Guter Ruf ist Gold und Geld wert, besonders im Internet. Einen guten Ruf baut man nur in Jahren und Jahrzehnten auf. Er kann jedoch in Sekundenschnelle ruiniert werden durch Aktivitäten im Internet. Durch fremde und eigene. Dagegen bieten sich Firmen für die Webreputation in Form von Löschagenturen an. Diese digitalen Putzteufel löschen im und pro Auftrag zu 30 bis 200 € Einträge aller Art im Internet.
Denn „das Netz vergisst nichts“. Was Menschen bei Bewerbungen, Geschäftsanbahnungen und Akquiseaktivitäten, Partnerportalen und anderen Gelegenheiten auf die Füße fallen kann. Oder eben den Ruf ruinieren. Die Stiftung Warentest wollte es genauer wissen: „Testpersonen streuten kompromittierende Fotos und peinliche Kommentare in Foren und sozialen Netzwerken. Monate später versuchten sie, alles wieder zu löschen – eigenhändig und durch drei spezialisierte Agenturen. Ergebnis: Mit Hartnäckigkeit und Zeit lassen sich einige Spuren verwischen, komplett löschen ist schwieriger.
Bei den sozialen Netzwerken Instagram, Facebook, Google+, Youtube und Twitter nutzten die Tester die systemeigenen Meldefunktionen für unerwünschte Texte und Fotos auf fremden Profilen. Bis auf Twitter reagierten alle geprüften Portale wie versprochen. Die Verknüpfungen von beanstandeten Beiträgen zum eigenen Profil wurden gelöscht. Damit erreichten die Tester mehr als die beauftragten Agenturen. Nicht gelöscht wurden die eigentlichen Beiträge im fremden Profil. Weigert sich der Autor, bleibt hier nur der Rechtsweg.
In Foren ohne Löschfunktion versuchten die Tester, per Mail an den Betreiber eine Löschung zu erwirken. Die beauftragten Agenturen verlangten dafür zwischen 30 und mehr als 200 Euro pro Beitrag. Sowohl Tester als auch Agenturen waren ähnlich erfolgreich. Nur Gutefrage.net weigerte sich zunächst, Beiträge zu löschen oder zu anonymisieren. Auf eine erneute Anfrage reagierte das Portal dann radikaler als erwünscht: Alle Beiträge wurden anonymisiert und der Testkunde verlor seinen Zugang“.
Jonas Rest von der Frankfurter Rundschau berichtet: „Revolvermänner hat Christian Scherg seine Agentur genannt. Beauftragt wird sie von denjenigen, denen nicht gefällt, was sie im Netz über sich finden: Manager, Politiker, TV-Moderatoren. Scherg macht sich dann mit seinen 15 Mitarbeitern und einem weit verzweigten Netzwerk von Zulieferern daran, für sie im Internet aufzuräumen.
Eine ganze Branche hat sich darauf spezialisiert, mit dem schlechten Ruf im Netz ein Geschäft zu machen. Online-Reputationsmanager nennen sich die virtuellen Reinemacher. Revolvermann Scherg hat es nach ganz oben geschafft. Ihn beauftragen Klienten, denen es nichts bringen würde, nur einzelne Links zu entfernen. Die meisten der Kunden, die ihn beauftragen, stehen im Rampenlicht. Namen kann er nicht nennen, aber das Bettina Wulff dazu gehöre sei bekannt, sagt Scherg.
Wer ihn beauftragt, muss es sich leisten können. Die Kosten richten sich nach der Schwere des Falls, aber mit einigen tausend Euro im Monat müssen Klienten schon rechnen, und das auch nicht nur über ein paar Monate, sondern über einen Zeitraum von einigen Jahren. „Anders geht es nicht“, sagt Scherg. „Es bringt nichts, mit digitaler Schminke über die Verfehlungen der Vergangenheit drüber zu gehen und zu glauben, das sei dann beseitigt. Man kann versuchen, einen Eisberg unter die Wasseroberfläche zu drücken, aber am Ende taucht er doch wieder auf.“
Um wirklich etwas zu ändern, benötige man hingegen einen langen Atem. Dann könne man auch die automatische Vervollständigung von Google manipulieren. „Google Autocomplete Management“ nennt Scherg das Produkt, das seine Agentur dafür anbietet. Taucht etwa der Suchvorschlag „Betrug“ neben einem Namen auf, schafften die Revolvermänner Web-Inhalte, bei denen der Namen in Kombination mit einem weiteren Wort mit dem Anfangsbuchstaben „B“ auftaucht, so Scherg. Dann sorgten sie mit vorgeblichen Suchanfragen nach der Kombination dafür, dass es irgendwann zu dem Unternehmer keine Vorschläge mehr mit dem Begriff „Betrug“ gebe.
Doch das steht erst am Ende. Zunächst beginnt Schergs Team damit, für seinen Klienten eine neue Geschichte zu entwickeln. Repositionierung nennt Scherg das. Der Betrüger wird zum Experten, der aus einem Fehltritt gelernt hat. Den Fakt des Betrugs kann Scherg zwar nicht auslöschen. Aber er kann dafür sorgen, dass die Person in einem neuen Licht erscheint, der Betrug von der Überschrift über der Person zu einer Fußnote wird – kaum wahrgenommen, von anderen Suchergebnissen verdrängt.
Die Image-Korrektur ist nicht bei allen möglich. Manchmal muss Christian Scherg seinem Klienten mitteilen, dass seine Prüfung ergeben hat, dass Realität und gewünschte Reputation im Netz so weit auseinanderklaffen, dass Scherg den Auftrag für nicht zu erledigen hält. Bei manchen fürchtet Scherg auch um die eigene Reputation.
Ausgerechnet die Reputation vieler Online-Reputationsagenturen ist nämlich stark angeschlagen. Beispiel: Web-Killer.de. Wenn man nach dem Dienst im Netz sucht, findet man unter den ersten Ergebnissen Website-Einträge, die sich darüber empören, dass der Dienst schon mal im Auftrag eines bereits gesuchten Betrügers gearbeitet hat. Für ihn hat Web-Killer verschiedene Verbraucherschutz-Websites abgemahnt, die vor der betrügerische Masche von einigen vorgeblichen Online-Shops warnen. Web-Killer entschuldigte sich, nachdem der Dienst genauer überprüft hatte, für wen er da eigentlich arbeitete. Immer wieder fliegen zudem Online-Reputationsmanager auf, die Wikipedia-Websites manipulieren.
Auch Christian Keppel, Geschäftsführer von Dein-guter-Ruf.de, kennt die Anfragen zwielichtiger Personen. Besonders Rechtsextreme wollten immer wieder die Spuren ihrer Gesinnung verwischen. „Das bearbeiten wir nicht, aus Überzeugung“, sagt er. Keppels Dienst beschäftigt inzwischen 13 Mitarbeiter, gegründet hat er ihn bereits 2007. In Europa war er damals der Erste, sagt er, nur in den USA gab es noch eine Website, die so etwas anbot. Seitdem hat er viele Konkurrenten wieder untergehen sehen. „Es sind viele Einzelpersonen, die unterschätzen, das man sich in sehr vielen Bereichen auskennen muss.“
Keppel entfernt bereits ab 29,95 Euro die Löschung eines Eintrags. Fällig wird die Zahlung – wie bei anderen Anbietern auch – selbst dann, wenn die Agentur nicht erfolgreich ist. Keppel sagt, seine Erfolgsquote liege bei 85 Prozent. Drei bis vier Wochen dauere es im Durchschnitt, bis etwas von einer Website entfernt ist. Wenn das nicht möglich ist, bleibe keine andere Wahl, als die Ergebnisse langsam zu verdrängen.
Manchmal stoßen Scherg und Keppel auf andere, die mit der Reputation im Netz Geld verdienen. Allerdings auf andere Weise. In die Schlagzeilen geriet das Portal Gomopa, das sich mit Firmen am grauen Kapitalmarkt beschäftigt. Ihm wurde vorgeworfen, Firmen mit Negativ-Berichten zur Zahlung von mehreren hunderttausend Euro zu erpressen. Der Betreiber bestreitet das.
Scherg sagt, er stoße regelmäßig auf Anbieter, deren Vertriebsmodell darauf basiere, andere unter Druck zu setzen. Bewertungsportale etwa, bei denen alle ihren Arbeitgeber oder einen Arzt bewerten können – die Bewerteten aber erst antworten können, wenn sie ein Abo abschließen.
Besonders kompliziert wird es bei Foren, die keine Löschfunktion anbieten. In diesem Fall sollte man zunächst versuchen, eine Mail an den Betreiber zu schicken, und um Löschung oder Anonymisierung bitten. Die Mail-Adresse findet sich im Impressum, ansonsten kann man bei Webverzeichnissen wie Whois.com suchen. Eine kurze Begründung erhöht die Erfolgsaussicht.
Wenn ein Urheber ein Bild, ein Video oder einen Text trotz Meldung nicht löscht, bleibt nur der Rechtsweg. Grundsätzlich haben Bürger im Internet denselben rechtlichen Schutz wie offline. Das bedeutet: Es darf niemand Unwahrheiten oder Beleidigungen über eine Person verbreiten, es dürfen ohne Zustimmung auch keine wahren Tatsachen aus der Privatsphäre verbreitet werden, die Persönlichkeitsrechte verletzen“.
Merke: Mit der Fairness im Internet ist es nicht gut bestellt. Das zeigen auch Shitstorms allenthalben. Die Arbeit solcher Löschagenturen und Webreiniger scheint bisweilen notwendig. Doch auch diese arbeiten nicht immer transparent. Ohne verbesserte Rechtsordnung für das Internet bleibt es dabei: Erst nachdenken, dann Inhalte einstellen. Und wer genug Knowhow oder Finanzmittel hat, kann sich bei Bedarf im Web Re-Positionieren oder eine neue Reputation aufbauen lassen.
"Wie im Web für den guten Ruf geputzt wird"
"Was Stiftung Warentest zu den Löschagenturen herausfand"
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