr 2019.
Im Mittelpunkt standen die Veränderungen im Sicherheitsempfinden im Straßenverkehr im Vergleich zu 2019. Des Weiteren wurden verstärkt Radfahrer:innen befragt. Insgesamt nahmen 2.002 Personen ab 18 Jahre an der Online-Befragung teil.
Grundsätzlich fühlen sich Männer (64 Prozent) deutlich sicherer als Frauen (49 Prozent). Nicht überraschend also, dass sich Frauen deutlich häufiger für schärfere Maßnahmen zugunsten der Verkehrssicherheit aussprechen. Beides zeigte sich auch in allen Vorgängerstudien. Bei den Maßnahmen selbst wird eine Null-Promille-Regelung für alle Kraftfahrende mit 68 Prozent am häufigsten gewünscht. Dieser Wert war allerdings 2019 noch um 8 Prozent höher. Nicht verändert hat sich die knappe Befürwortung (53 Prozent) von Tempo 130 auf Autobahnen.
In Bezug auf aggressives und sicherheitskritisches Verhalten haben sich alle Werte gegenüber den Vorgängerstudien verschlechtert. Wie auch schon in den Vorjahren, unterscheiden sich Selbst- und Fremdbild der Befragten. So antworten 96 Prozent aller Autofahrer, dass sie Radfahrer mit ausreichendem Abstand überholen, gleichzeitig aber bei 93 Prozent der anderen Autofahrer wahrnehmen, dass sie Radfahrer zu eng überholen. Die Radfahrer zeigen in Bezug auf ihr Selbstbild ähnliche Tendenzen. Knapp die Hälfte gibt zu, gelegentlich auf den Gehweg auszuweichen, beobachtet dieses Verhalten aber bei 92 Prozent der anderen Radfahrer.
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19.10.2023 09:48
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Unfaire und inhumane Reden über Flüchtende und Migranten
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Unfairness manifestiert sich in gesellschaftlicher Kommunikation über Menschen in Not und Kriegsfolgen. Damit wird der Weg bereitet und ausgebaut, der schließlich zu unfairer und inhumaner Verachtung führt. Der nächste Schritt sind dann tätliche Angriffe und strukturelle Ausgrenzungen. Wie Sven Christian Schulz in der Frankfurter Rundschau (18.10.23, S. 5) berichtet, stellt sich der DRK dem massiv entgegen:
„Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat scharf kritisiert, wie in Deutschland über Migration gesprochen wird. „Die aktuelle Migrationsdebatte ist geprägt von vielen Pauschalisierungen über Flucht und Zuwanderung. Dabei werden zu oft Drohkulissen aufgebaut und Ängste geschürt“, sagte Joß Steinke, der Bereichsleiter für Jugend und Wohlfahrtspflege, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
„Viel zu kurz kommt, dass Menschen in Not zu uns kommen, die in ihrer Heimat nicht mehr leben können, die Angst haben, nicht selten traumatisiert sind, die schlimme Dinge erlebt haben.“ Die Menschlichkeit komme zu kurz. „Wenn die Politik Entscheidungen auf der Basis der derzeit sehr pauschalen Zuschreibungen trifft, können die Maßnahmen am Ende völlig am Ziel vorbeigehen“, warnte er.
Als „fragwürdig“ bezeichnete Steinke das Bild, dass massenhaft Menschen aufgrund von Pull-Faktoren in das deutsche Sozialsystem einwandern wollen würden. Es könne „zu politischen Fehlschlüssen führen“ und so Deutschlands Lage verschlechtern. Menschen in Not, die fliehen müssen, würden weiterhin kommen. „Aber die Integration wird sehr viel schwerer und das Zusammenleben wird durch solche falschen Bilder weniger gelingen.“
Über Migration hatte zuletzt die Ministerpräsidentenkonferenz debattiert. Die Länderchefs drängten auf eine bundesweit einheitliche Bezahlkarte für Geflüchtete. Nur ein kleiner Teil der Leistungen für Asylbewerber:innen soll demnach in bar ausgezahlt werden. Das soll verhindern, dass Geld zu Familien ins Ausland überwiesen wird. Das könnten Asylsuchende aber ohnehin kaum, „denn sie erhalten nicht viel Geld“, so Steinke. Eine Bezahlkarte würden vor allem Bürokratie verursachen, aber keine Probleme lösen.
Eine weitere Forderung der Länder waren stationäre Grenzkontrollen zu Tschechien und Polen. Sie waren am Montagabend angelaufen, nachdem Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eingelenkt hat. Faeser begründete dies mit der Begrenzung der irregulären Migration. Außerdem gehe es ihr darum, „die Schleusungskriminalität noch stärker zu bekämpfen“.
Aus Sicht des DRK ist jedoch zweifelhaft, dass die Ausweitung der Kontrollen der richtige Weg ist. Es sei „völlig unklar“, wie mit den Folgen umzugehen sei. „Dann stehen die Menschen – denn es geht um Menschen, oft Schutzsuchende, das dürfen wir nicht vergessen – an der Grenze und wir müssen uns überlegen, wie wir mit ihnen umgehen.“
Das Rote Kreuz fordert stattdessen neue Konzepte und mehr Mittel für die Bereitstellung von Wohnraum, für Integration und den Zugang zu Schulen, für die Beratung und den Spracherwerb. Dass der Bund ausgerechnet bei der Beratung von Geflüchteten die Mittel kürzen wolle, sei ein Unding, so Steinke. Er forderte langfristige Lösungen in Deutschland und Europa, bei denen Menschlichkeit angesichts vieler Krisen und Kriege im Fokus stehe“.
Es ist unerlässlich, überall und zu jeder Zeit auch nur den subtilen Ausdrücken von Menschenverachtung und Menschenmissachtung entgegenzutreten. Fairness wird oft dadurch ermöglicht, dass Unfairness erkannt, angesprochen und konfrontiert wird. Fair, indes klar, deutlich und konstruktiv.
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19.05.2023 10:09
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Missbrauchte Medizin - zerstörte Medizin
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„Es ist unerträglich für mich, wenn Medizin missbraucht wird“. Sagt der Mediziner Bernd Hontschick.
Aus Anlass seiner 300. Kolumne in der Frankfuter Rundschau am 13. Mai 2023 sprach der Arzt Bernd Hontschik mit Boris Halva über gierige Pharmakonzerne, autoritäre Strukturen in Arztpraxen – und Briefe, die zu Herzen gehen.
Herr Hontschik, heute erscheint Ihre 300. Diagnose in der FR – und Themen gibt’s nach wie vor reichlich. Wünschen Sie sich manchmal, es wäre anders?
Es wäre schön gewesen, wenn der eine oder andere Missstand zwischenzeitlich behoben worden wäre. Aber in den 16 Jahren, die ich jetzt Kolumnen schreibe, hat sich an den großen Themen überhaupt nichts verbessert. Mir fällt nur eine einzige gute Meldung ein: die Abschaffung der leidigen Praxisgebühr. Mir werden die Themen also nicht ausgehen.
Welches Thema treibt Sie bis heute am stärksten um?
Ich bin entsetzt darüber, wie Medizin kaputtgemacht wird. Im Krankenhaus gehen die Patienten als Menschen unter, werden zu Werkstücken, die durch Produktionsstraßen geschoben werden – ein Horror für die Patient:innen, ein Horror für die professionellen Helfer:innen, die zunehmend auf der Flucht sind. Das finde ich entsetzlich! Im Kern geht es mir immer darum, dass das Gesundheitswesen Teil der staatlichen Daseinsfürsorge bleiben muss, dass private Investoren da nichts zu suchen haben. Ich plädiere immer wieder für die allgemeine Bürgerversicherung und die Abschaffung der privaten Krankenversicherungen. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens treibt mich auch um, weil Datenschutz und Schweigepflicht als vorgestrig diffamiert werden und hinten runterfallen.
Hat das Schreiben Ihren Blick auf die Welt verändert?
Den Blick auf die Welt vielleicht nicht, aber es ist eine Art Filter, mit der ich Nachrichten aufnehme. Ich finde Themen oder Zusammenhänge auch dort, wo man sie erstmal nicht vermutet. So zum Beispiel bei der Kolumne „Brick Lane“, die ich 2008 geschrieben habe. Ich hatte einen Bericht im Radio über diese Straße in London gehört, in der die Laternenpfähle mit Schaumstoff ummantelt wurden, weil immer wieder Menschen dagegen gelaufen sind, die nur aufs Handy geschaut haben, und sich teils so schwere Kopfverletzungen zugezogen haben, dass sie in die Klinik mussten. Das habe ich zum Anlass genommen, in einer Kolumne den Unterschied von Vorsorge und Früherkennung klar zu machen. Ein ernstes Thema, aber dennoch unterhaltsam aufbereitet.
Wer Ihre Kolumnen regelmäßig liest, weiß: „Vorsorge“ ist eines Ihrer Reizthemen...
Ja, und es regt mich bis heute auf, wenn gesagt wird, man solle zur Krebsvorsorge gehen. Gegen Krebs kann ich höchstens vorsorgen, indem ich aufhöre, zu rauchen. Aber wenn ich eine Koloskopie mache oder mir die Brust röntgen lasse, dann ist das keinerlei Vorsorge, sondern Früherkennung – in der Hoffnung, dass ein früh erkannter Tumor behandelbar ist, was leider auch nicht immer stimmt. Und wenn wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass eine Früherkennung auch schädlich sein kann, was die Medien zumeist ignorieren, dann schreibe ich eine Kolumne darüber, und wenn es sein muss, auch noch eine und noch eine. Mein Anspruch ist Information und Aufklärung.
Leitlinien gehören auch zu den Dingen, die Sie umtreiben...
Leitlinien sind nichts Schlechtes, sie waren ja dazu gedacht, dass man einen Behandlungskorridor eröffnet auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse. Sie werden aber leider allzu oft verwechselt mit Handlungsvorschriften und dazu missbraucht, abweichende Ideen und Meinungen zu diskreditieren. Das regt mich auf, denn die Behandlung von Menschen ist etwas höchst Individuelles. Wenn die Medizin nur eine Anwendung von Leitlinien wäre, dann bräuchte man ja keine Ärztinnen und Ärzte.
Je individueller medizinische Behandlung ist, desto schwerer ist sie zu kalkulieren. Und das wird beim Lesen Ihrer Kolumnen auch deutlich: Geld und Medizin können eine ungesunde Wechselwirkung haben.
Wenn man finanzielle Anreize für bestimmte medizinische Anwendungen setzt, dann ist Medizin korrumpiert. Dann geht es nur noch um Gewinne, und das ist doch nicht das Ziel von Medizin. Seit es Fallpauschalen gibt, haben sich die Zahlen etwa bei Hüft- oder Rückenoperationen teils verdoppelt – und das ganz sicher nicht aus medizinischen Gründen, sondern aus pekuniären. Die Bezahlung ist ein riesiges, ungelöstes Problem. Da hilft auch die Debatte über eine Bezahlung nach Qualität nichts.
Weil da erstmal zu klären wäre: Was ist Qualität?
Eben, und Qualität kann man nicht messen, denn dann handelt es sich um Quantität! Wenn ich sage, dass es zu meinen besten chirurgischen Leistungen gehörte, Menschen zu empfehlen, sich nicht operieren zu lassen, wie soll mir das vergütet werden? Wie bezahlen Sie mich, wenn ich mit meiner ganzen Erfahrung und Qualifikation und gemeinsam mit meinem Patienten zu dem Schluss komme, dass es am besten ist, nichts zu tun?
Das Thema Bezahlung behandeln Sie auch immer wieder. Ihre 100. Kolumne, in der Sie sich 2011 mit den sogenannten Igel-Leistungen befasst haben, endet mit dem Satz, dass Sie sich angesichts dieser Praktiken für Ihre Zunft schämen. Kommt das öfter vor?
Ja, leider! Ich habe mich in meiner aktiven Zeit als Chirurg in einem Netzwerk von Ärzten und Ärztinnen aller Fachrichtungen bewegt, mit denen ich gut zusammenarbeiten konnte, aber ich habe doch auch immer wieder gehört, dass Patientinnen und Patienten entweder abgezockt oder überhaupt nicht angeschaut, sondern mit Rezepten, Überweisungen oder Einweisungen abgefertigt wurden. Es war teilweise haarsträubend, was mir die Menschen über ihre Erlebnisse berichtet haben. Vor allem hat mich schockiert, dass manchen gesagt wurde, wenn sie sich nicht an die Anweisungen des Arztes halten, würden sie nicht weiter behandelt. Es gibt in meiner Zunft nicht wenige, die total autoritär strukturiert sind und sagen: Wer nicht gehorcht, fliegt raus!
Glauben Sie nicht, dass mit dem Nachrücken der nächsten Generation ein Wandel stattgefunden hat? Sie haben 2009 geschrieben, dass „eine Dominanz der männlichen Symptome in den Köpfen von Ärztinnen und Ärzten“ vorherrscht und viele Frauen daher falsch behandelt würden – aber bei diesem Thema ist im zurückliegenden Jahrzehnt viel Bewegung reingekommen.
Ich habe seit 2009 mehrfach über Gendern in der Medizin geschrieben. Da hat sich viel getan, das stimmt, vor allem bei der Einsicht, dass Frauen keine kleinen Männer sind, sondern völlig andere Symptomatiken haben, etwa beim Herzinfarkt, dass sie auf manche Medikamente ganz anders reagieren und dass sie ganz andere Gelenke haben, also auch ganz andere Gelenkersatzprothesen brauchen als Männer. Frauen sind in der Medizin überhaupt auf dem Vormarsch. Es gibt längst deutlich mehr Medizinstudentinnen als –studenten. Die Medizin wird davon profitieren. In Berlin gibt es einen Lehrstuhl für frauenspezifische Gesundheitsforschung. Und nicht ohne Grund wird an vielen medizinischen Fakultäten inzwischen Kommunikation gelehrt. Männer haben sich all die Jahrzehnte zuvor dergleichen nicht ausgedacht.
Bei welchen Themen wiederum hat sich so gar nichts getan?
Bei der Krankenversicherung hat sich nichts getan, der Weg in die Bürgerversicherung ist immer noch verschlossen und es können sich immer noch zehn Prozent Gutverdienende in der privaten Krankenversicherung aus der Solidarität verabschieden, ein Skandal. Auch beim Thema Privatisierung ist kein Umdenken zu sehen, im Gegenteil, das wird immer schlimmer. Konzerne machen sich nicht mehr nur in Kliniken breit und locken mit hohen Dividenden, sondern auch der ambulante Bereich wird zunehmend privatisiert. Was hat ein kanadischer Lehrerpensionsfond für ein Interesse an unserer Gesundheit? Warum wohl besitzt dieser Fond über 100 Augenarztpraxen und medizinische Versorgungszentren in Deutschland? Und dann gibt es Zweige, die mindestens genauso wichtig sind, die Kinderheilkunde zum Beispiel, aber dort schreibt man rote Zahlen. Um die Kinderheilkunde kümmert sich kein Investor. Auch ein großer Skandal ist die Digitalisierung des Gesundheitswesens, die in der geplanten Form niemand anderem nutzen wird als der IT-Industrie.
Was fühlen Sie häufiger: Wut oder Verzweiflung?
Ich bin schon manchmal verzweifelt über die zunehmende Destruktion unseres Gesundheitswesens. Verhältnisse wie in den USA sind nicht mehr fern, wo Gesundheitsversorgung eine Frage des Geldes ist. Aber es sind trotzdem erstmal andere Dinge, die mich an den Rand der Verzweiflung bringen. Die Verkehrspolitik, die Klimakrise, und jetzt ist auch noch Krieg in Europa! Das sind Anlässe, wirklich verzweifelt zu sein, denn davon sind wir alle betroffen, ob krank oder gesund. Da kann man das Gesundheitswesen hinten anstellen. Aber man kann schon auch wütend werden, wenn man mit anschauen muss, wie Gemeineigentum urplötzlich nur noch dem Reichtum weniger dient.
Apropos Wut: Mit wem legen Sie sich lieber an – mit Pharmakonzernen oder den Verantwortlichen in der Gesundheitspolitik?
Was den Pharmabereich angeht, hat man in der Coronapandemie gesehen, welche unglaubliche Macht die Konzerne haben. Sie haben nicht nur mit Steuergeld die Impfungen entwickelt und dann später die Preise diktiert, sondern haben sich von jeder Verantwortung befreien lassen, für unerwünschte Impf-Nebenwirkungen oder -Schäden zu haften. Das kann man nicht verstehen. Jetzt kommt es zunehmend zu Dokumentationen von Impfreaktionen – aber niemand will zuständig sein, die Patient:innen werden allein gelassen. Die Pharmakonzerne schwimmen in Geld, aber denken nicht daran, sich für die Folgen ihres Tuns verantwortlich zu zeigen. Mit den Verantwortlichen der Gesundheitspolitik ist es ein bisschen anders: Gesundheitspolitik müsste dafür da sein, Medizin möglich zu machen. Aber davon kann keine Rede sein. Gesundheitspolitik ist nach wie vor ein Ergebnis des Kampfes zwischen verschiedenen Lobby-Gruppen, die es in diesem Haifischbecken gibt. Wenigstens hat Gesundheitsminister Lauterbach jetzt eingeräumt, dass die Fallpauschalen nicht das Wahre sind – schade nur, dass er für diese Einsicht 20 Jahre gebraucht hat.
Auf welche Ihrer Kolumnen haben Sie die heftigsten Reaktionen bekommen?
Die gab es während der Coronapandemie, weil ich das, was in der Zeit gemacht wurde, nicht einfach hinnehmen wollte und immer wieder Fragen gestellt habe. Ich bin ja selbst geimpft, und ich habe auch nie geschrieben, dass man sich auf keinen Fall impfen lassen sollte, aber ich habe eben immer wieder gefragt: Was geht hier eigentlich vor? Und da bin ich in den Kommentarspalten aufs Übelste beschimpft worden. Menschenverachtend sei das, was ich da schreibe. Man kann mir ja vieles vorwerfen, aber Menschenverachtung ganz sicher nicht!
Hat das dazu geführt, dass Sie zu bestimmten Themen lieber nichts mehr sagen?
Überhaupt nicht! Aber es kommt vor, dass Menschen mir schreiben, es sei mutig, dass ich dies oder das geschrieben habe. Das ist ja nett, dass man mich mutig findet, aber: Mir kann doch keiner was, man kann mir nichts wegnehmen. So gesehen gehe ich mit dem Schreiben keinerlei Risiko ein, auch wenn ich mich noch so kritisch äußere. Mutig sein, das heißt für mich, dass Menschen etwas riskieren. Es gibt Menschen, die riskieren ihr Leben für ihre Sache. Ich riskiere höchstens, dass ich für die Frankfurter Rundschau keine Kolumnen mehr schreiben darf.
Zum Abschluss wüsste ich gern, ob Sie auch Zuschriften bekommen, die zu Herzen gehen?
Oh ja. Einmal hatte ich über den Einsatz von Robotern im OP geschrieben, angeregt durch den sogenannten Robodoc, den die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik in Frankfurt angeschafft hatte. Später hatte sich rausgestellt, dass der Robodoc gar keine Zulassung hatte, aber da hatte man ihn schon bei mehreren Hüftgelenksoperationen eingesetzt mit dem Ergebnis, dass bei manchen Patientinnen und Patienten das ganze Nervensystem in diesem Bereich zerstört worden war. Ich kann diese OP-Technik hier nicht erklären, aber etwas Gefühlloseres als einen Roboter kann mich sich ja gar nicht vorstellen. Nach der Kolumne habe ich Zuschriften bekommen von Leuten, die auch mit dem Robodoc operiert worden waren und danach vor den Trümmern ihrer Existenz standen: Beruf verloren, Ehe kaputt, Schmerzen rund um die Uhr. Das ging mir wirklich nah! Wissen Sie, ich bin mit Leib und Seele Chirurg, und mit 40 Jahren Erfahrung kann ich sagen: Die Chirurgie kann Menschen wirklich helfen, selbst in scheinbar ausweglosen Situationen kann man oft noch etwas tun. Aber für mich ist unerträglich, wenn Medizin aus pekuniären Gründen missbraucht wird.
Zur Person Bernd Hontschik , geboren 1952 in Graz, ist Chirurg und Publizist. Bis 1991 war er Oberarzt am Klinikum Frankfurt-Höchst, bis 2015 in seiner chirurgischen Praxis in Frankfurt tätig. Seine Doktorarbeit über unnötige Blinddarmoperationen erregte großes Aufsehen. Er ist auch Herausgeber der Reihe „medizinHuman“ bei Suhrkamp, die er 2006 mit dem Bestseller „Körper, Seele, Mensch“ eröffnete.
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20.02.2023 09:58
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Rupert Lay ist tot und wird am 21.2. beerdigt. Er ist ein Leuchttum des humanistischen Führungsethos
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Die Fairness-Stiftung trauert um Pater Prof. Dr. Rupert Lay SJ
Träger des Deutschen Fairness-Preises
Vorsitzender des Kuratoriums der Fairness-Stiftung 2000-2004; Ehrenvorsitzender ab 2004
14. 6.1929 Drolshagen – 9.2.2023 Frankfurt am Main
Wir trauern um einen großen Wegbereiter und Denker der Biophilie und des werteorientierten, humanistischen Leaderships. "Zur Traueranzeige in der FAZ am 18.2.2023, in der gemeinsam die Fairness-Stiftung und die Karl Schlecht Stiftung Rupert Lay gedenken. Seine Beerdigung ist am 21.2.2023 um 11:15 auf dem Frankfurter Südfriedhof"
30 Jahre war er Professor für Sprachphilosophie und Wissenschaftstheorie an der Jesuitenhochschule Sankt Georgen in Frankfurt. Er veröffentlichte über 50 Bücher, darunter etliche Bestseller, zuletzt sein ihm wichtigstes Buch: "Über die Liebe zum Leben. - Die Ethik im Konstruktivismus als Ausdruck der Biophilie".
Pater Lay etablierte ab 1968 eine psychotherapeutische Praxis, führte zahlreiche Trainings und Coachings für Manager und Unternehmer durch. Tausende Führungskräfte suchten seinen Rat. Trotz der Auseinandersetzungen um sein Buch „Nachkirchliches Christentum. Der lebende Jesus und die sterbende Kirche“ blieb er bis zum Lebensende Priester und Ordensmitglied, was ihm sehr wichtig war.
Auch in zahlreichen Vorträgen und Interviews "18 bis 46" entfaltete er seine Ethik für Leader und Berater. Seine Grundüberzeugungen und seine Ansätze zum Führungsethos und zur Good Leadership fanden Eingang in die Gründung und Orientierung der Fairness-Stiftung sowie in die Ausrichtung und die Inhalte der Karl Schlecht Stiftung.
Er war mit mir seit 45 Jahren verbunden; erst mein Philosophieprofessor, dann war ich sein Assistent, dann wurden wir Freunde, dann haben wir Managementtrainings und -beratungen durchgeführt, 10 Jahre die Quartalsschrift „EthikLetter“ begründet und herausgegeben.
Seine letzten beiden Bücher habe ich mit ihm und für ihn gemacht, 2019 das Lesebuch "Was dem Leben dient. Die Ethik der Biophilie für Entscheiden und Handeln" mit Schlüsselpassagen aus einen 40 Büchern (darunter etliche Bestseller) zu seinem 90. Geburtstag herausgegeben. Auch "als Podcast"
Die Fairness-Stiftung versucht im Geist der von Lay aufgestellten Biophilie-Maxime das Verständnis für erfolgreiche Kooperation und für faire Beziehungen in Unternehmen und Organisationen, in Wirtschaft und Gesellschaft und so orientierter Praxis voranzubringen.
Die Biophilie-Maxime nach Rupert Lay lautet
"Handle stets so, dass Du Dein und fremdes personales Leben eher mehrst denn minderst."
Nicht jede Unfairness, die Menschen Menschen antun, "geschieht aus Bosheit oder Egoismus, sondern aus einem der folgenden Gründe: - Menschen wähnen sich im Besitz ewig-gültiger Normen, zu deren Beachtung sie auch andere verpflichten. - Menschen sind voll guten Willens, ohne jedoch über zureichende fachliche oder ethische Kompetenz zu verfügen" (Lay, Ethik für Manager, 1996, S. 32).
Daher ist die Entwicklung persönlicher und organisationaler Fairness-Kompetenz und Ethik-Kompetenz unerlässlich. Ohne fundiertes Führungsethos gelingt keine gute Führung, kein Good Leadership. Diesem Anliegen ist die Fairness-Stiftung gewidmet.
Wir gedenken Prof. Dr. Rupert Lay SJ in Dankbarkeit und in der Verpflichtung für sein Werk und seine humanistische Leadership-Ethik. Wir werden ihm in Dankbarkeit ein bleibendes Andenken bewahren und seine Ideen weitertragen.
Rupert, Du fehlst!
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06.02.2023 12:46
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Wenn geheim unfair ist - unfaire Geheimhaltung gegen Gemeinwohl
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Immer mehr ist geheim – vor allem die Verträge, die die Politik mit der Privatwirtschaft aushandelt. Aber warum eigentlich? Was soll da verborgen werden? Die Kolumne „Dr. Hontschiks Diagnose“ auf fr.de - Dr. med. Bernd Hontschik ist Chirurg und Publizist auf www.medizinHuman.de:
"Ein Fußballspieler kracht im WM-Endspiel 2014 Kopf an Kopf mit einem Gegenspieler zusammen, torkelt, verliert die Orientierung und fragt den Schiedsrichter, ob das hier wirklich das WM-Finale sei. Erst nach einer Viertelstunde wird er vom Feld genommen und kann sich bis heute an nichts erinnern. Vom Vortrag eines renommierten Sportmediziners über die „Rolle von Kopfbällen auf das Gehirn“ schloss der europäische Fußballverband Uefa in Frankfurt jüngst sämtliche Medienvertreter:innen aus. Warum? Was will die Uefa verbergen?
Als die Universitätskliniken Marburg und Gießen 2006 von der Regierung Koch an den Rhön-Konzern verscherbelt wurden, konnte der Kaufvertrag nicht öffentlich diskutiert werden, obwohl es sich hier um öffentliches Eigentum handelte. Der Kaufvertrag ist bis heute geheim! Warum, was will die Landesregierung verbergen?
Die EU-Kommission bestellte 2020 bei verschiedenen Pharmakonzernen Corona-Impfstoffe. Die gleiche Dosis Impfstoffe kostete einmal 2,30 Euro, ein andermal 18,20 Euro – reine Willkür. Mitten in der Pandemie erhöhten Biontech, Moderna und Pfizer ihre Preise erheblich, zum Teil bis zum Doppelten. Bis heute sind über diese Vorgänge nur bruchstückhafte Informationen durchgesickert. Die Inhalte aller Kaufverträge sind auf Dauer geheim, Warum, was will die EU-Kommission verbergen?
Eine Hauptursache für den gegenwärtigen Medikamentenmangel sind die sogenannten Rabattverträge. In diesem Fall sind die Pharmafirmen ausnahmsweise nicht die Bösen, sondern das sind die Krankenkassen. Sie haben die Pharmafirmen in einen ruinösen Preiskampf gezwungen, indem sie ihren Versicherten nur noch das billigste Medikament ersetzt haben. Viele Firmen haben daraufhin die Produktion bestimmter Generics ganz eingestellt. Sämtliche Rabattverträge aller Krankenkassen waren von Anfang an und sind bis heute geheim. Warum, was wollen die Krankenkassen verbergen?
In der allgemeinen Seuchenhysterie veranlasste der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Anfang 2020 ein sogenanntes Open-House-Verfahren. Ohne jede Ausschreibung erhielt jeder Verkäufer einen Vertrag, der FFP-2-Masken für 4,50 Euro und OP-Masken für 60 Cent anbieten konnte – Wucherpreise für diese Pfennigartikel. Schon nach wenigen Tagen waren 733 Verträge mit 535 Lieferanten über mehr als 6,4 Milliarden Euro zu Stande gekommen.
Aber ein großer Teil dieser Masken war minderwertig. Man schämte sich nicht, Millionen mangelhafter Masken an Pflegeheime und andere Einrichtungen zu verschicken und einen großen Teil der nutzlosen Masken an Menschen mit Behinderung, an Obdachlose und an Hartz-IV-Empfänger:innen zu verschenken. Dann kaufte man noch 570 000 FFP2-Masken von der Burda GmbH, dem Arbeitgeber von Daniel Funke, dem Ehemann von Jens Spahn. Die Einzelheiten der Kaufverträge sind geheim. Warum, was will das Bundesgesundheitsministerium verbergen?
Es folgten etwa hundert Klagen von Maskenlieferanten, weil das Ministerium ihre Rechnungen nicht bezahlt hat. Allein an die Ernst & Young Law GmbH hat das Ministerium 42 Millionen Euro für Anwaltstätigkeiten bezahlt, um diese Klagen abzuwehren. Auch unter Karl Lauterbach bleibt das Ministerium intransparent und erklärte lapidar gegenüber der „Bild“-Zeitung: „Bisher sind rund 50 Vergleiche geschlossen worden. Zu den Vertragsdetails gibt das Bundesministerium für Gesundheit keine Auskunft.“ Warum, was will das Ministerium verbergen?
Geheimhaltung greift um sich. Geheimhaltung untergräbt die Dreiteilung der Gewalten. Geheimhaltung ist Gift für das Vertrauen in die demokratischen Institutionen. Geheimhaltung ist Wasser auf die Mühlen von Verschwörungsgläubigen und jenen, die den Staat verachten. Geheimhaltung ist außerdem eine arrogante Anmaßung von Regierungen gegenüber dem eigenen Volk, obwohl es in Artikel 20 des Grundgesetzes heißt, dass „alle Staatsgewalt vom Volke“ auszugehen hat: „Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Von Geheimhaltung durch die vollziehende Gewalt ist da keine Rede".
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15.07.2022 09:18
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Hat Fairness als Grundhaltung des Menschen ausgedient?
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Das fragt Dr. Alexandra Hildebrandt, freie Publizistin, Autorin und Nachhaltigkeitsexpertin, in ihrem Xing-Portal. Sie schreibt:
„Fairness ist ein ethisch-sittlicher Wert, der – wie Leistungsbereitschaft oder Teamgeist – dem Sport entstammt. Dieser verhält sich zum Alltag „wie das Heilige zum Profanen“, sagt der Philosoph Peter Sloterdijk: „Er bildet eine Modellwelt, in der sich alles, was man aus der Durchschnittswelt kennt, in einer höheren Verdichtung darstellt.“
Das meint auch der Unternehmer Matthias Krieger, wenn er von einem Brennglas spricht, unter dem sich zeigt, was Fairness ausmacht. Dazu gehört für ihn nicht nur, (un)geschriebene Regeln konsequent und bewusst einzuhalten, sondern auch „die anderen um mich herum als Menschen zu achten und zu respektieren – unabhängig davon, ob sie Gegner sind oder zum eigenen Team gehören.“ Fairness steht für eine Grundhaltung des Menschen: die unbedingte Achtung des Gegners und die Wahrung seiner körperlichen und seelischen Unversehrtheit.
In einer Gesellschaft wie der unsrigen versteht sich Fairness häufig nicht mehr von selbst.
Das Konkurrenzprinzip hat schärfere Züge erhalten, die Bereitschaft zur Gewalt hat zugenommen und die Ehrfurcht vor dem Leben nachgelassen. Deshalb muss Fairness wieder neu zum Bewusstsein gebracht werden. Vor allem junge Menschen möchte der Unternehmer Matthias Krieger durch sein Beispiel als ehemaliger Spitzensportler anregen, Sport zu treiben und nach Leistung zu streben, die mit einer ethischen Einstellung verbunden wird. In seinem Buch „Werte.
Das Fundament unserer Leistungskultur“ verweist er auf ein legendäres Beispiel für selbstlose Fairness: Unvergessen ist für ihn, wie sich Jan Ullrich (auch wenn sein Doping zu verurteilen ist) bei der Tour de France 2003 verhalten hat, als zehn Kilometer vor dem Ziel der 15. Etappe sein Hauptkonkurrent Lance Armstrong stürzte: „Jan Ullrich lag zu diesem Zeitpunkt nur insgesamt 15 Sekunden hinter Lance Armstrong. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, den Gestürzten einfach zu überholen und sich selbst an die Spitze zu setzen und damit seine Chancen auf den Gesamtsieg der Tour zu erhöhen. Stattdessen drosselte er das Tempo und wartete, bis Armstrong wieder aufgeschlossen hatte. Dieser gewann anschließend die Etappe und baute seinen Vorsprung auf Jan Ullrich auf 67 Sekunden aus. Jan Ullrich wurde für sein faires Verhalten von Fans und Presse gefeiert und mit der Fair-Play-Plakette der Deutschen Olympischen Gesellschaft ausgezeichnet.“ Der Presse sagte er später, dass sein Verhalten für ihn „ganz normal“ gewesen sei.
Noch ein anderes Beispiel: Bei der Weltmeisterschaft 2005 in Shanghai korrigierte der deutsche Tischtennisspieler Timo Boll im Achtelfinale gegen den Chinesen Liu Guozheng beim Stand von 13:12 im entscheidenden siebten Satz eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters zu seinen Ungunsten, als er einen Kantenball seines Gegners anzeigte und damit den Schiedsrichter überstimmte. Am Ende verlor Boll zwar das Match, gewann aber vor allem in China viele Sympathien. Für seine Fair-Play-Aktion erhielt er später den World Fair Play Award.
Im Unternehmenskontext gehört für Matthias Krieger zur Fairness und einem respektvollen Umgang in seinem Unternehmen Krieger + Schramm ebenso, dass „Gutes tun“ honoriert wird. Der Fokus ist nicht nur auf konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge gerichtet, sondern auch auf das, „was gut läuft und was wir mit vereinten Kräften stemmen.“ Um die aktuellen Herausforderungen zu meistern, braucht es eine Rückbesinnung auf dieses Thema in all seinen Ausprägungen, weil unsere Gesellschaft sonst zu zersplittern droht. Fairness hält sie im Innersten zusammen. Fairness ist ein ethisch-sittlicher Wert, der – wie Leistungsbereitschaft oder Teamgeist – dem Sport entstammt. Dieser verhält sich zum Alltag „wie das Heilige zum Profanen“, sagt der Philosoph Peter Sloterdijk: „Er bildet eine Modellwelt, in der sich alles, was man aus der Durchschnittswelt kennt, in einer höheren Verdichtung darstellt.“
Das meint auch der Unternehmer Matthias Krieger, wenn er von einem Brennglas spricht, unter dem sich zeigt, was Fairness ausmacht. Dazu gehört für ihn nicht nur, (un)geschriebene Regeln konsequent und bewusst einzuhalten, sondern auch „die anderen um mich herum als Menschen zu achten und zu respektieren – unabhängig davon, ob sie Gegner sind oder zum eigenen Team gehören.“ Fairness steht für eine Grundhaltung des Menschen: die unbedingte Achtung des Gegners und die Wahrung seiner körperlichen und seelischen Unversehrtheit.
In einer Gesellschaft wie der unsrigen versteht sich Fairness häufig nicht mehr von selbst.
Das Konkurrenzprinzip hat schärfere Züge erhalten, die Bereitschaft zur Gewalt hat zugenommen und die Ehrfurcht vor dem Leben nachgelassen. Deshalb muss Fairness wieder neu zum Bewusstsein gebracht werden. Vor allem junge Menschen möchte der Unternehmer Matthias Krieger durch sein Beispiel als ehemaliger Spitzensportler anregen, Sport zu treiben und nach Leistung zu streben, die mit einer ethischen Einstellung verbunden wird. In seinem Buch „Werte.
Das Fundament unserer Leistungskultur“ verweist er auf ein legendäres Beispiel für selbstlose Fairness: Unvergessen ist für ihn, wie sich Jan Ullrich (auch wenn sein Doping zu verurteilen ist) bei der Tour de France 2003 verhalten hat, als zehn Kilometer vor dem Ziel der 15. Etappe sein Hauptkonkurrent Lance Armstrong stürzte: „Jan Ullrich lag zu diesem Zeitpunkt nur insgesamt 15 Sekunden hinter Lance Armstrong. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, den Gestürzten einfach zu überholen und sich selbst an die Spitze zu setzen und damit seine Chancen auf den Gesamtsieg der Tour zu erhöhen. Stattdessen drosselte er das Tempo und wartete, bis Armstrong wieder aufgeschlossen hatte. Dieser gewann anschließend die Etappe und baute seinen Vorsprung auf Jan Ullrich auf 67 Sekunden aus. Jan Ullrich wurde für sein faires Verhalten von Fans und Presse gefeiert und mit der Fair-Play-Plakette der Deutschen Olympischen Gesellschaft ausgezeichnet.“ Der Presse sagte er später, dass sein Verhalten für ihn „ganz normal“ gewesen sei.
Noch ein anderes Beispiel: Bei der Weltmeisterschaft 2005 in Shanghai korrigierte der deutsche Tischtennisspieler Timo Boll im Achtelfinale gegen den Chinesen Liu Guozheng beim Stand von 13:12 im entscheidenden siebten Satz eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters zu seinen Ungunsten, als er einen Kantenball seines Gegners anzeigte und damit den Schiedsrichter überstimmte. Am Ende verlor Boll zwar das Match, gewann aber vor allem in China viele Sympathien. Für seine Fair-Play-Aktion erhielt er später den World Fair Play Award.
Im Unternehmenskontext gehört für Matthias Krieger zur Fairness und einem respektvollen Umgang in seinem Unternehmen Krieger + Schramm ebenso, dass „Gutes tun“ honoriert wird. Der Fokus ist nicht nur auf konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge gerichtet, sondern auch auf das, „was gut läuft und was wir mit vereinten Kräften stemmen.“ Um die aktuellen Herausforderungen zu meistern, braucht es eine Rückbesinnung auf dieses Thema in all seinen Ausprägungen, weil unsere Gesellschaft sonst zu zersplittern droht. Fairness hält sie im Innersten zusammen“.
Wesentliche Grundlagen und Klärungen dazu finden sich in dem Buch „Fairness. Der Schlüssel zu Kooperation und Vertrauen“ von Dr. Norbert Copray. Erhältlich als Print oder E-Book: "Das Buch "Fairness"
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14.06.2022 15:34
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Rupert Lay: Fehlt es ethischer Orientierung?
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Heute hat Rupert Lay Geburtstag. Rupert Lay begeht heute seinen 93sten Geburtstag und startet sein 94zigstes Lebensjahr. Er sagt zu mir „Ich lebe noch“. Und wie geht es ihm? „Wie es einem hochaltrigen Mann so geht“. Zeitdokumente sind neben seinen Büchern – nicht selten Bestseller – seine Videointerviews, so zu den Fragen: „Wie die Wahrheit erkannt wird“, „Vertrauen und Verantwortung im Kapitalismus“, „Was zum gelingenden Leben gehört“ – siehe "Videos mit Rupert Lay"
Sein letztes Buch „Über die Liebe zum Leben“ (Tredition 2018)
"Rupert Lays Vermächtnis"
gilt als Spitze seiner Publikationen. Rupert Lay war 1967 bis 1997 Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie. Ab 1967 auch psychotherapeutische Praxis sowie Coaching für Führungskräfte. 2000 Gründungsmitglied und Vorsitzender des Kuratoriums der gemeinnützigen Fairness-Stiftung 2000-2004; deren Ehrenvorsitzender 2004-2020. Ein „Leitstern ethischer Orientierung“ (managerseminare).
Das gebundene Buch können Sie bestellen beim Tredition-Verlag: "Was dem leben dient. Rupert Lay Lesebuch" "Was dem Leben dient"
Wir gratulieren herzlich!
Mehr über Rupert Lay: "Biographie Rupert Lay"
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25.05.2022 12:57
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"Die Grenzen des Wachstums" wird 50 - und hat ins Schwarze getroffen
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„Die Grenzen des Wachstums“ feiert 50. Geburtstag. Es zeigt sich: Die Studie ist besser als ihr Ruf. In der Kolumne „Gastwirtschaft“ der Frankfurter Rundschau von heute schreibt Norbert Nicoll:
„Vor 50 Jahren schlug eine Studie wie eine Bombe ein. Im März 1972 legte ein Team des Massachusetts Institute of Technology (MIT) die Untersuchung „The Limits to Growth“ vor. Die deutsche Fassung „Die Grenzen des Wachstums“ erschien im Mai 1972. Der Titel wurde, wie der „Der Spiegel“ bemerkte, zum „erfolgreichsten und einflussreichsten Umwelt-Buch nach der biblischen Schöpfungsgeschichte“.
Herzstück der Studie ist ein Computermodell („World3-Modell“). Dieses bildet die Wechselwirkungen zwischen fünf Größen ab: Bevölkerung, Industrialisierung, Unterernährung, Ausbeutung von Rohstoffen sowie Umweltzerstörung. Computer galten damals als hochmodern – klotzige Instrumente zweifellos, aber mit der Aura der Unfehlbarkeit.
Die „Grenzen des Wachstums“ modelliert zwölf Szenarien, die einen Zeitraum von 1900 bis 2100 abdecken. Das Basis-Szenario sieht einen Kollaps um das Jahr 2040 vor, der durch exponentielles Wachstum verursacht wird. Das Autorenteam unter der Leitung von Dennis Meadows betonte 1972, dass diese Entwicklung nicht zwangsläufig sei. Ein Wandel sei möglich, ein baldiges Umsteuern jedoch erforderlich.
Die „Grenzen des Wachstums“ wurde zu einem zentralen Bezugspunkt der Ökologiebewegung. Unzählige Umwelt-NGOs gründeten sich. Überall in Europa bildeten sich grüne Parteien, die die politischen Landschaften aufmischten und stark polarisierten.
Für Polarisierung sorgte die Studie auch selbst. Von Anfang an war sie hochumstritten. Das Werk sei alarmistisch, blind für Preise und unterschätze Innovationen, lautete die weitverbreitete Kritik.
50 Jahre später steht dennoch fest: Die Studie ist besser als ihr Ruf. Jüngere Forschungsarbeiten aus Australien und aus den USA bescheinigen dem MIT-Team gemessen an der damals mäßigen Datenlage gute Arbeit. Obwohl nicht perfekt, schlage sich das Basis-Szenario beim Datenabgleich respektabel, so der Tenor. Die Kollaps-Gefahr sei real. Mehr denn je sei Eile in Verzug, um unsere Wirtschaft nachhaltig umzubauen. Kleine kosmetische Korrekturen reichten nicht. Unfreiwillig fühlt man sich an das Bonmot von Erich Kästner (1899–1974) erinnert. Er meinte einst: „Es geht auf keinen Fall so weiter, wenn es so weitergeht.“ Recht hatte der Mann“.
Norbert Nicoll lehrt Nachhaltige Entwicklung an der UNI Duisburg-Essen. Er publizierte; „Adieu Wachstum! Das Ende einer Erfolgsgeschichte“.
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05.05.2022 11:28
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Erstmaliger Rassismusmonitor - Jeder Fünfte in Deutschland ist von Rassismus betroffen
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Erstmals hat die Regierung Rassismus in Deutschland in Zahlen gefasst: Fast alle nehmen ihn wahr, vor allem Minderheiten erleben ihn. Erschreckend ist die Zahl jener, die Rassismuskritik als »politische Korrektheit« abtun. Spiegel-Online berichtet heute:
„Vorurteile bei der Wohnungsvergabe, Beleidigungen im Job, einseitige Kontrollen durch die Polizei: Immer wieder berichten Menschen in Deutschland von rassistischen Erfahrungen, viele seien strukturell. Nun hat sich die Bundesregierung erstmals bemüht, konkrete Zahlen zusammentragen. Das Urteil des neuen »Rassismusmonitors« fällt ernüchternd aus: Demnach sind gut 90 Prozent der Menschen im Land der Meinung, dass Deutschland ein Rassismusproblem hat.
Die Auftaktstudie des »Rassismusmonitors«
wurde vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) erhoben. Das Zentrum wurde 2017 gegründet und wird durch den Bundeshaushalt gefördert. Die Studie soll von nun an regelmäßig erscheinen. Vor allem Jüngere sind sensibilisiert
Die Forschenden hatten neben einer repräsentativen Befragung der Bevölkerung im Alter ab 14 Jahren auch gezielt Angehörige von sechs »rassifizierten Minderheiten« in den Blick genommen: Schwarze Menschen, Muslime, Asiaten, Sinti und Roma, Juden und Osteuropäer. Die Befragten konnten sich dabei sowohl selbst einer dieser Gruppen zuordnen als auch angeben, ob sie von Außenstehenden einer dieser Gruppen zugeordnet werden.
Das macht mich stark!
45 Prozent der Menschen in Deutschland haben laut der Studie schon einmal rassistische Vorfälle beobachtet. Mehr als ein Fünftel der Bevölkerung (etwa 22 Prozent) gibt an, selbst schon von Rassismus betroffen gewesen zu sein. Laut Studie berichten junge Menschen häufiger von direkten Rassismuserfahrungen als Ältere. Das mag mit einem geschärften Problembewusstsein bei den Jüngeren, womöglich aber auch mit mehr Kontakten junger Betroffener zu Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft zusammenhängen.
Abwertung von Rassismuskritik
Unter den »rassifizierten Minderheiten« gaben insgesamt 58 Prozent an, schon einmal selbst Rassismus ausgesetzt gewesen zu sein, wobei der Wert bei den Angehörigen der sechs Minderheiten in der Altersgruppe zwischen 14 und 24 Jahren bei rund 73 Prozent lag, bei den über 65-Jährigen dagegen mit 24,2 Prozent deutlich niedriger.
Dass bestimmte ethnische Gruppen, beziehungsweise Völker intelligenter als andere sind, glauben laut Studie zwar lediglich neun Prozent der Bevölkerung. Der Aussage, dass gewisse ethnische Gruppen oder Völker »von Natur aus fleißiger sind als andere«, stimmte allerdings rund ein Drittel der Befragten zu.
»Rassismus« wird in der Studie definiert als eine Ideologie sowie als eine diskursive und soziale Praxis, in der Menschen aufgrund von äußerlichen Merkmalen in verschiedene Gruppen eingeteilt werden, denen per »Abstammung« verallgemeinerte, unveränderliche Eigenschaften zugeschrieben werden. »Ein wichtiger Schritt für Veränderung«
Die Forscher kommen zu dem Schluss, Rassismuskritik werde oft dadurch abgewehrt, dass Betroffenen eine Hypersensitivität unterstellt werde. Den Angaben zufolge ist ein Drittel der Bevölkerung der Auffassung, dass Menschen, die sich über Rassismus beschweren, »häufig zu empfindlich« seien. 11,6 Prozent der Befragten stimmten dieser Aussage voll und ganz zu, 21,5 Prozent stimmten ihr eher zu. Ganze 45 Prozent der Befragten hält Rassismuskritik zudem für eine Einschränkung der Meinungsfreiheit im Sinne »politischer Korrektheit«.
»Deutschland weiß um sein Rassismusproblem«, sagte Reem Alabadi-Radovan, Rassismusbeauftragte der Bundesregierung. »Die breite Erkenntnis ist eine gute Nachricht, denn sie ist ein wichtiger Schritt für Veränderung.« Jahrzehntelang sei Rassismus in Deutschland verschwiegen oder gar bestritten worden, das wirke bis heute nach.
Alabadi-Radovan kündigte an, rassistische Strukturen bei Behörden, in der Polizei und in der Arbeitswelt bekämpfen zu wollen. »Wir müssen gemeinsam die wehrhafte Demokratie sein, die den Nährboden von Rassismus austrocknet«, sagte die Staatsministerin“.
Gründer kämpfen mit rassistischen Erfahrungen
Deutschlands Start-up-Szene lebt zu einem beträchtlichen Teil von Unternehmern mit ausländischen Wurzeln. Doch im Umgang mit Behörden, Investoren und Banken klagen viele von ihnen über Diskriminierung. Anton Rainer schreibt ebenfalls heute in Spiegel-Online: „Wer in Deutschland eine Firma gründet, muss ohnehin nicht wenige Hürden überwinden. Zwischen Behördengängen und Finanzierungsrunden, Förderungsanträgen und Bürokratie ist der Start in die Selbstständigkeit nur etwas für besonders leidgeprüfte Unternehmer. Für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gilt das jedoch besonders.
Unter den jungen Unternehmern und Unternehmerinnen, die im Ausland geboren wurden, hat jeder Dritte im Zuge der Gründung rassistische Erfahrungen gemacht. Bei denen, die in einem anderen Land studierten, liegt der Anteil sogar noch höher: 51 Prozent klagen über Diskriminierung bei Behörden und Ämtern, Banken und Investoren, Vermietern und Kooperationspartnern. Das ergab eine Auswertung des Bundesverbands Deutsche Start-ups und der Friedrich-Naumann-Stiftung, die dem SPIEGEL vorliegt.
Innovativer und besser ausgebildet
Auch Gründer, die in erster oder zweiter Generation in Deutschland aufgewachsen sind, sprechen über Vorurteile: Jeweils 32 Prozent und 17 Prozent erlebten laut Umfrage während der Gründung ihrer Firma Momente, in denen sie aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert wurden – die meisten eingewanderten Gründerinnen und Gründer stammen aus Osteuropa (23 Prozent) und Asien (14 Prozent). Einziger Lichtblick: Der Umgang und Austausch mit anderen Start-ups scheint die jungen Unternehmer und Unternehmerinnen seltener vor derartige Probleme zu stellen.
Für den Start-up-Standort Deutschland sind diese Zahlen enttäuschend, lebt er doch zu einem beträchtlichen Teil von der Innovation seiner Gründer, die ihre Wurzeln teils im Ausland haben. Ohne sie gäbe es hierzulande kein unabhängiges akademisches Netzwerk (ResearchGate), keine Lebensmittellieferungen in unter zehn Minuten (Gorillas) und keinen deutschen Impfstoff aus der mRNA-Forschung (Biontech). »Fehlende Offenheit gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund, deren mangelhafte Netzwerke und unsere Bürokratie sind ein Problem für den Standort Deutschland«, sagt Gesa Miczaika vom Start-up-Verband.
Unzureichende Finanzierung
Das liegt auch an der Bedeutung, die diese Firmen in Deutschland erreicht haben: Unternehmer und Unternehmerinnen mit Migrationserfahrung gründen 22 Prozent der deutschen Start-ups, mehr als die Hälfte von ihnen sind im Ausland geboren. Mit einem Akademikeranteil von 91 Prozent sind vor allem Letztere besonders gut ausgebildet, der Großteil hat einen Abschluss im Bereich Wirtschaft oder einem der begehrten MINT-Fächer.
Dennoch zeigt sich eine große Diskrepanz beim Wettstreit um Kapital: Nur ein Drittel der nach Deutschland eingewanderten Gründer konnte nach eigenen Angaben bisher auf staatliche Fördermittel zurückgreifen – das sind zehn Prozentpunkte weniger als im allgemeinen Durchschnitt. Ähnliche Unterschiede zeigen sich bei der Verteilung von Wagniskapital: Lediglich 15 Prozent der ausländischen Gründer haben bisher eine solche Finanzierung erhalten, gegenüber 20 Prozent im allgemeinen Start-up-Schnitt. Und das obwohl sie diese Form der Finanzierung häufiger anstreben".
mrc/dpa
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22.03.2022 08:54
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Es hilft nur ein faires und bedächtiges Miteinander
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Wir erleben gerade schmerzlich, dass viele Probleme und Krisen miteinander zusammenhängen. Langfristig hilft da nur eins: ein faires Miteinander aller auf der Welt, meint der Theatermacher und Autor Michael Herl in seiner heutigen Kolumne der Frankfurter Rundschau:
„Eigentlich lassen sich gerade nur wenige Gründe finden, morgens hoffnungsfroh aus den Federn zu hüpfen. Man muss schon ein pathologisches Verdrängungspotenzial an den Tag legen, um optimistisch in die Zukunft zu blicken. Krieg, düstere Corona-Aussichten, Energiekrise, Flüchtlingsbewegung, Versorgungsmangel, Klimawandel – dies alles müsste man ausblenden, um sich beispielsweise auf einen sorgenfreien Sommerurlaub zu freuen. Das ist nicht jedem gegeben.
Was hilft, ist helfen. Etwa durch Spenden. Doch erfahrungsgemäß lassen sich mit Geld nicht alle Probleme lösen. Vor allem nicht die eigenen, erst recht nicht die diffusen. Geld erhellt keine dunklen Wolken, und es vertreibt keine düsteren Gedanken, die des Nachts durch unser Hirn wabern und uns den Schlaf rauben. Doch was tun? Ist es sinnvoll, nach Gutem in dieser Situation zu schürfen? Oder wäre dies sogar höhnisch gegenüber jenen, die noch viel mehr darunter leiden? Die ihr Hab und Gut verloren haben, die um ihr Leben fürchten und das ihrer Liebsten? Oder ist es sogar notwendig, die Lage nüchtern zu betrachten und neben den Widers auch ein Für zu suchen? Oder dies wenigstens zu probieren? Vorab: Es gibt kein Für. Dennoch lohnt der Versuch einer Analyse.
Schon zu Beginn der Corona-Krise meinten kluge Menschen, es sei längst an der Zeit gewesen, dem überbordenden Wachstumswahn Einhalt zu gebieten. Das Immer-Weiter könne so nicht weitergehen. Innehalten sei überlebenswichtig, und wenn wir dies nicht von allein schafften, müssten wir halt dazu gezwungen werden. So kam es denn auch. Weite Teile der Welt standen weitgehend still. Und nun, auch wenn die Pandemie noch gar nicht vorüber ist, erleben wir eine Steigerung dieses Erkenntnisprozesses. Wir spüren drastisch, auf welch tönernen Füßen unser Wohlstand steht. Viele begreifen das erst, wenn das spottbillige Weißmehl fehlt, das wir früher nach Ladenschluss als „Altbrot“ auf den Müll warfen, und wenn der Liter Benzin bald fünf Mark kostet, wie es einst als grünes Horrorszenario postuliert wurde.
Signale wie Klimawandel, verdreckte Meere, wachsendes Arm-Reich-Gefälle und Ausbeutung der sogenannten „Dritten Welt“ reichten offensichtlich nicht aus, uns auf den Boden der Realität zu ringen und zu erkennen: Die Welt war schon eine Einheit, bevor wir den neokolonialistischen Begriff „Globalisierung“ erfanden. Wir erleben nun schmerzhaft, dass alle Probleme fein ziseliert zusammenklumpen. Wie auch das Wunder der Schöpfung bilden sie ein fatal-geniales Ganzes, sind durch vermeintlich winzigste Verbindungen miteinander verflochten, entwickeln sogar sukzessive eine eigene Dynamik. Blickt man da genau hin, könnte man glatt gläubig werden.
Eins der Rädchen, die da ineinandergreifen, uns in den Untergang zu zwingen, heißt Wladimir Putin. Doch er ist nur eines von vielen – die alle wir geschaffen haben. Nun müssen wir den Schaltplan erkennen und an den richtigen Stellen eingreifen, unsere Fehler zu revidieren. Dazu bedarf es womöglich gar einer temporären Aufrüstung – längerfristig aber hilft nur ein faires und bedächtiges Miteinander aller auf diesem Erdenball. Geschieht dies nicht, wird Putin nicht der letzte Aggressor gewesen sein. Da warten noch ganz andere Kaliber“.
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12.01.2022 11:46
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Ein Loblied auf informierende Personen
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Aus Südafrika meldet sich Johannes Dieterich, FR-Korrespondent aus und über Afrika. Er lobt Menschen, die als sogenannte Whistleblower Informationen mit Journalistinnen und Journalisten teilen. An Südafrika könne man erkennen, wie diese couragierte Aktivität Südafrika vor dem Absturz gerettet hat. Das nimmt Dieterich zum Aufhänger, um den Wert des Whistlewblowing für funktionierenden Journalismus und kritische Öffentlichkeit zugunsten der Demokratie zu zeigen. Er schreibt:
„Zur Abwechslung mal ein Loblied in eigener Sache – auf einen Berufsstand, der in den vergangenen Jahren ins Gerede gekommen ist. Man spricht von fake news, dem Niedergang des Journalismus, seiner Trivialisierung und seiner ökonomischen Drainage. Früher konnte ich noch mit einigem Stolz die Frage beantworten: „Und was machst Du im Leben?“ Heute beschämt sie mich eher.
Über den Zustand meiner Branche in Deutschland kann ich mir kein Urteil erlauben, den kriege ich seit einem Vierteljahrhundert nur noch aus weiter Ferne mit. Doch in Südafrika haben Journalistinnen und Journalisten in den vergangenen Jahren das Land, wenn nicht gerettet, so doch zumindest vor dem Totalabsturz bewahrt – mit immer neuen Enthüllungen über die Zersetzung des Staates durch das kriminelle Netzwerk des ehemaligen Präsidenten und prägenden Kopf der Partei African National Congress, Jacob Zuma, des State Capture, wie man hier sagt.
Vergangene Woche veröffentlichte die „Kommission zur Untersuchung des State Capture“ unter Richter Raymond Zondo den ersten Teil ihres Abschlussberichts, der allein mehr als 800 Seiten lang ist und nach vierjähriger Arbeit sowie der Anhörung von mehr als 300 Zeug:innen zustande kam.
Wer den gigantischen Prozess mitverfolgt hat, weiß, dass sein Fundament auf der Arbeit einiger weniger Dutzend an Journalist:innen beruht: Investigative Reporter:innen, die sich tage- und nächtelang durch vage Tipps, umstrittene Verdächtigungen und riesige Mengen an kopierten E-Mails gearbeitet hatten, um aus bloßen Hinweisen belastbare Beweise zu machen.
An dieser Stelle auch eine Verbeugung an die „Whistleblower“. Ohne diese Informant:innen, die zumindest noch über ein Fünkchen an Moral verfügen, wären selbst die spitzfindigsten Enthüllungsjournalistinnen und -journalisten aufgeschmissen gewesen.
Die Whistleblowerinnen und Whistleblower setzen meist ihren Job, oft ihre Gesundheit und nicht selten auch ihr Leben aufs Spiel. Zwei Informant wurden in Südafrika bereits umgebracht, andere flohen außer Landes, wieder andere leben physisch und psychisch angeschlagen am Rand der Gesellschaft.
Richter Raymond Zondo machte kein Geheimnis daraus, dass seine Untersuchung fast ausschließlich auf den Berichten der Whistleblower und der investigativen Journalistinnen und Journalisten basierte. Seine Kommission habe von der Arbeit der Reporterinnen und Reporter „enorm profitiert“, pries der Richter die recherchierende Zunft: „Ohne sie hätten wir von vielen schmutzigen Dingen gar nichts gewusst.“
Das war Balsam für die Ohren der Journalistinnen und Journalisten, die sich jahrelang die Schelte des Präsidenten anhören mussten: Zuma hatte für alles, was vom Kurs der Währung bis zum Wetter schlecht lief, die Medien verantwortlich gemacht.
Nun sind die Heldentaten einiger Dutzend Reporterinnen und Reporter keine Ehrenrettung eines ganzen Berufsstands. Ein Fünfsterne-Koch kann auch kein verpfuschtes Steak aus der Welt schaffen.
Doch sollten Sie sich das nächste Mal wieder grundsätzlich über die Journaille ärgern, denken Sie bitte kurz an meine südafrikanischen Kolleginnen und Kollegen. Ohne sie wäre das Kap der Guten Hoffnung heute ohne sein Prädikat“. Frankfurter Rundschau 10.1.22, S. 10. "Was ist Whistleblowing? Grundlagen und Ansätze" "Beratung und Hilfe beim Whistleblowing"
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15.09.2021 15:39
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Nach der Bundestagswahl 2021: Klimakrise bewältigen ohne Verbote?
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Peter Neher, Präsident der Caritas, plädiert dafür, kein Schindluder mit Verboten zu treiben. Man stelle sich eine Verkehrsordnung ohne Verbote vor oder beim Bauen die Abwesenheit von Bauvorschriften. Fair wird das für die finanziell und psychisch Schwächeren auf keinen Fall, sondern ein unfairer Dschungel zugunsten der Stärkeren und Unfairen. Daher meint Neher:
„Das große Tabuwort des Wahlkampfs zur Bundestagswahl 2021 ist „Verbote“. Wehe, Wähler oder Wählerin wittern hinter der Parteiprogrammatik die Absicht, irgendwas zu verbieten, dann hätten wir ihre Stimme verloren – so scheinen die meisten Kandidatinnen und Kandidaten zu denken. Sie winden und wenden sich, machen aus Verboten „ordnungspolitische Maßnahmen“ oder schließen sie regelrecht aus.
Diese Verbotsscheu bezieht sich zumeist auf die Klimapolitik, wohlbemerkt. In anderen Bereichen ist es offensichtlich nicht so verpönt, Verbote auszusprechen – CDU und SPD wollen verfassungsfeindliche Organisationen verbieten, die Union die Prostitution von Schwangeren, die FDP Operationen an intergeschlechtlichen Kindern. Aber wenn es ans klimafeindliche Konsumverhalten geht – Autofahren, Reisen, Heizen, Essen – ist Verbot ein Schimpfwort. Auch die Grünen nehmen das Wort zuletzt ungern in den Mund.
Verbote sind eigentlich selbstverständlich
Ich für meinen Teil freue mich, in einem Land zu leben, in dem Produkte und Handlungen verboten sind, welche mir und anderen schaden können. Es ist verboten, ohne Führerschein zu fahren und mittlerweile auch ohne Autogurt – lebensschützende Regeln. Dass es verboten ist, seine Kinder von der Schule fernzuhalten oder arbeiten zu lassen, finden wir selbstverständlich. All diese Verbote sind ein Ausdruck dafür, dass der Staat es mit dem Schutz und Wohl seiner Bürgerinnen und Bürger ernst meint. Auch die bisherige Bewältigung der Corona-Pandemie ging nur mit Ver- bzw. Geboten.
Warum sollte dieser Grundsatz nicht in der Klimapolitik gelten? Die Klimakrise sorgt – nicht mehr nur in fernen Ländern, wie dieser Sommer uns schmerzhaft vor Augen geführt hat – für Katastrophen, die Existenzen vernichten. Sie verringert die Lebenserwartung von Menschen. Sie beraubt künftige Generationen einer lebenswerten Zukunft. Und gerade die Ärmsten sind ihr ausgeliefert. Deshalb ist Klimaschutz ein Caritas-Thema – die anwaltschaftliche Arbeit im Namen der Schwächsten ist schließlich unser Metier.
Auch wenn es mich selbst trifft: Verbote müssen her
Ich will, dass der Staat seinen Teil dazu beiträgt, mich, künftige Generationen und gerade die Vulnerabelsten vor den Folgen der Klimakrise zu schützen. Ich will, dass er dafür alle Instrumente nutzt, die er zur Verfügung hat. Auch Verbote. Und zur Not auch Verbote von Sachen, die auf den ersten Blick praktisch oder preiswert sind; die Teil unseres Lebens sind; die die meisten Menschen genießen. So würde es sicherlich Sinn ergeben, dass Öl- und Gasheizungen verboten werden. Verbrennermotore bei Neuwagen. Die Intensivtierhaltung. Die Verbrennung von Kohle. Innerdeutsche Flüge.
Letzteres würde mich als jemanden, der (in Normalzeiten) oft zwischen Berlin und Freiburg, Hauptsitz der Caritas, unterwegs ist, vermutlich mehr treffen als andere Verbotsmaßnahmen. Trotzdem sag ich: Verbieten! Dann stellt sich für mich die Frage Flug oder Bahn nicht mehr.
An diesem Beispiel wird klar: Aus den Verboten entsteht für die Politik die Pflicht, dafür zu sorgen, dass es gute, erschwingliche klimafreundlichere Alternativen gibt. In diesem Fall: dass die Bahnverbindung Freiburg-Berlin perspektivisch weniger als sieben Stunden braucht, dass ich einigermaßen sicher sein kann, pünktlich ans Ziel zu kommen – und das zu einem vernünftigen Preis, wenn ich kein Vielfahrer bin.
Viele Menschen – ich wage sogar zu sagen, die meisten – wissen, was man im Interesse des Klimas tun und lassen sollte. Das reicht im Alltag aber nicht aus. Es braucht den passenden gesetzlichen, „ordnungspolitischen“ Rahmen – die Verbote und Gebote. Der Staat darf sich in einer so wichtigen Frage wie der Klimakrise nicht seiner Verantwortung entledigen, indem er alle Entscheidungen auf den Bürger und die Verbraucherin abwälzt.
„Verbote“ gegen „Freiheit“ auszuspielen, wie das getan wird, ist insofern verkehrt, als dass die Klimakrise längst unsere Freiheit einschränkt, unsere Gesundheit, unser ganzes Leben. Welche Freiheit hatten die Menschen, die in Sizilien zuletzt unter Temperaturen von 50 Grad wochenlang das Haus nicht verlassen konnten? Wie ist das an Ahr und Erft – mitten in Deutschland?
Die Politik scheint zu glauben, Wahlentscheidungen würden von Fragen wie diesen abhängen: „Welche Partei erlaubt mir, weiterhin mit 200 Stundenkilometern zu rasen?“ oder „Welche Partei stellt sicher, dass ich für 29 Euro nach Mallorca fliegen kann?“ Das zeugt von erstaunlich wenig Respekt vor der Wählerschaft. Ich auf jeden Fall traue den Menschen ein bisschen mehr Weitsicht zu und bin sicher, dass fundierte Verbote Akzeptanz finden. Vorausgesetzt, die Politik sorgt für den entsprechenden Rahmen und schenkt uns reinen Wein ein“.
erschienen in der Frankfurter Rundschau 13.9.2021, S. 10
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01.09.2021 09:12
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Psychologischer Reichtum kann gutes Leben bedeuten
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Tagtäglich fragen sich Menschen auf der ganzen Welt, was der Sinn des Lebens ist – oder wie sie glücklicher werden können. Eine Studie zeigt jetzt, dass die Antworten darauf nicht zwingend ein „gutes“ Leben ausmachen. Wichtig sei den Menschen auch psychologischer Reichtum. Darüber berichtet Heidi Becker vom RND. Anschließend das Summary der Autoren mit Link zur Originalstudie:
„Ein Leben lang ist der Mensch auf der Suche nach Glück oder dem Sinn des Lebens. Laut einer aktuellen Studie, die in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Psychological Review“ veröffentlicht wurde, sind das aber nicht unbedingt die Zutaten zu einem „guten“ Leben. Die Autoren der Studie und Sozialpsychologen Shige Oishi von der University of Virginia und Erin Westgate von der University of Florida haben herausgefunden, dass vielen Menschen ein „psychologisch reiches“ Leben ebenfalls wichtig ist.
Psychologischer Reichtum verdient mehr Aufmerksamkeit
Laut Shige Oishi und Erin Westgate besteht ein psychologisch reiches Leben aus ungewöhnlichen, vielfältigen und komplexen Erfahrungen, die einen Perspektivwechsel bieten. Das kann ein Umzug ins Ausland, ein Berufswechsel oder das Beschäftigen mit anspruchsvoller Kunst sein.
Diese Erfahrungen bedeuten vielen Menschen der Studie zufolge mehr als Glück oder Sinnhaftigkeit. „Im Gegensatz zu einem glücklichen oder sinnvollen Leben zeichnet sich ein psychologisch reiches Leben am meisten durch eine Vielzahl interessanter und perspektivenverändernder Erfahrungen aus“, schreiben die Forscher.
Psychologischer Reichtum verdient laut Oishi und Westgate daher viel mehr Aufmerksamkeit als Teil unseres Wohlbefindens – dies belegten auch verschiedene Umfragen und die Analyse früherer Studien.
Viele Menschen ziehen psychologischen Reichtum vor
In einer früheren Studie, in der 3728 Menschen aus neun Ländern befragt wurden, zeigte sich etwa, dass 16,8 Prozent der befragten Deutschen ein psychologisch reiches Leben dem glücklichen oder sinnhaften vorziehen würden. In Indien traf dies auf 16,1 Prozent der Befragten zu, und in Südkorea entschieden sich 15,8 Prozent der Befragten für psychologischen Reichtum.
Die Forschungsergebnisse zeigen außerdem, dass ein psychologisch reiches Leben nicht unbedingt angenehm sein muss, sondern der Wert tatsächlich darin liegt, verschiedene Perspektiven einnehmen zu können. Laut der Studie gilt dies nicht nur für wohlhabende, gebildete und demokratische Gesellschaften. Oishi und Westgate zufolge bietet ihre Forschung über den psychologischen Reichtum einen Ansatz, wie die Menschen ihr Leben optimieren können, um es für sie „besser“ zu machen“.
Im Summary der Studie von Shige Oishi und Erin Westgate und ihrem Team heißt es: „In der psychologischen Wissenschaft wird ein gutes Leben in der Regel entweder als hedonistisches oder eudämonistisches Wohlbefinden verstanden. Wir schlagen vor, dass psychologischer Reichtum ein weiterer, vernachlässigter Aspekt dessen ist, was die Menschen unter einem gutes Leben verstehen. Im Gegensatz zu einem glücklichen oder sinnvollen Leben ist ein psychologisch reiches Leben am besten durch eine Vielzahl von interessanten und perspektivenverändernden Erfahrungen aus. Wir präsentieren empirische Belege dafür, dass Glück, Sinn und psychologischer Reichtum verwandte, aber unterschiedliche und wünschenswerte Aspekte eines guten Lebens sind, mit einzigartigen Ursachen und Korrelaten. Dabei zeigen wir, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen auf der ganzen Welt angibt, sie würden ein psychologisch reiches Leben auf Kosten eines glücklichen oder sinnerfüllten Lebens wählen würden, und dass etwa ein Drittel sagt, dass die Rückgängigmachung des größten Bedauerns in ihrem Leben ihr Leben psychologisch reicher gemacht hätte.
Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass sich die Prädiktoren für ein psychisch reiches Leben von denen für ein glückliches Leben oder einem sinnerfüllten Leben unterscheiden, und berichten über Anhaltspunkte dafür, dass Menschen, die ein psychologisch reiches Leben führen, dazu neigen, neugieriger sind, ganzheitlicher denken und politisch liberaler eingestellt sind. Zusammengenommen führt uns diese Arbeit über die Dichotomie von hedonischem und eudaimonischem Wohlbefinden hinaus und legt die Grundlage für die Untersuchung von psychologischen Reichtums als einer weiteren Dimension eines guten Lebens“.
"Die Studie"
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28.08.2021 10:18
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Wie gerecht ist das 2G-Modell? – Ethikexperten geben Antworten
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>>Hamburg hat als erstes Bundesland optional das 2G-Modell beschlossen und sorgt damit für Diskussionen. Gastronomie, Clubs, Kneipen und Kultureinrichtungen in Hamburg können ihre Kapazitäten von Samstag an nahezu wieder vollständig nutzen und dabei entscheiden, ob sie nur Geimpften und Genesenen (2G) Zutritt gestatten. In dem Fall fallen fast alle Corona-Einschränkungen weg. Sie können aber auch nach dem 3G-Modell verfahren und auch negativ Getesteten - üblicherweise Ungeimpften – Eingang gewähren. Dann jedoch gelten die Corona-Auflagen. Wer nach dem 2G-Modell verfährt, behandelt Geimpfte und Ungeimpfte folglich unterschiedlich. Ist das unter ethischen Aspekten gerecht? Experten geben Antwort.
Philosoph warnt vor diskriminierendem Chaos
Der Bonner Philosoph Markus Gabriel warnt gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor einem „diskriminierenden Chaos”, solange Ausnahmeregelungen nicht geklärt seien. „Was ist mit Kindern, für die die Corona-Impfung noch nicht vorgesehen ist oder Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können? Wenn sie von Veranstaltungen ausgeschlossen werden, ist das moralisch verwerflich, ja sogar böse. Wenn man die Regel jedoch ab 18 Jahren ansetzt und nur für Menschen, bei denen keine medizinische Implikation gegen eine Impfung vorliegt, dann spricht aus ethischen Gründen nichts dagegen.” Für gerechter und moralischer als 2G würde er jedoch eine allgemeine Impfpflicht halten – wieder unter Berücksichtigung der genannten Ausnahmen.
Philosoph: Ungleichbehandlung nicht automatisch ungerecht
Der Mainzer Ethikprofessor Norbert W. Paul sagte gegenüber dem RND, aus ethischer Sicht sei es nicht ungewöhnlich, Ungleiches ungleich zu behandeln. Daher ergäbe sich aus dem 2G-Modell in Hamburg allein aus der Ungleichbehandlung keine Ungerechtigkeit. Man müsse jedoch auf einer anderen Ebene abwägen: „Stehen die Einschränkungen, die Ungeimpfte als Konsequenz ihrer freien Entscheidung tragen, beim 2G-Modell in einem ausgewogenen Verhältnis zur Vermeidung von Einschränkungen von Geimpften oder Genesenen?”
Pauls Ansicht nach ist das durchaus der Fall. „Einerseits geht von ungeimpften Personen ja nach wie vor ein höheres Übertragungsrisiko im Übrigen auch für Geimpfte aus, andererseits besteht ja die Alternative der Impfung.” Paul ist Vorsitzender des Ethik-Beirats für die Corona-Schutzimpfungen des Landes Rheinland-Pfalz.
Während der Philosoph Christoph Lütge das Impfen zwar als einen Bestandteil des Weges aus der Pandemie sieht, hält er der 2-G-Modell im Allgemeinen für „offensichtlich verfassungswidrig”. Eine solche Aushebelung von Grundrechten sei nicht verhältnismäßig.
Deutscher Ethikrat steht hinter dem 2G-Modell
Der Deutsche Ethikrat hält das Hamburger 2G-Optionsmodell nicht für eine Impfpflicht durch die Hintertür. „Eine Pflicht ist etwas, dem man sich nicht entziehen kann”, sagte die Ethikrat-Vorsitzende Alena Buyx dem Hörfunksender NDR Info. Das sei hier nicht der Fall. Stattdessen werde „Druck aufgebaut, um es attraktiver zu machen, sich und andere zu schützen”.<<
Nina May, 28.8.2021, für Redaktionsnetzwerk Deutschland RND
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27.01.2021 08:55
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Die Pandemie verschärft die soziale und ökonomische Ungleichheit
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Die Pandemie erweitert die Kluft zwischen Arm und Reich spürbar, so eine Studie der NGO Oxfam. Milliardäre stehen vielfach besser da als vorher. Thomas Magenheim-Hörmann fasste den Bericht von Oxfam für die Frankfurter Rundschau (25.1.21) wie folgt zusammen:
>>Die Corona-Pandemie verschärft die soziale Ungleichheit weltweit. Das ist das Ergebnis eines Berichts der Nothilfeorganisation Oxfam zur aktuellen Verteilung des Reichtums, den diese jedes Jahr um diese Zeit veröffentlicht. Die neue Version trägt den vielsagenden Titel „The Inequality Virus“, was übersetzt so viel heißt wie „das Ungleichheitsvirus“. Der Report gipfelt in der Aussage, dass die Superreichen dieser Erde ihre monetären Corona-Verluste an den Börsen mittlerweile mindestens wieder aufgeholt oder sogar weit überkompensiert haben. Ganz anders sehe es dagegen bei den Ärmeren aus. Es könne ein Jahrzehnt oder länger dauern, bis sie die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie überwunden hätten – falls sie dann noch lebten. Denn das Virus tötet vor allem Einkommensschwache.
So ist die Todesrate von Coronakranken laut Studie in einkommensschwachen Gegenden Großbritanniens doppelt so hoch wie in wohlhabenden. Wirtschaftlich drohe derzeit eine Verschärfung des Ungleichgewichts in fast allen Ländern der Erde gleichzeitig, was es seit über einem Jahrhundert nicht gegeben habe, heißt es in der Untersuchung.
Für den Bericht hat Oxfam knapp 300 Ökonominnen und Ökonomen aus 79 Ländern befragen lassen und die in Teilen auf Schätzungen beruhende Milliardärsliste des US-Magazins „Forbes“ sowie eine Hochrechnung der Weltbank ausgewertet.
87 Prozent der befragten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erwarten demnach in ihren Ländern eine Zunahme der Einkommensungleichheit. Das vorausgesetzt, sage die Weltbank voraus, dass weltweit 2030 mehr Menschen in Armut leben werden als vor Ausbruch der Pandemie.
Für die Reichsten sei die Coronakrise zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht schon vorbei, heißt es im Oxfam-Report. Er bezieht sich dabei auf die zehn reichsten Menschen der Welt, unter ihnen Amazon-Boss Jeff Bezos, Tesla-Gründer Elon Musk oder Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Diese rein männliche Zehnerriege habe ihr addiertes Vermögen von der Zeit vor der Pandemie bis Ende 2020 um gut 400 auf 920 Milliarden Euro gesteigert. Dabei muss man allerdings berücksichtigen, dass eine solche Rechnung vor allem die Entwicklung von Börsenkursen widerspiegelt. So hat der Onlinehändler Amazon wegen des Lockdowns in aller Welt zuletzt Geschäfte gemacht wie nie. In dieser Dimension haben nicht viele Konzerne von der Krise profitiert.
In Deutschland hat sich der Reichtum der Milliardäre ähnlich, wenn auch nicht so extrem entwickelt. Das liegt vor allem daran, dass die Superreichen hierzulande in eher traditionellen Branchen unterwegs sind. Die Zahl der Milliardärinnen und Milliardäre ist binnen Jahresfrist von 114 auf 116 gestiegen, das Gesamtvermögen von knapp 400 auf knapp 500 Milliarden Euro, so Oxfam. Für das durchschnittliche Jahresgehalt eines Dax-Chefs müsste eine durchschnittliche Pflegekraft rund 156 Jahre lang schuften.
Im Kontrast dazu erlebe die Welt nun die schlimmste Jobkrise seit über 90 Jahren mit Hunderten Millionen Menschen, die Arbeit und Einkommen verloren hätten, so Oxfam. Überproportional betroffen seien dabei Frauen, da sie besonders häufig in extrem von der Pandemie betroffenen Bereichen wie der Gastronomie arbeiten. Zudem stellten Frauen weltweit gut zwei Drittel aller Arbeitskräfte im Gesundheits- und Sozialwesen, wo sie oft schlecht bezahlt, auch ein größeres Risiko tragen, am Virus zu erkranken.
„Die tiefe Kluft zwischen Arm und Reich erweist sich als ebenso tödlich wie das Virus“, findet Tobias Hauschild von Oxfam Deutschland. Die Organisation plädiert angesichts dessen für eine Demokratisierung der Wirtschaft und eine Pandemiesteuer für Konzerne, die besonders von der Krise profitiert haben.<<
"Die Dokumentation von Oxfam zur wachsenden Ungleichheit" Siehe linke Spalte unter Downloads!
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12.01.2021 12:33
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Verleugnung und Verschwörungsideologie gehen bei Pandemien Hand in Hand
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Der amerikanische Medizinsoziologe Nicholas Christakis im Interview mit Frederik Jötten vom Redaktionsnetzwerk RND über Verleugnung der Gefahr als Wesenszug von Pandemien,über die Probleme der Rechten wie der Linken mit der Wahrheit – und die Gründe, warum Corona nicht das Ende aller Partys ist (am 12.2.2021):
>>Mr. Christakis, Sie haben neulich getwittert, dass wir mit Covid-19 Glück gehabt haben – warum?
Wir haben nicht Glück, dass es diese Krankheit gibt – wir haben Glück, weil sie so viel schlimmer hätte sein können. Bei Sars-1 starben 2003 10 Prozent der Menschen, die sich angesteckt hatten, bei Mers 2015 sogar 30 Prozent – das waren beides ebenfalls Coronaviren.
Viele Menschen im jungen und mittleren Alter erscheinen denn auch recht unbesorgt, sich anzustecken.
Wenn man sehr jung ist, ist die Wahrscheinlichkeit zu sterben sehr gering. In den 20ern hat man ein Risiko von 1:3000, im mittleren Alter von circa einem Prozent – und ab 75 besteht schon eine 20-prozentige Gefahr. Als Vater bin ich froh, dass meine Kinder nicht gefährdet sind.
Wie alt sind die?
Meine Frau und ich haben Kinder von 28 bis zehn Jahren, denn wir haben einen zehnjährigen Jungen adoptiert. Ich bin erleichtert, dass ich mir keine großen Sorgen um meine Kinder machen muss. Bei anderen Infektionskrankheiten erwischt es ja eher die Jungen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass meine Kinder im kommenden Jahr sterben, ist ohnehin gering. Wenn sie sich dagegen mit dem Corona-Virus infizieren, wird ihr Risiko zu sterben, trotzdem über ihrem herkömmlichen Risiko liegen. Die meisten Eltern fürchten sich vor sehr unwahrscheinlichen Gefahren für ihre Kinder – aber bevor wir uns sorgen, dass sie gekidnappt werden oder ertrinken könnten, sollten wir uns eher um Covid-19 Gedanken machen.
Vielen Menschen ist die Gefahr des Virus nicht bewusst.
Für Menschen im mittleren Alter ist die Gefahr sogar wesentlich höher. Wenn man als 40-Jähriger mit Covid-19 ins Spital kommt, liegt das Risiko zu sterben bei 2 bis 4 Prozent. Das ist ungefähr so hoch wie bei einem 70-Jährigen, der in den USA mit einem Herzinfarkt in ein Krankenhaus kommt. Auch wenn die Krankheit absolut betrachtet nicht bedrohlich ist, relativ betrachtet ist sie das durchaus. Man möchte dieses Virus nicht haben – in keinem Alter.
Warum fällt es vielen Menschen so schwer zu akzeptieren, dass das Virus gefährlich ist?
Sars-Cov-2 ist sehr heimtückisch, denn es hat eine große Spannbreite in dem, was es uns antut – es kann uns einerseits schwer krank machen, uns als Behinderte zurücklassen oder gar töten. Andererseits gibt es auch Infizierte, die milde oder gar keine Symptome haben. Wenn ein Mensch daran stirbt, wird seiner Umgebung die Gefahr bewusst. Aber es ist viel wahrscheinlicher, dass Bekannte eine Infektion sehr gut überstehen. Und so denken die Menschen in der Umgebung vielleicht – das ist harmlos. Aber das ist die falsche Schlussfolgerung. Die aktuelle Pandemie wird wahrscheinlich der zweitschlimmste Ausbruch eines Atemwegserregers nach der Spanischen Grippe 1918 sein.
Wir erleben in Europa immer stärkeren Widerstand von Menschen, die die Existenz des Virus verleugnen – keine Überraschung für Sie, wenn ich Ihr Buch richtig lese?
Infektionen verbreiten sich durch soziale Netzwerke – und die Lügen und Verleugnungen folgen ihnen direkt nach. Sie sind fester Bestandteil von Epidemien. Das ist sehr menschlich – viele Menschen wollen nicht akzeptieren, dass es eine Gefahr durch eine Seuche gibt. Für sie ist es einfacher, mit einer Epidemie umzugehen, in dem sie diese verleugnen. Die Todeszahlen müssten alarmieren – doch die Menschen gehen Rodeln. Ideologische Festlegungen verhindern, dass Menschen die Wahrheit sehen.
Sehen Sie die Forschung geschwächt oder gestärkt durch die Pandemie?
Ich hoffe, dass die Menschen jetzt ein bisschen besser verstehen, dass es wichtig ist, der Wissenschaft zu vertrauen – zum Beispiel bei anderen globale Katastrophen wie dem Klimawandel. Er hat ja eine Menge mit der Pandemie gemeinsam. Ein wichtiger Unterschied ist der Zeithorizont. Wenn ein Forscher eine Vorhersage über den Verlauf der Pandemie macht, wissen wir in spätestens einem halben Jahr, ob sie falsch war. Beim Klimawandel ist die Spanne zwischen Prognose und dem Zeitpunkt, wann man das Ergebnis überprüfen kann, größer, uns fehlt das unmittelbare Feedback. Aber ich bin sicher, die Pandemie wird die Einstellung der Öffentlichkeit zur Wissenschaft bessern.
Allerdings konstatieren Sie in Ihrem Buch, dass es sowohl im rechten als auch im linken Lager Gegner der Wissenschaft gibt.
Sie haben beide Probleme mit der Wahrheit. Die Rechte mit dem Klimawandel, oder auch in der Pandemie. Etwa mit dieser Fantasie, dass Hydrochloroquin funktionieren könnte oder dass diese Pandemie lediglich so schlimm wie eine Grippe sei. Und bei der Linken dachte man wohl, wenn man für das Richtige demonstriert, also gegen die Polizeigewalt, dann wird das okay sein. Aber nein, dem Virus ist es natürlich vollkommen egal, für was man protestiert. Es verbreitet sich. Es gibt eine Menge ideologischer Festlegungen, die verhindern, dass Menschen die Wahrheit sehen – und viele Menschen haben sich eingeredet, dass die Realität ein soziales Konstrukt sei und dass man diese durch bloße Umdeutung ändern kann.
Konstruktivismus, wie er durchaus auch an geisteswissenschaftlichen Fakultäten gelehrt wird …
Ja, aber es ist komplett abstrus, diesen philosophischen Ansatz auf eine Pandemie anwenden zu wollen. Wir können das Virus nicht wegdekonstruieren, und wir können auch nicht einfach ein neues Narrativ erfinden, dass es nicht schlimm sei und es würde dem gehorchen und ungefährlich werden. Wir können darüber debattieren, wie fähig Menschen sind, die Wahrheit zu sehen. Und natürlich ist die Art, wie wir die Wahrheit sehen, abhängig davon, wer wir sind. Wissenschaftlerinnen mögen andere Dinge sehen als ihre männlichen Kollegen. Aber das ist etwas anderes, als zu sagen, dass es keine Wahrheit gibt. Die gibt es – und wir spüren sie auf bittere Weise jetzt. Die psychische und ökonomische Erholung wird ein paar Jahre dauern.
Vielleicht fällt es vielen einfach schwer, die Einschnitte ins Leben zu akzeptieren?
Wenn es einen Zeitpunkt gibt, an dem der Staat durchgreifen muss, dann während einer Pandemie. In einem freien Land sollte man mit seinem Körper tun und lassen können, was man will. Aber das hört da auf, wo dieses Verhalten andere betrifft. Wir regulieren die Geschwindigkeit auf der Straße nicht, um den Fahrer vor sich selbst zu schützen, sondern die anderen Verkehrsteilnehmer vor ihm. Das Gleiche gilt für ansteckende Krankheiten. Der Staat führt keine Maskenpflicht und keine Reisebeschränkungen ein, um Sie zu schützen, sondern andere – Sie sollten nicht die Infektion übertragen.
In Deutschland bestimmen die Bundesländer – vergleichbar mit den US-Bundesstaaten – weitgehend, welche Corona-Maßnahmen an einem Ort gelten. Ist es aus Ihrer Sicht richtig, dass dies auf regionaler Ebene entschieden wird?
In verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Corona-Regeln zu haben, ist, wie Menschen in einem Schwimmbecken zu erlauben, in einer Ecke urinieren zu können – und dann zu hoffen, dass sich der Urin nicht ausbreitet. Ein Virus hält sich nicht an Grenzen. Wenn ein Bundesland strikt ist und ein anderes nicht, ist das keine gute Strategie. Je mehr Menschen mitmachen, umso besser. Wir sind nicht am Beginn des Endes der Pandemie, wir sind einfach am Ende des Pandemieanfangs.
Warum so pessimistisch? Die Impfstoffe sind doch auf dem besten Weg.
Die Neuigkeiten aus der Impfforschung sind großartig. Wir haben unglaubliches Glück – unsere Pandemie tötet nur ein Prozent der Infizierten und wir haben die Möglichkeit, Impfungen zu entwickeln, die sie stoppt. Und wir können diese auch noch sehr schnell entwickeln. Rund ein Jahr nachdem dieser Erreger auf uns Menschen übergesprungen ist, werden wir uns dagegen impfen können – das ist unglaublich. Ich sage nur: In dem Moment, in dem die Vakzine zugelassen sind, ist die Pandemie noch nicht vorbei.
Aber ihr Ende ist doch dann absehbar?
Wir müssen uns dann aber immer von den psychischen und ökonomischen Folgen erholen – das wird ein paar weitere Jahre dauern. Die Menschen werden nicht plötzlich alle wieder in Restaurants und Flughäfen zurückkehren. Nur weil ein Teil der Bevölkerung geimpft sein wird, heißt das nicht, dass das Virus weg sein wird. Dieses Virus wird niemals ausgerottet werden. Es wird für immer bleiben.
Was verändert es gesellschaftlich?
Epidemien sind Zeiten der Trauer. Menschen sterben, andere verlieren ihre Lebensgrundlage, ihren Job, die Zeit, die sie sonst mit Freunden verbringen. Infektionskrankheiten treffen leider immer die Verletzlichsten der Gesellschaft am stärksten: die Kranken, die Armen, die Alten, die sozial Ausgegrenzten, die Minderheiten. Viele Menschen werden in der Not religiöser – es gibt keine Atheisten in Fuchsbauten, sagen wir. Heißt: Alle, die in Löchern sitzen, glauben plötzlich an Gott. Wie wir jetzt leben, fühlt sich unnatürlich an. Aber Seuchen sind nicht neu für unsere Art. Sie sind einfach neu für uns. Wir denken, es ist verrückt, was passiert, aber unsere Vorfahren hatten diese Erfahrung für Tausende von Jahren. Wir müssen uns einfach klarmachen – Menschen haben früher Epidemien erlebt und künftigen Generationen wird das auch wieder passieren. Jetzt ist eben unser Moment, diese unausweichliche Erfahrung menschlicher Existenz zu machen.
Wird das Virus unseren Lebensstil nachhaltig verändern?
Das ist natürlich schwer zu sagen, aber Pandemien ändern Gewohnheiten. In den USA war öffentliches Spucken früher sehr verbreitet. Aber um 1900 herum gab es Tuberkulose-Epidemien – und deshalb kam eine Bewegung auf, die das Spucken stoppen wollte. Aber sie kam nicht wirklich voran – bis dann 1918 die Spanische Grippe kam. Dadurch bekam die Bewegung richtig Schwung. Die Spucknäpfe verschwanden aus allen Restaurants und von allen öffentlichen Plätzen – und nach der Pandemie kamen sie niemals zurück. Und niemand wundert sich heute noch darüber, niemand denkt: Verrückt, dass es keine Spucknäpfe gibt.
Wie wird die jetzige Pandemie die Gesellschaft verändern?
Ich denke, der Handschlag könnte für immer verschwinden – viele Kulturen weltweit kommen ja schon ohne Berührung bei der Begrüßung aus. Geschäftsreisen werden stark abnehmen, verhandelt wird dann immer noch Angesicht zu Angesicht, aber viele Meetings werden einfach bei Zoom gemacht werden. Das Lehren an der Uni wird sich zu einem großen Teil ins Virtuelle verlagern. Von zu Hause aus zu arbeiten wird eher die Regel als die Ausnahme werden.
Werden unsere Nachfahren später auf uns schauen und sagen – bis 2020 haben die Menschen gefeiert, getanzt, getrunken und einfach so in die Gegend geatmet, verrückt, total unhygienisch? Mit andern Worten: Wird es wieder anständige Partys geben?
Natürlich, keine Sorge. In Zeiten von Pandemien fliehen die Menschen auch aus der Stadt – seit Tausenden von Jahren. Trotzdem würde ich nicht darauf wetten, dass Städte weniger attraktiv werden – sie werden zurückkommen genau wie die Partys. Nach der Spanischen Grippe kamen auch die wilden Zwanziger Jahre.<<
Zur Person: Bevor Nicholas Christakis, 58, ein „intellectual rockstar“ („New York Times“) wurde, kümmerte er sich um Sterbende. Als Arzt in einem Hospiz in Chicago betreute er Mitte der Neunziger todkranke Patienten. Diese Erfahrung prägt ihn bis heute. In seiner weiteren Karriere wurde der Sohn griechischer Einwanderer, der parallel zur Medizin Soziologie studierte, Professor für Medizin-Soziologie in Harvard. 2013 wechselte er nach Yale, wo er heute Sterling Professor ist, eine Auszeichnung, die die Yale University nur an Fakultätsmitglieder vergibt, die als die Besten ihres Fachs gelten – seine wissenschaftlichen Artikel wurden allein in den letzten fünf Jahren rund 30.000 Mal von Kollegen zitiert.
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28.12.2020 10:31
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Einen guten Start ins Neue Jahr 2021
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wünschen wir Ihnen mit Gesundheit, Lebensfreude, Mut und erfüllenden Begegnungen!
Über Fairness ist ein neues EXTRA erschienen mit Hartmut Meesmann im Gespräch mit Norbert Copray >>Unfair sind immer nur die anderen. Selbstkritik und Mitgefühl können helfen, das eigene Verhalten zu hinterfragen<<
Zur Ansicht, zur Inhaltsübersicht und zur Bestellmöglichkeit des Fairness-EXTRA:
"Fairness-EXTRA-Heft"
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18.08.2020 13:17
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Die Gegenseitigkeit von Integration
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In einem Gastbeitrag der Frankfurter Rundschau zeigt Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, dass wir Vielfalt als Chance begreifen müssen und Integration Gegenseitigkeit voraussetzt:
„Walid ist vor fünf Jahren nach Deutschland geflohen – ohne Deutschkenntnisse. Heute engagiert er sich als Dolmetscher, übersetzt vom Arabischen ins Deutsche. Lorin hat mittlerweile ihr Abitur gemacht und Ammar macht eine Ausbildung in der Gastronomie. Der Satz „Wir schaffen das“ von Kanzlerin Angela Merkel steht wie kein anderer für die Herausforderungen und Chancen des Jahres 2015 – aber auch für die Versäumnisse. Hunderttausende Schutzsuchende sind damals nach Deutschland geflüchtet. Seither ist viel passiert.
Die deutsche Gesellschaft ist ein Stück vielfältiger geworden, die staatlichen Strukturen und Sozialsysteme haben gut funktioniert und viele Beispiele zeigen, wie gut die Integration – aller Kritik zum Trotz – bisher funktioniert hat. Nicht vergessen aber dürfen wir auch den Höhenflug einer populistischen Partei, welche die Ängste von Menschen für sich zu nutzen wusste.
Die grundsätzlich positive Einschätzung hat nichts mit der rosaroten Brille zu tun, die uns als „Gutmenschen“ zugeschrieben wird, sondern speist sich aus den Erfahrungen der vielen Einrichtungen, Dienste, Beratungsstellen, ehrenamtlichen Helferkreise der Caritas, die tagtäglich mit der Realität, ihren Herausforderungen und Glücksmomenten konfrontiert sind. Dies ist nur wenigen bewusst.
Die Hochschule Macromedia in Hamburg hat kürzlich die Berichterstattung der Fernsehnachrichten, TV-Boulevardmagazine und überregionalen Tageszeitungen im Jahr 2019 zum Thema eingewanderte und geflüchtete Menschen ausgewertet. Sie fand heraus, dass Erfolge dort kaum eine Rolle spielen. Risiken – zum Beispiel Rechtsverstöße, Kosten, Angst vor Überfremdung – werden doppelt so häufig thematisiert wie die Chancen der Integration. Geflüchtete Menschen selbst kommen in den Beiträgen kaum zu Wort. Chancen sind aus dem Blick geraten. Prägend scheinen hingegen Ängste geworden zu sein, Sicherheitsbedenken oder das Gefühl, selbst vergessen zu werden. Geschichten wie die von Walid, Lorin und Ammar gehen unter. Obwohl in den vergangenen Monaten weitere Geschichten des Zusammenwachsens dazugekommen sind; zum Beispiel von Geflüchteten, die in Gelsenkirchen Mund-Nase-Masken für Einrichtungen der Altenhilfe genäht und Einkäufe für Risikopatienten getätigt haben.
Die Anstrengungen, die hinter jedem einzelnen dieser Schicksale liegen, sind enorm. Zahlreiche damals geflüchtete Menschen hatten nie eine Schule besucht, konnten nicht lesen und schreiben. Jetzt tun sie das in einer Fremdsprache. Viele von ihnen sind traumatisiert, müssen schreckliche Erfahrungen verarbeiten und sich gleichzeitig ein neues Leben in einem fremden Land aufbauen. Umso beeindruckender ist die Bilanz. Ist es dann vielleicht so, dass „sie“ es dank unglaublicher Anstrengungen geschafft haben, und nicht „wir“? Keinesfalls. Wer Integration so wahrnimmt, dass Menschen in eine bestehende Gesellschaft eingegliedert werden, missversteht den Prozess. Integration setzt Gegenseitigkeit voraus.
Wir, die schon immer oder lange hier leben, müssen dafür Vielfalt als eine Chance begreifen, auch wenn das dann und wann ziemlich herausfordernd sein kann. Anders gesagt: Die Geschichte einer motivierten jungen Frau aus Syrien wird nur dann zur Erfolgsgeschichte, wenn sie sich auf unsere (Arbeits-)Welt einlässt und ein Arbeitgeber sie als Auszubildende verpflichtet - trotz Kopftuch. Diese Bereitschaft, sich auf andere einzulassen, war und ist in Deutschland da. Wir vergessen das oft, weil die populistischen Stimmen, die das Gegenteil behaupten, überproportional laut sind. Viele, die sich haupt- oder ehrenamtlich für geflüchtete Menschen einsetzen, kennen es, als weltfremde Gutmenschen verunglimpft zu werden. Diese Stimmen vergiften unser Zusammenleben.
Wir haben vieles geschafft. Ist deswegen alles gut? Nein. Das würde bedeuten, dass all das, was 2015 begonnen hat, bereits ein Ende gefunden hat. Nach wie vor fängt für viele das Leben in Deutschland erst an. Immer noch ist die Zukunft für viele Menschen ungewiss, weil sie auf eine Entscheidung der Behörden warten oder auf Familienmitglieder, die noch auf der Flucht sind. Zudem bestehen die Fluchtursachen immer noch. Tausende Menschen harren in Flüchtlingslagern aus, etwa auf den griechischen Inseln, oder riskieren ihr Leben, um nach Europa zu gelangen, und würden doch liebend gerne in ihrer Heimat bleiben.
Eine europäische Migrationspolitik, die diesen Namen verdient, ist auch nach fünf Jahren nicht in Sicht. Wir können alle so oft wir wollen eine „europäische Lösung“ beschwören. Ich denke nicht, dass es sie auf absehbare Zeit geben wird. Das ist bitter – umso bitterer, wenn man sieht, welche Erfolge erzielt wurden. Ohne rosarote Brille“.
FR 18.8.2020, S. 10
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21.07.2020 12:37
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Schüler nach falscher Todesanzeige wegen Cybermobbings verurteilt
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"Morddrohungen, Links zu Pornoseiten, eine falsche Todesanzeige: Das Amtsgericht Nördlingen hat einen 15-Jährigen verurteilt, weil er seine Mitschüler online gemobbt hat.
Zuerst kamen Links zu Pornoseiten, dann Callcenter-Anrufe, dann Morddrohungen. Und schließlich schaltete er eine falsche Todesanzeige eines Mitschülers. Im schwäbisch-bayerischen Nördlingen ist ein Jugendlicher wegen dieser Taten zu einer Woche Dauerarrest und 120 Arbeitsstunden verurteilt worden. Das Jugendverfahren gegen den zur Tatzeit noch 14 Jahre alten Schüler wurde am Montag nicht öffentlich geführt.
Zusätzlich zum Dauerarrest und den Arbeitsstunden müsse der 15-Jährige einen Aufsatz über Cybermobbing aus Sicht der Opfer schreiben, sagte Amtsgerichtsdirektor Dieter Hubel. Der Text soll sich an dem Fall der kanadischen Schülerin Amanda Todd orientieren, wie die "Augsburger Allgemeine" berichtete. Sie hatte sich das Leben genommen, nachdem sie im Internet gemobbt worden war.
Der Schüler ist für eine ganze Mobbingserie gegen Jungen und Mädchen einer Nördlinger Schule verantwortlich. Ende 2019 wurden Drohmails verschickt und falsche Internetbestellungen auf die Namen der Opfer aufgegeben, wie auch die Polizei mitteilte.
Zwei Todesanzeigen, die der Beschuldigte noch aufgeben wollte, konnten von dem Zeitungsverlag zurückgehalten werden, eine erschien jedoch. Anschließend ermittelte die Kripo den damals 14-Jährigen als Urheber des Mobbings.
Vor Gericht sagte der junge Angeklagte aus, dass er sich seine Taten selbst nicht mehr erklären könne. Der Schulträger der Realschule hatte nach dem Bekanntwerden die Mobbingtaten als "Extremfall" bezeichnet. "Das ist ein einmaliger Fall, so was hatten wir noch nie", sagte damals Peter Kosak, der Direktor des Schulwerks der Diözese Augsburg. An den 42 Schulen des Schulwerks habe es so etwas noch nie gegeben.
Der Jugendliche hatte nach den Vorfällen die Schule gewechselt".
Spiegel Online mit kha/dpa, 21.7.2020
"Diverse Mobbingvarianten inkl. eigenem Abschnitt zu Cybermobbing"
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09.06.2020 10:06
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Deutlicher Anstieg der Anfragen zu rassistischer Diskriminierung
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Die Zahl der bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gemeldeten Diskriminierungsfälle ist erneut gestiegen. Das gilt insbesondere für rassistische Diskriminierung. Dies geht aus dem Jahresbericht 2019 hervor, den die Antidiskriminierungsstelle am Dienstag in Berlin vorgestellt hat.
Die Zahl der Beratungsanfragen zu Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft bzw. rassistischen Zuschreibungen stieg 2019 um knapp zehn Prozent auf 1176 Fälle oder 33 % aller Anfragen bei der unabhängigen Antidiskriminierungsstelle. Noch 2016 lag ihr Anteil bei nur 25 %. Insgesamt hat die Stelle im vergangenen Jahr in 3580 Fällen rechtliche Auskunft erteilt, Stellungnahmen eingeholt oder gütliche Einigungen vermittelt. Die Gesamtzahl der Beratungsanfragen ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 3,6 Prozent gestiegen (2018: 3455 Fälle).
Neben der Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verteilen sich die Anfragen auf die anderen im Allgemeinen Gleichbehandlungs-gesetz (AGG) geschützten Diskriminierungsmerkmale wie folgt: Zu Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts gingen 29 % der Beschwerden ein. Es folgen Diskriminierungen aufgrund einer Behinderung (26 %), des Lebensalters (12 %), der Religion (7 %), der sexuellen Identität (4 %) und der Weltanschauung (2 %). Der größte Anteil der berichteten Diskriminierungen geschieht im Arbeitsleben: 36 % der Anfragen bezogen sich 2019 auf Benachteiligungen im Beruf oder bei der Jobsuche. Am zweithäufigsten (26 %) ging es um Diskriminierung bei Alltagsgeschäften, also bei der Wohnungssuche, beim Einkauf, in der Gastronomie oder bei Versicherungs- und Bankgeschäften. Darüber hinaus gingen zahlreiche Anfragen zu Lebensbereichen ein, in denen das AGG nicht greift; dazu zählt auch staatliches Handeln.
„Deutschland hat ein anhaltendes Problem mit rassistischer Diskriminierung und unterstützt Betroffene nicht konsequent genug bei der Rechtsdurchsetzung“", sagte der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle, Bernhard Franke, bei der Vorstellung des Berichts. „Das Gefühl, mit einer Ungerechtigkeit alleine gelassen zu werden, hat auf Dauer fatale Folgen, die auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden. Diskriminierung zermürbt."
Die Antidiskriminierungsstelle fordert den Gesetzgeber in Bund und Ländern deshalb auf, die Rechtsstellung und die Hilfsangebote für Betroffene deutlich zu verbessern. Dabei geht es zum einen um eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und zum anderen um konsequenteres Vorgehen gegen Diskriminierung von Seiten der Länder. "„Eine AGG-Reform gehört dringend mit auf die Tagesordnung des Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rassismus und Rechtsextremismus. Nötig sind längere Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen, ein Auskunfts- und Klagerecht der Antidiskriminierungsstelle und ein Verbandsklagerecht. Denn wir werden gegen rassistischen Hass in seiner extremsten Form nicht erfolgreich vorgehen können, wenn wir die Diskriminierung im Alltag als nachrangig behandeln“", sagte Franke.
Auch der Schutz vor Diskriminierung bei staatlichem Handeln müsse eindeutiger gefasst und mit klaren Rechtsfolgen versehen werden. Hier seien vor allem die Länder gefragt.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sieht vor diesem Hintergrund in dem kürzlich in Berlin verabschiedeten Landesantidiskriminierungsgesetz, dem ersten seiner Art in der Bundesrepublik, einen wichtigen Schritt, der Betroffenen unter anderem auch bei Diskriminierung durch Polizeibeamte oder im Bildungsbereich Beschwerdewege und Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche eröffnet. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes spricht sich zudem für den Aufbau von Landes-Antidiskriminierungsstellen in allen Bundesländern aus. Bisher ist das nur in acht von 16 Ländern geschehen. Erst in diesem Frühjahr habe der Europarat Deutschland aufgefordert, ein stimmigeres System zur Unterstützung Betroffener zu schaffen. "„Die Stärkung des rechtlichen Diskriminierungsschutzes darf auch und gerade in der Krise nicht auf bessere Zeiten vertagt werden“", sagte Franke.
Seit dem Jahr 2019 veröffentlicht die Antidiskriminierungsstelle des Bundes Jahresberichte über ihre Tätigkeit. Diese ergänzen den umfassenden Bericht an den Bundestag , den die Stelle einmal in der Legislaturperiode gemeinsam mit den Beauftragten für Menschen mit Behinderungen und für Migration, Integration und Flüchtlinge sowie anderen zuständigen Beauftragten dem Parlament übermittelt.
"Download des Jahresberichts 2019"
"Die Beratungsstelle des Bundes teilweise mit vor Ort Beratung"
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02.06.2020 10:41
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700 Klimaaktivisten aus 27-EU-Staaten fordern Konsequenz für mehr Fairness im Klimawandel
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Aufruf von mehr als 700 Jugendklimaaktivistinnen und -aktivisten, Forschenden, Gewerkschaftern, Ökonomen, und vielen mehr aus allen 27 EU-Mitgliedsstaaten. Er erscheint zeitgleich in mehreren großen europäischen Tageszeitungen:
„Damit wir den Kampf um das Klima gewinnen können, fordern wir die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und die Staats- und Regierungschefs der EU auf, den klimatischen Ausnahmezustand anzuerkennen und glaubwürdige Lösungen zur Finanzierung eines echten Green Deal zu benennen. Diese Lösungen sollen ein Hauptpfeiler des von der Europäische Kommission angekündigten Konjunkturprogramms werden. Zu diesem Zweck schlagen wir drei Punkte vor, die unserer Meinung nach konsensfähig sind:
1. Um unseren Verbrauch an fossilen Brennstoffen drastisch zu reduzieren, beenden Sie alle Subventionen und Investitionen in fossile Brennstoffe. Das europäische Klimagesetz muss verhindern, dass EU-Staaten weiter fossile Brennstoffe subventionieren dürfen. Es muss auch garantieren, dass alle (privaten und öffentlichen) Banken und Versicherungen in der EU transparent über ihre Aktivitäten berichten und schrittweise die Investitionen in fossile Brennstoffe beenden. Im Jahr 2010 schloss das FATCA-Gesetz unter dem US-Präsidenten Barack Obama Banken, die den US-Steuerbehörden keine vollständige Transparenz gewährten, vom US-Markt aus. Ein ähnliches Gesetz brauchen wir zur Bekämpfung des Klimawandels, das den EU-Markt den Banken und Versicherungsunternehmen vorbehält, die ihre Investitionen so umschichten, dass sie die Klimakrise nicht verschärfen.
2. Die Europäische Zentralbank hat seit 2015 2,6 Billionen Euro in den Umlauf gebracht. Nur elf Prozent dieser kolossalen Summe sind in die Realwirtschaft geflossen, während der Großteil für Spekulationen verwendet wurde. Im Jahr 2020 wird die EZB neben den Hunderten von Milliarden, die sie zur Bewältigung der COVID-19-Krise zur Verfügung stellen wird, weitere 240 Milliarden in den Markt pumpen. Es ist wichtig, dass dieses Geld in Klima und Arbeitsplätze investiert wird. Diese Milliarden müssen eine Klima- und Biodiversitätsbank speisen, die jedem Mitgliedstaat zinslose Darlehen gewährt (bis zu zwei Prozent seines BIP pro Jahr über 30 Jahre, d.h. 300 Milliarden Euro).
3. Wenn jede Familie, jedes kleine Unternehmen und jede Region eine komplette Umstellung auf Klimaneutralität finanzieren soll, genügen zinslose Darlehen nicht, da die Rückzahlung begrenzt oder ungewiss ist. Um einen Katalysatoreffekt zu erzielen, müssen die Darlehen durch öffentliche Subventionen ergänzt werden. Der durchschnittliche Körperschaftssteuersatz in Europa ist in vierzig Jahren stark gesunken (von 45 auf 19 Prozent). Eine europäische Gewinnsteuer von fünf Prozent für große Unternehmen (abhängig vom CO2-Fußabdruck) würde zusammen mit anderen Eigenmitteln 100 Milliarden Euro pro Jahr für ein echtes EU-Budget für die Klima und Biodiversität einbringen. Diese zusätzlichen 100 Milliarden würden es uns ermöglichen, die Schwelle von 50 Prozent des europäischen Haushalts für Klimaschutz zu überschreiten und sowohl den öffentlichen als auch den privaten klimafreundlichen Wandel zu unterstützen.
Diese drei Lösungen würden genügend Geld bereitstellen, um einen sozial ausgewogenen Strukturwandel zu finanzieren. Sie würden es ermöglichen, durch den Green Deal der EU mehr als fünf Millionen Arbeitsplätze zu schaffen, das Leben von Millionen von Familien zu verbessern und Investitionen in die emissionsfreie Wirtschaft anzukurbeln. Die Europäische Union wurde mit Kohle und Stahl geprägt. Sie kann mit einem europäischen Pakt für Klima und Arbeitsplätze neu ausgerichtet werden“.
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22.05.2020 10:18
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Verschwörungsideologien und Verschwörungstheorien: Was sie antreibt - Fünf Faktoren
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Von Verschwörungstheorien zu sprechen oder zu schreiben, ist ein Widerspruch in sich. Der Begriff Theorie ist hier viel zu hochtrabend. Bei einer Theorie geht es im Allgemeinen um eine durch Denken gewonnene Erkenntnis. im Gegensatz zum Wissen, das durch Erfahrung gewonnenen wird. In der Wissenschaft bezeichnet Theorie abweichend ein System wissenschaftlich begründeter Aussagen, das dazu dient, Ausschnitte der Realität und die zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten zu erklären und vielleicht Prognosen über die Zukunft zu erstellen. In den geisteswissenschaftlichen Fachbereichen, wie etwa in der Philosophie (Wissenschaftstheorie) oder der Mathematik Theorie (Logik), wird der Begriff entsprechend enger gefasst.
Was gemeinhin Verschwörungstheorie genannt wird, ist in der Regel eine Verschwörungsideologie, die durch teils unabsichtliche, teils absichtliche Ausblendung von Realität zustanden kommt und Wissens- bzw. Erkenntnislücken mit Vermutungen zukleistert.
Verschwörungsideologien dienen zur Rechtfertigung und Bewertung eigener und fremder Handlungen, um zugleich gegenläufige Tatsachen und Erkennntismängel auszublenden. Insofern ist eine Verschwörungsideologie ein falsches Bewusstsein von fremder und eigener Realität, insbesondere in Bezug auf das eigenen Nichtwissen und Nichtwissenkönnen. Charakteristisch ist die Selbstimmunisierung der Ideologien. Durch kein Argument zu erschüttern - weil Kritik und anderer Standpunkt den Verschwörungsideologen immer schon als Beweis für die Verschwörung gilt und weil man als von der Verschwörung bereits vereinahmt oder als Teil von ihnen gilt. Das erinnert sehr an den spätmittelalterlichen Hexenwahn und die Auswüchse der Inquisition, die sich unangreifbar machten und Kritiker geleich als Hexen brandmarkten. Nicht von ungefähr haben Verschwörungsideologien eine Nähe zum Wahn und können sich in einen kollektiven Wahn steigern so wie etwa Deutsche vor mehr als hundert Jahr in Franzosen schlimmste Feinde sahen. Der Übergang von einer Verschwörungsideologie zu rassistischen und anderen Mordtaten ist unter Umständen leicht gegeben.
Eine Verschwörungsideologie ermöglicht es rechten, mitunter auch extrem linken Kreisen, demokratische Haltungen zu zerbröseln und tiefes Misstrauen in die Gesellschaft zu tragen. Darauf bauen sie ihren eigenen Weg auf – zuerst zur Stimmungsherrschaft, dann zur Meinungsherrschaft und schließlich zur institutionellen Herrschaft. Das zeigt die gegenwärtige Lage. Wer also Verschwörung brüllt und twittert, lenkt von seiner eigenen Absicht ab, so wie Biedermann von der eigenen Tätigkeit als Brandstifter.
Matthias Koch vom Redaktionsnetzwerk Deutschland analysiert den aktuellen Zustand von Verschwörungstheorien und schreibt:
„Warum bekommen Verschwörungstheorien in der Corona-Krise so viel Aufmerksamkeit? Wissenschaftler finden inzwischen übereinstimmende psychologische Muster, die dies erklären. Und sie deuten auf urzeitliche Programmierungen in tiefen Hirnregionen: Wenn Angst aufkommt, will die Herde einen Leithammel und eine einfache Lösung – und beides sofort. Moment mal. Ist der, der da gerade redet, eigentlich noch ganz richtig im Kopf? Häufiger denn je seit Beginn der Corona-Krise geht es nicht mehr nur um dieses oder jenes Detail, sondern auch um den allgemeinen Zustand derer, die sich gerade in die Debatten einschalten.
Der Fall des Vegankochs Attila Hildmann aus Berlin zum Beispiel lässt derzeit auch Experten grübeln. Der Mann hat Zehntausende von Fans im Internet, der Vegetarierbund Deutschland hat Hildmanns Buch “Vegan for Fun” einst als Kochbuch des Jahres ausgezeichnet.
Was hat es zu bedeuten, wenn eine solche in der Öffentlichkeit stehende Person verkündet, in Kürze werde in Deutschland die Demokratie abgeschafft – dies sei Teil einer neuen Weltordnung, geplant von düsteren Mächten? Muss ein solcher Mann nicht sogar psychiatrische Hilfe bekommen?
Ein “Corona-Rebell” landet in der Psychiatrie
Borwin Bandelow, 68, Psychiater und Neurologe, hat sich an der Universitätsklinik Göttingen in seinem langen Forscherleben Gelassenheit angewöhnt. “Einzelne abwegige Äußerungen sind noch lange kein Hinweis auf eine ernsthafte psychische Erkrankung”, sagt er. Bandelow hat viele Sachbücher geschrieben, vor allem über Angst, und als gelegentlicher Talkshowgast kennt er sich einigermaßen aus mit der modernen Medienszene. Oft seien Leute wie Hildmann getrieben von Narzissmus und Geltungssucht, sagt er. Viele wollten einfach nur auffallen, Klicks generieren, Follower finden in ihren sozialen Netzwerken.
“In Krisen reagieren wir noch immer steinzeitlich, wie Herdentiere“, sagt Borwin Bandelow, Psychiater und Neurologe an der Universität Göttingen. Hildmann allerdings ging jüngst noch einen bedenklichen Schritt weiter, indem er Gewalt in Aussicht stellte. “Gehe ich im Kampf für unsere Freiheit drauf, dann nur mit der Waffe in der Hand und erhobenen Hauptes”, schrieb er auf Facebook. Damit bewegte sich Hildmann genau in jene Grauzone hinein, in der Gerichte, wenn Anhaltspunkte für eine reale Gefahr hinzukommen, dann doch schon mal eine Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus anordnen können – wegen Fremdgefährdung.
Dem Kardiologen Thomas Binder, der in der Schweiz als “Corona-Rebell” zum bewaffneten Kampf aufrief (“liebe Bürger, raus, Waffe laden”), ist genau dies passiert. Nachdem die Behörden in seinem Haus eine Schusswaffe fanden, wurde seine Unterbringung in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie Königsfelden angeordnet.
Quer durch Europa ziehen sich derzeit immer mehr Menschen zurück in irgendein Wahngebäude. In Großbritannien etwa warnt der Astrophysiker Piers Corbyn, Bruder des langjährigen Labour-Chefs Jeremy Corbyn, vor einer “Gehirnwäsche”, die bald allen Briten bevorstehe, dabei werde das schnelle drahtlose Internet eingesetzt. An das Coronavirus glaubt Corbyn so wenig wie an den Klimawandel.
Auch immer mehr Deutsche driften ab. Die einen sehen im 5G-Netz eine Art Verstärker der Epidemie, andere wähnen Kinderblut trinkende Satanisten am Werk, wieder andere empfehlen, nur ja keine öffentlich-rechtlichen Sender zu sehen oder zu hören.
Von Woche zu Woche werden die Verschwörungstheoretiker immer lauter und aggressiver. Einer der ominösen “Spaziergänger” aus Gera brüllte vor laufenden Kameras einen 84-jährigen Rentner an: “Wenn du ARD und ZDF zuhörst, dann hast du praktisch die Kontrolle über dein Leben verloren.”
Rapper, Youtuber, Professoren: Viele reden wirr
Die Verdüsterung des Blicks erfasst alle Schichten. Nicht nur Deutschrapper und Youtuber im Schlabberhemd verbreiten krude Thesen von einer aufziehenden neuen Diktatur. Auch Schlipsträger aus akademischen Kreisen schrauben sich hohläugig hinein in Endzeittheorien: “Das hier IST 1933”, schrieb Stefan Homburg am 17.5.2020, Direktor des Instituts für öffentliche Finanzen an der Universität Hannover, diese Woche allen Ernstes auf Twitter: „ Das hier IST 1933. Damals gab es keinen Krieg und keine Lager. Es wurde erst die Demonstrations- und Meinungsfreiheit abgeschafft, dann das Rechts-, Presse- und Wissenschaftssystem gleichgeschaltet. Sechs Jahre später war man dann soweit“.
Was ist da los? Ein Viertel bis ein Drittel der Deutschen sei empfänglich für Verschwörungstheorien, sagt der Tübinger Kulturhistoriker Michael Butter, Koordinator des Projekts “Comparative Analysis of Conspiracy Theories”, an dem sich 160 Forscher aus 40 Staaten der Erde beteiligen.
Tatsächlich ließ sich das besagte Drittel in Umfragen immer wieder empirisch nachweisen – auch in den vergangenen Tagen.
“Ich glaube, dass Ereignisse, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben scheinen, oft das Ergebnis geheimer Aktivitäten sind” – dieser Aussage stimmten Mitte Mai bei einer Umfrage im Auftrag der Universität Osnabrück 31,9 Prozent von 1012 Befragten zu.
In den USA glaubt sogar fast jeder Zweite an die eine oder andere Verschwörungstheorie. Dabei wurden die Amerikaner im Jahr 2016, kurz vor der Trump-Wahl, durch einen frappierenden Vorfall vor den möglichen konkreten Gefahren von Verschwörungstheorien gewarnt: Nachdem im Internet das Gerücht in Umlauf gebracht wurde, die Pizzeria Comet Ping Pong in Washington sei in Wirklichkeit die Schaltzentrale eines von Hillary Clinton geleiteten Kinderpornorings, stürmte ein 28-Jähriger tatsächlich das Lokal mit einer Waffe in der Hand; er wurde von der Polizei überwältigt.
Fünf Faktoren beflügeln Verschwörungstheorien
Warum nehmen manche Menschen Verschwörungstheorien so ernst? Warum spitzen sie schon von Weitem die Ohren, wenn jemand wieder mal eine verkündet? Zu allen Zeiten und an allen Orten zeigten jene Menschen, die in besonderem Maße auf Verschwörungstheorien hören und an sie glauben, ähnliche Befindlichkeiten. Diverse Muster und Motive lassen sich mittlerweile nach Studien in Deutschland und in aller Welt vor die Klammer ziehen.
1. Sehnsucht nach Klarheit: Anhänger von Verschwörungstheorien hassen Uneindeutigkeiten aller Art. Der Umgang mit Ambivalenz ist ihnen ein Graus. Und so wird Klarheit flugs auch dort simuliert, wo es keine gibt. Obwohl zum Beispiel der genaue Ursprung des neuen Coronavirus noch immer unklar ist, äußerten in der in dieser Woche veröffentlichten Studie der Universität Osnabrück 38 Prozent der Befragten einfach schon mal die Überzeugung, es sei “im Labor entstanden”. Den Menschen, die mit Ungewissheit schlecht umgehen können, seien Verschwörungstheorien willkommen, sagt Julia Becker, Professorin für Sozialpsychologie in Osnabrück und Leiterin der Studie. Auf diese Art könnten sie ein Gefühl von Kontrolle und Gewissheit zurückerlangen.
2. Gefühl eigener Machtlosigkeit: Fühlt jemand sich sicher, glaubt er gar, selbst einigen Einfluss entfalten zu können auf die Dinge um sich herum, wird er sich für Verschwörungstheorien nicht sonderlich interessieren. Anhänger von Verschwörungstheorien sind ängstlicher und aufgeregter als andere und haben eine insgesamt düsterere Weltsicht. “Sie glauben, in einer bedrohlichen Welt zu leben”, sagt Psychologin Becker. Auch sei bei ihnen der Anteil derer höher, die an eine Anomie glauben, eine bereits vollzogene Beseitigung aller moralischen Maßstäbe in der Gesellschaft. Wie zum Ausgleich leisten sie sich eine egozentrische Grundhaltung, die aus ihrer Sicht auch auf Kosten anderer gehen darf.
3. Ausgrenzung eines Sündenbocks: Krisen aller Art lassen den Wunsch wachsen, einen Sündenbock dafür verantwortlich machen zu können. Im Mittelalter, etwa in Zeiten der Pest, warf man den Juden vor, Brunnen vergiftet zu haben. In diesem Frühjahr, viele Jahrhunderte später, schoss beispielsweise in Frankreich die Zahl von angezeigten antisemitischen Hasskommentaren bei Twitter während der Ausgangsbeschränkungen um 43 Prozent in die Höhe. Zu allen Zeiten half das “Othering”, wie es im Englischen heißt, die Zuordnung des Schlechten zu anderen, das Gemeinschaftsgefühl des eigenen Stamms zu stärken.
4. Sehnsucht nach einem Führer: Im Fall von Angst und Not schaltet das menschliche Hirn mitunter komplett um auf einen primitiven Überlebensmodus. “Dann wird ganz schnell ein Leithammel gesucht”, sagt Psychiatrieprofessor Bandelow, der viele Misshelligkeiten der heutigen Zeit, auch den Populismus, auf die schon in der Steinzeit angelegten ältesten Strukturen im menschlichen Hirn zurückführt. Alles Erlernte und Kulturelle sammele sich im präfrontalen Kortex, dem Stirnhirn. Wenn aber das tiefer liegende Steinzeithirn die Regie übernimmt, wird nicht nur das Denken eng. Auch die Pupillen ziehen sich zusammen, und der Blutdruck steigt. “In Krisen reagieren wir noch immer steinzeitlich, wie Herdentiere”, sagt Bandelow. “Wir wollen einen starken Anführer, und wir wollen einen einfachen Ausweg.” Dass die Politik sich in einer Viruskrise den richtigen Weg erst selbst ertasten müsse, sei vielen Menschen unerträglich. Doch es führe kein Weg daran vorbei, sich mit komplexen Lösungen zu befassen.
5. Krise der Männlichkeit: Viele Männer sehen sich, auch hier kommt die Stammesgeschichte ins Spiel, unter dem Druck, für alles eine ganz einfache Erklärung bieten zu können. Hinzu kommt neuerdings die weltweite Erosion der früher üblichen Dominanz des weißen alten Mannes. Dies bringe nicht alle, aber eben doch manche Männer dazu, nun besonders lautstark die eine oder andere Verschwörungstheorie zu verbreiten, sagt Hedwig Richter, Professorin für Neue und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München. Damit werde die weltweite Krise der Männlichkeit zu einem weiteren Faktor, der derzeit die Verbreitung von Verschwörungstheorien rund um die Erde antreibt: “Für manche Männer ist es sehr schwer zu akzeptieren, dass sie keine klaren Antworten geben können.”
Matthias Koch vom Redaktionsnetzwerk Deutschland am 22.5.2020 "RND zu Verschwörungstheorien"
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17.03.2020 13:51
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7 Gedanken in der Welt-Krise
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1. Gesellschaften und Erde waren schon immer verletzlich. Doch nun führt die über Jahrtausende angehäufte Mängel- und Eingriffsliste zu einer Summe, die selbst die Menschheit kaum noch schultern kann. Wer das bisher nicht wusste oder fühlte, war gut im Verdrängen, aber nicht in Umkehr und Veränderung. Der Klimawandel ist im Vergleich zur explosiven Corona-Pandemie eine langsame ‚Auszahlung‘ der angesammelten Schadpraxis des Menschen so wie der langsame Hautkrebs bei zu lange, über Jahre angesammelten Sonnenschäden.
2. Mein Grundvertrauen in eine verlässliche Realität ist (noch) nicht dahin. Wir fallen alle in Gottes Hand. Dazu muss man überhaupt erstmal fallen. Bislang trifft es nur sehr wenige, aber viel, viel mehr sind von Hunger, Durst, Elend, Krieg, Ebola, Malaria und Gruppe betroffen. Ist uns aber nicht so nah oder gut verdrängt. Die Realität war nie anders, nur der Realitätsglaube.
3. Katastrophisches Denken ist eher eine psychologische Sichtweise und sucht sich dann die Gründe bzw. konstruiert sich die Gründe dafür wie es Dystonien tun. Das Ende der Welt hat noch Zeit.
4. Wenn nur Ökonomie und Konkurrenz die Menschheit und die Gesellschaften zusammenhält – was ja in sich schon ein Widerspruch ist, dann gibt es nichts zu wundern, wenn im Krisenfall diese beiden Treiber nicht mehr tragen. Pushfaktoren sind keine Stabilisatoren.
5. Nach der Corona-Pandemie wird es sein wie vorher. Echte Lerneffekte der Gesellschaften sind sehr selten; selbst nach der Pest nicht, kaum nach Tschernobyl und Fukushima, nur wenige Jahrzehnte nach dem 2. Weltkrieg – wie wir heute an Nationalismen leicht erkennen. Menschheit lernt nicht, nur einzelne Menschen lernen und können sich ändern. Nicht nur die westliche Lebensweise ist in Frage gestellt, auch die chinesische, die indische, die iranische, die … usw.
6. Die Zeiten, in denen neoliberale Meinungsführer den Staat im Badewannenabfluss zum Verschwinden bringen wollten, sind endgültig vorbei. Das ist gut so. Allerdings auf der Kehrseite: Die Staaten finden zu keinem wirklichen Miteinander; das Gegeneinander geht leichter und wird von Wählern meistens belohnt. Bei Autokraten und Diktatoren belohnt oft der Rohstoffhandel (Russland, Saudi Arabien usw.).
7. Über die wirklichen Folgen der jetzigen Situation kann man nur spekulieren. Bringt aber nicht wirklich weiter. Was unterm Strich steht, können wir vielleicht in einem Jahr analysieren und bewerten. Bis dahin bleibt Hoffnung: nicht, dass alles wieder so wird wie vorher und immer, sondern dass aus Konkurrenz mehr Kooperation und aus Ökonomie mehr Ökologie wird.
"Unser gesamtes Wirtschaftsleben ist eine fragiles Konstrukt", sagte Angela Merkel am 11. März 2020
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17.01.2020 14:10
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Hessen geht voran – gegen Rassismus, Hass und Hetze
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Hier gibt es Hilfe bei Hass, Hetze, Rassismus und Antisemitismus. Vorbildlich wird Hessen aktiv gegen Extremismus, gegen extreme Äußerungen, Posts und andere Verhaltensweisen.
A. Hilfe für Betroffene durch Hass, Hetze und Extremismus
Die Hessische Landesregierung hat mit der Einrichtung eines Meldesystems für Online-Hetze einen zentralen Baustein des Aktionsprogramms #HESSENGEGENHETZE umgesetzt.
https://hessengegenhetze.de/hasskommentare-melden
Telefonhotline: 0611-35 39 977
Ziel ist es, Hasskommentare und extremistische Internetinhalte möglichst schnell zu erfassen, den Betroffenen eine unmittelbare und unkomplizierte Unterstützung zu gewährleisten sowie eine effiziente Strafverfolgung durch eine verbesserte Sicherung beweiserheblicher Daten in Gang zu setzen. Hessen setzt dabei auf ein vielschichtiges Meldesystem, das sich an verschiedene Absender mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen richtet. Kooperationspartner der Justiz leiten Hinweise ohne Umwege an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/M. - Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) - weiter. Für die zielgerichtete Erstattung von Strafanzeigen stehen den Bürgerinnen und Bürgern die örtlichen Polizeidienststellen zur Verfügung.
In Ergänzung zu bereits etablierten Zuständigkeiten und Meldewegen stellt das Land für Bürgerhotlines, Verwaltungsbehörden, Kommunen, Beratungsinstitutionen und für alle Bürgerinnen und Bürgern eine Plattform zur Verfügung, auf der auch unterschwellige Meldungen oder Hinweise zu Hetze oder extremistischen Inhalten entgegengenommen werden.
B. Beratung für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt
Response schreibt: „Wir unterstützen Menschen, die von rechtsextremer, rassistischer, antisemitischer, antimuslimischer oder antiziganistischer Gewalt betroffen sind.
Das Team von response. berät, vermittelt, informiert und begleitet Betroffene Angehörige und Freund*innen sowie Zeug*innen eines Angriffs.
Dabei ist es unwichtig, ob eine Anzeige erstattet wurde und die Vorfälle strafrechtlich verfolgt werden oder nicht. Unter Gewalt verstehen wir: Beleidigung und Beschimpfung, Stigmatisierung, Bedrohungen, Körperverletzung, Sachbeschädigung und andere Erfahrungen, die als gewalttätig erlebt werden.
Wir beraten unabhängig, vertraulich und auf Wunsch anonym. Das Angebot ist kostenfrei. Bei Bedarf vereinbaren wir einen persönlichen Termin“.
Adresse Frankfurt: response. Hansaallee 150, 60320 Frankfurt, Mo-Fr 10-17 Uhr, 069 / 56 000 241
[email protected]
Adresse Kassel: response. Kleine Rosenstraße 3, 34117 Kassel, Mo-Fr 10-17 Uhr, 0561/72989700
[email protected]
https://response-hessen.de/
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24.12.2019 11:35
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Einen guten Rutsch in ein faireres neues Jahr 2020
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Wir wünschen Ihnen einen guten Start ins Neue Jahr mit Gesundheit, Lebensfreude, Mut und erfüllenden Begegnungen!
Ab 3.1.2020 sind wir zur üblichen Freitag-Bürozeit bis 12 Uhr wieder erreichbar.
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05.11.2019 12:39
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Gibt's das: Fairplay in der Fußball-Bundesliga?
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„Nürnbergs Benedikt Willert wurde nach einem Fehler von Bochums Fans verhöhnt. Deren Keeper verteidigte den 18 Jahre alten Debütanten.
Bochums Torwart Manuel Riemann ist seinem unglücklichen Nürnberger Kollegen Benedikt Willert zur Seite gesprungen. Der 31-Jährige ging beim 3:1-Sieg des VfL im Zweitliga-Duell mit dem FCN am Montagabend in der Halbzeit zur Bochumer Fan-Tribüne in der Ostkurve und signalisierte dem Anhang mit dem vor den Mund gehaltenen Zeigefinger, mit den Schmähgesängen gegen den jungen Keeper aufzuhören.
"Ich fand es einfach nicht angebracht, den gegnerischen Torwart runterzumachen, weil er das nicht verdient hat", sagte Riemann später. Der 18 Jahre alte Profidebütant Willert war wegen eines Patzers beim 0:2 durch Simon Lorenz (40. Minute) mit Sprechchören wie "Fünfter Torwart, jeder weiß warum" verhöhnt worden. Willert kam zu seiner Liga-Premiere, weil die anderen vier Keeper des FCN wegen Verletzung oder Krankheit nicht zur Verfügung standen.
Riemann fand, sein Gegenüber habe "ein richtig gutes Spiel gemacht. Für mich war das kein Fehler von ihm. Es war kein einfacher Ball, der kam mit viel Schnitt zum Tor, ist vorher aufgesprungen und auch die Mauer ist auseinandergegangen". Riemann sagte zu seiner Fairplay-Geste: "Deswegen war es mir ein Anliegen, den Fans mitzuteilen, dass sie die Rufe doch bitte unterlassen sollen."“
dpa
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26.08.2019 09:20
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Fairness - damit die Seele wieder Tritt fasst
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Wir möchten Sie auf den diesjährigen Fairness-Thementag am 21.9.2019 im Haus am Dom in Frankfurt am Main aufmerksam machen und dazu einladen:
Fairness - damit die Seele wieder Tritt fasst
Wie gibt es Hoffnung für psychisch belastete und erkrankte Menschen? Wozu Genesung Teilhabe braucht
Fast jeder dritte Deutsche zwischen 18 und 65 Jahren leidet mindestens einmal pro Jahr unter einer psychischen Störung. Psychische Belastung ist für viele Menschen Alltag geworden. Doch Gesellschaft und Wirtschaft tun sich schwer, für psychisch belastete und erkrankte Menschen Wege zu bahnen und zu begleiten, die sie dabei unterstützen, die Situation zu überwinden.
Für die gesellschaftliche und arbeitsmäßige Integration und Inklusion fehlt es vor allem an Fairness. Fairness durch Überwinden der Vorurteile gegenüber psychisch erkrankten Menschen, Fairness durch menschenwürdige Ansprache und Begleitung, Fairness durch stärkende und ermutigende Rahmenbedingungen. Dazu gehört auch, durch Information und Reflexion die Angst vor psychisch erkrankten Menschen zu nehmen und zu Begegnung und Kommunikation zu motivieren.
Drei Fachfrauen werden vor dem Hintergrund ihrer eigenen Psychiatrieerfahrung dazu sprechen und am Nachmittag in Workshops anleiten.
Vormittag 9 Uhr In einer Gesprächsrunde auf dem Podium wird das Thema entfaltet von •Margret Osterfeld, Psychiaterin, Psychotherapeutin, derzeit mit einem Mandat bei den Vereinten Nationen in Bezug auf Psychiatrie und Menschenrechte tätig, psychiatrieerfahren •Claudia Mönius, Kulturwirtin M.A., Coach, psychiatrieerfahren •Christiana Wirtz, Historikerin, Journalistin, Redakteurin, psychiatrieerfahren Moderation: Dr. Norbert Copray, Fairness-Stiftung
Nachmittag: Workshops (WS) 14 Uhr WS 1: „Selbstbefähigung fördern. Wie man psychisch erkrankten Menschen helfen kann, wieder in der Gesellschaft Tritt zu fassen“ WS 2: „Der Pfad der Emotionen. Wie man zum Mut kommt“ WS 3. „Was es braucht, selbst wieder Tritt zu fassen. Das postkritische Leben“ WS 4: „Tritt fassen jenseits von Worten. Kunsttherapeutische Annäherungen“
Kooperation von Haus am Dom, Rhabanus Maurus-Akademie Bistum Limburg, Fairness-Stiftung und Leserinitiative Publik-Forum e.V.
"Anmeldung über das Ticket-System vom Haus am Dom www.hausamdom-frankfurt.de"
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07.08.2019 12:47
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Rechts braucht Aufklärung und Gegenargumente
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Hier gibt es Argumentationshilfen gegen rechte Vorurteile und Behauptungen.
"Immer die anderen? Ob im Betrieb, in der Kneipe oder bei Familienfeiern: Es wird gelästert, beleidigt, gemobbt und gelegentlich sogar geschlagen. Menschen anderer Religion, Hautfarbe, Nationalität, sexueller Orientierung oder anderen Geschlechts werden diskriminiert. Doch oft sind wir sprachlos. Wissen nicht, wie wir antworten sollen. Vor allem wenn der Fußballfreund oder die nette Tante ihre diskriminierenden Einstellungen zeigen. Entgegnen – überall Rassismus beschränkt sich nicht auf die rechte Szene. Er begegnet uns überall. Auch in Schule und Beruf. Und wir können überall etwas dagegen tun. Indem wir etwas dagegen sagen. Indem wir uns der Auseinandersetzung stellen. Überzeugte Rassist_innen oder Nazis werden ihre Meinung vielleicht nicht durch ein Gespräch ändern. Aber sie spüren den Gegenwind. Und du kannst Zuhörer gewinnen und begeistern. Für Solidarität und Gleichheit.
Das Schweigen brechen Hier findest du einige weit verbreitete diskriminierende und rassistische Vorurteile. Und Fakten und Argumente, mit denen du sie entkräften kannst. So kannst du diskriminierenden und fremdenfeindlichen Äußerungen den Boden entziehen:
Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg. Diese Einstellung ist leider weit verbreitet. Nicht nur bei Parteien wie der NPD. Auch im bürgerlichen Spektrum. Doch hier treffen sich Vorurteil und Unkenntnis.
Arbeitslose Ausländer sind selbst schuld, weil sie schlecht qualifiziert sind.Der faule, dumme Ausländer hält sich hartnäckig als Vorurteil. Die Sachlage scheint einfach. Ist sie das? Viele Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen, sind überdurchschnittlich gut ausgebildet. So stellte das Institut der deutschen Wirtschaft bspw. fest, dass 25 Prozent der eingewanderten Personen aus Rumänien und Bulgarien ein Studium abgeschlossen haben. Nur 19 Prozent der Deutschen können das von sich behaupten. Die Bundesagentur für Arbeit übergeht bei Weiterbildungsmaßnahmen viele Ausländer_innen, weil ihnen Bildungsferne und andere Vermittlungshemmnisse unterstellt werden. Dabei sind beispielsweise überdurchschnittlich viele Schüler_innen an Abendschulen Ausländer_innen.
Ausländer sind krimineller als Deutsche. — Verweise auf die Kriminalstatistik werden gerne angeführt. Sie scheint Sicherheit zu geben. Zur Rechtfertigung ausländerfeindlicher Einstellungen und Bemerkungen. Die Statistik lügt schließlich nicht. Oder?
Homosexualität finde ich krank. Den Menschen muss man doch helfen können. — Solchen Bemerkungen sind vermutlich schon einige von uns begegnet. Oft genug bleibt es nicht dabei: Häufig werden Menschen gleichgeschlechtlicher oder bisexueller Orientierung Opfer von Beleidigungen oder tätlicher Gewalt.
In der Demokratie haben alle das Recht, zu demonstrieren. Immer wieder versuchen Nazis mit solchen Sätzen, ihre Demonstrationen juristisch zu rechtfertigen. Aber auch engagierte Demokrat_innen kann eine mögliche Einschränkung der Meinungsfreiheit verunsichern. Das muss nicht sein.
Ausländer kommen nur nach Deutschland, um den Sozialstaat auszunutzen. — Es ist alarmierend: Fast 30 Prozent der Bevölkerung stimmen dieser Aussage zu. Das hat eine Studie der Friedrich-Ebert Stiftung aus 2014 ergeben.
Wenn man etwas gegen Rechtsextremismus tun will, muss man auch etwas gegen den Linksextremismus machen. Nicht nur geschulte Nazikader wollen mit diesen Worten bei Diskussionen Kritik von sich ablenken. Auch das konservative politische Lager verfällt auf ähnliche Argumente. Auch, um antifaschistische Initiativen zu diskreditieren.
Es muss auch einmal Schluss sein mit der ewigen Schuld Deutschlands an den Verbrechen des Nationalsozialismus. Nazis schweigen die Verbrechen des Nationalsozialismus tot. Oder leugnen sie. Aber auch die Mitte der Gesellschaft konfrontiert uns mit diesem Standpunkt. Oft begleitet von sehr emotionalen Diskussionen. Wichtig ist hier ein klarer Kopf. Durch offensives Nachfragen kannst du aus dieser großen These mehrere kleine herauskitzeln. Und die sind wesentlich leichter zu widerlegen. Also:
Deutschland und seine Kultur werden durch die vielen Ausländer in gefährlichem Maße überfremdet! Über 29 Prozent der Deutschen stimmen dieser Aussage laut einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2014 zu. Aber wer ist mit „den Ausländern“ gemeint? Eine Frauenquote kann auch nicht die Lösung sein.
Frauen in Führungspositionen erhitzen schnell die Gemüter. Geschlechtergerechtigkeit wollen viele, doch bei der Frage nach dem Mittel zum Zweck scheiden sich die Geiste."
Ausführlicher zu den Vorurteilen, Thesen und Behauptungen, die auch von Teilen der AFD, der CSU und anderer Parteien geteilt werden, finden sich unter:
https://www.aktiv-gegen-diskriminierung.info/argumentationshilfen
Auf dem Portal der Verdi-Jugend.
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09.01.2019 11:35
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Doxxing, Doxing, Sexting und Grooming: Unfaire Attacken im Cyberspace
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Ein neuer Begriff Doxxing, auch Doxing, macht von sich Reden. Im Gegensatz zu Leaks von Whistleblowern wie dem ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden geht es beim "Doxxing" (auch "Doxing" geschrieben) um personenbezogene Daten. Die Betroffenen sollen im Netz vorgeführt werden. Außerdem wollen die Täter einen Missbrauch der Daten ermöglichen. Doxxing, auch doxing, ist das internetbasierte Zusammentragen und anschließende Veröffentlichen personenbezogener Daten, zumeist mit bösartigen Absichten gegenüber den Betroffenen. Zum Teil geht damit auch die Identifikation von anonymen Personen einher. Die Gründe für das Doxing können unterschiedlicher Natur sein, darunter etwa Selbstjustiz, öffentliches Bloßstellen sowie Belästigung. Personen, die vom Doxing betroffen sind, sind oft Folgeattacken ausgesetzt, basierend auf den veröffentlichten Daten.
Beim "Doxxing" (von engl.: dox, Abkürzung für documents, dt.: Dokumente) werden möglichst viele private Informationen wie Kreditkartennummern, Scans von Ausweisdokumenten, vertrauliche Privatadressen oder Handynummern illegal abgefischt und dann online gestellt. In den USA spielt dabei auch die Sozialversicherungsnummer eine entscheidende Rolle, weil diese wiederum Tür und Tor für alle möglichen Betrugsattacken eröffnet. Wer die vertraulichen Dokumente und Informationen ins Netz gestellt hat, lässt sich im Regelfall nicht ermitteln. Im Web stehen etliche Dienste wie Pastebin, Box.com oder Megaupload zur Verfügung, die anonym oder mit einem Pseudonym genutzt werden können.
Es ist davon auszugehen, dass Doxxing stark zunehmen wird. Es gilt als probates Mittel des Angriffs nicht nur gegen unbeliebte Oppositionelle im politischen Raum, wo es gezielt eingesetzt wird, sondern auch im Rahmen von privatem Mobbing oder Stalking. Die Mehrheit der Doxxing-Fälle ist bislang eher privater Natur. Es geht gegen Menschen, die man nicht mag, die man ihre Meinung oder ihr Verhalten übelnimmt, oder Stars und Sternchen, denen man ihren Ruhm neidet. Im politischen Raum geht es vor allem gegen progressiv und feministisch denkende Menschen. Es dient der Einschüchterung und der Beschränkung der Meinungsfreiheit.
Zum Cyberspace gehört auch als Variante des Cyber-Mobbing das Sexting. Unter Sexting ist die private Verbreitung erotischen Bildmaterials vom eigenen Körper über Mobiltelefone, insbesondere Smartphones, zu verstehen. Das aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum stammende Verbundwort setzt sich aus Sex und texting (engl. etwa: „Kurzmitteilungen verschicken“) zusammen. Sexting erfolgt bei Teenagern und jungen Erwachsenen durch Fototausch. Häufig wird zur Verbreitung Snapchat benutzt, eine Instant-Messaging-Anwendung für Smartphones und Tablets. Die mit ihr verschickten Fotos sollen nur eine bestimmte Anzahl an Sekunden sichtbar sein und sich dann selbst zerstören. Es ist jedoch mit relativ einfachen Mitteln möglich, versendete Dateien innerhalb der Ordnerstruktur des genutzten Gerätes zu finden und wiederherzustellen.
Cyber-Grooming gehört zum Internet basierten Stalking und fällt damit unter unfaire Attacken jenseits lauterer Absicht. Mehr dazu unter "Cyber-Grooming als Variante von Stalking im Internetzeitalter"
https://www.fairness-stiftung.de/Shaming.htm" class="FSLinkorText">"Doxxing, Doxing als Cyber-Shaming" - Bloßstellen im Internet
https://www.fairness-stiftung.de/Shaming.htm
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04.01.2019 12:10
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Johannes Hans A. Nikel ist tot - wir trauern um ihn
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Dr. Johannes Hans A. Nikel, Gründungsmitglied unseres Kuratoriums, ist am 28.12.2018 mit 88 Jahren gestorben. Er war 15 Jahre, bis zu seinem 85. Geburtstag im Kuratorium eine inspirierende, zuversichtliche, engagierte und kritische Persönlichkeit. Er hat stets an die Notwendigkeit und das Wirken der Fairness-Stiftung geglaubt und ist durch sein eigenes Leben in den verschiedenen Phasen seines Wirkens für Fairness eingetreten.
Dr. Johannes Hans A. Nikel, geboren 1930, studierte Soziologie und Philosophie in Frankfurt am Main. Er war Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main. Nach journalistischer Ausbildung bei der "Süddeutschen Zeitung" wurde er 1949 Redakteur für Politik bzw. Kultur bei der "Frankfurter Rundschau"; er war auch Freier Mitarbeiter bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und dem "Hessischen Rundfunk". Er gründete den eigenen Verlag Bärmeier & Nikel sowie eine Druckerei. Er war Verleger und Herausgeber zahlreicher Bücher mit Autoren von Erich Kästner über Alexander Mitscherlich bis Gerhard Zwerenz.
Zusammen mit Hans Hermann Köper war er Initiator und Begründer der Kriegsdienstverweigerung in der Bundesrepublik Deutschland, und stellvertretender Bundesvorsitzender. Er sorgte für den Aufbau von Beratungsstellen und für die Öffentlichkeitsarbeit zum "Kampf dem Atomtod".
Er war Mitherausgeber und -inhaber der Verbraucherzeitschrift "DM", einem Vorläufer von kritischen Wirtschafts- und Verbraucherzeitschriften. Zusammen mit Erich Bärmeier konstituierte er die Deutsche-Verbraucher-Vereinigung; sie war Anstoß zur Gründung der Verbraucherzentralen und der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände.
1962 Gründung der literarisch-satirischen Zeitschrift "Pardon". Nikel war bis 1980 deren Verleger, Herausgeber und Chefredakteur (mit 320 Tsd. Verkauften Exemplaren in der Spitze), die er 1980 verkaufte. Goldmedaille des Art Directors Club.
Dr. Nikel war Jury-Mitglied und Präsident verschiedener Grafik- und Cartoon-Biennalen bzw. Ausstellungen. 1980 Aufnahme eines Philosophie- und Kunst-Studiums, 1983 Promotion über Meister Eckhart. Beginn der Arbeit als Künstler und Bildhauer. Es entstehen über 130 Bronzeskulpturen und -plastiken. 1998 große Ausstellung unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsident Hans Eichel und der Laudatio des Kultusministers unter Beteiligung zahlreicher prominenter Schriftsteller, Dichter, Philosophen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.
Dr. Johannes Hans A. Nikel hat die Medaille für den Deutschen Fairness Preis geschaffen, die durch die "Fairness-Stiftung" von 2001 bis 2015 verliehen wurde.
Die Fairness-Stiftung wird ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren. Wir verneigen uns vor einem großen Mann der deutschen Zeitgeschichte, der Geschichte geschrieben hat und der aus seinem rebellischen Geist für viele Aktionen, Ideen und Engagements geschöpft hat – nicht immer angenehm für die Betroffenen, aber häufig zugunsten von kulturellem, politischem, künstlerischem und sozialem Fortschritt.
"Die von Dr. Nikel geschaffene Medaille für den Deutschen Fairness Preis 2001 bis 2015"
"Nikels Kunstwerke in seiner eigenen Galerie"
"Dr. Nikel als Laudator und Kuratoriumsmitglied für Abgeordnetenwatch bei der Verleihung des Fairness-Initiativpreis 2010"
"Zu Leben und Werk von Dr. Johannes Hans A. Nikel"
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05.11.2018 11:47
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Was macht Menschen böse? Die dunkle Seite der Persönlichkeit
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Die dunkle Seite des Menschen hat viele Facetten. Psychologen aus Ulm, Landau und Kopenhagen haben nun gezeigt, dass Egoisten, Machiavellisten, Narzissten, Psychopathen und Sadisten mehr gemeinsam haben, als sie trennt. Den Forschern gelang es, viele dieser problematischen Persönlichkeitseigenschaften auf wenige grundlegende Prinzipien zurückzuführen: den „dark factor“ (D-Faktor) der Persönlichkeit. Veröffentlicht wurde die Studie in der international renommierten Fachzeitschrift Psychological Review.
„Kernbestandteil dieses dunklen Faktors der Persönlichkeit ist ein übertriebener Egoismus, der negative Auswirkungen auf andere oder die Gesellschaft im Allgemeinen hat. Dieser wird begleitet von Überzeugungen, die Schuldgefühle, Gewissensbisse und moralische Skrupel verhindern“, erklärt Professor Morten Moshagen. Der Leiter der Abteilung psychologische Forschungsmethoden an der Universität Ulm hat die Studie gemeinsam mit Professor Benjamin Hilbig von der Universität Koblenz-Landau und Professor Ingo Zettler von der Universität Kopenhagen durchgeführt.
Explizit sprechen die Wissenschaftler beim D-Faktor von einer extremen Form der individuellen Nutzenmaximierung, die sprichwörtlich über Leichen geht; also einen Schaden für andere bereitwillig in Kauf nimmt oder sogar absichtlich herbeiführt. Begleitet wird diese Tendenz von der Neigung, das eigene Verhalten vor sich selbst und anderen zu rechtfertigen.
Bei ihren Analysen haben die drei Wissenschaftler neun Persönlichkeitseigenschaften untersucht. Dazu zählen Egoismus, Gehässigkeit, Machiavellismus, moralische Enthemmung, Narzissmus, Psychopathie, Sadismus, Selbstbezogenheit und übertriebene Ansprüchlichkeit.
Die Forscher fanden dabei heraus, dass sich praktisch alle diese Eigenschaften auf den D-Faktor als dunklen Persönlichkeitskern zurückführen lassen. Praktisch bedeutet dies, dass beispielsweise Menschen mit einer hohen Narzissmus-Tendenz mit großer Wahrscheinlichkeit auch ausgeprägte machiavellistische und psychopatische Persönlichkeitszüge zeigen. „Außerdem ist bei Menschen mit einem starken D-Faktor statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit hoch, kriminell oder gewalttätig zu werden oder anderwärtig gegen soziale Regeln zu verstoßen“, so die Forscher.
In ihrer umfassenden, von der DFG geförderten Studie, die kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Psychological Review veröffentlicht wurde, haben die Psychologen mit dem D-Faktor ein Konzept etabliert, mit dessen Hilfe sich problematische Persönlichkeitszüge auf einen Nenner bringen lassen.
„Der D-Faktor ist ein guter Indikator für die Vorhersage von egoistischem und unehrlichem Verhalten und weitaus aussagekräftiger als es die spezifischeren Eigenschaften wie Narzissmus sind“, sagt der Kopenhagener Psychologe Ingo Zettler.
Für die vierteilige Untersuchung wurden insgesamt mehr als 2500 Personen befragt. Die Forscher haben dabei die Studienteilnehmer mit einem umfangreichen Fragenkatalog konfrontiert, um besondere Persönlichkeitszüge strukturiert erfassen zu können. Außerdem wurden Verhaltensexperimente durchgeführt wie das so genannte Diktatorspiel, bei dem die Teilnehmer Geld an sich selbst und unbekannte Mitspieler verteilen können. Die Ergebnisse dieses Spiels gelten als Maß für egoistisches beziehungsweise altruistisches Verhalten. In einem weiteren Verteilungsexperiment hatten die Probanden zudem die Gelegenheit, durch aktives Lügen zusätzlichen Profit zu machen. Der wissenschaftliche Sinn dieses Spiels: problematische Verhaltensweisen wie Unehrlichkeit zu erfassen.
Von besonders grundsätzlichem Interesse ist in den Augen der Forscher die Analogie zum „g Faktor“ – einem Konzept des berühmten britischen Intelligenzforschers und Psychologen Professor Charles Spearman. Dieser „general factor of intelligence“ erklärt, dass Menschen, die gute Ergebnisse in einer bestimmten Form von Intelligenztests zeigen, auch bei anderen Arten von Intelligenztests gut abschneiden. „Wie der g-Faktor ist der D-Faktor ein allgemeines Konzept, das verschiedene Ausprägungen haben kann“, erläutert Professor Benjamin Hilbig von der Universität Koblenz-Landau.
Dies heißt im Umkehrschluss, dass sich ein hoher Dark-Faktor in ganz verschiedenen problematischen Verhaltensweisen und Persönlichkeiten äußern kann. „Zugespitzt formuliert könnte man sagen, dass wenn ein Chef genüsslich seine Mitarbeiter herunterputzt, die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass er auch seine Geschäftspartner ausnutzt, Steuern hinterzieht oder seine Frau betrügt“, illustriert der Ulmer Psychologe Morten Moshagen.
Wer selbst herausfinden möchte, wie stark der eigene D-Faktor ausgeprägt ist, kann dies kostenlos über einen englischsprachigen Online-Fragebogen herausfinden, den die Wissenschaftler im Internet zur Verfügung stellen: "Der D-Faktor-Test"
Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Universität Ulm
contact for scientific information: Prof. Dr. Morten Moshagen – Universität Ulm E-Mail: [email protected]; Prof. Dr. Ingo Zettler – Universität Kopenhagen [email protected]; Prof. Dr. Benjamin E. Hilbig – Universität Koblenz-Landau [email protected];
original publication: Moshagen, M., Hilbig, B. E., Zettler, I.: The Dark Core of Personality. In: Psychological Review, Vol 125(5), Oct 2018, 656-688; "Der Original-Beitrag"
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20.09.2018 10:30
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Verletzlich - und doch fair?
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Viele wollen nicht wahrhaben, dass der Mensch verletzlich, verwundbar und zerbrechlich ist. Andere haben es leidvoll erfahren oder sehen die Verwundbarkeit an anderen inmitten einer Welt vermeintlicher Sieger und Gewinner.
Wie kann der verwundbare und verletzte Mensch fair bleiben? Ist das überhaupt wünschenswert oder eher selbstgefährdend? Welcher Fairness bedarf er selbst? Wie mit der eigenen und der Verwundbarkeit anderer umgehen? Was riskieren offene Menschen? Wie steht es um den Mut zur Verletzlichkeit?
Mit diesen Fragen befasste sich der diesjährige Thementag im Haus am Dom, Frankfurt am Main, am Samstag, de 22.9.2018
Am Vormittag standen Vorträge und Gesprächen im Zentrum von und mit
Dr. Jutta Czapski über Verletzlichkeit und Verwundbarkeit ausgehend von der Philosophie Emmanuel Levinas
Prof. Dr. Hildegund Keul über Das Wagnis der Verwundbarkeit theologische Aspekte
Anschließend ein Podiumsgespräch. Moderation: Dr. Norbert Copray
Am Nachmittag gab es ab 14 Uhr Workshops mit
Dr. Jutta Czapski zu: Verletzlichkeit und Verwundbarkeit in der Lyrik Paul Celans
Prof. Dr. Hildegund Keul zu: Andersmacht aus Verwundbarkeit – was das Christentum zu gesellschaftlichen Fragen beiträgt
Jutta Schmidt M.A.phil. zu: Verletzlichkeit und Mut – Fairness sensibel praktizieren
Dr. Ulrich Wiek: Zur Verwundbarkeit von Organisationen
Die Kooperationsveranstaltung der Fairness-Stiftung mit der Rabanus-Maurus-Akademie und der Leserinitiative Publik-Forum e.V. im Haus am Dom wurde von den Teilnehmern und Teilnehmerinnen als sehr wertvoll und sehr gelungen bezeichnet. Anhaltender Beifall drückte das aus.
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18.09.2018 12:25
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Online-Dating teilweise krass unfair - Tipps zur Kündigung
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Böse Überraschungen bei der Partnersuche mit Online Dating-Plattform. Parship, eDarling oder Elitepartner nutzen – zu welchem Preis? Rosemarie Ballmer, Top-Expertin für Online Partnersuche und erfolgreiche Liebesbeziehungen im deutschsprachigen Raum, kennt sich aus. Wie kommt man aus den Verträgen wieder raus, wie entgeht man der Gier der Plattformen und ihren unfairen AGBs (Allgemeine Geschäftsbedingungen)?
Ballmer schreibt: „Leider ist die Rechtslage zur Gültigkeit einer automatischen Vertragsverlängerung bei nicht rechtzeitiger Kündigung noch nicht in allen deutschsprachigen Ländern eindeutig geklärt. In der Schweiz beispielsweise wird eine automatische Verlängerung des Vertrages bei Online Partnervermittlungen in aller Regel als ungültig erachtet und es wird ein jederzeitiges Kündigungsrecht bejaht. In Deutschland ist diese Frage noch vom Bundesgerichtshof zu entscheiden, was noch einige Zeit dauern könnte.
Aber auch mit der Rechtslage in der Schweiz sind Sie noch nicht aus dem Schneider! Zwar wird, wie gesagt, von den Gerichten in der Regel eine automatische Vertragsverlängerung als ungültig erachtet und ein jederzeitiges Kündigungsrecht bei Online Partnervermittlungen geschützt. Allerdings müssen Sie dann die Leistungen, die Sie bis zur Kündigung bezogen haben, bezahlen. Es ist schon vorgekommen, dass eine Online Dating Plattform in einem solchen Fall für die automatische Auswertung des Persönlichkeitsprofils 59 Euro, für jede gesendete Nachricht 15 Euro und für jede gelesene Nachricht 35 Euro in Rechnung gestellt hat. Und das geht ins Geld! Ob das nun als eine Umgehung des Widerrufsrechts angesehen werden kann oder nicht, ist ebenfalls noch von höchster Stelle zu entscheiden.
Ich empfehle Ihnen, sich vor Vertragsschluss gut zu überlegen, für wie lange Sie sich gegenüber der Online Partnervermittlung vertraglich binden wollen. Die Durchsetzung eines jederzeitigen Kündigungsrechts kann, wie beschrieben, problematisch sein und könnte Sie einiges an Geld und Nerven kosten.
Da ich langjährige Erfahrung an einem Gericht habe, weiß ich eines mit Sicherheit: Sie wollen keinen Rechtsstreit vor Gericht ausfechten oder sich monatelang mit Anwälten auseinandersetzen! Wie Sie aus meinem Buch SIE SUCHT IHN wissen, empfehle ich Ihnen, eine 6-monatige Mitgliedschaft bei einer Online Partnervermittlung abzuschließen. Verlängern können Sie immer!
Der folgende Tipp bewahrt Sie zwar nicht davor, kurz in die AGB zu schauen, aber er schützt Sie garantiert davor, die Kündigungsfrist zu verpassen und in die Falle einer automatischen Vertragsverlängerung zu tappen: Kündigen Sie Ihre Mitgliedschaft sofort nach Vertragsschluss wieder auf Ende der vereinbarten 6-monatigen Laufzeit.
Schauen Sie sich die jeweiligen AGB zum Thema Kündigung genau an, denn sowohl Kündigungsfrist als auch Kündigungsform variieren bei den verschiedenen Anbietern. Sie finden die AGB bei Parship, eDarling und ElitePartner jeweils ganz unten auf der Startseite, bevor Sie sich einloggen. ElitePartner beispielsweise akzeptiert nur eine Kündigung per Fax oder Brief mit eigenhändiger Unterschrift. Sie kündigen bei Elite am besten mittels eingeschriebenem Brief mit Rückschein.
Halten Sie sich unbedingt an die von Ihrem Anbieter in den AGB bestimmte Kündigungsform. Wenn Sie diesen Trick anwenden, binden Sie sich nur für die von Ihnen abgeschlossene Vertragsdauer von 6 Monaten und laufen garantiert nicht in die Falle einer automatischen Vertragsverlängerung.
Wenn Ihr Vertrag bereits einige Zeit läuft, dann würde ich ihn in den nächsten Tagen sicherheitshalber auf Ende der Laufzeit kündigen. So gibt es für Sie kein böses Erwachen“, und Sie können sich unbeschwert der Suche nach einem Partner zuwenden.
"Rosemarie Ballmer zu Online Dating-Plattformen"
"Ballmers Buch "Sie such Ihn" mit Tipps"
"Kölner Stadtanzeiger zu Problemen mit Online Dating"
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05.04.2018 17:04
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230 € für ein Sklavenkind - Kakao und die (Un-) Fairness
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"230 Euro kostet ein Kind auf dem Schwarzmarkt in der Elfenbeinküste. Diese Investition lohnt sich für viele Kakaobauern, denn der Welthandelspreis für die beliebte Bohne ist dermaßen tief, dass die Bauern mit ehrlich bezahlten Arbeitskräften kaum überleben könnten. Also schicken sie ihre Kinder zur Ernte statt zur Schule, oder kaufen sich die kleinen Arbeiter auf dem Schwarzmarkt. Seit Miki Misrati 2010 und 2012 mit versteckter Kamera in der Elfenbeinküste und in Ghana gefilmt hat, ist einiges gegangen: Lange negierten die Verantwortlichen vom Staatssekretär bis zum Großhändler alle Probleme. Heute sind sie sich der Verbrechen bewusst, die rund um den Kakaohandel geschehen. Doch das Bewusstsein ist nicht genug, auf den Plantagen selbst hat sich kaum was getan. Laut einer Studie der Tulane University (USA) von 2015 arbeiten alleine in der Elfenbeinküste und Ghana (rund zwei Drittel des weltweiten Kakaos werden hier angebaut) über zwei Millionen Kinder auf Kakaoplantagen.
Welche Schokolade dürfen wir denn noch essen?
Die Publikumsfrage scheint allen Anwesenden nach den beiden Filmen auf der Zunge zu liegen. Thomas Braunschweig, er ist Verantwortlicher für Handelspolitik bei Public Eye, erklärt: „Bisher hat mich vor allem die Schokolade von Choba Choba überzeugt.“ Die Schokolade sei zwar teurer, dafür erhalten die Bauernfamilien einen bedeutend höheren Preis für ihren Kakao. Diese Wertsteigerung der Kakaobohne sei unumgänglich. Denn mindestens viermal mehr müssten die Kakaobauern verdienen, um zu überleben und somit auch ihre Kinder zur Schule schicken zu können.
2001 unterzeichneten u.a. die betroffenen Industrien das Harkin-Engel-Protokoll, womit sie sie sich zu einem Ende der Kinderarbeit in der Kakaoindustrie verpflichteten. Misratis Filme decken jedoch auf, dass die Versprechen der Großkonzerne nicht eingehalten wurden. Es fehlt noch heute an Transparenz, die Herkunft der Kakaobohnen ist selten nachvollziehbar und Plantagen werden unzureichend kontrolliert. Die Konzernverantwortlichen reden gerne von den – vermeintlich – großen Summen, die sie in Entwicklungsprojekte steckten. Doch ob ihr Tun die gewünschten Früchte trägt, wird selten analysiert. Also geben sich Großkonzerne unwissend oder stellen sich gar als Opfer dar.
Freiwilligkeit reicht nicht
Aus dem Gesehenen und Gehörten wird klar: Großkonzerne müssen in die Verantwortung genommen werden. Menschenrechte und Umweltschutz liegen nicht nur in der Verantwortung der Staaten, sondern auch der Industrie. Den scheinheiligen Ausreden der Großkonzerne dürfen wir keinen Glauben mehr schenken, es wichtig, gesetzliche Rahmen zu schaffen. Genau dies verlangt die Konzernverantwortungsinitiative", schreib der Schweizer Aufbruch.
Gegen die Konzern-Initiative polemisiert der Präsident und Sprecher der Swissholdings Felix R. Ehrat, nicht ganz uneigennützig, ist er doch General Counsel die Rechtsabteilung des Pharmakonzerns Novartis, in einem Interview mit der NZZ:
"Herr Ehrat, die Schweiz wird in absehbarer Zukunft über die Konzernverantwortungsinitiative abstimmen. Was spricht dagegen, dass Firmen stärker zur Rechenschaft gezogen werden sollen in Bezug auf ihre Aktivitäten im Ausland?
Ich habe kein Problem mit der grundsätzlichen Zielrichtung, und es entspricht auch meiner Meinung, dass sich Schweizer Unternehmen im Ausland so verhalten sollen, wie man das vernünftigerweise von ihnen erwarten kann und muss. Sie sollen die Gesetze und anwendbaren Regelwerke befolgen und möglicherweise auch mehr als nur das, je nachdem, wie der Regulierungsstandard in den einzelnen Ländern ist.
Dennoch sind Sie gegen die Initiative?
Ja, weil die Initiative den falschen Weg beschreiten will und bereits Erreichtes gefährdet. Ich arbeite für ein global tätiges Unternehmen und bin gleichzeitig tief verwurzelt in der Schweiz. Ich habe aber allmählich das Gefühl, dass wir uns in einem endlosen Abstimmungskampf befinden, bei dem es immer wieder um standortrelevante Themen geht. Wir beschäftigen uns mit der Masseneinwanderungsinitiative, deren parlamentarische Behandlung in der Endphase ist; der Urnengang zur Unternehmenssteuerreform naht; und jetzt noch die beginnende Auseinandersetzung um die Konzernverantwortungsinitiative. So entsteht Rechtsunsicherheit.
Allgemein stimmt das Schweizervolk aber doch wirtschaftsfreundlich ab. Ist das nicht auch ein Plus? Man hat viel Verständnis für liberale und unternehmensfreundliche Rahmenbedingungen.
Das ist so. Und oft kommt es für die Wirtschaft gut heraus, das haben wir bei Abstimmungen über den Mindestlohn, über zusätzliche Ferien oder die 1:12-Initiative gesehen. Aber man muss relativieren. Die 1:12-Initiative wurde mit einem Nein-Stimmen-Anteil von fast zwei Dritteln abgelehnt. Das ist für hiesige Verhältnisse wuchtig. Allerdings sieht jemand, der mit unserem System nicht so vertraut ist – und dazu gehören viele Ausländer, die in Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten von Schweizer Firmen tätig sind –, dass ein Drittel der abstimmenden Bevölkerung für einen Vorschlag votiert hat, dessen Umsetzung ein Riesenproblem gewesen wäre und zu Risiken für den Standort Schweiz geführt hätte. Es gibt, glaube ich, eine Wahrnehmung auf hoher Ebene, dass die Schweiz ein weniger berechenbares Land geworden ist. Die Konzernverantwortungsinitiative verstärkt diese schädliche Wahrnehmung.
Das Volksbegehren scheint aber doch ein Bedürfnis anzusprechen. Die Initianten haben nach eigenen Angaben 120 000 Unterschriften gesammelt.
Die Initiative ist geschickt gemacht. «Konzern» ist in der Öffentlichkeit ein eher negativ besetzter Begriff. Und wer kann schon gegen Verantwortung sein? Die Initiative ist aber eine Mogelpackung, sie betrifft nicht nur Großkonzerne, sondern alle Unternehmen, die über internationale Geschäftsbeziehungen verfügen und deren Lieferkette ins Ausland reicht. KMU sind vielleicht noch mehr betroffen als Konzerne; große Firmen haben in der Regel mehr Möglichkeiten als kleine, um den von den Initianten erzwungenen Mehraufwand bürokratie- und kostenmäßig zu bewältigen. Korrekterweise müsste man von einer «Unternehmensverantwortungsinitiative» sprechen.
Immerhin verweisen die Initianten aber auf mögliche Erleichterungen für KMU.
Das ist ein Zeichen ihres schlechten Gewissens. Was das bedeutet, weiß niemand genau. Grundsätzlich ist es aber so, dass auch kleine Firmen auf der Anklagebank sitzen werden und sich im Fall einer Klage rechtfertigen müssen.
Was bedeutet das?
Nehmen Sie das Beispiel eines Schreiners. Wenn er Tropenholz aus Brasilien bezieht, dann fällt er unter die Regelung der Konzernverantwortungsinitiative. Angenommen, er kauft seine Ware bei einem Lieferanten, für den er ein wichtiger Abnehmer ist und den er nach der unklaren Sprachregelung der Initiative «kontrolliert» beziehungsweise über den er «wirtschaftliche Macht ausübt»: Stellt sich nun heraus, dass in der Wertschöpfungskette dieses Lieferanten Kinder beschäftigt werden, dann muss der Schweizer Schreiner nachweisen, dass er alle notwendigen Sorgfaltsprüfungen vorgenommen hat, um Kinderarbeit zu verhindern. Sonst wird er belangt.
Was spricht denn dagegen, dass ein Unternehmen einen solchen Nachweis erbringen muss?
Grundsätzlich müsste eine Firma zeigen, dass sie alle erdenklichen Vorkehrungen getroffen hat, um in ihrer langen Kette von Lieferanten- und Geschäftsbeziehungen Schaden zu vermeiden. Das entspricht einer Umkehr der Beweislast; für die Firma gilt nicht mehr die Unschuldsvermutung, sie ist schuldig bis zum Beweis des Gegenteils. In der Realität wird es jedoch gar nicht möglich sein, einen solchen positiven Beweis zu erbringen. Mit vielen Ländern hat die Schweiz keine Rechtshilfevereinbarungen. Und somit ließen sich Unterlagen und Beweismittel, welche die Unschuld dokumentieren könnten, nicht beibringen. Besonders ausgeprägt ist das Problem in Fällen, wo die Schweizer Firma über den ausländischen Lieferanten keine juristische Kontrolle hat. Wie sollen da Beweismittel beschafft werden? Der von den Initianten erhobene Anspruch wird nie einlösbar sein.
Die Initianten wollen bewirken, dass sich Schweizer Unternehmen auch im Ausland nach Schweizer Normen verhalten; notfalls sollen sich die Firmen deshalb auch vor einem Schweizer Richter verantworten müssen. Ist das nicht legitim?
Die Konzernverantwortungsinitiative hat vom Konzept her den eigenartigen Anspruch, dass ein Schweizer Richter einen Sachverhalt beurteilen soll, der ohne jede Verbindung zur Schweiz ist. Der einzige erforderliche Bezug zu unserem Land ist der Schweizer Sitz eines Unternehmens. Bei der Beurteilung eines Falls müsste sich der Schweizer Richter auf hiesiges Recht und auf vorläufig noch schwammige internationale Standards stützen. Das widerspricht allen Kriterien einer internationalen Rechtsanwendung.
Andere Länder haben auch schon Ähnliches getan.
Vorerst ist festzuhalten, dass kein anderer Staat so weit geht, wie die Initiative es für die Schweiz will. Wir haben hierzulande einen gesunden Abwehrreflex entwickelt, wenn wir die Leidtragenden solcher Ansprüche von Drittstaaten sind, wenn etwa die USA ihre Gesetze exterritorial anwenden. Das ist Rechtsimperialismus. Wir haben eine Wirtschaft, die primär auslandsorientiert ist. Und jetzt sagen wir, die Werte- und Moralvorstellungen, die in anderen Ländern gelten, wollen wir hierzulande beurteilen. Mich stört der Anspruch, der besagt: Wir wissen, wie es geht und was richtig ist. Für eine weltoffene Wirtschaft wie unsere ist das der falsche Weg.
Welche Auswirkungen, meinen Sie, wird die Initiative im Falle einer Annahme haben?
Sie dürfte dazu führen, dass die durchaus legitime Diskussion darüber, was die Werte- und Moralvorstellungen der Wirtschaft sein sollen, in die Gerichtssäle verlegt wird, und der konstruktive Dialog zwischen Wirtschaft und Gesellschaft leidet. Ob es zu zahlreichen Prozessen kommt, würde sich zeigen. Auf jeden Fall gerieten die Firmen im Falle einer Umsetzung der Initiative zusätzlich unter Druck. Und ihre Reputation erlitte erheblichen Schaden. Denkbar ist auch, dass sich Unternehmen aus Ländern zurückziehen, mit denen die Schweiz keine verlässlichen Rechtshilfevereinbarungen hat. Firmenverantwortliche müssen ja davon ausgehen, dass sie im Fall einer Anklage nicht an die Beweismittel gelangen, die ihre «Unschuld» belegen. Ob die betreffenden Länder und ihre Bevölkerung, die aus Sicht der Initianten ja das Schutzobjekt darstellen, einen Rückzug der Firmen begrüßen würden, bezweifle ich. So würde die Initiative kontraproduktiv wirken und jene schädigen, die sie zu schützen vorgibt.
Aus Sicht der Initianten könnte das aber immerhin dazu führen, dass die Schweiz als ein mustergültiger Standort wahrgenommen wird, wo man Firmen für Regelverstöße im Ausland vor Gericht einklagen kann.
Ich bin der Meinung, eine Umsetzung der Konzernverantwortungsinitiative würde aus rechtlichen und praktischen Erwägungen dem Standort Schweiz schaden. Die Rechtsunsicherheit nähme zu. Die Folge wäre zudem eine Verdichtung der Regulierung, die zu hohen Kosten führte. Und es gäbe mit Bestimmtheit Firmen, welche die Konsequenzen zögen und unser Land verließen. Regelungen in den wichtigen Bereichen Menschenrechte und Umweltstandards müssen international abgestimmt werden und können nicht über einen Schweizer Alleingang laufen.
Ein Argument ist auch, dass wir besser sein sollten als andere Standorte, weil wir uns so einen Vorteil sichern können.
Ein Musterschüler sein zu wollen, ist nichts Verwerfliches. Aber soll man aufgrund eines Anspruchs, der nicht einlösbar ist, wesentliche Erfolgsfaktoren am Heimmarkt aufs Spiel setzen? Das wäre nicht klug.
Was ist für Sie denn die Alternative zur Initiative? Muss man den Unternehmen einfach vertrauen, dass sie sich auch im Ausland regelkonform verhalten?
Es geht nicht nur um Vertrauen, sondern auch um Anreize. Unternehmen haben eine Reputation, und diese ist ein Vermögenswert, den sie pflegen müssen. Der gute Ruf ist ein enorm wirksames Disziplinierungsinstrument. Das ist auch gut so. Es stellt sicher, dass eine Firma alles tut, um einen Reputationsschaden zu vermeiden. Wenn etwas Negatives passiert, sorgen heutzutage Medien aller Art dafür, dass das globale Auswirkungen hat. Die Konzernverantwortungsinitiative will nun jedoch eine gesetzliche Regelung einführen, die einem Unternehmen gar keine Chance mehr lässt, die Reputation zu verteidigen; der Ruf wird zum Vornherein in Zweifel gezogen. Das ist nicht in Ordnung. Das fügt auch dem Standort Schaden zu.
Unternehmen stehen stets im Verdacht, ihre Geschäfte in Ländern zu tätigen, in denen die regulatorischen Vorschriften weniger strikt sind als am Heimmarkt.
Die Initiative unterstellt in der Tat, dass die hiesigen Unternehmen so etwas wie «regulatorische Arbitrage» betreiben. Das ist Unsinn. Heute geht es den Unternehmen nicht nur darum, als gute Corporate Citizen bürgergesellschaftliches Engagement zu zeigen; Pflege und Schutz der Reputation sind auch zu einem wesentlichen Teil des Geschäftsgebarens geworden.
Stehen börsenkotierte Firmen nicht unter Druck, zum Vorteil der Investoren die Gewinne zu erhöhen und dabei nötigenfalls auch Gesetze zu umgehen?
Das Gegenteil ist heute der Fall. Institutionelle Anleger, etwa Pensionskassen oder Versicherungen, geben mehr und mehr zu verstehen, dass ihnen nicht nur an steigenden Aktienkursen und hohen Dividenden gelegen ist. Sie wollen wissen, an welche Umweltstandards sich ein Unternehmen hält, wie es um die Compliance steht und warum eine Firma in einem bestimmten Land tätig ist. Die institutionellen Anleger haben ihrerseits ja ebenfalls Geldgeber, denen sie Rede und Antwort stehen müssen. Von den institutionellen Aktionären geht heute eine starke disziplinierende Wirkung auf die Unternehmen aus.
Wenn man Ihnen zuhört, erhält man den Eindruck, mit der Konzernverantwortungsinitiative würden offene Türen eingerannt.
Der Weg, den die Initiative beschreiten will, ist falsch. Es ist unbestritten, dass Unternehmen eine Verantwortlichkeit haben nicht nur gegenüber Aktionären und Mitarbeitern, sondern auch gegenüber der Gesellschaft. Dieser Verantwortung stellen sich die meisten Schweizer Firmen schon heute, und zwar im Rahmen von Corporate-Social-Responsibility-Programmen oder dem Global-Compact-Regelwerk der Uno. Dabei gilt das Prinzip der Selbstregulierung. Die Firmen kooperieren auch mit Nichtregierungsorganisationen, um gesellschaftliche Ansprüche länder- und fallspezifisch einlösen zu können".
Doch es geht auch anders. Und es gibt ihn: den fairen Kakao, die faire Schokolade:
"Faire Schokolade"
Berichte über die Armut von Bäuerinnen und Bauern in den Kakaoanbaugebieten Westafrikas und die weit verbreitete Kinderarbeit auf Kakaoplantagen sind nicht neu. Doch gerade angesichts des Absturzes der Kakaopreise seit September 2016 fordert das Bonner SÜDWIND-Institut, dass für Kakao endlich ein Preis gezahlt wird, der den kakaoanbauenden Familien ein menschenwürdiges Einkommen garantiert. Im Rahmen der Grünen Woche vom 19.-28. Januar in Berlin wird Friedel Hütz-Adams von SÜDWIND am kommenden Freitag mit Bundesminister Dr. Gerd Müller über die Möglichkeiten eines nachhaltigen Kakaoanbaus in der Elfenbeinküste diskutieren.
Rund 5.5 Mio. Haushalte bauen weltweit Kakao an, der größte Teil von ihnen auf wenigen Hektar Land. 70 % der Welternte und etwa 90 % der deutschen Kakaoimporte stammen aus Westafrika. Seit etwa 20 Jahren diskutiert die Kakaobranche darüber, wie die Situation der Bäuerinnen und Bauern verbessert werden kann. "Zwar haben Unternehmen, Regierungen und die Entwicklungszusammenarbeit eine Vielzahl von Projekten angestoßen, um die Situation der Betroffenen zu verbessern. Doch an der Situation der Menschen in den Kakaoanbaugebieten Westafrikas hat sich bisher wenig geändert", so Friedel Hütz Adams von SÜDWIND, Kakaoexperte und Autor mehrerer Publikationen zum Thema Nachhaltigkeit im Kakaosektor.
Häufig wurde versucht, die Produktivität auf den Plantagen zu steigern. Zwar ließe sich diese Produktivität durchaus von derzeit rund 400 Kilo pro Hektar auf das Doppelte steigern. Doch eine Erhöhung der Produktivität könnte zu einem Kakaoüberschuss führen und zu einem weiteren Sinken des Kakaopreises. Dieser ist aufgrund einer guten Ernte zwischen September und Dezember 2016 bereits von rund 3.000 US-Dollar je Tonne auf 2.000 US-Dollar je Tonne abgestürzt und verharrt auf diesem Niveau. Hinzu kommt, dass die Bäuerinnen und Bauern in den seltensten Fällen über die die nötigen finanziellen Mittel verfügen, um in verbesserte Anbaumethoden zu investieren. Die Einkommen des Kakaoanbaus reichen für viele Familien insbesondere in der Elfenbeinküste noch nicht einmal dafür aus, den Schulbesuch der Kinder finanzieren zu können.
"Existenzsichernde Einkommen sind ein Menschenrecht", so Friedel Hütz Adams. "Unternehmen der Kakao- und Schokoladenindustrie müssen daher veränderte Geschäftsmodelle aufbauen, um die Situation der Bäuerinnen und Bauern nachhaltig zu verbessern." Das SÜDWIND-Institut schlägt als einen wichtigen Baustein dafür langfristige, direkte Verbindungen zu den Bäuerinnen und Bauern vor, mit der Garantie von Preisen in einer Höhe, die eine nachhaltige Produktion erst ermöglichen. "Ohne diese tiefgreifenden Veränderungen der Geschäftsbeziehungen zwischen KakaoproduzentInnen, kakaoverarbeitenden Unternehmen und letztendlich auch dem Einzelhandel und den KonsumentInnen wird sich die Situation der Bäuerinnen und Bauern nicht verbessern," so Hütz-Adams weiter. Darüber hinaus seien die Regierungen der Anbauländer ebenfalls in der Verantwortung. Sie müssen in die Infrastruktur den Kakaoanbaugebieten investieren und die Bäuerinnen und Bauern dabei unterstützen, Auswege aus der Armut zu finden.
"Der schweizerische Aufbruch zum aktuellen Stand der schmutzigen Schokolade"
"Felix Ehrat gegen die Konzerninitiative in der Schweiz"
"Das Portal der Konzerninitiative in der Schweiz"
"Film-Doku zum Kindersklavenhandel im Kakakoanbau und -handel"
"Der gekaufte Kindersklave schuftet für Kakao und Schokolade"
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02.01.2018 11:42
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Kampf gegen sexuelle Belästigung in Hollywood und weltweit
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"Mehr als 300 Hollywood-Künstlerinnen wollen der Belästigung von Frauen in der Filmindustrie und im amerikanischen Berufsalltag insgesamt ein Ende bereiten. Reese Witherspoon, Alyssa Milano, Maggie Gyllenhaal und viele weitere riefen dazu auf, sich der Initiative "Time's Up" (Die Zeit ist um) anzuschließen. Sie wollen künftig auch weniger privilegierten Frauen wie Arbeiterinnen, Kellnerinnen und Zimmermädchen Schutz vor und Rechtshilfe nach sexuellen Angriffen zu bieten.
Der Initiative gehören auch Schauspielerinnen wie Meryl Streep, Emma Stone, Cate Blanchett, Goldie Hawn und Gwyneth Paltrow sowie Regisseurinnen, Produzentinnen und Drehbuchautorinnen an. Spenden unter anderem von Witherspoon, Streep, Steven Spielberg und Kate Capshaw hätten einen Fonds für Rechtsbeihilfe ermöglicht, der bereits über 13 Millionen Dollar (knapp 11 Millionen Euro) verfüge, berichtete die "New York Times".
Die Initiative will sich außerdem für mehr Gleichheit in Filmstudios und Talentagenturen einsetzen und Gesetze voranbringen, die Firmen für sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz bestrafen sollen. Mehr Informationen zu den Plänen lesen Sie auf der ? Homepage von "Time's Up".
Im Kampf gegen sexuellen Missbrauch in der US-Unterhaltungsindustrie haben Filmstudios und Fernsehsender vor rund zwei Wochen eine Kommission gegründet. Ihre Aufgabe: für "sicherere, gerechtere und gleichberechtigtere Arbeitsplätze" sorgen - besonders für Frauen, aber auch für Randgruppen. Den Vorsitz hat die Juristin Anita Hill, die bereits vor 26 Jahren das Thema in die Öffentlichkeit gebracht hatte. 1991 hatte sie dem für das Oberste Gericht vorgesehenen Richter Clarence Thomas sexuelle Belästigung vorgeworfen.
In den vergangenen Monaten wurden im Zuge der #MeToo-Debatte weltweit zahlreiche Fälle bekannt, in denen Männern sexuelle Belästigung oder sogar Vergewaltigung vorgeworfen wird - in der Unterhaltungsbranche, aber auch in der Politik.
In Großbritannien trat Verteidigungsminister Michael Fallon zurück, nachdem eine Journalistin ihm sexuelle Belästigung vorgeworfen hatte. In Österreich entschied der Politiker Peter Pilz, sein Parlamentsmandat nicht anzutreten - er soll eine Frau sexuell bedrängt haben. In den USA ist die Rede vom Weinstein-Effekt, ausgelöst durch die Vorwürfe gegen Filmproduzent Harvey Weinstein. Die Liste der Männer, denen in Amerika Missbrauch vorgeworfen wird, ist längst auf über 50 Namen angewachsen.
Die Konsequenzen fallen allerdings sehr unterschiedlich aus. Während mehrere Beschuldigte in der Entertainmentbranche ihre Jobs verloren, blieben die meisten beschuldigten US-Politiker bisher im Amt, etwa der Republikaner Roy Moore, der zuletzt bei der Senatsnachwahl in Alabama antrat. Wähler und Parteifreunde haben sie bislang verschont. Weinstein selbst wurde von seinem Studio gefeuert und ist untergetaucht, angeblich zu therapeutischen Zwecken".
"Hollywood-Stars für mehr Konsequenzen bei sexueller Belästigung"
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07.11.2017 16:10
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Schäuble: 100 % Gerechtigkeit gibt es nicht, aber Fairness ist möglich
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„Die überwältigende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land will ein zivilisiertes Miteinander. In aufgewühlten Zeiten wie unseren wächst das Bedürfnis nach Formen des Verhaltens, über die man lange nicht mehr geredet hat, weil man sie als selbstverständlich ansah. Es wird wieder über Anstand gesprochen - sogar Bücher werden darüber geschrieben und kommen auf die Bestsellerlisten -, und es wird auch über die Frage gesprochen, wie wir in der Gesellschaft miteinander umgehen sollen: Respekt füreinander haben, nicht jeden persönlichen Spielraum maximal ausnutzen, ein offenes Ohr haben für die Argumente des anderen, ihn anerkennen mit seiner anderen Meinung.
Es geht um Fairness. Hundertprozentige Gerechtigkeit gibt es nicht, aber Fairness ist möglich in dem Sinne, dass sich möglichst alle angesprochen fühlen und nicht ausgeschlossen bleiben“.
Auszug aus der Antrittsrede von Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble am 24.10.2017
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04.09.2017 14:25
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Krasse Unfairness in Europa
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Die rechten Parteien geben in Europa den Ton an, treiben die regierenden Parteien mit Provokationen vor sich her und zu unsolidarischem Handeln gegenüber den Flüchtlingen. So ist eine krasse Unfairness in Europa entstanden – wider jede Vernunft und jenseits der europäischen und internationalen Verpflichtungen. Denn keinem Land wird etwas abverlangt, was es nicht zu leisten im Stande ist. Aber es wird suggeriert, das Abendland gehe unter, wenn vor Gewalt, Krieg und Terror Flüchtende für eine gewisse Zeit nach Europa kommen dürfen.
Im Interview mit FR-Redakteur Victor Funk kritisiert die Politikerin Ska Keller die misslungene Umsiedlung Geflüchteter in der Europäischen Union.
Frau Keller, woran, meinen Sie, ist das Programm gescheitert, mehr Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufzunehmen?
Den Mitgliedsstaaten fehlt der politische Wille zur Solidarität. Sie lassen sich von rechtspopulistischen Ressentiments statt von europäischer Verantwortung leiten. Die allermeisten Mitgliedsstaaten handeln nach dem Motto „Sollen sich doch die anderen um die Flüchtlinge kümmern“. Sie machen Abschottung statt Solidarität zum Leitprinzip der europäischen Flüchtlingspolitik. Auch die Bundesregierung führt das Wort „Solidarität“ zwar gern im Munde, aber wenn es darum geht, Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufzunehmen, ist sie säumig. Sie erfüllt nicht einmal ein Drittel ihrer Verpflichtungen, obwohl die Aufnahmelager in Griechenland und Italien immer noch überfüllt sind, während sie in Deutschland mittlerweile leer stehen. Das ist ein untragbarer Zustand. Trotzdem ist das Umverteilungsprogramm ein wichtiger, wenn auch kleiner Schritt in die richtige Richtung. Damit ist das Dublin-System (die Verordnung, nach der Migranten, in dem EU-Land um Asyl ersuchen müssen, in dem sie zuerst ankommen, d. Red.) erstmals aufgeweicht und durch einen verbindlichen Umverteilungsmechanismus ergänzt worden.
Welche Möglichkeiten hätte die EU-Kommission, von EU-Mitgliedern die Einhaltung der Zusagen zu erzwingen?
Wir dürfen es den EU-Mitgliedsstaaten nicht durchgehen lassen, dass sie sich vor der gemeinsamen Verantwortung für Flüchtlinge in Europa drücken. Deshalb ist es richtig, dass die EU-Kommission klare Kante gegen Mitgliedsstaaten zeigt, die die Flüchtlingsumverteilung boykottieren. Sie muss die im Juni eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn, Polen und die Slowakei mit aller Konsequenz vorantreiben. Die allermeisten Mitgliedsstaaten handeln nach dem Motto „Sollen sich doch die anderen um die Flüchtlinge kümmern“.
Und wenn sie sich trotzdem weigern?
Wenn diese Mitgliedsstaaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen weiter blockieren, sollte die EU-Kommission über weitere Schritte nachdenken. Sie sollte ihnen die EU-Zuschüsse für die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern in deren Heimatländer streichen. Wer keine Flüchtlinge aufnehmen will, sollte auch keine EU-Unterstützung dafür bekommen, Leute wieder loszuwerden.
Hat das jetzige Umverteilungssystem eine Zukunft?
Wenn wir völlig überfüllte Flüchtlingslager und unhaltbare Zustände für Schutzsuchende in den südlichen Grenzstaaten der EU vermeiden wollen, brauchen wir in der EU einen funktionierenden Umverteilungsmechanismus. Griechenland und Italien können die Aufnahme von Asylsuchenden nicht alleine stemmen. Deshalb ist es wichtig, dass die jetzige Umverteilung so lange weiterläuft, bis wir ein permanentes solidarisches Verteilungssystem bekommen. Wir Grüne fordern seit langem, dass das Dublin-System abgeschafft und durch ein gerechtes Verteilungssystem ersetzt wird. Dabei müssen auch Anknüpfungspunkte von Asylsuchenden berücksichtigt werden. Flüchtlinge, die bereits die Sprache eines Mitgliedsstaates sprechen, dort Verwandte haben oder berufliche Anknüpfungspunkte, tun sich deutlich leichter mit der Integration“.
Schon einmal haben die Länder Europas und außereuropäische Länder versagt, als verfolgte Minderheiten vor Unterdrückung, Terror, Verfolgung und Vernichtung aus Deutschland fliehen wollten. Denn etliche europäische Mächte hatten sich mit der Gewalt der Nationalsozialisten gegen Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, kritische Wissenschaftler, Journalisten und Künstler gemein gemacht. Etwa 12 bis 14 Millionen Deutsche und deutschstämmige Angehörige verschiedener Staaten waren zwischen 1944/45 und 1950 von Flucht und Vertreibung betroffen. Nur in geringem Maße wurden sie in andere Staaten hineingelassen. Lässt sich aus solchem Schicksal nichts lernen?
"Ska Keller im Interview mit der Frankfurter Rundschau"
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23.08.2017 11:19
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Annette Frier relativiert Fake News und unterstützt Qualität im Journalismus
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Annette Frier (42), Schauspielerin – TV-Serie Danni Lowinski, TV-Film Nur eine Handvoll Leben, Komikerin und Moderatorin (Doku-Serie Ach Europa), spricht über die Rolle von Fake News und Medien – auch aus eigener Erfahrung. Sie stellt sich den Fragen von Joachim Frank im Rahmen der Kampagne „Danke für Ihr Vertrauen“ des Kölner Stadtanzeigers:
"Frau Frier, sind die „Fake News“ von heute nicht die halb wahren oder häufig ganz falschen Klatsch- und Tratschgeschichten, mit denen Prominente wie Sie seit jeher leben müssen?
Stimmt, das lässt sich absolut vergleichen. Selbst jemand wie ich, die für die Revolverblätter längst nicht so interessant ist wie ein Boris Becker oder die britischen Royals, erlebt haarsträubende Geschichten. Als ich zum Beispiel 2014 mit meiner TV-Rolle als Rechtsanwältin Danni Lowinski aufhörte, stand irgendwo zu lesen: „Serienende, um Ehe zu retten“. Da war von Überlastung die Rede und von Beziehungsstress, in allen Details aufgedröselt, großformatig präsentiert. Mein Mann und ich saßen fassungslos vor dieser Doppelseite, die mir jemand vom Friseur mitgebracht hatte, und wir fragten uns, wo der ganze Blödsinn wohl hergekommen sein mochte. Quelle des Artikels? „Ein Insider verrät…“
Wie haben Sie reagiert?
Wir haben herzhaft gelacht und versucht, das Ganze mit Humor zu nehmen. Zum Glück sind „Fake News“ im Bereich des Entertainments nicht immer von wirklich zerstörerischer Qualität. Nach meiner Erfahrung gibt es nämlich keine effektive Verteidigung. Sobald man mit juristischen Mitteln dagegen vorzugehen versucht, spielt man ja das Spiel mit, bei dem dann häufig Aussage gegen Aussage steht und am Ende immer etwas hängen bleibt. Statt den Rattenschwanz abzuschneiden, wird er länger und länger.
Das Problem des Laufenlassens: Das Internet vergisst nicht.
Deshalb sollte man dem Kommunikationsraum Internet generell misstrauen. Ich warte darauf, dass endlich ein Internet-Knigge für das Verhalten im Netz herauskommt. Grundregel Nummer eins müsste lauten: Anonym gibt’s nicht. Wer im Internet etwas behauptet oder seine Meinung kundtut, muss sich outen und seine Quellen nennen. Wir haben aber für das Internet noch keine verbindlichen Regeln entwickelt, gelernt und eingeübt. Deshalb ist ist die Netzwelt unser Llano Estacado, ein Wildwest-Territorium für Desperados aller Art. Das könnte Sie auch interessieren
Die klassischen Medien dürfen demgegenüber als gesichertes Refugium gelten: präzise vermessen, gut beschildert und reglementiert durch eine Straßenverkehrsordnung der Kommunikation?
Auf alle Fälle. Natürlich kommen Fehler und Fehlleistungen auch in klassischen Medien vor. Das finde ich aber nicht so schlimm, solange es Redaktionskonferenzen gibt, das journalistische Arbeiten im Team mit Selbstreflexion und kritischer Diskussion. Redaktionen sind für mich Instanzen der Selbstkontrolle, Frühwarnsysteme, ein Gefüge von „Checks and Balances“. Das ist, wenn man so will, die Anwendung des Demokratie-Prinzips auf den Arbeitsalltag der Medien. Es kann sich dann eben nicht einer autokratisch hinstellen und seine persönlichen Ansichten als allein gültige Wahrheit in die Welt posaunen. Genau so entsteht übrigens, glaube ich, ein großer Teil der Fake News: durch das einsame Agieren irgendwelcher überspannter Typen oder natürlich aus unkontrollierter krimineller Energie staatlicher und nicht-staatlicher Akteure.
Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zur Zeitung?
Das hat für mich etwas sehr Rituelles. Wenn ich meine Kinder morgens zur Schule geschickt habe, freue ich mich auf meinen Kaffee und meinen „Stadt-Anzeiger“ Ich genieße es, dazusitzen und zu lesen – am liebsten immer noch auf Papier. Ich hantiere ungern mit den Zeitungs-Apps auf dem Smartphone oder dem Tablet, sondern blättere lieber um, Seite für Seite. Wie das wohl gesamtgesellschaftlich in 20 Jahren sein wird? Ich bin gespannt. Aber ich glaube, die Beharrungs- und Durchsetzungskraft solcher Rituale ist größer, als wir es auf unserem Trip ständiger Veränderung wahrnehmen und uns selbst zugestehen.
Als Schauspielerin sind Sie selbst „Berichtsgegenstand“ und werden von Journalisten kritisch beurteilt. Hat das Ihre Einstellung verändert?
Früher habe ich mir darüber wesentlich mehr einen Kopf gemacht. Aber je besser ich auch die andere Seite kennengelernt habe, konkret durch viele Gespräche mit Journalisten, bin ich in die Haltung hineingewachsen, dass schlimmstenfalls ein anderer Mensch eben anderer Meinung ist als ich. Ich halte meinen neuen Film für gelungen, der Rezensent findet ihn daneben. Na und? So ist das im Leben. Und das Lustige ist: Es gilt auch für den Kritiker. Jeder Journalist freut sich, wenn er gesagt bekommt, „Also, Ihr jüngster Artikel war wirklich ganz toll“. Natürlich sind wir Schauspieler dem Urteil des Publikums anders ausgesetzt als der Verfasser eines Zeitungsartikels. Aber am Ende sind wir in der gleichen Situation. Diese Einsicht hat mich viel lockerer gemacht im Umgang mit der Kritik in den Medien.
Was macht für Sie guten Journalismus aus?
Überparteilichkeit. Sobald ich rieche, dass mir jemand seine Weltsicht aufschwatzen oder unterjubeln will, reagiere ich allergisch. Und ich finde die Zeitspanne sehr wichtig, die zwischen einem Geschehnis und dem Erscheinen der Zeitung liegt. Ich weiß, auch Zeitungsredaktionen müssen online „in Echtzeit“ reagieren. Auf so manchem Newsletter ist – bildlich gesprochen – die Tinte noch nicht trocken, bevor er die Leser erreicht. Aber gerade deshalb bin ich heilfroh darüber, dass es für die Zeitung noch eine Art zweite Zeitzone gibt, in der die Journalisten Fakten checken, Hintergründe recherchieren und die Geschehnisse abwägen".
"Annette Frier über Qualität im Journalismus im Kölner Stadtanzeiger"
"Die Kampagne 'Danke für Ihr Vertrauen'"
"Annette Frier - Biographie und Engagements"
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24.07.2017 15:35
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Entwickelt sich die Pflegesituation insgesamt weiter krass unfair?
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„Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht“, meint Journalist und Redakteur Timot Szent-Ivanyi von der DuMont-Redaktionsgemeinschaft im Berliner Hauptstadtbüro. Der sogenannte Pflege-TÜV sei der beste Beweis dafür: „Mit wenigen Klicks im Internet herausfinden, ob ein Pflegeheim oder ein ambulanter Pflegedienst seine Arbeit gut macht – das war die Idee, als 2009 die damalige große Koalition das Benotungsverfahren einführte.
Doch die Pflegenoten erwiesen sich als untauglich. Sie verschleiern, statt aufzuklären. Die Politik hat Pflegekassen und -verbände daher beauftragt, bis Ende des Jahres ein neues Bewertungssystem zu entwickeln. Doch eine Einigung ist nicht absehbar. Das zuständige Gremium hat bereits angekündigt, die Frist nicht einzuhalten. Die Bertelsmann-Stiftung hat nun eigene Vorschläge vorgelegt, um die Debatte voranzutreiben.
Problematisch ist bisher, dass Pflegeeinrichtungen auch dann eine gute Gesamtnote bekommen können, wenn sie in Kernbereichen der Pflege schlechte Qualität bieten, etwa bei der Versorgung der Pflegebedürftigen mit Flüssigkeit und Nahrung oder bei der Verhinderung des Wundliegens (Dekubitus). Das ist möglich, weil die schlechten Einzelnoten durch gute Bewertungen in weniger wichtigen Bereichen („Gibt es im Pflegeheim jahreszeitliche Feste?“) ausgeglichen werden können. Dadurch liegt der bundesweite Durchschnitt bei einem unrealistisch guten Wert von 1,2. Außerdem ist die Schwankungsbreite der Gesamtnoten nicht sehr hoch.
Das entspricht nicht der Realität, wie auch eine aktuelle repräsentative Umfrage der Bertelsmann-Stiftung zeigt. Danach sehen über zwei Drittel der Befragten, die schon einmal nach einem Heim gesucht haben, starke Qualitätsunterschiede zwischen den Einrichtungen. 73 Prozent dieser Befragten meinen, die Personalausstattung der Heime sei „eher schlecht“ oder „sehr schlecht“. Gut die Hälfte befürchtet, im Fall der Fälle nicht das richtige Heim zu finden, weil ihnen durch die gegenwärtigen Pflegenoten wichtige Informationen zur Auswahl fehlen. Die Befragten wünschen sich vor allem Informationen zur fachlichen Qualität der Pflege (94 Prozent), zur Ausstattung und zu den Leistungen der Pflegeheime (92 Prozent) sowie zu Anzahl und Qualifikation des Pflegepersonals (88 Prozent).
Im Rahmen ihres Gesundheits-Internetportals „Weiße Liste“ hat die Bertelsmann-Stiftung ein Konzept erarbeitet, das diesen Anforderungen gerecht werden soll. „Wie bei den Pflegenoten befürchten wir, dass sich Pflegekassen und Anbieter nur auf einen aus Sicht der Verbraucher unzureichenden Kompromiss einigen können“, sagte der Gesundheitsexperte der Stiftung, Stefan Etgeton, der Frankfurter Rundschau. „Im Mittelpunkt einer Reform muss das Interesse der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen stehen.“
Das Konzept für ein Internet-Vergleichsportal sieht daher unter anderem vor, dass neben der eigentlichen Pflegequalität (Ernährung, Vorsorge gegen Stürze oder das Wundliegen) auch Informationen zur Personalausstattung veröffentlicht werden. Konkret geht es um den Pflegeschlüssel, also die Angabe, wie viele Pflegebedürftige ein Mitarbeiter betreut. Zudem soll die Qualifikation der Pfleger durch eine Skala angezeigt werden. Dabei sollen unter anderem der Anteil der Fachkräfte sowie die Spezialausbildungen der Beschäftigten (zum Beispiel für die Betreuung Demenzkranker oder für beatmete Pflegebedürftige) berücksichtigt werden.
Generell soll es keine Noten geben, sondern leicht verständliche Piktogramme, also zum Beispiel einen Haken bei unauffälligen Werten, einen grünen OK-Daumen bei überdurchschnittlichen Bewertungen und ein rotes Warndreieck bei auffälligen Befunden. „Die Ergebnisse werden am besten zusammengefasst, indem vor besonders schlechten Anbietern gewarnt wird und indem besonders gute Anbieter sichtbar gemacht werden, um zusätzlich einen Anreiz für Qualitätsverbesserungen zu geben“, so Etgeton. Dafür seien Grenz- und Schwellenwerte nötig, die entweder fachlich begründet oder statistisch ermittelt werden.
Die Bertelsmann-Stiftung plädiert zudem dafür, Erfahrungsberichte von Heimbewohnern und Angehörigen, verbunden mit einer Zufriedenheitsskala, zu veröffentlichen. Die Heime sollen im Gegenzug eine Möglichkeit bekommen, die Berichte zu kommentieren.
Um dem Wunsch der Betroffenen nach Informationen zur Ausstattung der Heime gerecht zu werden, fordert die Bertelsmann-Stiftung einen verpflichtenden „Strukturbericht“, der die Suche nach einer Einrichtung vereinfachen soll. Darin soll unter anderem festgehalten werden, welche religiösen Angebote es gibt, ob Haustiere oder eigene Möbel mitgenommen werden können, wie groß die Zimmer sind oder ob ein Garten und ein Gruppenraum existieren.
„Was für den einen egal ist, kann für den anderen ein Ausschlusskriterium bei der Suche nach einem geeigneten Pflegeheim sein“, begründete Etgeton den Vorschlag“. So schreibt Szent-Ivanyi in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau.
Die Zeit drängt, denn die Anzahl der Menschen, die nach einem Heimplatz suchen oder suchen müssen, wächst. Und niemand möchte unprofessionell, sozial karg und unfair behandelt werden. Der Druck auf Politik und Pflegekassen muss zunehmen. Sonst entwickelt sich das System noch unfairer als bisher: . Dabei sind die geringen Gehälter für Pflegekräfte noch nicht einmal ausreichend einbezogen. Die vielen Pflegebedürftige, die privat zuhause gepflegt werden, bedürfen auch erhöhter Aufmerksamkeit. Hinzu kommen nicht „Sklavinnen, die uns pflegen“ (Die Zeit): „Beleidigt, geschlagen, keine Freizeit: Hunderttausende Osteuropäerinnen versorgen in deutschen Haushalten Menschen. Das ist meist verboten, wird aber selten verfolgt“. In Summe ist also die Pflegesituation in Deutschland krass unfair.
2,9 Millionen Pflegebedürftige insgesamt zu Hause versorgt: 2,08 Millionen (73 %) in Heimen vollstationär versorgt: 783 000 (27 %) durch Angehörige: 1,38 Millionen durch ambulante Pflegebedürftige zusammen mit/durch ambulante Pflegedienste: 692 000 Pflegebedürftige "Pflegestatistik 2017")
Was verdienen Pflegekräfte? Der Mindestlohn für Pflegekräfte wird bis Anfang 2020 in mehreren Schritten auf 11,35 Euro pro Stunde im Westen und 10,85 Euro im Osten erhöht. Das geht aus einer Verordnung von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hervor. Derzeit beträgt der Mindestlohn-Satz für Pflegekräfte 10,20 Euro in Westdeutschland und 9,50 Euro im Osten. Zum 1. Januar 2018 soll er auf 10,55 Euro (Westen) beziehungsweise 10,05 Euro (Osten) steigen. Die Lohnuntergrenze in der Pflege betrifft rund 908.000 Beschäftigte. In Privathaushalten gilt der allgemeine gesetzliche Mindestlohn von deutschlandweit derzeit 8,84 pro Stunde. ( laut dpa)
"Timot Szent-Ivanyi in Berliner Zeitung"
"Die ZEIT über osteuropäische Pflegekräfte"
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14.02.2017 17:37
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Aktiv Fake News und Gerüchte erkennen und entlarven
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Es geht und wirkt, auch wenn es nicht einfach ist. Drei spezielle Webportale unterstützen, Falschmeldungen, Gerüchte und Verleumdungen zu erkennen. Und auch zu entlarven oder für die Entlarvung anzugeben.
Mimikama schreibt zu seinen Aktivitäten: „Fake-News, ein Begriff, der nun auch im deutschsprachigen Raum angekommen ist. Die Aufgabe, vor der nun die Nutzer sozialer Netzwerke stehen, liegt in der Differenzierung zwischen seriösen und echten News zu erfundenen Inhalten.
Was man machen kann Falschmeldungen, die sich als News ausgeben, kann man grundsätzlich mit ein paar Handgriffen schon selbst enttarnen. Man muss zunächst zumindest nach erweckter Skepsis sich die richtigen Fragen stellen und ein paar Griffe anwenden. Hier geht’s zur Schritt für Schritt-Anleitung ”Mimikama hilft gegen Fake News”
Die Hoaxmap ist aus dem Wunsch entstanden, eine Ordnung in die Vielzahl gestreuter Gerüchte zu bringen und die Dekonstruktion selbiger zu erleichtern. Sämtliche "Auflösungen" sind etablierten Medien entnommen und verlinkt. Sofern kein Datum für den jeweiligen Vorfall aufgeführt ist, wurde das Datum des Artikels übernommen. In den wenigen Fällen, in denen kein konkreter Ort angegeben war, wurde die Hauptstadt des Landkreises bzw. Bundeslandes übernommen. Der Schwerpunkt liegt auf Gerüchte und Verleumdungen über Flüchtlinge und Asylbewerber.
In der Sammlung tauchen auch einige Gerüchte auf, die sich nicht direkt auf Asylsuchende beziehen. Zum einen wurden einige Fälle mit Gerüchten über Menschen mit "südländischem Aussehen" oder "nichtdeutschem Akzent" aufgenommen. Diese Art von Beschreibungen wird aktuell häufig mit Geflüchteten in Verbindung gebracht. Zum anderen sind auch angebliche Straftaten oder Repressionsmaßnahmen gegen TeilnehmerInnen rassistischer Demonstrationen aufgeführt. Diese wurden mit aufgenommen, weil sie ebenfalls das Narrativ der Meinungsunterdrückung und das Weltbild der GerüchteerzählerInnen bestärken.
Vor wenigen Tagen hat das Team der Hoaxmap auf ein Jahr Aktivität zurück geblickt: ”1 Jahr Hoaxmap gegen Fake News”
Und hier geht’s zur Nutzung von Hoaxmap “Hilft hilft Hoaxmap“
Gegen Hass hilft nach wie vor die Aktion „Hass hilft“, die jede gemeldete Hassmail mit 1 € vergütet. Hier geht zur Aktion ”Aktion Hass hilft”
Jetzt nutzen, weiterlinken.
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27.12.2016 08:07
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2017
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Wir wünschen Ihnen einen guten Start ins Neue Jahr, stärkende und ermutigende Erfahrungen sowie allzeit ein Lächeln im Herzen. *****
Ihre Fairness-Stiftung ****** Dr. Norbert Copray und Jutta Schmidt M.A. (Leitung)
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11.10.2016 11:14
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Aktion gegen Hass und für Fairness
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Hass, Hassmails und Hassreden sind das glatte Gegenteil von Fairness. Nur den Hass zu hassen und nicht den oder die Hasser, ist gerade noch fair. Mit 1 € pro Hass-Kommentar in den Social Media trägt die Aktion "Hass hilft" mit ihrer Website www.hasshilft.de dazu bei, dass mit jeder Hassäußerung eine Spende ausgelöst wird.
Was ist ein Hass-Kommentar? Unter „Hass-Kommentar“ versteht die Aktion Äußerungen in sozialen Netzwerken, in denen Menschen erniedrigt, verunglimpft oder in ihrer Menschenwürde herabgesetzt werden bzw. Äußerungen, in denen zu Gewalt aufgerufen oder Menschen Gewalt angedroht wird. Und zwar aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe, ihrer politischen Einstellung, ihrer sozialen Zugehörigkeit oder auch aufgrund rein äußerlicher Merkmale. Dabei richtet sich die Äußerung verallgemeinernd (rassistisch, antisemitisch, fremdenfeindlich, homophob, abwertend gegenüber Behinderten oder Obdachlosen oder sexistisch) gegen die gewählte Gruppe als Ganzes. Hass-Kommentare gilt es im Einzelfall auch auf strafrechtliche Relevanz zu überprüfen.
"Hass hilft" ist so eine unfreiwillige Spenden-Aktion, die von der ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur gGmbH betrieben wird, bei welcher für jeden in sozialen Netzwerken getätigten Hassaufruf mit Hilfe von Sponsoren ein Euro jeweils zur Hälfte an die Aktion Deutschland Hilft und Exit Deutschland gespendet wird, was eine komplette Umkehr der ursprünglichen Intention des Kommentars zur Folge hat. Ein Zwickmühle für Hassende in Social Media..
Auf diese Weise wird die jeweilige Hass-Mitteilung konterkariert und führt dazu, antirassistische, für Fairness, Verständigung und Demokratie engagierte Initiativen zu stärken. Bislang sind rund 17.000 Euro zusammen gekommen. Einfach auf die Site www.hasshilft.de gehen und Hasskommentare eintragen.
"Die Hass hilft-Website"
"Wikipedia über die Aktion Hass hilft"
"Gesellschaft demokratische Kultur über Hass hilft"
"Facebook-Auftritt von Hass hilft"
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18.03.2016 14:34
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Was die Fairness zwischen Flüchtlingen und Deutschen verlangt
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Was müssen wir von Flüchtlingen erwarten dürfen, die wir in unserer Mitte aufnehmen, fragt der syrisch-deutsche Schriftsteller Erzähler Rafik Schamir. im Interview mit der Frankfurter Rundschau. Und meint:
"Hier erwarte ich Hilfe von jedem, der sich Intellektueller nennen will. Solche Diskussionen müssen wir wieder an uns reißen und nicht den Populisten und Menschenhassern überlassen. Auch Helferinnen und Helfer der Flüchtlinge sollten vielleicht diese Punkte mit ihren Schützlingen diskutieren.
1. Die Zeit ist hier in Deutschland reif für sie, um in Freiheit nachzudenken, selbstkritisch und ohne Angst und Tabu, was sie zu dieser Misere geführt hat. Ich gebe ein paar Stichpunkte: die Sippe, das Erdöl, die Diktatur, die Vermischung von Religion und Politik. 2. Die Flüchtlinge sollten zur Kenntnis nehmen, dass sie im christlichen Abendland aufgenommen worden sind. Und sie werden dieses weder kurz- noch langfristig verändern. Wollen aber sie sich verändern und damit am zivilisatorischen Prozess teilnehmen, dann müssen sie die Sprache dieses Landes ernsthaft lernen.
3. In diesem Land sind Frauen und Männer gleichberechtigt.
4. Die reichen arabischen Länder haben sie im Stich gelassen. Diese Länder spielen sich auf als Hüter des Islams und handeln gegen den Koran und seinen Propheten.
5. Sie sollten wissen, ein Gast in der arabisch-islamischen Welt ist ein edler Gefangener seines Gastgebers. Die bürgerliche Gesellschaft achtet die Würde, auch die des Fremden, daher sind sie keine Gefangenen, sondern Gäste mit beschränkten Rechten. Ein Weiser wirft keinen Stein in den Brunnen, aus dem er trank.
6. Dankbarkeit besteht nicht darin, unterwürfig und schleimig gegenüber den Deutschen zu sein, um insgeheim rassistisch über sie zu denken, sondern Dankbarkeit besteht in erster Linie im Respekt den Helferinnen und Helfern gegenüber. Diese tapferen Frauen und Männer sind ein Garant für die Flüchtlinge gegen die Rassisten und Populisten.
7. Die deutsche Gesellschaft ist eine demokratische, freiheitliche Gesellschaft, die nicht selten schwächer erscheint, als sie ist. Sie ist aber wehrhaft. Die Flüchtlinge sollen sich von keinem Kriminellen zur Dummheit verführen lassen, die Abwesenheit von Militärs und Polizei auf der Straße bedeute Gesetzlosigkeit.
8. In diesem Land gilt ein einziges Gesetz: Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland. Alle anderen Gesetze der Sippe, der Ehre, der Scharia gelten hier nicht. Wer den Flüchtlingen etwas anderes erzählt, will ihnen nur schaden.
9. Sie sollen nicht heucheln, die Homosexualität existiere in den islamisch-arabischen Ländern nicht. Hier in Deutschland haben die Homosexuellen ihr Recht auf Gleichheit und Normalität im Umgang erkämpft. Nichts wurde ihnen geschenkt.
10. Sie sollen nicht zu gelähmten Zuschauern werden, sondern aktiv am Leben teilnehmen und mit allen demokratischen Kräften dafür kämpfen, dass die Zustände und Ursachen, die zu ihrer Vertreibung führten, verschwinden".
Rafik Schami kam 1971 nach Deutschland, promoviert in Chemie und wurde danach ein bedeutender Schriftsteller. Sein Werk wurde in 29 Sprachen übersetzt. Er stammt aus einer christlich-aramäischen Minderheit in Damaskus, besuchte ein jesuitisches Kloster-Internat im Norden Libanons und studierte in Damaskus Chemie, Mathematik und Physik. Schon mit 19 Jahren hatte er sich der Literatur verschrieben und gründete und leitete 1966 in der Altstadt von Damaskus die Wandzeitung Al-Muntalak (dt. ‚Ausgangspunkt‘), die 1969 verboten wurde.
1970 floh Rafik Schami aus seinem Heimatland Syrien zunächst in den Libanon, zum einen, um dem Militärdienst zu entgehen, zum anderen, weil er wegen der Zensur nach eigenen Angaben „zu ersticken“ drohte. 1971 wanderte er in die Bundesrepublik Deutschland aus. Neben seinem Studium nahm er verschiedene Aushilfsjobs in Fabriken und als Aushilfskraft in Kaufhäusern, Restaurants und auf Baustellen an. Er veröffentlichte zahlreiche Texte in Zeitschriften und Anthologien, zunächst in arabischer, seit 1977 auch in deutscher Sprache. 1978 erschien mit Andere Märchen sein erstes Buch in deutscher Sprache. 1980 war er Mitbegründer der Literaturgruppe „Südwind“ und des PoLiKunst-Vereins (= Polynationaler Literatur- und Kunstverein). Seit 1982 lebt er als freier Schriftsteller in der Pfalz. Von 1980 bis 1985 war Rafik Schami Mitherausgeber und Autor der Reihe „Südwind-Gastarbeiterdeutsch“ und der Reihe „Südwind-Literatur“ (insgesamt 13 Bände).
Rafik Schami gehört zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart. Für sein Werk hat er zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhalten. Sein Erfolg gründet sich nicht zuletzt auf seine zahlreichen Lesungen, bei denen er sein Talent zum freien Fabulieren entfaltet. Der Verkauf des einmillionsten Exemplars der Taschenbücher Schamis bei dtv im Januar 2005 zeugt von seiner gleichbleibend großen Beliebtheit beim deutschen Publikum.
Rafik Schami engagiert sich seit vielen Jahren für die Aussöhnung zwischen Palästinensern und Israelis und versucht bei vielen Gelegenheiten, für diese Aufgabe zu werben, so z. B. auf Kongressen, in seinem umfangreichen essayistischen Werk und nicht zuletzt als Herausgeber der Aufsatzsammlung Angst im eigenen Land (2001), in der Araber wie Israelis zu Wort kommen und zum Israel-Palästina-Konflikt Stellung nehmen. Schami wurde während der Frankfurter Buchmesse 2004 von staatlich loyalen Autoren aus der arabischen Welt scharf kritisiert. Anlass dazu waren Schamis Aussagen über die Situation von Autoren in den arabischen Ländern in einem stern-Interview.
Schami hat die Staatsbürgerschaften von Syrien und Deutschland. 1990 lernte er die Zeichnerin und Autorin Root Leeb kennen, mit der er seit 1991 verheiratet ist und einen Sohn hat. Root Leeb illustrierte eine große Anzahl seiner Bücher, gestaltete die Titelbilder aller bei dtv erschienenen Bücher Schamis und gab ihnen so ein unverwechselbares Gesicht. Der Sohn, Emil Fadel (* 1992), wurde mit dem Gewinn des Martha-Saalfeld-Förderpreises 2014 erstmals als Schriftsteller einer größeren Öffentlichkeit bekannt.
2010 erhielt Schami die Brüder-Grimm-Professur der Universität Kassel. Seine Vorlesungen beschäftigen sich mit der Erzählkunst. Bisherige Inhaber waren unter anderen die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller sowie Christoph Hein und Klaus Harprecht.
"Das FR-Interview"
"Rafik Schami in Wikipedia"
"dtv-Website von Rafik Schami"
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01.03.2016 11:52
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Sind Mitgefühl und Kooperation der neue Trend?
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Der Egoismus hat ausgedient. Nicht flächendeckend, nicht international, nicht national, nicht individuell. Aber er hat seinen Höhepunkt und vor allem seine maximale Überzeugungskraft erreicht. Jetzt kommt der Kipp-Punkt. Die destruktiven Folgen des staatlichen, wirtschaftlichen und persönlichen Egoismus sind nicht nur zu erkennen, sondern auch zu spüren: weltweite Fluchtbewegungen, desaströse Klimawandeleffekte, extreme Vermögenssteigerung bei Reichen und verbreitete Verarmung der Armen, Missachtung und Herabwürdigung von Bedürftigen und Abgehängten. Ist gegen den Egoismus und seine Auswirkungen kein Kraut gewachsen, weil er zur menschlichen Natur gehört?
„Immer mehr Wissenschaftler stellen die pessimistische Sichtweise der menschlichen Natur infrage. Psychologen, Neurowissenschaftler und Primatenforscher haben herausgefunden, dass Altruismus und die Fähigkeit zur Kooperation durchaus grundlegende, angeborene Wesenszüge des Menschen sind“, schreibt der TV-Sender Arte in seiner Ankündigung einer Dokumentation. Sie läuft unter dem Titel „Die Revolution der Selbstlosen“ in der Mediathek von Arte und am Freitag, den 4.3., um 9:55 Uhr, 91 Minuten auf Arte.de (z.B. zum Aufzeichnen).
Die Arte-Redaktion stellt dazu fest: „Selbstbezogenheit, Materialismus und Geldgier beherrschen unsere moderne Gesellschaft. Aber gehört es nicht vielleicht doch zur menschlichen Natur, selbstlos zu sein, also uneigennützig im Interesse von anderen zu handeln? Seit rund 20 Jahren widerlegen Forschungsergebnisse - wie etwa die des Katastrophenforschungszentrums von Delaware - die These von einem universellen Egoismus. Psychologen, Neurowissenschaftler und Primatenforscher fanden heraus, dass sogenanntes prosoziales Verhalten wie Mitgefühl, Altruismus, Hilfsbereitschaft und die Fähigkeit zur Kooperation zu den fundamentalen Eigenschaften des Menschen zählen.
Sylvie Gilman und Thierry de Lestrade haben Wissenschaftler bei ihren Forschungsarbeiten begleitet: Ausgangspunkt sind entwicklungspsychologische Studien, die bereits im Babyalter ansetzen und das Bild eines Menschen zeigen, der hochgradig kooperativ ist: Nach Studien der Universität Yale verfügen Babys bereits in den ersten Lebensmonaten über ein moralisches Urteilsvermögen, eine Art Gerechtigkeitssinn und zeigen spontan altruistische Verhaltensweisen.
Angesichts der weltweiten Herausforderungen, die nach radikalen Veränderungen rufen, stellt sich die Frage, ob und wie diese positiven Charaktereigenschaften des Menschen gefördert werden können. Könnte man Selbstlosigkeit womöglich sogar üben? Unermüdlicher Botschafter dieser Überlegung ist der studierte Molekularbiologe Matthieu Ricard. Der buddhistische Mönch studiert mit Hirnforschern die Wirkung von Meditation auf das Gehirn - mit Erfolg. Zahlreiche Experimente zum Geistestraining weisen nach, dass die individuelle Wandlung möglich ist. Meditationsübungen an Schulen in Problemvierteln zeigen bereits überraschende Erfolge im Sozialverhalten und im Kampf gegen Aggressionen. Längerfristig besteht das Ziel darin, eine breitere Bewegung auch über den Bildungs- oder Gesundheitssektor hinaus anzustoßen.
Manche Ökonomen setzen große Hoffnungen in die Wandlungsfähigkeit unserer Gesellschaft. So haben sich Wirtschaftsexperten auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos ein neues Thema auf die Fahne geschrieben: Achtsamkeit. Seinen Geist der Güte zu öffnen und sich in humanitären Projekten zu engagieren, ist aus ihrer Sicht eine Win-win-Situation, die auch für die moderne Wirtschaft keine Utopie bleiben soll“.
"Die Arte-Sendung zum Thema"
"Das Arte-Dossier zum Thema"
"Das Buch 'Fairness' zum Thema mit Grundlagen, Analysen und Anwendungshinweisen"
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08.02.2016 16:04
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Wir trauern um Roger Willemsen: Unser Unterstützer der ersten Stunde
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Roger Willemsen ist gestern, am 7. Februar 2016, an Krebs gestorben. Wir verlieren einen wunderbaren Menschen und Unterstützer für die Fairness-Stiftung.
2001 moderierte Roger Willemsen unsere erste Feier der Verleihung des Deutschen Fairness Preises. Preisträger war Prof. Dr. Dr. Horst-Eberhard Richter, der 2011 mit 88 Jahren starb. Und Willemsen moderierte unser erstes Internationales Fairness-Forum 2001 zum Thema „Zu welchem Preis? Licht- und Schattenseiten von Führungspositionen in Wirtschaft und Gesellschaft“. Dank seines fulminanten Horizonts, seiner herausragenden Moderationsfähigkeit und seiner brillanten Eloquenz hat Roger Willemsen zum Auftakt unserer großen Veranstaltungen beigetragen und damit 15 Jahre erfolgreiche Preisverleihungen und Fairness-Foren eröffnet.
In der Erstausgabe des Fairness-Reports 2001 gab Willemsen ein Aufsehen erregendes Interview zu „Wie die Quote die Fairness erschlägt“ (siehe Link unten). Er zeigte darin, in welcher Spannung Fairness und Erfolg in Massenmedien stehen. Was heute durch Facebook und Twitter noch deutlicher wird als seinerzeit allein durch TV und Presse. Von Spannung kann schon fast keine Rede mehr sein. Wer die Hasstiraden und Attacken in den sogenannten Social Media verfolgt, wird nicht umhin können, die Bedeutung von Fairness in den Massenmedien skeptisch zu sehen. Es wäre ein tolles Vermächtnis, mehr Fairness-Bewusstsein in solchen Medien voranzubringen und Fairness wirksam zu machen.
Dr. Roger Willemsen war in zahlreichen Hilfsorganisationen tätig, z. B. bei Amnesty International und Terre des Femmes. Zugleich arbeitete er als Botschafter der von CARE International und UN-Flüchtlingshilfe gemeinsam verwirklichten Afghanistan-Kampagne "Helfen steckt an". Seit dem Frühjahr 2006 war Roger Willemsen Schirmherr des Afghanischen Frauenvereins e. V., der seinen Sitz in Deutschland hat und für den er sich persönlich sehr engagierte. 2006 erschien sein Buch „Hier spricht Guantánamo“, in dem er ehemalige Guantanamo-Häftlinge über ihre Haftumstände interviewt. Willemsen hat die Aktion „Deine Stimme gegen Armut“ unterstützt, war Pate des Kinderhospizes Bethel für sterbende Kinder und Mitglied der globalisierungskritischen Vereinigung Attac.
Wir verlieren einen vielseitig talentierten, sozial engagierten und künstlerisch-empfindsamen Menschen, der uns etwas zu sagen und der Welt Wichtiges zu deuten hatte. Er sprach uns Mut zu, die Fairness-Stiftung und das Fairness-Anliegen mit langem Atem voranzubringen. Er gehörte zu den bekanntesten deutschen Intellektuellen. Roger Willemsen war am 15. August letzten Jahres 60 Jahre alt geworden. Kurz danach hatte er alle Verpflichtungen und Veranstaltungen wegen einer Krebserkrankung abgesagt und sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Wir drücken seinen Angehörigen unser Mitgefühl aus.
"Roger Willemsen moderiert die Verleihung des Deutschen Fairness Preises an Horst-Eberhard Richter"
"Roger Willemsen moderiert das Internationale Fairness-Forum"
"Roger Willemsen über die Quote, die die Fairness erschlägt"
"Roger Willemsen im Rundfunk-Gespräch über Gott, den Papst und soziales Engagement: „Ich würde gerne glauben“
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13.01.2016 11:38
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Rote Karte im Verkehr
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Aggression, Egoismus und Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr: Unfairness massenhaft. Der ADAC hält aggressives Verhalten auf deutschen Straßen für Alltag. Mitgliederbefragungen des ADAC haben gezeigt: Acht von zehn Autofahrern empfinden egoistisches und rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr als besonders belastend. Ärger entsteht vor allem, weil sich Verkehrsteilnehmer – ob absichtlich, fahrlässig oder versehentlich – nicht an die Verkehrsregeln halten. Doch was der ADAC nicht erwähnt: die Rechthaberei im Straßenverkehr trägt mit dazu bei, wenn Verkehrsteilnehmer anderen wegen Fahrfehler oder unfairem Verhalten gleich Mores lehren wollen. Und: die Werbung für leistungsstarke, sportive Autos sowie die erhöhte Sitzposition in SUV schaffen Überlegenheitsgefühle und –bedürfnisse, die im Verkehr ausgelebt werden. Man sehe sich nur die TV-Autowerbung an. Werbung für faires Fahrverhalten ist etwas anderes.
Der ADAC hat einen Verhaltenskodex – einen „Knigge“ für die Straße – für ein faires Miteinander zusammengestellt: - Blickkontakt: "Straßenverkehr findet über Kommunikation statt. Ohne Blickkontakt mit anderen Verkehrsteilnehmern kann das Miteinander nicht funktionieren. Deshalb sollte stets der Blick nach draußen die Kommunikation ermöglichen – zu anderen Autofahrern, Radfahrern, Fußgängern und vor allem zu Kindern. - Handzeichen: Im Straßenverkehr kommen zahlreiche Gesten zum Einsatz – oft sind es jedoch nur die beleidigenden. Mit freundlichen Handzeichen hingegen lässt sich Danke sagen, entschuldigen oder loben. - Blinken: Fahrmanöver ausführen, ohne zuvor andere Verkehrsteilnehmer darüber zu informieren, erzeugt zwangsläufig Ärger. Deswegen muss, etwa beim Abbiegen oder Spurwechseln, zwingend geblinkt werden. - Zeit einkalkulieren: Häufig lösen Stress und Termindruck aggressives Verhalten aus. Oft genügt schon ein Stau, dass Sicherungen bei Autofahrern durchbrennen. Tipp des ADAC: Einige Minuten zusätzlich als Sicherheitsplus einkalkulieren, frühzeitig starten und entspannt ans Ziel kommen". Zu ergänzen wäre: - Vorteil gönnen: es geht im Verkehr nicht primär um's Recht haben, sondern um heil und gesund am Ziel anzukommen. Dazu gehört auch, aggressives Fahren durch rücksichtsvolles ersetzen, auch dem anderen Verkehrsteilnehmer einen Vorteil gönnen und nicht um Biegen und Brechen streitig machen. Denn das sind oft die Ursachen für Karambolagen, wo weder Nebel noch Regen noch Schnee und Eis den Verkehr beeinträchtigen, sondern nur der Mensch allein.
Gute Tipps für mehr Fairness im Verkehr. Doch wie sieht’s mit der Fairness im ADAC-Verein aus? Es gibt eine Reihe von Personal- und Strukturentscheidungen, die ihre Bewährungsprobe noch vor sich haben. Und eine Orientierungsänderung wäre auch ratsam: Nicht die freie Fahrt für freie Bürger propagieren und den Autosport sponsern, sondern für mehr Fairness im ADAC und auf der Straße aktiver und deutlicher eintreten – auch mal mit weniger Geschwindigkeit, mehr Fußgefühl und Achtsamkeit.
"Verkehrs-Knigge"
"Reformentscheidungen im ADAC"
"Wer das Reglement im ADAC überwacht"
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04.01.2016 11:57
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Ist der Sinn für Fairness kulturell verschieden geprägt?
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Der Sinn für Fairness ist nicht in allen Kulturen gleichermaßen ausgebildet. Am stärksten reagiert das eigene Fairness-Empfinden, wenn man selbst von Unfairness betroffen ist. Und dass scheint es in allen Kulturen zu geben. Doch ein Fairness-Gespür für die Unfairness anderen gegenüber gibt es nur in wenigen Kulturen und ist sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Studien hatten bisher schon bei Kindern im Alter von drei bis fünf Jahren nachgewiesen, dass sie einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn haben und sich auch für die Opfer von Ungerechtigkeiten einsetzen. Allerdings waren die bisherigen Studien vor allem auf westliche Kulturen konzentriert und hatten andere Kulturkreise nicht genügend berücksichtigt. Unklar war deshalb bisher, ob sich der scheinbar weltweit vorhandene Sinn für gerechtes Teilen bei Kindern aller Kulturen auf dieselbe Art und in vergleichbarem Alter entwickelt.
Der Psychologe Peter Blake von der Boston University und seine Kollegen wiesen nun durch Untersuchungen mit Hilfe von Süßigkeitsverteilungen nach, dass der Gerechtigkeitssinn bei Kindern von der Kultur abhängt. Alle Kinder pochen vor allem dann auf Gerechtigkeit, wenn sie von Benachteiligung selbst betroffen sind. Nur in wenigen Kulturen protestieren sie gegen unfaire Verteilungen, die ihnen selbst einen Vorteil bringen. Ein Sinn für Gerechtigkeit existiert demnach in allen Kulturen – er entwickelt sich aber in unterschiedlichem Alter und auf unterschiedliche Weise, beschreiben die Forscher im Journal "Nature".
Die ersten Unterschiede zeigten sich je nach Alter der Kinder: Jüngere Kinder wiesen schnell Verteilungen zurück, bei denen das andere Kind mehr erhielt als sie selbst. Ab einem Alter von etwa acht Jahren verwarfen die Kinder aber auch dann die Süßigkeiten, wenn das andere Kind deutlich weniger als sie erhalten sollte. „Es war ein ziemlich überraschendes Resultat, dass Kinder ein solches Opfer eingehen“, meint Blake. „Als wir sie nach dem Grund fragten, sagten sie, es sei nicht fair“.
Die Untersuchungen fanden in der Bostoner Region statt sowie an insgesamt bei über 1.600 Kindern aus Kanada, Indien, Mexico, Peru, Senegal, Uganda und den USA. Die Experimente mit den Kindern zwischen vier und fünfzehn Jahren ergaben. Sobald das andere Kind weniger Süßigkeiten erhalten sollte, zeigten sich jedoch überraschenderweise nur Kinder aus Kanada und den USA sowie aus Uganda solidarisch und verzichteten aus Fairness-Gründen auf den eigenen Vorteil. Die Forscher nehmen daher an, dass der Sinn für diese Form der Ungerechtigkeit eher kulturell geprägt ist, als der universell vorhandene Widerstand gegen den eigenen Nachteil.
Den Forschern war es wichtig zu betonen, dass ihre Ergebnisse nicht zwangsläufig bedeuten, bestimmte Kulturen seien egoistischer als andere. „Wir behaupten nicht, dass die Abneigung gegen den eigenen Vorteil durch Ungleichheit in diesen Kulturen nicht existiert“, sagt Studienleiter Felix Warneken von der Harvard University in Massachusetts. „Es kann sein, dass Kinder in den USA und Kanada schon früh darauf gebracht werden, und dass es in anderen Kulturen erst später auftritt“. Die teilnehmenden Kinder aus Uganda waren außerdem an ihrer Schule auch von westlichen Lehrern unterrichtet worden, was sie entsprechend kulturell mitgeprägt haben könnte.
„Ein wichtiger Hinweis ist, dass wir nur eine begrenzte Zahl Kulturen überprüft haben“, fügt Erstautor Blake hinzu. „Wir haben zum Beispiel keine Jäger-und-Sammler-Kulturen untersucht. So ist es gut möglich, dass wir dieses Phänomen auch in solchen Kulturen antreffen“. Die bisherigen Ergebnisse seien jedoch ein wichtiger erster Schritt, die kulturellen Ursprünge des Gerechtigkeitssinnes besser zu begreifen. Die gefundenen Unterschiede und Prozesse sollen auch die Auswahl untersuchter Kulturen in zukünftigen Studien erleichtern.
Quelle: Nature, 2015; doi: 10.1038/nature15703; Harvard University / Boston College, 23.11.2015 - AKR
"Ist Fairness kulturabhängig?"
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01.10.2015 14:24
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Fair Day mit Sina Trinkwalder, Harald Welzer, den Digitalen Helden, Jürgen Stellpflug und Sabine Ferenschild
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Am 31.10. wird in Frankfurt der Deutsche Fairness Preis 2015 sowie der Fairness-Initiativpreis 2015 verliehen. Außerdem wird beim Fairness-Forum in Frankfurt am gleichen Tag die Frage behandelt: Unsere Kleidung: wie unfair ist sie – wie fair kann sie sein?
Sina Trinkwalder, Gründerin und Unternehmerin von manomama, erhält den diesjährigen Deutschen Fairness Preis dafür, dass sie überzeugend und vielseitig Fairness praktiziert: im Umgang mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit ihren Lieferanten, mit Umwelt und Natur, mit der Öffentlichkeit und mit Fairness-Washing. Mit ihrem Einsatz für auf dem Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen und gegen Fairness-Washing setzt sie in ihrem Unternehmen manomama vorbildliche Signale für eine umfassend verstandene Fairness-Praxis. Prof. Dr. Harald Welzer wird die Laudatio halten.
Der Fairness-Initiativpreis geht an die Digitalen Helden: SchülerInnen der Jahrgangsstufe 8 und 9. Digitale Helden helfen jüngeren SchülerInnen (Jahrgangsstufe 5-6), Eltern und PädagogInnen gegen Mobbing und Stress im Internet und im Umgang mit dem Smartphone weiter (Peer Education). Außerschulische Fachkräfte wie PolizeijugendkoordinatorInnen, SchulpsychologInnen oder Medienanwalt/In bieten schnelle fachliche Hilfe im digitalen Notfall. 60 Schulen haben sich inzwischen dem Netzwerk angeschlossen.
Beim Fairness-Forum sprechen Sina Trinkwalder, der Chefredakteur vom Ökotest Jürgen Stellpflug und Dr. Sabine Ferenschild vom Südwind-Institut über die Art und Weise, wie wir mit unserer Kleidung umgehen und ob wir eine Chance haben – und wenn ja welche – zur Fairness auf dem Gebiet der Textilproduktion und der Kleidung beizutragen.
Wenn Sie das interessiert: Kontaktdaten mailen und wir schicken Ihnen einen Einladungsflyer zur kostenfreien Teilnahme zu (wobei die Veranstaltung schon zu 70 % ausgebucht ist).
"Preisträgerin Sina Trinkwalders manomama"
"Laudator Prof. Dr. Harald Welzer"
"Preisträger Digitalen Helden"
"Jürgen Stellpflugs Öko-Test"
"Dr. Sabine Ferenschild vom Südwind-Institut"
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19.08.2015 16:54
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Rücksichtnahme ist Fairness
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Juli Zeh, Juristin und Schriftstellerin, die mehrfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet und auch mit ihrem kritischen, gesellschaftlich-politisches Engagement öffentlich bekannt wurde, sagte im Interview mit dem ZeitMagazin der Zeit: Ich "habe begriffen, dass die Grundlage aller Freiheit Rücksichtnahme ist".
Das ist der Kern von Fairness, wie ihn die Fairness-Stiftung versteht. Und wie es die Bevölkerung in der repräsentativen Umfrage mit Infratest dimap für die Fairness-Stiftung herausgestellt hat und wie es im Fairness-Barometer herausgearbeitet und präsentiert wurde.
"Was Fairness ausmacht"
"Juli Zeh im ZeitMagazin 30 vom 12.8.2015
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15.07.2015 11:35
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Fairness durch Schlichtung und Schlichter?
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Im ersten Halbjahr 2015 gab es 4133 Schlichtungsfälle allein bei Flugreisen. Das sind dreimal mehr Fälle als im Vorjahreszeitraum. Das ist von der SÖP, der „Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V.“ in Berlin zu erfahren. Alle deutschen und über 30 internationale Airlines machen dabei mit. Die SÖP ist seitens der Bundesregierung für Bahn, Luftverkehr, Fernbus und Schiff anerkannt. Insgesamt sind das 250 Verkehrsunternehmen. Alle Verkehrsmittel zusammen brachten es auf 5494 Beschwerdefälle. Das ist ein Plus von 81 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Bevor Anwälte bezahlt und Gerichte angerufen werden, empfiehlt sich häufig eine Schlichtung. Bei Streitigkeiten im Privatbereich, z.B. wegen Beleidigung, Bedrohung, Verletzung des Briefgeheimnisses, können und sollten die Schiedsstellen und Schiedsämter in Anspruch genommen werden, um eine gütliche Einigung bzw. einer Kompromissbildung zu erreichen. Die Schiedspersonen sind um eine gütliche Einigung bemüht. Ein weiterer Vorteil von Schiedsverfahren gegenüber Gerichtsverfahren an Gerichten ist, dass sie kostengünstiger sind und eine zeitnahe Auseinandersetzung stattfindet. Die nachweisliche Schlichtungsquote liegt bei über 50 Prozent.
Das heißt auch: eine Schlichtung gelingt nicht immer. Beim Bahnstreik der GDL hat die Schlichtung durch Ministerpräsident Bodo Ramelow und Ministerpräsident a.D. Mathias Platzeck geklappt. Beim Streik der Kita-Mitarbeiterschaft und beim Streik der Piloten der Lufthansa bislang nicht. Denn immer müssen die Streitparteien dem Schlichtungsvorschlag zustimmen, damit er wirksam wird. Niemand muss einen Schlichtungsspruch akzeptieren, wenn er nicht will. Das Schlichtungsprinzip ist von Freiwilligkeit geprägt und zwar von Anfang bis Ende.
Der Tarifkonflikt der Kita-Mitarbeiterschaft, vertreten durch Verdi kann Mitte August wieder in Streik münden. Denn bis dahin sollen die Gewerkschaftsmitglieder über das Schlichtungsergebnis abstimmen. Das Ergebnis wird im Anschluss von einer Streikdelegierten-Konferenz beraten, die eine Empfehlung an die Verhandlungsführung unter Verdi-Chef Frank Bsirske abgeben wird. Auch der Deutsche Beamtenbund (Dbb) kündigte eine Mitgliederbefragung an. Für den 13. August haben die Tarifparteien die Fortsetzung der Verhandlungen vereinbart.
In vielen Bundesländern gibt es offizielle Schlichtungsstellen. Es gibt auch Schlichtungsstellen bei den IHK sowie in etlichen Branchen. Über den Mobbingscout sowie eine Suchmaschine wie www.Startpage.de sind die Schlichtungsstellen gut zu finden.
Schlichtung bietet in jedem Fall eine geordnete, von unabhängigen Dritten gestaltete Chance zur Fairness - für alle Seiten und Konfliktparteien.
"Schlichtungsverfahren und Schlichtungsstellen"
"Zur Beschwerdestelle der SÖP"
"Umfangreiches Beschwerdeportal des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland beim Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e.V."
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13.04.2015 13:15
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Aufschrei über unmenschliche Zustände in Kranken- und Altenpflege
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Dieser offene Brief einer seit 6 Jahren im Gesundheitsbereich und in der Kranken- und Altenpflege aktiven Fachkraft ist ein Aufschrei! weiter twittern!
AN ALLE, DIE ES ANGEHT!
Politiker, Geschäftsführungen und Träger von Altenpflegeheimen, Heimleitungen und PDLs, Heimärzte, Lehrkräfte, Pflegekräfte (Fachkräfte, Helfer, Studenten, Auszubil-dende), Betreuungskräfte, Ehrenamtliche, Angehörige und Pflegebedürftige, Menschen!
Ich bin 31 Jahre alt und seit 6 Jahren im Bereich der Gesundheits- und Kranken-pflege, sowie der Altenpflege tätig. Und ich bin wütend! Wütend als Mensch, wütend als examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, wütend als Studentin der Pflege-wissenschaft! Ich bin wütend auf ein System, wie es unmenschlicher nicht sein kann! Aber warum ist das so? Als ich heute in einem Kurs für Mitarbeiter der Pflege in an-gestrebten Leitungspositionen saß, wurde mir das Ausmaß der Katastrophe einmal mehr bewusst. Der Dozent stellte die Aufgabe, in einem Zeitrahmen von 25 Minuten selbstständig darüber nachzudenken, welche Impulse im Leben dazu geführt haben, dass sich dieses in irgendeiner Art und Weise einprägsam veränderte. Während meine Antwort in nicht mehr als 10 Sekunden feststand, dachte der Rest der Gruppe weiter angestrengt nach. Impulse zur Veränderung kamen stets aus meinem Inneren. Unzufriedenheit und letztlich Wut über ein System, welches ich nicht begreifen kann, ließen mich als Pflegekraft nicht wegschauen. Ich handelte! Die Gruppe jedoch war sich einig. Wenn sich in ihrem Leben bislang etwas verändert hat, dann weniger aus eigenem Antrieb, sondern mehr aus einer von außen vorgegebenen Notwendigkeit. Rückblickend lässt mich das erschauern, ein Teufelskreis zeichnet sich ab. Wenn sich das System der Altenpflege nicht verändert, dann wird sich die Arbeit derer, die sie tun, nicht ändern. Wer aber soll die Bedingungen verbessern, wenn keiner einen Antrieb dazu verspürt? Sind wir wirklich alle so? Ich sage NEIN! Und brauchen wir die, die einfach nichts verändern wollen? Ich sage NEIN! Wir brauchen sie nicht!
Was also müssen wir tun?
Wir müssen zu Dingen stehen, die wir sagen. Wir müssen aufhören uns in der Anonymität zu verstecken! Es darf nicht sein, dass kaschiert, gefälscht und gelogen wird, wenn Fehler passiert sind, wenn ein firmeninternes Audit stattfindet oder davon ausgegangen wird, dass wahrscheinlich bald wieder der MDK zu Besuch kommt. Und es darf nicht sein, dass man - aus Angst vor Repressalien oder gar eines Ver-lustes des Arbeitsplatzes - Missstände oder Mängel anonym zur Anzeige bringen muss. Warum wird ein firmeninternes Audit angekündigt? Die Antwort hierauf kann nur sein, dass man nicht an der Wirklichkeit interessiert ist. Bereits Wochen vorher werden die „Papiere“ in Ordnung gebracht und das Haus und die Bewohner auf Hochglanz poliert. Was das ganze Jahr gut genug war, ist auf einmal nicht mehr ausreichend? Ein solches Audit kann man sich im wahrsten Sinne des Wortes sparen! Warum gibt es stattdessen kein firmeninternes Anzeigenmanagement? Eine Beschwerde bei den Aufsichtsbehörden bringt im besten Fall wirklich eine Verän-derung, meistens bleibt es jedoch bei ein bis zwei unruhigen Tagen und danach ist alles wieder vergessen. Es besteht kein Interesse, Mängel zu beheben, denn dafür müsste man sich eingestehen, dass etwas gewaltig schief läuft. Eine Notwendigkeit ist dazu jedoch nicht gegeben, denn es ist ja gerade alles nochmal gut gegangen. Untragbare Mitarbeiter, welche Bewohnern mit Respektlosigkeit, seelischer Grau-samkeit, Zwang und Folter begegnen und eine Gefahr für deren Leben und Gesund-heit darstellen, müssen des Arbeitsplatzes mit sofortiger Wirkung verwiesen werden. Solche Mitarbeiter zu melden, bedeutet nicht, einen Kollegen zu verraten, es bedeu-tet, einen Bewohner oder eine Bewohnerin zu schützen! Es ist firmenintern zu signa-lisieren, dass Meldungen jeglicher Art vertraulich behandelt und ernst genommen werden. Hierfür ist ein offener Dialog aus der obersten Leitungsebene notwendig. Der Fisch stinkt vom Kopf, das wissen wir doch nun alle!
Grenzüberschreitungen sind an der Tagesordnung, seelische und körperliche Gewalt scheinen Normalität geworden zu sein. Mitarbeiter, bei denen Hopfen und Malz noch nicht ganz verloren scheint, die sich zumindest vorstellen können, was es heißt, vier Stunden mit einer vollen Blase auf einen Toilettengang zu warten, oder, dass ein in Kaffee ertränktes Stück Kuchen erstens nicht schmeckt und zweitens nicht das richtige für eine Person mit einer ausgeprägten Schluckstörung sein kann, müssen sensibilisiert, wachgerüttelt werden. Also warum anstatt eines teuren Fort- und Weiterbildungskataloges nicht einfach Selbsterfahrungskurse für die Basis veran-stalten? Warum kein Fortbildungsgremium aus internen Pflegekräften ins Leben rufen? Warum für eine solche Aufgabe nicht die sich bereits in vielen Unternehmen befindlichen Pflege-Dual-Studenten einbinden und dies im Rahmen eines Projektes gestalten? Wir brauchen keinen neuen Standard für Selbstverständlichkeiten! Wenn nichts anderes hilft, dann muss am eigenen Leib erfahren werden, wie es ist, acht Stunden in einem Rollstuhl am Tisch vor der Wand zu sitzen, stundenlang nicht zur Toilette zu können, oder zu essen, während man vom anderen Ende des Raumes schreiend darauf hingewiesen wird, zu trinken. Wer dann noch sagt, das ist doch alles nicht so schlimm, ist schlichtweg ungeeignet für diesen Beruf!
Auch im Rahmen eines Beschwerdemanagementsystems kann ich mir den Einsatz von Studenten der Pflegewissenschaft, im Sinne eines mobilen Kriseninterven-tionsteams, vorstellen. Gibt es Mängelanzeigen, kann dieses Team häuserüber-greifend tätig werden. Es geht nicht darum, einen Schuldigen zu finden, sondern zu analysieren, worin die Ursachen für eventuelle Missstände liegen. Ich muss die Ursache kennen um Veränderung zu bewirken und letztlich müssen eingeleitete Interventionen begleitet und überprüft werden. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Möglichkeit der Zusammenarbeit mit den Hochschulen hinweisen, die ein solches Projekt begleiten können.
Nicht jeder kann pflegen! Mal ganz abgesehen von der persönlichen Eignung, kann es derjenige auf keinen Fall, der über gar keine Qualifikation verfügt. Ein Kurs für Pflegeassistenten - über mindestens ein Jahr - muss das Minimum einer vorzuwei-senden Zugangsvoraussetzung zur Arbeit in der Pflege sein. Wo aber sollen nun die Arbeitskräfte herkommen, wenn die schlechten gefeuert und die ohne Qualifikation gar nicht erst eingestellt werden? Zunächst heißt keine Qualifikation ja nicht, dass man keine erwerben kann. Wird jemand ohne Ausbildung eingestellt, muss dieser sofort an ein Fortbildungsprogramm angeschlossen werden. Erst einmal einstellen und dann alles Weitere regeln? Nein! Denn es wird im Anschluss nichts geregelt, genauso wenig, wie nach der Einstellung über versprochene Gehaltsverhandlungen nach Beendigung der Probezeit geredet wird. Versprechen, die beim Vorstellungs-gespräch gemacht werden, müssen gehalten werden. Es kann nicht sein, dass das Ende der Probezeit stumm in die Weiterbeschäftigung übergeht und es kann nicht sein, dass bei Ablauf von befristeten Verträgen nicht gesprochen wird. Hier ist die mittlere Leitungsebene gefordert, ihren Mitarbeitern Wertschätzung zu signalisieren, denn die Mitarbeiter, die von ihrer Arbeit überzeugt sind, wünschen sich das. Alle sprechen von der hohen Fluktuation, dabei wäre es so einfach, die Guten zu halten und endlich damit anzufangen, sich von den Schlechten zu trennen. Wertschätzung müssen auch die Auszubildenden erfahren. Das fängt schlicht und einfach schon bei der Bezahlung an. Auszubildende sind zudem keine vollwertige Arbeitskraft, sie sind hilfreich, aber nicht dazu da ein Abdecken des Dienstplanes zu ermöglichen. Sicher-lich fügen sie sich den Gegebenheiten und kommen auch irgendwie zurecht, das heißt aber nicht, dass es gut ist. So beobachtete ich vor kurzem, wie zwei Schüler (erstes und zweites Lehrjahr) - aufgrund von einer Krankmeldung - auf einmal alleine die Bewohner im Frühdienst auf einem Wohnbereich versorgten. Auf Nachfragen bekam ich die Antwort: „Wir kommen klar.“ Dass im selben Moment eine Bewohnerin über den Gang taumelte, die auf den ersten Blick krank und kreislaufgeschwächt war, hatten sie den gesamten Morgen jedoch nicht bemerkt. Dies ist kein Vorwurf an die Auszubildenden, sondern an die Verantwortlichen. Gerade in der Ausbildung ist es wichtig zu erfahren, was Altenpflege bedeutet. Auch hier schlage ich kleine Pro-jekte vor, die man in die Hand der Auszubildenden geben kann. Das Organisieren kleiner Feste, die Betreuung von Bewohnern auf Ausflügen, eine Zuständigkeit für die Geburtstage der Bewohner, oder das Bilden eines „Pflegezirkels“, der sich mit Problemen der Grundpflege in der eigenen Einrichtung (z.B. Mundpflege oder Wahren des Schamgefühls) auseinandersetzt, eingreift und zeigt wie es gehen kann. Wer kann dafür besser geeignet sein, als unsere Auszubildenden? Das Totschlag-argument „Dann fehlen sie aber im Dienstplan!“ kann ich nicht gelten lassen. Auszu-bildende fehlen auch im Dienstplan, wenn sie in der Schule sind. Ich habe noch keine Einrichtung erlebt, die für diesen Zeitraum schließen musste. Um den Gedan-ken der Wertschätzung abzuschließen, möchte ich noch zwei Punkte anmerken. Erstens: Die Bezahlung nach Leistung. Ein schöner Gedanke, den ich voll und ganz unterstütze. Die Ausführung ist jedoch mangelhaft. Von den Gehältern der Mitarbeiter soll gar nicht groß die Rede sein. Ich denke es ist nur logisch, dass sich das Gehalt einer Fachkraft stark von dem einer Pflegehilfskraft mit einjähriger Ausbildung ab-heben muss. Eine weitere Differenz muss spürbar sein, wenn ein Mitarbeiter gar keine Ausbildung hat. Wo soll sonst der Anreiz zur Qualifikation herkommen? Einen Anreiz zur guten Arbeit möchte der ein oder andere Arbeitgeber durch Gratifikations-systeme schaffen. Das Zahlen von Prämien ist eine gute Idee, die Umsetzung jedoch krankt gewaltig. Es geht schon los, dass eine Prämie ausgeschlossen ist, wenn der Mitarbeiter eine bestimmte Zahl von Fehltagen überschreitet. Aber welcher Mitar-beiter fällt denn aus? Es sind in erster Linie diejenigen, welche die Arbeit der anderen machen ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Während der Großteil des Teams mal wieder Pause macht, bleibt meist ein Dummer übrig, der Toiletten-gänge durchführt, Material sichtet und aufräumt, die Pflegewägen putzt und so weiter. Weiter fehlt es an einem System, wonach beurteilt wird, welcher Mitarbeiter in welcher Höhe prämiert werden soll. Die Aufteilung entscheidet letztendlich die Ein-richtungsleitung, die den Mitarbeiter das ganze Jahr über nicht ein einziges Mal im Dienst begleitet hat. Da bleiben nur noch die vom Qualitätsmanagement entwickelten Bewertungsbögen, wäre da nicht die „interne“ Vorgabe, dass alle Mitarbeiter mit einem „Sehr gut!“ zu bewerten sind. So hat also weder eine Pflegehilfskraft, noch ein Auszubildender und schon gar keine Fachkraft irgendein anleitungswürdiges Defizit. Also worüber rege ich mich hier eigentlich auf? Das Leben der Bewohner in unseren Heimen muss demnach traumhaft sein! Geld kann eine Art Wertschätzung sein. Geld allein motiviert aber nicht, schon gar nicht, wenn ich mich dafür nicht anstrengen muss! Gänzlich beendet ist - zum Zweiten - ein wertschätzender Umgang, wenn eine Kündigung im Raum steht. Hierbei spielt es keine Rolle, ob der Mitarbeiter das Unter-nehmen verlassen möchte oder von Seiten der Einrichtung kein Interesse mehr an einer Zusammenarbeit besteht. Um ein Gespräch wird sich gekonnt gedrückt. Wenn man Glück hat, erhält man als Vorwarnung eine SMS vom direkten Vorgesetzten über die im Briefkasten zu erwartende Kündigung. Dies berichtete mir eine exami-nierte Altenpflegerin kürzlich. Als Begründung wurde ihr ein wiederholtes Krank werden innerhalb der Probezeit benannt. Darauf, dass die Kündigung bereits mehrere Tage vor einem weiteren Dienstausfall ausgestellt war, achtete man nicht mehr.
Es reicht nicht, Chef zu spielen! Man muss es auch sein! Das betrifft nicht nur das Verhalten im Kündigungsfall, sondern auch die Fälle, in denen die das Leben und die Gesundheit der Bewohner gefährdende Umstände bekannt werden. Hierzu zählen jegliche Grenzüberschreitungen im direkten Bewohnerkontakt, aber auch dienst-gefährdende Verhaltensweisen des Personals, wie das Verlassen eines geschlos-senen Wohnbereiches zum gemeinsamen Rauchertreffen in einem anderen Ge-bäude. Von einer Abmahnung wurde hier abgesehen, da die Betroffenen immer eine so gute Arbeit machen (laut Bewertungsbogen mit Sicherheit). Wie kann es dann sein, dass sich alle Mitarbeiter eines Hauses gerade am Weihnachtsabend zur Zeit des Festessens zum Rauchen und Tratschen versammeln, anstatt mit den Bewoh-nern eine besinnliche, warme und liebevolle Zeit zu verbringen? Und wie kann ich es mir dann als Pflegekraft noch anmaßen, darüber zu jammern, wie anstrengend die Arbeit in der Pflege ist und wie schlecht die Bedingungen für das Personal sind? Ich habe noch keinen Berufszweig erlebt, in dem man von acht Stunden - sagen wir mal hoch geschätzt - effektiv vier arbeitet, aber das Gehalt für eine Vollzeittätigkeit erhält. Hier möchte ich vorwegnehmen, dass das nicht bedeutet, dass es nichts zu tun gäbe, um die acht Stunden eines Arbeitstages auszufüllen. Da wäre die Mobilisation der Bewohner. Manche verbleiben tagelang im Bett, andere verrichten den Mittags-schlaf sitzend im Rollstuhl am Tisch im Speisesaal. Wieder andere dürfen ein Nicker-chen im Bett machen, werden dann aber bis zum nächsten Morgen nicht mehr herausmobilisiert. Die Mahlzeiten werden im Eiltempo abgehalten, eine warme Suppe wird gar nicht erst angeboten oder als Basis für die gesamte Mahlzeit ver-wendet. Warum sollte man einem Bewohner zweimal das Essen eingeben, wenn man das Brot, was er eigentlich noch kauen könnte, doch auch gleich in der Suppe aufweichen kann? Warum sollte man Unterstützung bei Toilettengängen geben, wenn man dem Bewohner doch am Morgen die Einlage mit der höchsten Saugstärke angelegt hat? Warum sollte man Zeit mit dem Föhnen von langen Haaren ver-bringen, wenn man den Friseur anweisen kann, eine heimtaugliche Kurzhaarfrisur zu schneiden? Warum sollte man versuchen einem Menschen mit Demenz Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln, wenn man durch die Gabe eines Sedativums doch viel schneller wieder seine Ruhe hat? Warum sollte man überhaupt mit irgendeinem Bewohner kommunizieren? Vor allem, wenn in der Pflegeplanung aufgeführt ist, der Bewohner kommuniziert nicht mehr? Ist er tot? Sollte ich nicht wenigstens jetzt etwas unternehmen? Wie kann man sich erdreisten, bei einer solchen Arbeitsweise noch zu jammern? Das ist und bleibt mir unbegreiflich! Und wie kann ich als Pflegedienst-leitung und Einrichtungsleitung nur davor die Augen verschließen? Ein Vorgesetzter der Desinteresse vorlebt, wird Desinteresse ernten! Ein hausgemachtes Problem, kein politisches! Und herausgeworfenes Geld! Jemanden für acht Stunden bezahlen, der nur vier Stunden arbeitet? Welcher Unternehmer macht so etwas? Geld für neue Möbel einer Raucherecke ausgeben, anstatt es den Bewohnern zugutekommen zu lassen? Wofür? Für noch mehr Pausen? Für noch mehr untätiges Herumsitzen, während der ein oder andere schon ganz unruhig auf seinem Platz hin und her rutscht, weil die Blase nach drei Stunden nun doch ein wenig gefüllt ist? Ist es not-wendig, jedes Jahr neue Dekomaterialien zu kaufen? Dinge, die einfach nur irgend-wo herumstehen, können nicht kaputt gehen und weisen auch keine Abnutzungs-erscheinungen auf. Und wieso kommt neu Gekauftes nur im Eingangsbereich eines Hauses zum Einsatz? Wieso bekommen die Bewohner, die ihren Wohnbereich ohne fremde Hilfe nicht mehr verlassen können, den so wunderschönen Oster- oder Weih-nachtsschmuck nicht zu Gesicht? Wieso gibt man zu Festen Geld für Lebkuchen-herzen aus, die dann nicht für alle Bewohner reichen? Und wieso muss dann ent-schieden werden, welcher Bewohner kein Herz bekommt, weil er doch sowieso nichts mehr merkt? Wieso werden Feste nur für die Außenwirkung und nicht zum Wohle und Spaß der Bewohner organisiert? Wieso schmeißt man Geld, wovon man angeblich immer zu wenig hat, so aus dem Fenster? Und wieso bekommt man so oft zu hören, dass es eben anders nicht geht?
Ich sage es geht anders! Ich sage, es geht um ein so vieles besser für Bewohner, für Angehörige, für Mitarbeiter in Altenpflegeeinrichtungen und das, trotz verbesserungs-würdigem Pflegeschlüssel und dem in aller Munde herrschenden Fachkräftemangel, einer Argumentation auf der sich die Pflege nur zu gerne ausruht. Hier jedoch auf das Wunder der Eigeninitiative zu warten, wäre verheerend. Die Grundvoraus-setzungen müssen stimmen. Hierzu zähle ich das Gehalt, die Qualifikation, aber auch die Ausstattung, um eine vollumfängliche und gute Pflege zu gewährleisten. Als ein Beispiel hierfür möchte ich den Lifter als Mobilisationshilfe erwähnen. Meines Erachtens ist ein Lifter, sowie eine Aufstehhilfe ein Muss auf jedem Wohnbereich. Ein Gerät pro Haus ist zu wenig. Es ist nicht nur der zeitliche Aufwand, der benötigt wird, das Gerät von einem Stock in den anderen zu transportieren, es ist zudem die Tat-sache, dass man ihn dort, wo man ihn wegholt, auch braucht. Wie also wird eine Person mit Pflegestufe III mobilisiert? Man greift zu zweit unter die Achselhöhle und hebt den Pflegebedürftigen in den Roll- oder Pflegestuhl. Bewohner, die unter Kontrakturen leiden, werden - anstatt im Liftertuch - im „Waschstuhl“ geduscht, auf dem sie kaum zum sitzen gebracht werden können. Dass dies alles andere als angenehm ist, sollte sich jeder vorstellen können. Unangemessen lange Pausen-zeiten können reduziert werden, indem Arbeitsabläufe streng vorgegeben werden. Es hört sich an wie eine Maßnahme aus dem Kindergarten, ist, da aber ein Appel-lieren an den gesunden Menschenverstand zu keinem Ergebnis führt, die Ultima Ratio in diesem Fall. Hier sind besonders die Pflegedienstleitungen und Heim-leitungen als Kontrollinstanzen gefordert. Der Blick muss auf das Leben der Bewoh-ner und deren Angehörige gerichtet sein. Die Ressourcen von hilfsbereiten Ange-hörigen werden nicht genutzt, stattdessen wird es als unangenehm empfunden, wenn sich jemand besonders um seine Mutter oder seinen Vater bemüht. Auch hier gilt es, Wertschätzung zu signalisieren. Ein regelmäßiger Angehörigenabend, ein nettes Beisammensein, kann viele Blockaden lösen, da gerade in entspannter Atmosphäre versteckte Wünsche und Sorgen leichter zum Ausdruck gebracht werden. Angehörige können zudem in die Planung von Festen oder Ausflügen eingebunden werden. Wie oft höre ich, was alles nicht möglich ist, weil man nicht genug Mitarbeiter hat. Dabei bräuchte man die helfenden Hände nur mit offenen Armen empfangen. Die Mitarbeiter der Sozialen Betreuung und Beschäftigung benötigen ein größeres Wissen zu Krankheitsbildern und damit verbundenen Ver-haltensweisen, sowie frische Impulse, um im wahrsten Sinne des Wortes Leben in die Bude zu bringen. Warum kann das Frühstück am Sonntag mit Hilfe der Sozialen Betreuung und Beschäftigung nicht etwas Besonderes sein? Warum werden keine Ausflüge geplant, an denen auch stärker gehandicapte Bewohner teilnehmen können? Warum werden Trinkgelder für Trinkgelage der Pflege verwendet, anstatt einem sozial schwachen Bewohner die Teilnahme an einem Ausflug zu ermöglichen? Warum gleichen Feste einer Art Trauerveranstaltung, auf denen die Mitarbeiter nur signalisieren, dass ihnen das eigentlich alles viel zu viel Arbeit und Stress ist? Warum gibt es keinen Frühschoppen mit einem kühlen Bier für die Männer? Warum besteht ein „Italienischer Abend“ aus der Bestellung einer Pizza und ein wenig Gedudel aus dem Radio? Und warum gibt es keinen griechischen oder schlicht und ergreifend bayerischen Abend? Warum gibt es keine Tanzveranstaltung oder Geburtstagsfeiern? Warum müssen „Feste“ spätestens um 19:00 Uhr beendet sein? Warum wird der Bereich der Pflege nicht in derartige Veranstaltungen eingebunden? Warum werden Bewohner nicht in Vorbereitungen integriert? Warum gibt es keine Tiere? Warum kooperiert man nicht mit Kindergärten oder Schulen? Warum ist es nicht möglich, einmal selbst einkaufen zu gehen? Warum ist es nicht möglich, sich das Essen selbst zu wählen. Warum ist alles so lieblos, Hauptsache man hat es gemacht? Warum ist alles überhaupt nicht lebenswert? Warum gibt man beim Einzug in ein Heim sein Leben ab? Und warum wundert man sich dann, dass die Bewohner verstummen?
Ich bin fassungslos über so viel Unmenschlichkeit! Ich bin wütend auf ein System, das nicht ehrlich mit sich selbst ist! Ich bin wütend darauf, diesen Brief schreiben zu müssen!
Anika Sterr März 2015
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24.10.2014 09:44
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Pflege braucht Zuwendung und Fairness
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„Alt werden ist nichts für Feiglinge“, titelte der legendäre Joachim Fuchsberger 2010 sein vorletztes Buch, mit dem er es auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffte. Das schaffte er auch mit seinem letztes Buch „Zielgerade“ (Gütersloher Verlagshaus. 19,99 €), ehe er 87jährig vor einem Monat starb. Und hinterließ in seinem Buch den Satz: „Es ist sinnlos, über das zu klagen, was nicht mehr geht. Viel bekömmlicher ist es, sich über das zu freuen, was noch geht“.
Zu ähnlicher Einsicht kommt Malte, dem Vater von David Sieveking, der die letzten Lebensjahre seiner an der Alzheimer-Krankheit erkrankte Mutter Gretel in seinem preisgekrönten Film „Vergiss mein nicht“ dokumentiert und dazu das gleichnamige, erfolgreiche Buch verfasst hat. Davids Vater hat bis zur Erschöpfung seine Frau viele Jahre betreut. Im letzten Monat ihres Lebens sagt der Vater: „Eigentlich bin ich der Demenz dankbar. Dafür, dass ich die Liebe neu entdeckt und erkannt habe, wie schön es ist, für jemanden da zu sein“. Solche Einsichten sind längst nicht allen vergönnt, die alte und pflegebedürftige Menschen begleiten beziehungsweise ein hohes Alter erreichen.
Damit das Altsein und Pflege humane Situationen sind oder werden, engagieren sich die Pflegeexperten Claus Fussek und Gottlob Schober vielfach publizistisch, so mit ihrem Buch „Es ist genug!“, in dem sie verlangen, zwanzig Grund- und Menschenrechte für alte und pflegebedürftige Menschen zu verwirklichen, die juristisch einklagbar sein und durch Sofortmaßnahmen umgesetzt werden müssen. Für Fussek ist „schlechte Pflege Folter“. Und wer sich mit den vielfachen problematischen Tatbeständen der Pflege, mit der unzureichenden personellen Ausstattung und den rigiden Rahmenbedingungen und Vorschriften befasst, die auf Kostensparen und Gewinn, aber nicht auf humanes Pflegen und Altsein ausgerichtet sind, wird dem nicht widersprechen.
„Wen kümmern die Alten?“ fragt daher Thomas Klie, Professor für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft, um einen „Weg in eine sorgende Gesellschaft“ zu bahnen. Er stellt fest: Menschenrechtsverletzungen kommen häufig eher aus einer mangelhaften Haltung und einer unzureichenden Professionalität. Zumal die „Ökonomisierung der Pflege“, die Ausbreitung der „Pflege-Industrie“ und die Etablierung eines „Überwachungsgeist, der alle Lebensbereiche ergreift“, das Gegenteil einer humanen Pflege sind. Was jeweils als Pflegereform von der Politik verkauft wird, ist nichts anderes als Flickschusterei. Klie präsentiert eine Fülle von Schritten einer Strukturreform für eine „neue Orientierung in der Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik“, die die „Verantwortlichkeiten neu zuordnet und ernst macht mit dem Leitbild“ einer gemeinwesenorientierten, integrierenden Pflege.
Nicht selten gelten alte Menschen als Kostenfaktor unter dem Motto: „zu alt, zu krank, zu teuer“, weswegen die Wissenschaftsjournalistin Ursula Bierbaum in ihrem Buch „Der Alte stirbt doch sowieso“ den „alltäglichen Skandal im Medizinbetrieb“ ihrer Analyse und Kritik unterzieht. Da ist die Missachtung der von Fussek und Schober genannten Grund-und Menschenrechte förmlich zugreifen. Was allerdings auch im umgekehrten Fall für die „Gewalt gegen Pflegekräfte“ gilt.
Dazu bietet die Fachhochschuldozentin Birgit Panke-Kochine Informationen und Hilfen, um „problematische Situationen erkennen und lösen“ zu können. Aggressivität seitens pflegebedürftiger und alter Menschen geht häufig auf die Missachtung ihrer Grund-und Menschenrechte zurück, kann aber auch in der Person selber vorhanden sein. Es ist auch nicht ganz einfach, sich mit seinem Altwerden, seiner zunehmenden Gebrechlichkeit und Abhängigkeit von anderen einverstanden zu erklären. Daher brauchen alte Menschen, kranke und pflegebedürftige Menschen Zuwendung und Fairness; allerdings auch diejenigen, die unter oftmals schwierigen Bedingungen pflegen und helfen.
Der Soziologe Peter Gross bietet eine versöhnende Betrachtung an, in der Schwäche des Alters, der fundamentalen Müdigkeit, der deutlich spürbaren und gewussten Grenze des Lebens den Sinn zu erkennen. Das Leben auf der Welt könnte durch und mit den Alten ruhiger, weniger ungeduldig und entspannter werden. Schön wär's.
Literatur:
Ursula Biermann „Der Alte stirbt doch sowieso!“ Der alltägliche Skandal im Medizinbetrieb. Herder. 198 Seiten. 17,95 €
Claus Fussek/Gottlob Schober Es ist genug! Auch alte Menschen haben Rechte. Knaur 78644. 208 Seiten. 7 €
Peter Gross Wir werden älter. Vielen Dank. Aber wozu? Herder. 158 Seiten. 14,99 €
Thomas Klie Wen kümmern die Alten? Auf dem Weg in eine sorgende Gesellschaft. Pattloch. 256 Seiten. 18 €
Birgit Panke-Kochinke Gewalt gegen Pflegekräfte Problematische Situationen erkennen und lösen. Mabuse. 103 Seiten. 14,90 €
David Sieveking Vergiss mein nicht Wie meine Mutter ihr Gedächtnis verlor und ich meine Eltern neu entdeckte. Herder 6528. 8,99 €
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04.09.2014 12:59
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Von Natur aus fair?
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Kinder haben im Alter von sechs bis acht Jahren einen scharfen Sinn für Gerechtigkeit. Eine neue Studie zeigt erneut, dass Menschen bereits im Kindesalter einen Sinn Fairness entwickeln. Allerdings ist das Urteil über unfaires Verhalten stark davon abhängig, ob die andere Fremde oder Bekannte oder gar Freunde sind. Psychologen der Universitäten Harvard und Yale zeigten jüngst im Fachblatt PNAS (online), dass diese Parteilichkeit wohl altersabhängig ist. Während Sechsjährige Ungerechtigkeiten in der eigenen Gruppe noch milder bewerten als die von anderen, ist ihr Gerechtigkeitssinn mit acht Jahren mit mehr Objektivität versehen. Sie gehen auch dann gegen Unfairness vor, wenn sie aus den eigenen Reihen kommt.
Wie Werner Bartens in der Süddeutschen Zeitung (19.8.14) berichtete, hatten die Forscher um Jillian Jordan zunächst 32 Sechsjährige untersucht: „Die Kinder wurden nach ihrer Lieblingsfarbe in blaue und gelbe Gruppen eingeteilt, und trugen Hüte der entsprechenden Farbe. Dann schaute jeweils ein Kind zu, wie sechs Süßigkeiten zwischen einem Mitglied der eigenen und der anderen Gruppe geteilt wurden. Empfanden die "Schiedsrichter" die Aufteilung als fair, bekamen beide Empfänger die Naschereien. Wenn sie die Verteilung missbilligten, mussten die Schiedsrichter mit einer eigenen Süßigkeit die Ungerechtigkeit ausgleichen - Bonbons eines unfairen Aufteilers kamen weg. Bei den Sechsjährigen zeigte sich, dass sie weniger streng gegenüber Mitgliedern der eigenen Gruppe waren, Unfairness bei anderen jedoch streng ahndeten. In einer zweiten Versuchsreihe wurden 32 Achtjährige mit dem identischen Versuch konfrontiert. Jetzt zeigte sich, dass die älteren Kinder weniger bestechlich in ihrem Urteil waren und sich von der Gruppenzugehörigkeit kaum beeinflussen ließen. "Die Sechsjährigen waren noch nachsichtig gegenüber ihresgleichen", sagt Jordan. "Bei den Achtjährigen war hingegen deutlich zu spüren, dass sie auch dann um Gerechtigkeit bemüht waren, wenn es auf ihre eigenen Kosten ging. Sie hatten das Gefühl, dass Egoismus schlecht ist, egal ob er sich bei Mitgliedern der eigenen Gruppe zeigt oder bei Fremden." Bereits im Grundschulalter entwickeln Kinder offenbar so viel Empathie, dass sie andere als unfair behandelte Opfer ansehen können, egal wie fremd sie ihnen sind.
Die Forscher fragen sich, ob das gezeigte Verhalten kulturspezifisch für den Westen ist oder es sich um Normen der Fairness handelt, die es überall auf dem Globus gibt“. Bartens‘ Resümee: „Erneut bestätigt diese Untersuchung, dass sich Mitgefühl und Gerechtigkeitssinn schon bei kleinen Kindern finden und der Mensch nicht "von Natur aus" egoistisch ist, wie manche Ökonomen und Politiker gerne mittels biologistischer Blaupausen behaupten, um ungezügelten Wettbewerb zu rechtfertigen und Egoismus als Tugend darzustellen. Das Gegenteil ist der Fall“.
Das haben auch schon zahlreiche Untersuchungen und Experimente zuvor gezeigt (siehe in „Fairness“, Gütersloher Verlagshaus 2010). Doch es dauert wohl noch Jahrzehnte, ehe sich in der Gesellschaft die Einsicht durchsetzt, dass kooperative Gesellschaften, die auf Fairness gründen, konkurrenten Gesellschaften überlegen sind. Zumal, wenn der Wettbewerb nicht in faire Bedingungen eingebunden ist.
"Fairness" - Das Buch.
Früh übt sich fair
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08.08.2014 11:34
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Wie gefährlich und was Sexting ist
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Cyber-Mobbing wird zu Sexting. „High-Tech-Flirts“ werfen ihre Schatten – mit teils dramatischen Folgen. Junge Menschen sind besonders gefährdet. Der Begriff Cyber-Mobbing hat sich eingebürgert, wenn beim Mobbing das Internet eine zentrale Rolle spielt. Allerdings ist vieles, das mit Cyber-Mobbing gemeint wird, dem später erläuterten öffentlichen Bloßstellen (Shaming) oder einer Diffamierungskampagne (Defaming) zuzuordnen. Die Wortergänzung Cyber wird auch gesetzt, wenn etwa bei Stalking oder Bullying das Internet die benutzte Waffe ist. So kommt es zum Begriff Cyber-Bullying. Die sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen im Internet wird auch als Cyber-Grooming bezeichnet. In der Folge davon kann es zu Straftaten an Minderjährigen wie etwa zu kinderpornographischen Aufnahmen oder zu sexuellem Missbrauch kommen. Das Internet hat die Reichweite und Perfidie von Mobbing verändert, vor allem wegen der Anonymität. Die Wirkung ist dadurch oftmals noch gravierender.
Als Variante des Cyber-Mobbing wird das Sexting verstanden. Unter Sexting ist die private Verbreitung erotischen Bildmaterials vom eigenen Körper über Mobiltelefone, insbesondere Smartphones, zu verstehen. Das aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum stammende Verbundwort setzt sich aus Sex und texting (engl. etwa: „Kurzmitteilungen verschicken“) zusammen. Sexting erfolgt bei Teenagern und jungen Erwachsenen durch Fototausch. Häufig wird zur Verbreitung Snapchat benutzt, eine Instant-Messaging-Anwendung für Smartphones und Tablets. Die mit ihr verschickten Fotos sollen nur eine bestimmte Anzahl an Sekunden sichtbar sein und sich dann selbst zerstören. Es ist jedoch mit relativ einfachen Mitteln möglich, versendete Dateien innerhalb der Ordnerstruktur des genutzten Gerätes zu finden und wiederherzustellen.
In Deutschland kann Sexting bei Minderjährigen einen Verstoß gegen §184b oder §184c StGB begründen. Während laut ersterem sexuelle Darstellungen von Kindern unter 14 Jahren ausnahmslos verboten sind, lässt §184c im Fall sexueller Darstellungen Jugendlicher zwischen 14 und 17 eine Straffreiheit zu für den Fall, dass das fragliche jugendpornografische Material „im Alter von unter achtzehn Jahren mit Einwilligung der dargestellten Personen“ hergestellt wurde. Da jedoch insbesondere der §184c erst seit November 2008 Rechtsgültigkeit hat, bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt abzuwarten, wie die deutsche Rechtsprechung diese neue Norm auf die Problematik des „Sexting“ anwenden wird. Verharmlost wird Sexting bisweilen als „High-Tech-Flirt“ ansehen. Bereits ein Drittel deutscher Teenager haben Nacktfotos auf ihrem Handy. Doch nicht nur die Mädchen auf den Fotos, sondern auch wer derartige Dateien besitzt, kann große Probleme bekommen.
Neuerdings ist auch von Straining die Rede. Straining ist eine Spielart von Mobbing. Allerdings kann Straining bereits dann vorliegen, wenn nur eine einzige feindselige Handlung begangen wurde, sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Straining liegt vor bei erzwungenem Stress am Arbeitsplatz, wenn das Opfer zumindest einer Maßnahme unterzogen wird, die eine negative Auswirkung auf seine Arbeitsbedingungen hat und über einen längeren Zeitraum andauert. Dabei ist das Opfer in ständiger Unterlegenheit gegenüber dem Täter (Strainer). Straining wird vorsätzlich gegen eine oder mehrere Personen ausgeübt.
Durch Straining wird das Opfer einem deutlich größeren Stress-Niveau ausgesetzt als durch diese Arbeit in der Regel verursacht wird. Der Stress-Pegel liegt dabei deutlich höher als der von Kollegen mit gleicher Qualifikation, gleicher Tätigkeit oder vergleichbarer Beschäftigung. Diese feindselige Handlung muß eine dauerhafte und konstante Folge der Arbeitsbedingungen nach sich ziehen. Das Opfer von Straining leidet deshalb unter mindestens einer feindlichen Handlung, die nicht abgeschlossen ist, sondern deren negative Auswirkungen langfristig und konstant das Arbeitsleben des Opfers beeinträchtigen. Was als Straining anzusehen ist, ist oft subjektiv und noch schwieriger als das üblicherweise Mobbing genannte Verhalten zu identifizieren.
Mehr zu Formen unfairer Attacken
Instrumente unfairer Attacken
Hilfen auch für junge Menschen und Lehrer
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13.06.2014 11:26
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Fairness und Fairplay nicht nur in Brasilien
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Es geht wie im Fußball in Brasilien auch um Fairness und Fairplay in der Gesellschaft. Alt-Bundespräsident Horst Köhler, Gerichtsmediziner und Tatort-Akteur Joe Bausch, Schauspielerin Eva Habermann und Schauspieler Peter Lohmeyer, Kabarettist Frank Goosen und andere engagieren sich bei der Aktion „Steilpass“. Sie wurde von katholischen Verbänden gemeinsam ins Leben gerufen. Und verdient Unterstützung, etwa durch Ihre Teilnahme an einer Petition.
Ansatz und Anliegen der Aktion Steilpass:
„Im Fußball gelten klare Regeln: Fouls und Abseits werden geahndet, bei harten und wiederholten Fouls gibt es die Rote Karte, die Dauer des Spiels ist klar festgelegt und die Schiedsrichter achten auf die Einhaltung der Regeln.
In Brasilien fragen sich die Menschen im Jahr der Fußball-Weltmeisterschaft, warum das Land zwar in der Lage ist, Milliarden Euro in den Neubau von Fußball-Arenen zu investieren, es aber zum Beispiel nicht schafft, für alle Menschen im Land eine bezahlbare und funktionierende Gesundheitsversorgung, ein Nahverkehrssystem und angemessene Bildungsangebote einzurichten. Im Vorfeld der WM haben bereits Millionen Menschen in Brasilien auf den Straßen für mehr Gerechtigkeit demonstriert. Das Aktionsbündnis „Steilpass“ fordert daher, gemeinsam mit der Brasilianischen Bischofskonferenz (CNBB) und der Brasilianischen Ordenskonferenz (CRB) die Einhaltung von zehn Regeln für ein Fairplay für alle:
1) Menschenwürdige Arbeit für alle schaffen Jeder Mensch hat ein Recht auf Arbeit, ungeachtet seiner Herkunft, Religion oder seines Geschlechts. Wir fordern einen diskriminierungsfreien Zugang zum Arbeitsmarkt und die Möglichkeit für alle, ihre Fähigkeiten zu entfalten und von ihrer Arbeit leben zu können.
2) Zugang zu ganzheitlicher Bildung erwirken Bildung ist ein Grundrecht für alle Menschen. Eine ganzheitliche Bildung ist die Voraussetzung für die Beteiligung aller bei der Gestaltung der Gesellschaft. Wir fordern daher eine angemessene Bildung für alle Menschen, damit sie ihre demokratischen Rechte und ihre demokratische Verantwortung wahrnehmen können.
3) Demokratische Kontrolle der Justiz garantieren In allen Gesellschaften hat jeder Mensch ein „Recht auf Recht“. Wir fordern, dass die Justiz unabhängig arbeiten kann und der Rechtsordnung verpflichtet ist.
4) Gerechte Land- und Agrarreform umsetzen Nachhaltig Wirtschaften heißt: Die Nutzung von natürlichen Ressourcen auf ein verträgliches Maß begrenzen und den Menschen, die auf dem Land leben und arbeiten, ein neues menschenwürdiges Leben ermöglichen. Wir fordern den Schutz von bäuerlichen Kleinbetrieben durch eine gerechte Landreform und eine gerechte Verteilung der natürlichen Ressourcen.
5) Demokratische Kontrolle der Medien einführen Medien haben ein Recht auf objektive Berichterstattung. Die Monopolisierung der Medien oder deren Manipulation durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Partikularinteressen schadet der Demokratie. Wir fordern Medienvielfalt und eine wirkungsvolle demokratische Kontrolle sowie Selbstkontrolle der Medien.
6) Jugend fördern und vor Gewalt schützen Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf eine gesunde und gute Entwicklung ihrer Persönlichkeit. Wir fordern einen Kinder- und Jugendschutz, der sie stärkt und ihre Unversehrtheit sicherstellt sowie eine Präventionsstrategie, die Kinder und Jugendliche vor Gewalt bewahrt.
7) Kulturelle Vielfalt der Völker bewahren In demokratischen Gesellschaften ist es wichtig, dass die kulturelle Vielfalt als Chance zur Teilhabe und Mitbestimmung aller genutzt wird. Wir fordern, die kulturelle Vielfalt besonders der Minderheiten zu achten und zu schützen.
8) Korruption bekämpfen und Transparenz schaffen Für unsere Gesellschaften ist es unabdingbar, Machtmissbrauch und Korruption auf allen Ebenen gesellschaftlichen Handelns zu unterbinden. Wir fordern eine Bekämpfung von Korruption, die Offenlegung und unabhängige Kontrolle von Finanzen und Haushalten öffentlicher Einrichtungen.
9) Zivilgesellschaftliches Engagement unterstützen Wir brauchen demokratisch legitimierte Formen der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Initiativen vor Ort und selbstorganisierte Zusammenschlüsse sollten vorrangig vor staatlichen Initiativen gefördert werden. Wir fordern, dass auf den unterschiedlichen Ebenen Bürger demokratische Formen der Mitbestimmung und Beteiligung erhalten.
10) Gesundheitsversorgung für alle gewährleisten In unseren Gesellschaften ist es wichtig, dass Menschen befähigt werden ihre Gesundheit zu erhalten und zu fördern. Wir fordern eine gerechte Verteilung der Zugänge zu Lebensmitteln und Wohnraum, Vorschriften zum Schutz der Menschen bei der Arbeit und eine angemessene Gesundheitsversorgung und Versorgung mit Wohnraum für alle“.
Unterschreiben Sie die Bürgerpetition mit, um dem Anliegen für mehr Fairness und Gerechtigkeit Rückhalt zu geben: "Hier geht's zur Petition!"
Zu Aktion Steilpass: "Das Aktionsbündnis"
Zur Fairness von Unternehmen von Aldi bis Zalando: "Der Fairness-Check"
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04.06.2014 15:31
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Unfaire Attacken im Staatsauftrag
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Spannend und erschreckend wie ein Horrorfilm: das ist Glenn Greenwalds Buch „Die globale Überwachung“, in dem er nicht nur über den „Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen“ (Droemer. 366 Seiten. 19,99 €) schreibt. Sondern auch über die Mentalität der Geheimdienste, ihre elektronische Durchdringung von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik sowie über die globale Zusammenarbeit der „fünf Augen“.
Die „Five Eyes“ meint im Geheimdienstjargon die kooperierenden Geheimdienste von Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland unter Führung des NSA, der Nationalen Sicherheitsbehörde der USA (National Security Agency). Sie arbeitet auch mit deutschen Geheimdiensten zusammen.
Edward Snowden ist jener ehemalige Geheimdienstmitarbeiter, der als Whisteblower der NSA 80.000 Dateien mit geheimsten Dokumenten entwendete, um die NSA-Aktivitäten belegen zu können. Und der durch die Weitergabe an Greenwald, der Jurist, Verfassungsrechtler und Journalist ist, zusammen mit dem Reporter Ewen MacAskill von der britischen Zeitung The Guardian und der Dokumentarfilmerin Laura Poitras für den größten Spionageskandal der Geschichte sorgte. Greenwald schildert die Geschichte vom Erstkontakt mit Snowden bis hin zu den Methoden und perfiden Gewohnheiten der Geheimdienste, von ihren Macht- und Beherrschungsstrategien.
Was auf der Strecke bleibt, ist die Privatsphäre der Menschen weltweit, die den Geheimdiensten nichts wert ist. Sie gehört aus Sicht der NSA abgeschafft. Massenüberwachung, Fehlinformationen, gefälschte Personenprofile, Rufmord und Presseknebelung sind an der Tagesordnung.
Was sind die Fakten? Wie werden weltweit Menschen ausspioniert? Judith Horchert und Ole Reißmann von Spiegel-Online haben das zusammengefasst:
"• Telefon: Wer telefoniert mit wem? Solche Metadaten sammelt die NSA, auch innerhalb der Vereinigten Staaten. Das Geheimgericht Foreign Intelligence Surveillance Court (Fisc) erlaubt die Überwachung der Verkehrs- oder Metadaten. Ein Programm namens "Mystic" sammelt in Mexiko, Kenia und den Philippinen die kompletten Metadaten. Auf den Bahamas und in einem weiteren Land werden außerdem sämtliche Handygespräche abgehört. • SMS: Weltweit hat die NSA Textnachrichten gesammelt. Laut einem Dokument aus dem Jahr 2011 waren es 200 Millionen am Tag, offenbar auch von Amerikanern und Briten. Der Codename des Programms war demnach "Dishfire". • Internet: Der britische Geheimdienst GCHQ zapft die Glasfaser an, über die der weltweite Datenverkehr läuft. Im Rahmen des "Tempora"-Programms hängen die Spione an 200 wichtigen Internet- und Telefonverbindungen, können 46 davon gleichzeitig komplett überwachen und den Datenstrom zwischenspeichern. 300 Analysten suchen in den Daten nach Spuren, bei der NSA nochmal 250 weitere. • Internetdienste: Nicht nur Datenströme werden angezapft, auch soziale Netzwerke und die Angebote großer Webfirmen wie Google oder Yahoo. "Prism" ist der Name eines mächtigen Programms, das den Analysten Zugriff auf Chats, E-Mails, Fotos und Videos verschafft. Der britische Geheimdienst schaffte es, sich von 2008 bis mindestens 2012 in den Yahoo-Videochat einzuklinken und Millionen Webcam-Bilder zu speichern.
Neben der Massenüberwachung gibt es gezielte Spionage gegen mutmaßliche Terroristen sowie zu politischen und wirtschaftlichen Zwecken. Dabei werden einzelne Personen und deren Umfeld überwacht - wie zum Beispiel Kanzlerin Angela Merkel. Bei den gezielten Angriffen helfen auch die Daten aus dem großen Schleppnetz.
Außerdem werden Netzwerke, Computer und Handys verwanzt. • Industriespionage: Die NSA spioniert Chinas Staatsführung und wichtige Konzerne aus. Auch Brasilien wird massiv überwacht. • Staatsoberhäupter: China, Brasilien und auch Mexiko sind im Visier der NSA. In Mexiko wurde im Jahr 2010 das Netz des Präsidenten infiltriert, und Handys wurden abgehört. • Merkels Handy: Das Handy von Angela Merkel steht anscheinend seit 2002 auf einer Liste mit Aufklärungszielen der NSA, die der SPIEGEL einsehen konnte. Die in der NSA-Affäre bis dahin wenig engagierte Kanzlerin beschwerte sich daraufhin direkt bei Präsident Barack Obama. Auch Gerhard Schröder wurde offenbar abgehört. • EU-Vertretungen: In einem streng geheimen Papier aus dem Jahr 2010 ist von NSA-Wanzen in der diplomatischen Vertretung der Europäischen Union in Washington die Rede. Angriffe gab es offenbar auch auf das interne Netzwerk. Der britische Partnerdienst hackte den Telefonanbieter Belgacom, bei dem EU-Institutionen Großkunden sind. • Zugriff über Firmen: Für seine Datensammelei bedient sich der Geheimdienst unter anderem an den riesigen Datenschätzen der großen Internetfirmen - ob sie nun dabei behilflich sind oder nicht.
Schon in einer der ersten Enthüllungen war die Rede davon, dass die NSA Zugriff auf Server von Microsoft, Google, Facebook und Apple hat. Für das Programm "Prism" wurden US-Konzerne offenbar vom amerikanischen Geheimgericht Fisc zur Zusammenarbeit und gleichzeitig zur Geheimhaltung verpflichtet. Yahoo hatte sich nach eigenen Angaben zunächst gegen die Herausgabe von Nutzerdaten gewehrt - ist aber vor dem Geheimgericht schließlich gescheitert. Andere Firmen geben der NSA offenbar freiwillig wertvolle Tipps, etwa über Schwachstellen in den eigenen Produkten. • Zugriff über die Infrastruktur: Der britische Geheimdienst GCHQ etwa späht den weltweiten Internetverkehr in ganz großem Stil aus: Er zapft die Glasfaserkabel an, durch die der transatlantische Datenverkehr abgewickelt wird. Edward Snowden selbst nannte das britische Spähprogramm "Tempora" "das größte verdachtslose Überwachungsprogramm in der Geschichte der Menschheit". • Durchsuchung per "XKeyscore": Wer so viel sammelt, braucht gute Suchprogramme, um in den Datenbergen überhaupt etwas zu finden. "XKeyscore" ist ein mächtiges Werkzeug, mit dem die Analysten die Kommunikationsinhalte bequem durchsuchen können. So können sie zum Beispiel die E-Mails von einer bestimmten Adresse lesen oder sich ansehen, was eine bestimmte Person in letzter Zeit gegoogelt und im Netz angesehen hat oder welche Nachrichten im privaten Facebook-Postfach liegen. • Angriff auf Verschlüsselung: Wer seine Kommunikation vor dem Zugriff von Hackern und Spähern sichern will, der verschlüsselt. Doch selbst hier verspricht längst nicht alles Schutz vor dem Geheimdienst: Dokumente aus dem Snowden-Fundus zeigen, dass die NSA bestimmte Verschlüsselungstechniken umgehen kann und gezielt Standards schwächt. Das gilt allerdings nach bisherigem Wissensstand keineswegs für jede Form der Verschlüsselung. Experten raten weiterhin dazu, beispielsweise E-Mails per PGP zu verschlüsseln. • Zugriff per Angriff: Die Enthüllung des NSA-Programms "Quantumtheory" hat gezeigt, wie die NSA weltweit Rechner hackt und neben dem Internet ein eigenes Schattennetz betreibt".
Wie Sascha Lobo, ein ehemals glühender Anhänger des demokratiefördernden Internets kürzlich daher resigniert resümierte: "Das Internet ist kaputt!". Wer hat es zerstört? Vermeintlich demokratische Staaten mit angeblich starker Rechtsstaatlichkeit. Was für eine Rechtfertigungsvorlage für totalitäre Staaten von China und Nordkorea bis Syrien, Saudi Arabien und Russland, Weißrussland und Kasachstan. Die Selbstzerstörung des Westens beginnt mit der Untreue zu den Werten Fairness, Offenheit, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit, die den Menschen Freiheit und Privatsphäre gewährleisten.
""Greenwalds Buch ist ein Hammer"
"Was Geheimdienste tatsächlich mit Daten von und über Menschen tun"
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23.04.2014 16:15
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Warum Kapitalismus nicht fair sein kann
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Ist Kapitalismus noch fair, wenn die Reichen immer reicher werden? Dazu tobt in den USA, Europa und Deutschland eine Debatte über die wachsende Ungleichheit.
Einem eher unscheinbaren Ökonomen gelang das globale Kunststück, die Debatte anzufeuern, nachdem er sich „jahrelang über scheinbar langweilige Einkommensstatistiken aus den vergangenen drei Jahrhunderten gebeugt hat“, schreibt Spiegel Online am 23.4.14. Und weiter: „Thomas Piketty, 42, Professor an der Paris School of Economics, hat aber aus dem trockenen Zahlenwerk eine eingängige Botschaft gezimmert, die derzeit in der ganzen Welt Resonanz findet. Sie lautet: Etwas ist faul im kapitalistischen System - und die Symptome werden immer schlimmer, weil Krisenzeiten einseitig die Habenden begünstigen.
Wachse die Wirtschaft nämlich langsam, so Piketty, steige die Ungleichheit in einer Gesellschaft, da Vermögen anders als Löhne unentwegt weiter wüchsen. Die Reichen hängen also die Mittelklasse gerade in Krisenzeiten, die derzeit fast alle Industrieländer durchmachen, schlichtweg ab.
Der 696-Seiten-Schmöker, in dem Piketty seine Erkenntnisse vorstellt, heißt "Das Kapital im 21. Jahrhundert" - eine unverhohlene Anspielung auf das Standardwerk von Karl Marx zur kapitalistischen Verteilungsfrage. Das Buch sorgt aber nicht allein aufgrund des provokanten Titels für Aufregung. Zum ersten Mal präsentiert ein Ökonom umfassende Belege für die Aussage "Wer hat, dem wird gegeben".
Durchschnittlich lag das Wirtschaftswachstum Pikettys Daten zufolge nämlich in den vergangenen 300 Jahren inflationsbereinigt bei einem bis eineinhalb Prozent jährlich. Vermögen stiegen dagegen um vier bis fünf Prozent vor Steuern. Wer schon wohlhabend ist, kann sein Vermögen offenbar breit anlegen und so überdurchschnittlich steigern. Weil Vermögen zudem meist an die eigenen Kinder vererbt werden, pflanzt sich die Ungleichheit über Generationen fort.
Diese wissenschaftliche Untermauerung des weltweiten Unwohlseins mit dem Turbokapitalismus bringt Piketty viel Beifall ein: US-Linke preisen ihn als modernen "Marxisten fürs neue Jahrtausend" ("Nation"), Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman lobte sein Buch als wegweisend. Präsident Obama nutzte seine Audienz bei Papst Franziskus im März zu einer ausführlichen Debatte über die wachsende soziale Ungleichheit, die Piketty beschreibt.
Selbst bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF), einst eine Bastion des globalen Kapitalismus, standen dessen Gedanken auf der Tagesordnung. "Einkommensungleichheit ist in den letzten Jahrzehnten sowohl in der entwickelten Welt wie in den Entwicklungsländern angestiegen", hieß es in einem IWF-Thesenpapier. Das Ergebnis: Sind die Vermögen in einer Gesellschaft relativ gleichmäßig verteilt, ist auch das Wachstum schneller und nachhaltiger. Für den IWF erstaunlich ist auch die Erkenntnis, dass Umverteilung durch Steuern dem Wachstum gar nicht schadet.
Tatsächlich lassen sich die von Piketty beschriebenen Symptome genau beziffern: 1978 verdiente der typische amerikanische Arbeitnehmer 48.078 Dollar brutto im Jahr, das oberste Prozent der Gesellschaft erhielt im Schnitt 390.000 Dollar. Heute bekommt der Arbeiter nur noch 33.000 Dollar, die Top-Verdiener dagegen 1,1 Millionen. Die 400 reichsten Amerikaner besitzen so viel wie die 150 Millionen Bürger ganz unten zusammen. Die US-Mittelschicht hat soeben ihren Spitzenrang als Bestverdiener weltweit verloren.
Auch die Europäische Union zerfällt derzeit in nördliche Boomstaaten mit geringer Arbeitslosigkeit und Krisenländer im Süden des Kontinents, wo teils bis zu 50 Prozent aller jungen Leute keinen Arbeitsplatz haben. In Deutschland ist die Einkommensungleichheit im internationalen Vergleich moderat. Anders sieht es jedoch bei Vermögen aus: "In keinem Euro-Land ist der Reichtum so ungerecht verteilt wie hierzulande", sagt Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "Hier müsste der Staat eigentlich eingreifen."
Aber welche Maßnahmen helfen? Laut Piketty ändern beliebte Rezepte wie höhere Bildungsinvestitionen oder der Verzicht auf Wirtschaftswachstum wenig. Effektiv seien nur radikale Maßnahmen: erstens eine Vermögensteuer, die bei einem Vermögen von 200.000 Euro mit einem Prozent jährlich beginnt, bei mehr als eine Million Euro auf zwei Prozent steigt und bei Milliardenvermögen auch bis zu zehn Prozent betragen kann. Zweitens eine Einkommensteuer von bis zu 80 Prozent für Spitzenverdiener. Das klingt schockierend, doch in den ersten drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg lag dort der höchste Steuersatz nie unter 70 Prozent“.
Fair kann Kapitalismus gar nicht sein, weil zu seinem Grundprinzip das Vermehren von Kapital und damit auch die Anhäufung von Kapital besteht. Und je mehr Kapital jemand – einzelne Investoren, Investmentbanker und –fonds, in die Hand nehmen und einsetzen kann, desto größer ist der Gewinn solcher Wetten (Spekulationen), die an der Börse und außerhalb der Börse im sogenannten Grauen Markt abgeschlossen werden. Selbst Verluste lassen sich durch geschickte Manöver in Gewinne verwandeln, wenn man auf die passenden Zertifikate gesetzt hat. Fair kann allenfalls der gebändigte, in soziale Markwirtschaft eingebundene Kapitalismus sein, der andere Werte einbezieht und kontrollierte Rahmenbedingungen setzt. Werte und Rahmenbedingungen, die für Fairness besonders gegenüber den Benachteiligten und den Übervorteilten sorgen. Auf derart konsequent gesetzte Bedingungen warten 85 Prozent der Weltbevölkerung, während sie 15 Prozent der Weltbevölkerung übervorteilen und benachteiligen.
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29.11.2013 10:51
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Fairness ist mehr als seine Schokolade zu teilen
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Gerechtigkeit und Fairness spielen bereits in der kindlichen Entwicklung eine große Rolle. In einer Studie haben Forscher herausgefunden, dass Kinder bereits früh ein Verständnis für Fairness und Gerechtigkeit entwickeln. "Voll unfair" - ein Satz, den Eltern sicher häufiger hören, bestätigt das.
Auf die Frage nach dem Verständnis von Gerechtigkeit, erklärten viele Kinder, dass es nur dann gerecht zuginge, wenn alle gleich behandelt würden und die gleichen Möglichkeiten hätten. Ein Gefühl, dass sich Kinder selbst benachteiligt fühlen, stelle sich besonders dann ein, wenn Armut im Leben der Kinder eine Rolle spiele. Das Mitbestimmen bei Entscheidungen trage maßgeblich dazu bei, dass ein Kind sich gerecht behandelt fühle, so die Ergebnisse der Studie.
Die Kindheitsforscherin Sabine Andresen und der Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann hatten 2500 Kinder im Alter zwischen sechs und elf Jahren nach ihrer Lebenssituation befragt, dabei galt dem Thema Gerechtigkeit besondere Aufmerksamkeit.
Nur jedes zweite Kind findet, dass es in Deutschland gerecht zugeht. Vor allem den Umgang mit armen Menschen beunruhigt die Kinder: Den Umgang mit ihnen empfindet die überwiegende Mehrzahl der Kinder als ungerecht.
Bemerkenswert ist, dass Kinder sich dann besonders unfair behandelt fühlen, wenn ihre Meinung eine sehr untergeordnete oder gar keine Rolle spielt: Sei es beim Gestalten der Freizeit oder bei der Auswahl der Freunde – je weniger Zeit die Eltern der Kinder haben, desto stärker empfinden Kinder die Reglementierung ihrer Freizeit.
Durch die Ergebnisse der Studie mit Kindern wird klar, dass Fairness für viele bereits früh eine große Rolle spielt und mit mehr Aufmerksamkeit und Schulung dieses Themas möglich wird, dass mehr Menschen diese Einstellung mit in ihr weiteres Leben einfließen lassen. Oft geht das natürlich verankerte Gespür dafür früh verloren, weil es nicht genug Aufmerksamkeit und Zeit bekommt. Sei es in der Schule, in der Ausbildung oder im Job: Wer wenig Fairness erfährt, ist vielleicht gezwungen, auch selbst auf Fairness-Praxis zu verzichten.
"Jedes fünfte Kind fühlt sich ausgegrenzt"
"Mehr als Schokolade abgeben"
"Kinder finden die Welt unfair"
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26.09.2013 08:50
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Joblinge erhalten Fairness-Initiativpreis 2013
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Den Fairness-Initiativpreis erhält in diesem Jahr die Initiative JOBLINGE – Gemeinsam gegen Jugendarbeitslosigkeit, die sich für sozial benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene engagiert. Durch Einbindung zahlreicher Akteure bietet JOBLINGE jungen Menschen eine realistische Chance auf einen Ausbildungsplatz, indem sie ihre Fähigkeiten in der Praxis beweisen – unabhängig von Zeugnissen und Schulnoten.
Das Kuratorium und die Leitung der Fairness-Stiftung halten diese Arbeit und das erfolgreiche Konzept von JOBLINGE für einen Leuchtturm unter den Initiativen des 21. Jahrhunderts. Das ist ein wirksames Signal, junge Menschen mit geringen Einstiegschancen in die Berufstätigkeit nicht links liegen zu lassen, sondern sich ihnen zuzuwenden, damit sie ihr Potenzial entdecken und einen tragfähigen Weg ins Leben finden. Auf diese Weise praktiziert Joblinge Fairness gegenüber jungen Menschen, ermöglicht Chancenfairness, statt nur darüber zu reden und das Problem zu theoretisieren.
Uns ist wichtig, diese Arbeit hervorzuheben, um auf sie als gutes Beispiel für Fairness-Praxis gegenüber einer benachteiligten Gruppe von jungen Menschen in der Gesellschaft aufmerksam zu machen. Jungen Menschen Zukunft in der Gesellschaft und damit der Gesellschaft Zukunft durch die Tatkraft junger Menschen zu verschaffen, ist ein Akt der Fairness.
Der Fairness-Initiativpreis wird jährlich einmal von der Fairness-Stiftung an Organisationen des 21. Jahrhunderts verliehen, die sich in einem speziellen Bereich für Fairness in der Gesellschaft engagieren. Bisher ging er an LobbyControl, Abgeordnetenwatch, Foodwatch, Irrsinnig menschlich und Finance Watch.
http://joblinge.de/
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20.08.2013 10:52
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Mobbing aus dem Umfeld
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So hatte sich die neue Leiterin des Lingener Finanzamtes, Regina Lesch ihre Beförderung nicht vorgestellt: Kaum trat die Juristin ihren Posten als Vorsteherin des Finanzamtes in Lingen an, begann das Mobbing. Anonyme Briefe mit haltlosen Vorwürfen sind nur der Anfang. Ihren Höhepunkt erreichen die Anfeindungen, als Regina in einem Zeitungsartikel niedergemacht wird. Die verzweifelte Frau weiß nicht mehr weiter, bricht zusammen und geht sogar in eine psychiatrische Klinik. Wissen Claudia Ludwig und Wolfgang Kindler Rat? Das zeigte eine TV-Sendung am 28.8. auf Sat1 um 22:15 Uhr.
Wolfgang Kindler ist Gymnasiallehrer, berät seit dem Amoklauf von Emsdetten 2006 Schulen in ganz Nordrhein-Westfalen zum Thema. Als Autor veröffentlichte Kindler bereits mehrere Bücher, meist speziell für den Schul- und Jugendbereich, wovon die meisten das Thema Mobbing behandeln.
Seine fünfzehn Thesen zum Thema Mobbing lauten: „1. Mobbing ist keine neue Gewaltform. Bereits in Märchen finden wir Beispiele für Mobbing: „Es war ein Mann, der hatte drei Söhne, davon hieß der jüngste der Dummling und wurde verachtet und verspottet und bei jeder Gelegenheit zurückgesetzt.“ Brüder Grimm - Die goldene Gans 2. Neu bei Mobbing sind jedoch zunehmende Willkür, Normenlosigkeit, Hemmungslosigkeit. 3. Verabschieden Sie sich von der Vorstellung, dass es in Ihrem Umfeld kein Mobbing gibt. 4. Eine Institution, sei es eine Firma, eine Behörde, eine Schule, die Probleme leugnet, kann sie nicht lösen. 5. Mobbingvorwürfe werden oft als Waffe gegen Dritte eingesetzt. 6. Mobbing ist eine dauerhafte Gewaltform, sodass die dabei entstehenden Rollen von Täter und Opfer verinnerlicht werden. 7. Mobbing wirkt sich auf das gesamte soziale Feld aus, in dem es stattfindet. Auch unbeteiligte sind Opfer des Mobbings. Und oft genug Mittäter. 8. Mobbing kann jeden treffen. – Das Opfer gibt es nicht. 9. Die Ursachen für Mobbing liegen in den Persönlichkeitsstrukturen der Täter, in der Struktur der jeweiligen Gruppe und im Umgang der Leitung mit Mobbing. 10. Mobbing ist ein Gruppenproblem. Denn Mobbing ist nur möglich, wenn es von der Gruppe zugelassen wird. 11. Mobbing ist ein Täterproblem. Die Täter entscheiden sich zu mobben. Kein Mensch muss mobben. 12. Mobbing nimmt die Lust und die Fähigkeit, erfolgreich zu arbeiten. 13. Mobbing macht krank. Physisch und psychisch. 14. Mobbing wird in der Regel verdeckt ausgeübt. 15. Die vermeintlichen oder wirklichen Schwächen und Fehler der Opfer sind Anlass, nicht Ursache“.
Die Thesen sitzen. In die entgegengesetzte Richtung geht es mit Fairness. Da fehlt es oft an fundiertem Wissen, an Hintergrund, an analytischen Ansätzen, um Unfairness zu bewältigen und Fairness zu stärken. Zu finden in: "Das Fairness-Buch zum Thema"
Die Sendungen „Schluss mit Mobbing“auf Sat1 (Trailer, Vorschau, Folgen): "TV-Serie"
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09.07.2013 11:26
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Geld stärker als Fairness und Liebe?
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„Nennen Sie mir eine Schlechtigkeit in der Welt, die nicht für Geld getan wird. Mir fällt nichts mehr ein. Ich habe so ziemlich alles erlebt. Ich glaube nicht, dass die Liebe die Welt bewegt, sondern eher Geld“, sagt Hilmar Kopper, Ex-Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, ehemals Mitglied in 60 Aufsichtsräten von Konzernen und Großunternehmen, davon als Aufsichtsratsvorsitzender bei DaimlerChrysler und der HSH Nordbank. Das sagt er aktuell auf die Frage der ZEIT, in welche Abgründe er wegen Geldes geblickt habe.
Wenn das das Fazit und die Lehre aus jahrzehntelanger Tätigkeit in Schlüsselpositionen der deutschen Wirtschaft ist, dann ist es um sie dramatisch bestellt, dann ist sie verkommen. Dann machen auch Selbstverpflichtungen zur Antikorruption so wenig Sinn wie Selbstregularien zum Kundenschutz und Fairness im Wettbewerb. Dann nützen nur gesetzliche Rahmenbedingungen und Auflagen was, die zudem von intensiven Kontrollen und einer starken, aktiven Steuerfahndung und kompetenten Staatsanwaltschaften gegen Wirtschaftskriminalität flankiert und ernstzunehmend gestaltet wird. Dazu braucht es auch eine Politikergeneration, die sich nicht ihr Denken und Handeln von Wirtschaftsverbänden und Konzernen diktieren lässt.
Vielleicht aber ist Koppers erschreckende Bilanz des Kapitalismus doch nicht so umfassend und unerschütterlich. Vielleicht erweisen sich Fairness und Liebe doch als wirkmächtigere Kräfte. Vielleicht werden doch mehr und mehr Menschen gewählt und Firmen geachtet, die sich um Fairness und Gemeinwohl bemühen, es zumindest es nicht missachten. Der Nachweis steht aus.
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24.05.2013 13:54
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Wie Kinder von Erwachsenen Unfairness lernen
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Wo ist die Grenze zwischen Rivalität, kleinen Machtkämpfen und Mobbing? Nicht erst gegenwärtig werden zwischen Kindern und Jugendlichen die Grenzen immer häufiger zum Mobbing überschritten. In Italien sprang jüngst eine 14jährige Schülerin vom Balkon in den Tod, die von acht Mitschülerinnen und -schülern zwischen 15 und 17 Jahren heftig unfair attakiert worden war. Sie hatten über die Mitschülerin abwertende Videos und Fotos ins Netz gestellt. In New York erhängte sich eine Zwölfjährige. Auch hier spielte Mobbing durch Internet (Cyber-Mobbing) in der Schule die entscheidende Rolle. In Deutschland gibt jeder sechste Schüler beziehungsweise jede sechste Schülerin an, gemobbt zu werden (=17 %). 19 % der Schüler geben zu, selbst schon andere im Internet unfair attackiert zu haben.
Laut Bündnis gegen Cyberrmobbing e.V. attackieren die meisten aus Langeweile, nur zum Spaß oder weil es auch andere machen. An der Spitze rangieren dabei Beschimpfungen und Beleidigungen, die Verbreitung von Lügen und Gerüchten sowie sich über andere lustig machen oder sie erpressen und bedrohen.
Für einen großen Report hat sich Prof. Franz Petermann, Direktor des Zentrums für Klinische Psychologie der Uni Bremen, eingehend damit beschäftigt. Er erforscht seit Jahren die Entwicklung der Sozialkompetenz bei Kindern und Jugendlichen.
In dem Exklusiv-Interview mit der Zeitschrift „Eltern family“ warnt der Experte, dass das Mobben immer früher einsetze: „Es gibt krasse Formen wie Cyber-Mobbing. Das sind knallharte Verletzungen, die Kinder erfahren. Es tritt auf, sobald die Kinder mit acht, neun oder zehn Jahren über Handys verfügen oder via Internet soziale Netzwerke betreten. Alle Mobbing-Phänomene, die wir haben, verlagern sich jedes Jahr ein bisschen nach vorne.“ Petermann glaubt, „dass Grenzen zu spät gesetzt werden. Das ist das Hauptproblem.“
Mobbing könne man nur verhindern, indem Kinder soziale Regeln lernen und ein Gefühl für Gerechtigkeit und Fairness entwickeln. Petermann: „Bei der Vermittlung von sozialer Kompetenz und moralischer Erziehung haben wir ganz große Defizite. Die Kinder haben kein Gerechtigkeitsgefühl mehr, viele sind einfach Egoisten. Sie werden zu Egoisten erzogen. Für mich ist Mobbing anerzogen!“ Die Frage, wie der Entwicklung entgegnet werden kann, beantwortet er mit Hinweise auf das, was fehlt:„Wir müssen Kindern die Grundprinzipien des sozialen Miteinanders nahebringen: Teilen, Rücksichtnahme, Helfen, Unterstützen, Fairness - all diese Werte, die ins Wackeln gekommen sind. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass sich Kinder auch zurücknehmen können, um anderen eine Chance zu geben.“
Allerdings vergisst Petermann, darauf hin zu weisen, dass schon kleine Kinder eine Fairness-Intuition und ein Gerechtigkeitsgefühl mitbringen. Das zeigen zahlreiche Forschungen. Doch ebenso frühzeitig werden die Fairness-Motive von Kindern irritiert: durch Angst, durch nachteilige Vergleiche, durch Abwertung – beispielsweise in der Schule, durch Ohnmachtserfahrungen und durch das negative Vorbild der Erwachsenen, die sich mit Ellenbogen und unfaire Attacken Vorteile erobern oder verteidigen. Kinder können nicht besser sein als die soziale Umwelt. Sie sind ihr Spiegel. In einer Gesellschaft unfairer Geister wird sich kein fairer Geist dauerhaft entfalten. Im Gegenteil.
Eltern Family, 06-2013 (Helden mobben nicht) Studie über Cybermobbing
http://www.fairness-stiftung.de/Mobbing.htm
Spezielle Sites für junge Menschen & Lehrer Bündnis gegen Cybermobbing e.V.
http://www.jungundjetzt.info
http://www.mips-ev.de/index.htm
http://mobbing.seitenstark.de
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05.04.2013 14:20
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Wie Fairness unfair eingesetzt wird
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Auch Fairness lässt sich missbrauchen. Jedenfalls, wenn man in „Fairness“ einen doppelten Boden einzieht und etwas Fairness nennt, was gar nicht Fairness ist. Dazu haben viele inzwischen den Bogen raus und betreiben so Fairness-Washing; etwas, wogegen sich der Fairness-Check richtet. In einem Beitrag von „Focus Money“ (3.4.2013) schildert Jack Nasher, wie man Fairness geschickt gebraucht, um zum eigenen Vorteil einen „Deal“, einen Verhandlungserfolg für sich herbeizuführen.
Jack Nasher schreibt: „Fairness ist einer der wichtigsten Aspekte beim Verhandeln. Menschen aller Kulturen lehnen nützliche Deals ab, weil sie ihnen nicht fair erscheinen. Wer diese Tatsache kennt, der kann sie für sich nutzen. Eine der bekanntesten Simulationen in Verhandlungstrainings ist das ultimatum game. Die Regeln sind sehr einfach: Ihr zugewiesener Partner bekommt 100 Euro. Er muss Ihnen nun ein Angebot machen, wie er das Geld mit Ihnen teilen will. Handeln ist nicht erlaubt, es gibt nur ein einziges Angebot. Wenn Sie zustimmen, wird der Betrag genauso aufgeteilt. Wenn Sie aber ablehnen, bekommt niemand etwas. Was würden Sie tun, wenn Ihr Partner Ihnen einen Euro anbieten würde? Würden Sie ‚ja’ sagen?
Die meisten lehnen es ab: Auch wenn sie dann nichts bekommen, ist es ihnen immer noch lieber, als dass der andere 99 Euro bekommt. Rein ökonomisch betrachtet, ist das Verhalten irrational – lieber 1 Euro als 0 Euro. Die meisten lehnen Angebote unter 20, viele gar solche unter 30 und einige auch solche unter 40 Euro ab. Sie halten sie schlicht und einfach für unfair.
Und das ist der entscheidende Punkt: Fairness ist einer der wichtigsten Aspekte beim Verhandeln. Menschen aller Kulturen lehnen nützliche Deals ab, weil sie ihnen nicht fair erscheinen. Wir interessieren uns nicht nur für unseren persönlichen Nutzen, sondern sind immer auch Verteidiger der Gerechtigkeit. Was wir in einer Verhandlung als fair wahrnehmen und was nicht, hängt nicht nur vom Ergebnis ab, sondern mindestens ebenso stark vom Prozess“. Bis hierhin hat Nasher, Professor für Leadership & Organizational Behavior an der Munich Business School, völlig Recht. Doch dann schreibt er weiter, wie man seinen Verhandlungspartner ansprechen soll:
„Natürlich wollen Sie einen hohen Preis erzielen und ich einen niedrigen Preis zahlen. Wie wäre es, wir finden gemeinsam heraus, was ein fairer Preis ist?“ Dagegen wird niemand etwas sagen. Etwas präziser formuliert: „Ich habe mir im Internet einmal den Durchschnittspreis pro bebautem Quadratmeter für das Frankfurter Ostend angesehen, er liegt bei 3500 Euro. Insofern ist mein Angebot für die 100-Quadratmeter-Wohnung über 350 000 Euro fair.“ Definieren Sie die Verhandlung als eine Suche nach objektiven Kriterien. Statt als Sprachrohr Ihrer eigenen Interessen zu erscheinen, sind Sie nun die Stimme der Fairness. Standardverträge, Standardzinssätze, Schwackeliste: All dies sind objektive Richtlinien – auf den ersten Blick jedenfalls“.
Haben Sie’s gemerkt: Hier kam der erste Trick. Fairness wird angeblich verobjektiviert als gäbe es objektive Kriterien für Fairness. Die liegen aber nicht in der Sache begründet oder in vermeintlich bereits vorliegenden Kriterien – wie hier beispielsweise in durchschnittlichen Quadratmeterpreisen. Was ist, wenn diese Preise eine Verzerrung des Markes widerspiegeln, eine Immobilienblase ausmachen, also als angemessen suggerieren, was eigentlich überteuert ist, weil z.B. die Bausubstanz den Preis nicht trägt, eine Veränderung der Infrastruktur geplant ist, deren Folgen viele noch nicht abschätzen können, wenn seit zwei Jahren der neuerliche Fluglärm über den Villen im Frankfurter Süden, in Sachsenhausen?
Was unfair ist: Die eigenen Interessen kommen gerade nicht auf den Tisch, werden verschleiert. Wo aber beabsichtigte und unbeabsichtigte Intransparenz herrscht, geht es unfair zu. Denn Transparenz ist eine Schwester der Fairness.
Dass die Methodenwahl und die Vorgehensweise, Dinge zu bewerten, für die Fairness-Qualität einer Verhandlung maßgeblich sind, räumt auch Nasher ein: „Denn bei der Bewertung von Unternehmen, die zum Verkauf stehen, etwa gibt es unzählige Methoden, die zu völlig unterschiedlichen Zahlen kommen. Wenn Sie statt einer Multiplikatormethode eine Discounted-Cash-Flow-Analyse ansetzen, haben Sie zwei sehr unterschiedliche Ergebnisse auf dem Tisch.
Wenn der New Yorker Immobilienmogul Donald Trump eines seiner Objekte verkaufen will, dann lässt er seine Analysten verschiedene Szenarien durchrechnen, die auf unterschiedliche Renditen kommen. Er nimmt nur dasjenige mit in die Verhandlung, das die höchste Rendite verspricht, und schreibt mit der Hand noch etwas darauf wie „Ihre Rendite: 20 Prozent im Jahr“. Seine Devise ist, stets das beste objektive Kriterium zu präsentieren und dann völlig vereinfacht darzustellen – die Schriftform macht es deutlich glaubwürdiger.
Wenn sie ein Büro mieten, prüfen Sie, was andere Büros in der Lage pro Quadratmeter kosten. Wenn die Preise zwischen 8 und 20 Euro variieren, dann drucken Sie die günstigsten aus und zeigen Sie sie dem Vermieter. Sie wollen eine neue Matratze kaufen? Von 50 Angeboten, die Sie im Internet finden, sind vielleicht nur drei besser als das des Ladens, in den Sie gehen. Nehmen Sie immer die für Sie besten Vergleichsangebote ausgedruckt mit, ob Sie ein Haus, ein Auto oder einen neuen Toaster kaufen. Damit stehen sie nicht da, wie ein Feilscher in eigener Sache, sondern wie ein Verfechter der Gerechtigkeit“.
Ist das ein faires Vorgehen? Raffiniert sicher, aber fair auch nicht. Fair wäre es, die gefundene und ausgelotete Spannbreite von Preisen und Gewinnen auf den Tisch zu legen und gemeinsam zu bewerten. Und nicht die für mich ungünstigen unter den Tisch fallen zu lassen. Denn dann muss der Andere natürlich die ungünstigere Hälfte auf den Tisch legen und entlarvt damit schon mal, dass ich keine faire, sondern nur eine für sich vorteilhafte Betrachtung im Auge hatte. Das macht skeptisch, auf beiden Seiten. Die weitere Verhandlung ist dann von Misstrauen geprägt. Ein Vertrauensaufbau durch faires Handeln ist vertan. Es wird teurer, nicht preiswerter; es wird stressiger, nicht entspannter; es wird ein Poker-Spiel, keine faire Veranstaltung.
"Der Fairness-Check"
"Fairness als Trick von Jack Nasher in Focus Money"
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07.12.2012 10:13
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Fairness-Tradition stärker als Kontrolle und Zwang
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Finanzielle und ökonomische Ehrlichkeit zahlt sich doch aus. Mit langen demokratischen Traditionen geht auch die Beachtung von Solidarität und Fairness einher. Eine tief verankerte Kultur der Fairness und der Demokratie ist wirksamer als Kontrollen und autoritäre Zwangsmaßnahmen.
Der neue Corruption Perceptions Index 2012 von Transparency International hat bestätigt: Alle europäischen Staaten mit hoher Korruption befinden sich in ökonomischen Schwierigkeiten. Staaten mit geringer Korruption prosperieren. "Je höher das Niveau an finanzieller Ehrlichkeit, desto stärker wächst das Bruttosozialprodukt", diagnostiziert der Wirtschaftspsychologe Professor Dr. Detlef Fetchenhauer (Universität Köln).
Bezüglich finanzieller Ehrlichkeit sieht Transparency International auf den ersten Plätzen in dieser Reihenfolge: Dänemark, Finnland, Neuseeland, Schweden, Singapur, Schweiz, Australien, Norwegen, Kanada, Niederlande, Island.
Alle positiv bewerteten Länder erfreuen sich eines wirtschaftlichen Wohlstands, und die Mehrheit von ihnen ist überwiegend protestantisch geprägt, meist verbunden mit einer demokratischen Tradition.
Alle negativ bewerteten Länder zählen zu den Krisenstaaten in Europa: Spanien liegt erst auf Platz 30 der Ehrlichkeitsskala, Slowenien auf Platz 37, Kroatien und Slowakei gemeinsam auf Platz 62, Bosnien-Herzegowina gemeinsam mit Italien auf Rang 72; mit Rang 94 hält Griechenland einen Rekord in Korruption.
Fast alle ungünstig bewerteten Länder sind katholisch geprägt bzw. ohne längere demokratische Geschichte.
Fetchenhauer belegt, dass die entscheidenden "Unterschiede in der autoritaristischen Tradition eines Landes liegen. Folglich ist die Art, wie Menschen dazu erzogen werden, die Regeln von Fairness und Solidarität zu befolgen, tief in der kulturellen Historie des Landes verwurzelt."
Daher bleiben Regulierungen und Kontrollen fragwürdige Therapiemöglichkeiten. "Eine korrupte Raubgesellschaft kann eine hermetische, perfekt rechtsstaatliche Fassade entwickeln, also ein seinerseits selbst von Korruption gesteuertes Justizwesen, das die Aufdeckung und Verfolgung einzelner Fälle aussichtslos macht und zugleich zu einer Art selbstverständlicher Öffentlichkeit der Korruption führt," kommentiert der Politologe und Psychologe Prof. Dr. Thomas Kliche (Stendal).
http://transparency.de/Corruption-Perceptions-Index-2.2193.0.html
Detlef Fetchenhauer, Thomas Goebbels: Lügen haben kleine Brieftaschen - Ökonomische Konsequenzen und Determinanten finanzieller Ehrlichkeit. In: E.H. Witte, T. Gollan (Hrsg.) Sozialpsychologie und Ökonomie. Pabst, ISBN 978-3-89967-613-6
Thomas Kliche, Stephanie Thiel (Hrsg.): Korruption - Forschungsstand, Prävention, Probleme. Pabst, ISBN 978-3-89967-691-4
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16.11.2012 17:52
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Gauck: Regeln für fairen Wettbewerb entwickeln
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"Entscheidend ist, dass wir die Regeln finden, die falsche Praktiken verhindern und fairen Wettbewerb ermöglichen", sagte Bundespräsident Joachim Gauck am 15. November beim „Führungstreffen Wirtschaft 2012“ der Süddeutschen Zeitung in Berlin. Hier der 'Sitz im Leben' dieser Aussage in seiner Rede:
„Verantwortliches Handeln heißt jetzt: aus Freiheit ein Freund mancher Grenzen zu sein! Wenn sich einige wenige die Freiheit nehmen, für nichts Verantwortung zu tragen, zerstören sie die Voraussetzungen dafür, dass wir in Freiheit leben können. Jene Voraussetzungen der Freiheit, die übrigens gerade die Wirtschaft braucht. Grenzenlosigkeit verschafft diesen wenigen vielleicht einmal auch unerhörte Höhenflüge. Aber für die vielen, für die anderen schafft Grenzenlosigkeit keinen bewohnbaren Lebensraum, sondern eine Wüste.
Soll Leben gelingen, so gehören Freiheit und Verantwortung also zusammen. Diese Kopplung entsteht nicht von selber, durchaus nicht automatisch. Auch der ehrbare Kaufmann allein kann sie nicht herstellen. Sie muss gesamtgesellschaftlich organisiert, muss idealerweise auch global gestaltet werden.
Dazu gehört nun der Staat, dessen primäre Aufgabe es ist, Regeln zu setzen, Regeln durchzusetzen. Dazu gehört eine Gesellschaft, die Regulierung und effektive Aufsicht neu schätzen lernt. Und dazu gehört eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, was wir wollen und was nicht.
Beispiel Finanzsektor. Das Credo der Banken sollte buchstäblich die Glaubwürdigkeit ihres Handelns sein. Einige Banken rücken den Begriff der Glaubwürdigkeit zu Recht wieder neu in den Mittelpunkt, denken laut über eine geringere Rendite nach, über weniger Gehaltszulagen und Boni. Manche bekunden gar ihr Bedauern und reagieren auf die Vorwürfe, die inzwischen vor Gerichten gehandelt werden. Für mich unglaublich: diese Manipulation des Libor-Zinssatzes von zum Teil doch hochseriösen Instituten. Für mich wäre das unvorstellbar gewesen vor einer Reihe von Jahren, was wir jetzt vor Gerichten zum Teil verhandeln. So kündigen einige Geldhäuser dann ganz bewusst einen Kulturwandel an.
Vieles ist dabei erst angestoßen. Der Wildwuchs im Finanzsektor ist bis heute nicht beseitigt, aber wir sind auf einem Weg der Korrektur. Grundsätzliche Veränderungen tun weiterhin not. Immerhin teilen Politik und Wirtschaft ein Grundverständnis: Der Finanzsektor muss dringend aufgeräumt werden! Ziel muss es sein, dass einzelne Banken nicht mehr ganze Staaten an den Rand des Abgrunds führen können. Über das „Wie?“ dieser Aufräumarbeiten wird sicher intensiv zu diskutieren sein, das „Wann“ wird nach Empfinden vieler Beobachter zu langsam angegangen.
Die Politik versucht zwar zu regulieren, aber leider gibt es über Maß und Prinzipien der Regulierung international wenig Einigkeit. Außerdem ist offenbar die Politik den Banken recht oft unterlegen. Insider illustrieren das immer wieder mit dem „Hase-und-Igel-Phänomen“ auf dem weiten Feld der Regulierung.
Ich freue mich auf den Tag, an dem die Banken selber ein Konzept formulieren, das nicht nur in Fachkreisen debattiert wird, sondern in einen breiten gesellschaftlichen Diskurs mündet. Das Bankwesen der neuen Weltwirtschaft – wenn Sie so wollen –, jedenfalls ein Bankwesen, das Zukunft hat, darf nicht in guten Zeiten diese Boni kassieren und bei Schwierigkeiten wegen seiner Systemrelevanz die Steuerzahler fordern. Bankenrettung kann durchaus im Einzelfall geboten sein, um Schaden nicht nur von der Bank, sondern auch von der Allgemeinheit abzuwenden. Da verschließe ich nicht meine Augen. Aber vor allem müssen Banken wieder genuinen geschäftlichen Verantwortungen gerecht werden und für die Konsequenzen ihres Handelns haften. Die derzeitige Gewissheit, im Notfall gerettet zu werden, verschiebt ja die Risikohaltung der Banken in einer Weise, die weder dem Markt entspricht noch den Wünschen der Steuerzahler.
Mit der Anstrengung, neue und überzeugende Regeln zu finden, ist natürlich das Thema Akzeptanz verbunden: für mich der Schlüsselbegriff der zweiten Verantwortungsform von Unternehmen, Verantwortung nach außen. Akzeptanzförderung bedeutet in meinen Augen mehr als gute PR oder Arbeit am Firmenimage. Akzeptanzförderung ist die nachhaltige Auseinandersetzung mit den eigenen Werten. Mit Haltung ist also nicht einfach nur Edelmut gemeint. Haltung zeigt sich, wenn Führungskräfte in Unternehmen verstanden haben, dass Glaubwürdigkeit ein unverzichtbarer Teil ihres Unternehmenskapitals ist, so wie Glaubwürdigkeit untrennbar zum Bankengeschäft oder zum Mandat von Politikern gehört. Glaubwürdigkeit klingt nicht nur moralisch wertvoll, sondern ist auch ökonomisch klug, ein echter, für Unternehmen durchaus auch monetärer Gewinn! Wir kennen die Beispiele, bei denen mangelnde Glaubwürdigkeit, mangelnde Verankerung von Grundwerten ganze Handelsketten in den Ruin getrieben hat. Kunden quittieren moralische Verstöße manchmal schärfer als greifbare Produktmängel. Umgekehrt sind Solidität und Reputation oft sogar Kaufanreize. Die Marke „made in Germany“ lebt zum großen Teil davon. Akzeptanz ergibt sich wie ein Mosaik aus vielen Teilen, etwa den Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter, der Erfüllung von Umweltschutzauflagen, der Auswahl von Zulieferern und Vertragspartnern – einfach aus allen Standards, die eine Führungspersönlichkeit begründen kann mit dem Satz: „Weil diese Werte es uns wert sind.“
Gesunde Unternehmen brauchen im eigenen Interesse ein gesundes Umfeld. Das gilt sozial, es gilt ökologisch und das weltweit. Wenn wir die Debatten über CO2-Quoten oder Umweltzerstörung beobachten, bekommen wir eine Ahnung davon, wie vielschichtig Akzeptanzfragen in den nächsten Jahrzehnten bearbeitet werden müssen.
Dass nicht nur Geld und Ressourcen, sondern auch unsere sozialen Werte auf dem globalen Marktplatz zur Disposition stehen, haben noch nicht alle verstanden. Dabei geht es aber um Menschenwürde, um Menschenrechte, um Respekt und das Miteinander der Verschiedenen. Es geht um Demokratie, um ihre Bürger und alle denkbaren Formen von Verantwortung. Es geht um die Fundamente unserer Freiheit! Diese Werte dürfen wir nirgendwo abgeben – an keinem Fabriktor der Welt.
Mit diesem „Wir“ meine ich nicht nur Führungspersönlichkeiten aller Couleur, sondern ein echtes „Wir alle“. Bangladesch, Budapest und Berlin gehören zu einer Weltwirtschaft. Den Spielraum verantwortlich handelnder Unternehmer prägt auch das Verantwortungsbewusstsein der Kunden. Mit dem Kassenbon kann man ja auch schlimme Zustände zementieren. Oder anders ausgedrückt: Konsumenten haben eine enorme Marktmacht. Wo Handys zum Lifestyle werden, sind Produktionsbedingungen immer öfter nicht egal. Man kann morgens um 5:00 Uhr für das neueste Gerät auf dem Markt anstehen. Man kann aber auch einen ganzen Tag vor dem Laden protestieren gegen unmenschliche Arbeitsplatzverträge, dort, wo diese Produkte hergestellt worden sind. Wie lange greifen Europäer noch zu Jeans für zehn Euro, obwohl sie wissen, dass die Allerärmsten in Asien oder Lateinamerika einen hohen Preis für die Herstellung solcher Produkte zahlen, also mit ihrer Gesundheit und ihrer Menschenwürde dafür zahlen, dass wir so schön billig einkaufen können. Wir sollten die Bilder von brennenden Fabriken und geschundenen Körpern hinter verschlossenen Gittern nicht vergessen, sie gehen uns, die Kunden, an. Wir kennen die Fälle von heute und die Prognosen für morgen, falls sich nicht öfter jemand findet, der sagt: Ich habe einen Fehler gemacht und ich mache es jetzt anders. Ich bin so frei! Wenn wir das nicht erkennen, werden diese Fehler, die wir heute sehen, auch die von morgen sein.
Haltung darf sich nicht in Appellen erschöpfen. Haltung erfordert Handeln. Und zwar aller: Nicht nur der Führungskräfte in Wirtschaft und Politik, sondern auch der Kunden und Bürger. Wenn Sie so wollen: Wirtschaft und Gesellschaft, das sind nicht immer nur die anderen. Wo dies verinnerlicht wird, erfahren wir: Verantwortlicher Kapitalismus ist möglich.
Lassen Sie uns nicht in überholten Antagonismen verharren. Anstand im Wirtschaftsleben ist wichtig, zugleich ist Gewinnstreben nicht unanständig. Gefährlich wird ja erst die blanke Gier, das Mehrenwollen um jeden Preis. Zivilisierung der Gier aber schafft diesen aufgeklärten Kapitalismus, der unseren Gesellschaften Zukunft gibt. Zu oft werden jene, die Verantwortung anmahnen, wenn sie nötig ist, kurzerhand in die Ecke der Träumer gestellt – so als gäbe es nur die Wahl zwischen egoistischem Unternehmertum und weltfremdem Altruismus. Hier das Soziale, dort die Wirtschaft. Hier das warmherzige Gute, dort der kalte Wettbewerb. Dieses Denken in falschen Alternativen müssen wir überwinden. Wir können auf Wettbewerb und Wachstum nicht verzichten. Diese Anreize machen unsere Gesellschaft besonders lernfähig und besonders innovativ. Entscheidend ist, dass wir die Regeln finden, die falsche Praktiken verhindern und fairen Wettbewerb ermöglichen. Dafür braucht es auch Bereitschaft zur Kooperation, das ist für mich die dritte Dimension der Verantwortung. Sie öffnet den Raum für Ausgleich, für Kompromisse.
Lange bevor sich die Debatte über das neue Europa und die neue Weltwirtschaft am Horizont abzeichnete, haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes unseren Wertekanon beschrieben und darin neben Demokratie und Rechtsstaat ausdrücklich den Sozialstaat verankert. Ich erinnere in diesem Sinn an Artikel 14 des Grundgesetzes: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Zum Verantwortungsbewusstsein von Verbrauchern und Firmen trägt bei:
http://www.fairness-check.de/default.aspx
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08.11.2012 10:32
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Produktion, Verkauf, Verbrauch: geht das fair?
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Wer Fleisch essen will, muss Tiere töten. Da kann man nicht drum herum reden. Und wer Tiere mästen will, der muss auf jeden Fall viele pflanzliche Kalorien in ein Tier investieren, um Fleisch zu bekommen. Das kann bio, das kann öko sein - aber geht das auch wirklich fair?
An Stelle einer heilen Welt-Kampagne geht es darum: rücksichtsvoll in Bezug auf Menschen, Tiere, natürliche Ressourcen und unter weitgehender Vermeidung von Schäden zu produzieren. Da muss man natürlich fragen: Was, wozu und muss das überhaupt sein? - rücksichtsvoll in Bezug auf Kunden, Gäste, Mitarbeiter und Öffentlichkeit zu verkaufen, so dass transparent, für den Menschen gedeihlich und für die Gesellschaft insgesamt bekömmlich mit Produkten gehandelt wird - rücksichtsvoll in Bezug auf die Herstellung und die Herstellungsmitarbeiter, rücksichtsvoll in Bezug auf Transportwege und ihre Schadstoffbilanz, - rücksichtsvoll in Bezug auf sich selbst und seine Gesundheit zu konsumieren. Dazu brauchen wir Verbraucher mehr Informationen, mehr Transparenz, damit wir in die Lage versetzt sind, beim Einkauf nach solchen Gesichtspunkten, nach Fairness-Aspekten zu entscheiden und zu kaufen. Dass Fairness zu einem starken Image- und Marketingfaktor geworden ist, ist sehr erfreulich. Aber das es hier und da zu einer reinen PR-Masche missbraucht wird, weniger.
Ein Pionier des fairen Handels und sozialverträglicher Lieferketten, Dr. Martin Kunz, und der Vorstand der bio-sozial-ökologischen agroorientierten Schweisfurth-Stiftung, Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald, sowie die TV-Köchin, Unternehmerin und Trägerin des Deutschen Fairness Preises 2012 Sarah Wiener, diskutierten auf dem Internationalen Fairness-Forum über die Bedeutung, die Widrigkeiten und Widersprüche und die Perspektiven fairer Produktion, fairen Verkaufens und fairen Verbrauchs.
Zum Internationalen Fairness-Forum 2012 begrüßte Dr. Norbert Copray, geschäftsführender Direktor der Fairness-Stiftung, über 300 Gäste, die am 27.10.2012 nach Frankfurt am Main gekommen waren. In seiner Begrüßung und Einführung führte Dr. Copray zu Inhalt und Ziel des diesjährigen Fairness-Forums unter anderem aus: "Produzieren - verkaufen - konsumieren: geht das wirklich fair? Diese Frage stellen wir uns in der Fairness-Stiftung schon seit längerer Zeit. Nicht zuletzt deshalb, weil wir häufig erfahren, wie zwar etliche Unternehmen behaupten, fair zu agieren, aber ihrem selbstgesteckten Ziel nicht folgen. Entsprechend dem heute an Sarah Wiener verliehenen Deutschen Fairness Preis sind wir der Auffassung, dass Fairness umfassend verstanden werden muss, dass davon nichts ausgeklammert sein kann. Dabei geht es nicht darum, einem Ideal der heilen Welt nachzujagen.
mehr dazu:
http://www.fairness-stiftung.de/FF2012.htm
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29.08.2012 12:38
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„Unterm Strich zähl ich“ - Fairness platt gemacht
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Allen Wünschen und Beschwörungen zum Trotz: Es geht rücksichtslos zu in dieser Republik. Das reicht vom Benehmen im Zug über das Verhalten im Straßenverkehr und am Arbeitsplatz bis hin zur ungenierten Selbstbedienung der Top-Manager per Gehalt, Boni und Vergünstigungen. Das reicht von zahllosen Nachbarschaftskonflikten, die bis zum Gericht führen, über unfaire Attacken in Schule und Internet bis hin zu Schnäppchenjägern in Polit-Ämtern und Steuerhinterziehern unter den Vermögenden. Nach dem werbewirksamen Motto der Postbank: „Unterm Strich zähl ich“.
Der Spiegel-Journalist Jörg Schindler, 2009 mit dem Wächterpreis für investigativen Journalismus ausgezeichnet, fasst diese und andere Phänomene unter dem Begriff „Rüpel-Republik“ zusammen. Dazu erfasst er in Teil eins seines Buches viele typische Situationen des gegenwärtigen Deutschland, in denen die Rüpelei in unterschiedlichsten Varianten sichtbar wird. Doch gerät ihm das Buch nicht zur Klagemauer. Auch nicht zur Benimmfibel oder zu einem Knigge-Kurs. Denn ihm geht es um Grundsätzlicheres: „dass wir offenbar mehr gegen- als miteinander leben; dass wir der Maxime eines Baumarktes folgen – ‚Mach dein Ding!‘ – und uns nicht darum scheren, wem wir dabei auf die Füße treten“. Was Schindler zu der Frage führt: „Was hat uns so unsozial werden lassen? Und wie wollen wir künftig miteinander auskommen?“.
Dafür schaut er ins Triebwerk der Rüpel-Republik. Er entdeckt, wie und welcher Weise die Deutschen sozial auseinander driften, wie der „Individualismus zur Staatsreligion“ wurde, wie aus einer Aktiv- eine Zuschauergesellschaft wurde. Und wie der sogenannte Fortschritt von der physischen zur elektronischen Kommunikation Beziehungen verhindert, stört, zerstört. Faire, freundliche, direkte, rücksichtsvolle Kommunikation? Wie geht das denn? Mit den neuen, ‚sozialen‘ Medien sind wir uns nur scheinbar nah, „tatsächlich aber haben sie uns, ohne dass wir es merken, immer weiter voneinander entfernt. Wir verlernen, Menschen unter Menschen zu sein“.
Die Entwicklung kommt nicht von ungefähr. Seit Jahrzehnten betreiben Wirtschafts- und Politikeliten die Individualisierung der Gesellschaft, die Gewinnmaximierung der Unternehmen, die Privatisierung der Gemeineigentümer, den Sozialentpflichtung der Vermögen, Absenkung der Löhne und die Steigerung der Leistungen. Und selbst die von negativen Folgen dieses Vorgehens Betroffenen stimmen auch noch mit ein. Auch sie halten mehrheitlich eine Gesellschaft, die jeden mitnimmt, nicht auf Dauer für überlebensfähig. Die Rüpelei, die Unfairness, die Rücksichtlosigkeit gehört offensichtlich zum Betriebssystem der deutschen Gesellschaft: Unterm Strich zähl nur ich.
Schindler ist perplex, denn neuere Forschungen zeigen, wie hilfsbereit, kooperativ und fair wir grundsätzlich sind. Aber in gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die das Gegenteil belohnen und Rücksichtsvolle zu Dummen erklären, hat diese menschliche Konstitution geringe Chance.
Doch schließlich macht er sich auf zu denen, die zwar nicht als dumm, aber doch als naiv gelten. Zu denen, die neue Kooperation ausprobieren, die sich der Gesamtdynamik entgegen stemmen und in Nischen eine wirksame Alternative zur Rüpel-Republik ausprobieren und realisieren. Nicht von „Geiz ist geil“ über „Unterm Strich zähl ich“ noch tiefer in die Rüpel-Republik. Sondern zu einer Miteinander-Republik mit Respekt und Rücksichtnahme.
Jörg Schindler: Die Rüpel-Republik. Warum wir so unsozial sind? Scherz. 253 Seiten
http://www.youtube.com/watch?v=TGrNdbT2qls
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25.06.2012 22:01
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Menschenhandel: Himmelschreiende Ungerechtigkeit der Sklaverei
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Bis zu 27 Millionen Menschen weltweit leben in Verhältnissen, die der Sklaverei ähneln. Das besagt ein Bericht des US-Außenministeriums zum weltweiten Menschenhandel. "Das Verbot der Sklaverei in den USA und anderen Staaten der Welt war leider nicht das Ende der Sklaverei", sagte US-Außenministerin Hillary Clinton in Washington bei der Vorstellung des Berichts letzte Woche. Die Opfer würden unter anderem zu schwerer körperlicher Arbeit, zum Betteln, zur Zwangsheirat oder zur Prostitution gezwungen.
Deutschland erfüllt dem Bericht zufolge die Minimalbedingungen des Gesetzes zum Schutz der Opfer von Menschenhandel. Allerdings sei die Bundesrepublik Transit- und Zielland für Menschen, die zur Arbeit oder in die Prostitution gezwungen würden. Die deutsche Regierung habe ihre Anstrengungen im Kampf gegen den Menschenhandel verstärkt, heißt es in dem Bericht. Gleichzeitig wird empfohlen, Menschenhändler härter zu bestrafen.
Die sexuelle Ausbeutung von Mädchen und Frauen ist das Zentrum des internationalen Menschenhandels, der in 175 Ländern der Erde dokumentiert ist. Auch in Deutschland. Nach Devisen- und Ölhandel ist der Menschenhandel mittlerweile der dritterfolgreichste Wirtschaftszweig der Welt. Auch eine Art Globalisierung. Im Jahre 2009 wurden schätzungsweise eine Billion US-Dollar gewaschen, die im Menschenhandel verdient wurden.
Das Buch der kritischen Journalistin und Menschenrechtlerin Lydia Cacho ist erschütternd, aufklärend und tiefgründig zugleich. Jahrelang hat sie für dieses Buch recherchiert, hat sich unter Lebensgefahr in viele Länder gewagt, die vor allem im Frauenhandel eine führende Rolle spielen, hat mit Opfern, Tätern, Mitläufern und Fachleuten gesprochen, hat Untersuchungen geprüft und Hintergründe analysiert – bis hin zu den Frauen herabwürdigenden Kulturmustern in vielen Gesellschaften und bis zu den Männlichkeit überhöhenden Rollenmustern des Kriegers, des Soldaten und des Herrschers. Cacho macht ein Amalgam sichtbar aus Macht, Geldgier und Sex, das die Welt mit einem stabilen Netz von Sklaven-, Drogen- und Waffenhändlern überzieht und sich in Teilen mit Mafia-Gesellschaften überschneidet oder von Mafia-Gesellschaften mit Gewalt geschützt wird. Das organisierte Verbrechen handelt mit Menschen als Ware, die von Station zu Station mit Mehrwert gehandelt wird, bis sie ausgebeutet ist und entweder noch an Fabrikbesitzer für Textilherstellung verkauft oder in der illegalen Herstellung chemischer Drogen eingesetzt wird. Oder die Polizei bekommt von den Händlern einen Tipp, kann ein Bordell mit ausrangierten Prostituierten ausheben und sie Hilfsorganisationen zuführen, was dann als Erfolg der Opferorganisationen bekannt wird. 79 Prozent des Menschenhandels werden zum Zweck der Zwangsprostitution, der sexuellen Ausbeutung, betrieben. Kinder, vor allem Mädchen, von 3 Jahren an kommen als Ware in den Menschenhandel. 18 Prozent des Menschenhandels macht die Zwangsarbeit aus, 3 Prozent verteilen sich auf Haussklaverei, Zwangsheiraten von Kindern, Organhandel, Bettelkinder und Kindersoldaten. Die Zahlen sind abstrakt.
Cachos Buch zeigt das millionenfachen Leid, die global vernetzte Menschenentwürdigungsmaschinerie, die durch ihre Überschneidung mit Gutbürgerlichkeit, mit etablierten Menschen der bürgerlichen Gesellschaft und durch die massenhafte Nachfrage nach oft jungfräulichen Mädchen und hypersexualisierten Frauen und nach Pornographie existiert. Die Versklavung durch Betrug und die Hypersexualisierung durch vielfache Vergewaltigungen sind derart massiv, dass viele Frauen die Sklaverei verinnerlichen und ihre Funktion als Ware leben. Cacho macht das Elend, den Prozess der seelischen und physischen Traumatisierung, vor allem der Mädchen und Frauen fühlbar und sichtbar, berichtet von unvorstellbaren Schicksalen, die Zigtausende betreffen. Zentral ihre Reportagen aus der Türkei, aus Israel und Palästina, aus Japan, Kambodscha und Birma, das Cacho als „ein Konzentrationslager für Frauen“ bezeichnet, in Mexiko und Argentinien. 2005 hatte Cacho einen Pädophilen-Ring in Mexiko aufgedeckt, wurde verhaftet, gefoltert und jahrelang verfolgt. Sie ist aktive Journalistin und Menschenrechtlerin geblieben. Sie lebt bis heute in ständiger Gefahr. Damit alle wissen, was los ist. Und handeln können. Vor Cacho kann man sich nur verneigen.
Lydia Cacho Sklaverei Im Inneren des Milliardengeschäfts Menschenhandel. Fischer-Taschenbuch 18855. 351 Seiten. 10,99 €
http://www.fischerverlage.de/buch/sklaverei/9783596188550
http://de.wikipedia.org/wiki/Lydia_Cacho
http://www.pnn.de/kultur/406216/
http://www.youtube.com/watch?v=S3UZbt17F0w&feature=fvst
http://www.youtube.com/watch?v=IoaiXciLpSc
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16.01.2012 14:38
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Fairness für Patienten durch ein Patientenrechtegesetz?
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Kommt ein faires Patientenrechtgesetz? Es ist höchste Zeit. Das Patientenrecht ist in Deutschland eine rechtlich zersplitterte und unfaire Angelegenheit. Die Beweislast bei eventuellen Fehlern und Versäumnissen liegt einseitig bei den Patienten. Diese sind daher häufig in einer Bittsteller-Position, die unangemessen ist, denn mit ihren Beiträgen und Zahlungen finanzieren sie das Gesundheitssystem, auch Kliniken und Ärzte. Oft sind die Pflichten und Rechte der Patienten wie der Ärzte und Kliniken unklar und Anlass für juristischen Streit mit hohem Fairness-Risiko.
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung legt dieser Tage seinen Entwurf eines Patientenrechtegesetz vor, das vom Kabinett verabschiedet werden soll und danach zur Gesetzgebung in den Bundestag kommt.
Ziele des Entwurfs sind, dass "Patienten Zugang zu Informationen über die Qualität und Preise der Leistungen erhalten. Denn nur wer sich über die Qualifikation eines Leistungserbringers oder verschiedene Untersuchungs- und Behandlungsmethoden informieren kann, kann auch selbstbestimmt und eigenverantwortlich handeln. Wichtige weitere Themenfelder sind die Stärkung der Rechte der Opfer von Behandlungsfehlern und der Ausbau der Rechte der Patientinnen und Patienten gegenüber Leistungsträgern, z. B. Krankenkassen und Rentenversicherungsträgern. In diesem Zusammenhang werden auch Regelungen, die das Verfahren betreffen, zu diskutieren sein: Patientinnen und Patienten benötigen zügige Entscheidungen über beantragte Leistungen. Selbstverständlich muss auch dem Interesse der Patientinnen und Patienten an einem ausreichenden Schutz ihrer Daten Rechnung getragen werden“ (der Patientenbeauftragte).
Es gibt ein Eckpunktepapier, aus dem bereits die wichtigsten Bestimmungen zu ersehen sind.
Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Karl Lauterbach, sprach in der "Süddeutschen Zeitung" vom Montag von einer "Mogelpackung". Vor allem bemängelte er, dass künftig nur bei groben Behandlungsfehlern die Beweislast beim Arzt liegen solle. Dies betreffe "nur ganz wenige Fälle", bei denen schon jetzt vor Gericht der Arzt beweisen müsse, dass er keine Fehler gemacht habe. Hinzu kommt, dass voraussichtlich nur gesetzlich Krankenversicherte etwas vom Patientenrechtegesetz haben werden.
„Die Patientensicherheitsbewegung ist die moderne Variante der Patientenrechtebewegung“, betont Prof. Dieter Hart, Direktor des Instituts für Gesundheits- und Medizinrecht an der Universität Bremen. Ein Patientenrechtsgesetz sollte sich seiner Meinung nach auf grundlegende rechtliche Regelungen konzentrieren. Er plädiert für ein Kombinationsmodell aus Gesetz und begleitender „Patientencharta“. So sei es leichter, aktuelle Fragen unterhalb der gesetzlichen Grundsatzebene zu beantworten
Das Pro und Contra zur Gesetzesvorlage bestimmte auch die Sitzung des Gesundheitsausschusses des Bundestages:
http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2011/32843484_kw04_pa_gesundheit/index.html. Am 18.1.2012 ist die nächste Sitzung des Gesundheitsausschusses dazu, danach soll die Vorlage ins Kabinett und dann in den Bundestag gehen.
Entscheidend wird sein: Setzt das Patientenrechtegesetz einen fairen Rahmen für Fairness im Gesundheitswesen, wenn es um Rechte, Pflichte und Umgang mit Fehlern zwischen Ärzten und Patienten, Kliniken und Krankenversicherern geht?
Außerdem hat die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) den Beratungsbetrieb wieder aufgenommen hat. Ab sofort steht Ihnen das aus dem Festnetz kostenfreie bundesweite Beratungstelefon unter 0800 - 0117722 zur Verfügung. Demnächst öffnen auch die Beratungsstellen vor Ort. Aktuelle Info unter http://www.unabhaengige-patientenberatung.de/.
http://www.patientenbeauftragter.de/upload/bilder/der_beauftragte/Eckpunkte_Patientenrechtegesetz_endg___2_.pdf
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11.01.2012 13:42
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Unfaire Attacken gegen Leuchtturm der Fairness
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Ein israelisch-arabischer Kindergarten im kleinen arabischen Ort Hilf in der Nähe von Kiryat Tivon. Praktizierte, manifest gewordene Fairness, Völkerverständigung und Konfliktbewältigung: Ein Bustan (dt.: Quelle im Garten). Es ist der erste jüdisch-arabische Waldorfkindergarten in Israel. Seine Pfeiler sind die Waldorfpädagogik und die Anerkennung der arabischen sowie jüdischen Kultur. 15 Kinder kommen aus Kiryat Tivon (einer jüdischen Stadt) und den umgebenden arabischen Orten Hilf und Bosmat Tab’un. Die Vision der Gründungsmitglieder: eine Gesellschaft, in der Juden und Araber friedvoll und gleichberechtigt im Verständnis füreinander leben. Um dieser Vision willen braucht es eine Erziehung, die Brücken baut, die Freundschaft und Vertrauen unterstützt, die anregt, Sprache und Kultur miteinander zu teilen.
Hinter dem verheißungsvollen Projekt stehen teilweise Eltern, die selbst in gemischten arabisch-jüdischen Partnerschaften leben. Wie etwa Anat Tulnai, eine jüdische Frau, die ursprünglich aus Haifa stammt. Sie ist verheiratet mit Ihsan Ka`abiya, einem beduinisch-moslemischen Araber. Und beide sind froh, dass ihr Kind in eine Einrichtung geht, in der am konkreten Frieden für eine respektvolle Nachbarschaft von Israel und Palästina gearbeitet wird. Anstelle des ständigen Schüren von Hass und Gewalt auf beiden Seiten.
Hasserfüllte Gruppen gibt es auf beiden Seiten, die den Kindergarten und die Unterstützer ins Visier genommen haben. „Deutsche unterstützen in Israel einen jüdisch-arabischen Waldorfkindergarten, als Gegenentwurf zu den hasserfüllten Auseinandersetzungen im Nahen Osten. Dafür werden sie heftig angefeindet“ schreibt nun die Frankfurter Rundschau (FR). Eine Musiklehrerin und Lyrikerin aus dem rheinland-pfälzischen Remagen gibt privat Benefizkonzerte, deren Ertrag sie an den Kindergarten spendet. Versöhnen, statt spalten, darin sieht sie das Zukunftsmodell. Nicht jeder teilt diese Ansicht. Das wäre noch kein Grund zur Aufregung, wenn die Kritik in sachlichem Ton daherkäme. Das ist nicht der Fall. Im Gegenteil, sie ist unflätig, voll persönlicher Beleidigungen und der Chor der Hetzer im Internet schwillt an.
Die FR weiter: „Seit Wochen werden sie und ihre Unterstützer, zu denen auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz zählt, im Internet beschimpft und des Betrugs bezichtigt. Zweimal erhielt die Musiklehrerin anonyme Anrufe, in denen ihr geraten wurde, sich aufzuhängen, ehe die Jewish Defence League (JDL) bei ihr auftauche. Die JDL ist eine extremistische jüdische Vereinigung, die in den USA wegen Terrorverdachts vom FBI beobachtet wird“.
Deutsche tun sich hervor, die die Reputation der Musiklehrerin und ihrer Mitstreiter angreifen und zerstören wollen. Ein Arzt aus Frankfurt ist dabei, zwei Frauen aus München. „Der Anwalt der Musiklehrerin zeigt sich geschockt über die weiter anschwellende Flut von persönlichen Angriffen auf seine Mandantin. Ruprecht Polenz kennt das. Eine der Münchnerinnen hatte auf Facebook öffentlich überlegt, ihm eine „antisemitische Affäre“ anzudichten. Die schnelle und ungeprüfte Ausbreitung von Behauptungen und Angriffen im Netz, nennt Polenz ein „Spiel mit den Feuer“. Dagegen helfe nur Transparenz und Öffentlichkeit“.
Es gibt eine ganze Reihe jüdisch-arabische Projekte – teilweise schon mit längerer Laufzeit, die zudem von Deutschen bzw. Christen unterstützt werden. So gibt es beim Kinderheim Neve Hanna in Kiriat GatDa seit einigen Jahren einen jüdisch-arabischen Kinderhortes, der zur Hälfte von Kindern aus Beduinenfamilien in Rahat und zur Hälfte von jüdischen Kindern aus Kiriat Gat besucht wird. Es ist es wichtig, unfairen Akteuren von Ein Bustan und anderen „Oasen der Hoffnung“ deutlich entgegen zu treten. Um konkret gewordener Fairness zwischen den Völkern eine echte Chance zu geben.
http://www.fr-online.de/politik/nahost-konflikt-beschimpfungen-im-internet,1472596,11417832.html
http://www.ein-bustan.org/?lat=en-uk
http://imdialog.org/projekte/projekte08/projekte2008k.pdf
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03.01.2012 16:08
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Klopft an Türen und pocht auf Rechte!
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Das ist das diesjährige Motto der Sternsingeraktion. Und so wird das Eintreten für Fairness und Gerechtigkeit ganz praktisch. 500.000 Mädchen und Jungen, die in den Gewändern der Heiligen Drei Könige um den 6.1.2012 von Haus zu Haus ziehen, um Geld zu sammeln und Fairness-Bewusstsein für die Situation der Kinder in der Welt zu fördern.
Sie machen dabei deutlich, dass die Rechte von Kindern überall auf der Welt geachtet und unterstützt werden müssen. Die Mädchen und Jungen setzen sich dafür ein, dass Erwachsene und Politiker ihre Rechte und die der Gleichaltrigen in aller Welt schützen. Denn Armut und Gewalt sind massive Verletzungen der Kinderrechte, Gesundheitsversorgung und Bildung müssen selbstverständlich sein. Doch gerade in Nicaragua, dem Beispielland der Aktion Dreikönigssingen, werden die Kinderrechte von vielen mit Füßen getreten. Missbrauch, Misshandlung und häusliche Gewalt gegen Kinder sind dort an der Tagesordnung. Die Sternsinger unterstützen in Nicaragua unter anderem Projekte, in denen Kinder sich für ihre Rechte einsetzen. Sie werden „stark“ und selbstbewusst gemacht, um sich vor Übergriffen schützen zu können.
„Millionen Kinder leiden an Hunger, können nicht lesen und schreiben, sind durch Krieg und Gewalt verstümmelt. Ihre Rechte werden jeden Tag millionenfach verletzt. Mit ihrem Einsatz und der Hilfe der vielen Spenderinnen und Spender verhelfen die Sternsinger Kindern weltweit zu ihrem Recht und zu ein bisschen mehr Gerechtigkeit auf der Welt“, so Pfarrer Simon Rapp, Bundespräses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Dr. Klaus Krämer, Präsident des Kindermissionswerks „Die Sternsinger“ macht deutlich, worauf die Sternsinger bei ihrer Aktion insbesondere aufmerksam machen wollen: „Kein Kind ist wie das andere, aber alle haben dasselbe Recht auf körperliche Unversehrtheit. Kinderrechte sind Menschenrechte. Sie zu verletzen, ist kein Kavaliersdelikt.“
Bei der zurückliegenden 53. Aktion Dreikönigssingen sammelten die Sternsinger zum Jahresbeginn 2011 rund 41,8 Millionen Euro. Gruppen in 11.622 Pfarrgemeinden, Schulen und Kindergärten hatten sich beteiligt. Mehr als 2.100 Projekte in Afrika, Lateinamerika, Asien, Ozeanien und Osteuropa können die Sternsinger jährlich unterstützen. Und diese Projekte tragen nachhaltig zum Abbau ungerechter Strukturen in den Ländern der Einen Welt bei. Bildungsprojekte haben dabei einen besonderen Stellenwert. Primarschulen, Alphabetisierungsprogramme oder die Anschaffung von Schulmaterial sind wichtige Fördermaßnahmen. Eine abgeschlossene Schulbildung und eine qualifizierte Berufsausbildung sind für die Mädchen und Jungen oft die einzige Chance, den Teufelskreis von Armut, Arbeitslosigkeit und Kriminalität zu durchbrechen. Bildung wird damit zum Schlüssel der Entwicklung in den Ländern der so genannten Dritten Welt.
Am 20. November 1989 haben die Vereinten Nationen die Kinderrechte beschrieben, in insgesamt 54 Artikeln. Sie gelten für zwei Milliarden Jungen und Mädchen auf der ganzen Welt. Sie umfassen alle Personen unter 18 Jahren als Kinder definiert und es wird bekräftigt, dass allen Kindern alle Menschenrechte zustehen. Insgesamt beinhaltet die Konvention 54 Kinderrechtsartikel sowie zwei Zusatzprotokolle zur Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten und gegen den Verkauf und die sexuelle Ausbeutung von Kindern. In vielen Punkten ähneln diese Artikel den Grundrechtskatalogen westlicher Prägung. So werden darin etwa Meinungs-, Religions- und Informationsfreiheit thematisiert. Den Kinderrechten liegen vier zentrale Grundprinzipien zugrunde, die der „UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes“ in Genf als „Allgemeine Prinzipien“ (general principles) definiert hat. Diese allgemeinen Prinzipien finden sich in den Artikeln 2, 3, 6 und 12. Nichtdiskriminierung (Artikel 2): Alle Rechte gelten ausnahmslos für alle Kinder. Der Staat ist verpflichtet Kinder und Jugendliche vor jeder Form der Diskriminierung zu schützen. Die Aufhebung von Antidiskriminierung steht besonders im Vordergrund, da bereits in der Präambel explizit die Gleichbehandlung aller Menschen von Geburt an hervorgehoben wird. Vorrang des Kindeswohls (Artikel 3): Das Generalprinzip der Orientierung am Kindeswohl verlangt, dass bei allen Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen öffentlicher oder privater Einrichtungen das Wohlergehen des Kindes vordringlich zu berücksichtigen ist. Entwicklung (Artikel 6): Das Grundprinzip sichert das Recht jedes Kindes auf Leben, Überleben und Entwicklung. Berücksichtigung der Meinung des Kindes (Artikel 12): Kinder haben das Recht, in allen Angelegenheiten, die sie betreffen, unmittelbar oder durch einen Vertreter gehört zu werden. Die Meinung des Kindes muss angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife berücksichtigt werden. Darüber hinaus finden sich in dem „Gebäude der Kinderrechte“ zahlreiche weitere Rechte von Kindern, die sich in Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte unterscheiden lassen. Schutzrechte (Protection): Rechte auf Schutz der Identität, der Privatsphäre, Schutz vor Trennung von den Eltern gegen den Willen des Kindes (insofern dies nicht dem Schutz des kindlichen Wohlbefindens entgegensteht), Schutz vor Schädigung durch Medien, vor Gewaltanwendung, Misshandlung oder Vernachlässigung, vor wirtschaftlicher Ausbeutung, vor Suchtstoffen, vor sexuellem Missbrauch, vor Entführung, Schutz von Kinderflüchtigen und Minderheiten, Schutz bei bewaffneten Konflikten, Schutz in Strafverfahren und Verbot von Todesstrafe und lebenslanger Freiheitsstrafe. Förderrechte (Provision): Recht auf Leben und Entwicklung, auf Familienzusammenführung, auf Versammlungsfreiheit, Recht auf beide Eltern, auf Förderung bei Behinderung, auf Gesundheitsvorsorge, auf angemessenen Lebensstandard, auf Bildung, auf kulturelle Entfaltung, auf Ruhe, Freizeit, Spiel und Entfaltung, auf Integration geschädigter Kinder, Zugang zu Medien Beteiligungsrechte (Participation): Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Informationsbeschaffung und –weitergabe sowie Recht auf Nutzung kindgerechter Medien.
Kinder gehören zu den schwächsten Mitgliedern der Menschheitsfamilie. Auf sie Rücksicht zu nehmen, ist die Nagelprobe, wie fair es in einer Gesellschaft zugeht. Oder wie unfair.
Fakten zum Verstoß gegen Kinderrechte
http://www.sternsinger.org/themen/kinderrechte/fakten-zu-den-kinderrechten.html
Video zur den Kinderrechten:
http://www.sternsinger.org/sternsingen/aktion-2012/dks2012-materialien/dks2012-film.html
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20.12.2011 22:28
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Wir trauern um Prof. Dr. Dr. Horst-Eberhard Richter
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Einer der bedeutendsten politisch engagierten Psychoanalytiker, Friedenskämpfer und Ethiker ist tot. Prof. Dr. Dr. Horst-Eberhard Richter war der Fairness-Stiftung freundschaftlich verbunden. Er identifizierte sich mit den Inhalten und Aktivitäten der Fairness-Stiftung. Zum 10jährigen Jubiläum 2010 war er trotz seines hohen Alters eigens nach Frankfurt gereist, um an der Verleihungsfeier Deutscher Fairness Preis und Fairness-Initiativpreis 2010 sowie am Internationalen Fairness-Forum teilzunehmen. Prof. Richter war selbst Träger des Deutschen Fairness-Preises, den er 2001 erhielt. Die Laudatio hielt die weithin bekannte Dorothee Sölle, Friedenskämpferin wie er, Poetin und evangelische Theologin. Sie hatte gern die Laudatio für Horst-Eberhard Richter übernommen, der an diesem Tag den Deutschen Fairness Preis der Fairness-Stiftung bekam. Und sprachmächtig, sensibel, forsch und tiefsinnig wie immer fragte sie: „Brauchen wir nicht eine andere Sprache als die der Wissenschaft? Brauchen wir nicht andere Wünsche als die uns diktierten? Leben in seiner Fülle für alle - brauchen wir nicht, um das wünschen zu können, eine andere Kraft als die der rationalen Vernunft? Brauchen wir nicht das Glauben und das Hoffen, um irgendwann das Lieben zu lernen?“ Sie starb 2003.
Beide Friedenskämpfer sind bedeutende Gestalten der Zeitgeschichte, Vorbilder humanistischen Engagements und durch die Fairness-Stiftung verbunden.
Wir ehren Prof. Horst-Eberhard Richter durch ein bleibendes Gedenken, indem wir in seinem Sinne aktiv für Fairness eintreten, Unfairness entgegen treten sowie Bewusstsein und Kompetenz für Fairness erschließen. Horst-Eberhard Richter hat nicht nur durch seine zahlreichen Bücher, durch seinen Einsatz für die Psychiatriereform, durch den sozio-psychoanalytischen Blick auf die Familie, Gesellschaft und Wirtschaft neue soziale Bewegungen unterstützt und geistig unterfüttert, sondern auch durch ganz persönlichen Einsatz bei Demonstrationen und aktive Hilfe für benachteiligte Menschen ein Vorbild angegeben für alle, die humanistische Demokraten sein wollen und sein sollten. So war er „unbequem und engagiert“, durchdrungen von einer Leidenschaft dafür, dem Gewissen eine Chance zu geben und damit dem „Lernziel Solidarität“ voran zu helfen. Sein bedeutendstes kulturphilosophisches Werk dürfte „Der Gotteskomplex“ (1979) sein, dass unserer Gesellschaft die Analyse vor Augen hält und Perspektiven für die nächsten einhundert Jahre bietet, um der Menschheit den Weg aus der humanen Krise zu weisen, die hinter allen Krisen steckt.
Für seine Lösungsperspektiven griff der mehrfach international ausgezeichnete Wissenschaftler und Vordenker der Globalisierungskritiker auf zwei Quellen zurück: auf eine ganzheitliche sozial-psychoanalytische Tradition und auf eine christlich-ethische Tradition. Dabei setzt er sich besonders für ein sozial engagiertes gegen ein durch Macht korrumpiertes Christentum ein. Die Spiritualität von Franziskus und Clara ist für Richter eine wichtige Quelle zur Inspiration für ein neues menschliches Selbstverständnis, um Allmachtswahn durch Mitgefühl und Mitverantwortung zu überwinden. Vielfältige Gruppierungen und Projekte zeigen, dass damit begonnen worden ist, viele Menschen eine Disposition dafür haben und mehr praktischen Mut brauchen. Richters spornte an und rief dazu auf, sich öffentlicher einzumischen, sich deutlicher querzulegen und sich stärker noch miteinander zu verbünden, um den noch bevorstehenden Reifetest der Menschlichkeit zu bestehen.
Horst-Eberhard Richter starb am Montag, den 19.12.2011, mit 88 Jahren.
Wir sind dankbar, dass er unter uns und mit uns verbunden war. Er war ein Großer. Er ist es.
Norbert Copray
http://www.fairness-stiftung.de/Preisverleihung2001.htm
http://www.fairness-stiftung.de/pdf/BegruendungFuerPreisverleihung2001.pdf
http://www.fairness-stiftung.de/pdf/DankesredeHorstEberhardRichter2001.pdf
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02.11.2011 08:06
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Deutscher Fairness Preis 2011 und Fairness-Initiativpreis feierlich übergeben
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300 Gäste nahmen an der Verleihung des Deutschen Fairness Preises 2011 und an der Verleihung des Fairness-Initiativpreis 2011 in Frankfurt am Main teil. Der Deutsche Fairness Preis ging am Samstag an den Vorstandssprecher der GLS-Bank, Thomas Jorberg. Der Initiativpreis wurde Lobbycontrol, vertreten durch deren Vorstand Dr. Dieter Plehwe, überreicht.
Prof. Dr. Karl-Heinz Brodbeck würdigte im Namen des Kuratoriums der Fairness-Stiftung die Verdienste Thomas Jorbergs für eine faire Unternehmens- und Personalführung bei der GLS-Bank. Vor allem der ganzheitliche Ansatz der Fairnesspraxis überzeugte: Fair gegenüber Mitarbeiter, Kunden, Mitgliedern, dem Gemeinwesen und den natürlichen Ressourcen. Hier ist Fairness nicht eindimensional, sondern mehrdimensional praktiziert. Das stete Bemühen Thomas Jorbergs um die ganzheitliche Fairness findet durch die Verleihung des Deutschen Fairness Preises seine öffentliche Anerkennung mit der Verpflichtung, darin nicht nachzulassen und damit ein Beispiel zu geben in einer Branche, die nur selten umfassende Fairness und Erfolg zusammen bringt. Insofern ist Jorberg ein atypischer Banker, der sich auf das Bankgeschäft wie auf die für die Finanzbranche atypische Fairnesspraxis versteht. Das ist heute ein wichtiges Zeichen.
Irene Thiele-Mühlhan, stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der Fairness-Stiftung, überreichte den Fairness-Initiativpreis 2011 an LobbyControl und sprach im Namen des Kuratoriums die Anerkennung für Anliegen, Praxis und Perspektiven des Vereins für Transparenz und Demokratie aus. Durch die Aktivitäten von LobbyControl werde transparenter, welche Interessenvertreter mit welchen Intentionen was und wo in der Politik unternehmen, wie Einfluss genommen und die kritische Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird. Ein Lobbyregister in Berlin und Brüssel, kein Wechsel von aktiven Politikern in von ihnen begünstigte Unternehmen, keine Mitarbeit von Unternehmensvertretern in Ministerien etwa an Gesetzes- und Ministerialvorlagen – das sind Projekte von LobbyControl, denen das Kuratorium Erfolg wünscht. Denn durch mehr Transparenz der Lobbyisten und der Politik werden die Politik gegenüber den Bürgern fairer, weil die Demokratie weniger Schaden nimmt und mehr demokratische Kontrolle und Mitsprache für die Zivilgesellschaft gesichert wird.
Mit musikalischer Unterstützung durch das Saxophonquartett Blu4u wurde die Preisverleihung 2011 wieder einmal ein rundes Ereignis.
www.gls-bank.de www.lobbycontrol.de
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11.10.2011 10:59
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Wie mit Fehler und Versagen fair umgehen?
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Der faire und unfaire Umgang mit Fehler, Irrtum und Versagen ist das Thema des diesjährigen Internationalen Fairness-Forums der Fairness-Stiftung am 29.10. in Frankfurt. Dazu sprechen der Psychologieprofessor Dr. Dietrich Dörner, der Medizinprofessor und Präsident der Schweizer Stiftung für Patientensicherheit Dr. Dieter Conen und der Vorstandssprecher der GLS-Bank Thomas Jorberg.
Zuvor erhält Thomas Jorberg den Deutschen Fairness Preis 2011 für seine Verdienste um eine faire Unternehmens- und Personalführung aus der Hand der Kuratoriumsvorsitzenden der Fairness-Stiftung, Prof. Dr. Karl-Heinz Brodbeck. Die Laudatio hält die Chefredakteurin von Brand Eins Gabriele Fischer. Überdies wird LobbyControl der Fairness-Initiativpreis 2011 überreicht, der durch ein Publikumsvoting entschieden wurde. Dabei lag LobbyControl mit 58 % deutlich vor den beiden anderen Mitbewerbung um den Preis 2011.
Über 300 geladene Gäste werden den Veranstaltungen einen festlichen Rahmen geben. Die Veranstaltungen sind ausgebucht.
http://www.fairness-stiftung.de/FS_PM1109.htm
http://www.fairness-stiftung.de/FS_PM1103.htm
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28.09.2011 15:21
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Die Zeche für krass unfaire "Märkte"
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Viel mehr unsichere, niedrig bezahlte und schwindende Arbeitsplätze sind die Folge der seit 2007 anhaltenden Finanzkrise. Das haben Analysen der OECD vom 26.09.2011 ergeben. Insofern zahlen nicht nur die Steuerzahler die Zeche für den unregulierten Finanzmarkt und seine riskanten Geschäfte, sondern auch die Beschäftigten und die Arbeitssuchenden. Sie werden auf diese Weise vierfach zur Kasse gebeten, denn sie stemmen auch die Kosten erhöhter Arbeitslosigkeit und geringer Einzahlungen in die Sozialsysteme. Sie stehen auch mit ihrem Steuergeld ein für Euro-Rettungsschirme, die eigentlich Bankenrettungsschirme sind.
„Hatte sich die Situation im Jahr 2010 in vielen Regionen etwas entspannt, so macht das jüngst wieder gedrosselte Wirtschaftswachstum die kurzzeitigen Gewinne zunichte. Der aktuelle Beschäftigungsausblick der OECD verzeichnet in den 34 Ländern der Organisation ein Minus von 13 Millionen Jobs gegenüber der Vorkrisenzeit. OECD-weit waren damit im Juni dieses Jahres mehr als 44 Millionen Menschen arbeitslos, viele von ihnen bereits seit mehr als zwölf Monaten“, heißt es im aktuellen Bericht der internationalen Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit. Weiter heißt es: „Die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich seit 2007 in einigen Ländern verdoppelt, in den USA sogar verdreifacht. Deutschland ist zwar auch hier eines der wenigen Länder mit einem positiven Trend, dafür liegt der Anteil der Menschen, die ein Jahr oder länger keine Arbeit gefunden haben, mit 47 aller Arbeitslosen sehr hoch. Eine besonders erfreuliche Ausnahme bildet Deutschland bei der Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit. Diese sank zwischen 2007 und 2010 um zwei Prozentpunkte auf 9,7 Prozent. Ganz anders im OECD-Mittel: Hier gehören junge Leute zwischen 15 und 24 Jahren zur Gruppe derer, die am stärksten unter dem Einbruch auf dem Jobmarkt leiden. Ihre Beschäftigungszahl ging zwischen Ende 2007 und 2010 um zehn Prozent zurück. Ähnlich schwerwiegend waren die Auswirkungen für Geringqualifizierte, sie verloren im gleichen Zeitraum mehr als neun Prozent. Bei den Geschlechtern sah es für Männer OECD-weit schlechter aus als für Frauen: Ihre Beschäftigung sank um 2,7 Prozent, während die Frauen mit einem Rückgang von 0,6 Prozent relativ glimpflich davon kamen“.
Doch „selbst wenn junge Leute eine Arbeit finden, ist das nicht immer ein Grund zu ungeteilter Freude: Mehr und mehr Menschen erhalten nur noch befristete Verträge, die, anders als früher üblich, in eine Sackgasse führen statt als Sprungbrett für eine dauerhafte Beschäftigung zu dienen. Betroffen sind neben Berufseinsteigern auch Frauen. Zu dieser Unsicherheit kommen in vielen Ländern stagnierende (Deutschland, Frankreich, USA) oder sinkende Reallöhne (Spanien, GB). Gepaart mit einer wachsenden Ungleichheit der Einkommen für Individuen und Haushalte, können diese Effekte den sozialen Zusammenhalt gefährden und den ohnehin schwachen Wirtschaftsaufschwung abbremsen. Die OECD fordert deshalb die G20-Minister auf, nicht nur darüber nachzudenken, wie mehr Jobs geschaffen werden können, sondern auch Maßnahmen zu ergreifen, die zu fairen und hochwertigen Beschäftigungsverhältnissen führen“.
Unübersehbar ist: Der viel zitierte Markt bzw. die vielgenannten „Märkte“ sind nicht in der Lage, aus sich selbst heraus für faire Bedingungen des Wirtschaftens und der Verteilung zu sorgen. Daran haben die starken Akteure des Marktes auch gar kein Interesse, denn sie profitieren von unfairen Konditionen zum eigenen Vorteil. Umso wichtiger ist es, die „Märkte“ in die Schranken zu weisen. Wer mit unglaublicher Finanzmacht Einfluss auf die gesamte Menschheit zum Vorteil weniger nimmt, muss nicht nur kontrolliert, sondern auch gemäßigt und zwangsläufig auf faire Standards verpflichtet werden. Damit nicht die Demokratie marktkonform, sondern der „Markt“ demokratiekonform wird.
http://www.oecd.org/document/50/0,3746,de_34968570_35008930_48750322_1_1_1_1,00.html
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21.07.2011 17:48
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Krasse Unfairness gegenüber S21-Gegnern
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Die Schlichtung im Streitfall S21 ist gescheitert. Zu Recht kritisieren die S21-Gegner den intransparenten Stresstest der Bahn für den geplanten Stuttgarter Bahnhof. Er fußt auch auf inkorrekten Zahlen, was die Kosten angeht. Denn die veröffentlichen Zahlen der Bahn stimmen nicht mit den internen Zahlen überein, die von wesentlich höheren Kosten ausgehen. Und von denen die Politik bereits wusste. Selbst der Bundesrechnungshof hatte schon 2008 allein für den Bahnhof S21 Kosten in Höhe von 5,3 Milliarden festgestellt. Und die Erkenntnisse der Politik zugeleitet. Heute dürften sie deutlich darüber liegen. Doch 4,5 Milliarden ist offiziell das Limit, bis zu dem der Bau seitens Bahn und Politik realisiert werden soll und kann. Solche Differenzen sind kein Pappenstiel, sondern schmutziges Geschäft.
Einschub am 29.7.: >>Heiner Geißler versuchte in seiner Schlichter-Rolle zu retten was zu retten ist. Vor allem seine Reputation. Denn seine Vorschläge nach der Präsentation des Stresstests am 29. Juli 2011, den Stresstest hinsichtlich der Kapazität zu wiederholen - was nun geschehen wird - und den Bahnhof ober- und unterirdisch zu betreiben, sind hilflose Versuche. Weil die Voraussetzungen des Stresstests nicht stimmten, indem ehrliche Zahlen auf dem Tisch lagen und die S21-Gegner an der Durchführung mit äußerster Transparenz beteiligt wurden, ist die Schlichtung gar keine Schlichtung.<<
Schlichtungen und Mediationen als Strategie zur Beschwichtigung kritischer Gruppen werden weltweit von Unternehmen und Regierungen genutzt. Auch um die Opposition gegen Vorhaben zu spalten und damit zu entschärfen. Das sind dann jeweils Schlichtungen und Mediationen, die die Bezeichnung nicht verdienen, denn Fairness gehört zum unantastbaren Kern solcher Prozesse. So kommen diese Verfahren in Verruf und verlieren ihr wertvolles Potenzial für Fairness-Prozesse in Konfliktfällen. CDU- und Attak-Mitglied Heiner Geißler wird sich fragen müssen, ob sich künftig mit seinem Namen als Schlichter eine so mindere Qualität der Schlichtung verbinden soll.
Schon vor mehr als zehn Jahren hat krasse Unfairness gegenüber kritischen Gruppen funktioniert. Eine ganze Region war in Aufruhr, als der Flughafenbetreiber Fraport den Frankfurter Flughafen um eine Start- und Landebahn erweitern wollte. Es war da noch gar nicht mal 25 Jahre her, dass mit aller polizeilichen Gewalt, mit juristischer und politischer Raffinesse die neue Startbahn West gegen den Widerstand weiter Teile der Bevölkerung durchgesetzt worden war.
Um sich diese Konfliktlage zu sparen, haben Politik, Fraport und Gegner einer Mediation zugestimmt. Sie endete mit der Zustimmung der Gegner zum Ausbau, weil das Mediationsergebnis, dem Politik, Wirtschaft und Kritiker zustimmten, ein absolutes Nachtflugverbot enthielt. Kaum war die schwarz-gelbe Regierung im Sattel, wurde das Nachtflugverbot gekippt und die Gegner sahen sich um den Erfolg ihres Widerstands und ihrer aktiven Mitarbeit in der Mediation betrogen.
Dabei ging die Landesregierung von Anfang an davon aus, dass das Nachtflugverbot juristisch oder wirtschaftlich gekippt werden würde. So ist es auch gekommen. Niemals haben Fraport und hessische Regierung, die miteinander durch Aufsichtsratsposten von Regierungspolitikern bei der Fraport verbunden sind, angenommen, dass das Mediationsergebnis vollständig umgesetzt wird. Aber sie haben die Gegner so lange im Glauben gelassen, bis Fakten geschaffen und der Bau begonnen war.
So werden die Instrumente Schlichtung und Mediation mit Füßen getreten. Mit vermeintlich guten Verfahren werden Kritiker und Gegner ausgehebelt, vor der Öffentlichkeit ins Unrecht gesetzt und ihrer Würde beraubt. Fairness gehört zum unabdingbaren Kern von Mediation und Schlichtung. Betrug ist sicherlich das Gegenteil davon. Unfairness im formellen Gewand der Fairness. Das muss jetzt Thema werden.
http://www.fr-online.de/wirtschaft/spezials/stuttgart-21/stuttgart-21-kostet-ueber-fuenf-milliarden-euro/-/4767758/8671942/-/index.html
http://www.sueddeutsche.de/politik/vor-der-praesentation-der-stresstest-ergebnisse-stuttgart-das-duemmste-grossprojekt-1.1125722
http://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/0,2828,729662,00.html
http://www.fr-online.de/politik/-mit-deutlich-hoeheren-kosten-ist-zu-rechnen-/-/1472596/8677124/-/view/asFirstTeaser/-/index.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,716350,00.html
http://www.fr-online.de/rhein-main/spezials/der-preis-fuer-den-ausbau/-/1472874/2777322/-/index.html
http://www.fr-online.de/rhein-main/spezials/die-koch-sche-taeuschung/-/1472874/2775342/-/index.html
http://www.fr-online.de/rhein-main/spezials/laerm-gegner-schmeissen-hin/-/1472874/2749920/-/index.html
http://www.fr-online.de/rhein-main/spezials/fdp---unser-wort-gilt-/-/1472874/2813532/-/index.html
http://www.fr-online.de/rhein-main/spezials/-das-war-keine-echte-mediation-/-/1472874/2754394/-/index.html
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09.06.2011 17:49
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Unfairer Umgang mit Erwerbslosen
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Ist es Unfairness oder Inkompetenz? Beides. Wo inkompetent gehandelt wird, wo es auf Kompetenz ankommt, wird Unfairness praktiziert, wenn Menschen davon unmittelbar betroffen sind. Das zeigt sich sehr deutlich im Umgang mit Erwerbslosen.
Wie Studien an den Universitäten Dresden und Leipzig herausfanden, sind die Anforderungen an Erwerbslose häufig unrealistisch und gesundheitsgefährdend. Im Bericht heißt es: "Von Arbeitslosen werden Veränderungen verlangt, die viele Menschen in stabilen Verhältnissen kaum zu leisten in der Lage sind: finanzielle Einbußen, Veränderungen der Lebensführung, Veränderung zentraler Rollen, Umzüge, Trennung von der Familie bei wohnortfernen Arbeitsangeboten und unsicherer Perspektive“ Professorin Dr. Gisela Mohr und Kollegen fordern daher: "Viele Bewerbungen, hohe Arbeitsorientierung, starke Konzessionsbereitschaft und viel Optimismus sind falsche Forderungen an Arbeitslose." Hintergrund: Verschiedentlich erhalten ALG-II-Bezieher im Jobcenter die Aufforderung, eine möglichst hohe Zahl an Bewerbungsschreiben nachzuweisen, auch wenn die Erfolgschancen minimal sind. Das laufend negative Ergebnis entmutigt die Arbeitssuchenden, beschädigt ihr Gefühl der Selbstwirksamkeit und kann damit die emotionalen bzw. gesundheitlichen Voraussetzungen von Erwerbsfähigkeit ruinieren. Die Wissenschaftler referieren "Untersuchungen, die zeigen, dass eine mittlere Arbeitsorientierung mit einer besseren psychischen Gesundheit einhergeht als eine hohe. Zu erklären ist dies damit, dass erfolglose Bewerbungen dann besser bewältigt werden können. Auch hier muss es also als Kunstfehler betrachtet werden, wenn sogenannte Motivationstrainings eine hohe Arbeitsorientierung in den Vordergrund stellen, statt die protektive Funktion eines mittleren Niveaus zu sehen. Offenbar stellt die Reduzierung der Arbeitsorientierung eine Anpassung an die gegenwärtige Lebenssituation dar und muss bei Langzeitarbeitslosen als Teil einer positiven Bewältigungsstrategie bewertet werden." Ist der Arbeitslose bei einer Arbeitsplatzwahl zu hohen Konzessionen bereit, sehen die Wissenschaftler "potentiell die Gefahr einer beschleunigten Abwärtsspirale, da ein erheblicher Teil dieser Wiedervermittelten innerhalb eines Jahres wieder arbeitslos ist... Eine hohe Konzessionsbereitschaft und Arbeitsorientierung von ALG-II-Beziehern muß geradezu als Risikofaktor für eine gelingende Bewältigung von Arbeitslosigkeit betrachtet werden".
Angesichts des Studienergebnisses kommt an zudem auf den Gedanken, dass die praktizierte Inkompetenz gegenüber den Erwerbslosen und die Ignoranz gegenüber ihrer konkreten Situation Methode hat und mindestens latente Unfairness zum Ausdruck bringt. Offenbar sollen die Aktionen der Jobcenter Erwerbslose abschrecken, noch weiter Erwartungen zu haben oder gar ihre Rechte einzufordern. Wenn die Arbeitsagentur und Jobcenter von Kunden sprechen, muss man sich nur wundern. Hier ist der Kunde nicht König, sondern Bettelmensch. Damit er nicht wiederkommt und die rechtlich ihm zustehende Leistung gespart werden kann.
Der vollständige Bericht findet sich in: Susann Mühlpfordt, Gisela Mohr, Peter Richter (Hrsg.): Erwerbslosigkeit: Handlungsansätze zur Gesundheitsförderung. Pabst, Lengerich/Berlin 2011, 180 Seiten.
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02.05.2011 15:51
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Miserable Noten für die Fairness der Regierung und der Arbeitgeber
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Bevölkerung hält mehr Anstrengungen für dringend nötig.
Im Fairness-Barometer 2011 schneidet die Regierung sehr schlecht ab. Arbeitgeber und Unternehmen bekommen nur sehr unzureichende Noten für die Fairness gegenüber Arbeitnehmern und Verbrauchern. Und das quer durch alle Bevölkerungsschichten und unabhängig vom Wohnort. Das ist ein zentrales Ergebnis des Fairness-Barometers (www.fairness-barometer.de), das die Fairness-Stiftung auf der Basis einer repräsentativen Umfrage zum dritten Mal erstellt hat.
73% der Bürger halten die Regierung in Bezug auf ihre Entscheidungen und ihr Verhalten gegenüber der Bevölkerung für unfair. Nur noch 41% halten das Verhalten von Unternehmen gegenüber Kunden und Verbrauchern für fair. 56% der Befragten geben an, gegen Unfairness und für Fairness am Arbeitsplatz aktiv geworden zu sein. Dabei haben die Bürger konkrete Vorstellungen von der Fairness-Qualität. 69% der Befragten geben an, dass sie häufig ihre Kaufentscheidung für ein Produkt oder eine Dienstleistung von der vermuteten oder nachweislichen Fairness-Qualität des Unternehmens abhängig machen. Die Mehrheit von ihnen (78%) beurteilt die Qualität von Fairness eines Unternehmens anhand des Rufs, welches es bei seinen Mitarbeitern und Kunden genießt. Zudem orientieren sich 39% an objektiven und unabhängigen Belegen, wie beispielsweise Siegeln, Zertifikaten und Kundenfeedbacks.
Gefragt wurde weiterhin nach einer Einschätzung, wie fair in unserer Gesellschaft mit Minderheiten umgegangen wird. Nur 40% finden den Umgang fair. Die Mehrheit der Befragten, 54%, schätzen diese als unfair ein. Diese Frage wurde auch im Fairness-Barometer 2008 erhoben. Damals werteten 79% der Befragten die Situation der betroffenen Gesellschaftsgruppen als fair. Damit hat sich in den Augen der Bürger die Fairness gegenüber diesen Bevölkerungsgruppen in drei Jahren deutlich verringert.
Entsprechend dem Urteil zur Fairness der Politik, Gesellschaft und Wirtschaft steigt der Erwartungsdruck der Bürger, die Fairness-Qualität vor allem in Unternehmen und in politischen Prozessen deutlich zu steigern.
www.fairness-barometer.de
http://www.fairness-barometer.de/
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03.01.2011 15:30
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Fair zu sich selbst in 2011
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Weniger Stress! Knapp 60 Prozent der Bürger wünschen sich das in 2011. Bei Familien mit Kindern wünschen sich das sogar knapp 70 Prozent. Darin drückt sich aus, wie dauerhaft anstrengend es ist, die Anforderungen im privaten wie im beruflichen Bereich unter einen Hut zu bringen und dabei nicht auszubrennen. Stressreduktion ist Fairness gegenüber sich selbst – und Fairness anderen gegenüber, denn man wird dadurch umgänglicher und ist weniger geneigt, anderen gegenüber unfair zu sein. Und zugleich gilt: sei fair zu dir, wie du zu anderen fair bist.
Von anhaltendem Stress über auszehrenden Stress zum Burn Out ist es ein schleichender Prozess, der meist zu spät bemerkt wird. Daher ist es gut, wenn man sein Augenmerk darauf richtet, wie viel Anstrengung es kostet, sein Leben zu meistern. Und zugleich etwas unternimmt, die eigene Stresskompetenz zu erhöhen, um den Stress meistern zu können, wozu auch gehört, ihn mindern zu können. Dabei spielt die Lebens- und Ernährungsweise ebenso ein Rolle wie die Freizeitgestaltung und die sozialen Kontakte. Man kann des Guten aus zu viel tun: zu viele Kontakte, zu viele Events, zu viele Aufgaben, zu viele Vorhaben.
So können die Vorsätze, die sich die Menschen für 2011 vorgenommen haben, unter Umständen selbst Stress auslösen, wenn sie nicht aktiv zur Stressreduktion beitragen. Die Top Ten der guten Vorsätze der Bürger sind: • Stress vermeiden oder abbauen (59%) • Mehr Zeit für Familie / Freunde (56%) • Mehr bewegen/Sport (52%) • Mehr Zeit für mich selbst (49%) • Gesünder ernähren (44%) • Abnehmen (34%) • Sparsamer sein (32%) • Weniger fernsehen (18%) • Weniger Alkohol trinken (14%) • Rauchen aufgeben (12%)
Die Erkenntnisse entstammen einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage durch das Forsa-Institut. Zusätzlich führte das Forsa-Institut für die DAK eine bundesweite und repräsentative Befragung von 1.000 Eltern von Kindern unter 18 Jahren durch.
Die Fairness-Stiftung wünscht allen Besuchern unserer Website ein 2011 mit weniger Stress, mehr Fairness und Zeit für das, was anderen und sich selbst gut tut.
http://www.fairness-stiftung.de/Buchtipps.htm#Burn
http://www.fairness-stiftung.de/Stress.htm
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13.12.2010 08:33
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Wikileaks und die Transparenz demokratischer Regierung
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Wie viel Transparenz lassen demokratische Staaten zu?
Diese Frage kommt auf, wenn man sich die Ereignisse nach den jüngsten Veröffentlichungen der Plattform Wikileaks vor Augen führt.
Diese hatte erneut umfangreiche geheime Dokumente der US-Regierung erhalten und kürzlich begonnen, über 250.000 US-Diplomatendepeschen zu veröffentlichen. Hier erfuhr die Öffentlichkeit beispielsweise wie europäische Politiker durch US-Botschaftsmitarbeiter eingeschätzt wurden. Die FDP erfuhr u.a., dass einer ihrer Mitarbeiter jahrelang Interna an den US-Botschafter in Berlin weitergegeben hatte. Aber auch Entscheidungen der deutschen Bundesregierung, beispielsweise deren Verzicht auf eine vollständige Aufklärung der Entführung eines deutschen Staatsbürgers, erscheinen in einem neuen Licht. ( http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2731785_0_9223_-cia-entfuehrungsopfer-wikileaks-veroeffentlicht-protokoll.html)
Die Empörung und Kritik auf Seiten der US-Regierung gegenüber Wikileaks ist nach diesen Veröffentlichungen groß. Um manch unangenehme Überraschung abzufedern, wurden weltweit Regierungen auf den Inhalt der Veröffentlichungen vorbereitet. Weiterhin überprüft die US-Regierung derzeit, inwiefern Sie Wikileaks oder deren Mitgründer Julian Assange für die Veröffentlichungen rechtlich belangen kann.
In Folge dessen haben Dienstleister wie everydns.net und Amazon, aber auch Finanzdienstleister wie beispielsweise PayPal, Mastercard, die schweizer PostFinance und Visa die Abwicklung von Spenden zugunsten von Wikileaks eingestellt und deren Konten eingefroren. Diese Vorgehensweisen verschiedener Unternehmen erstaunen, bedenkt man, dass sie jeglicher rechtlichen Grundlage entbehren. Es kommt vielmehr der Eindruck auf, dass versucht wird, Wikileaks die Existenzgrundlage zu entziehen und den Zugang zu Ihrer Plattform zu unterbinden und somit Zensur zu betreiben. Bedenkt man, dass dies nicht in einer Diktatur geschieht, wo Zensur zum System gehört, sondern in demokratischen Staaten, macht sich ein Unwohlsein breit.
Sollte nicht jeder Bürger möglichst alle relevanten Informationen erhalten, auf denen die Entscheidungen seiner gewählten Volksvertreter beruhen? Sollten diese Informationen nicht nur vollständig, sondern auch wahr sein?
Die Vision der Wikileaks-Plattform, welche seit 2006 besteht, und sich nur über Spenden finanziert, ist brisante Materialien, welche eine ethische, politische und historische Bedeutung haben, öffentlich zu machen. Durch die Veröffentlichungen soll das Weltgeschehen verständlicher und eine transparentere Demokratie erzeugt werden.
Mit der Veröffentlichung der US-Depeschen haben die Betreiber der Wikileaks-Seite erneut in vielen Bereichen für mehr Transparenz gesorgt. Den Bürgern wurde wieder einmal vor Augen geführt, wie ihre Regierungen miteinander, aber vor allem mit ihnen selbst umgehen. Jolanda Butera
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22.09.2010 11:55
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Fairness-Initiativpreis 2010 für beispielhaftes Engagement
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Abgeordnetenwatch, foodwatch und Irrsinnig menschlich erhalten besondere Auszeichnung: den Fairness-Initiativpreis 2010. Die Initiativen werden wegen ihres Einsatzes für mehr Fairness in konkreten Bereichen der Demokratie und Bürgergesellschaft ausgezeichnet. Nach Überzeugung der Fairness-Stiftung ist für eine zukunftsfähige Entwicklung unserer Gesellschaft die Zunahme von Fairness-Qualität mitentscheidend.
Das Portal abgeordnetenwatch von Parlamentwatch schafft einen konstruktiven Bürgerdialog zwischen Abgeordneten und Bürgern und sorgt so für mehr Transparenz der politischen Entscheidungsprozesse und für mehr Diskurs in der Gesellschaft. Zumal der Bürgerdialog im Portal für alle einsehbar ist und sehr gut gemanagt wird, zeigt er, was Fairness-Qualität im politischen Umgang miteinander ist und sein kann. Foodwatch bekämpft die Unfairness und Verschleierungstaktik der Lebensmittelindustrie und ihrer Lobbys, um für mehr Transparenz und Qualität im Lebensmittelsektor und für eine stärkere Rolle aufgeklärter Verbraucher zu sorgen. Zahlreiche Aktionen und Medienkampagnen habe bereits erste Erfolge gezeigt und politische Instanzen unter Druck gesetzt. Damit ist foodwatch zunächst ein Beitrag gegen die Unfairness der Politik und der Lebensmittelindustrie gegenüber den Verbrauchern gelungen, um mehr Fairness-Qualität zwischen Verbrauchern, Herstellern und Politik zu erreichen. Der Verein Irrsinnig Menschlich klärt über psychische Erkrankungen auf und baut Vorurteile gegenüber Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen ab. Besonders durch das Engagement von Irrsinnig Menschlich im Schulprojekt „Verrückt? Na und!“ leistet der Verein Pionierarbeit. In einer Zeit, in der immer mehr Menschen steigenden psychischen Belastungen ausgesetzt sind, ist eine solche Initiative vorbildlich, damit Fairness und Rücksicht gegenüber Menschen gelernt und praktiziert werden, die darauf angewiesen sind.
Die drei Initiativen bekommen ihren Fairness-Initiativpreis am 30.10. im Rahmen einer Feierstunde in Frankfurt durch das Kuratorium der Fairness-Stiftung überreicht. Die Fairness-Stiftung engagiert sich für Fairness in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft sowie für die Steigerung von Fairness-Kompetenz von Führungskräften und Organisationen. Nur durch Fairness kann es gelingen, für ein besseres, ein zukunftsfähiges und vertrauensvolles Zusammenleben von Menschen und Gruppen und für mehr Fairness-Qualität in Politik und Gesellschaft zu sorgen.
www.fairness-stiftung.de www.abgeordnetenwatch.de www.foodwatch.de www.irrsinnig-menschlich.de www.verrückt-na-und.de
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06.09.2010 16:11
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Deutscher Fairness Preis 2010 an Fairness-Forscher
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Ernst Fehr, Professor für Mikroökonomie und Experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität Zürich und Leiter von deren Institut für Empirische Wirtschaftsforschung, erhält den Deutschen Fairness Preis 2010. Das hat das Kuratorium der Fairness-Stiftung in Frankfurt am Main entschieden und bekannt gegeben. Mit dem Preis ehrt das Kuratorium den gebürtigen Österreicher Dr. Fehr für seine international herausragenden Verdienste um die Forschung in Bezug auf menschliche Kooperation und Fairness, die er in den letzten Jahren systematisch vorangetrieben und durch zahlreiche Veröffentlichungen weltweit im Bewusstsein von Wirtschaftswissenschaftlern und angrenzenden Bereichen verankert hat.
Angesichts der jahrhundertelangen Abwehr eines von Kooperation und Fairness geprägten Menschenbildes in der Wirtschaft können die Verdienste Fehrs nicht hoch genug eingeschätzt werden. Er hat in Kooperation mit zahlreichen anderen Wissenschaftlern und unter Rückgriff auf wegweisende Arbeiten von Kollegen und Vorläufern einen entscheidenden Anteil am Nachweis, dass Fairness eine eigenständige Motivation und Orientierung des Menschen ist. Wird das bei der Betrachtung von Entscheidungssituationen, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung unterschlagen, kommt es zu Fehleinschätzungen und Fehlentwicklungen. Fehr konnte nachweisen, dass der Mensch bei wirtschaftlichen Entscheidungen nicht nur eigennützigen Interessen folgt, sondern einem ausgeprägtes Gefühl für Fairness und Zusammenarbeit folgt. Seine Forschungsergebnisse zeigen aber auch, dass sich Fairness-Motive nicht immer durchsetzen – es bedarf auch der richtigen institutionellen Voraussetzungen, damit Fairness-Motive im wirtschaftlichen Verhalten eine Rolle spielen können.
Der renommierte Forscher ist Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences, Mitglied der American Academy of Political and Social Sciences und ständiger Gastprofessor am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Die Fairness-Stiftung verleiht jährlich den Deutschen Fairness Preis an herausragende Persönlichkeiten, die sich um die Erforschung und Förderung der Fairness oder um die Entwicklung einer fairen Unternehmens- und Organisationskultur verdient machen. Unter den Preisträgern sind unter anderem Prof. Dr. Dr. Horst-Eberhard Richter, Prof. Götz W. Werner, Prof. Dr. Gertrud Höhler, Prof. Rupert Lay und Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell. Der Preis in Gestalt einer vom Künstler Johannes Hans A. Nikel geschaffenen großen Bronzemedaille wird Ernst Fehr am 30.10. in Frankfurt am Main im Rahmen einer öffentlichen Feierstunde durch den Kuratoriumsvorsitzenden Prof. Dr. Karl-Heinz Brodbeck in Frankfurt überreicht. Die Laudatio hält Prof. Dr. Tania Singer, Direktorin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Die Preisvergabe wird gesponsert vom Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG.
Ohne Fairness ist ein Zusammenleben von Menschen, Gruppen und Kulturen in einer Gesellschaft nicht möglich. Fairness ist die Basis, damit Kooperation, Entwicklung und Vertrauen möglich werden.
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24.08.2010 13:41
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Das neue und einzigartige Buch über Fairness
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Brandneu und aktuell: Das Buch „Fairness“ (Gütersloher Verlagshaus 2010, 240 Seiten), in das die Erkenntnisse der Fairness-Forschung, die Ansätze der Fairness-Stiftung zum Aufbau von Fairness-Kompetenz und meine Erfahrungen der letzten 35 Jahre in der Beratung von Verantwortungsträgern, Chefs und Management eingeflossen sind. Es ist das einzige Buch im deutschsprachigen Raum, das sich ausschließlich und grundlegend mit Fairness befasst. Dazu liefert es einen Ansatz, 1. die Fairness-Intuition des Menschen und ihre Störungen zu verstehen, 2. das parasitäre „System der Unfairness“ zu durchschauen, 3. die Fairness-Fallen frühzeitig zu identifizieren oder zu verlassen, 4. eigene Fairness-Kompetenz aufzubauen, 5. den Umgang mit Fairness professioneller zu machen und 6. Fairness als Lebenskompass zu begreifen und zu nutzen. Zugleich werden die verschiedenen Felder in den Blick genommen, in denen Fairness eine besondere Rolle spielt bzw. in denen Unfairness ihr böses Spiel treibt: Gesellschaft und Wirtschaft, Privat- und Berufsleben, Unternehmen und Organisationen, Nachbarschaft und Elternschaft.
Zum verbreiteten Missverständnis über Fairness heißt es in der Einleitung: „Die Vorstellung, Fairness sei lediglich etwas weich gespülte Zwischenmenschlichkeit, um die Härte nicht zu spüren, mit der man manipuliert, ausgenutzt und ausgebeutet wird, hat den Fairness-Faktor noch nicht wirklich verstanden. Fairness ist das genaue Gegenteil und hat – wie in Fairness-Prozessen zu erfahren ist – für viele überraschend gar nichts mit Seichtheit und dem Schein der Nettigkeit zu tun.
Fair sein heißt nicht nett sein, sondern sehr deutlich, konsequent und mitunter mit harten Ergebnissen für Fairness zu sorgen. Denken wir nur an sehr gute Schiedsrichter, die durch gelbe und rote Karten dafür sorgen, dass ein Spiel wieder an Fairness-Qualität gewinnt, das schon in die gegenteilige Richtung zu kippen drohte. Wer Fairness banalisiert oder mit einem naiven, nicht qualifizierten Fairness-Begriff operiert, arbeitet unfairen Akteuren in die Hände. Sie haben großes Interesse daran, Fairness lächerlich zu machen, zu tabuisieren und auf eine nette, höfliche Maske zu schrumpfen. Lassen wir uns dazu nicht verführen“ (S. 11f).
Erhältlich überall im Buch- oder im Versandbuchhandel. Handsigniert bei
http://www.publik-forum.de/shop/Default.asp?id=9982&titel=Fairness+%28handsigniert%29&k1=31&k1n=Mittelfeld&k2=3&k2n=Handsigniert
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30.07.2010 16:09
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Mobbing gegen Afrika?
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Der Kommissionspräsident der Afrikanischen Union, Jean Ping, warf dem Internationalen Staatsgerichtshof in Den Haag vor, den afrikanischen Kontinent zu „mobben“. Hintergrund ist das Vorgehen des Staatsgerichtshofs gegen afrikanische Präsidenten, insbesondere gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir. Gegen den Präsidenten gibt es einen Haftbefehl, der sich unter anderem auch auf die Anklage wegen Völkermord bezieht. Und obwohl 30 der 52 Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union (AU) das Statut des Internationalen Staatsgerichtshofs unterzeichnet und sich rechtlich zur Zusammenarbeit mit dem Gericht verpflichtet haben, haben die beim AU-Treffen versammelten Staaten alle AU-Mitgliedsländer aufgefordert, die Verhaftung Al-Baschirs zu boykottieren.
Die afrikanischen Staatschefs behaupten, westliche Regierungen missbrauchten die Justizbehörde zu neokolonialen Einmischungsversuchen in die Belange afrikanischer Staaten. Hingegen macht die kenianische Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai darauf aufmerksam, dass die Unterstützungsverweigerer eben jene „sogenannten Führer“ seien, „die die Menschenrechtsvergehen zu verantworten haben.“ Daher schützen die afrikanischen Staatschefs nur einen der ihren aus Sorge, selbst die nächsten Angeklagten zu sein, weil sie an schweren Vergehen beteiligt oder gar allein dafür verantwortlich sind.
Mit dem Vorwurf, einen ganzen Kontinent zu mobben, hat die Verwendung des Mobbingbegriffs nie da gewesene internationale Präsenz erhalten. Ursprünglich ein deutsches Kunstwort, das es bislang so im Englischen gar nicht gibt, wird es jetzt sogar international gebräuchlich und auf einen ganzen Kontinent bezogen.
Der Vorgang zeigt zweierlei: 1. Verstecken sich solche, die selber Unrecht tun und Unfairness verbreiten, selbst gern hinter dem Vorwurf Mobbing gegenüber der Gegenseite. Ein Macht- und Zuweisungsspiel, das selbst hierzulande Eingang in die Gerichtssäle findet. So können unfaire Akteure den Vorwurf umdrehen und sich zu Opfern stilisieren. 2. Es geht hier beim Vorwurf des kontinentalen Mobbings nicht um Mobbing im eigentliche Sinne, sondern die afrikanischen Präsidenten meinen unfaire Attacken im Sinne von Dissen in verschärfter Form. Dazu passt auch, dass die Präsidenten dem Chefankläger des Staatsgerichtshofes, Luis Moreno-Ocampo, „unerhört rüde und herablassende“ Umgangsformen vorwarfen.
Wären die afrikanischen Präsidenten in ihren eigenen Ländern als Vorkämpfer von Fairness und Menschenrechte bekannt, wäre das glaubwürdig, So aber ist es nur der Missbrauch der Begrifflichkeit Mobbing zum eigenen Selbstschutz, hinter dem auch noch unfaire Handlungen und Menschenrechtsverletzungen versteckt werden.
http://www.fairness-stiftung.de/Dissen.htm
http://www.fairness-stiftung.de/Mobbing.htm
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25.03.2010 14:37
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Fairness für Verbraucher
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Fairness bei Dienstleistungen ist dringend erforderlich, denn häufig werden Verbraucher über den Tisch gezogen oder mit einer schlechten Qualität abgespeist. Das Verbraucherbarometer 2009 hatte aufgedeckt, dass bestimmte Dienstleistungsmärkte – darunter Energie und Bankwesen – für die Verbraucher nicht zufriedenstellend sind (siehe IP/09/202).
Mittlerweile hat die Kommission detaillierte Marktstudien über diese beiden Sektoren eingeleitet. Und am 18. und 19. März einen Europäischen Verbrauchergipfel mit dem Thema „Dienstleistungen: Zugang, Auswahl und Fairness“ durchgeführt. Der Gipfel konzentrierte sich auf die Dienstleistungssektoren, die für die Verbraucher besonders wichtig und aus deren Sicht noch verbesserungsbedürftig sind, wie aus den Marktanalysen im Rahmen des Verbraucherbarometers hervorgeht. Die Ergebnisse des Gipfels fließen direkt in die Überlegungen zur künftigen Politik für Verbraucherdienstleistungen ein.
Am Vorabend des Gipfels kommentierte der EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherpolitik John Dalli: „Die Verbraucher fühlen sich zu oft nicht gut behandelt von wichtigen Anbietern wie Banken oder Energiebetrieben. Wir müssen diese Problematik auf EU-Ebene angehen.“
„Ist das fair?“ - die „Europäische Initiative zur Unterstützung von Verbrauchern“ – unterstützt mit einem umfassenden Portal Konsumenten, um unlautere, sprich unfaire Geschäftspraktiken zu erkennen und ihnen entgegen zu treten:
http://www.isitfair.eu/index_de.html.
Leider sind die entsprechenden Websites des EU-Verbraucherschutzes überwiegend in englischer Sprache, was einer breiten Rezeption der Informationen und ihrer Anwendung durch Verbraucher entgegen steht. Hier ist die EU nicht besser als die von ihnen kritisierten Anbieter: unfair in Bezug auf einen beträchtlichen Teil von Verbrauchern deutscher Sprache und anderer Sprachen.
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05.01.2009 12:58
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Fairness, Vertrauen und die Weltwirtschaftskrise
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Dass das Vertrauen in der Wirtschaft fehle, heißt es in den Analysen der Weltwirtschaftskrise. Nicht einmal die Banken würden einander vertrauen und sich deshalb kein Geld ausleihen, also Kredite einräumen. Nun bedeutet Kredit ja gerade das: Vertrauensvorschuss geben. Nicht blind, sondern meistens kontrolliert, z.B. durch Angabe von Sicherheiten. Mit dem Fazit, es fehle an Vertrauen, ist also in der Analyse nicht viel gewonnen.
Von Vertrauen zu sprechen, wo bislang Leichtsinn im Spiel war – etwas bei der Vergabe von Hauskrediten in den USA oder bei Kreditlinien zur fremdfinanzierten Übernahme von Unternehmen – ist ein analytischer Missgriff. Diese Art des Kredithandels hatte wenig mit Vertrauen, jedoch viel mit Maßlosigkeit, unprofessionellem Risikomanagement und Leichtgläubigkeit zu tun. So wie etwa Menschen leichtsinnig bei Haustürgeschäften agieren, ohne sich über die Seriosität der Verkäufer, die Qualität des Angebots und ein Angebotsvergleich zu orientieren.
Nein, es ist nicht das Vertrauen, das fehlt oder das missbraucht wurde. Vielmehr ist es die Fairness, die permanent verletzt wurde, was aber niemand oder nur wenige interessierte. Denn bei vielen der nun in der Kritik stehenden Geschäftsprozesse haben häufig zwei Partner (Banken, Unternehmen, Fonds) einen Deal auf Kosten eines Dritten (Unternehmens, Mitarbeiterschaft, Staat) gemacht. Diese gravierende Fairnessverletzung rächt sich nun weltweit: Alle zahlen einen Preis für gravierende Fairnessverletzungen bei weltweiten Deals und Geschäften. Die wohlhabenden und reichen Menschen und Gesellschaften zahlen prozentual einen höheren Preis; die mittleren und ärmeren Schichten und Gesellschaften einen höheren Preis nach den absoluten Zahlen.
Für die Zukunft heißt das: Nur wenn es gelingt, Fairness für alle Beteiligten und Betroffenen zu realisieren, durchzuhalten und transparent zu gestalten, kann es zu einem neuen Vertrauensklima kommen. Versuchen jetzt selbst in der Krise die einen auf Kosten anderer (z.B. auch der Steuerzahler) Vorteile zu gewinnen, ist der Grundstein für die nächste Krise schon wieder gelegt. Vertrauen beginnt mit Fairness. Was jetzt umzusetzen ist.
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