Tagtäglich fragen sich Menschen auf der ganzen Welt, was der Sinn des Lebens ist – oder wie sie glücklicher werden können. Eine Studie zeigt jetzt, dass die Antworten darauf nicht zwingend ein „gutes“ Leben ausmachen. Wichtig sei den Menschen auch psychologischer Reichtum. Darüber berichtet Heidi Becker vom RND. Anschließend das Summary der Autoren mit Link zur Originalstudie:
„Ein Leben lang ist der Mensch auf der Suche nach Glück oder dem Sinn des Lebens. Laut einer aktuellen Studie, die in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Psychological Review“ veröffentlicht wurde, sind das aber nicht unbedingt die Zutaten zu einem „guten“ Leben. Die Autoren der Studie und Sozialpsychologen Shige Oishi von der University of Virginia und Erin Westgate von der University of Florida haben herausgefunden, dass vielen Menschen ein „psychologisch reiches“ Leben ebenfalls wichtig ist.
Psychologischer Reichtum verdient mehr Aufmerksamkeit
Laut Shige Oishi und Erin Westgate besteht ein psychologisch reiches Leben aus ungewöhnlichen, vielfältigen und komplexen Erfahrungen, die einen Perspektivwechsel bieten. Das kann ein Umzug ins Ausland, ein Berufswechsel oder das Beschäftigen mit anspruchsvoller Kunst sein.
Diese Erfahrungen bedeuten vielen Menschen der Studie zufolge mehr als Glück oder Sinnhaftigkeit. „Im Gegensatz zu einem glücklichen oder sinnvollen Leben zeichnet sich ein psychologisch reiches Leben am meisten durch eine Vielzahl interessanter und perspektivenverändernder Erfahrungen aus“, schreiben die Forscher.
Psychologischer Reichtum verdient laut Oishi und Westgate daher viel mehr Aufmerksamkeit als Teil unseres Wohlbefindens – dies belegten auch verschiedene Umfragen und die Analyse früherer Studien.
Viele Menschen ziehen psychologischen Reichtum vor
In einer früheren Studie, in der 3728 Menschen aus neun Ländern befragt wurden, zeigte sich etwa, dass 16,8 Prozent der befragten Deutschen ein psychologisch reiches Leben dem glücklichen oder sinnhaften vorziehen würden. In Indien traf dies auf 16,1 Prozent der Befragten zu, und in Südkorea entschieden sich 15,8 Prozent der Befragten für psychologischen Reichtum.
Die Forschungsergebnisse zeigen außerdem, dass ein psychologisch reiches Leben nicht unbedingt angenehm sein muss, sondern der Wert tatsächlich darin liegt, verschiedene Perspektiven einnehmen zu können. Laut der Studie gilt dies nicht nur für wohlhabende, gebildete und demokratische Gesellschaften. Oishi und Westgate zufolge bietet ihre Forschung über den psychologischen Reichtum einen Ansatz, wie die Menschen ihr Leben optimieren können, um es für sie „besser“ zu machen“.
Im Summary der Studie von Shige Oishi und Erin Westgate und ihrem Team heißt es: „In der psychologischen Wissenschaft wird ein gutes Leben in der Regel entweder als hedonistisches oder eudämonistisches Wohlbefinden verstanden. Wir schlagen vor, dass psychologischer Reichtum ein weiterer, vernachlässigter Aspekt dessen ist, was die Menschen unter einem gutes Leben verstehen. Im Gegensatz zu einem glücklichen oder sinnvollen Leben ist ein psychologisch reiches Leben am besten durch eine Vielzahl von interessanten und perspektivenverändernden Erfahrungen aus. Wir präsentieren empirische Belege dafür, dass Glück, Sinn und psychologischer Reichtum verwandte, aber unterschiedliche und wünschenswerte Aspekte eines guten Lebens sind, mit einzigartigen Ursachen und Korrelaten. Dabei zeigen wir, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen auf der ganzen Welt angibt, sie würden ein psychologisch reiches Leben auf Kosten eines glücklichen oder sinnerfüllten Lebens wählen würden, und dass etwa ein Drittel sagt, dass die Rückgängigmachung des größten Bedauerns in ihrem Leben ihr Leben psychologisch reicher gemacht hätte.
Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass sich die Prädiktoren für ein psychisch reiches Leben von denen für ein glückliches Leben oder einem sinnerfüllten Leben unterscheiden, und berichten über Anhaltspunkte dafür, dass Menschen, die ein psychologisch reiches Leben führen, dazu neigen, neugieriger sind, ganzheitlicher denken und politisch liberaler eingestellt sind. Zusammengenommen führt uns diese Arbeit über die Dichotomie von hedonischem und eudaimonischem Wohlbefinden hinaus und legt die Grundlage für die Untersuchung von psychologischen Reichtums als einer weiteren Dimension eines guten Lebens“.
"Die Studie"
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