Blog nach Kategorie: Unternehmen

14.03.2024 08:56
Geringe Identifikation von Arbeitnehmern mit ihren Unternehmen
Nur noch 14 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fühlen sich stark an ihr Unternehmen gebunden, das ist das Ergebnis einer Langzeitstudie. Noch nie wollten so viele ihren Job wechseln. Maren Hoffmann schreibt darüber in Spiegel Online am 14.3.24:
„Knapp die Hälfte der in Deutschland Beschäftigten ist auf dem Sprung: 45 Prozent von ihnen sind aktiv auf Jobsuche oder zumindest offen für einen Wechsel. Das ist das Ergebnis der Langzeitstudie »Gallup Engagement Index Deutschland«, die das Meinungsforschungsinstitut seit 2001 jährlich erhebt.

Nur schwache Beziehung zum Arbeitgeber

Der Index misst unter anderem, wie sehr sich Mitarbeitende an ihre Arbeitgeber emotional gebunden fühlen. Und dieser Wert ist auf einem Zehn-Jahres-Tiefstand: Fast jeder Fünfte sagt, dass er sich »überhaupt nicht gebunden« fühlt. Vier von zehn Befragten, die weniger als ein Jahr im Unternehmen sind, schauen sich schon wieder nach einer neuen Stelle um. Nur 14 Prozent sind »emotional hoch gebunden« an ihre Firma und »erleben ein durch gute Führung geprägtes Arbeitsumfeld«; mehr als 7,3 Millionen Beschäftigte haben laut der Studie bereits innerlich gekündigt.

Auch wenn einige Unternehmen Stellen abbauten, ändere das grundsätzlich nichts daran, »dass es schon jetzt zu wenig Arbeitskräfte gibt und sie durch den Eintritt der Babyboomer ins Rentenalter von Tag zu Tag weniger werden«, so Nink. »Bei Unternehmen drückt die wirtschaftliche Entwicklung auf Geschäftsergebnisse und Stimmung. Über dem Kosten- und Krisenmanagement vergessen Führungskräfte oft das People Management. Dabei kann das eine nicht ohne das andere funktionieren.

„Das Management muss hier eine klare Richtung vorgeben, Aufbruchstimmung vermitteln und in Möglichkeiten statt im Krisenmodus denken“, sagt Pa Sinyan, Managing Partner bei Gallup für den Wirtschaftsraum Europa, Arabien und Afrika.

Nur 40 Prozent der Befragten haben uneingeschränkt Vertrauen in die finanzielle Zukunft ihres Arbeitgebers. Das war in den Coronajahren anders: 2020 lag der Wert bei 55 Prozent, der höchste im Rahmen der Studie je gemessene – seither geht es abwärts, auch mit der Überzeugung, die eigene Geschäftsführung könne künftige Herausforderungen erfolgreich meistern. Nur noch ein Viertel glaubt, dass die Chefinnen und Chefs zukunftssicher unterwegs sind – auch dieser Wert liegt mittlerweile auf Vor-Pandemie-Niveau.

Immer auf dem Laufenden bleiben?

„Das Management muss hier eine klare Richtung vorgeben, Aufbruchstimmung vermitteln und in Möglichkeiten statt im Krisenmodus denken, um so die Zuversicht zu stärken und Beschäftigte für den Kurs des Unternehmens zu begeistern“, so Pa Sinyan, als Managing Partner bei Gallup für den Wirtschaftsraum Europa, Arabien und Afrika zuständig.

Mangelnde Bindung führt zu Krankentagen

Innere Kündigung ist der Studie zufolge auch ein volkswirtschaftliches Problem: Die Autoren beziffern die dadurch entstehenden Kosten aufgrund von Produktivitätseinbußen auf eine Summe zwischen 132,6 und 167,2 Milliarden Euro. Bei geringer Bindung nehmen auch die Fehlzeiten zu: Beschäftigte, die sich emotional von ihrem Arbeitgeber verabschiedet haben, waren 2023 im Schnitt gut neun Tage krank, hoch gebundene Mitarbeitende kamen nur auf knapp fünf Tage.

Von den stark Gebundenen wollen vier Fünftel in einem Jahr noch bei ihrer derzeitigen Firma sein – von denjenigen ohne Bindung sind es weniger als ein Drittel. Der Anteil derjenigen, die fest davon überzeugt sind, in drei Jahren noch in ihrem Unternehmen sein zu wollen, ist im Laufe der Jahre auf jetzt 40 Prozent kontinuierlich geschrumpft. 2018 lag der Wert noch bei 65 Prozent.

Mehr als zwei Drittel der Befragten schätzen den Arbeitsmarkt positiv ein, mehr als ein Drittel stimmt uneingeschränkt der Aussage zu »Mein Unternehmen hat große Schwierigkeiten, den Bedarf an geeigneten Fachkräften zu decken«. Vor zehn Jahren war es nur ein Fünftel.

Der entscheidende Faktor für Wechselwilligkeit, so die Studie, sei die erlebte Führung. Nur gut ein Fünftel ist uneingeschränkt mit dem oder der direkten Vorgesetzten zufrieden. Darüber hinaus haben Beschäftigte nicht das Gefühl, dass ihre Führungskräfte ihre

Stärken wahrnehmen und wertschätzen. Nur gut ein Viertel gibt an, dass diese in ihrem Arbeitsalltag im Mittelpunkt stehen.“

Für die Untersuchung wurden zwischen dem 20. November und 22. Dezember 2023 insgesamt 1500 zufällig ausgewählte Arbeitnehmende ab 18 Jahren telefonisch interviewt. Die Ergebnisse sind laut Gallup repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft in Deutschland ab 18 Jahren.



01.03.2024 08:02
Krasse Unfairness und Qualitätsmängel bei Spielzeug aus Fernost
Über Plattformen wie Temu landet massenweise gefährliches Spielzeug in Deutschland. Die Branche schlägt Alarm, berichtet die Frankfurter Rundschau am 29.2.24 auf S. 15:

"Es ist ein Testkauf, der sprachlos macht. 19 Spielwaren des auch in Deutschland immer beliebteren Online-Marktplatzes Temu hat der europäische Spielwarenverband TIE erworben und prüfen lassen. „Keines der Spielzeuge entsprach in vollem Umfang den EU-Vorschriften, 18 von ihnen stellen ein Sicherheitsrisiko für Kinder dar“, teilt der deutsche Branchenverband DVSI das besorgniserregende Ergebnis mit.

Einmal enthielt ein Schleimspielzeug, das Babys in dem Mund nehmen, eine Chemikalie, deren Grenzwert um das Elffache überschritten war. Ein andermal sorgten Kleinteile für Erstickungsgefahr oder scharfe Kanten an Metallglöckchen für die von Schnittwunden. Die Spielwarenbranche in Europa und Deutschland schlägt Alarm.

„Die EU hat die weltweit strengsten Regeln für die Sicherheit von Spielzeug“, betont Catherine Van Reeth. „Auf Online-Plattformen können Nicht-EU-Verkäufer aber weiterhin unsicheres Spielzeug verkaufen, das die Kinder gefährdet“, kritisiert die TIE-Generaldirektorin. Ihr deutscher DVSI-Kollege Ulrich Brobeil assistiert. „Schwarze Schafe kommen oft aus China“, betont er. Das zeigten seit Jahren entsprechende Funde des europäischen Schnellwarnsystems Safety Gate, das vor gefährlichem Spielzeug warnt. Eine Spielwiese für unlauteren Wettbewerb tue sich auf, wo europäische Hersteller EU-Sicherheitsstandards achten und andere sie ignorieren können.

Auch Stefanie Grunert kennt das Problem. „Es ist die schiere Masse, die effektive Kontrollen durch Marktüberwachung und Zoll unmöglich macht“, weiß die Referentin für Recht und Handel der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Immer mehr Spielzeug würde von preissensitiv gewordenen Verbraucher:innen über Plattformen wie Temu oder Alibaba direkt von oft chinesischen Herstellern bestellt und per Direktimport vor die Haustür deutscher Kund:innen geliefert. Liege der Bestellwert, wie oft in solchen Fällen unter 150 Euro, müsse nicht einmal der Zoll tätig werden. Zugleich sei Spielzeug seit Jahren EU-weit unter den drei Produktgruppen, mit den größten festgestellten Sicherheitsmängeln.

Der VZBV sieht eine Regelungslücke. Für Direktimporte vor allem aus Asien gebe es niemanden, der für Produktsicherheit in die Pflicht genommen werden könnte.
Verzerrung des Wettbewerbs

Auch eine im kommenden Dezember in Kraft tretende neue Produktsicherheitsverordnung der EU ändere daran nichts. „Leider fehlt es den neuen Vorschriften an Ehrgeiz bezüglich der Rolle der Online-Marktplätze“, findet Grunert. Sie seien in der EU eines der größten Einfallstore für gefährliche Produkte. Folgen sind Rauchmelder, die keinen Rauch melden, Kosmetika mit verbotenen Chemikalien oder eben unsichere Kinderspielzeuge. Die Gefahr sei groß, dass Verbraucher:innen im Schadensfall niemanden zur Verantwortung ziehen können, warnen VZBV und Spielwarenverbände.

Die im Testkauf bloßgestellte Plattform Temu reagiert. Man versichere, sich verpflichtet zu haben, „alle relevanten Regeln und Vorschriften der Märkte in denen wir tätig sind, einzuhalten“, erklärt das erst 2022 gegründete und zur chinesischen PDD Holding zählende Unternehmen. Alle 19 kritisierten Produkte seien in der EU nicht mehr verfügbar. Man habe auch die eigene Überwachung verstärkt. Wie die bei einer Mängelrate von 95 Prozent wie beim TIE-Testkauf funktionieren kann, lässt Temu allerdings offen.

Für jedes unsichere Spielzeug, das auf der Plattform gefunden wird, gebe es unzählige andere, die nicht gefunden werden und weiter unkontrolliert in die Hände der Verbraucher:innen in der EU gelangen, kritisiert der DVSI. Auch Florian Sieber sieht das Problem wachsen. „Die Shopping-App von Temu ist in ganz Europa seit längerem unter den fünf am meisten heruntergeladenen, das ist ein guter Indikator für die Relevanz des Verkaufskanals“, sagt der Chef von Deutschland größter Spielwarengruppe Simba Dickie in Fürth.

Wenn die EU Produktrichtlinien verschärfe, dann müsse jeder Wettbewerber sie befolgen. „Gelten die Vorschriften nicht für alle, verschärft das Preisdiskrepanzen“, warnt der Manager. Billigplattformen, die sich an keine Regeln halten müssen, könnten weiter zu Dumpingpreisen anbieten, während Spielzeug von Qualitätsherstellern sich mit jeder eingehaltenen Auflage weiter verteuere.

„Dann kaufen noch mehr Leute bei solchen Plattformen“, beschreibt Sieber einen Teufelskreis. Den wollen Verbände und VZBV unterbrechen. „Die Online-Plattformen müssen verpflichtet werden, für Sicherheitsmängel von ihnen nach Europa gebrachter Produkte geradezustehen, wenn niemand anders greifbar ist“, sagt Grunert. Sieber und DVSI stimmen zu. Aktuell gingen Kunden und Kundinnen oft fälschlicherweise davon aus, dass in der EU verkaufte Ware auch immer EU-Regularien unterliegt, weiß die VZBV-Expertin. Bei Direktimporten aus China sei das aber nicht grundsätzlich so. Ändern ließe sich das mit der derzeit diskutierten neuen EU-Spielzeugrichtlinie. Auch deren Entwurf sehe aber leider keine Haftungsverschärfung für Online-Plattformen von außerhalb der EU vor, bedauern Grunert und die Verbände.

22.01.2024 09:09
Verbraucherschützer mahnen Dutzende Firmen wegen Cookie-Bannern ab
Im Netz stößt man überall auf sogenannte Cookie-Banner, mit denen die Seitenbetreiber die Zustimmung zum Datensammeln einfordern. Bei einer Untersuchung stellten Verbraucherschützer massenhaft Mängel fest. Zu oft nicht regelkonform, sagt der Verbraucherzentrale Bundesverband ist die Cookie-Abfrage einer Website

Die Verbraucherzentralen in Deutschland haben knapp hundert Unternehmen abgemahnt. Nach Ansicht der Verbraucherschützer haben sich die Unternehmen rechtswidrig die Zustimmung der Nutzerinnen und Nutzer zum Sammeln von deren Daten beim Surfen im Web erschlichen.

Bei einer Untersuchung von 949 Websites hätten zehn Prozent der Firmen in ihren Cookie-Bannern, mit denen sie die Zustimmung zur Datenerhebung abfragen, eindeutig gegen die Vorgaben des Telemediengesetzes (TMG) und der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen. Das teilte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) am Freitag in Berlin mit.

Bei der Aktion wurden Websites aus unterschiedlichen Branchen wie Reisen, Lebensmittel-Lieferdienste und Versicherungen untersucht. Neben den eindeutig rechtswidrigen Bannern habe es auch viele Einblendungen gegeben, die sich in einer rechtlichen Grauzone bewegten. »Die Banner wirkten auf den ersten Blick zulässig, versuchten aber durch Tricks, die Entscheidung der Seitennutzer und -nutzerinnen zu lenken.«

„Die zunehmende Daten-Schnüffelei gefährdet die Privatsphäre“, sagt vzbv-Vorstand Klaus Müller

Die Verbraucherschützer haben 98 Abmahnungen wegen klarer Verstöße gegen das TMG und die DSGVO verschickt. In zwei Drittel der Fälle hätten die Unternehmen inzwischen eine Unterlassungserklärung abgegeben. Zu den abgemahnten Unternehmen gehören Anbieter von Essens-Lieferdiensten und Online-Musikdiensten sowie Firmen aus der Fitnessbranche.

Cookies sind kleine Textdateien, die Webseiten auf den Computern der Nutzerinnen und Nutzer hinterlegen. Sie können beispielsweise genutzt werden, um Logindaten zu hinterlegen, aber auch, die User wiedererkennbar zu machen. Mithilfe der winzigen Dateien können individuelle Profile erstellt werden, die Rückschlüsse über Surfverhalten und Vorlieben der Personen zulassen. Diese Informationen werden dann etwa verwendet, um Werbung zu personalisieren.

Der vzbv-Vorstand Klaus Müller sagte, rechtswidrige Cookie-Banner seien kein Kavaliersdelikt. »Die zunehmende Datenschnüffelei gefährdet die Privatsphäre der Verbraucher:innen und führt zum durchleuchteten Bürger.«

08.01.2024 14:57
Unfairness im Friseurhandwerk beseitigen
Friseurinnen und Friseure in Deutschland kämpfen gegen wirtschaftliche Ungerechtigkeit und wenden sich am 15. Januar 2024 auf dem im Salon Zukunftskongress in Berlin mit einem Forderungspapier an die Bundesregierung. Seit den Corona bedingten Schließungen findet die Branche nicht wieder ins Gleichgewicht: Das abgewanderte Personal kehrt nicht zurück, die Betriebskosten steigen, die inflationär begrenzten Konsumausgaben der Verbraucher führen zu geringeren Umsätzen und die Schwarzarbeit floriert. Darüber hinaus haben die Friseursalons mit branchenspezifischen Herausforderungen zu kämpfen: 70 Prozent steuerzahlender Betriebe versus 30 Prozent Kleinstunternehmen und Abgaben von 19 Prozent Mwst. versus 0 Prozent Mwst.

Einzig im Friseurhandwerk wird eine Marktentwicklung mit nur noch 70 Prozent umsatzsteuerpflichtigen Betrieben geduldet. 30 Prozent der Betriebe, Tendenz steigend, liegen unterhalb der Bemessungsgrenze und führen keine Umsatzsteuer ab. Die zugrundeliegende Kleinstunternehmerregelung sorgt in der Folge für einen Preiskampf zwischen Betrieben, die 19 Prozent Mwst. abführen gegenüber denen, die 0 Prozent Mwst. leisten. Dadurch gerät ausgerechnet das Rückgrat der Branche, die Betriebe, die die größte Ausbildungs- und Integrationslast meistern, ins Wanken.

Besonders alarmierend ist, dass in keinem anderen Handwerksberuf das Risiko des Abdriftens in die Schattenwirtschaft so groß ist. Niedrige Umsätze und niedrige Löhne verleiten dazu, Haarschnitte außerhalb des Salons anzubieten oder finanzielle Engpässe durch illegale Praktiken zu überbrücken. Die Schwarzarbeit wird hier schnell zum Kavaliersdelikt, während die steuerzahlenden Friseurbetriebe unter niedrigen Preisen und steigenden Kosten leiden und kaum wettbewerbsfähig sind.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, wirtschaftliche Unterstützung zu gewähren sowie geeignete Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zu ergreifen.

Am 15. Januar 2024 wird auf dem imSalon Zukunftskongress in Berlin ein wegweisendes Vier-Punkte-Forderungspapier präsentiert, das entscheidende Maßnahmen zur Wiederherstellung eines gerechten Wettbewerbs und zur Zukunftssicherung des Friseurhandwerks umfasst:

1. Umsatzsteuer-Reduktion auf 7 Prozent für einen fairen Wettbewerb:

Umsatzsteuerpflichtige Betriebe stehen im Wettbewerb mit umsatzsteuerbefreiten Kleinstbetrieben, die günstigere Preise anbieten können. Die Friseurinnen und Friseure fordern eine Reduktion der Umsatzsteuer auf 7%, um die wettbewerbsverzerrende Kluft zu verringern und faire Löhne sowie Preise zu ermöglichen.

2. Absetzbarkeit der Friseurdienstleistung beim Lohnsteuerjahresausgleich für Fairness personalintensiver Dienstleistungen und eine Reduktion der Schwarzarbeit:

Die Absetzbarkeit der Friseurbesuche soll beim Lohnsteuerjahresausgleich ermöglicht werden. Dies schafft nicht nur Fairness im Vergleich zu anderen personalintensiven Gewerken, sondern dient auch als Hebel zur Reduktion von Schwarzarbeit.

3. Förderung von Ausbildung, Quereinstieg und Integration durch fiskalische Unterstützung von Ausbildern sowie Anreizen für Azubis:

Angesichts des dramatischen Rückgangs von Auszubildenden in den letzten Jahren fordert die Branche finanzielle Anreize für Ausbildende und Azubis, um die Ausbildung zum Friseur wieder attraktiver zu gestalten und eine faire Vergütung zu gewährleisten.

4. Ausweitung der Kontrollen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit (umsatz- und personalseitig):

Um gegen Schwarzarbeit vorzugehen und illegale Beschäftigung zu bekämpfen, setzen die Friseurinnen und Friseure auf verstärkte Kontrollen, insbesondere im bargeldintensiven Gewerbe. Ziel ist es, die wettbewerbsfähige Integrität der Branche zu bewahren.

Die Präsentation dieses Forderungspapiers auf dem imSalon Zukunftskongress markiert einen entscheidenden Schritt der Friseurbranche, die Rahmenbedingungen neu zu gestalten. Das Ziel ist klar definiert: einen Strukturwandel herbeiführen und das Friseurhandwerk zukunftssicher aufstellen. Die Friseurinnen und Friseure hoffen auf einen konstruktiven Dialog mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, um gemeinsam eine nachhaltige Lösung für die Zukunft der Branche zu erarbeiten.

Quelle und Kontaktadresse:
Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks Pressestelle Tel-Aviv-Str. 3, 50676 Köln Telefon: (0221) 9730370, Fax: (0221) 973037 30
Kontakt:Telefon: 0221/9730370;E-Mail: [email protected]; Internet: https://www.friseurhandwerk.de/




14.12.2023 10:21
Missstände in Unternehmen – wer kennt und nutzt schon das Hinweisgeberschutzgesetz
Seit Juli schützt ein Gesetz Whistleblower in Unternehmen, wenn sie etwa Korruption oder Diebstahl melden wollen. Doch nur jeder dritte Beschäftigte weiß davon, zeigt eine Umfrage. Das schreibt Spiegel Online und gibt dazu Informationen:

Wer einen Hinweis zu seinem Unternehmen hat, soll den dank des Whistleblower-Gesetzes einfacher äußern können

Der Chef macht anzügliche Bemerkungen, in einer Abteilung stimmen regelmäßig die Zahlen nicht: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind oft die Ersten, die Missstände aufdecken. Um in Betrieben Anlaufstellen für Whistleblower zu schaffen, ist bereits im Juli ein entsprechendes Gesetz mit sperrigem Namen in Kraft getreten: das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG). Nur: Wie gut kann ein Gesetz schützen, von dem kaum jemand weiß?

Eine repräsentative Civey-Umfrage, die dem SPIEGEL exklusiv vorliegt, zeigt nun: Zwei Drittel der Beschäftigten haben noch nie vom Whistleblower-Gesetz gehört. An der Onlinebefragung im Auftrag des Softwareentwicklers Rexx Systems nahmen Ende November bis Anfang Dezember 2500 abhängig Beschäftigte teil.

Gibt es die Meldestellen gar nicht – oder weiß nur niemand davon?

In Betrieben mit 250 Mitarbeitenden ist demnach nur jedem Fünften bekannt, welche konkreten Maßnahmen der eigene Arbeitgeber getroffen hat, um den Hinweisgeberschutz zu gewährleisten. In kleineren Unternehmen kann das sogar nur jeder Zehnte sagen.

»Das bedeutet im Umkehrschluss, dass viele Unternehmen entweder noch keine Mechanismen etabliert haben, um dem Gesetz gerecht zu werden, oder sie ihre Mitarbeiter darüber noch nicht ausreichend informiert haben«, sagt Arnim Köpke, Head of Sales bei Rexx Systems. Beide Fälle seien alarmierend.

»Jeder liebt den Verrat, aber keiner den Verräter«

Seit Juli ist das HinSchG in Kraft – und soll einen rechtssicheren Raum in Unternehmen schaffen, damit Mitarbeitende Verdachtsfälle oder Missstände melden können. Betriebe ab 50 Mitarbeitenden sind seitdem dazu verpflichtet, interne Hinweisgebersysteme wie etwa Meldestellen einzurichten. Firmen, die mehr als 50, aber weniger als 250 Mitarbeitende beschäftigen, wurde noch eine Schonfrist gewährt – die allerdings zum 17. Dezember ausläuft.

Spätestens dann gilt: Whistleblower müssen Hinweise mündlich, schriftlich sowie auf Wunsch auch persönlich abgeben können. Arbeitgeber können etwa eine Hotline einrichten. Auf die Hinweise muss eine interne Meldestelle innerhalb von drei Monaten reagieren – und den Whistleblower über die ergriffenen Maßnahmen informieren. Gleichzeitig gibt es eine externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz. Daran können sich unter anderem Angestellte aus kleineren Unternehmen wenden, die sich besonders um ihre Anonymität sorgen. Aber auch die Länder können eigene externe Meldestellen einrichten, etwa für die jeweilige Landesverwaltung.

Die Umfrage zeigt, dass die bisherige Wissenslücke beim HinSchG sowohl in kleineren als auch in größeren Unternehmen existiert. In Betrieben mit bis zu 250 Beschäftigten wissen nur 39 Prozent der Belegschaft von dem Gesetz – also ähnlich viele wie in Firmen mit mehr als 250 Beschäftigten (38 Prozent).

Sexismus, Interessenkonflikte, Betrug

Der Umfrage zufolge mangelt es den meisten Beschäftigten allerdings nicht an Erfahrungswerten: Etwa 78 Prozent haben in ihrem Berufsleben schon Missstände erlebt, auf die sie ihren Arbeitgeber gern aufmerksam gemacht hätten. Dazu zählen etwa sexistische Vorfälle, Interessenkonflikte oder Betrug.

Die Befragung zeigt auch, dass die Angestellten unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie sie Missstände vorbringen wollen. Rund 66 Prozent der Befragten würde sich lieber an eine interne Stelle wenden, um Vorfälle zu melden. Mehr als ein Drittel (34 Prozent) der Beschäftigten bevorzugen eine externe Anlaufstelle.

Immer auf dem Laufenden bleiben?

In einem Interview mit dem SPIEGEL erklärte Harvard-Ökonom Jonas Heese schon im vergangenen Jahr, warum Anlaufstellen für Whistleblower wichtig sind: »Am Ende des Tages braucht man die Einsicht, dass jedes Unternehmen Probleme hat – und dass es im eigenen Interesse ist, sie so schnell wie möglich aufzudecken, bevor es zur Eskalation kommt.« Lange habe es in Deutschland kaum rechtlichen Schutz für Whistleblower gegeben. Dementsprechend wisse man hierzulande auch nicht von besonders vielen Hinweisgebern.

In den USA sind Whistleblower besser geschützt – und sichtbarer. Deshalb weiß man dort mehr darüber, wer Unternehmensmissstände aufdeckt, auch auf eigenes Risiko. »In der Regel sind das nicht besonders auffällige Personen, rund 60 Prozent Männer, 40 Prozent Frauen«, so Heese. Vertreten seien alle Altersgruppen und alle Hierarchien – häufiger trauten sich aber eher untere Ebenen.

05.12.2023 10:51
Verbraucherschutz auf Online-Plattformen weiter mangelhaft
Untersuchte große Online-Plattformen setzen Regelungen für mehr Verbraucherschutz nicht ausreichend um

- Alle untersuchten Anbieter verwenden weiterhin Dark Patterns (manipulative Designtricks).
- Werbekriterien sind nicht transparent.
- Bundesregierung muss national effiziente Aufsicht für Online-Plattformen sicherstellen.
- Online-Händler wie Amazon müssen ihre Kontaktdaten leichter zugänglich auf ihrer Webseite präsentieren

Seit über 100 Tagen müssen große Online-Plattformen und Suchmaschinen wie Google-Suche, Amazon oder TikTok Regelungen aus dem Digital Services Act (DSA) der EU umsetzen. Damit sollen Verbraucher:innen im Netz zum Beispiel besser vor Manipulation geschützt werden oder Nutzungsbedingungen leichter verstehen können. Bereits zum Stichtag im August hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) die Umsetzung überprüft und Mängel festgestellt. Eine weitergehende Prüfung zeigt jetzt: Die untersuchten Anbieter setzen bestehende Vorgaben nicht ausreichend um.

„Verbraucher:innen sind an vielen Stellen weiterhin den unfairen Praktiken großer Online-Plattformen ausgesetzt. Die Anbieter haben die Vorgaben aus Brüssel bislang nur unzureichend umgesetzt“, sagt Ramona Pop, Vorständin des vzbv. „Die Untersuchung macht klar: Um den Schutz der Verbraucher:innen wirklich sicherzustellen, muss die Bundesregierung auch national eine möglichst zentrale und schlagkräftige Aufsicht aller Online-Plattform einrichten.“ Der vzbv wird die Umsetzung des DSA weiter beobachten und Erkenntnisse an die zuständige Aufsicht weitergeben.

Dark Patterns: Manipulative Designtricks weiter großes Problem

Seit August 2023 ist es Anbietern von sehr großen Online-Plattformen verboten, menschliche Verhaltens- oder Wahrnehmungsmuster durch Designtricks auszunutzen – beispielsweise über die Farbgestaltung von Buttons oder lange Klickwege. Die Untersuchung zeigt: Amazon, Booking, Google Shopping und YouTube nutzen trotz Verbot weiterhin Dark Patterns. „Verbraucherbeschwerden zeigen immer wieder: Die Menschen fühlen sich von Designtricks auf Online-Plattformen manipuliert, verwirrt oder ausgetrickst“, sagt Ramona Pop. „Es ist wirklich erstaunlich, mit welcher Beharrlichkeit Unternehmen die geltenden Gesetze missachten oder nur halbherzig umsetzen. Verbraucher:innen müssen endlich vor intransparenten Geschäftsmodellen und Dark Patterns geschützt werden.“

Transparenz bei Werbekriterien fehlt

Große Online-Plattformen sind zudem verpflichtet, Verbraucher:innen nachvollziehbar und leicht zugänglich darüber zu informieren, nach welchen Kriterien Werbungen ausgespielt werden. Diese Information müssen Verbraucher:innen direkt über einen Klick auf die Werbung abrufen können. Keiner der untersuchten Anbieter ist laut vzbv-Untersuchung dieser Verpflichtung bislang nachgekommen. Der vzbv hat Instagram, Snapchat, TikTok und X/Twitter untersucht.

Immerhin: Bis auf Snapchat haben alle untersuchten Anbieter Inhalte als Werbung gekennzeichnet und den jeweiligen Werbetreibenden namentlich ausgewiesen.
Kontaktstellen, AGB-Informationen und Optionen für Empfehlungssysteme oft schlecht auffindbar

Auffällig ist, dass die Regelungen an vielen Stellen nicht ausreichend transparent umgesetzt wurden. Zentrale Kontaktstellen, Informationen über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) und Optionen für die Empfehlungssysteme müssen für Verbraucher:innen leicht zugänglich sein. Dieser Vorgabe wird ein Teil der untersuchten Anbieter nicht gerecht.

Bei Apple App Store, Facebook und TikTok ist mittlerweile zwar eine Kontaktmöglichkeit für Nutzer:innen auffindbar. Diese ist aus Sicht des vzbv jedoch eher schwer zugänglich.

Auch die AGB waren teilweise nur schwer auffindbar und enthielten nicht immer alle Pflichtinformationen, beispielsweise zu internen Beschwerdesystemen. Untersucht wurden die AGB der Webseiten von Booking und Google-Suche sowie der Apps von TikTok und X/Twitter– zum Teil mit einer Länge von über 50 DIN-A4-Seiten.

Ähnlich sieht es bei Empfehlungs- und Rankingsystemen aus. Dienste-Anbieter sind verpflichtet, verständlich anzugeben, nach welchen Kriterien die Empfehlungen und Rankings ihrer Angebote entstehen. Verbraucher:innen müssen diese Parameter anpassen können. Die vzbv-Untersuchung zeigt, dass alle untersuchten Anbieter ihr Angebot verbessert haben: Amazon, Booking, Google-Suche und Zalando bieten mittlerweile eine Option an, die nicht auf Profiling beruht. Häufig ist das Profiling jedoch weiterhin standardmäßig aktiviert. Die Option, dies zu deaktivieren, ist nach Ansicht des vzbv teilweise nur schwer auffindbar.
Beschwerdestelle der Verbraucherzentralen

Verbraucher:innen, die bei der Nutzung sehr großer Online-Plattformen und Suchmaschinen auf Probleme stoßen, können ihre Erfahrungen und Beschwerden den Verbraucherzentralen melden: Beschwerde-Formular

Hintergrund und Methodik

Der vzbv hat bei zwölf ausgewählten Anbietern von sehr großen Online-Plattformen und Suchmaschinen die Umsetzung der neuen Regelungen des Digital Services Act (DSA) überprüft. Diese sind: Amazon, Apple App Store, Booking.com, Facebook, Google-Shopping, Google-Suche, Instagram, Snapchat, TikTok, X (vormals Twitter), YouTube und Zalando. Welche Artikel konkret pro Anbieter untersucht wurden, ergab sich jeweils durch eine Zufallsziehung aus diesen 12 Anbietern.

Die Prüfung stellte die Artikel 14 (AGB), Artikel 25 (Online-Schnittstellen/Dark Patterns) und Artikel 26 Absatz 1 und 2 (Werbetransparenz) in den Fokus. Zudem hat der vzbv die Umsetzung der Artikel 12 (Kontaktstellen) und Artikel 27 in Verbindung mit Artikel 38 (Empfehlungssysteme) erneut überprüft, die erstmals im August 2023 geprüft wurden.

Die ausgewählten Anbieter gehören der Gruppe der „very large online platforms“ (VLOP) bzw. „very large online search engines“ (VLOSE) an, die am 25. April 2023 von der EU-Kommission als solche definiert wurden. Für sie gelten die neuen Regelungen des DSA bereits ab dem 25. August 2023.

Die Evaluation fand auf Basis der vorliegenden Informationen auf den Webseiten oder in den iOS-Apps der Anbieter statt. Die Auswertung erfolgte anhand eines entwickelten Kategoriensystems, das sich an den Gesetzesvorgaben orientiert. Der vzbv hat die Anbieter zwischen dem 12. Oktober und 17. November 2023 überprüft.

01.12.2023 10:49
Fairness für Menschen mit Handicap - lässt auf sich warten
Trotz einer gesunkenen Arbeitslosenquote haben es Menschen mit einer Schwerbehinderung auf dem Arbeitsmarkt schwerer als ohne. Bei der Aktion Mensch sorgt dieser Befund einmal mehr für Kopfschütteln.

BMenschen mit Behinderung werden auf dem Arbeitsmarkt laut einer neuen Studie weiterhin strukturell benachteiligt. Vor allem die unzureichende Einstellungsbereitschaft von Unternehmen stehe einer Verbesserung entgegen, berichtete die Aktion Mensch in Bonn in ihrem neuesten Inklusionsbarometer.

„Nach wie vor beschäftigt mehr als ein Viertel der dazu verpflichteten Betriebe in Deutschland keine Menschen mit Behinderung“, hieß es.

Ab 20 Mitarbeitenden sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Erfüllt ein Arbeitgeber die Pflichtquote von fünf Prozent nicht, muss er für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz monatlich eine Ausgleichsabgabe bezahlen.

Die Anzahl der arbeitslosen Menschen mit Behinderung ist 2022 laut der Studie des Handelsblatt Research Institutes gegenüber dem Vorjahr im Jahresschnitt zwar um rund fünf Prozent gesunken - auf 163.500. Seit April 2023 liege der Wert jedoch wieder höher als 2022, zuletzt im Oktober bei 165.700. „Der konjunkturelle Abschwung ist mittlerweile auch auf dem Arbeitsmarkt angekommen“, erklärte Institutspräsident Bert Rürup. Die für 2023 erwartete, schrumpfende gesamtwirtschaftlichen Leistung trübe auch die Arbeitsmarktchancen von Menschen mit Behinderung einmal mehr ein.
Bessere Perspektiven für Schwerbehinderte gefordert

Die IG Metall forderte vor dem Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember bessere Perspektiven für schwerbehinderte Menschen. Die Gewerkschaft kritisierte einen geringen Stellenwert dieser Beschäftigten bei Unternehmen und Gesetzgeber. Einen stiefmütterlichen Blick auf Menschen mit Behinderungen könne sich das Land nicht leisten, sagte IG Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban laut Mitteilung. „Der Arbeitsmarkt braucht dringend Beschäftigte. Und behinderte Beschäftigte brauchen echte Teilhabechancen statt Mitleid.“

Jeder Betrieb müsse barrierefrei und damit aufnahmebereit für Behinderte werden, forderte die Gewerkschaft. Bislang seien Betriebe erst verpflichtet, barrierefreie Umbauten vorzunehmen, wenn sie Schwerbehinderte beschäftigten. „Dies wird nicht zuletzt bei Einstellungen zum enormen Hemmschuh“, hieß es.

Aktion Mensch: Keine Gleichberechtigung

Laut Integrationsbericht lag die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderung 2022 mit fast elf Prozent immer noch mehr als doppelt so hoch wie die allgemeine Quote. Auch hätten Menschen ohne Behinderung eine mehr als doppelt so hohe Chance, einen neuen Arbeitsplatz zu finden als Menschen mit Behinderung. „Von einer Gleichberechtigung ist Deutschland noch immer meilenweit entfernt - und das fast 15 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention, die das Recht auf Teilhabe am Arbeitsmarkt beschreibt“, kommentierte Aktion-Mensch-Sprecherin Christina Marx die Lage.

"Kurzfassung zum Thema"

"Der Inklusionsbarometer 2023"

21.11.2023 12:24
Wenn es um Unfairness und Fairness geht – frühzeitig den Anfängen wehren
Beleidigung, Bedrohung, sogar Schläge: Jeder vierte Beschäftigte erlebt Gewalt am Arbeitsplatz. Hier spricht der Autor und Dozent Holger Pressel darüber, warum Betroffene häufig schweigen und was Chefinnen und Kollegen tun können. Maren Hoffmann von Spiegel-Online interviewt dazu Holger Pressel*, Leiter der Stabsstelle Politik bei der AOK Baden-Württemberg:

SPIEGEL: Kürzlich meldete der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), dass 64 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Beleidigungen, Bedrohungen und körperlichen Angriffen im Job berichten. Wie verbreitet ist Gewalt am Arbeitsplatz?

Pressel: Es gibt Daten von der gesetzlichen Unfallversicherung, denen zufolge es jedes Jahr zwischen 10.000 und 20.000 sogenannte Gewaltunfälle gibt, die zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen führen. Beschäftigte im öffentlichen Dienst sind rund dreimal so oft betroffen wie andere Erwerbstätige.

SPIEGEL: Das ist viel. Was gilt denn alles als Gewalt am Arbeitsplatz?

Pressel: Laut einer Definition der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen, ILO, wenn jemand im Kontext seiner Arbeit beleidigt, bedroht oder körperlich angegriffen wird. Insbesondere bei psychischer Gewalt gibt es aber Grauzonen, wie etwa Kränkungen.

SPIEGEL: Die ILO hat im vergangenen Jahr eine Untersuchung veröffentlicht, der zufolge ein Viertel der Beschäftigten weltweit schon selbst Gewalt am Arbeitsplatz erlebt hat. Gibt es besonders gefährdete Gruppen?

Pressel: Ja. Die gesetzliche Unfallversicherung sammelt Daten darüber. Besonders betroffen sind Beschäftigte in Wach- und Sicherheitsdiensten, in Bahnbetrieben sowie im Gesundheits- und Sozialwesen, speziell in Heimen und Psychiatrien. Man kann unterscheiden zwischen betriebsinterner Gewalt und Gewalt von Betriebsfremden – etwa, wenn Kunden sich über lange Wartezeiten oder verweigerte Leistungen ärgern und die Situation eskaliert. Bei betriebsinterner Gewalt sind es in der Regel andere Gründe: Kränkung oder Beleidigung, Neid, Eifersucht und Missgunst sowie Stress.

SPIEGEL: Welche Rolle spielt Hierarchie?

Pressel: Zumindest psychische Gewalt wird eher von oben nach unten ausgeübt – es gibt Studien, die zeigen, dass in über der Hälfte der Mobbingfälle Führungskräfte beteiligt sind. Diese mobben entweder selbst oder dulden, dass gemobbt wird. In diesen Fällen spricht man von Bossing. Und in der Folge kann es dann zu einer Umkehrung der Gewalt kommen: Jemand entscheidet sich dann, es dem oder den anderen heimzuzahlen. Rache ist kein seltenes Motiv bei Gewalt im Betrieb.
SPIEGEL: Haben Sie ein Beispiel?

Pressel: In einer Bank hatte eine Führungskraft ihren Titel als Direktor eines Geschäftsbereichs verloren. Ein herber Statusverlust. Diese Person hat für diesen Titel gekämpft, beim Betriebsrat, bei der Personalabteilung, stieß aber überall auf taube Ohren. Und fasste dann den Plan, sich an seinem Nachfolger zu rächen. Der Ex-Direktor hat dann ein Flugblatt gefälscht, auf dem angeblich die Polizei warnte, sein Nachfolger sei ein wegen Sexualdelikten an Kindern vorbestrafter Täter. Das Flugblatt verteilte er anonym in dessen Nachbarschaft.

SPIEGEL: Und dann?

Pressel: Zunächst flog er nicht auf. Und zeigte auch noch den Betriebsrat wegen angeblicher Unterschlagung an, weil er sich nicht unterstützt gefühlt hatte. Als auch das keinen Erfolg hatte, warf er von einer Brücke aus Steinplatten auf Autos. Dabei wurde er beobachtet – und erst dann kam alles heraus, weil die Polizei bei der Hausdurchsuchung auch das Flugblatt fand. Letztlich war der Ausgangspunkt von allem die Kränkung durch den Verlust des Jobtitels.

SPIEGEL: Kann man aus so extremen Geschehnissen irgendetwas lernen?

Pressel: Durchaus. Auch kleinere Eskalationen funktionieren oft nach ähnlichen Mustern. Das eine ist: Wehret den Anfängen. Das beginnt mit der Frage, wen man überhaupt einstellt. Einiges kann man schon aus dem Arbeitszeugnis lesen. Wenn dasteht, „Herr XY arbeitete lieber für sich allein als im Team“ oder „er legte sehr viel Wert auf die Durchsetzung seiner Meinung“, dann wird klar, dass dieser Herr XY nicht unbedingt der Inbegriff der sozialen Kompetenz und Teamfähigkeit ist.

SPIEGEL: Da sollten also die Alarmglocken schrillen.

Pressel: Unbedingt. Auch Referenzen von früheren Arbeitgebern sind wichtig. Und Leute zeigen im Vorstellungsgespräch oft überraschend offen, wie sie ticken. Wenn man jemanden bittet, den bisher besten und den schlechtesten Vorgesetzten zu beschreiben, und ihm fällt beim besten nichts ein, aber beim schlechtesten kommt eine Schimpftirade – das ist schon ein Warnsignal.

SPIEGEL: Im Vorstellungsgespräch reißen sich doch aber viele noch zusammen. Was ist denn, wenn es später kracht?

Pressel: Im Sinne der Prävention sind Kommunikation und Wertschätzung zentral. Ein wichtiger Punkt ist: Schweigen heißt dulden. Schon wenn sich jemand im Ton vergreift, muss man die Person ansprechen. Manchmal kracht es auch erst bei einer Trennung. Auch dabei ist Wertschätzung der zentrale Punkt. Viele Arbeitgeber legen Wert auf ein gutes Onboarding, aber viel weniger auf das Offboarding. Wenn das schlecht läuft, kann es schnell zu Kränkung und letztlich zu Rachegefühlen führen. Wichtig ist, dass man Warnsignale früh erkennt.
„Es braucht eine Unternehmenskultur, in der sich alle verantwortlich fühlen und füreinander Sorge tragen“

SPIEGEL: Was können denn Warnsignale im Alltag sein?

Pressel: Schon kleine Anzeichen wie etwa Veränderungen im Verhalten. Was ist mit der Kollegin los, die früher immer beim Mittagessen dabei war und jetzt nicht mehr mitkommt und sich völlig zurückzieht?

SPIEGEL: Und wie sollte ich reagieren, wenn mir so etwas auffällt?

Pressel: Sprechen Sie die Person an! Sagen Sie in einer ruhigen Situation, was Ihnen aufgefallen ist. Menschen sind häufig dankbar dafür. Oft öffnen sie sich dann und erzählen, was los ist.

SPIEGEL: Was mache ich, wenn ich als unbeteiligte Person einen Konflikt im Team mitbekomme? Die Sache geht mich ja erst einmal nichts an, wenn sich da zwei Kollegen in die Haare kriegen.

Pressel: Es ist die Frage, ob Sie das wirklich nichts angeht. Sie sind auch Teammitglied. Da gibt es keine unbeteiligten Personen, weil alle ein Interesse daran haben sollten, dass es allen im Unternehmen gut geht. Ich würde es dann schon als meine Aufgabe empfinden, der Führungskraft einen vertraulichen Hinweis zu geben, dass es ein Problem gibt. Die Führungskraft hätte dann zunächst zwei Einzelgespräche zu führen und sich die jeweilige Sicht der Dinge schildern lassen. Auf keinen Fall zielführend ist es, wenn die gekränkte Person selbst nichts artikuliert und die Kollegin oder der Kollege auch nicht. So wird das Problem nicht gelöst, und die negativen Gefühle verhärten sich – mit unabsehbaren Folgen.

SPIEGEL: Wessen Aufgabe ist es, eine Lösung zu suchen? Ist das Chefsache oder kollegiale Verantwortung?

Pressel: Das betrifft alle. Es braucht eine Unternehmenskultur, in der sich alle verantwortlich fühlen und füreinander Sorge tragen. Generell ist in sehr hierarchisch geprägten Unternehmen Gewalt weiterverbreitet als in flachen Hierarchien.

SPIEGEL: Warum?

Pressel: In hierarchischen Unternehmen kann sich eher ein Klima der Angst entwickeln. Oft fällt es deutlich schwerer, Missstände anzusprechen, weil man Sanktionen befürchtet. Die psychologische Sicherheit fehlt.

SPIEGEL: Kommen wir noch einmal auf die ILO-Studie zurück. Nur die Hälfte der Opfer von Gewalt am Arbeitsplatz spricht über das, was ihnen widerfahren ist.

Pressel: Und das ist schon viel. Es gibt eine andere Studie aus dem vergangenen Jahr, da hat die Hochschule Speyer speziell den öffentlichen Dienst untersucht. Es kam heraus: Nur rund ein Drittel der Gewaltvorfälle wurden überhaupt gemeldet.

„Die attackierte Person muss merken, dass sie nicht allein gelassen wird“

SPIEGEL: Warum so wenige?

Pressel: Die Antwort ist ernüchternd: Weil sich die Opfer von Gewalt nichts davon versprechen, den Fall zu melden. Die denken: Es ändert sich ja eh nichts.

SPIEGEL: Das sagt auch der Opferverband Weißer Ring: Betroffene würden viel zu oft von ihren Arbeitgebern und Dienstherren allein gelassen; es gebe kaum Maßnahmen zur Gewaltprävention, aber auch kaum zur Nachsorge.

Pressel: Nachsorge muss vor allem sehr, sehr rasch sein. Ich rede nicht von der medizinischen Versorgung körperlicher Verletzungen, das ist ja ohnehin selbstverständlich. Auch die psychische Betreuung sollte schnell greifen. Der Begriff „Psychologische Erstbetreuung“ ist insofern irritierend, als die Leute, die Unterstützung leisten sollen, gar keine Psychologen sein müssen. Die attackierte Person muss merken, dass sie nicht allein gelassen wird. Dafür braucht man kein Studium. Da reichen Empathie, Kollegialität und Fürsorge. Im weiteren Verlauf müssen dann bei Bedarf natürlich Profis übernehmen, etwa um posttraumatische Belastungsstörungen zu verhindern.

SPIEGEL: Im Zuge der Coronapandemie hat sich die Arbeitswelt grundlegend verändert. Die meisten Unternehmen arbeiten hybrid, es sind nicht mehr alle zugleich im Büro. Werden die Gewaltprobleme größer oder kleiner?

„Wenn jemand sich entschieden hat, sich an seinem Peiniger zu rächen, dann kann man nichts mehr deeskalieren.“

Pressel: Mobiles Arbeiten ist generell eine gute Sache, aber unter Gewaltpräventionsaspekten sehe ich die hybride Arbeitswelt eher kritisch. Warnsignale kommen schwerer an, wenn Leute sich im Extremfall wochenlang gar nicht persönlich sehen.

SPIEGEL: Was können Führungskräfte tun, wenn sie den Eindruck haben, dass sich einzelne Mitarbeitende auffällig verhalten?

Pressel: Aufmerksam sein. Wenn einer sich zwar bei Videomeetings einloggt, aber auf einmal gar nicht mehr aktiv teilnimmt – da würde ich schon eine Veranlassung sehen, ein Vieraugengespräch mit dieser Person zu suchen. Auf keinen Fall aber vor versammelter Mannschaft.

SPIEGEL: Wenn die Stimmung schon am Kochen ist – wie gelingt Deeskalation?

Pressel: Man muss unterscheiden zwischen Deeskalation und Bedrohungsmanagement. Deeskalieren kann man bei sogenannter heißer Gewalt: Da ist die Stimmung akut aufgeheizt, jemand regt sich auf und handelt im Affekt. Solche Leute muss man anders ansprechen als die, die das Stadium der kalten Gewalt erreicht haben: Da passiert Gewalt nicht im Affekt, sondern geplant, vorsätzlich, kaltblütig.

SPIEGEL: Hat man da noch eine Chance auf eine friedliche Konfliktlösung?

Pressel: Wenn jemand sich entschieden hat, sich an seinem Peiniger zu rächen, dann kann man nichts mehr deeskalieren. Solche Gefahren beziehungsweise die Vorboten von Gewalt sollte man möglichst im Vorfeld erkennen. Sollte von einer Person im Betrieb wirklich Gefahr ausgehen, dann müssen auch hier Profis ran. Die Polizei hat eine beeindruckende Quote mit sogenannten Gefährderansprachen: In ungefähr 95 Prozent der Fälle führt allein das Reden mit dem potenziellen Gefährder dazu, dass dieser seine Pläne nicht umsetzt – weil er weiß, dass er auf dem Radar ist.

*Holger Pressel ist promovierter Politik- und Verwaltungswissenschaftler und leitet die Stabsstelle Politik bei der AOK Baden-Württemberg. Nebenberuflich ist er als Dozent tätig und publiziert über das Thema „Arbeitsplatz: Prävention - Deeskalation – Nachsorge“. Zuletzt erschien im Haufe Verlag sein Buch „Umgang mit Gewalt am Arbeitsplatz: Prävention - Deeskalation – Nachsorge“.

Zur Etablierung einer fairen und gewaltpräventiven Unternehmens- und Organisationskultur: Norbert Copray: Fairness – Schlüssel zu Kooperation und Vertrauen“. https://www.fairness-stiftung.de/Buecher-Podcast.htm

10.11.2023 10:17
Permanent bei der Arbeit überfordert: Wann Sie eine Überlastungsanzeige stellen sollten

Wer sich am Arbeitsplatz ständig überlastet fühlt, sollte eine entsprechende Anzeige beim Arbeitgeber stellen – zur eigenen Absicherung. Die Arbeitsrechtlerin Silke Gottschalk und andere erklären im Gespräch mit Katrin Schreiter beim Redaktionsnetzwerk, was es damit auf sich hat:

„Zunehmender Leistungsdruck, zusätzliche Aufgaben, dünne Personaldecke – es gibt zahlreiche Gründe, warum sich Beschäftigte immer mal wieder überlastet fühlen. Wenn dieses Gefühl jedoch regelmäßig oder permanent auftritt, können Betroffene eine Überlastungsanzeige beziehungsweise Gefährdungsanzeige stellen.

„Das sollten sie sogar, um sich abzusichern“, sagt Rechtsanwältin Silke Gottschalk. „Die Überlastungsanzeige ist ein offizieller Hinweis, den der oder die Beschäftigte an den Arbeitgeber adressiert, weil die Arbeitsanforderungen zu hoch sind und nicht bewältigt werden können.“ Das könne eine konkrete Situation betreffen, aber auch den Job-Alltag.

Rechtlich gesehen, seien die Betroffenen sogar verpflichtet, Sorge für die eigene Sicherheit und Gesundheit zu tragen und den Arbeitgeber unverzüglich über diese Gefährdung zu informieren. „Die Hinweispflicht ergibt sich aus dem Arbeitsschutzgesetz, Paragraf 15 und 16", erklärt Gottschalk.

„Andererseits schützt eine Anzeige vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Denn sie dient als Haftungsfreistellung“, erläutert die Juristin weiter. Das heißt: „Der oder die Beschäftigte kann nicht für auftretende Schäden beispielsweise bei Kunden verantwortlich gemacht werden.“ Und: Eine Abmahnung oder die Kündigung wären in diesem Zusammenhang somit unwirksam.

Aktuelle statistische Erhebungen gebe es nicht, aber nach Angaben der Gewerkschaften, gebe es Überlastungsanzeigen zunehmend in Bereichen, in denen Fachkräfte fehlen und der Arbeitgeber bestehende Aufgaben auf das vorhandene Personal verteile, vor allem in Pflegeeinrichtungen, Kliniken oder Kindertagesstätten.

Überlastung schriftlich melden

Wie stellt man die Überlastungsanzeige? „Am besten schriftlich“, rät Gottschalk. Die Anzeige sollte mit Datum und Namen versehen sein. „Außerdem gehört eine genaue Beschreibung der Belastung am Arbeitsplatz und der jeweiligen Risiken dazu.“ Auch sei es wichtig zu schildern, was man selbst bereits unternommen habe, um die Situation zu verbessern. „Am Ende folgt die Aufforderung, unverzügliche Abhilfe zu schaffen.“

Wie muss der Arbeitgeber darauf reagieren? „Er hat gegenüber seiner Beschäftigten eine Fürsorgepflicht, die sich aus den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten ergibt“, weiß Gottschalk. „Sie bedeutet vor allem eine Pflicht zur Fürsorge für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch, Paragraf 611a, 241, Absatz 2 und 618 geregelt ist.“

Anzeige ist kein Freibrief

Zudem habe der Arbeitgeber ein Direktionsrecht, „das ihn berechtigt, die Arbeit der Beschäftigten zu bestimmen, aber auch so zu gestalten, dass keine Schäden entstehen“, erklärt die Rechtsanwältin. „Im besten Fall greift er die Überlastungsanzeige auf, geht der Sache auf den Grund und verbessert die Umstände.“

Arbeitssucht: Wann Fleiß und Leistungswille gefährlich werden

Work, work, work – 10 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland neigen dazu, suchthaft zu arbeiten. Zwei Workaholics erklären, wie sie ihre Arbeitssucht erleben – und wie sie es geschafft haben, aus dem Teufelskreis auszubrechen.

Was kann passieren, wenn der Arbeitgeber nicht reagiert? Gottschalk: „Das könnte für ihn weitreichende Folgen haben, bis hin zu Schadensersatzforderungen und Schmerzensgeld.“

Allerdings sei die Überlastungsanzeige kein Freibrief, betont die Arbeitsrechtlerin. Die Anzeige berechtige nicht zu pflichtwidrigem Handeln. „Auch entbindet sie die Beschäftigten nicht von ihren Pflichten zur sorgfältigen Arbeitsleistung.“

Nicht einschüchtern lassen

Beschäftigte riskieren möglicherweise bei der Überlastungsanzeige den Unmut des Arbeitgebers. „Doch wer sich bei seiner Arbeit überlastet fühlt, tut niemandem einen Gefallen, wenn er dies verschweigt“, warnt Tjark Menssen, Sprecher des DGB Rechtsschutz.

Die Anzeige könne Beschäftigte schützen. „Denn passieren Fehler, die unter Umständen auch noch gravierende Schäden zur Folge haben, kann der Beschäftigte die Anzeige anführen, um sich zu entlasten.“

Wichtig in diesem Zusammenhang ist das verankerte Maßregelungsverbot im Bürgerlichen Gesetzbuch, Paragraf 612a. Menssen: „Letztlich darf der Arbeitgeber einen Beschäftigten nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.“

03.11.2023 08:07
Edeka, Rewe, Aldi und Lidl verstoßen gegen Lieferkettengesetz - Ausbeutung ist Standard
Oxfam hat Beschwerdee gegen Edeka und Rewe wegen Ausbeutung im Kontext mit Bananenankauf und -Handel eingereicht und schreibt dazu:

"Arbeit im giftigen Pestizidnebel, Hungerlöhne, Niederschlagung von Gewerkschaften: Immer wieder haben wir Arbeitsrechtsverletzungen auf Bananen- und Ananas-Plantagen aufgedeckt. Immer wieder haben wir an die Verantwortung der vier großen Supermarktketten appelliert. Doch einige Supermärkte machen weiter wie bisher, vor Ort hat sich kaum etwas geändert. Jetzt reicht‘s: Wir haben Beschwerde nach dem Lieferkettengesetz eingereicht.

Grillen zirpen, die Sonne scheint auf ein Meer aus riesigen grünen Blättern – Bananenstauden, soweit das Auge blickt. Die Arbeiter*innen auf der Plantage packen gerade die empfindlichen Früchte ein, da ertönt plötzlich ein ohrenbetäubendes Dröhnen: Ein Pestizidflugzeug fliegt tief und versprüht seine Wolke aus Gift direkt über den Köpfen der Arbeiter*innen. „Man versteckt sich unter den Blättern, damit die Flüssigkeit einen nicht trifft“, erzählt ein Arbeiter einer Plantage für Aldi-Bananen in Costa Rica. Ein- bis zweimal pro Woche kommt das Flugzeug – wann genau, weiß niemand. „Sie holen die Arbeiter*innen nicht aus der Plantage, wenn gesprüht wird. Sie sagen den Arbeiter*innen auch nicht Bescheid.“

Die Flüssigkeit ist sehr intensiv, nicht mal Masken bekommen wir, um dem starken Geruch nach Gift zu entgehen.
Giftdusche aus dem Flugzeug

Auf einer Plantage für Rewe-Bananen in Ecuador läuft es ähnlich: „Heute gab es eine Luftbesprühung per Flugzeug, wir waren alle noch bei der Arbeit“, erzählt ein Arbeiter. „Niemand ist vom Feld heruntergegangen, niemand hat uns Bescheid gesagt. Die Flüssigkeit ist sehr intensiv, nicht mal Masken bekommen wir, um dem starken Geruch nach Gift zu entgehen.“

Auch auf Plantagen, die Edeka beliefern, berichten Arbeiter*innen: „Manchmal haben sie auch nachmittags um vier Uhr gesprüht. […] Die Arbeiter*innen, die geerntet haben, waren da noch in der Plantage.“

Warum stellen die Plantagen keine geeignete Schutzkleidung zur Verfügung?

Mitverantwortlich für die schlechten Arbeitsbedingungen ist auch der Preisdruck der deutschen Supermärkte: Damit die Marge stimmt, muss das Obst möglichst billig im Einkauf sein. Dieser Preisdruck wird entlang der Lieferkette weitergereicht – bis zu den Arbeiter*innen auf dem Feld.

Alles wird teurer, selbst Reis, Bohnen, Salz, Speiseöl, aber was am wenigsten steigt, ist der Lohn.

Das zeigt sich auch bei den Löhnen: Der Mindestlohn für Landarbeiter*innen in Costa Rica liegt bei 11.738,83 Colones pro Tag, das entspricht rund 20 Euro. Doch viele Arbeiter*innen auf den Plantagen berichten, dass sie deutlich weniger bekommen – z.B. zwischen 5.000 und 10.000 Colones pro Tag, also zwischen rund 10 und 18 Euro, laut einem Arbeiter, der Aldi-Bananen anbaut.

„Wenn wir den Lohn den Lebenshaltungskosten gegenüberstellen, sehen wir, dass der Lohn nicht ausreicht“, erklärt auch ein Arbeiter auf einer Bananen-Plantage in Costa Rica, die für Lidl produziert. „Alles wird teurer, selbst Reis, Bohnen, Salz, Speiseöl, aber was am wenigsten steigt, ist der Lohn. […] Das trifft uns sehr.“

Auftrags-Ausbeuter

Besonders hart trifft es Migrant*innen aus Nicaragua, die häufig über „Contratistas“ angestellt sind. Contratistas lassen sich am besten als Auftrags-Ausbeuter beschreiben:

„Ich war wie versklavt“, erzählt Walter Montoya, der für einen Contratista auf einer Plantage gearbeitet hat, die an Lidl liefert. „Und nicht nur ich, es gab eine Unzahl von Personen, die versklavt waren. Sie wurden zum Arbeiten geschickt und sie bekamen vielleicht 3000 oder 2500 Colones [rund 9 Euro pro Tag] bezahlt; Personen, denen die Krankenversicherungsbeiträge gestohlen wurden. All das wissen sie [die Firma].”

Auch in Ecuador werden die Löhne gedrückt: „Sie zahlen uns nicht für Vollzeit, lassen uns aber Vollzeit arbeiten“, erklärt eine Arbeiterin auf einer Bananen-Plantage, die für Rewe produziert. „Sie lassen uns um 6 [Uhr morgens] anfangen und wir arbeiten bis 6 Uhr abends. Diese Überstunden werden uns nicht bezahlt. […] Auf der Lohnabrechnung steht eine Summe Geld, aber auf dem Konto steht eine andere. Sie zahlen uns nicht, was wir vermeintlich verdienen.“

Frauen und Ältere diskriminiert

Wer jahrzehntelange gesundheitsgefährdende Arbeit überstanden hat, kann sich immerhin auf eine bescheidene Rente freuen – in Ecuador z.B. schreibt das Gesetz nach 25 Jahren im Betrieb eine Betriebsrente vor. Was tut also der sparsame Plantagenbesitzer? „Ich wurde entlassen, ungefähr einen Monat bevor ich die Betriebszugehörigkeitsjahre erreicht hatte, ab denen mir eine Rente zugestanden hätte“, erzählt ein ehemaliger Arbeiter eines Edeka-Zulieferers in Ecuador. „Das betrifft nicht nur mich, wir sind eine Gruppe von ungefähr 300 Arbeiter*innen, die in dieser Art entlassen wurden.“

„Die älteren Kolleg*innen werden noch mehr ausgebeutet“, erklärt ein Arbeiter auf einer Plantage für Rewe-Bananen. „Sie lassen sie schwerere Arbeiten machen, damit sie von allein gehen und ihre Kündigung unterschreiben.“

Von Diskriminierung berichten auch Frauen auf der Plantage: „Wir werden mehr ausgebeutet [als die Männer]. Sie marginalisieren uns, behandeln uns schlecht, beschimpfen uns, die Chefs, Ingenieure, Vorarbeiter.“ Auch bei den Löhnen berichten Frauen von Benachteiligung: „Die Männer verdienen mehr und wir verdienen weniger. Den Männern zahlen sie etwa 13 US-Dollar [rund 12 Euro] pro 1000 Kisten, uns nur 10,24 US-Dollar [rund 10 Euro].“

Mutige Gewerkschaften

Viele Arbeiter*innen wollen sich gegen die Missstände wehren und organisieren sich gewerkschaftlich. Doch dafür braucht es Mut, denn wer gegen das Unternehmen aussagt, riskiert viel:

„Ich habe viele Kolleg*innen, die entlassen wurden, nur weil sie mit mir einen Kaffee oder ein Getränk getrunken haben“, berichtet der Gewerkschafter Cristino Hernández von einer Plantage eines Aldi-Lieferanten. „Sie bekommen keine Arbeit mehr, weil Gewerkschaften nicht geachtet werden.“

Der Gewerkschafter Cristino Hernández bekommt wegen seines aktiven Engagements keinen Job mehr.

Auch Cristino Hernández selbst hat es inzwischen getroffen: Ein Teil der Farm wurde unter fadenscheinigen Gründen im August 2023 verkauft und dabei alle Arbeiter*innen entlassen. Ein Großteil der Beschäftigten wurde nach dem Verkauf wieder eingestellt – Gewerkschaftsmitglieder bekamen aber keinen Job.

„Es nennt sich ‚die schwarze Liste‘“, erklärt ein*e ehemalige*r Arbeiter*in einer Zulieferer-Plantage von Edeka. „Wenn mein Name auf der Liste ist, wird diese Liste an alle Unternehmen weitergereicht. Wenn das passiert, findest du keine Arbeit mehr in keinem Unternehmen. […] Das ist vielen Kolleg*innen passiert.“

Auch Familienangehörige von Gewerkschaftsmitgliedern sind von den Verstößen gegen die Vereinigungsfreiheit betroffen, berichtet ein Arbeiter eines Lidl-Lieferanten: „Wenn Familienmitglieder von mir auf der Plantage arbeiten wollen, werden sie abgelehnt. Dann wird einem gesagt: ‚Wenn Sie wollen, dass Ihr Bruder, Ihr Vater oder Ihr Neffe hier arbeitet, müssen Sie aus der Gewerkschaft austreten.‘“

Trotz dieser widrigen Bedingungen kämpfen Gewerkschaften in Ecuador und Costa Rica weiter für die Rechte der Arbeiter*innen. Das führt inzwischen sogar dazu, dass sie Morddrohungen erhalten.

Die Gewerkschafterin Diana Montoya leitet eine Infoveranstaltung für Arbeiter*innen über die Arbeit von ASTAC und die Rechte der Arbeiter*innen. Diese Art von Austausch ist offensichtlich nicht gern gesehen, denn Diana erhielt bereits Morddrohungen aufgrund ihres Engagements.

Was Supermärkte bisher tun: Siegel, Zertifizierungen und Audits

Einmal im Jahr fährt ein Auto vor, jemand in Hemd und Krawatte steigt aus und macht fleißig Häkchen auf einem Formular. Dafür gibt es dann einen grünen Frosch oder ein anderes hübsches Siegel auf dem Produkt. Für die Supermärkte ist es bequem, sich auf solche Zertifizierungen und Audits zu verlassen. Doch die bringen nichts, um die Situation auf den Plantagen zu verbessern.

Denn für die Zertifizierungsfirmen ist der Kunde König – und der Kunde ist das Unternehmen, das die Zertifizierung bezahlt. Plantagen-Arbeiter*innen eines Lidl-Zulieferers in Costa Rica sprechen Klartext: „Zertifizierungsfirmen wie Rainforest [Alliance] kommen hierher und nehmen lediglich Lügen und Falschheiten mit. Sie zertifizieren das Unternehmen und sagen, dass es die Anforderungen erfüllt, und das ist falsch. Eine Lüge. Das Unternehmen umgeht alle Hindernisse, aber hält die Regeln, die die Abnehmer stellen, nicht ein.“

Wer also wissen will, was tatsächlich auf den Plantagen passiert, muss den Arbeiter*innen und Gewerkschaften zuhören.

„Wir haben die Vorgesetzten darum gebeten, dass sie uns mit zu den Audits nehmen“, erzählt ein Arbeiter auf einer Plantage in Costa Rica, die Aldi beliefert. „Aber sie bringen nur ihre eigenen Leute. Sie lassen sie in der Nähe arbeiten, wo [die/der Auditor*in] vorbeikommt und sagen ihnen: ‚Das wird passieren und das hier sagt ihr und nicht mehr.’“

Arbeiter*innen auf einer Plantage für Rewe-Bananen in Ecuador erhielten am Tag vor dem Audit folgende Sprachnachricht: „Morgen haben wir voraussichtlich Besuch von einer Person von ‚Rainforest‘. […] Nur Glyphosat darf verwendet werden. Nicht verwendet werden dürfen Ammonium-Glufosinat und Paraquat. Das heißt, auf den Plantagen darf es keine Behälter dieser zwei Produkte geben. Nur Glyphosat, nur dieses wird berichtet.” Daraufhin mussten Arbeiter*innen die Pestizidbehälter verstecken oder entsorgen.

Welche Supermärkte Verantwortung übernehmen – und welche nicht

Wir sind mit allen großen Supermarktketten seit Längerem im Austausch und bieten ihnen an, den Kontakt zu Gewerkschaften und Arbeiter*innen vor Ort zu vermitteln. Denn zu ihrer Sorgfaltspflicht nach dem Lieferkettengesetz gehört, dass sie dafür sorgen, dass die oben beschriebenen Menschenrechtsverletzungen nicht mehr passieren. Dazu müssen sie sich mit den Betroffenen austauschen. Und sie haben die Macht, etwas zu verändern, denn die vier großen Supermarktketten beherrschen 85 % des deutschen Lebensmittel-Einzelhandels.

Auf Bananenplantagen aller vier großen Supermärkte – Aldi, Edeka, Lidl und Rewe – haben Gewerkschaften vor Ort Menschenrechtsverletzungen festgestellt und sich darüber bei den Supermärkten beschwert. Wie sollte ein Supermarkt auf solche Beschwerden reagieren? Der erste Schritt ist eigentlich ganz einfach: Mit den Beschwerdeführerinnen in den Austausch zu gehen.

Aldi und Lidl haben das getan: Sie haben sich den Vorwürfen gestellt und verhandeln inzwischen mit Gewerkschaften und Zulieferern. Anders Edeka und Rewe: Sie wollen lieber weiter Augen und Ohren verschließen und an die Magie der Audits und hübschen Siegel glauben. Der Rewe-Zulieferbetrieb Otisgraf war bis zuletzt von Rainforest Alliance zertifiziert. Erst auf die Beschwerde der Gewerkschaft ASTAC hin hat der Betrieb die Zertifizierung verloren. Nun hat Otisgraf einige Monate Zeit, um die Lage zu verbessern und das Siegel wieder zu erhalten. Doch bei der Erstellung des Maßnahmenplans wurden die Beschäftigten und ASTAC wieder nicht einbezogen. Nach einem ersten Gespräch zusammen mit Rewe und ASTAC über die Situation Anfang August gab es keine weiteren Gespräche zwischen dem Unternehmen und der Gewerkschaft. Edeka will die Missstände nicht einmal anerkennen – bei eigenen Untersuchungen der Vorwürfe wurden die Gewerkschaft und die betroffenen Arbeiter*innen nicht einmal einbezogen.

Deshalb haben wir nun gegen Edeka und Rewe Beschwerden nach dem Lieferkettengesetz bei der zuständigen Behörde eingelegt: dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).

Wie geht es jetzt weiter?

Das BAFA als Kontrollbehörde muss jetzt unseren Hinweisen auf Verstöße gegen das Lieferkettengesetz nachgehen. Es darf nicht folgenlos bleiben, wenn einzelne Unternehmen wie Rewe und Edeka gegen das Gesetz verstoßen, während andere ihre gesetzlichen Pflichten ernst nehmen. Wir erwarten, dass das BAFA den Unternehmen konkrete Anweisungen geben wird und klar formuliert, welche Anforderungen es an Prävention und Abhilfe bei Menschenrechtsverletzungen gibt. Wenn Unternehmen ihre Pflichten nicht erfüllen, kann das BAFA Bußgelder verhängen: bis zu 2 % des Jahresumsatzes.

Wir bleiben dran

Oxfam wird die behördliche Durchsetzung des Lieferkettengesetzes durch das BAFA anhand der eingereichten Beschwerden gegen Edeka und Rewe in den kommenden Monaten verfolgen. Genauso werden wir beobachten, ob Aldi und Lidl tatsächlich angemessene Maßnahmen ergreifen, um in Zusammenarbeit mit den lokalen Gewerkschaften bestehende Probleme strukturell zu beheben"

30.10.2023 12:27
Gegen die Pest der Fake - Bewertungen
HolidayCheck hat im Gerichtsverfahren gegen Goldstar Marketing gewonnen und einen vollstreckbaren Titel auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunft und Erstattung der Kosten erwirkt (https://www.holidaycheck.de/). Es ging in dem Verfahren um das wettbewerbswidrige Verhalten des Unternehmens und des Hintermannes von Goldstar Marketing, das gefälschte Bewertungen von Produkten und Dienstleistungen verkauft.

Das auf Zypern angesiedelte, jedoch weltweit operierende Unternehmen, zählt vermutlich zu den größten Verkäufern von Fakebewertungen der Welt. Das erwirkte Urteil besagt, dass eine erneute Veröffentlichung von Fake-Bewertungen bei HolidayCheck von Seiten Goldstar Marketing ab sofort vom Gericht mit Ordnungsgeldern oder Ordnungshaft belegt werden kann. Das Unternehmen muss zudem dafür sorgen, dass die entsprechenden Fakebewertungen gelöscht werden und HolidayCheck Auskunft geben, von wem die gefälschten Bewertungen stammten. Die tatsächliche Unterlassung wird HolidayCheck regelmäßig überprüfen. Bereits 2019 hatte HolidayCheck vor dem Landgericht München einen wichtigen Erfolg errungen, indem das Gericht Fake-Bewertungen als rechtswidrig eingestuft hatte.

Christoph Ludmann, CEO von HolidayCheck sagt: „Nach dem entscheidenden Urteil 2019 ist dieses zweite Urteil ein weiterer wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu mehr Transparenz bei Bewertungen und es zeigt, dass wir in unserem Vorgehen gegen Fakebewertungen auf dem richtigen Weg sind. Wir hoffen, dass uns die zivilrechtlichen Mittel ausreichen werden, um den Titel zu vollstrecken. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass ein erfolgreicher Prozess noch nicht bedeutet, dass die Fake-Agenturen ihr Geschäft einstellen.“

Gemeinsam gegen Fakebewertungen kämpft eine Initivive https://gemeinsamgegenfakebewertungen.de/, in der sich fast 20 Unternehmen und Verbände zusammengeschlossen haben, um auf die Problematik aufmerksam zu machen. Im Schulterschluss mit Politik und Wirtschaft zeigen sie Lösungswege auf.

24.10.2023 14:18
Elon Musk und sein Autobauer Tesla bringen Umweltschützer gegen sich auf.
US-Autobauer Tesla will sein Werk in Grünheide ausbauen. Das ruft Kritik hervor, denn die Fabrik liegt teils im Wasserschutzgebiet. Umweltschützer bleiben einer Anhörung allerdings fern.

Der geplante Ausbau des Werks von US-Elektroautobauer Tesla in Grünheide ist bei einer Anhörung auf scharfe Kritik gestoßen - allerdings kamen in der Spitze nur rund 20 Umweltschützer und Anwohner. In der Stadthalle Erkner ging es um den Wasserverbrauch, den Einsatz zigtausender Pfähle für ein neues Werk und um Sicherheit.

1073 Einwände waren beim Brandenburger Landesamt für Umwelt eingegangen. Vor drei Jahren waren es bei einer Anhörung noch mehr als hundert Menschen, die diskutiert haben. Die Debatte bei dem Termin war dennoch hitzig.
Kritik beim Thema Wasser

Das Thema, das die meiste Kritik hervorruft, ist Wasser. Werner Klink, ein Kritiker aus Storkow, warf Tesla Defizite bei den Gutachten zur Frage der Auswirkung der Fabrik auf das Grundwasser vor. „Das ist eine Zumutung“, sagte Klink. Die Gutachterfirma Fugro wies das zurück - es gebe genug Untersuchungen.

Für den Ausbau will Tesla kein zusätzliches Wasser nutzen. Ein Anwohner aus Erkner-Karutzhöhe fragte nach der Lösung dafür. „Wir erreichen das über ein vollständiges Recycling des Prozessabwassers und über kontinuierliche Optimierungen“, sagte Tesla-Vertreter Alexander Riederer.

Das geplante Rammen von bis zu 81.000 Pfählen in den Untergrund führte ebenfalls zu Diskussionen. „Ich glaube, es sind doch erhebliche Umweltauswirkungen zu erwarten“, sagte eine Kritikerin. Fünf Umweltverbände warnen vor einem Strömungshindernis. Der Autobauer entgegnet, von den Pfählen gehe keine Beeinträchtigung auf das Wasser aus.
Eine Million Autos im Jahr

Tesla will das Ziel der Produktion von 500.000 Autos im Jahr auf eine Million im Jahr verdoppeln. Derzeit werden nach Angaben des Unternehmens noch rund 250.000 Fahrzeuge im Jahr produziert. Die Speicherkapazität bei der Herstellung von Batteriezellen soll von 50 auf 100 Gigawattstunden pro Jahr steigen. In Grünheide arbeiten rund 11.000 Beschäftigte, mit dem Ausbau sollen es 22.500 werden.

Umweltschützer haben Bedenken, denn ein Teil des Geländes liegt im Wasserschutzgebiet. Das Unternehmen stellt für den Ausbau Anträge in drei Teilen auf umweltrechtliche Genehmigung beim Land Brandenburg. Die Fabrik wurde im vergangenen Jahr eröffnet.

Der Umweltverband Grüne Liga boykottierte die Veranstaltung. „Der Erörterungstermin ist eine Farce“, sagte Landesgeschäftsführer Michael Ganschow. Unterlagen sind teilweise geschwärzt und es gibt inzwischen schon neuere Versionen des Antrags zum Ausbau. „Ich weiß nicht, was ich hier noch soll“, sagte die Vorsitzende des Vereins für Natur und Landschaft Brandenburg, Manu Hoyer, und forderte den sofortigen Abbruch des Termins. Später verließ sie den Saal.

Verhandlungsleiter André Zschiegner wies Kritik zurück. Die Unterlagen seien in der Zwischenzeit geändert worden, sagt er. Das sei aber zulässig. Es dürfe nur kein völlig neues Vorhaben entstehen. Die Unterlagen müssten auch nicht so konkret sein, dass darauf eine Genehmigung entschieden werden könne.

Der Autobauer rechnet nach eigenen Angaben nicht mit wesentlichen Hürden für die erste Genehmigung. Auch Sicherheitsbedenken sorgten für Kritik. Ein Teilnehmer kritisierte, dass das Landesumweltamt nicht über Umweltvorfälle mit dem Austritt von Stoffen informiert habe. Tesla bedauerte die Vorfälle, wies aber Bedenken zurück. „Es kann ausgeschlossen werden, dass es dabei zu Umweltschäden kam“, sagte Tesla-Vertreter Riederer.

Mit Material von dpa und Frankfurter Rundschau

"Musk und Tesla ohne Beachtung sozialer und gesundheitlicher Anforderungen"

11.10.2023 10:56
Twitter, vormals X, auf rassistischer, schiefer Bahn? Und Musk ein Judenfeind?
Auf Spiegel-Online kommt die Meldung: "Für die Anlaufstelle für Betroffene von Diskriminierung ist das ehemalige Twitter »kein tragbares Umfeld mehr«. Sie beklagt einen enormen Anstieg von Antisemitismus und anderen menschenfeindlichen Inhalten.

„Nicht länger vertretbar“: In einem ausführlichen Thread auf X, dem ehemaligen Twitter, sowie per Pressemitteilung erläutert die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, warum sie die Plattform verlassen wird. So sei X "durch den enormen Anstieg von Trans- und Queerfeindlichkeit, Rassismus, Misogynie, Antisemitismus und anderen menschenfeindlichen Inhalten (...) für das Profil einer öffentlichen Stelle aus unserer Sicht kein tragbares Umfeld mehr".

Einerseits sei die Zahl der Hasskommentare so massiv angestiegen, dass die Antidiskriminierungsstelle dem »nur noch mit einem hohen personellen Aufwand begegnen« könne. Es sei fraglich, »ob das mit Steuermitteln noch zu rechtfertigen ist«.
Andererseits stelle sich die Frage, welche Zielgruppen sie auf X noch erreichen könne. Die Anlaufstelle wurde eingerichtet, um Menschen zu unterstützen, die von Diskriminierung betroffen sind. Sie informiert über Diskriminierung und mögliche Gegenmaßnahmen, führt wissenschaftliche Untersuchungen durch und berichtet an den Deutschen Bundestag.

»Kaum noch möglich, seriöse von nicht seriösen Quellen zu unterscheiden«

Schwere Vorwürfe macht die Antidiskriminierungsstelle Elon Musk, der Twitter vor knapp einem Jahr übernommen und mittlerweile in X umbenannt hat. So hätten Hassrede und Desinformation seither zugenommen, einst gesperrte rechtsextreme Accounts seien wieder freigeschaltet und das Verifizierungssystem kommerzialisiert worden. So hätten sich organisierte prorussische Akteure »offenbar Verifikationshäkchen gekauft«, um Propaganda verbreiten, ihre Reichweite zu erhöhen und Debatten zu beeinflussen. Seither sei es »kaum noch möglich, seriöse von nicht seriösen Quellen zu unterscheiden«.

Zudem verweist die Bundeseinrichtung darauf, dass das Musk-Unternehmen im Mai aus dem freiwilligen EU-Abkommen zur Bekämpfung von Desinformationen im Internet ausgestiegen ist: "Das lässt darauf schließen, dass der Wille, Desinformationen entgegenzutreten, fehlt".

Ist Elon Musk ein Judenfeind?

Die Antidiskriminierungsstelle habe "als staatliche Institution eine Vorbildfunktion", teilte die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, mit. Deshalb sei ein Verbleib auf X nicht länger vertretbar. Darüber hinaus sollten sich "alle Ministerien und andere öffentliche Stellen fragen", "ob es weiterhin tragbar ist, auf "einer Plattform zu bleiben, die zu einem Desinformationsnetzwerk geworden ist und dessen Eigentümer antisemitische, rassistische und populistische Inhalte verbreitet".

29.09.2023 12:48
Tesla und Musk - eine Laison für krasse Unfairness
Durch Deutschland muss ein Ruck gehen, darauf können sich gerade alle einigen. Wenn nach Ober-Ruckgebern gesucht wird, fällt oft ein Name: Elon Musk. Der hat mit seiner E-Auto-Schmiede Tesla nicht einfach nur an der Vorherrschaft der traditionellen Autobranche geruckelt, er hat ganze Maßstäbe verrückt: schneller, höher, weiter. Das fasziniert, auch den stern, der vor wenigen Woche Teile einer aufsehenerregenden Musk-Biografie veröffentlicht hat.

Das verschreckt jedoch zugleich viele, die sich fragen: Wollen wir das wirklich, eine amerikanische Start-up-Mentalität, in der es wenig um Mitarbeiter oder Qualitätssicherung geht, alles hingegen um Stückzahlen und um Profit kreist?

Die Antwort liegt wohl in der Mitte: Teslas Dynamik schafft Arbeitsplätze, sie sorgt für Fortschritt. Deswegen gab es auch viel Begeisterung, als der Autobauer in Brandenburg ein Werk eröffnete, das rund 12.000 Jobs schaffen sollte. Die deutsche Politik räumte alle Hindernisse im Tesla-Takt aus dem Weg, Bundeskanzler Olaf Scholz stand zur Eröffnung stolz an der Seite von Musk.

Jedoch ist auch die Schattenseite des Systems Tesla in Brandenburg mittlerweile unübersehbar, wie eine fast einjährige Recherche von stern und RTL News aufdeckt. Valeria Bajaña Bilbao und Kim Lucia Ruoff recherchierten für den Stern undercover in der Tesla-Fabrik. Christian Esser, Manka Heise und Tina Kaiser haben zahlreiche Arbeitsunfälle rekonstruiert, haarsträubende Umweltsünden aufgelistet. Sie zeichnen anhand von Interviews und Dokumenten nach, wie Zweifler in Behörden ignoriert wurden – und wie die Politik wegschaute und selbst schwere Verstöße gegen Arbeitsschutz- und Umweltauflagen hinnahm.

Elektroautohersteller Tesla hat innerhalb von sechs Monaten 190 Arbeitsunfälle in seinem Brandenburger Werk gemeldet - darunter auch schwere und schwerste. Zudem wurden bereits 26 Umwelt-Havarien gemeldet. In der Fabrik des US-Autobauers Tesla in Grünheide (Oder-Spree) kommt es einem Medienbericht zufolge zu deutlich me
hr Arbeitsunfällen als in anderen Autowerken.
Wie der "Stern" am Donnerstag unter Berufung auf Angaben von Behörden und Rettungsdiensten berichtet, seien darunter auch schwere und schwerste Arbeitsunfälle. Kritik gibt es nun auch an der Rolle der brandenburgischen Landesregierung um Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

Laut "Stern" meldete Tesla allein zwischen Juni und November 2022 mindestens 190 Unfälle in Grünheide - also fast einen pro Tag. Arbeitsunfälle, die zu einer mindestens dreitägigen Arbeitsunfähigkeit führen, sind in Deutschland meldepflichtig. Rettungsstellen zufolge sei zudem im ersten Jahr nach der Eröffnung 247 Mal ein Rettungswagen oder Hubschrauber gerufen werden, berichtete das Magazin weiter. Auf die Mitarbeiterzahl umgerechnet seien das dreimal so viele Notfälle wie beispielsweise im Werk von Audi in Ingolstadt.

"Wir sind schon seit längerem besorgt über die Arbeitssicherheit bei Tesla in Grünheide", erklärte der Bezirksleiter der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Dirk Schulze. "Zahlreiche Beschäftigte berichten uns von Unfällen und Gesundheitsbelastungen. In einigen Bereichen führt dies zu Krankenständen von bis zu 40 Prozent." Dem "Stern" sagte Schulze, er habe "die größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt".

Mehr als 10.000 Beschäftigte im Werk
Der Gewerkschafter macht der Tesla-Führungsetage deshalb schwere Vorwürfe: Das Management reagiere "mit Druck auf die Kranken", erklärte er. "Und die noch Gesunden werden angehalten, mit weniger Personal die gleichen Stückzahlen zu produzieren." Angesichts der Medienberichte sei nun zu befürchten, dass Tesla nach den Mitarbeitern suche, die mit der Presse gesprochen haben, anstatt die Missstände zu beheben. Aktuell arbeiten in dem Werk in Brandenburg Unternehmensangaben zufolge mehr als 10.000 Beschäftigte, "perspektivisch sind 22.500 Mitarbeiter möglich", erklärte Tesla. Der Konzern will die Produktionskapazität in dem Werk auf eine Million Autos verdoppeln.

Ministerpräsident Woidke wusste nach eigener Aussage von den Unfällen.

Der Brandenburger Ministerpräsident Woidke sagte dem "Stern", dass er von den häufigen Unfällen im Tesla-Werk wisse. Er sei aber "nicht der Sprecher von Tesla". Derweil reichte das Transparenzportal "FragDenStaat" Klage gegen den SPD-Politiker ein, um Einsicht in Unterlagen einer gemeinsamen Taskforce der Landesregierung mit dem Autobauer zu erhalten. Nach Angaben der Staatskanzlei gibt es seit Ende 2019 regelmäßig Treffen von Ministerien- und Unternehmensvertretern. Die Aktivisten werfen Woidke vor, Informationen zu diesen Treffen unter Verschluss zu halten. Aiko Kempen von "FragDenStaat" sagte dem "Stern": "Die Öffentlichkeit hat das Recht zu erfahren, wie ein Milliardenkonzern Einfluss auf das Land nimmt."

Streit um Arbeitsbedingungen Tesla-Betriebsrat wirft IG-Metall Falschinformation vor
Die vielen Arbeitsunfälle sind derweil nicht das einzige Problem für das US-Unternehmen: Tesla hat in seiner Fabrik seit der Eröffnung vor eineinhalb Jahren 26 Umwelt-Havarien gemeldet. Das geht aus Informationen des Brandenburger Landesamts für Umwelt hervor, über die der "Stern" ebenfalls berichtet und die auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegen.

Zu den Havarien zählen Austritte von 15.000 Liter Lack, 13 Tonnen Aluminium sowie 50 und 150 Liter Diesel. Nach Informationen des Landesumweltamtes wurden Lack und Aluminium fachgerecht oder ordnungsgemäß entsorgt. Bei Diesel sei der Boden in einem Fall ausgekoffert worden. Seit März 2022 gab es zudem acht Brände.

Bei den Vorfällen handelt es sich laut Landesumweltamt um Betriebsstörungen, nicht um Störfälle im Sinn der sogenannten Störfallverordnung. Ein Teil des Geländes liegt im Wasserschutzgebiet. Tesla weist Bedenken zurück.

Minister Vogel (Grüne): "Die Überwachung funktioniert"

Der Autobauer räumte ein, dass es auf dem Fabrikgelände während der Bauarbeiten und seit der Inbetriebnahme mehrere Vorfälle gegeben habe. Bei keinem der Vorfälle habe es sich um einen Störfall nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gehandelt, bei keinem Vorfall sei es zu Umweltschäden gekommen, heißt es bei dem Unternehmen. Wenn nötig, seien Korrekturmaßnahmen umgesetzt worden.

Der Leiter Ökosysteme am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Martin Pusch, sprach von einer grundsätzlich hohen Gefährdung mit Blick auf das Trinkwasser. "Es ist ein hohes Risiko der Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung aufgrund der geringen Rückhaltekapazität des Untergrunds", sagte Pusch der Deutschen Presse-Agentur.
Der Brandenburger Umweltminister Axel Vogel (Grüne) räumte auf Anfrage des "Sterns" ein, dass Probleme auf dem Werksgelände aufgetaucht seien, sah aber keine Gefahr. Auf die Frage, ob er ausschließen könne, dass das Grundwasser unter der Fabrik verseucht ist, sagte er laut "Stern": "Kann ich ausschließen. Die Überwachung funktioniert."

Und das Auto selbst?

Tesla ist der wertvollste Autobauer der Welt. Mit CEO Elon Musk an der Spitze mischt das junge Automobilunternehmen die Branche auf, lässt mit einem Marktwert von rund 580 Milliarden Euro die etablierten Autohersteller zurück. Innovation, ansprechendes Design und günstiger Preis.

Auf diesen Grundpfeilern stützt sich die Aufstieg von Tesla, doch anhaltende Kritik an der Fertigungsqualität lässt manche potentiellen Kunden zurückschrecken. Für den US-Konzern deshalb essenziell: Der Erfolg des Model 3, das im Vergleich zu den Modellen S, X und Y für breite Bevölkerungsgruppen erschwinglich ist.

Der massentaugliche Elektroflitzer legt jedoch den größten Kritikpunkt am US-Unternehmen frei. Zwar besticht das Auto durch Preis und Reichweite, die Qualität lässt allerdings oft zu wünschen übrig. In einem Youtube-Video untersucht der Automobilingenieur Sandy Munro das aktuelle Modell. Schon 2018 nahm er das Model 3 genauer unter die Lupe. Damals habe er sich „fast übergeben, so schlecht war es“. Die Fehler, die ihm vor drei Jahren auffielen, erwartete er eher „bei einem Kia aus den 1990er Jahren“. Auch beim Model 3 aus dem Jahr 2021 fallen dem Autoexperten auf den ersten Blick gravierende Mängel auf.
Model 3: „Das ist nicht akzeptabel“

Tesla-Kunden kritisierten in der Vergangenheit die Lackarbeiten des US-Autobauers scharf. Auch Autoexperte Munro verweist auf die teilweise miserable Lackierung in der Vergangenheit, die Qualität habe sich beim aktuellen Modell verbessert. „Denjenigen, der für die Lackierung verantwortlich war, haben sie wohl gefeuert“, mutmaßt Sandy Munro, der daraufhin die Spaltmaße des Model 3 untersucht.

Mithilfe eines kleinen Werkzeugs misst der Ingenieur den Abstand zwischen Tür und Kotflügel, doch die Mängel an der Beifahrerseite sind auch mit bloßem Auge zu erkennen. Die Lücke dazwischen ist nicht gleichmäßig. Unterhalb des Außenspiegels betrage der Abstand nur einen Millimeter, am unteren Ende der Beifahrertür liege das Spaltmaß bei rund fünf Millimeter, so Munro. Ein Fertigungsfehler, der den Ingenieur erzürnt: „Ich verstehe nicht, warum es noch immer Fertigungsprobleme gibt.“ Der Mangel sei „nicht akzeptabel“, ärgert sich Munro. Und spricht damit wohl vielen Tesla-Kunden aus der Seele, die ähnliche Qualitätsmängel bei ihren Fahrzeugen entdeckten.

Tesla Model 3: Spaltmaße „wie ein Geländewagen“

In der Fahrzeugentwicklung sei es die „einfachste Sache“ eine perfekte Fertigung zu gewährleisten, resümiert der Automobilexperte. In der Verarbeitung sieht Munro bei Tesla dringenden Handlungsbedarf. „So funktioniert das nicht“, prangert er die Mängel bei den Spaltmaßen an. Die Spalten, die an den Türen der Beifahrerseite zu sehen sind, vergleicht Munro mit denen eines Geländewagens. Sein Jeep weise solche Spaltmaße auf, damit man „den Schmutz besser auswaschen“ könne.
Auch für die Rücklichter setzt es Kritik. Diese seien nicht bündig mit der Heckklappe, so dass die Leuchten etwas hervorstehen. Ein Mangel, der wohl bei vielen Automobilherstellern in der Abnahme des Fahrzeugs aufgefallen wäre. Trotz der offensichtlichen Verbesserungsmöglichkeiten stellt Munro dem Model 3 ein gutes Zeugnis aus. Die aktuelle Version sei eine „gigantische Verbesserung im Vergleich zum damaligen Modell“, bilanziert er.

Elon Musk räumt Qualitätsprobleme bei Tesla-Modellen ein

Tesla wächst schnell. Der Absatz der Fahrzeuge steigt, neue Produktionsstätten wie die Gigafactory nahe Berlin befinden sich im Bau. Pro Jahr sollen zukünftig allein in der deutschen Produktionsstätte eine halbe Million Autos vom Band laufen. Doch geht das Wachstum auf Kosten der Qualität? In einem Gespräch mit Sandy Munro gibt Tesla CEO Elon Musk zu, dass die Güte der produzierten Autos schwanke.
Die Qualität sei generell schlechter, wenn Tesla die Produktion schnell hochfahre, so Musk. Es sei dann eine „sehr herausfordernde Aufgabe“, die Autos in perfekter Ausführung auszuliefern. Im Hinblick auf den Preisdruck und eine zuverlässige Endproduktion sei die Fertigung die „Hölle“, merkt der CEO an.
as Tesla herstellt, ist die dümmste und obszönste Variante der Elektromobilität. Einen Drei-Tonnen-Wagen zu bewegen, noch dazu mit extremen Beschleunigungswerten, das kann nicht ökologisch sein und auch nicht sozial", stellte Lohbeck in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" klar.

Was Tesla macht, sei "asozial"

Der Experte kritisierte weiter: "Das ist Energieverschwendung, das ist Ressourcenverschwendung, das ist Platzverschwendung, und das ist asozial. Und das zeigt: Beileibe nicht jedes Elektroauto ist gut und ökologisch." Lohbeck gilt als einer der profiliertesten Mobilitätsexperten Deutschlands. Er arbeitete unter anderem für Greenpeace und entwickelte spritsparende Autos.

Mit Material von Stern, RTL, Merkus, RBB, Focus Online und Süddeutsche Zeitung



20.09.2023 09:53
Fairness muss erzwungen werden – sonst passiert wenig und Unfairness triumphiert
Ohne das Lieferkettengesetz gäbe es vermutlich kaum Bewegung in den Produktions- und Lieferketten in Deutschland, Europa und international. Darauf wurde in diesem Blog schon vielmals aufmerksam gemacht – und das ist auch im "Fairness-Check" zu erkennen. Cordula Rhode hat (in der taz) anlässlich der Fairen Woche in Deutschland einen genaueren Blick auf den aktuellen Stand der Lieferketten und der Notwendigkeit, mit der EU noch mehr für die Fairness in Lieferketten zu sorgen – vor allem auch zugunsten der meisten prekären Beschäftigten:

„Bereits im Februar 2022 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein Gesetz über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen vorgelegt, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Sie soll verbindliche Regelungen in den Bereichen Menschenrechte, Klima und Umwelt treffen. Im Dezember desselben Jahres einigten sich die EU-Länder auf ein Lieferkettengesetz. Im EU-Parlament stimmte im Juni 2023 eine Mehrheit für eine Verschärfung des ursprünglichen Gesetzesvorschlags der EU-Kommission. Nun folgt der Trilog-Prozess, in dem die drei gesetzgebenden EU-Institutionen (Kommission, Parlament und Rat) die endgültige Ausgestaltung der Richtlinie verhandeln. Erfolgt eine Einigung, wird das Gesetz in Kraft treten.

Im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz (LkSG), das seit dem 1. Januar 2023 gilt, gehen die Forderungen des EU-Gesetzes in vielen Bereichen weiter. Anders als das deutsche Gesetz differenziert zum Beispiel das EU-Gesetz bei der Existenzsicherung zwischen Lohn und Einkommen. „Dies ist von großer Bedeutung, da rund ein Drittel der von uns konsumierten Lebensmittel von kleinbäuerlichen Betrieben produziert werden, die als unabhängige Ateur:innen keinen Lohn bekommen, sondern sich ein Einkommen erwirtschaften“, erläutert Stephanie Seeger vom Weltladen Dachverband. Ihre berufliche Existenz würde durch das neue Gesetz endlich geschützt. Die Umsetzung dieses Rechts wird aber vermutlich nicht einfach: „Bei Verstößen liegt die Beweislast allein bei den Betroffenen, während die ‚Informationsmacht‘ bei den Unternehmen liegt.“ Es scheint eher unwahrscheinlich, dass diese eine:r Kläger:in volle Einsicht in ihre Unterlagen geben würden.

Die Bundesregierung hatte in der Verhandlung im EU-Rat eine Protokollnotiz zur sogenannten „Safe Harbour“-Klausel durchgesetzt und knüpft ihre Zustimmung zu einem EU-Lieferkettengesetz an diese Klausel: Sie würde es Unternehmen etwa erlauben, Produkte oder Produktionsprozesse von externen Prüfern als einwandfrei zertifizieren zu lassen oder sich an bestimmten Brancheninitiativen zu beteiligen. Auf diese Weise müssten sie dann nur noch haften, wenn ihnen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. „Diese Forderung, die einen der wichtigsten Aspekte des geplanten Gesetzes aushebeln würde, wurde aber nicht in den Vorschlag des EU-Parlaments übernommen“, erklärt Stephanie Seeger. Im Trilog werde sich nun zeigen, ob die Bundesregierung weiter auf der Regelung besteht – eine der vielen noch offenen Fragen. „Natürlich wird dieses Gesetz noch zahlreiche Schwachstellen haben“, so die Expertin, „aber es ist gut und wichtig, dass es überhaupt kommen wird.“

Fachleute sehen noch zahlreiche Schlupflöcher für die Unternehmen. Mehr als 140 Organisationen, auch der Weltladen Dachverband, fordern in der „Initiative Lieferkettengesetz“ gemeinsam konsequente und verbindliche Regelungen. Vor vier Jahren wurde die Initiative gegründet, um das damals in Planung befindliche deutsche Lieferkettengesetz im öffentlichen Bewusstsein zu verankern und Einfluss auf die Politik nehmen. „Nachdem dieses Gesetz auf den Weg gebracht war, haben wir uns auf das geplante EU-Gesetz konzentriert“, erzählt Michelle Trimborn, Koordinatorin der Initiative. „Wir hoffen, dass das Gesetz zahlreiche Lücken des deutschen Gesetzes schließen wird.“ Einen der wichtigsten Unterschiede sieht die Initia­tive darin, dass das EU-Gesetz sich nicht auf den Aspekt der klassischen Menschenrechte beschränkt, sondern auch Bestimmungen zu Umwelt- und Klimaschutz fest verankert.

Zahlreiche Beispiele verdeutlichen, wie eng alle drei Themen meist verzahnt sind. So sind in der Produktion von Leder und Schuhen in Ländern wie Indien und Bangladesch minimale Löhne, Kinder- und Tagelohnarbeit der Normalfall. Durch den Kontakt mit vielen Giftstoffen sind die Arbeiter:innen einem hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt, ihnen drohen Haut- und Atemwegserkrankungen, Benzolvergiftungen und Krebs. Eine gesundheitliche Absicherung durch die Arbeitgeber erfolgt im Normalfall nicht, Gewerkschaften oder andere Interessenvertretungen werden in den meisten Herstellerländern gesetzlich verhindert. Auch die Umweltschäden durch hochtoxische Industrieabfälle sind enorm.

Die fertigen Waren, die die Kunden bei großen Unternehmen wie Deichmann und Zalando erwerben, haben also eine lange Lieferkette hinter sich, die bereits in ihren Anfängen weder Menschenrechte noch Umweltschutz berücksichtigt. Nur wenn ein Gesetz wirklich alle Schritte der Produktion reglementiert und nicht, wie das deutsche Gesetz, zwischen direkten und indirekten Zulieferern unterscheidet (für letztere sind Unternehmen nur in wenigen Ausnahmefällen verantwortlich), kann auf Dauer Abhilfe geschaffen werden.

„Wir richten das Augenmerk auch auf die nachgelagerte Wertschöpfungskette, die im Gesetz verankert werden soll“, erklärt Michelle Trimborn. Dies beziehe sich zum Beispiel auf Aspekte wie Abfallentsorgung, aber auch die Verwendung des jeweiligen Produktes. „Auch hier müssen die Unternehmen in die Verantwortung genommen ­werden.““

31.08.2023 10:00
Kununu-Chefin Nina Zimmermann über die mangelnde Kritikfähigkeit vieler Arbeitgeber
Es mangelt nicht nur an Kritikfähigkeit, an kritischer Selbstreflexion und mitarbeiterorientiertem Gestaltungswillen in Unternehmen, sondern auch und vor allem an Transparenz, Fairness und Beteiligung.
Obwohl es in vielen Branchen an Personal fehlt. Oder gerade deshalb? Der Wettbewerb um kompetente Arbeitskräfte spitzt sich zu, schreibt Steffen Hermann in der Frankfurter Rundschau zu seinem Interview mit Kununu-Chefin Zimmermann: „Dabei wird der Auftritt von Unternehmen im Internet wichtiger – auch auf Plattformen wie Kununu. Dort können Beschäftigte ihre Arbeitgeber bewerten: Gehalt, Unternehmenskultur, Vielfalt. Schlechte Bewertungen drücken den Score – und verschlechtern die Chancen eines Unternehmens bei potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern. Im Interview spricht Kununu-Chefin Nina Zimmermann über typische Beschwerden, Feedback-Probleme deutscher Unternehmen und Pay Gaps.

Frau Zimmermann, wegen der konjunkturellen Flaute herrscht in vielen Chefetagen eine schlechte Stimmung. Wie gereizt ist der Ton derzeit auf Ihrer Plattform?

Es ist nicht so, dass derzeit mehr negative Bewertungen kommen. Was man aber schon merkt: Wer sich in schlechten Zeiten von Mitarbeitern trennen muss, kann es gut oder schlecht machen. Und da müssen die Arbeitgeber noch viel lernen: Wie erhält man eine gute Unternehmenskultur, wenn die Zeiten härter werden?

Wie sieht denn eine gute Unternehmenskultur in schlechten Zeiten aus?

Offen und ehrlich mit der Situation umgehen, frühzeitig kommunizieren und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilhaben lassen.

Und die typischen Beschwerden auf Ihrer Plattform berichten dann vom Gegenteil?

Ja, eine Sache hat sich seit Jahren nicht verändert: Leute kommen oft wegen des Geldes, und sie gehen wegen des Chefs. Der Ton, das Umfeld, der Umgang miteinander – wenn es Probleme in einem Unternehmen gibt, dann häufig dort. Das sehen wir in unseren Daten.

Wie gehen Sie mit den Daten um, die sie durch die Bewertungen bekommen?

Ein Beispiel: Zwei Medienunternehmen, beide haben einen Score von 3,6, beide haben knapp 10 000 Mitarbeiter, die Sterne-Bewertungen sind ähnlich. Die Unterschiede verstecken sich häufig in den Texten, die die Bewertenden über das Unternehmen schreiben. Das ist der Schatz, den wir uns ganz genau anschauen. Damit können wir Arbeitgeber dann beraten, wenn sie offen dafür sind.

Spielt künstliche Intelligenz bei der Auswertung eine Rolle?

Ja, aber wir müssen noch viel lernen. Wir haben tolle Data-Science-Kollegen, die sich damit beschäftigen und helfen, die Plattform besser zu machen. Es gibt noch einiges zu tun, denn wir sitzen auf sehr vielen Daten.

Und wie verdient Kununu Geld mit diesen Daten?

Wir haben ein klassisches Werbemodell. Unternehmen können ihr Profil schöner und besser darstellen, indem sie ein Abo kaufen, dessen Preis sich nach der Unternehmensgröße richtet. Das Schöne ist: Die Unternehmen haben dann die Chance, mehr über sich zu erzählen – aber es ändert sich an der Mechanik der Plattform nichts. Das Ranking bleibt gleich und auch Unternehmen ohne Bezahlprofil können Bewertungen kommentieren.

Das heißt, die Unternehmen können kein besseres Ranking kaufen?

Nein, das wäre auch nicht im Sinne unserer Plattform. Wir wollen Mehrwert stiften.

Stichwort Mehrwert. Wie stellen Sie denn sicher, dass die Bewertungen ein realistisches Bild zeichnen? Wer mit seinem Arbeitgeber einigermaßen zufrieden ist, schreibt in der Regel keine Online-Bewertung.

Tja, beim Job ist es anders als beim Restaurant- oder Hotelbesuch. Da schreibt man eine Bewertung, wenn der Teller leer oder der Urlaub vorbei ist. Die Frage ist: Wann ist ein guter Zeitpunkt, einen Arbeitnehmer zu ermutigen, eine Bewertung zu schreiben? Wir raten Arbeitgebern, regelmäßig um Feedback zu bitten – zum Beispiel nach der ersten Bewerbungsrunde oder am Ende der Probezeit. Und klar: Man kann nicht 100 Prozent gewährleisten, dass das Bild stimmt, das die Bewertungen von einem Unternehmen zeichnen. Aber je mehr Bewertungen es gibt, desto genauer ist es in der Regel.

Prüfen Sie die Bewertungen denn?

Ja. Missbrauch können wir technisch identifizieren, zum Beispiel, wenn es mehrere Bewertungen in kurzer Zeit sind oder gleiche IP-Adressen. Unser System erkennt auch Schimpfwörter oder Namen, die werden sofort rausgefischt. Und selbstverständlich können sich auch Arbeitgeber bei uns melden, wenn sie der Meinung sind, eine Bewertung stimme nicht.

Können Sie denn sagen, welches Problem größer ist: Frustrierte Ex-Mitarbeiter:innen, die dem Arbeitgeber nach der Kündigung eine Ohrfeige geben wollen, oder Unternehmen, die die eigenen Bewertungen polieren wollen?

Das Problem liegt definitiv bei den Unternehmen. Und das ist ein kulturelles Thema: Im deutschsprachigen Raum tun wir uns schwer mit Feedback und Kritik. Das Problem wächst. Ich kann Ihnen Anekdoten erzählen von Unternehmen, die mich abends anrufen und sich beschweren, weil sie eine schlechte Bewertung bekommen haben. Dann schaue ich mir das Profil an und sehe: 19 tolle Bewertungen und eine ganz schlechte. Da denke ich mir: Macht euch locker!

Es fehlt also der Impuls, zu fragen: Was kann ich als Arbeitgeber verbessern?

Genau, meistens heißt es dann: Ich weiß ganz genau, wer die Bewertung geschrieben hat, dem haben wir gerade gekündigt. Ich sage dann: Okay, das ist doch verständlich. Vielleicht war der Kündigungsprozess nicht gut.

Sie sind seit Juni 2021 Chefin von Kununu. Haben Sie in dieser Zeit etwas über den Arbeitsmarkt gelernt, das Sie überrascht hat?

Da muss ich mich wiederholen: Das ist die Negativität aufseiten vieler Unternehmen, dass sie sich nicht mit Kritik auseinandersetzen. Ich dachte, da wären wir wirklich weiter. Positiv hat mich überrascht, wie wichtig Transparenz inzwischen ist. Wie offen viele Menschen inzwischen über ihre Arbeit sprechen, über das Gehalt und die Kultur in den Unternehmen. Und zwar weil sie anderen Menschen helfen wollen, die sich für einen Arbeitgeber interessieren.

Bei Transparenz ist der Weg nicht weit zur Gleichstellung und dem Gender Pay Gap. Sie sammeln ja auch Daten zu Gehältern. Was sind Ihre Erkenntnisse?

Tatsächlich haben wir zwei Dinge analysiert: Es gibt große Pay Gaps zwischen unterschiedlichen Städten. Und wir sehen auch, dass Frauen weiterhin deutlich benachteiligt werden. Ihre Gehälter sind schon beim Berufseinstieg teilweise 13, 14 Prozent niedriger als die der Männer. Das ist eine unerklärliche Lücke.

Ist das auch ein kulturelles Problem? Über Geld spricht man nicht?

Ja, aber auch da ändert sich etwas. Zumindest bei den jüngeren Generationen. Während man früher nicht mal den eigenen Eltern erzählt hat, was man verdient, ist das bei der Generation Z anders. Die jungen Menschen sagen: Ich brauche so viel Geld im Monat, deshalb muss es dieser Job sein. Es ändert sich also auch der Umgang mit Geld.

Sie sind gebürtige Britin, haben in London und Boston studiert, wohnen nun in Wien. Sie haben also immer wieder die Perspektive gewechselt: Was sollten deutsche Unternehmen lernen?

Ich wünsche den deutschen Unternehmen mehr Mut. Sie sollten erkennen, dass sie mit alten Methoden keinen Erfolg mehr haben werden. Mit der Generation Z muss man anders kommunizieren, die klassische Top-Down-Hierarchie funktioniert nicht mehr. Also: mehr Mut, Offenheit und Wertschätzung“.

Nina Zimmermann, 48, ist seit Juni 2021 Chefin des Portals Kununu. Dort können Beschäftigte ihre Arbeitgeber bewerten. Zuvor war die gebürtige Britin bei Burda, wo sie unter anderem für Bunte.de zuständig war. Sie studierte in London und Boston, machte Karriere bei Bertelsmann, der Telekom und der Karriereplattform Experteer.
"Fairness-Partner werden und die Unternehmenskultur verbessern"

16.08.2023 07:49
Beschwerden gegen Amazon, Ikea und die Autobauer VW, BMW und Mercedes-Benz
Gegen Amazon, Ikea und die Autobauer VW, BMW und Mercedes-Benz laufen Beschwerden von Menschenrechtsorganisationen.

Seit Anfang des Jahres verpflichtet das Lieferkettengesetz größere Unternehmen dazu, entlang ihrer Lieferketten auf die Einhaltung von Menschenrechten zu achten. Mittlerweile sind beim dafür zuständigen Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa) 14 Beschwerden eingegangen, wie ein Sprecher der Behörde auf RND-Anfrage mitteilte und die Frankfurter Rundschau berichtet (16.9.23). Jede Beschwerde werde nun gründlich und individuell geprüft.

„Das Lieferkettengesetz war Anfang des Jahres in Kraft getreten. Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten müssen nun dafür Sorge tragen, dass Menschenrechte in ihren Lieferketten eingehalten werden, es also beispielsweise nicht zu Kinderarbeit kommt. Zudem sollen bestimmte Umweltstandards erfüllt werden. Kommen sie dem nicht nach, kann das Bafa auf Nachbesserung pochen. Bei schwerwiegenden Verletzungen drohen Bußgelder von bis zu acht Millionen Euro oder bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes. Ab 2024 soll das Gesetz auf Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten ausgeweitet werden.

Nach den ersten Monaten fällt die Bilanz gemischt aus. Unter anderem die Berlin ansässige Menschenrechtsorganisation ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights) hat gegen mehrere Unternehmen Beschwerde eingereicht. Gemeinsam mit dem Frauenrechtsverein Femnet und einer Gewerkschaft aus Bangladesch hat die NGO dabei Amazon und Ikea Deutschland ins Visier genommen. Der Grund: Fabriken in Bangladesch würden nicht ausreichend kontrolliert und gefährdeten somit die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten.

Ikea erklärte auf Anfrage, dass man den Fall sorgfältig untersuche und dabei eng mit dem Bafa in allen Punkten zusammenarbeite. Amazon verwies darauf, dass man sich dem Respekt vor Menschenrechten und Umweltschutz verpflichtet habe – und bei Zulieferern klare Anforderungen bei den Lieferkettenstandards setze.
Vorwurf der Zwangsarbeit

Die Kritik der ECCHR richtet sich aber auch gegen deutsche Autobauer. Die Organisation hat gegen Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz Beschwerde eingelegt, weil sie es „versäumt haben, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um die erheblichen Risiken der Zwangsarbeit durch die Gruppe der Uiguren in ihrer chinesischen Produktionskette zu erkennen und zu bekämpfen“, erklärte der Sprecher. Die NGO verweist dabei auch auf einen Bericht der Sheffield Hallam Universität, die bei Autobauern ein großes Risiko sieht, dass es entlang der Lieferkette zu Zwangsarbeit gekommen sein könnte. Mercedes-Benz erklärte auf Anfrage, dass eine solche Beschwerde nicht vorliege, verwies aber mit Blick auf den Sheffield-Bericht darauf, dass man mit Lieferanten in Kontakte stehe und in Fällen von Vorwürfen auf eine Klärung dringe. Auch Volkswagen liegt die Beschwerde nicht vor – ein Konzernsprecher erklärte allerdings, dass man jegliche Form von Zwangsarbeit in allen Geschäftsbereichen klar ablehne. Eine Stellungnahme von BMW stand am Mittwoch noch aus. Der Arbeitgeberverband BDA steht dem Lieferkettengesetz derweil weiter skeptisch gegenüber.

Derweil wird bereits eine EU-weite Regelung vorbereitet. Die sogenannte Richtlinie zu „Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit“ gehen deutlich über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus. Damit wären bereits Betriebe ab 250 beziehungsweise 500 Beschäftigten in der Pflicht, für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz entlang der Wertschöpfungskette zu sorgen“.

Kommentar von Stefan Winter (S. 9):
„Das Lieferkettengesetz ist nötig, weil Firmen Selbstverpflichtungen selten umgesetzt haben und damit mitverantwortlich sind für katastrophale Zustände - etwa in asiatischen Textilfabriken.

Geht es um das Lieferkettengesetz, bekommen viele in der Wirtschaft Schaum vor dem Mund. Es gilt ihnen als Inbegriff wirkungsloser Bürokratiemonster, als Paradebeispiel für gut gemeint und schlecht gemacht. Man kann der Kritik am Gesetz in vielem folgen. Doch an einem Punkt endet das Verständnis: Es ist keineswegs so, dass deutsche Firmen in aller Welt die zu Hause üblichen Werte hochgehalten hätten. Die katastrophalen Zustände in asiatischen Textilfabriken, die maßgeblich zum Lieferkettengesetz führten, sind nur ein Beispiel von vielen, die den Anspruch widerlegen.

Und auf welchem Stand die Wirtschaft wäre, wenn öffentliche Debatten, neue Gesetze und Haftungsrisiken nicht den Druck erhöht hätten, ist eine andere Frage. Die in solchen Fällen gern als Alternative angebotene freiwillige Selbstverpflichtung hat selten funktioniert.

Der Unmut über Missstände staut sich ebenso lange auf, bis er sich in der Gesetzgebung mit Überdruck entlädt. Es geht eben doch nicht ohne. Die Unternehmen haben vielleicht einfach nur das Gesetz bekommen, das sie selbst provoziert hatten“.

10.08.2023 08:32
48 Prozent der Berufstätigen häufig gestresst - psychische Belastungen nehmen weiter zu
Depression, Angststörungen – Zahl der psychisch Erkrankten steigt deutlich. Die Kaufmännische Krankenkasse schlägt Alarm: Die Zahl der Arbeitnehmer, die vom täglichen Jobstress ernsthaft erkranken, ist sprunghaft gestiegen.

Man mag das Wort fast nicht mehr hören: Krise. Aber Krise ist derzeit überall, neben globalen Krisen gibt es persönliche – viele Menschen sind überlastet, leiden unter – echter oder empfundener – Ungerechtigkeit, die Inflation bedroht die finanzielle Sicherheit, und auch die Erfahrungen der Coronapandemie sind nicht vergessen. Das wirkt sich aus: Die psychische Belastung berufstätiger Menschen in Deutschland ist laut KKH Kaufmännische Krankenkasse im ersten Halbjahr 2023 drastisch gestiegen.

Den Beleg lieferten die Fehlzeiten wegen seelischer Leiden, die auf 303 Ausfalltage pro 100 Versicherte gestiegen seien, teilte die Kasse mit – ein Plus von 85 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. In der jüngeren Vergangenheit habe es einen solchen Anstieg nie gegeben. Im ersten Halbjahr 2022 waren es 164 Ausfalltage, in den ersten sechs Monaten 2021 noch 137. »Diese Entwicklung ist alarmierend, denn wir haben schon jetzt fast das Niveau des gesamten Jahres 2022 erreicht«, sagte die KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick.

Denn im vergangenen Jahr registrierte die Krankenkasse 339 Fehltage pro 100 Versicherte wegen Depressionen, Anpassungs- oder Angststörungen. 2021 und 2020 waren es 287 und im Vor-Corona-Jahr 2019 rund 274 Tage. Für die Untersuchung wertete die KKH die Zahl der Kalendertage mit ärztlichem Attest von pflichtversicherten und freiwillig versicherten eigenen Mitgliedern aus. Die KKH ist nach eigenen Angaben eine der größten bundesweiten gesetzlichen Krankenkassen mit mehr als 1,6 Millionen Mitgliedern.

Zunehmend langwierige Erkrankungen

»Der besonders starke Zuwachs bei den Fehlzeiten deutet darauf hin, dass es zunehmend schwere, langwierige Fälle von psychischen Erkrankungen gibt«, erklärte Judick. Das bereite Sorgen – auch mit Blick auf die Beschäftigten, die die Arbeitsausfälle abfedern müssten. Auch sie könnten erschöpfungsbedingte psychische Leiden entwickeln.

Eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse bestätigt: Der Stresslevel der Berufstätigen ist hoch. 90 Prozent von ihnen fühlten sich zumindest gelegentlich gestresst, rund die Hälfte davon häufig oder sehr häufig, ergab die Studie. Dafür waren im Mai bundesweit 1004 Menschen im Alter von 18 bis 70 Jahren befragt worden – darunter 722 Berufstätige.

Knapp 60 Prozent der Berufstätigen sprachen von zunehmendem Stress in den vergangenen ein bis zwei Jahren. Neben Ausbildung und Beruf sowie Krisen wie Klimawandel und Inflation (je 47 Prozent) sind es demnach vor allem hohe Ansprüche an sich selbst (51 Prozent), die die Menschen als stressig empfinden. Auch die ständige Erreichbarkeit via Smartphone (37 Prozent) sowie finanzielle Sorgen (24 Prozent) verursachen Stress. Fast zwei Drittel der Berufstätigen fühlen sich erschöpft und ausgebrannt, jede und jeder sechste Berufstätige leidet unter stressbedingten Angstzuständen.

Andere Studien ergaben ein ähnliches Bild: Laut einer Ende Februar vorgelegten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos im Auftrag des Versicherungskonzerns Axa bezeichnet sich fast ein Drittel der Befragten als psychisch erkrankt. Rund 32 Prozent erklärten, dass sie unter Depressionen, einer Angst- oder Essstörung, Zwangsneurose oder anderen psychischen Erkrankungen leiden. Insgesamt wurden im vergangenen Herbst 2000 Menschen zwischen 18 und 74 Jahren in Deutschland online befragt.

Laut der KKH-Untersuchung gingen die längsten Fehlzeiten von durchschnittlich 112 beziehungsweise 71 Tagen im ersten Halbjahr auf wiederkehrende Depressionen und depressive Episoden zurück. Am häufigsten hätten die Ärzte aber akute Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen diagnostiziert: Diese verursachten bei einem Anteil von 41 Prozent nicht nur die meisten psychisch bedingten Krankschreibungen, auch die Arbeitsunfähigkeitsquote stieg hier am stärksten – nämlich um 42 Prozent.

Das zeige, dass immer mehr Menschen »unter ungewöhnlichem Druck, großen Belastungen und Dauerstress stehen«, erklärte Judick.

Mit Material aus Spiegel Online, KKH und Forsa

31.07.2023 12:11
Passive und aktive Unfairness gegenüber einer Trans Frau
Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt: Als Trans Frau nicht willkommen.

Organisationale und personale Unfairness aus Unsicherheit, Ablehnung, Unwissen und Verlogenheit. Die Trans Frau Julia Monro musste systematische Diskriminierung am Arbeitsplatz erleben. Ein Porträt von Selma Oestringer für die Frankfurter Rundschau (31.8.23):.

„An diese Worte ihres ehemaligen Arbeitgebers kann sich Julia Monro bis heute gut erinnern: „Bei uns ist jeder Mensch willkommen, egal welcher Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung.“ Es ist Juni 2019, die IT-Spezialistin will nach rund zweijähriger Auszeit an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Eine schwierige Zeit voller Herausforderungen liegt da hinter ihr.

Ein Blick zurück: Julia Monro wird als Junge großgezogen. Von früher Kindheit an kann sie sich jedoch nicht mit der ihr zugewiesenen männlichen Rolle identifizieren. Bis sie 35 Jahre alt ist, führt sie ein Doppelleben, in das nur wenige vertraute Personen eingeweiht sind. Nach einem erzwungenen Coming-out als trans Frau, verändert sich ihr bis dahin geführtes Leben grundlegend. Ihre Transidentität will sie daraufhin nicht mehr verstecken, auch nicht im Berufsleben.
Transition am Arbeitsplatz

Vor ihrem Wiedereinstieg informiert die heute 42-Jährige sich über den Prozess einer Transition am Arbeitsplatz. Sie legt ihrem Arbeitgeber Richtlinien anderer Unternehmen vor, mit der Bitte, diese zu beachten. Darin enthalten sind auch Antworten auf zwei Fragen, die immer wieder gestellt werden: Muss das Unternehmen den neuen Namen der Person verwenden? Und welche Toilette darf die Person nutzen?

Der Arbeitgeber sichert Julia Monro zwar zu, willkommen zu sein – doch das Softwareunternehmen kümmert sich nicht: Die Namensänderung zieht sich über Monate, die Toilettenfrage wird nie geklärt. Auch ein bereits bestehendes Zwischenzeugnis auf den neuen Namen wird Monro verwehrt. „Sie haben es anfangs gut gemeint, aber die Inklusion insgesamt unterschätzt“, sagt Monro heute.

Auch der Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen erweist sich als schwierig. In der neuen Abteilung findet sie keinen Anschluss. Sie habe Einladungen zu Meetings nicht erhalten und die Bewilligung ihres lange gestellten Urlaubsantrags sei künstlich hinausgezögert worden, erzählt sie. Sie fühlt sich nicht ernst genommen und schon gar nicht willkommen. Einen Betriebsrat oder ähnliche Unterstützungsangebote habe es im Unternehmen nicht gegeben.
Diskriminierung auf Arbeitsmarkt: Unerwartete Abmahnung

Zum Jahreswechsel fällt sie mehrere Wochen wegen einer Grippe aus. Dann erhält sie eine Abmahnung, plötzlich und unerwartet. Ihr Arbeitgeber wirft ihr vor, sich nicht rechtzeitig krankgemeldet zu haben. „Das war nicht korrekt“, erinnert sich Monro, doch zu diesem Zeitpunkt sei ihr bereits bewusst gewesen, „dass da gezielt gegen mich gearbeitet wurde“. Sie muss sich aufgrund von Depressionen krankschreiben lassen, später wird sie ausgesteuert. Ihr Arbeitgeber habe sie loswerden wollen, zu aufwendig sei der Prozess der Inklusion gewesen.

Heute ist Monro selbstständig. Sie arbeitet als Beraterin und Referentin für geschlechtliche Vielfalt und allgemeine LGBTQ-Themen. Die Wertschätzung, die ihrer Person und Expertise entgegengebracht wird, empfindet sie als „himmelweiten Unterschied“ zu früher. Überhaupt: Sie vermisse ihren alten Job nicht, erzählt Monro, denn heute könne sie selbst entscheiden, mit wem sie zusammenarbeitet“.

20.07.2023 12:48
Jo Biden über Fairness im Kapitalismus
"Ich habe es schon einmal gesagt, Kapitalismus ohne Wettbewerb ist kein Kapitalismus. Es ist Ausbeutung", so Biden. "Es gehe um grundsätzliche Fairness. Die Leute sind es leid, für dumm verkauft zu werden".

US-Präsident Jo Biden a 20.7.2023

10.07.2023 14:43
Versprechen und Selbstverpflichtung gebrochen – unfaires Marketing und unfaire Produkte für Kinder
Das Karlsruher Lebensmittel-Institut MRI untersucht Produkte speziell für Kinder. Der Zuckeranteil in Getränken ist demnach seit 2019 sogar gestiegen. Darüber schreit Max Baumgart in der FR (5.7.23):

"Der Zuckergehalt in Erfrischungsgetränken für Kinder ist gestiegen – obwohl sich die Industrie eine Reduzierung zum Ziel gesetzt hat. Das zeigt das aktuelle Produktmonitoring des Bundesinstituts für Ernährung und Lebensmittel (Max Rubner-Institut/MRI), das Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) am Dienstag vorstellte. Seit 2019 ist demnach der Anteil an Zucker von 5,4 Gramm pro 100 Milliliter auf 6,3 Gramm gestiegen.

Ungefähr 7000 Produkte hat das MRI auf ihren Gehalt an Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren, Salz und Zucker untersucht. Dabei hat das Institut aus Karlsruhe Fertigprodukte auf Basis von Joghurt und Quark, trinkbare Milchmischerzeugnisse, Erfrischungsgetränke wie zum Beispiel Cola, Frühstückscerealien, Suppen, Eintöpfe sowie Instantsuppen und -gerichte betrachtet.

Demzufolge enthalten Fertigprodukte mit Kinderoptik oft mehr Zucker als vergleichbare Produkte für Erwachsene. Damit sind Produkte gemeint, die wegen ihres Designs oder ihres Namens für Kinder ansprechend sind oder denen Sammelkarten oder Figuren beigelegt sind. Zum Beispiel stecken in Frühstückscerealien für Kinder durchschnittlich 17 Gramm Zucker pro 100 Gramm. Der Durchschnitt bei Müsli und Cornflakes liegt bei 14,7 Gramm. Zwar sinkt der Zuckergehalt in Cerealien mit Kinderoptik seit 2016, aber er liegt weiterhin oberhalb des Grenzwerts der Weltgesundheitsorganisation von 12,5 Gramm pro 100 Gramm.
Özdemir will Werbeverbot – kann sich aber nicht durchsetzen – Zuckerlobby ist stärker

Das MRI hat bei folgenden Produkten für Kinder einen höheren Zuckergehalt als bei Erwachsenenprodukten festgestellt: Frühstückscerealien, Waffelgebäck, Müsliriegel, Nudelsoßen, panierte Geflügelprodukte, Salami und reguläre Erfrischungsgetränke. Bundesminister Özdemir weist darauf hin, dass Kinder weniger Zucker vertragen als Erwachsene.

Was hinter den Zahlen steckt, führte Özdemir bei der Pressekonferenz vor: Er hielt bei der Pressekonferenz am Dienstag ein Glas mit 200 Milliliter Wasser hoch. In der anderen Hand hielt er ein Glas mit fünf Zuckerwürfeln – umgerechnet ungefähr 15 Gramm. „Das ist bei Erfrischungsgetränken, die sich gezielt an Kinder richten, die Menge an Zucker, die da drin ist“, sagte der Bundesminister. Er appelliert an die Industrie, den Anteil an Zucker in Getränken zu reduzieren. „Machen Sie es bitte so, dass auch die Kinder, deren Eltern nicht die Chance haben, genau Bescheid zu wissen und entsprechend aufzupassen, was ihre Kinder trinken, gesund alt werden können.“

Mit einem Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel möchte Özdemir das durchsetzen und die Industrie zur Anpassung ihrer Rezepturen bewegen. Nach einem langen Streit mit dem Koalitionspartner FDP hat er den Gesetzentwurf neulich entschärft. Er lasse sich aber nicht davon abbringen, Kinder vor Zuckerbomben und anderen ungesunden Lebensmitteln zu schützen, sagte Özdemir. „Jedes Kind in Deutschland soll die Chance haben, gesund aufzuwachsen – und zwar unabhängig von dem Einkommen der Eltern, der Bildung oder der Herkunft.“

Auch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) spricht sich mit Bezug auf die Daten für verbindliche Regeln zum Schutz der Kindergesundheit aus".

Fazit: Selbstverpflichtungen der Industrie sind oft nicht zu trauen. Skepsis ist angebracht.

23.05.2023 12:44
Spargel und Erdbeeren aus Deutschland - Miese Arbeitsbedingungen bei der Ernte
Lohndumping, Wuchermieten und keine ausreichende Krankenversicherung: Wer Spargel, Erdbeeren und Gemüse auf deutschen Feldern erntet, wird oft ausgebeutet. Mitverantwortlich sind die großen deutschen Supermärkte, die die Bäuer*innen unter Druck setzen, um die Ware möglichst billig beziehen zu können.

Wie sich der Preisdruck der Supermärkte für die Saisonarbeiter*innen auf dem Feld anfühlt, zeigt die neue Oxfam-Studie „‚Das hier ist nicht Europa.‘ Ausbeutung im Spargel-, Erdbeer- und Gemüseanbau in Deutschland“.
Hier werden alle Spielräume ausgenutzt, Menschen um ihren gerechten Lohn zu bringen

Die Ergebnisse der Recherche sind erschreckend. Mit allerlei Tricks versuchen die Höfe, die tatsächlichen Löhne der Saisonarbeiter*innen zu drücken – zum Beispiel durch horrende Lohnabzüge für die Unterkunft. Arbeiter*innen zahlen für einfachste Gemeinschaftsunterkünfte mehr als die Durchschnittsmieten deutscher Großstädte. Für eine Baracke ohne Küche verlangt einer der Betriebe 40 Euro pro Quadratmeter. Die durchschnittliche Kaltmiete in der Münchner Innenstadt liegt bei 23 Euro.

Besonders ein Betrieb in Brandenburg erweist sich als skandalös: Die Unterkünfte gleichen Baracken, in den Zimmern wächst Schimmel. Eine Küche gibt es nicht, gekocht wird auf mobilen Herdplatten. „Das hier ist nicht Europa“, resümiert ein befragter Arbeiter. Supermarktgigant Edeka pries derweil „Unterkünfte mit Hotelcharakter“ an.

Zehn Stunden schwere und monotone körperliche Arbeit sind Alltag

Viele Arbeiter*innen sind mit einer kaum durchschaubaren Kombination aus Stunden- und Akkordlöhnen konfrontiert und berichten von schwer oder gar nicht erreichbaren Zielvorgaben. „Das sind keine Einzelfälle. Beschäftigte klagen regelmäßig über falsche Angaben bei der Arbeitszeiterfassung, wodurch sie mehr arbeiten müssen, als sie bezahlt bekommen”, sagt Benjamin Luig von der Initiative Faire Landarbeit. „Zehn Stunden schwere und monotone körperliche Arbeit sind Alltag in der deutschen Landwirtschaft. Aber Lohndumping und massiver Leistungsdruck dürfen kein Geschäftsmodell sein!“ Mitgliedsorganisationen der Initiative Faire Landarbeit beraten deutschlandweit Saisonarbeiter*innen zu ihren Arbeitsrechten.
Kündigung bei Krankheit

Die Studie belegt auch die unzureichende Versicherung der Arbeiter*innen. Die meisten haben keinen umfassenden Krankenversicherungsschutz oder geben an, gar nicht versichert zu sein. Ein Großteil wird über das Modell der kurzfristigen Beschäftigung angestellt. Für diese Arbeiter*innen schließen Betriebe meist private Gruppen-Krankenversicherungen ab, die ein weit geringeres Leistungsspektrum als gesetzliche Versicherungen bieten. Manche berichteten, dass sie ihre Behandlungskosten selbst bezahlen mussten. Wegen extrem kurzer Kündigungsfristen von bis zu einem Tag kommt es vor, dass Arbeiter*innen noch krank oder verletzt die Heimreise antreten.

Marktmacht ja – Verantwortung nein: Supermärkte drücken Preise ins Bodenlose

In Deutschland teilen die Big Four – Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland mehr als 85% des deutschen Lebensmittel­einzelhandels unter sich auf.

Die Verantwortung für diese unhaltbaren Arbeitsbedingungen liegt nicht nur bei den Betrieben, sondern auch bei den deutschen Supermärkten, die für Spargel, Erdbeeren und Gemüse ruinös niedrige Preise zahlen.

„Die Supermärkte üben einen brutalen Preisdruck aus“, sagt Tim Zahn, Referent für globale Lieferketten, Menschenrechte und Migration bei Oxfam. „Den Preisdruck geben die Betriebe nach unten weiter: an die Arbeiter*innen auf den Feldern. Und er hat weitere Folgen: Viele kleinere landwirtschaftliche Betriebe geben auf. Die Supermärkte stehlen sich hier seit Jahren aus der Verantwortung, sie müssen endlich dazu gebracht werden, angemessene Preise zu zahlen.“

Rechte der Saisonbeschäftigten schützen!

Oxfam Deutschland und die Initiative Faire Landarbeit fordern deshalb, dass der Einkauf unter Produktionskosten verboten wird. Die Bundesregierung muss zudem dafür sorgen, dass Saisonarbeiter*innen grundsätzlich sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden, unter anderem, damit sie vollen gesetzlichen Krankenversicherungsschutz vom ersten Tag an erhalten.

Anders als für frühere Studien hat Oxfam diesmal nicht in Anbaugebieten von Südfrüchten recherchiert, sondern gemeinsam mit dem PECO-Institut direkt vor unserer Haustür. Grundlage der Studie sind eigene Recherchen von Oxfam Deutschland und ein Bericht des PECO-Instituts. Für diesen wurden Arbeiter*innen bei vier Betrieben interviewt, die wir mittels Testkäufen als Lieferanten deutscher Supermärkte identifizieren konnten.

"Die Oxfam-Studie 2023"

04.05.2023 08:13
Die Kreislaufflasche mit Günther Jauch
Der Moderator Günther Jauch bewirbt Einweg-Flaschen als ökologisch. Unter dem Motto: „Die Kreislaufflasche“. Ist das Irreführung? Ja, und damit keine faire Werbekampagne, denn nun gibt es auch heftige Kritik daran und – und eine Gegenkampagne. Die Frankfurter Rundschau dokumentiert das heute (4.5.23) wie folgt:

Immerhin beim Bier ist die Welt noch wie früher, zumindest wenn es um die Flaschen geht: Die Deutschen greifen nach wie vor meist zu Mehrweg. Aber sonst? Beispiel Mineralwasser: 1991 lag die Mehrwegquote noch bei 93 Prozent, heute beträgt sie kaum 43 Prozent. Und Limos gibt es auch immer häufiger in Einwegpullen aus Plastik. Die Bundesregierung will gegensteuern, auch die EU-Kommission.

Aber stimmt das überhaupt: Einweg ist böse, mitverantwortlich für wachsende Müllberge? Darüber ist Streit entbrannt.

Auf der einen Seite steht: der Discounter Lidl mit Fernsehmoderator Günther Jauch. „Es lohnt sich, manchmal etwas genauer hinzusehen“, sagt er in einer Werbekampagne des Discounters für seine Einweg-Plastikflaschen. Das Unternehmen aus Neckarsulm verkauft darin zum Beispiel Wasser der Marke Saskia, nennt sie selbst Kreislaufflasche, behauptet, diese sei eine der ökologischsten Getränkeverpackungen, die es gibt.

Jauch gibt sich skeptisch, investigativ, geht der Frage nach: Wie kann das sein? Antwort: Aus alt werde neu, die Flasche bestehe zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial, sei 50 mal leichter als Glas. Und für ihren Transport seien weniger LKW nötig. Schon seit einigen Tagen hängen allerorten dazu Plakate, laufen Spots im Internet, Radio, Fernsehen.

Mehrweg-Allianz kritisiert Jauch und Lidl für Einwegplastik

Auf der anderen Seite: die „Mehrweg-Allianz“. Zu ihr gehören die Deutsche Umwelthilfe, die Stiftung Initiative Mehrweg sowie Verbände des Getränkegroß- und -einzelhandels und der Privatbrauereien. Die Allianz startete Mittwoch eine Gegenkampagne. Es ist ein Gewinnspiel: „Wir verlosen einen Jahresvorrat an Freigetränken im Wert von 800 Euro. Und das 20 Mal. Egal ob Wasser, Limo, Saft oder Bier – Hauptsache in regionalen Mehrweg-Pfandflaschen!“

Die Allianz hält Lidl entgegen: Mehrwegflaschen aus Glas könnten bis zu 50 Mal wieder befüllt werden. Im Gegensatz dazu würden die 16,4 Milliarden Einwegplastikflaschen, die in Deutschland jährlich geleert werden, nur ein Mal benutzt und direkt zu Abfall. Auch Getränkedosen seien ein Problem: 4,5 Milliarden Stück gingen davon jährlich über die Ladentheken und verbrauchten 76 000 Tonnen Metall. Und nun?

Einweg-Plastikflasche von Lidl entspricht nicht den Anforderungen des Umweltbundesamts

Nachfrage bei Gerhard Kotschik, Experte für Verpackungen beim Umweltbundesamt. Er erklärt: „Lidl hat seine Flasche sehr, sehr optimiert, der Rezyklateinsatz ist hoch.“ So schneide die Flasche in der von Lidl beauftragten Ökobilanz gut ab. Aber die Flasche löse die Probleme nicht. Und das Vorgehen bei der Ökobilanz entspreche nicht den Mindestanforderungen des Umweltbundesamtes.

Es sei eben noch lange nicht gang und gäbe, dass jede Flasche so wie in der Lidl-Werbung wieder zu einer Flasche wird. In Deutschland würden bisher nur um die 45 Prozent aller Einwegflaschen aus Rezyklat produziert. Und selbst beim besten Willen werde das Lidl-Modell auch nie auf alle Einwegflaschen übertragbar sein.

Kein echter Kreislauf bei Einweg-Plastikflasche von Lidl

Damit die Lidl-Flasche zu 100 Prozent aus Rezyklat hergestellt werden kann, müsse immer an anderer Stelle neues Plastik eingesetzt werden. Den perfekten Kreislauf gibt es nicht. Das Problem, so Kotschik, erstens: „Verbraucher bringen nie alle Flaschen zurück. Da gehen welche verloren.“ Zweitens: „Im Recyclingprozess gibt es Materialverluste. Es braucht immer mehr als eine alte Flasche, um daraus eine neue zu machen.“ Sollen in Deutschland immer gleich viele Flaschen produziert werden, muss also irgendjemand neues Plastik nutzen. Entscheidend sei, sagt Kotschik, „möglichst wenig Abfall entstehen zu lassen, ihn zu vermeiden, auch um Ressourcen zu schonen. Dafür ist Mehrweg besser geeignet.“

Eigentlich sollen Mehrwegverpackungen bei bepfandeten Getränken laut Gesetz heute schon 70 Prozent ausmachen. Nur halten sich die Handelskonzerne nicht daran. Zur Rechenschaft gezogen werden sie dafür nicht. Lidl bietet gar keine Getränke in Mehrweg an. Konkurrent Aldi übrigens auch nicht.

Kotschiks Tipp für den Einkauf: „Mit Mehrweg-Flaschen, die in der Region abgefüllt werden, so dass lange Transportwege vermieden wurden, sind Sie auf der sicheren Seite.“

"Günthers Jauchs und Lidls Kreislaufflasche"

28.04.2023 09:40
Für Fairness im Job kämpfen - gegen jetzt illegale Leiharbeiterbehandlung
Leiharbeitskräfte verdienen häufig weniger als die Stammbelegschaft. Das regeln Tarifverträge. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs stellt diese Praxis nun infrage. Steffen Herrmann schreibt dazu in der Frankfurter Rundschau am 23.4.23:

„Seit 2011 arbeitet Marvin Hüther bei Volkswagen in Wolfsburg. Anders als seine Kolleginnen und Kollegen war der heute 28-Jährige aber viele Jahre nicht direkt bei VW angestellt. Hüther war Leiharbeiter. Die Folge: Für die gleiche Arbeit verdiente er deutlich weniger. Damals war das der Mindestlohn, acht Euro die Stunde. „Als Leiharbeiter ist man der letzte Mann in der Kette“, erzählt Hüther heute. Er habe sich benachteiligt gefühlt, der Druck sei groß gewesen. „Du kannst jederzeit rausgeworfen werden.“

Wie Hüther geht es rund 781 300 Menschen in Deutschland (Stand April 2022). Als Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter verdienen sie je nach Branche bis zu 40 Prozent weniger als die Stammbelegschaft. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei hervor, die der FR vorliegt.

„Es gibt eine starke Ausgrenzung“, sagt Wolfgang Däubler. Der renommierte Arbeitsrechtler kämpft seit vielen Jahren gegen die Diskriminierung der Leiharbeit. Und das erfolgreich: Im Dezember urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH): Leiharbeitende dürfen zwar schlechter bezahlt werden als die Stammbelegschaft – aber nur wenn sie dafür einen angemessenen Ausgleich bekommen. „Das ist ein großer Erfolg für Leiharbeiter“, sagt Däubler, der die erfolgreiche Klage beim Gang durch die Instanzen begleitet hatte.

Geklagt hatte eine Frau, die Anfang 2017 bei einem Leiharbeitsunternehmen angestellt war. Dieses überließ sie einem Einzelhandelsunternehmen, wo sie für 9,23 Euro pro Stunde arbeitete. Die Stammbelegschaft erhielt dagegen 13,64 Euro brutto. Die Frau klagte und forderte eine zusätzliche Vergütung in Höhe der Differenz. Nach dem Gang durch die Instanzen legte das Bundesarbeitsgericht (BAG) den Fall schließlich dem EuGH vor.

Der EuGH entschied nun, dass Leiharbeiter:innen den gleichen Schutz verdienen wie die Stammbelegschaft. Weichen Tarifverträge wie in Deutschland davon ab, müssen diese Tarifverträge den in der EU-Leiharbeitsrichtlinie vorgesehenen „Gesamtschutz“ der Leiharbeiter:innen einhalten. Das heißt: Wer weniger verdient, hat Anspruch auf Ausgleich, zum Beispiel in Form zusätzlicher Urlaubstage.

„Die bisherige Praxis in Deutschland ist damit nicht mehr legal“, sagt der Jurist Wolfgang Däubler. Seit 2004 sehen die deutschen Gesetze für Leiharbeitende Equal Pay und Equal Treatment vor, gleichen Lohn und gleiche Bedingungen. Doch die Gewerkschaften und die Arbeitgeber nutzen eine gesetzliche Öffnungsklausel, um in Tarifverträgen niedrigere Löhne zu vereinbaren. „Das geht künftig nur noch, wenn die Tarifverträge eine gleichwertige Kompensation vorsehen“, sagt Däubler.

Die Arbeitgeberverbände geben sich betont gelassen: Man werde abwarten, wie das Bundesarbeitsgericht auf die EuGH-Entscheidung reagieren werde, teilt der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) mit. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), mit dem die Arbeitgeberverbände die Tarifverträge verhandeln, lehnt ein Gespräch mit der FR zu dem Thema ab: Die zuständige Fachkollegin sei im Urlaub.

Die IG Metall lobt die EuGH-Entscheidung zwar als „gut für die Rechte und den Schutz der Leihbeschäftigten“, betont aber auch, dass der Europäische Gerichtshof „zur speziellen gesetzlichen und tariflichen Situation in Deutschland“ keine Stellung genommen habe. „Hier erwarten wir Konkretisierungen des Bundesarbeitsgerichts mit Blick auf Anforderungen an das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und Tarifverträge“, sagt ein Sprecher. Ähnlich ist die Position der Bundesregierung, wie Kerstin Griese, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, im Bundestag sagte.
Wolfgang Däubler kritisiert die abwartende Haltung der Gewerkschaften. „Es gibt einzelne Gewerkschafter, die es ganz gut finden, dass Leiharbeiter schlechter gestellt sind beim Lohn und beim Bestandsschutz. Sie sehen die Leiharbeiter als Polster für wirtschaftlich schlechte Zeiten, weil sie da als erste nach Hause geschickt werden. Solidarität sieht anders aus.“

Die Idee der Leiharbeit – auch Zeitarbeit oder Arbeitnehmerüberlassung genannt – kommt aus den USA. Seit 1972 ist sie hierzulande durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt: Arbeitskräfte werden von einem Verleihunternehmen, bei dem sie angestellt sind, einem anderen Unternehmen für eine bestimmte Zeit überlassen.

Mit den Hartz-Gesetzen flexibilisierte die rot-grüne Bundesregierung Anfang der 2000er-Jahre den deutschen Arbeitsmarkt und lockerte auch die Regeln für Leiharbeit. Daraufhin stieg die Zahl der Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter stark an, ihre Löhne lagen meist aber deutlich unter der jeweiligen Stammbelegschaft. „Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gib“, lobte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder 2005 in Davos.

Und heute? Heute arbeiten knapp 61 Prozent der Leiharbeitskräfte in Vollzeit für ein Einkommen unterhalb der Niedriglohnschwelle, sie verdienen weniger als 2344 Euro pro Monat. In der Gesamtwirtschaft beziehen dagegen nur knapp 18 Prozent der Beschäftigten einen Niedriglohn. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Susanne Ferschl (Linkspartei) hervor, die der FR vorliegt.

Die Daten zeigen außerdem: Der Anteil ausländischer Leiharbeitskräfte ist deutlich gestiegen, von 26,6 Prozent im Jahr 2016 auf 43 Prozent im Jahr 2022. Ausländische Leiharbeiter:innen verdienen im Schnitt auch 470 Euro pro Monat weniger als deutsche Leiharbeitskräfte.

Für Susanne Ferschl ist nun die Ampel-Koalition gefordert: „Die Bundesregierung muss eine gesetzliche Klarstellung auf den Weg bringen und die Tariföffnungsklausel im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz streichen.“ Theoretisch bedeute das EuGH-Urteil für die einzelnen Beschäftigten zwar eine Verbesserung, sagt die Politikerin der Linkspartei zur FR. Ohne eine gesetzliche Klarstellung werde das aber in der Praxis kaum eine Auswirkung haben, denn jede und jeder Leiharbeitsbeschäftigte müsste individuell auf Gleichbehandlung klagen. Aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis passiere das allerdings so gut wie nie. „Das Nicht-Handeln der Bundesregierung verlängert die europarechtswidrige Ausbeutung der Leiharbeitsbeschäftigten.“

Das Bundesarbeitsgericht soll sein Urteil zur Leiharbeit am 31. Mai fällen. Aber auch dann werden einige Fragen offenbleiben: Wie könnte der Ausgleich aussehen, damit der Gesamtschutz bei niedrigeren Löhnen gewahrt ist? Jurist:innen rätseln auch, welche Folgen der konkrete Vergleich im Einzelfall hat, den der EuGH fordert. Und, vielleicht die wichtigste Frage: Verliert die Leiharbeit durch die Kompensation an Attraktivität für Unternehmen?

Marvin Hüther jedenfalls hat den Absprung geschafft. Seit 2017 arbeitet er festangestellt bei Volkswagen. Unter seine Zeit als Leiharbeiter zieht er ein gemischtes Fazit, trotz Druck, niedrigerem Lohn und Angst vor dem Jobverlust: „Die Leiharbeit ist nicht schlecht für Leute mit wenig Bildung, um in Firmen wie VW hineinzurutschen".“

27.03.2023 11:48
Banken und ihre Lobby finanzieren die Erderwärmung massiv
Schon 2012 zeichnete die Fairness-Stiftung die NGO Finance Watch in Brüssel mit dem "Fairness-Initiativpreis" aus. Nun macht sie auf schwerwiegende Akitivitäten der Banken aufmerksam, die mit ihrer Lobbyarbeit erfolgreich die Decarbonisierung verhindern. Deswegen führt die EU nun keinen Klima-Risikoaufschlag für den Klimaschutz ein. Die taz recherchierte und berichtete durch Christian Jakob und Jonathan Rap am 20.3. auf S. 4 wie folgt:

Kredite für Fossilenergie-Projekte sind eine Gefahr für die Welt. Der Bankenlobby gelang es, überfällige Regulierungen der EU abzuwehren.

Von Ugandas Ölfeldern an den Großen Seen zum tansanischen Hafen Tanga am indischen Ozean soll die East African Crude Oil Pipeline (EACOP) führen. Die Ölfelder liegen teils im ugandischen Murchison-Falls-Nationalpark, nicht weit von dort, wo eine der größten Schimpansen-Gruppen weltweit lebt. Und große Teile der 1.445 Kilometer langen Pipeline führen durch oder vorbei an Natur- und Landschaftsschutzgebieten.

Im Januar wurden am Albertsee die ersten Bäume gerodet. Ugandas Präsident Yoweri Museveni gab nach über zehn Jahren Verhandlungszeit den Startschuss für den Bau durch ein australisch-chinesisches Konsortium. Ab 2025 soll dann Öl fließen, 246.000 Barrel pro Tag, aufgeheizt auf 70 Grad, sonst wäre es zu zäh. Alles in allem werden dadurch bis 2050 rund 380 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in die Atmosphäre gelangen, schätzt das Climate Accountability Institute. Rund 5 Milliarden Dollar soll der Bau kosten. 2 Milliarden bringen die Regierungen von Uganda, Tansania, der französische Energiekonzern Total und die China National Offshore Oil Corporation selber auf. Den Rest sollen externe Kreditgeber beisteuern.

Die EACOP ist nur eines von hunderten Projekten, mit denen Energiekonzerne die noch verbleibenden globalen Fossilvorkommen ausbeuten wollen. Sagenhafte 857 Milliarden Dollar wollen sie dafür allein bis 2030 ausgeben, so eine Studie der NGOs Global Witness und Oil Change International. Die Summe kommt zu den 4,6 Billionen Dollar hinzu, die internationale Banken nach Zahlen der Banking-on-Climate-Chaos-Studie zwischen dem Abschluss des Pariser Abkommens 2015 und 2021 schon an Krediten für fossile Projekte bereitgestellt haben. Kaum etwas trägt so viel dazu bei, die Ziele des Pariser Abkommens zu verfehlen, wie die Allianz aus Finanz- und fossiler Energiewirtschaft.

„Ermöglicher des Klimawandels“

„Die Banken sind die Ermöglicher des Klimawandels“, sagt Thierry Philipponat. Er war einst Manager bei der Eunext-Börse in Brüssel und der Londoner Future-Börse LIFFE. Heute ist er der Chefökonom der NGO Finance Watch in Brüssel. Dass sich ein womöglich einmaliges Zeitfenster öffnen würde, um

Das Wissen über die Klimakrise ist da, das gesellschaftliche Bewusstsein auch. Was fehlt, sind Konsequenzen: politische Entscheidungen, die die nötigen Veränderungen vorantreiben. Für diese Blockaden gibt es Verantwortliche. Es sind Akteure, die die Interessen klimaschädlicher Industrien vertreten, an diesen weiter verdienen oder die nicht aufgeben wollen, was keinen Bestand haben darf.

In einer vom Weltklimastreik am 3. März 2023 bis zur Klimakonferenz COP 28 in Dubai im Dezember laufenden Serie fragt die taz: Wer sabotiert die Entscheidungen, die das Klima und unsere Lebensgrundlagen retten? Wer blockiert, was nötig ist –und warum? Wer führt uns in die Krise?

An jenem Tag veröffentlichte die EU-Kommission ihr „Arbeitsprogramm“ für das angebrochene Jahr. Im Anhang, unter Punkt 21, findet sich darin ein unscheinbarer Eintrag: „Überprüfung der Rechtsvorschriften über Eigenkapitalanforderungen“ steht dort. Es geht, kurz gesagt, darum, die Lehren aus der Finanzkrise von 2008 in aktuelle Regeln für Banken zu gießen – unter anderem mit Blick auf die Folgen des Klimawandels. Das Schlagwort lautet „Basel III“ – ein internationales Regelwerk, um Bankenpleiten zu verhüten, das die EU in eigenes Recht umsetzen muss.

Nur Fachleute erkannten, welche politischen Möglichkeiten das dröge Reformvorhaben bot. Wie Philipponat. „In Anbetracht der kurzen Zeit, die zur Verfügung steht, ist spätes Handeln leider gleichbedeutend mit Nichtstun.“ Und so handelt Philipponat schnell. Vier Monate bevor die Kommission ihren Gesetzentwurf präsentiert, bringt er ein Papier heraus. Der Name: „Breaking the Climate-Finance-Doom-Loop“.

Sinngemäß soll das so viel heißen wie: „Den Teufelskreis zwischen Klimawandel und Finanzierung stoppen“. Die Annahme: Wenn Banken weiter Geld für klimaschädliche neue Fossilprojekte verleihen, gefährden sie dabei nicht nur das Klima – sondern auch sich selbst. Denn erstens drohen die Fossilprojekte durch die grüne Transformation ökonomisch zu scheitern, die vergebenen Kredite deshalb auszufallen. Zweitens gefährden die durch die Nutzung fossiler Energiequellen angeheizten Extremwetterereignise die Wirtschaft insgesamt. Und drittens drohen den Banken zunehmend Haftungsklagen.

Rot gekleidete Protestierende vor Konzernzentrale

Philipponats Vorschlag lautete: Die sogenannte Risikogewichtung für neue Fossilprojekte soll all das berücksichtigen – und deshalb drastisch angehoben werden. Vereinfacht gesagt: Wer Geld für neue Öl- und Gasfelder verleiht, soll künftig pauschal die gleiche Summe an Eigenkapital vorhalten müssen. Das soll die Bank bei Zahlungsausfall schützen. Bislang sind es teils nur 1,6 Prozent.

Der Energiekonzern Total, der Hauptbetreiber der East African Crude Oil Pipeline, etwa wird von der Ratingagentur Fitch in der zweithöchsten Kategorie AA- und damit auch von der Finanzaufsicht als „sichere Anlage“ eingestuft. Unter der heute geltenden Regelung müsste eine europäische Bank, die Total die 3 Milliarden für die Pipeline leiht, deshalb gerade einmal 48 Millionen Euro an Eigenkapital dafür vorhalten. Philipponats Vorschlag folgend müssten es bei neuen Projekten wie der Ostafrika-Pipeline künftig 3 Milliarden sein. Die Kreditvergabe würde so höchstwahrscheinlich unrentabel werden.

Viele Bemühungen um eine effektive Emissionsbegrenzung, vor allem durch einen höheren CO2-Preis, waren politisch bisher nicht durchsetzbar. Philipponats Vorschlag ist eine Chance, die Weiternutzung fossiler Energien trotzdem effektiv einzudämmen. „Ich war sehr enttäuscht, dass die Kommission sich in ihrem Entwurf nicht mit dem wohl größten Risiko für Finanzinstitute befasst hat“, sagt er – eine verpasste Gelegenheit. „Unsere Empfehlungen sind weit weniger radikal und viel billiger als die Maßnahmen, die als Reaktion auf die Covid-19-Krise ergriffen wurden. Aber sie zielen auf eine weitaus größere Bedrohung ab.“

Harte Maßnahmen waren nicht vorgesehen

Das leuchtete auch Parlamentariern ein. Nachdem Philipponat sein Papier an EU-Institutionen und Fachpolitiker verschickt hatte, brachten immerhin fünf MEPs auf seinen Vorschlägen fußende Änderungsanträge ein. Für die Grünen war das der Finne Ville Niinistö, für die Liberalen die Franzosen Pascal Canfin und Gilles Boyer und für die Sozialdemokraten Aurore Lalucq aus Frankreich und Paul Tang aus den Niederlanden. „Der Kommissionsvorschlag war schwach in Bezug auf den Klimaschutz“, sagt Tang. Denn im Gesetzentwurf der Kommission ist zwar ausführlich von der grünen Transformation die Rede. Harte Maßnahmen gegen das „Klimarisiko“ hatten von der Leyens Beamte aber nicht vorgesehen. Stattdessen sollte die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA bis 2027 Vorschläge machen, wie das Klimarisiko für die Banken berechnet werden soll.

Die Verhandlungen im Ausschuss sind schwierig. „Die beiden Liberalen hatten ihre eigene Fraktion nicht hinter sich, die Konservativen und die extreme Rechte waren gegen die Klimarisiko-Aufschläge“, sagt Tang. Am 24. Januar 2023 lehnt der Ausschuss alle Änderungsanträge zu den Klima-Aufschlägen ab. Philipponats Vorschlag ist damit vom Tisch. „Er hatte im Ausschuss keine Chance“, sagt Tang. Der Entwurf geht nun in die sogenannte Trilog-Beratung von Rat, Parlament und Kommission. Dass dabei noch ein fester Klimarisiko-Zuschlag eingebaut wird, glaubt Tang nicht. „Da wird jetzt nichts mehr kommen.“

Die Chance, auf diese Weise zumindest europäische Kredite für klimazerstörende Energieprojekte in aller Welt zu erschweren, ist perdu. „Sehr enttäuschend“ sei das Votum des Ausschusses, sagt Thierry Phi­lip­ponat. „Der Bankensektor tut alles, was er kann, um sich gegen eine Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen zu wehren.“

Die NGO Finanzwende hat untersucht, wie. „Der sogenannte Basel-III-Kompromiss ist das Ergebnis einer jahrelangen, intensiven Lobbykampagne von Banken und ihren Verbänden“, heißt es in einer Stellungnahme der NGO Finanzwende. „Banken und ihre Interessenvertreter gingen bei EU-Parlamentariern und der EU-Kommission ein und aus.“ So hätten sie zentrale Kapitalregeln für Banken verwässern können. „Gut für die Profite der Banken, schlecht für ihre Krisenfestigkeit.“

Zwischen November 2021 und dem Tag der Abstimmung, am 24. Januar 2022, gab es nach Transparenzangaben des EU-Parlaments 190 Treffen der Abgeordneten mit „Interessenvertretern“. Vier dieser Treffen waren mit NGOs: Der deutsche Grüne Rasmus Andresen traf sich einmal mit Fridays for Future, zwei Abgeordnete trafen sich insgesamt dreimal mit Finance Watch. Die übrigen 186 Treffen waren mit Vertretern von Banken, Bankenverbänden und Vermögensverwaltern, vereinzelt auch von Kammern und öffentlichen Körperschaften.

368 Lobbytreffen

Bei den Lobbytreffen mit der EU-Kommission, die den ursprünglichen Entwurf formuliert hatte, sieht es fast genauso aus. Nach Zählung von Finanzwende gab es zum Thema Basel III seit Amtsantritt von Ursula von der Leyen 178 Treffen mit Interessenvertretern – davon ganze zwei mit Vertretern der Zivilgesellschaft, also NGOs. 176-mal hingegen sprachen von der Leyens Kabinett, EU-Kommissare und Generaldirektoren in Sachen Bankenregulierung mit der Finanzindustrie.

Die Treffen an sich sind völlig legal und politisch legitim. Das Missverhältnis, welche Stake­holder, wie es so schön heißt, sich aber in welchem Maß Gehör zu verschaffen vermögen und welche nicht, ist eklatant – und schlägt sich zweifellos in den Beschlüssen nieder.

Vor allem zwei Abgeordnete hatten sich nach taz-Informationen gegen die Klima-Aufschläge starkgemacht: der Ausgburger CSUler Markus Ferber und der österreichische ÖVP-Abgeordnete Othmar Karas.

„Kapital ist der Lebenssaft der europäischen Wirtschaft. Wir müssen sehr genau aufpassen, dass die neuen Eigenkapitalvorschriften für Banken den europäischen Unternehmen nicht die Kreditversorgung abdrehen“, hatte Ferber, ein ehemaliger Siemens-Ingenieur und Vorsitzender der Hans-Seidel-Stiftung, während der Beratungen auf seiner Webseite geschrieben. „Das Bankenaufsichtsrecht ist nicht der richtige Ort für Klimaschutzdebatten.“ Es ist exakt das Argument, das auch die Banken selbst immer wieder vortragen werden.

Schon die zahnlosen Vorschläge der EU-Kommission für eine stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten hatte Ferber vehement abgelehnt: „Die Bankenaufsicht muss sich allein am Risiko orientieren, andernfalls droht sich eine Finanzkrise wie im Jahr 2008 zu wiederholen – nur diesmal mit grünem Vorzeichen. Der Weg in die nächste Krise ist gepflastert mit guten Vorsätzen“, sagte Ferber 2021.

„Let's talk Finance“

Ein Interview lehnt er ab – und verweist an den für das Thema zuständigen Berichterstatter Karas. Auch der will sich nicht öffentlich äußern. Sein Mitarbeiter verweist darauf, dass die EU-Bankenaufsicht nun bis 2025 Vorschläge für die Behandlung der Klimarisiken machen soll.

Karas hat 14 Jahre in der Bank- und Versicherungswirtschaft gearbeitet, bevor er Vollzeitpolitiker wurde. Heute ist er Vorsitzender des European Parliamentary Financial Services Forum, einer Arbeitsgruppe aus EU-Parlamentariern und Vertretern der EU-Finanzwirtschaft. „Let’s talk Finance“ ist das Motto. Auch Markus Ferber ist hier im Vorstand. „Chair“ der Gruppe ist der Niederländer Wim Mijs, der Manager des Europäischen Bankenverbandes EBF. Und der hat eine tragende Rolle dabei gespielt, die schärferen neuen Bankenregeln zu verhindern.

Gewiss ging es bei den Lobbytreffen auch um andere Aspekte der Regulierung als nur um die Klima-Aufschläge. Doch die zu kippen war den Banken wichtig. Mindestens vier Positionspapiere zur Eigenkapitalrichtlinie brachte der Bankenverband EBF heraus. Unter anderem heißt es darin: „Auch wenn die Banken die EU-Ziele unterstützen und von ihnen erwartet wird, dass sie ihre Strategien daran ausrichten, müssen Geschäftsmodell und Geschäftsstrategie in der Verantwortung der Leitungsgremien der Banken bleiben.“ Soll heißen: An Gas- und Ölverfeuerung weiter mitzuverdienen, ist unser Recht. Weiter schreibt der EBF: Jegliche Kapitalzuschläge, die die EU allein beschließt, würden „die Wettbewerbsfähigkeit sowohl der EU-Industrie als auch des Finanzsektors gegenüber den Volkswirtschaften außerhalb der EU untergraben“.

Beim EBF leitet Gonzalo Gasós die Abteilung für Bankenaufsicht. Gasós nannte strengere Eigenkapitalanforderungen für Banken durch die EU schon 2016 einen „Schuss in den eigenen Fuß“. In öffentlichen Auftritten wandte er sich mehrfach gegen die Risiko-Aufschläge beim Eigenkapital, unter anderem bei einem Podium der Florence School of Finance and Business im Juni 2022. Höhere Eigenkapitalanforderungen für bestehende Fossilkredite würden die Banken zu höheren Rücklagen zwingen. Die Folge sei fehlendes Geld zur „Finanzierung des Übergangs europäischer Unternehmen zu kohlenstoffarmen Produktionsmethoden“, behauptete Gasós dort. Der Übergang würde schließlich rund 500 Milliarden Euro kosten. „Wir brauchen also alle unsere Mittel, um dieses ehrgeizige Projekt zu finanzieren.“
Fossile Kredite „sehr stark mit Risiken behaftet“

Gleichzeitig hält der EBF aber daran fest, dass die Banken weiter günstig Geld für Fossilprojekte verleihen dürfen sollen. Von „Lobby-Mythen“ sprach Finance Watch nach der Veranstaltung. „Viele Argumente sind technisch unsinnig, werden aber so oft wiederholt, dass sie geglaubt werden und als Argumente des öffentlichen Interesses erscheinen“, sagt Thierry Philliponat dazu.

Eine Interviewanfrage lehnt auch Gasós ab. Über eine Sprecherin lässt er ausrichten, dass es nicht Ziel der Bankenaufsicht sei, „eine Klimapolitik festzulegen, und auch nicht der Wunsch, bestimmte Unternehmen unrentabel zu machen“, eine Rolle spielen dürfe. Zudem sei ein erhöhter Risikoaufschlag innerhalb der EU unwirksam, weil dann Banken von außerhalb der EU das Geschäft machen.

Laura Mervelskemper ist bei der GLS Bank in Bochum für „Wirkungstransparenz & Nachhaltigkeit“ zuständig. „Fossile Energien sind sehr stark mit Risiken behaftet, die aktuell wenig eingepreist werden“, sagt sie. Müssten die Risiken angemessen eingepreist werden, würde sich „vieles nicht mehr lohnen.“ Das Risikomanagement auszuweiten sei deshalb richtig. Dass dies nicht geschehe, „könne an einem Lobbying liegen.“ Mervelskemper sagt, dass Beratungen und Lobbyismus natürlich stattfinden dürfen. „Aber die Meinungen, die eingeholt werden, sollten möglichst objektiv, faktenbasiert und auf jeden Fall divers sein und nicht nur die Meinung weniger.“

Viele Positionen der konventionellen Banken deckten sich nicht mit jenen der Wissenschaft zu ökologischen Fragen – sonst gäbe es einen „ganz anderen Blick auf die Risiken, die wissenschaftlich bereits großflächig erfasst wurden und erwartbar sind“, sagt Mervelskemper. Dann würde viel stärker dafür gesorgt werden, dass „diese Risiken auch integriert werden – dazu sprechen wir auch mit anderen Finanzinstitutionen und der Politik.“ Doch noch werde „viel zu viel außerhalb transparenter und geregelter Formate abgesprochen, was nicht dem gesellschaftlichen Zweck dient“. Allzu oft gehe es dabei um finanzielle Interessen zu Lasten von Umwelt und Gesellschaft. „Das darf nicht passieren.“

23.03.2023 06:50
Psychische Belastung steigert Fehlzeiten in Unternehmen
Psychische Belastungen und Burnout führen immer mehr dazu, dass Menschen ihren Jobs zeitweise nicht gewachsen sind. Die Fehlzeiten steigen, zeigt eine aktuelle Studie der Techniker Kasse.

Überforderung wird wohl weiter ansteigen

38,5 Prozent der befragten Geschäftsführenden, Gesundheitsverantwortlichen und Personaler geben an, dass dieses Thema bereits jetzt eine eher große oder große Bedeutung in ihren Unternehmen habe. Das teilt die Techniker Krankenkasse (TK) mit. Die Studie wurde vom Konstanzer Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung im Auftrag der Techniker Krankenkasse erarbeitet.

Auf die Frage, welche Bedeutung Burnout und Co. in drei Jahren haben werden, sagen das sogar rund 70 Prozent.

Psychische Erkrankungen am Arbeitsplatz haben die körperlichen Belastungen in ihrer Dringlichkeit in vielen Branchen überholt. Das betont die Personalvorständin der TK, Karen Walkenhorst.

Herausforderung und Chance in einem

Die zunehmende Herausforderung, der sich "die Arbeitgeber stellen müssen", sei gleichzeitig aber auch "eine Chance, die Gesundheit der Beschäftigten in Arbeitsprozessen und Unternehmenskultur fest zu verankern", erklärt Personalvorständin Walkenhorst weiter.

Diesen Trend würden Auswertungen zu den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der bei der TK versicherten Erwerbspersonen bestätigen. Bereits seit Jahren gehören psychische Erkrankungen demnach zu den drei häufigsten Gründen für eine Krankschreibung.
Kontinuierlicher Anstieg der Krankheitstage

2022 betrug der Anteil am Gesamtkrankenstand rund 17,5 Prozent und lag damit noch vor den Krankheiten des Muskel-Skelettsystems (13,7 Prozent) und nur hinter Erkrankungen des Atmungssystems wie Grippe und Erkältung (25,3 Prozent). Auch seien die durchschnittlichen Krankheitstage je Erwerbsperson aufgrund psychischer Belastungen in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gestiegen. War jede TK-versicherte Erwerbsperson 2012 noch durchschnittlich 2,46 Tage mit einer psychischen Diagnose krankgeschrieben, so waren es 2022 bereits 3,33 Fehltage.

Der AOK-Report zeigt: Weniger Kranke in sozial geführten Firmen

Unternehmen können den Krankenstand durch eine soziale Unternehmensführung senken. Das geht aus dem neuesten AOK-Fehlzeitenreport 2022 hervor.

Zu den größten Herausforderungen am Arbeitsplatz gehören den Angaben nach die Menge sowie die Komplexität der Aufgaben, die Quantität der zu verarbeitenden Informationen, permanente Veränderungen sowie Ablenkungen und Unterbrechungen. Zwar würden rund 40 Prozent der Unternehmen bereits Angebote zur Stressreduktion und Ressourcenstärkung anbieten, während rund 37 Prozent schon Workshops zum Thema Achtsamkeit und Resilienz umgesetzt hätten.

09.03.2023 10:41
Ist die Vier-Tage-Woche barer Unsinn oder eine sinnvolle Perspektive?
„Die Vier-Tage-Woche ist ein Fake“,sagt der Ökonom Heinz-Josef Bontrup. Gleichwohl übernehmen immer mehr und immer hochleistungsfähige Computer und Roboter immer mehr Arbeit, die heute noch von vielen Menschen getan werden.

Einige Unternehmen testen bereits die Vier-Tage-Woche. Es führt in einigen Bereichen zu zufriedeneren Mitarbeiter*Innen ohne Produktivitätsverlust. Der Ökonom ist nicht überzeugt von dem Konzept. Er fordert im Interview mit der Frankfurter Rundschau eine echte Verkürzung der Arbeitszeit. Ein Interview von Steffen Herrmann vom 8.3.23 S. 15:

„Herr Bontrup, sind Sie ein Fan der Vier-Tage-Woche?

Nein, ich bin kein Fan einer sogenannten Vier-Tage-Woche, die lediglich eine Arbeitsumverteilung impliziert. Sondern ich bin seit Jahrzehnten ein Fan einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Das größte Problem vor dem Hintergrund der bestehenden hohen Arbeitslosigkeit und zusätzlichen Unterbeschäftigung von Millionen Menschen in Deutschland ist allerdings, dass die abhängig Beschäftigten sich nicht hinreichend in den Gewerkschaften organisieren. Deshalb fehlt bislang eine Koalition, die die Macht hat, eine Arbeitszeitverkürzung durchzusetzen.

Frage: Hinter dem Schlagwort der Vier-Tage-Woche verstecken sich verschiedene Modelle. Bei einigen wird der einzelne Arbeitstag dafür länger. In Belgien können Beschäftigte zum Beispiel ihre Wochenarbeitszeit von 40 Stunden an vier Tagen leisten. Andere Modelle reduzieren tatsächlich die Arbeitszeit – statt 40 Stunden an fünf Tagen arbeiten die Beschäftigten dann 30 oder 35 Stunden an vier Tagen. Welches Modell ist sinnvoll, welches nicht?

Sie werfen hier die ganze Bandbreite von diskutieren Arbeitszeitverteilungen pro Woche oder auch pro Monat auf. Das sind aber keine Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohn- und Personalausgleich, wie ich sie seit langem fordere. Die zurzeit in einigen Ländern in Pilotprojekten, auch in einzelnen deutschen Unternehmen, erprobten Vier-Tage-Wochen sind deshalb nur ein Arbeitszeitverkürzungs-Fake. Und ich muss mich mehr als wundern, wenn hier bei einer nur anderen Arbeitszeitverteilung betont wird, dass dies bei vollem Lohnausgleich stattfinden würde. Ja, wie denn wohl sonst? Wäre das nicht der Fall, so käme es zu drastischen Einkommenskürzungen bei den abhängig Beschäftigten. Und übrigens: Nicht eine diskutierte Vier-Tage-Woche will die Arbeitszeit auf eine 30- oder 32-Stunden-Woche reduzieren. Dies würde eine sofortige Produktivitätssteigerung von rund 20 Prozent bedeuten. Das ist ökonomisch völlig unrealistisch.

Sehen Sie denn überhaupt keine Vorteile einer Vier-Tage-Woche?

Nun ja, einige abhängig Beschäftigte sind der Auffassung, es hätte Vorteile für sie, wenn sie statt 5 mal 8 Stunden, also 40 Stunden, jetzt 4 mal 10 Stunden, also auch 40 Stunden in der Woche, nur anders verteilt, arbeiten. Das will ich in Einzelfällen nicht in Abrede stellen. Darum geht es aber nicht. Es geht um die Volkswirtschaft als Ganzes. Und dass aus einer lediglich anderen Verteilung der Arbeit Produktivitätseffekte resultieren, müsste wissenschaftlich erst noch einmal nachgewiesen werden. Meine Prognose fällt hier eher negativ aus.

Bisher läuft die Wirtschaft zu großen Teilen im Rhythmus einer Fünf-Tage-Woche. Von Montag bis Freitag ist zu den üblichen Geschäftszeiten immer jemand im Dienst. Wie müsste man den Umstieg gestalten?

Der Umstieg einer Arbeitsumverteilung wird in den meisten Branchen der Wirtschaft überhaupt nicht gehen, denken sie nur an die vielen Arbeitsprozesse, wo man nicht mal einfach die Arbeit an einem Tag einstellen kann. So nach dem Motto, wir arbeiten jetzt die 40 Stunden in der Woche an vier Tagen ab. Am fünften Tag steht alles leer und wir schließen die Firma ab. Ganz „Schlaue“ argumentieren hier mit Energieeinsparungen, vergessen dabei aber die Nicht-Nutzung von Maschinen und Anlagen. Wer soll den Ausfall denn dann bitteschön am Ende bezahlen? Die Kunden, die durch die Arbeitsumverteilung zusätzlich noch auf eine schlechtere Erreichbarkeit der Firmen stoßen? Das ist alles paradox.

Wie groß sind die Chancen für eine Vier-Tage-Woche in Deutschland? Dafür bräuchte es starke Gewerkschaften oder?

Da die Vier-Tage-Woche als Arbeitsumverteilung ein Fake ist, wird sie sich auch nicht durchsetzen und so auch kein Thema für die Gewerkschaften werden.

In einigen Modellen sinkt mit der Arbeitszeit auch das Gehalt. Das können sich doch nur Besserverdienende leisten.

Arbeitszeitverkürzungen ohne Lohnausgleich, also mit Einkommenskürzungen, sind genauso wie die Arbeitsumverteilung ein Arbeitszeitverkürzungs-Fake, den sich natürlich so gut wie keiner leisten kann. Was aber an diesem Fake besonders fatal ist, ist der ökonomische Tatbestand, dass es damit zu einer noch größeren Umverteilung der Wertschöpfung zu Gunsten der Kapitaleigentümer kommt.

Weniger Arbeit, gleiches Gehalt – warum sollten die Arbeitgeber da mitspielen?

Ganz einfach, weil eine Arbeitszeitverkürzung nicht nur bei vollem Lohnausgleich, sondern auch bei einem vollen Personalausgleich – das ist ganz wichtig – auf Basis einer wertmäßigen Arbeitsproduktivitätserhöhung, für Unternehmer überhaupt keinen Nachteil hat.

Das müssen Sie jetzt aber näher erklären.

Ja, weil auch ihre Gewinne in Höhe der Produktivitätszuwächse steigen. Die Verteilung der Wertschöpfung ist zwischen Kapital und Arbeit neutral. Lohn- und Gewinnquote bleiben konstant, es gibt keine inflatorischen Wirkungen, die Lohnstückkosten verändern sich nicht, und die Arbeitslosigkeit geht zurück. Und wissen Sie was: Dann haben sich die Unternehmer nicht einmal mit einem Cent an der Finanzierung der Arbeitszeitverkürzung beteiligt. Das ist völlig inakzeptabel. Daher muss es zu einer Mitfinanzierung durch ein Absenken der viel zu hohen volkswirtschaftlichen Mehrwertquote kommen, die bei rund 43 Prozent liegt und stark dysfunktionale makroökonomische Effekte impliziert.

Arbeitgeberpräsident Steffen Kampeter fordert „mehr Bock auf Arbeit“ und längere Arbeitszeiten. Hat er mit Blick auf den Personalmangel, den es in einigen Branchen gibt, nicht recht?

Der Unternehmer-Lobbyist Kampeter fordert nicht nur den Unsinn von längeren Arbeitszeiten. Als Wissenschaftler weiß ich das einzuordnen. Und was den sogenannten Personalmangel in einigen Branchen oder, wissenschaftlich sauber formuliert, auf Teilarbeitsmärkten anbelangt, darüber freue ich mich. Als Ökonom lernt man im ersten Semester: Alles was knapp ist, hat einen hohen Preis. Die Löhne werden hier steigen und in Folge Arbeitskräfte anlocken. Gegen diesen marktwirtschaftlichen Mechanismus habe ich nicht einzuwenden".

31.01.2023 10:35
Kaum Konkurrenz im Strom- und Gasmarkt - ein Mangel an Fairness und Vielfalt
Einen Mangel an Wettbewerb beklagt der Netzagenturchef Klaus Müller wegen der geringen Auswahl bei Strom und Gas.

Ein Markt ohne Konkurrenz ist kein wirklicher Markt. Das sieht man sehr gut bei den Tankstellenpreisen und Ölkonzernen. Ohne Auswahl ist die Kundschaft einem monolithischen Block von gleichartigen Anbietern und Preisen ausgesetzt, was wie Planwirtschaft wirkt. Wo es keine Konkurrenz gibt, kann es auch keine Fairness zwischen den Anbietern geben, denn sie ist bei Gleichförmigkeitann überflüssig. Allenfalls die Kundschaft steht einer Anbieterfront gegenüber, die verlautbaren kann: "Friss Vogel oder stirb!". Die Konkurrenz ist abgeschafft und damit auch die Freiheit von Angebot und Nachfrage.

Auch Kooperation ist dann verschwunden anstelle eines Anbieter-Klumpens. Unterschiede müssen künstlich geschaffen und behauptet werden durch Beigaben ("hier erhalten Sie auch einen neuen Besen dazu") oder vermeintliche Imagevorteile ("wir sind nach nachaltiger als die nachhaltigen Firmen").

Weniger Angebote und »bescheidene Erfahrungen« beim Anbieterwechsel: Der Chef der Bundesnetzagentur vermisst im Strom- und Gasmarkt zurzeit »vernünftigen Wettbewerbsdruck«. Ohne den bleibt es teuer, warnt Klaus Müller.

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat zu wenig Wettbewerb bei den Strom- und Gaspreisen für Haushaltskunden beklagt. In den Vergleichsportalen sehe er, dass es im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich weniger Angebote gebe, sagte Müller bei einer Veranstaltung der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf.

»Es gibt Stadtwerke, die sich nur noch auf ihr Versorgungsgebiet konzentrieren, die haben sich aus der bundesweiten Versorgung zurückgezogen«, so Müller weiter. »Es ist wichtig, darüber zu diskutieren, was können wir dafür tun, dass mehr Marktakteure, mehr Energieversorger auch jenseits ihres ureigenen Sprengels bundesweit Angebote machen und ich als Verbraucherin und Verbraucher hier eine Wahlmöglichkeit habe.«

Viele Menschen hätten mit einem Anbieterwechsel in den letzten 18 Monaten eine »bescheidene Erfahrung« gemacht, sagte Müller. Er verwies in diesem Zusammenhang auf zahlreiche Vertragskündigungen durch Energiediscounter.

Müller zufolge stellt sich die Frage: »Wo sind eigentlich die Wettbewerbskräfte oder die Wettbewerbsakteure, die dafür sorgen, dass wir auch irgendwann wieder zu sinkenden Gas- und Strompreisen kommen?« Es gebe in Deutschland keine Behörde mehr, die diese Rolle übernehme. Preisaufsicht und -genehmigung seien aus guten Gründen abgeschafft worden und die Bundesnetzagentur sei nicht erpicht darauf, solch eine Aufgabe zu übernehmen.

»Aber wenn das keine Behörde tut, und gleichzeitig womöglich Verbraucherinnen und Verbraucher in den letzten 18 Monaten gelernt haben, derjenige, der wechselt, ist womöglich die oder der Dumme, dann haben wir eine Situation, dass wir kein vernünftiges Wettbewerbsmodell im Strom- und Gasmarkt zurzeit haben.«, so Müller. Es sei überfällig, zu »diskutieren, wie sorgen wir dafür, dass wir zu einem vernünftigen Wettbewerbsdruck kommen, damit letztendlich irgendwann Preise auch wieder sinken können.«

10.01.2023 12:30
Ein Ende von Kinderarbeit und Abholzung in der Kakao-Lieferkette ist nicht in Sicht
Neuestes Kakao-Barometer zeigt: Unternehmen müssen höhere Preise für Kakao bezahlen

Zu Weihnachten herrlich gute Schokolade genossen? Leider mit Schattenseiten - immer noch. Höhere Preise für Schokoladen- und Kakaoprodukte gehen leider nur zu Gunsten der Händlerfirmen, nicht der bäuerlichen Erzeuger. Hersteller von Kakao- und Schokoladeprodukten müss(t)en ihren Bäuer*innen (eigentlich) höhere Preise für Kakao bezahlen – ansonsten werden sich die sozialen und ökologischen Probleme des Sektors weiter verschärfen. Das zeigt das diesjährige Kakao-Barometer, welches die aktuellen Entwicklungen in der Kakao-Branche zusammenfasst und vom VOICE Network veröffentlicht wurde.

Der Bericht über die Entwicklung der Kakao-Branche macht deutlich: Kakao-Bäuer*innen sind nach wie vor einer Vielzahl an Problemen ausgesetzt, haben jedoch nicht die finanziellen Ressourcen, dagegen anzukämpfen. In den größten Kakao-Anbaugebieten der Welt wie Ghana, Cote d’Ivoire (Elfenbeinküste) und Indonesien leiden die Familien noch immer unter Kinderarbeit, Geschlechterungleichheit, Unterernährung von Kindern, mangelndem Zugang zu Bildung und unzureichender Gesundheits- und sanitärer Versorgung.

Kleinbäuerliche Familien leiden besonders unter Inflation und Preissteigerung

Zusätzlich verstärkt die Inflation und Preissteigerung den Druck auf die Bäuer*innen in Westafrika. „Früher konnte ich mit dem Verkauf von Kakaobohnen die notwendigen Ausgaben für meine Familie finanzieren. Das ist jetzt sehr schwierig geworden. Die Preise für die Produkte liegen weit über meinen bisherigen Einnahmen. Ich habe Kinder, um die ich mich kümmern muss, und ich kämpfe jetzt darum, ihre Schulgebühren zu bezahlen“, sagte Yao Kouame Martia von der Kakao-Kooperative ECAM im Südwesten von Côte d'Ivoire.

Armut führt zu Abholzung statt Klimaschutz

Ebenso werden Belastungen für Kakaobäuer*innen, die durch Umweltfaktoren wie den Klimawandel entstehen, nicht wirksam angegangen. Es gelang bisher weder Politik noch Unternehmen, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren oder die langfristige Einführung guter landwirtschaftlicher Praktiken zu unterstützen. Stattdessen sehen sich die Bäuer*innen weiterhin gezwungen, den Regenwald abzuholzen, um ihre geringen Erträge zu steigern. (Nationale und internationale) Strategien, die darauf abzielen, die Kakaoproduktion zu steigern und so die Armut der Bäuer*innen zu bekämpfen, lösen diese Probleme langfristig nicht.

Die Nachhaltigkeits-Lüge: Label steigern das Einkommen der Bäuer*innen nicht

Beruhend auf den neuesten Erkenntnissen über Kakaolieferketten zeigt das Barometer, dass Entwicklungszusammenarbeits-Programme zur Produktivitätssteigerung und Diversifizierung langfristig wirkungslos bleiben. Stattdessen müssen echte Anstrengungen unternommen werden, um das Existenzminimum der Bäuer*innen durch höhere Preise zu sichern und ihnen so die finanziellen Möglichkeiten eröffnen, die Umwelt zu schützen. Auch Nachhaltigkeitssiegel wie UTZ/Rainforest und Fair Trade, die heute zwischen einem Drittel und der Hälfte der Kakaoproduktion zertifizieren, reduzieren das Armutsproblem in den meisten Fällen nicht. Stattdessen sind sie meist irreführend: Die Familien von Kakao-Bäuer*innen können in der Regel ihre Grundbedürfnisse nicht decken. Das gilt auch für Bäuer*innen, die für zertifizierte Projekte mit Nachhaltigkeits-Label arbeiten.

Trotz dieser Erkenntnisse betreiben die meisten Kakao-Einkäufer*innen ihr Geschäft immer weiter wie gewohnt. Sie unterstützen zwar Programme der Entwicklungszusammenarbeit, weigern sich jedoch, die Preise anzuheben und so existenzsichernde Löhne zu garantieren. „Produktivitätssteigerungen oder die Vergrößerung der Farmen werden allein nicht ausreichen, um die zahllosen Probleme in der globalen Kakaolieferkette zu lösen“, erklärt Antonie Fountain, Direktorin des VOICE Network. „Ein höherer Preis für Kakao ist unvermeidlich, wenn existenzsichernde Löhne gewährleistet werden sollen.“

Es braucht gesetzliche Verpflichtungen, damit Unternehmen höheren Preise zahlen

Das Barometer kommt zu dem Schluss, dass für ein existenzsicherndes Einkommen der Kakaobäuer*innen Maßnahmen an drei verschiedenen Fronten erforderlich sind: eine verantwortungsvolle Politik öffentlicher Stellen, eine faire Einkaufspraxis des Privatsektors und eine nachhaltige landwirtschaftliche Praxis der Bäuer*innen. In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich jedoch fast alle Bemühungen im Kakaosektor auf die Bäuer*innen selbst konzentriert. Die notwendigen Änderungen der Regierungspolitik und der Einkaufspraktiken, die für die Bekämpfung von Nachhaltigkeitsproblemen erforderlich sind, wurden von Politik und Unternehmen aktiv vermieden.

In diesem Zusammenhang sind die jüngsten Bemühungen der EU, Richtlinien zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht, wie die „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ (CSDDD) einzuführen, ein begrüßenswerter erster Schritt zur Schaffung einer transparenteren Lieferkette. Die Richtlinien zielen darauf ab, ökologische und soziale Schäden in globalen Lieferketten, einschließlich der Kakao-Branche, einzudämmen. Sie sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Unternehmen für ihre Einkaufspraktiken zur Rechenschaft gezogen werden / verantwortlich gemacht werden. Trotz dieser positiven politischen Entwicklungen drängt die Zeit: Unternehmen müssen schon jetzt handeln. Sie müssen höhere Preise zahlen.

Über das Kakao-Barometer

Das Kakao-Barometer wird alle zwei Jahre mit dem Ziel veröffentlicht, einen aktuellen, fairen und übersichtlichen Überblick über die Nachhaltigkeit im Kakaosektor zu geben. Mit dem Barometer betrachtet das VOICE Network, ein Zusammenschluss von über 20 Organisationen – in Deutschland vertreten durch die NGOs Südwind, INKOTA und Solidaridad – den Sektor als Ganzes, verbindet aber auch zusammengefasste und aufgeschlüsselte Unternehmens- und Länderdaten mit klaren Visualisierungen und einer Kontextualisierung von Herausforderungen, Verpflichtungen und Errungenschaften. Das Barometer wird von einem Konsortium zivilgesellschaftlicher Akteure aus der ganzen Welt veröffentlicht und vom VOICE-Netzwerk betreut.

"Das vollständige Barometer (engl.) und die komplette Liste (engl.) der Empfehlungen für Regierungen, Unternehmen und Bäuer*innen finden Sie hier."

06.12.2022 08:11
Weltweite Studie: Psychische Gewalt und Schikane am Arbeitsplatz stark verbreitet
Beleidigen, bedrohen oder anschreien: Verbale Gewalt am Arbeitsplatz sollten Betroffene offiziell melden, selbst bei kleinsten Vorfällen. Die Ergebnisse einer weltweit angelegten Befragung von drei Organisationen zur Ermittlung des Ausmaßes von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz sind ernüchternd. So erfuhren mehr als 22 Prozent der Befragten Gewalt oder Schikane am Arbeitsplatz.

Übergriffe und Belästigungen am Arbeitsplatz sind laut einer Studie weltweit stark verbreitet. Mehr als 22 Prozent von fast 75 000 befragten Angestellten und Arbeitnehmern in 121 Ländern hätten 2021 berichtet, mindestens einer Form von Gewalt oder Schikane ausgesetzt gewesen zu sein, hieß es in einem am Montag (Ortszeit) veröffentlichten Bericht der Internationale Arbeitsorganisation, der Stiftung des Risikomanagement-Dienstleisters Lloyds Register und des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Gallup. Es treffe vor allem junge Menschen, Migranten und Frauen.

Laut der Studie sagten ein Drittel der Betroffenen, dass sie mehr als eine Form von Übergriffen am Arbeitsplatz erlebt hätten. 6,3 Prozent gaben an, schon allen drei Formen ausgesetzt gewesen zu sein: also sowohl körperlicher und psychischer als auch sexueller Gewalt und Schikane.

Psychische Gewalt und Mobbing sei die häufigste Form der Übergriffe, von der sowohl Frauen als auch Männer berichtet hätten: 17,9 Prozent der Befragten hätten dies im Laufe ihres Beschäftigungsverhältnisses schon einmal erlebt, hieß es in der Studie. Rund 8,5 Prozent gaben an, körperlicher Gewalt und Belästigung auf der Arbeit ausgesetzt gewesen zu sein - wobei hier eher Männer als Frauen betroffen waren.

Diese Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Schikane am Arbeitsplatz

Rund 6,3 Prozent der Befragten berichteten von sexueller Gewalt und Belästigung, wobei der Anteil der Frauen höher war. Mehr als 60 Prozent der mutmaßlichen Opfer erklärten, dass sie diese Übergriffe mehrmals erlitten hätten. Die meisten Vorfälle hätten sich innerhalb der vergangenen fünf Jahre zugetragen, hieß es.

Zudem kam heraus, dass bei Menschen, die Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, einer Behinderung, ihrer Nationalität, Ethnie, Hautfarbe oder Religion erlebt hätten, die Wahrscheinlichkeit höher sei, auch Übergriffen oder Schikanen am Arbeitsplatz ausgesetzt zu sein, als bei jenen, die nicht auf diese Weise benachteiligt würden.

Statistiken zu Gewalt und Schikane am Arbeitsplatz sind selten

„Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt ist ein allgegenwärtiges und schädliches Phänomen mit tiefgreifenden und kostspieligen Folgen, die von schweren körperlichen und psychischen Konsequenzen für die Gesundheit sowie Verdienstausfällen und zerstörten Karrierewegen bis hin zu ökonomischen Einbußen für Arbeitsstätten und Gesellschaften reichen“, erklärten die drei an der Studie beteiligten Organisationen in ihrem 56 Seiten starken Bericht.

Statistiken zu Gewalt und Schikane am Arbeitsplatz seien rar. Aus diesem Grund habe sich die bei den UN angesiedelte Internationale Arbeitsorganisation mit der Stiftung von Lloyds Register und Gallup zusammengetan, um „die erste globale explorativ angelegte Studie“ vorzunehmen, um Erfahrungen von Menschen zu erfassen. Die Resultate würden den Weg für weitere Forschung ebnen, hieß es. Letztlich solle eine solidere Faktengrundlage zu einer effektiveren Gesetzgebung, Politik und Praxis führen, die Präventivmaßnahmen fördere, besondere Risikofaktoren und tieferliegende Ursachen angehe und sicherstelle, dass Opfer bei der Bewältigung der inakzeptablen Vorkommnisse nicht allein gelassen würden.

RND/AP

"Welche Unfairness am Arbeitsplatz gibt es und was ist dagegen zu tun?"
"Hilfe bei Unfairness mit dem Mobbingscout"

08.11.2022 10:36
Bürger misstrauen dem Umweltversprechen vieler Unternehmen wegen »Greenwashing«
Was ihr Engagement für die Umwelt betrifft, haben Unternehmen in Deutschland keinen guten Ruf. Laut einer Umfrage betrachtet eine Mehrheit deren Versprechen lediglich als Lippenbekenntnisse. Spiegel Online und Reuters berichten:

"Die Mehrheit der Deutschen glaubt, dass Unternehmen »Greenwashing« betreiben – also ihr Engagement für die Umwelt beschönigen. Dies geht aus Ergebnissen einer Umfrage der Datenplattform Dynata hervor, die der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag vorab vorlagen. Demnach stimmen 67 Prozent der tausend Befragten der Aussage zu, dass Unternehmen zwar sagten, dass sie sich um die Umwelt kümmern, aber ihre Taten hinter den Worten zurückblieben. Nur neun Prozent glauben, dass die Aussage falsch ist.

Die Deutschen achten den Umfrageergebnissen zufolge zugleich beim Einkauf verstärkt auf die Umwelt: »Nicht immer geht es, aber wenn es die Möglichkeit gibt, dann ziehen 57 Prozent der Deutschen es vor, Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen zu kaufen, die umweltbewusst sind«, teilte Dynata weiter mit.

Das Thema »Greenwashing« ist verstärkt in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt: Darunter wird in der Finanzwelt eine irreführende Vermarktung schmutziger Technologien als »grün« oder »nachhaltig« verstanden. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat Deutschlands größte Fondsgesellschaft DWS wegen »irreführender Werbung für angeblich nachhaltige Geldanlagen« verklagt. Die DWS wies die Kritik der Verbraucherzentrale zurück und betonte, das Unternehmen verwende große Sorgfalt auf die Erstellung von Werbematerialien.

ESG-Anlagen (»E« steht für Umweltschutz, »S« für Sozialstandards und »G« für gute Unternehmensführung) sind einer der Megatrends der Finanzbranche. Sowohl bei Großinvestoren als auch bei Privatanlegern gewinnen derartige Investments immer mehr an Bedeutung".

Zum Greenwashing etlicher bekannter Unternehmen und Markenprodukten erfahren Sie hier mehr: https://www.fairness-check.de/

mik/Reuters

24.10.2022 14:39
Krasse Unfairness durch Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf
Der Gesamtmetall-Präsident predigt Verzicht, macht Party und behandelt seine Mitarbeiter rüde

Er ist einer der wichtigsten Arbeitgeber-Vertreter unseres Landes – Recherchen von RTL und stern bringen Stefan Wolf allerdings in Bedrängnis!

Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall soll nicht nur seine private Haushälterin über Jahre schwarz beschäftigt haben – an der Steuer und den Sozialkassen vorbei. Die Mitarbeiterin arbeitete für Stefan Wolf, der auch Vizepräsident des Arbeitgeber-Verbandes ist, in Vollzeit, fünf Tage die Woche. Das bestätigten dem stern und RTL mehrere Personen aus Wolfs direktem Umfeld. Und es gibt noch mehr Vorwürfe.

Stefan Wolf soll in seinem Autozulieferer Unternehmen ElringKlinger auch Lohndumping betrieben haben, dessen Vorstandsvorsitzender er ist. Die Firma selbst schreibt über sich, sie sei "ein weltweit führender Systempartner der Automobilindustrie für Leichtbaulösungen, Elektromobilität, Dichtungs- und Abschirmtechnik, Werkzeugtechnologie sowie Engineering-Dienstleistungen."
Auch in seinem Unternehmen, dem Autozulieferer ElringKlinger, erheben Mitarbeiter schwere Vorwürfe gegen Wolf. Der Konzern habe an seinem Standort Langenzenn bei Nürnberg gering bezahlte Teilzeitkräfte in niedrigere Tariflohngruppen eingestuft, als es den Mitarbeitern zustand – Lohndumping im Unternehmen des Arbeitgeberpräsidenten Wolf. Der Betriebsrat stimmte dem zu, nach eigenen Aussagen in der Hoffnung, damit Jobs zu sichern.

Auch Bruch des Tarifvertrags? Betriebsrat: „Die haben uns über Jahre belogen, betrogen und verarscht.“

Weiterer Vorwurf: Im Jahr 2020 kündigte das Werk in Langenzenn Kurzarbeit an. Laut IG Metall hielt der Konzern dabei die vorgeschriebene dreiwöchige Ankündigungsfrist zur Kurzarbeit nicht ein und informierte die IG Metall nicht – laut der Gewerkschaft ein klarer Bruch des Tarifvertrags. ElringKlinger bestreitet den Vertragsbruch. Inzwischen kündigte ElringKlinger an, die Produktion in Langenzenn zu schließen, obwohl es profitabel ist. Rund 140 Mitarbeiter werden ihre Jobs verlieren. Betriebsrat Markus Pemsel sagt über Wolf und den Vorstand von ElringKlinger: „Die haben uns über Jahre belogen, betrogen und verarscht.“

Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf fordert von Arbeitnehmern Verzicht

Bei den laufenden Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie fordert Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf von den Arbeitnehmern Verzicht, um ihre Jobs zu sichern. Die Beschäftigten sollen auf Lohnerhöhungen, Weihnachtsgeld, Spätzuschläge und auch auf warme Büros und Wohnungen verzichten, damit Arbeitsplätze gesichert werden können. ElringKlinger-Betriebsrat rät den Verhandlern der IG Metall: „Wenn Wolf verspricht, dass er Arbeitsplätze retten will, dann tut euch einen Gefallen: Glaubt ihm kein Wort.“

Über sein Engagement bei ElringKlinger hinaus ist Dr. Wolf Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Er sitzt außerdem im Aufsichtsrat der Allgaier Werke GmbH, Uhingen. Obendrein ist der Rechtsanwalt noch Vorsitzender des Aufsichtsrats der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW).

Den Rechercheren von Stern und RTL, die die Erkenntnisse zusammentrugen, ließ Dr. Wolf bezüglich seiner privaten Haushälterin ausrichten über seine Anwältin lediglich ausrichten lassen, Fragen zu seinem Privatleben werde er nicht beantworten.
Er ruft seine Mitarbeitenden zu Verzicht auf, soll sich aber selbst nicht so genau an Regeln halten. Bei seiner Firma fühlt man sich derweil "belogen, betrogen und verarscht".

"Glaubt ihm kein Wort"

Bei den laufenden Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie fordert Gesamtmetall-Chef Wolf derweil von den Arbeitnehmern Verzicht, um ihre Jobs zu sichern. Die Beschäftigten sollen auf Lohnerhöhungen, Weihnachtsgeld, Spätzuschläge und auch auf warme Büros und Wohnungen verzichten, damit Arbeitsplätze gesichert werden können. Der ElringKlinger-Betriebsrat rät den Verhandlern der IG Metall: "Wenn Wolf verspricht, dass er Arbeitsplätze retten will, dann tut euch einen Gefallen: Glaubt ihm kein Wort."

(mit Material von Stern, RTL und ntv)

12.10.2022 14:21
dm mogelt mit Bewertungen - Sterne sind irreführend
Wie kommen Windeln, Cremes oder Zahnpasta an? Auch bei dm spielen Bewertungen von Kundinnen und Kunden eine wichtige Rolle. Doch ein einfacher Test zeigt: Das System der Drogeriemarktkette ist leicht zu manipulieren. Darüber berichtet Martin Rücker in der Frankfurter Rundschau am 7.10.22 auf S. 12:

"Nur ein Stern oder gleich fünf? Ein kurzer Text, ein paar Angaben zur Person, ein Klick – schon hat der Internetnutzer, nennen wir ihn Sascha, seine Produktbewertung abgeschickt. Für die Drogeriemarktkette dm sind solche Rückmeldungen offenbar ein wichtiges Instrument. Wer eine Bewertung veröffentlicht, darf bei einer folgenden Verlosung auf Einkaufsgutscheine über 100 Euro hoffen. Und auch in der App des Konzerns sind die Rezensionen von Kund:innen eingebunden: Wer damit in einer Filiale den Barcode eines Produkts scannt, sieht, wie zufrieden andere Kunden damit waren.

Doch stammen die Bewertungen überhaupt von „Kunden“ und „Kundinnen“? Schon das ist ungewiss. „Wir überprüfen nicht, ob die Bewertenden die Produkte tatsächlich gekauft und/oder genutzt haben“, schreibt dm dezent über der Gesamtbewertung eines jeden Artikels.

Drogeriemarktkette „dm“: Überprüfungen sind leicht zu umgehen

Sascha hat die Produkte, die er gerade bewertet, jedenfalls nie in den Fingern gehabt. Mit welchen Mechanismen kontrolliert dm, was echt ist und was Fake? Über die Details gibt das Unternehmen keine Auskunft. Auf Anfrage erklärt Geschäftsführer Sebastian Bayer nur: „Wir überprüfen die eingehenden Bewertungen zu Produkten auf unserer Webseite, ob diese verdächtige Merkmale enthalten. Damit diese Prüfungen nicht wissentlich umgangen werden, legen wir die Inhalte dieser Prüfungen allerdings nicht offen.“ Allzu tiefgründig können sie nicht sein – es bedarf jedenfalls keiner besonders ausgefeilten Tricks, um sie zu umgehen. Sascha gelingt es spielerisch, eine Reihe falscher Produktkritiken einzustellen.

Schickt er eine Bewertung ab, erhält er eine Nachricht an die angegebene E-Mail-Adresse. Darin fordert dm ihn auf, seine Bewertung zu „bestätigen“, in dem er auf einen Link klickt – ein gängiges Verfahren, um die E-Mail-Adresse zu validieren. Nur wer tatsächlich Zugriff auf das Postfach hat, erhält auch die Nachricht und kann seine Bewertung bestätigen.

Kundenbewertungen der Drogeriemarktkette „dm“: Technik mangelhaft

Theoretisch jedenfalls. Doch die Praxis bei dm ist eine andere. Sascha beschließt, erst einmal nicht auf die Nachricht von dm zu reagieren. Eine gute Stunde später erhält er dennoch eine weitere E-Mail, mit der ihn dm informiert, dass seine Bewertung nun veröffentlicht sei. Auch ohne Bestätigung. Die Nachrichten suggerieren damit eine Vertrauenswürdigkeit, die die Technik nicht hergibt.

Sascha schreibt eine neue Bewertung, und dieses Mal gibt er keine E-Mail-Adresse an, auf die er Zugriff hat, sondern eine Fantasieadresse mit der Endung eines verbreiteten E-Mail-Anbieters. Die Bestätigungsnachricht von dm landet also entweder im Nirwana oder bei einer fremden Person, der zufällig das ausgedachte Postfach gehört. Und nun? Rund eine halbe Stunde später ist auch diese Bewertung online.

Wie glaubwürdig die eingegebenen E-Mail-Adressen sind, prüft das System offenbar ebenfalls nicht oder nur oberflächlich. Bewertungen, die unter Angabe einer sogenannten „Wegwerf“-E-Mail-Adresse erstellt werden – eines Postfachs also, das sich nach zehn Minuten selbst zerstört –, gehen ebenfalls problemlos auf die Seite.

Fakes erkennen

Bei Online-Bewertungen ist eine gesunde Skepsis angebracht, wie etwa die Verbraucherzentrale Brandenburg und die Bundesregierung raten. Insbesondere in diesen Fällen:

- Es gibt sehr viele Rezensionen, obwohl das Produkt neu auf dem Markt ist.

- Die Kommentare sind lang und gespickt mit positiven Begriffen aus der Werbung.

- Wenn Konkurrenzprodukte aufdringlich empfohlen werden, gilt Vorsicht.

- Nehmen Sie sich Zeit : Schauen Sie auch nach den Bewertungen des begehrten Produkts auf anderen Portalen.

- Holen Sie sich Rat bei unabhängigen Instituten wie Stiftung Warentest.

Für Kund:innen seien Onlinebewertungen die „wichtigste Informationsquelle“ bei Kaufentscheidungen im Internet, vermeldete der Digitalverband Bitkom vor zwei Jahren auf Basis einer repräsentativen Umfrage. Mehr als jeder Zweite las sie demnach vor dem Onlinekauf. Je jünger, desto häufiger – bei den unter 30-Jährigen waren es sogar zwei Drittel. Und auch die Anbieter haben ein großes Interesse an der Meinung der Massen: Studien zeigen, dass Kundenbewertungen den Verkauf ankurbeln können.

Die Bedeutung dieses Instruments dürfte also eher noch zunehmen. Ein Trend, den Verbraucherschützer mit Skepsis beobachten. Auf Onlinebewertungen sei „kein Verlass“, heißt es beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) deutlich. Anfang des Jahres legte der eine Analyse von 141 Kundenbeschwerden im Zusammenhang mit Onlinebewertungen vor. Was dabei auffiel: Webshops lockten mit Gutscheinen für gute Bewertungen, sie löschten negative Rezensionen schneller als positive und in einzelnen Fällen drängten Unternehmen die Kund:innen sogar mit Anwaltsschreiben zur Rücknahme schlechter Kritiken. Sabrina Wagner, Digitalexpertin beim VZBV, warnt daher vor „ernsten Wettbewerbsverzerrungen“.

Irreführende Kundenbewertungen auf Internetseiten

„Besonders kritisch“ sieht sie es, wenn die Abgabe der Bewertung mit einer Gegenleistung verbunden ist. Dann entstehe zwangsläufig der psychologische Effekt „Wer mir etwas Gutes tut, dem will ich auch etwas Gutes tun“, die Bewertungen fielen also besser aus. Für Onlineshops empfiehlt Wagner zudem ein sogenanntes „geschlossenes Bewertungssystem“, in dem nur diejenigen ein Produkt bewerten können, die es zuvor auch dort gekauft haben. Das garantiere zwar keine 100-prozentige Sicherheit, sei aber zumindest „eine wirksame Maßnahme gegen Fake-Bewertungen“.

Dass solche Maßnahmen nötig sind, hängt aus Sicht von Verbraucherschützern auch mit Agenturen zusammen, die spezialisiert als Bewertungsvermittler arbeiten – mal mehr, mal weniger seriös. Produkttester hätten demnach von Fällen berichtet, in denen sie nach eigenen Angaben dazu genötigt wurden, nur positive Rezensionen zu hinterlassen. Teils für Produkte, die sie nie ausprobiert hatten.
„Fake“-Bewertungen sind leicht zu platzieren

Wie häufig solche Fälle sind, wie viele der „Sternchen“ auf beliebten Internetseiten echt sind, dafür fehlen valide Studien. Im vergangenen Jahr taten sich einmal zahlreiche Behörden europaweit zusammen und analysierten Internetseiten auf irreführende Kundenbewertungen hin, von Shops über Buchungsseiten bis zu Preisvergleichen. 223 Seiten testeten sie durch – bei „fast zwei Dritteln“ gab es immerhin „Zweifel an der Zuverlässigkeit der Bewertungen“. Tiefer schürfen konnten sie nicht".

09.09.2022 09:59
Tesla treibt Greenwashing und begeht vielfache Datenschutzverletzungen
Verbraucherzentralen klagen gegen den Elektro-Autobauer. Sie werfen dem Unternehmen Verstöße gegen den Datenschutz und irreführende Umweltwerbung vor, wie die Frankfurter Rundschau berichtet.

In der Eigenwerbung ist Tesla-Chef Elon Musk stets ein Weltverbesserer. Seine Kundschaft lobt er auf der Website des Unternehmens auch für ihr Umweltbewusstsein. Die Fahrer:innen der Elektroautos würden zur Einsparung von 8,4 Millionen Tonnen CO2 beitragen und so den Umstieg auf nachhaltige Energien befördern, erklärt das Unternehmen. Davon sind Käufer:innen der flotten E-Autos vermutlich auch überzeugt. Doch das klimafreundliche Image zeigt inzwischen Risse auf. So flog Tesla im Mai dieses Jahres etwa aus dem S&P Index für die 500 nachhaltigen Börsenunternehmen, was Gründer Musk erzürnte.

Inzwischen sind auch Verbraucherschutzorganisationen in Deutschland skeptisch geworden. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) klagt vor dem Berliner Landgericht sogar gegen das Unternehmen. Ein Vorwurf: Die Ökobilanz Teslas ist bei weitem nicht so toll, wie es in der Werbung dargestellt wird. Greenwashing lautet der Fachbegriff dafür. Der VZBV sieht in umweltbezogenen Aussagen wie „CO2-Emissionen 0 g /km“ oder Teslas Mission, „ein beschleunigter Übergang zu nachhaltiger Energie“, sei eine Irreführung der Kund:innen. Denn solche Aussagen würden eine beträchtliche emotionale Werbekraft haben. Das wäre in Ordnung, wenn die Behauptungen zuträfen.

Doch daran zweifelt der VZBV. „Die Realität sieht anders aus“, erklärt der Verband. Was Tesla-Autos an CO2 einsparen würden, dürften dafür andere Hersteller zusätzlich ausstoßen: „Und Tesla verdient daran.“ Denn das Unternehmen verkauft seine Emissionsrechte an Unternehmen, die mehr CO2 ausstoßen als sie kostenlos dürfen. 1,6 Milliarden Euro hat Tesla damit allein im Jahr 2020 verdient. Darüber informiert der Autobauer lediglich in seinem auf Englisch verfassten Umweltverträglichkeitsbericht. Nun wollen die Verbraucherschützer:innen gerichtlich durchsetzen, dass diese Fakten beim Bestellen eines Fahrzeugs deutlich gemacht werden.

Datenschutzverletzungen am laufenden Band

Darüber hinaus wirft der Verband dem US-Unternehmen einen zweifelhaften Umgang mit den hiesigen Datenschutzbestimmungen vor. Dabei geht es um den „Wächter-Modus“ der Fahrzeuge. Ist diese Funktion aktiviert, fangen im Auto installierte Kameras das Geschehen in der Umgebung des Fahrzeugs ein, also womöglich auch Menschen, die sich im Blickfeld der Kameras befinden. Das ist ohne eine Erlaubnis der Betroffenen nicht gestattet. „In bestimmten Fällen werden die Aufnahmen im Fahrzeug gespeichert“, stellt der VZBV fest. Eine rechtskonforme Nutzung der Funktion sei in Deutschland nicht möglich. Mit der Klage will der Verband erreichen, dass die Kund:innen transparent über den Wächter-Modus und seine Haken informiert werden.


Wann die beiden Fälle verhandelt werden, ist noch offen. Tesla hat laut VZBV angekündigt, die Klage zu erwidern. Das Unternehmen selbst hat sich auf eine Anfrage dazu bislang nicht geäußert. Dagegen begrüßt der zuständige Berliner Datenschutzbeauftragte die Klage. „Der Wächter-Modus kann nach unserer Ansicht in der derzeitigen Form grundsätzlich innerhalb der geltenden Datenschutzbestimmungen nicht rechtmäßig betrieben werden“, erläutert ein Sprecher, „soweit die Fahrzeuge im öffentlichen Raum abgestellt sind und

"Über Tesla in der Frankfurter Rundschau"

18.07.2022 14:14
104 Länder zahlen fairere Löhne als Deutschland
Es wird noch 132 Jahre dauern, bis Frauen und Männer die gleichen Gehälter, Chancen und Rechte haben werden, rechnet das Weltwirtschaftsforum vor. Deutschland schneidet vor allem in einer Kategorie besonders schlecht ab. Dazu schreiben ManagerMagazin und Spiegel-Online am 13.7.22:

Der langjährige Trend zu mehr Gleichberechtigung der Geschlechter ist durch die Pandemie ins Stocken geraten. Covid-19 hat die Gleichstellung der Geschlechter um eine Generation zurückgeworfen. Das ist das bittere Fazit des Weltwirtschaftsforums (WEF). 132 Jahre wird es noch dauern, bis Frauen und Männer weltweit die gleichen Chancen, Gehälter und Rechte haben werden, rechnet das WEF in seinem »Global Gender Gap Report« vor.
Der Bericht wird seit 2006 jährlich veröffentlicht, untersucht wird dafür in 146 Ländern, wie es um die Chancen von Frauen und Männern steht im Hinblick auf Gesundheit, Bildung, ökonomische Teilhabe und politische Mitwirkung. Das Ergebnis: Die Coronapandemie hat Frauen weltweit in traditionelle Rollenmuster zurückgedrängt.

Kochen, putzen, Kinder betreuen – die sogenannte Care-Arbeit wurde auch schon vor Corona hauptsächlich von Frauen erledigt. Während der Pandemie waren weltweit Kindergärten und Schulen geschlossen, die Zusatzbelastung blieb vor allem an den Frauen hängen.

Für beide das Gleiche ist eben nicht gerecht

»Die Fortschritte bei der Überwindung der globalen Geschlechterkluft sind zu langsam, um die während der Pandemie aufgelaufenen Verluste wieder aufzuholen«, heißt es in der Studie. Die Geschlechterparität in der Erwerbsbevölkerung ist nun auf dem niedrigsten Stand, der jemals ermittelt wurde. Die Autoren fürchten deshalb, dass Frauen unter den weltweit steigenden Lebenshaltungskosten besonders leiden werden.

Gezielte Maßnahmen, die Frauen dabei unterstützen, zurück ins Berufsleben zu finden und die Förderung von weiblichen Talenten in Zukunftsbranchen seien nun weltweit gefragt, sagt WEF-Geschäftsführerin Saadia Zahidi: »Andernfalls riskieren wir, die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte dauerhaft zu untergraben.«

Wirtschaftliche Teilhabe in Deutschland auf Stand von 2009

Deutschland schafft es im diesjährigen Ranking auf Platz 10, mit dem besten jemals im Ranking erzielten Wert. Aber: In der Kategorie »Wirtschaftliche Teilhabe und Chancen« büßte Deutschland bei allen Indikatoren Punkte ein und liegt nun wieder auf dem Stand von 2009. Untersucht wird hier zum Beispiel, ob gleiche Arbeit bei Männern und Frauen gleich bezahlt wird – und in diesem Punkt schneidet Deutschland besonders schlecht ab. Im weltweiten Vergleich reicht es nur für Platz 105.

Am besten schneidet Deutschland in der Kategorie »Politische Teilhabe« ab, dort gab es auch die größten Verbesserungen seit 2006. Bewertet wird hier unter anderem der Frauenanteil im Deutschen Bundestag und die Anzahl der Ministerinnen.

In der Kategorie »Bildung« attestieren die Autoren der Bundesrepublik, die Gerechtigkeitslücke zu fast 98 Prozent geschlossen zu haben. Zahlreiche andere Staaten kommen hier allerdings auf noch bessere Werte, sodass Deutschland in diesem Feld nur auf Platz 81 des Rankings landet.

In der Kategorie »Gesundheit und Überleben« wird etwa die Lebenserwartung gewertet. Hier gab es in den letzten Jahren in Deutschland kaum Veränderungen. Zu 97 Prozent besteht hier Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern.
Vorbild Island

Auf Platz eins des weltweiten Rankings steht seit Jahren unangefochten Island, das die Lücke zwischen Männern und Frauen mittlerweile zu mehr als 90 Prozent schließen konnte. Danach folgen Finnland, Norwegen und Neuseeland. Vor Deutschland liegen noch Schweden, Ruanda, Nicaragua, Namibia und Irland.

Regional betrachtet ist Nordamerika Vorreiter. Dort wird es noch 59 Jahre dauern, bis Frauen und Männer nach den WEF-Kategorien wirklich gleichberechtigt sind. Auf Platz zwei folgt Europa mit 60 Jahren bis zur Chancengleichheit. Schlusslicht ist Südasien. Dort wird es noch fast 200 Jahre dauern, bis Frauen zu Männern aufschließen können.

08.07.2022 12:36
Wenig Verantwortung in der Lederwaren- & Schuhbranche
Eine gründliche Unternehmensbefragung bestätigt: Die Lederwaren- und Schuhbranche kennt die Risiken ihrer Lieferkette nicht. Und ignoriert sie. Wissentlich?

Bei der Herstellung von Lederwaren, Handtaschen und Schuhen sind die Arbeiter*innen hohen Risiken ausgesetzt. Oft verdienen sie nur einen Hungerlohn und riskieren ihre Gesundheit durch ungeschützten Kontakt zu gefährlichen Chemikalien. Zudem wird die Umwelt häufig dramatisch geschädigt. Berndt Hinzmann (Referent für „Wirtschaft, Menschenrechte, Lieferkette Textilien und Leder“ bei Inkota, berichtete am 24.6.22:

"INKOTA hat gemeinsam mit Südwind Österreich Unternehmen von Görtz über Wortmann bis Zalando zur Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten befragt. Fünf von zehn Unternehmen verweigerten die Auskunft. Dazu zählt auch Wortmann mit der Marke Tamaris.
Maßnahmen zur Beseitigung von Missständen: unzureichend

Zalando, About You, Otto, Görtz und Legero wissen viel zu wenig über die Risiken und Missstände in der globalen Lieferkette von Lederwaren. Das ist das Ergebnis der Befragung. Die bisher ergriffenen Maßnahmen der Einzel- und Onlinehändler zur Beseitigung von Missständen sind unzureichend. Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten, wie sie das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz und auch das geplante EU-Lieferkettengesetz erfordern, ist nicht etabliert und die Nachweise reichen nicht aus.

Unternehmensbefragung: Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in der Praxis

Die Studie verdeutlicht: In der Produktgruppe Lederwaren werden Sorgfaltspflichten noch weniger ernst genommen als bei Bekleidung und Textilien. Dabei ist die Produktion von Lederwaren in Ländern wie Indien, Bangladesch und Pakistan hoch riskant. Die Arbeitsbedingungen sind geprägt von der Missachtung von Arbeitsrechten, einem verantwortungslosen Umgang mit Chemikalien und extrem niedrigen Löhnen.

Unternehmen müssen Verantwortung für Menschenrechte übernehmen

Die Arbeitsbedingungen für Arbeiter*innen in der Leder- und Schuhproduktion müssen sich unbedingt verbessern! Der Schlüssel dazu ist Transparenz. Nur wer die Risiken in seiner Lieferkette kennt, kann wirksame Maßnahmen ergreifen. Sorgfaltspflichten müssen von Unternehmen ambitioniert umgesetzt werden - Gewinne dürfen nicht länger auf Kosten von Menschen und der Umwelt gemacht werden. Es ist höchste Zeit, dass Unternehmen, die Schuh oder Lederwaren verkaufen, ihrer Verantwortung gerecht werden. Die Rechte der Menschen, die für sie arbeiten, müssen respektiert und die Umwelt geschützt werden – und Unternehmen müssen öffentlich darüber berichten, wie sie dies sicherstellen. Die Unternehmensbefragung zeigt: Dieser Verantwortung kommen Unternehmen bisher nicht ausreichend nach!

Tamaris/Wortmann verweigert Auskunft – Wir fragen weiter nach: Fair produziert?

Das Unternehmen Wortmann mit der europaweit bekannten Marke Tamaris hält bisher geheim, unter welchen Umständen die beliebten Markenschuhe produziert werden. Trotz ambitioniert klingender Bekenntnisse zum Thema Nachhaltigkeit, schweigt Tamaris/Wortmann darüber, wie das Unternehmen dafür sorgt, dass Arbeiter*innen zu ihren Rechten kommen. Das muss sich ändern!

Der Branchenriese Tamaris muss öffentlich und transparent berichten, wie die Risiken in der gesamten Lieferkette abgestellt werden. Deshalb starten wir die Aktion „Frag nach: Fair produziert?“ und haken bei Tamaris nach, wo und unter welchen Bedingungen Tamaris‘ Schuhe hergestellt werden.

Die Befragung samt Ergebnis kann hier heruntergeladen werden:
"Bericht zur Lederwaren- und Schuhbranche zu den sozialen und ökologischen Risiken"

23.06.2022 14:07
Coca Cola: Milliardengewinne und Menschenrechtsverletzungen
Aktivistinnen und Aktivisten berichten bei einer Diskussion in Frankfurt über die Verletzung von Menschenrechten bei Coca-Cola und weltweiten Partnerfirmen. Die Gewerkschaftsleute fordern mehr internationale Solidarität für ihren Kampf um menschenwürdige Arbeitsbedingungen.

Claus-Jürgen Göpfert berichtet für die Frankfurter Rundschau am 22.6.22: "Manchmal scheint das Publikum den Atem anzuhalten, so still ist es im Saal. Gebannt hören die Menschen die Berichte von Gewerkschaftern, die in Südostasien um die Rechte von Beschäftigten des Weltkonzerns Coca-Cola kämpfen. In Bangladesch wird der Gewerkschaftsvorsitzende von einem Schlägertrupp aus einem Bus geholt und verprügelt. In Indonesien entlässt das Unternehmen unabhängige Gewerkschafter, auf den Philippinen nimmt die Polizei Streikposten fest und wirft sie ins Gefängnis.

Drei Stunden lang bilanzieren Aktivist:innen im Haus am Dom in Frankfurt am Main den „Fall Coca-Cola“ unter dem Titel „Zero Rights? Menschenrechtsverletzungen und transnationale Unternehmen“. Am Ende ist klar, so Susanne Uhl, Leiterin des Hauptstadtbüros der Gewerkschaft NGG: Es werden „grundlegende Menschenrechte nicht eingehalten“.

Lange haben der DGB, die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die Rosa-Luxemburg-Gesellschaft die ungewöhnliche Konferenz vorbereitet. Der Soziologe Klaus Dörre von der Universität Jena nimmt Zusammenkünfte wie diese als „Zeichen der Hoffnung, dass der Funke des Internationalismus noch immer vorhanden ist, an dem sich große Bewegungen für eine Demokratisierung der Arbeitswelt entzünden können.“
Coca-Cola: Recht auf Tarifvertrag bestritten

Dörre bilanziert die Macht internationaler Konzerne. Nur 147 von ihnen kontrollierten 40 Prozent der globalen Unternehmensnetzwerke. Coca-Cola ergreife die Chance, Extraprofite zu generieren, „indem sie ungestraft Menschenrechte verletzen (…) und Gewerkschafter einschüchtern“. Häufig schmälere die Konkurrenz unter Gewerkschaften deren Durchsetzungsfähigkeit. Gegen die Macht von Konzernen wie Coca-Cola fordert der Wissenschaftler einen „neuen Internationalismus“, dessen Mitglieder sich einig sein müssten.

Während sich die Gewerkschafter aus Südostasien per Videokonferenz zuschalten, berichten Betriebsräte aus Europa auf dem Podium über die Lage in ihren Coca-Cola-Filialen. Die Französin Valerie Top, Mitglied im europäischen Betriebsrat, beklagt eine sehr hohe Arbeitsbelastung, viele Fälle von Burnout und immer mehr Leiharbeit. Enrico Somaglia vom europäischen Gewerkschaftsverband EFFAT verweist auf den langen Kampf im wichtigen Werk im irischen Ballina, wo der Cola-Sirup für ganz Europa entsteht. Dort habe der Konzern das Recht auf einen Tarifvertrag bestritten.

Johan Botella, Chef des Gesamtbetriebsrates in Deutschland, fordert, dass der „Atlanta-Prozess“ wieder aufgenommen wird. 2019 hatte Coca-Cola, nachdem es mit Morden an Aktivist:innen in Kolumbien in Verbindung gebracht worden war, regelmäßig Gewerkschafter:innen zu Gesprächen in die Konzern-Zentrale in Atlanta (USA) eingeladen. „Damals standen sie mit dem Rücken zur Wand.“ Doch diese Praxis wurde abgebrochen, nachdem aufseiten des Konzerns ein wichtiger Manager in Ruhestand gegangen war. (...)".

"Der umfassende Bericht in der FR"

"Die Veranstaltung im Video"

28.04.2022 14:59
Der Klima-Fußabdruck der Modebranche: Da ist Handlungsbedarf!!!
Erstmals untersuchte eine Studie die ökologischen Auswirkungen der deutschen Modebranche. Den Großteil der Emissionen verursachen die Unternehmen im Ausland, berichtete Louis Leible-Hammerer für die Frankfurter Rundschau:

„Die deutsche Modewirtschaft kann sich mit der Slowakei messen lassen, was den Ausstoß von Treibhausgasen angeht. 38 Millionen Tonnen an Emissionen verursachte sie im Jahr 2019 – nur unwesentlich mehr als das ostmitteleuropäische Land mit seinen 42 Millionen Tonnen. Zu diesem Ergebnis kommt das Fashion Council Germany (FCG), eine Interessenvertretung für Mode „designed in Germany“, so das Selbstverständnis der Organisation. In einer groß angelegten Studie mit dem Titel „German Fashion Footprint“ hat das FCG erstmals eine Datenbasis zu den ökologischen Auswirkungen der heimischen Bekleidungsbranche geschaffen. Eine zentrale Erkenntnis konstatiert Geschäftsführer Scott Lipinski: „Handlungsbedarf – mit drei Ausrufezeichen“.

Im vergangenen Jahr hatte das FCG bereits eine Analyse der Chancen und Risiken, Stärken und Schwächen der deutschen Modeindustrie veröffentlicht. „In diesem Zuge haben wir festgestellt, dass es an Transparenz entlang der Wertschöpfungskette fehlt und Daten als Diskussionsgrundlage mangeln“, erläutert Scott Lipinski. Und so entschied man, eine weitere Studie in Auftrag zu geben, dieses Mal über Umweltaspekte.

Modebranche: Der Strombedarf im Referenzjahr ist höher als der der Niederlande

Um Verzerrungen durch die Corona-Pandemie zu vermeiden, fiel die Wahl auf das Bezugsjahr 2019. Fünf Umweltdimensionen beleuchtet die Erhebung: Ausstoß von Treibhausgasen, Energieverbrauch, Luftverschmutzung, Wasserverbrauch und die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen. Dabei betrachtet der Bericht sowohl die Tätigkeit von Modemarken und Einzelhandel in Deutschland als auch deren Einkäufe in der weltweiten Lieferkette und Ware, die für den Verkauf in Deutschland importiert wurde.

Durchgeführt hat die Untersuchung die Analysefirma Oxford Economics, beauftragt vom FCG. Das Beratungsunternehmen Studio MM04 hat den Prozess konzeptionell begleitet, finanziell ermöglicht wurde die Studie von der deutschen Bundesregierung.


Einige Zahlen: 535 000 Terajoule an Energie hat der deutsche Modesektor 2019 verbraucht, 410 000 Tonnen Kohlenstoffmonoxid (CO) ausgestoßen, 25 000 Quadratkilometer Agrarflächen für Rohstoffe beansprucht. Der Strombedarf im Referenzjahr ist damit höher als der der Niederlande (510 000 Terajoule), das global freigesetzte Kohlenstoffmonoxid der deutschen Modewirtschaft macht 13 Prozent sämtlicher CO-Emissionen in Deutschland aus – beträchtliche Werte. Ein weiterer plastischer Vergleich: Das für die Herstellung von Schuhen und Bekleidung in Anspruch genommene Land ist nicht viel kleiner als die gesamte Fläche Belgiens.

Für Anne Neumann, Referentin für Wirtschaft und Menschenrechte, Textil und Leder bei der entwicklungspolitischen Organisation Inkota, ist die Existenz der Studie ein gutes Zeichen: „Es ist schon eine Errungenschaft, dass ein Lobbyverband solch einen Report herausgibt und sich mit dem globalen Wirken seiner Branche auseinandersetzt.“ Auch methodisch sei er durchdacht. Unglücklich ist aus ihrer Sicht jedoch, dass einzig Umweltaspekte systematisch in Augenschein genommen werden. „Soziale Belange und Menschenrechte spielen in dem Bericht kaum eine Rolle, das ist eine vertane Chance.“

Modebranche: Arbeit unter „miserablen Bedingungen“

Genau diese sozialen Belange sind aber entscheidend. Besonders eklatant ist das Bild bei der Treibhausgasbilanz. Blickt man auf die Zahlen, fällt auf, wie ungleich die Emissionen weltweit verteilt sind. Nur knapp acht Millionen Tonnen CO2-äquivalente Emissionen hat die Modebranche in Deutschland verursacht. Über 30 Millionen Tonnen hingegen wurden durch Einkäufe und Offshore-Produktion im Ausland ausgestoßen. Produziert wird also für den deutschen Markt, mit den negativen Auswirkungen – verschmutzter Umwelt, beeinträchtigter Gesundheit und Lebensqualität – haben aber mehrheitlich Menschen zu kämpfen, die in Ländern des Globalen Südens wie China, Bangladesch und Indien leben. „Eine doppelte Ungerechtigkeit“, bezeichnet Anne Neumann von Inkota diese Praxis: „Die Arbeiter:innen sind von oftmals miserablen Arbeitsbedingungen betroffen, und zusätzlich können sie in ihrer prekären Lage auch keine Resilienz gegenüber Schäden aufbauen.“

Die Herstellung nach Deutschland zurückzuverlagern, kann aber nicht die Lösung sein, hängen doch Arbeitsplätze und damit Existenzen an der Produktion im Ausland. Reshoring, so der Fachausdruck, gehe mit einer sozialen Verantwortung einher, betont Scott Lipinski: „Es ist eine Gratwanderung.“ Die Menschenrechtsexpertin Anne Neumann geht noch weiter: „Reshoring ist sehr kritisch zu sehen. Helfen würden würdigere Arbeitsbedingungen vor Ort. Zum Beispiel, indem Gewerkschaften gestärkt werden und Beschwerdesysteme geschaffen werden, die Arbeiter:innen ermächtigen, Verstöße selbst zu melden.“ Auch Lipinski fordert „mehr Fairness in der Herstellung“ – und ist zuversichtlich: „Heute herrscht in der Branche ein anderes Verständnis von Nachhaltigkeit als noch vor zehn Jahren.“

Modebranche: Bald auch eine Studie zu Sozialstandards?

Wie soll es nun weitergehen? Das FCG will die Entwicklung neuer Ideen und Konzepte für mehr Umweltschutz fördern, indem es Gespräche, Konferenzen und Workshops mit allen relevanten Interessengruppen organisiert.

Wenn es nach Scott Lipinski geht, ist der „German Fashion Footprint“ nur der Anfang – eine erste Grundlage, um weitere Statistiken zu erheben und zu überprüfen, wie sich das Umweltverhalten der deutschen Modebranche über Zeit verändert. Und ein Ausgangspunkt, um künftig auch die Einhaltung von Sozialstandards unter die Lupe zu nehmen – das sei jedenfalls das Ziel“.

Erläuterung
Der LOBBYVERBAND: Den Modestandort Deutschland im globalen Wettbewerb stärken – das ist das erklärte Ziel des Fashion Council Germany (FCG). Vor Augen hat es eine „visionäre, technologische & nachhaltige Zukunft“ der Branche.

Die Organisation engagiert sich für deutsches Modedesign als Kultur- und Wirtschaftsgut, fördert junge Designerinnen und Designer aus der Bundesrepublik und leistet Lobbyarbeit in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur. Interdisziplinäre Dialogförderung gehört ebenso zu den Aufgaben des FCG wie Netzwerken.

Annähernd 200 Fashionunternehmen, Einzelhändler und auch Verlagshäuser und Agenturen sind in dem Verein organisiert, darunter kleinere Labels, aber auch große und bekannte Konzerne wie H&M, Otto oder Hubert Burda Media.

12.04.2022 14:23
Edeka nutzt Ferrero-Rückruf für eigene Schokolade – und kassiert Kritik
Denn viele Kunden finden das „geschmacklos“. Der große Rückruf vieler beliebter Ferrero-Produkte sorgt aktuell in Supermärkten für überraschend leere Süßigkeitenregale. Salmonellen-Gefahr in mehreren „Kinder“-Produkten des Süßwarenherstellers Ferrero, die in einem Werk in Arlon in Belgien produziert wurden, sind der Grund dafür.

Auch wenn Kinderriegel und Kinderschokolade vom Ferrero-Rückruf nicht betroffen sind, hat es gerade vor Ostern mit Überraschungseiern und Schokobons einige sehr beliebte Produkte erwischt. Mehr als 20 Artikel hat Ferrero daher unter anderem bei Rewe, Kaufland, Aldi und vielen anderen deutschen Supermärkten zurückgerufen. Auch Edeka und die Edeka-Tochter Netto sind von dem Ferrero-Rückruf betroffen. Trotzdem nutzt die Supermarktkette nun den Ferrero-Rückruf, um Werbung in eigener Sache zu machen. Edeka sorgt damit für einen Social-Media-Hit, muss aber auch Kritik einstecken.
Edeka macht sich über Ferrero lustig – „garantiert ohne Überraschung“

Denn während Überraschungseier, Schokobons und noch einige andere Ferrero-Produkte jetzt aus den Regalen verschwunden sind, wirbt Edeka gleichzeitig für die ähnlichen Produkte ihrer Eigenmarke „Gut & Günstig“. Am Samstag (9. April) postete der Supermarkt auf seiner Facebookseite ein Bild der Schokoladen-Bonbons von „Gut & Günstig“, quasi das Eigenmarken-Pendant zu den „Kinder“-Schokobons von Ferrero.

Über dem Bild steht der Schriftzug: „Garantiert ohne Überraschung“. Damit spielt Edeka gezielt auf die Salmonellen-Gefahr in der aktuellen Charge der Ferrero-Produkte, wie „Kinder Überraschung“ an. „Unsere Schokolade ist bedenkenlos lecker und wunderbar günstig“, heißt es zusätzlich im Posting.
Edeka-Werbung nach Ferrero-Rückruf – Kunden finden das „geschmacklos“

Mit inzwischen mehr als 3500 Likes und über 500 Kommentaren hat das Posting auf jeden Fall für Aufsehen gesorgt. „Genial“, loben mehrere Userinnen und User den Werbe-Coup von Edeka. Durchweg positiv ist das Feedback aber bei weitem nicht. „So etwas kann immer mal passieren! Aber darauf jetzt so einen Werbeslogan setzen, geht gar nicht“, kritisiert eine Userin. Andere Nutzer sehen die Aktion ebenfalls kritisch, nennen die Werbung sogar „geschmacklos“. Ein User schreibt: „Ihr tut ja so, als ob bei euch noch nichts zurückgerufen wurde.“

Auch der Discounter Netto, eine Edeka-Tochter, schlägt in die gleiche Kerbe. Netto nutzt seit Samstag ebenfalls aktiv den Ferrero-Skandal, um Schoko-Produkte der Eigenmarke, speziell für Ostern, zu bewerben. Mit dem Slogan „Ohne böse Überraschung, Kinder!“, wirbt Netto unter anderem für Schoko-Osterhasen und gefüllte Schokoeier.
Ferrero-Rückruf: Viele beliebte „Kinder“-Produkte betroffen

Der Ferrero-Skandal hat in den vergangenen Tagen derweil immer größere Ausmaße angenommen. Inzwischen wurde das betroffene Werk in Belgien geschlossen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Es wurde bekannt, dass der erste Salmonellen-Fund bereits am 15. Dezember 2021 gemacht wurde. Dass Ferrero erst rund vier Monate später an die Öffentlichkeit ging, sorgte für heftige Kritik von Verbraucherzentralen. Der Rückruf von Ferrero-Produkten wurde in den letzten Tagen sogar ausgeweitet. Inzwischen sind mehr als 20 Artikel betroffen.

05.04.2022 15:21
Schlusslicht Edeka - Nichts übrig für Menschenrechte
Ausbeutung ist für die deutschen Lebensmittelhändler nach wie vor ein Geschäftsmodell - zu diesem Ergebnis kommt der Supermarkt-Check 2022 der Entwicklungsorganisation Oxfam. Lidl, Aldi und Rewe haben sich in ihrem Engagement für Menschenrechte zwar verbessert. Bitter aber ist der Befund für Edeka. Die Frankfurter Rundschau berichtet heute darüber:

"Edeka bleibt das Schlusslicht unter den deutschen Handelsketten - jedenfalls in Sachen Menschenrechte. Das zumindest attestiert der Supermarkt-Check 2022 der Entwicklungsorganisation Oxfam dem Lebensmittelhändler, dessen Name Edeka ursprünglich für „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler“ stand. „Edeka nimmt die Ausbeutung in seiner Lieferkette weiter in Kauf“, lautet das Fazit der aktuellen Oxfam-Studie.

Rewe, Lidl sowie Aldi Nord und Süd hingegen haben in ihrer Menschenrechtspraxis deutliche Fortschritte gemacht, liegen damit nun sogar im internationalen Vergleich mit Unternehmen aus Großbritannien und den Niederlanden auf den vorderen Rängen. Als Oxfam 2018 den ersten Check präsentierte, zählten die deutschen Händler noch zu den Schlusslichtern.

Seither analysiert Oxfam jährlich die Menschenrechtspolitik der Lebensmittelketten, bewertet Transparenz, die Achtung der Rechte der Arbeitnehmer:innen von Lieferanten, die Handelsbeziehungen mit Kleinproduzent:innen und die Geschlechtergerechtigkeit. Basis sind die Nachhaltigkeitsberichte und die Websites der Supermärkte.

Seit dem ersten Check 2018 hat Lidl sich dabei von fünf auf 59 Prozent der möglichen Punkte gesteigert, Aldi legte von ein auf 49 Prozent zu, Rewe schaffte einen Sprung von ein auf 48 Prozent. Die zusätzlichen Punkte erzielten die Handelsketten laut Oxfam vor allem durch Fortschritte bei der Transparenz. So legt Lidl mittlerweile alle Lieferanten für Bananen, Erdbeeren und Tee offen. Aldi, Rewe und Lidl veröffentlichten zudem neue Leitlinien zur Geschlechtergerechtigkeit.

Darüber hinaus engagieren sich die drei Unternehmen in Pilotprojekten für existenzsichernde Löhne. Konkret geht es um den Bananenanbau in Ecuador. Die Supermärkte verpflichten sich dabei, Kosten, die durch höhere Löhne entstehen, selbst zu übernehmen und nicht auf ihre Lieferanten abzuwälzen.

Dennoch gibt es laut Oxfam in der Preispolitik auf breiter Front zu wenig Bewegung. „Die Supermärkte üben weiterhin Preisdruck auf ihre Lieferanten aus und tragen somit zu niedrigen Löhnen in den Lieferketten bei“, so das Urteil der NGO. Dabei hätten die Märkte in der Pandemie Rekordumsätze verbucht. „Geld für eine andere Preispolitik ist genug da, doch am grundsätzlichen Geschäftsmodell der Supermärkte hat sich nichts geändert, es steht weiterhin für Ausbeutung“, sagt Tim Zahn, Oxfam-Experte für Wirtschaft und Menschenrechte.

Am deutlichsten wird das am Beispiel von Edeka, das nur elf Prozent der möglichen Punkte erreicht und sich laut Oxfam weiter hin weigert, ernsthaft Verantwortung für die Lieferkette zu übernehmen. „Für einen ganzen Tag Arbeit erhalten Beschäftigte in Costa Rica bei einem Ananas-Zulieferer von Edeka beispielsweise nur 4,50 Euro – ein Lohn weit unter dem Existenzminimum“, sagt Zahn.

Edeka erklärte auf FR-Anfrage, der Schutz von Arbeits- und Menschenrechten in den Lieferketten habe für das Unternehmen eine „sehr hohe Priorität“. Die von Oxfam erhobenen Vorwürfe weise Edeka entschieden zurück. Vor einer detaillierten Stellungnahme wolle man die Ergebnisse des Checks zunächst aber gründlich prüfen.

Für Oxfam zeigt das Beispiel von Edeka, dass freiwilliges Engagement nicht genüge. Die Bundesregierung müsse deshalb das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz ambitioniert umsetzen und dafür sorgen, dass ein künftiges EU-weites Lieferkettengesetz die Lücken in der deutschen Regulierung schließe, fordert die NGO".

"Der Supermarkt-Check 2022"

17.03.2022 12:09
Aus dem Textilbündnis nach 7 Jahren ausgetreten: Die Kampage für Saubere Kleidung
Nach mehr als sieben Jahren der Mitgliedschaft im Bündnis für nachhaltige Textilien (Textilbündnis) hat die Kampagne für Saubere Kleidung Deutschland e.V. (Clean Clothes Campaign Germany) gestern ihren Austritt erklärt. Die ernüchternde Bilanz: Das Bündnis kann keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den globalen Bekleidungslieferketten nachweisen. Genau mit diesem Versprechen war das Textilbündnis 2014 angetreten. Die Kampagne für Saubere Kleidung sieht daher keine Rechtfertigung mehr, das Bündnis durch ihre Mitgliedschaft weiter zu legitimieren.

Keine Wirkung beim Kernthema existenzsichernder Löhne

Besonders beim Kernthema der Kampagne, den viel zu niedrigen Löhnen, verweigerte sich der Großteil der Mitgliedsunternehmen jeglichem Engagement. Die Kampagne für Saubere Kleidung fordert von den Marken- und Einzelhandelsunternehmen andere Einkaufspraktiken: Sie sollen ihren Lieferanten höhere Preise zahlen, um existenzsichernde Löhne für die Beschäftigten in ihren globalen Lieferketten sicherzustellen. Das Textilbündnis widmet sich seit Jahren diesem Thema – ohne messbare Ergebnisse.

So konnte eine im Bündnis durchgeführte Wirkungsmessung zu diesem Thema keine aussagekräftigen Ergebnisse liefern, da sich nicht genügend Mitgliedsunternehmen beteiligten. Zudem belegen Recherchen der internationalen Clean Clothes Campaign, dass in der COVID-19-Pandemie Arbeiter*innen, die für Mitgliedsunternehmen, wie beispielsweise Adidas, produzieren, Lohnzahlungen vorenthalten wurden und sie ausstehende Abfindungen nicht erhielten (1).

Es fehlt die notwendige Verbindlichkeit im Textilbündnis. An einer Bündnis-Initiative zu Löhnen beteiligten sich nur 13 von 70 Mitgliedsunternehmen. Aldi Nord verließ die Initiative kurz nach dem Start, als sich erste Anforderungen für das Unternehmen ergaben. Dies blieb völlig folgenlos, obwohl Aldi Nord vorher schriftlich eine Vereinbarung eingegangen war. „Löhne, von denen Arbeitende sich und ihre Familien ernähren können, sind ein Menschenrecht, das weltweit gilt. Doch zu viele Mitgliedsunternehmen nutzen jede erdenkliche Ausrede, um sich aus der Verantwortung zu stehlen“, sagt Waltraud Waidelich, Vorstandsmitglied der Kampagne für Saubere Kleidung Deutschland.

Unternehmensverbände bremsen

Obwohl es an Verbindlichkeit mangelt und kaum vorzeigbare Fortschritte erkennbar sind, drängen die beteiligten Unternehmensverbände jetzt darauf, die Anforderungen für eine Mitgliedschaft noch weiter zu verwässern. So fordern sie, den für alle Mitgliedsunternehmen regelmäßig stattfindenden Überprüfungsprozess nur noch freiwillig durchführen zu lassen. Schon jetzt fehlt dem Bündnis die Autorität, diese Mitgliedspflicht bei großen Unternehmen durchzusetzen. „Seit einem Jahr verschleppen mehrere große Unternehmen im Textilbündnis, wie etwa H&M, diesen Prozess und entziehen sich damit selbst ihrer einzigen Verpflichtung“, kritisiert Isabell Ullrich, Koordinatorin der Kampagne für Saubere Kleidung.

„Uns fehlt das Vertrauen in ein Bündnis, bei dem die Unternehmenslobby kontinuierlich bremst, während sich die Lebenssituation der Menschen in den Lieferketten gerade in der Corona-Pandemie nochmal dramatisch verschlechtert hat. So ist kein Fortschritt im Bündnis möglich. Nach nun mehr als sieben Jahren sind wir daher zu dem Schluss gekommen, eine Mitarbeit in dieser Konstellation nicht mehr mittragen zu können“, resümiert Isabell Ullrich. Stattdessen konzentriert sich die Kampagne für Saubere Kleidung nun auf Kampagnenarbeit zu verbindlichen unternehmerischen Sorgfaltspflichten (Lieferkettengesetze), existenzsichernden Löhnen, sozialer Absicherung und Arbeitsrechten der Arbeiter*innen.

Siehe dazu: (1) Bericht der Clean Clothes Campaign-Mitgliedsorganisation Public Eye hierzu: https://www.publiceye.ch/de/themen/mode/109-millionen-dollar-lohndiebstahl-modefirmen-lassen-textilarbeiterinnen-in-der-pandemie-im-stich

16.03.2022 10:38
Kontraproduktives Vorgehen im Umgang mit Demokratie- und Fairness-Feinden
VW-Vorstandschef Herbert Diess erwartet keine ernsten politischen Probleme in China, das Russland im Ukraine-Krieg stützt: „China ist sehr daran interessiert, die Grenzen offenzuhalten.“ Gefragt nach Geschäften mit autoritären Staaten, verwies der VW-Chef auf die vergleichsweise geringe Zahl demokratischer Länder: „Wenn wir uns auf etablierte Demokratien beschränken würden, gäbe es kein existenzfähiges Geschäftsmodell für die Autoindustrie.“

Der letzte Satz macht sehr nachdenklich. Wie verdienen wir unseren Wohlstand? Was richten wir dabei für Schäden an - auch in Bezug auf Demokratie und Demokratieentwicklung? Etablieren wir so diejenigen und dasjenige, was Demokratie und demokratische Staaten zermürbt? Das ist etwa so, wenn für Fairness im Business Engagierte zugleich unfaire Akteure stützen und ermuntern. Gibt's leider tatsächlich auch.

22.02.2022 08:12
Die peinlichen deutschen Unternehmen in Mexiko - Lieferkettengesetz light
Patricia Juan Pineda arbeitet bei der Schlichtungsstelle für Arbeits- und Menschenrechte (Litigio Estrategico en Derechos Humanos Laborales, LEDHL) in Mexiko. Für das gewerkschaftliche Zentrum Cilas (Centro de Investigacion Laboral y Asesoria Sindical, Mexiko-Stadt) reiste sie durch Deutschland. Die Reise erfolgte auf Einladung des Internationalen Gewerkschaftlichen Arbeitskreises Köln (IGAKK e.V.).

Sie antwortet auf Fragen von Steffen Herrmann und Tobias Schwab für die FR. Hier Auszüge. Das ganze Interview unter:
"Weckruf für Lieferketten"


In Mexiko sind viele deutsche Zulieferer und Autobauer aktiv. Welchen Ruf haben die deutschen Unternehmen unter den Arbeiterinnen und Arbeitern?

Sie haben tolle Produkte, aber behandeln ihre Arbeiter schlecht. Die deutschen Arbeitgeber haben ein schlechtes Image.

Schlechter als Unternehmen aus anderen Ländern?

Nicht unbedingt, aber wir wissen schon: Es gibt an Standorten deutscher Unternehmen in Mexiko schlechte Arbeitsbedingungen und schlechte Löhne. Auch die Deutschen setzen auf Schutzgewerkschaften, und wenn man sie dafür öffentlich angreift, sagen sie: Das ist völlig legal, das dürfen wir. Zum Beispiel BMW: In San Luis Potosi hat BMW 2014 einen neuen Standort aufgebaut. Und noch bevor die Halle errichtet war, hatte BMW schon einen Schutzvertrag unterzeichnet. Es gab noch keinen einzigen Arbeiter, aber die Schutzgewerkschaft gab es schon. Dagegen haben wir uns beschwert, aber das hat niemanden interessiert.

Und in der Pandemie: Sind die deutschen Unternehmen ihrer Fürsorgepflicht nachgekommen? Gab es Impfprogramme?

Dort, wo unabhängige Gewerkschaften aktiv sind, haben wir versucht, Impfprogramme auf die Beine zu stellen. Aber in den allermeisten Werken ist die Pandemie einfach durchgerollt. Wer infiziert war, hat einen zweiten Mundschutz bekommen und musste weiterarbeiten.

Auch das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist ein Thema für Sie. Werden die Unternehmen in Mexiko nervös, weil sie sehen, dass neue Anforderungen und Berichtspflichten auf sie zu kommen?

Wir haben uns das Lieferkettengesetz aus gewerkschaftlicher Sicht angeschaut und wir haben einige Schwachstellen gefunden. Zum Beispiel: Die Unternehmen sollen Beschwerdestellen schaffen, aber sie kontrollieren dann auch, was mit den Eingaben geschieht. Uns ist wichtig, dass die Kontrolle nicht alleine den Firmen obliegt, sondern dass Mechanismen geschaffen werden, die es den Gewerkschaften ermöglichen, zu überprüfen, ob die Beschwerden tatsächlich verfolgt werden. Wenn die Unternehmen sich bereiterklären, die Menschenrechte zu respektieren: Warum möchten sie dann die Hand auf dem Beschwerdemechanismus haben? Offensichtlich werden innerhalb vieler Unternehmen mit Standorten in Mexiko und Deutschland Informationen nicht weitergereicht. Deshalb ist ein direkter Draht zwischen den Beschäftigten in Mexiko und Deutschland so wichtig. Das Lieferkettengesetz ist sehr wichtig, aber wenn gewerkschaftliche Mechanismen fehlen, die Druck aufbauen, dann ist es nur ein weiteres schönes Gesetz.

Sie misstrauen Beschwerdemechanismen?

Beschwerden wirft man in der Regel in den Briefkasten des Unternehmens. Da weiß jeder Arbeiter in Mexiko: Wenn ich das mache, riskiere ich meinen Job, meine Gesundheit und die Gesundheit meiner Familie. Das heißt, so einen Unternehmens-Mechanismus würde niemand nutzen. Es gibt außerdem keine vorgesehenen Fristen für die Behandlung der Beschwerden. Wenn also das Unternehmen nicht reagiert, gibt es einen Klageweg in Deutschland – aber das dauert und ist teuer. Langsame Justiz ist in diesem Fall überhaupt keine Justiz. Zum Vergleich: Beim USMCA-Abkommen waren gerade die kurzen Fristen für uns überlebenswichtig.

09.02.2022 08:54
Mehr als 100 Unternehmen fordern Haftungsregel im Lieferkettengesetz
EU-Lieferkettengesetz: Kommission kündigt Entwurf für Februar an und – mehr als 100 Unternehmen fordern Haftungsregel

Das EU-Vorhaben, Unternehmen in ganz Europa zu Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten zu verpflichten, findet Unterstützung von Wirtschaftsseite: Mehr als 100 Unternehmen und Investoren haben sich heute für ein EU-Lieferkettengesetz ausgesprochen. Die EU-Kommission hatte das Vorhaben im letzten Jahr mehrfach verschoben, nun steht es für ihre Sitzung am 23. Februar auf der Tagesordnung.

Zivilgesellschaftliche Organisationen in zahlreichen EU-Staaten fordern ein wirksames Gesetz, das die Situation von Betroffenen verbessert.

„Ohne klare Regeln kümmern sich Unternehmen viel zu selten um Menschenrechte und Umweltstandards in ihren Lieferketten – mit fatalen Folgen. Viele Länder haben deswegen mit nationalen Gesetzen vorgelegt. Die EU hat nun eine historische Chance, in ganz Europa klare Spielregeln zum Schutz der Betroffenen zu schaffen“, kommentiert Johanna Kusch, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz.

In einer heute vom Business and Human Rights Resource Centre veröffentlichten Stellungnahme sprechen sich mehr als 100 deutsche und europäische Unternehmen und Investoren für ein EU-Lieferkettengesetz aus. Erstmals fordern sie darin auch die Einführung einer Haftungsregel, die es Betroffenen ermöglichen würde, Schadensersatz zu erhalten. In der Liste der Unterzeichner finden sich bekannte Namen wie Hapag-Lloyd, Ikea und Danone.

„Viele Unternehmen unterstützen ein EU-Lieferkettengesetz und sind der Ansicht, dass menschenrechtliche Sorgfalt in den Lieferketten dazugehört“, erläutert Friedel Hütz-Adams, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei SÜDWIND e.V. „Daher befürworten so viele Unternehmen auch eine zivilrechtliche Haftung: Sie benötigen ein Level Playing Field und das Wissen, dass auch ihre Wettbewerber handeln müssen.“

Die EU-Kommission hatte den ursprünglich für Juni 2021 geplanten Entwurf für ein EU-Lieferkettengesetz im vergangenen Jahr mehrfach verschoben. Europäische Wirtschaftsverbände betreiben massive Lobbyarbeit gegen wichtige Teile des Vorhabens, darunter aus Deutschland insbesondere der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), die Mittelstands- und Wirtschaftsunion sowie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Das zeigt ein heute veröffentlichtes Briefing von Misereor und dem Global Policy Forum.

„Im Gegensatz zu vielen aufgeschlossenen Unternehmen setzen deutsche Wirtschaftsverbände alles daran, ein wirksames EU-Lieferkettengesetz zu verhindern. Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag zu einem solchen Gesetz bekannt und muss jetzt liefern“, fordert Armin Paasch von Misereor.

In Deutschland setzt sich die „Initiative Lieferkettengesetz“ für eine EU-Regelung ein, da das deutsche Lieferkettengesetz nicht weitreichend genug sei: Ohne zivilrechtliche Haftungsregelung bewirke es zu wenig für die Betroffenen. Zudem leiste es einen zu kleinen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz, gelte für zu wenige Unternehmen und mache zu viele Ausnahmen bei den Sorgfaltspflichten. Die Initiative fordert daher von der Bundesregierung, sich aktiv auf EU-Ebene für eine weiterreichende Regulierung einzusetzen.

„Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, sich für ein wirksames EU-Lieferkettengesetz einzusetzen. Für uns ist klar: ‚Wirksam‘ ist eine solche Regelung nur, wenn sie Unternehmen für Verfehlungen haftbar macht – und endlich unterbindet, dass Konzerne die Klimakrise und das Artensterben befeuern“, betont Ceren Yildiz, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Der BUND gehört ebenso wie Südwind e.V. und Misereor zu den 130 Menschenrechts-, Entwicklungs- und Umweltorganisationen, Gewerkschaften und kirchlichen Akteuren, die sich zur Initiative Lieferkettengesetz zusammengeschlossen haben.

Kontakt:
Initiative Lieferkettengesetz: Johannes Heeg, Sprecher, Tel.: 0151-10611346, E-Mail: [email protected]
BUND: Sigrid Wolff, Pressesprecherin, Tel.: 030-27586497, E-Mail: [email protected]
Misereor: Barbara Wiegard, Pressesprecherin, Tel.: 030-44351988, E-Mail: [email protected]
SÜDWIND: Friedel Hütz-Adams, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Tel.: 0160-99404467, E-Mail: [email protected]

Die Initiative Lieferkettengesetz wird getragen von:
Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt-Landesnetzwerke in Deutschland e.V. (agl), Brot für die Welt, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Christliche Initiative Romero e.V. (CIR), CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), FEMNET e.V., Forum Fairer Handel e.V., Germanwatch e.V., Greenpeace e.V., INKOTA-netzwerk e.V., Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V., Oxfam Deutschland e.V., SÜDWIND e.V., ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V., Weltladen-Dachverband e.V., Werkstatt Ökonomie e.V.

Weitere 110 Organisationen unterstützen die Initiative Lieferkettengesetz.

01.02.2022 12:33
Nachhaltigkeit ist oft für die Show und PR - eine nachhaltige Nachhaltigkeit fehlt den Unternehmen überwiegend
Nur jedes vierte Unternehmen hat klar kommunizierte Nachhaltigkeitsstrategie, obwohl sich Arbeitnehmer und Vorstände in der Bewertung der Dringlichkeit einig sind

? Lediglich 15% der Vorstände setzen für zusätzliche Wertschöpfung auf Nachhaltigkeit

? Deutscher Führungsnachwuchs hat weniger Erfahrung bei Nachhaltigkeitsthemen als internationale Konkurrenz

Der Klimawandel bleibt vielfach noch ohne echte Konsequenz für die Geschäftsmodelle deutscher Unternehmen: Trotz Pandemie und jüngster Umweltkatastrophen sieht der überwiegende Teil der deutschen Vorstände und Führungskräfte Nachhaltigkeit immer noch vorrangig als Reputationsrisiko an, das es zu managen gilt, nicht aber als Hebel zur Wertschöpfung, der Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnet, profitabel zu wachsen. Das geht aus einer internationalen Umfrage der Personalberatung Russell Reynolds Associates hervor.

46% der befragten deutschen Vorstände geben an, dass Nachhaltigkeitsmaßnahmen aus Marketingerwägungen getroffen werden. Damit ist das Ziel verbunden, als gesellschaftlich verantwortlich angesehen zu werden und sich über ein Nachhaltigkeitsimage vom Wettbewerb abzusetzen. Nur 15% sagen, dass zusätzliche Wertschöpfung die treibende Kraft ihrer Nachhaltigkeitsstrategie ist.

Die Studie belegt, dass lediglich jeder vierte befragte Vorstand in Deutschland selbst der Auffassung ist, dass sein Unternehmen über eine Nachhaltigkeitsstrategie verfügt, die klar kommuniziert und umgesetzt wird. Und weniger als jeder Dritte (31%) ist der Meinung, dass sich ihr CEO persönlich für die Förderung der Nachhaltigkeit einsetzt.

Im internationalen Vergleich fällt zudem auf, dass in Deutschland gerade jüngere Führungskräfte vergleichsweise wenig mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt sind. So hatten in den vergangenen drei Jahren nur 26% der deutschen Nachwuchsführungskräfte drei oder mehr Aufgaben mit Nachhaltigkeitsbezug – gegenüber 40% ihrer Altersgruppe im weltweiten Vergleich.

„Fast alle Führungskräfte, mit denen wir sprachen, wollen zum Aufbau einer besseren Welt beitragen. Doch während sie sich verpflichten, ihre Betriebe und Produkte umweltfreundlicher zu machen, wissen viele nicht, wie sie ihren guten Willen in konkrete und nicht nur für das Image wirksame Maßnahmen umsetzen sollen,” sagt Max von der Planitz, Berater bei Russell Reynolds Associates. „Den Umbau zu nachhaltigem Wirtschaften, das lässt sich aus unserer Studie ableiten, sehen gerade Führungskräfte in Deutschland als eine der größten Aufgaben der nächsten zehn Jahre, auf die sich aber viele nicht ausreichend vorbereitet fühlen. Schliesslich muss für diesen Umbau häufig nicht weniger als ein neues Geschäftsmodell entwickelt werden - mit dem entsprechenden Risiko.“

Dabei stimmen Management und Arbeitnehmer in Deutschland laut der Studie im Vergleich zum Ausland auffällig stark darin überein, dass Klimawandel und Umweltzerstörung die größten Bedrohungen für die Gesellschaft darstellen. Einigkeit herrscht auch in der Einschätzung, dass Pandemie und Fachkräftemangel die wichtigsten den Arbeitsplatz betreffenden Themen sind.

„Es erscheint auf den ersten Blick paradox: In den elf von uns untersuchten Märkten sind sich deutsche Arbeitnehmer und Vorstände am ehesten einig über die kritischen Themen, was eigentlich die Anpassung der Geschäftsmodelle erleichtern sollte“, sagt Max von der Planitz. „Das Geschäftsmodell Nachhaltigkeit ist heute unumgänglich. Wer Nachhaltigkeit mit guter Begründung zum Topthema macht, setzt auf Themen, die deutschen Belegschaften, aber auch zunehmend den Investoren am Herzen liegen.“

Für die Studie hatte die Personalberatung 9.500 Vorstände, Nachwuchsführungskräfte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in elf Ländern (Kanada, USA, UK, Frankreich, Spanien, Deutschland, Australien, China, Brasilien, Indien und Mexiko) befragt und auf diese Weise ermittelt, welche Einschätzungen zur Bedeutung, zum Reifegrad und der Umsetzungsfähigkeit von Nachhaltigkeitsstrategien vorherrschen. In Deutschland wurden 658 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Nachwuchsführungskräfte sowie 89 Vorstände befragt.

"Die Studie zum Runterladen"

14.12.2021 09:09
Foodwatch vergibt Windbeutel an Rewe wegen Fleischlüge
Rewe erhält den Negativpreis »Goldener Windbeutel«. Damit zeichnet die Organisation Foodwatch seit 2009 Produkte aus, die aus Sicht der Verbraucherschützer ihre Werbeversprechen nicht einlösen. Der Handelskonzern wird mit dem »Windbeutel« für ein Hähnchenbrustfilet der Eigenmarke Wilhelm Brandenburg gerügt, das als »klimaneutral« angepriesen wird: »Die Werbung erwecke den Eindruck, dass sich die Produktion des Hähnchens nicht schädlich auf das Klima auswirke«, schreibt Foodwatch in seiner Erklärung des Preises. Tatsächlich aber werde es »weder emissionsfrei hergestellt« noch würde der bei der Produktion anfallende CO2-Ausstoß ausgeglichen.

Fleisch sei grundsätzlich nicht klimaneutral, so Foodwatch, da drei Viertel aller Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft auf die Tierhaltung entfielen. Rewe beruft sich darauf, dass die entstehenden Emissionen durch die Unterstützung eines Waldprojekts in Peru ausgeglichen würden. Nach Recherchen von Foodwatch erfüllt das Projekt in Tambopata aber die Bedingungen dafür nicht. In den Wochen vor der Preisvergabe hatte sich Climate Partner, die Firma, über die die Projektförderung von Tambopata läuft, bereits mit eigenen Recherchen gegen die Vorwürfe zur Wehr gesetzt. Foodwatch bleibt bei seiner Darstellung.
"Foodwatch mit Rewe-Kritik"

20.11.2021 08:44
Versprechen zu Klimaschutz und Fairness oft nur heiße Luft
Das kennen wir auch seitens der Fairness-Stiftung. Flink sind Bekenntnisse zur Fairness geäußert, schnell sind Fairness-Ansprüche auf Website und von Unternehmen – zumal in der Werbung – behauptet. Doch wenn man genauer hinschaut und prüft, bleibt vom Fairness-Bekenntnis nicht viel übrig. Greenwashing und Fairness-Washing wohin man schaut.
"Welche Firmen und Marken Fairness-Qualität erreichen"

Oft, zu oft haben wir erlebt, dass bei Jubiläen und Festvorträgen gern das Bekenntnis zur Fairness vorgetragen wurde, die Fairness im Führungsalltag für sehr wichtig gehalten wurde, um dann im Nachhinein nicht an der Verbesserung der Fairness-Qualität zu arbeiten, vor allen Dingen, kein Geld dafür auszugeben.

Das mussten auch die Forscher der Universität Linz (Österreich) erfahren und staunten über ihre Forschungsergebnisse nicht schlecht. Zwar geht es hier um den Klimaschutz, doch die Diskrepanz ist hier ähnlich. Alle bekennen sich zum Klimaschutz, doch nur wenige sind bereit, dafür tatsächlich einzustehen. So berichtet Verena Kern in der Frankfurter Rundschau am 20.11.:

>>Was würden Sie tun, wenn Sie fünf Euro geschenkt bekämen? Würden Sie das Geld behalten? Oder wären Sie bereit, die fünf Euro zu spenden, wenn damit Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden, mit denen eine bestimmte Menge an CO2 eingespart wird? Und wenn ja, wie viel von der Summe würden Sie spenden? Alles? Oder nur ein, zwei Euro?

Die Frage ist nicht nur ein Gedankenexperiment. Der Statistiker Johannes Reichl vom Energieinstitut der Universität Linz hat gemeinsam mit seinem Team Menschen aus ganz Europa tatsächlich vor diese Entscheidung gestellt: Spenden oder nicht spenden? Für das Forschungsprojekt nahmen knapp 16 000 repräsentativ ausgewählte Menschen aus 27 EU-Ländern an einer Umfrage teil, in der es um ihre Einstellung zum Klimawandel ging. Für ihre Teilnahme erhielten die Befragten fünf Euro. Und sie wurden gefragt, was sie mit dem Geld machen wollen. Soll es in ihre eigene Tasche fließen oder wollen sie es für Emissionsreduktion hergeben?

Die Frage zielt auf ein zentrales Problem der Klimapolitik. In Umfragen spricht sich regelmäßig eine überwältigende Mehrheit der Bürger:innen für mehr Klimaschutz aus. Doch wenn es um die konkrete Umsetzung geht, bröckelt die Zustimmung rapide. Die geäußerte Unterstützung für Klimaschutz wird dann von anderen Erwägungen, Bedenken, Motivationen förmlich verschluckt und bleibt bloße Theorie. Wollen und Machen scheinen einfach nicht zusammenzupassen. Oder?

Es ist eine offene Forschungsfrage, was Menschen tatsächlich zu klimapositivem Handeln bewegt. Unzählige Studien haben sich damit beschäftigt und einzelne Aspekte herausgearbeitet. Etwa, dass die persönliche Einstellung zum Klimawandel eine Rolle spielt, auch das Umfeld, in dem man sich bewegt, oder auch der Zusatznutzen, den man Klimaschutzmaßnahmen zuschreibt, wie saubere Luft oder die Schaffung neuer Jobs. Dennoch bleibt vieles unklar (und die Fortschritte beim Klimaschutz sind entsprechend dürftig).

Insofern füllt das Linzer Spendenexperiment eine Lücke. Zum einen, weil es nicht nur um ein einzelnes Land geht, sondern um 27, die man dann miteinander vergleichen kann. Zum anderen, weil nicht nur Einstellungen abgefragt wurden, sondern eine ganz handfeste Entscheidung zu treffen war. Das macht die soeben im Fachmagazin „Global Environmental Change“ publizierten Ergebnisse relevant und aussagekräftig.

Drei Erkenntnisse sind besonders wichtig.

Erstens: Wer davon überzeugt ist, dass es den Klimawandel gibt und er menschengemacht ist, spendet am meisten. Das entspricht dem, was man erwarten würde. Überraschend ist hingegen, dass

zweitens – auch diejenigen, die vom anthropogenen Klimawandel nicht überzeugt sind, nicht etwa gar nichts spenden. Bei ihnen ist die Spendenbereitschaft immerhin noch halb so groß wie bei den Überzeugten – ein erstaunlicher Wert. „Viele der Skeptiker finden es trotzdem gut, dass etwas gegen den Klimawandel getan wird“, sagt Projektleiter Johannes Reichl im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. „Sie halten es beispielsweise für wirtschaftspolitisch clever, wenn in Erneuerbare investiert wird, anstatt fossile Energie teuer zu importieren.“ Hier könnte die Klimapolitik ansetzen und das Argument des Zusatznutzens in der öffentlichen Kommunikation stärker in den Vordergrund stellen.

Drittens hängt die Spendenbereitschaft davon ab, wie ambitioniert in einem Land Klimaschutz betrieben wird – und zwar umgekehrt proportional. „Das hat uns am meisten überrascht“, sagt Reichl. Konkret heißt das: Je ambitionierter das Land, desto geringer die Spendenbereitschaft. Und umgekehrt. Der Klimaschutzvorreiter Dänemark war das Land, in dem die Leute am wenigsten spenden wollten. Im Kohleland Polen dagegen war die Bereitschaft besonders hoch. „Wenn die Leute sehen, dass der Staat schon einiges tut, ziehen sie sich zurück“, erläutert Reichl. „Crowding-out-Effekt“ wird das genannt, Verdrängungseffekt.

Für die Klimapolitik ist das wichtig. „Sie muss Maßnahmen setzen und gleichzeitig klarmachen, dass alle Verantwortung übernehmen müssen“, sagt der Statistiker. „Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, braucht man beides und kein Entweder-oder.“

Und es gibt noch eine vierte Erkenntnis – die überraschendste von allen: Insgesamt war die Spendenbereitschaft sehr bescheiden. Überhaupt gar nichts spendeten 71,5 Prozent aller Teilnehmenden. In Deutschland lag der Wert sogar bei rund 77 Prozent. Nur einen Euro spendeten 15 Prozent (Deutschland: zwölf Prozent). Die gesamten fünf Euro waren lediglich sieben Prozent bereit zu geben (Deutschland: vier Prozent). Im Gesamtdurchschnitt ergab das eine Spendensumme pro Person von lediglich 66 Cent.

Wenn man bedenkt, dass Leute sich von geschenktem Geld leichter trennen als von dem, das sie schon haben, sind das Werte, die wenig optimistisch stimmen. Oder man begreift sie als Aufforderung, sich bei der Klimakommunikation mehr Mühe zu geben, um mehr Menschen von der Wichtigkeit von Klimaschutzmaßnahmen zu überzeugen<<.
"Welche Firmen und Marken weniger fair sind als behauptet"

09.09.2021 12:36
Unfairer Umgang mit Gewinnen durch Steuerflucht großer Banken
Europas Banken verdienen Milliarden in Steueroasen. Viele europäische Banken verdienen in Malta, Luxemburg und auf den Bahamas gutes Geld. Zu den größten Profiteuren zählen laut einer Studie die HSBC – und die Deutsche Bank.

Europäische Banken machen einen signifikanten Teil ihrer Gewinne in Steueroasen. Das fand die Europäische Beobachtungsstelle zur Steuerpolitik bei einer Untersuchung von 36 großen Finanzinstituten in einer Studie heraus.

Die Geldhäuser verbuchten im Schnitt 20 Milliarden Euro Gewinn pro Jahr in Steueroasen, heißt es in der Studie. Das entspreche rund 14 Prozent ihrer gesamten Gewinne vor Steuern.

Die Studie klassifiziert 17 Gebiete wie die Bahamas, aber auch EU-Länder wie Irland, Malta oder Luxemburg wegen ihrer niedrigen Steuersätze als Oasen. Insgesamt blieb die Aktivität der Banken in Steueroasen zwischen 2014 und 2020 demnach konstant. Neun Banken verbuchten demnach keine Gewinne in Steueroasen, andere wie die britische HSBC bis zu 58 Prozent ihres Gewinns vor Steuern.

Die Deutsche Bank war bei den Spitzenreitern dabei und verbuchte im Schnitt 27 Prozent ihres Gewinns in Steueroasen wie zum Beispiel Luxemburg – obwohl dort nur ein sehr kleiner Teil der Mitarbeiter tätig ist.

Der Europaabgeordnete Sven Giegold (Grüne) sagte, das Papier zeige die Notwendigkeit einer effektiven Mindestbesteuerung von großen Unternehmen. Bei einem Mindeststeuersatz von 15 Prozent müssten die untersuchten Banken aus elf Ländern laut der Studie beispielsweise drei bis fünf Milliarden Euro mehr Steuern zahlen. Auf solch eine globale Mindeststeuer für große Unternehmen hatten sich die G20-Länder im Juli prinzipiell geeinigt.

ssu/dpa-AFX

06.08.2021 08:01
105 Dachdeckerbetriebe gegen Folgen der Flutkatastrophe im Ahrtal - beste Fairness
Das ist Fairness in höchster Qualität. Denn Fairness ist im Kern kein Tauschandel: Sei Du fair zu mir, dann bin ich auch fair zu Dir. Sondern Fairness ist Rücksichtnahme, Solidarität und Zuwendung. Ohne Erwartung einer Gegenleistung! Für ein solches Fairness-Verständnis und eine solche Fairness-Praxis stehen mehr als 100 Dachdecker-Betriebe mit ihren Mitarbeiter*innen, die ihre Hilfe und Arbeit für Ahrtal angesagt haben, das von der Flutkatastrophe massiv betroffen ist.

Reinhard Schlieker von dpa berichtet: „Leitern, Fallrohre und Holzlatten werden verladen, während Dachdeckermeister Bernd Krinninger Lagepläne verteilt. Auf einer Wiese in Kalenborn, einer Ortsgemeinde von Altenahr im Landkreis Ahrweiler, haben sich am frühen Mittwochmorgen Kollegen von Krinninger aus ganz Deutschland versammelt. Sie wollen im Ahrtal helfen – drei Wochen nach der Flutkatastrophe, die mindestens 139 Menschen in Rheinland-Pfalz das Leben kostete.

Noch immer klaffen große Löcher in den Dächern vieler Häuser, mit jedem Regen steigt der Schaden an teils ohnehin schon abrissreifen Häusern. Verbogene Fallrohre leiten bislang Regenwasser direkt in die gerade erst ausgepumpten Keller.

Via Facebook hoffte Krinninger, Inhaber von Heimbach Bedachungen in Lahnstein, zwei, drei örtliche Betriebe zur Hilfe mobilisieren zu können. Gekommen seien 105 Firmen, weitere Dachdeckerbetriebe hätten ihren Besuch für die Folgetage angekündigt.

Laut Krinninger liegen die geschätzten Lohnkosten, auf die die Betriebe verzichten, für den mehrtägigen ehrenamtlichen Einsatz im Millionenbereich. Die Materialkosten beliefen sich auf rund 750 000 Euro. Das Material komme nicht nur von den Dachdecker-Betrieben selbst, sondern sei auch von Unternehmen gespendet worden. Was an Material übrig bleibe, solle im Ahrtal zerstörten Handwerksbetrieben zum Wiederaufbau zugutekommen.

Der Facebook-Aufruf hat auch Dachdeckermeister Andreas Schulte erreicht. Mit neun Mitarbeitern ist der Inhaber eines Dachdeckerbetriebs im Sauerland angereist – Abfahrt 5.30 Uhr. Ein Baum hat ein Loch in das Dach eines Hauses in der Ortsgemeinde Mayschoß geschlagen, das er und seine Mitarbeiter nun provisorisch flicken. Vielmehr als Notreparaturen seien akut auch nicht zu machen, sagt er.

„Das Haus ist mein und doch nicht mein“ steht halb von Schlamm verdeckt auf der Hauswand. „Wem gehört das Haus?“ endet das aufwendig in Holz geschnitzte Sprichwort. „Jetzt gehört es dem Fluss“, sagt Waltraud Schütz mit Blick auf das Elternhaus ihres Ehemanns: „Jetzt gehört es der Flut.“ Das Wasser reichte bis zu den oberen Stockwerken, das bezeugt die schlammig braune Linie, die das Wasser auf der weißen Hauswand zurückgelassen hat.

Der Schaden am Dach allein beträgt nach Schätzung der Dachdecker rund 25 000 Euro. Auf Waltraut Schützes Anwesen ist dies nur ein kleiner Schadensposten. Denn auch ihr Privathaus hat das Hochwasser unbewohnbar gemacht. Provisorisch gezimmerte Stützen des Technischen Hilfswerks sichern die Statik. „Hier war die Küche, da das Wohnzimmer“, sagt sie, als sie auf Räume zeigt, die einem über Jahre verlassenen Rohbau ähnlicher sind als dem Zuhause einer Familie. Sie wisse nicht, wie es weitergehe. Aktuell sind sie und ihr Mann in einer Ferienwohnung untergekommen.
Hilfe an Behörden vorbei

Waltraud Schütz ist überwältigt von der Hilfsbereitschaft: „Alleine schafft man das nicht“, sagt sie mit Blick auf einen der Dachdecker, der gerade die Regenrinne ihrer Garage repariert: „Das ist ein unschenkbarer Gewinn, den wir hier haben. Das nimmt einem so ein bisschen die Last von den Schultern.“

Wäre es ein normaler Arbeitstag, würden die Lohnkosten von Dachdeckermeister Andreas Schulte rund 5000 Euro betragen. Dass er auf diese verzichtet, sei für ihn eine Selbstverständlichkeit: „Ich denke, das macht man so: Man hilft Leuten, die Hilfe brauchen.“ Als seine Mitarbeiter von dem Facebook-Aufruf erfahren hätten, hätten sie helfen wollen. Ihr Tenor: „Chef, ich verzichte auf meinen Lohn.“

Genauso unbürokratisch wollte Krinninger Hilfe mobilisieren. Die Aktion sei „an den Behörden vorbeigewachsen“. Die Aktion der Dachdecker wirkt aber nicht unorganisiert. Weil er die Erfahrung gemacht habe, dass die Koordination der freiwilligen Helfer in der Vergangenheit nicht gut funktioniert habe, habe er sich gegen den offiziellen Weg entschieden, sagt Krinninger. Er wolle mit der Aktion zeigen, dass „das Handwerk das Ahrtal nicht im Stich lässt“.

R. Schlieker, dpa

27.07.2021 12:22
Die gläsernen Beschäftigten - Wenn die Chefs online Beschäftigte ausspähen - Datenschutz unfair?
Immer mehr Unternehmen sammeln Daten über ihre Beschäftigten, schreibt Steffen Herrmann am 26.7. in der Frankfurter Rundschau. „Das Homeoffice während der Corona-Pandemie verstärkt die Nachfrage nach Überwachungssoftware.
Private Telefonate führen, stundenlang durch Instagram und Facebook scrollen oder den nächsten Sommerurlaub planen. Alles kein Problem, denn im Homeoffice bekommt es der Chef oder die Chefin ja nicht mit – oder?

Das stimmt nicht ganz. Vorgesetzte können ihre Beschäftigten überwachen, auch aus der Distanz. Wer wissen will, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice treiben, muss nicht viel Geld hinlegen: Knapp 50 Euro kostet zum Beispiel die Software Orvell Monitoring pro Arbeitsrechner und Jahr. Nach der Installation zeichnet die Software alle Aktivitäten auf: Wie lange gearbeitet wird, welche Programme genutzt und welche Internetseiten besucht werden. Das Versprechen des Anbieters an die Unternehmen: „detaillierte Tätigkeitsnachweise“ aus dem Homeoffice.

Sonja Köhne forscht am Humboldt Institute für Internet und Gesellschaft, sie kennt sich aus mit den sogenannten People Analytics Tools: Unter dem Begriff verstehe man einen evidenz- und datengesteuerten Ansatz für die Personalführung, sagt Köhne. „Das heißt, man erfasst Verhaltensdaten von Beschäftigten und wertet sie automatisiert aus, um auf dieser Basis geschäftliche Entscheidungen zu optimieren.“
Dabei werden nicht nur Daten gesammelt, um die Beschäftigten zu überwachen: People Analytics Tools können auch andere, wichtige Erkenntnisse liefern – zum Beispiel, welche jungen Talente das Unternehmen wahrscheinlich freiwillig verlassen werden, welche Bewerberin am besten zur ausgeschriebenen Stelle passt oder wie sich die Zahl der Krankheitstage entwickeln wird. Auch für die Beschäftigten selbst können die Anwendungen hilfreich sein: Wo kann ich mich verbessern? Gönne ich mir genug Pausen?

Coronavirus-Pandemie hat Überwachung im Homeoffice verstärkt

Seit der Corona-Pandemie steht allerdings der Aspekt der Überwachung im Fokus. Glaubt man den Anbietern, boomen ihre Programme. Auch beim Anbieter Hubstuff soll sich die Nachfrage nach eigenen Angaben während der Pandemie verdreifacht haben, wie das „Handelsblatt“ berichtet.
Überprüfen lässt sich das nicht. Klar ist aber: Seit viele Menschen im Homeoffice arbeiten, entstehen mehr Daten. Gleichzeitig sind die Beschäftigten der direkten Kontrolle im Betrieb entzogen. Und zumindest bei einigen Unternehmen wächst deshalb der Wunsch nach digitalen Überwachungstools.

Das Vergleichsportal Getapp hat im Mai rund 1100 Führungskräfte und Beschäftigte zur Überwachung im Homeoffice befragt. 21 Prozent der Beschäftigten gaben an, per Software überwacht zu werden. Und bei der Hälfte der Überwachten wurde die Software erst nach Beginn der Corona-Krise eingeführt.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) beobachtet den Einsatz von Überwachungssoftware skeptisch. „Die Digitalisierung schafft unliebsame Möglichkeiten der Kontrolle, die in analogen Zeiten schlichtweg unmöglich waren und an die auch kein Mensch gedacht hat“, sagt DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel.

Grundsätzlich ist die Überwachung von Beschäftigten erlaubt. Allerdings nur dann, wenn die Belegschaft eingebunden ist: Die Einführung von Software, die das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern überwacht, ist mitbestimmungspflichtig. Der Betriebsrat kann also nicht übergangen werden. Wo es keine Betriebsräte gibt, müssen Beschäftigte einzeln und freiwillig zustimmen. Eine heimliche Überwachung ist nur in Ausnahmefällen erlaubt, etwa beim konkreten Verdacht einer Straftat oder schwerwiegenden Pflichtverletzung.

Mitarbeiterbefragungen und Analyse der Angestellten während der Covid-19-Pandemie

Auch vor der Coronavirus-Pandemie werteten einige Unternehmen die Daten ihrer Beschäftigten aus – unter anderem durch Mitarbeiterbefragungen. „Es gibt aber auch von Sensoren überwachte Hightech-Arbeitsplätze, die alles messen und auswerten – von den Tastaturanschlägen bis hin zur Pulsfrequenz und der Körperhaltung auf dem Bürostuhl“, sagte Stefanie Krügl, eine Expertin für Organisationskultur, schon 2015 in einem „Zeit“-Interview. Durchgesetzt hat sich diese exotische Vermessung der Beschäftigten nicht.

Der Online-Modehändler Zalando geriet vor anderthalb Jahren in die Kritik, weil er seit 2017 eine Software nutzte, die die Leistung eines Teils der Beschäftigten misst. Die Teilnehmenden werden von ihren Kolleg:innen und Vorgesetzten bewertet. Wer überdurchschnittlich performt, bekommt Lohnzuschläge. Die Hans-Böckler-Stiftung hatte die Wirkung des Programms namens Zonar 2019 untersucht. Das Fazit: Durch Zonar leide das Betriebsklima und der Stress nehme zu. Die Software sei ein „umfassendes, quasi panoptisches System der Leistungskontrolle“. Stefanie Nutzenberger, Mitglied im Vorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, kritisierte Zonar daraufhin als „übergriffig, arbeitnehmerfeindlich und datenschutzrechtlich höchst problematisch“.

Und heute? Zalando gibt an, das Tool nicht mehr „in der Ende 2019 beschriebenen Funktionsweise“ zu nutzen. An den jährlich zwei Mal stattfindenden Feedbackrunden mit Hilfe des „Evaluation Tools“ nähmen knapp 6400 der insgesamt mehr als 14 500 Mitarbeiter:innen teil. Dabei kämen weder Rankings, Scores noch künstliche Intelligenz zum Einsatz. Die Berliner Datenschutzbehörde habe bestätigt, dass „Prozess und Tool konform mit der Datenschutz-Grundverordnung“ seien.

Homeoffice-Überwachung: Datenschutzfragen noch ungeklärt

Dem Deutschen Gewerkschaftsbund aber reichen die bisherigen gesetzlichen Regelungen nicht. Seit mehr als zehn Jahren fordern seine Vertreterinnen und Vertreter ein eigenständiges Beschäftigtendatenschutzgesetz, konnten sich im politischen Berlin damit bislang aber nicht durchsetzen. Dabei sei das Gesetz gerade mit Blick auf die neuen technischen Möglichkeiten dringend notwendig, sagt Anja Piel. „Das Arbeitsverhältnis besteht zwar unter formal Gleichen, tatsächlich manifestiert es aber eine wirtschaftliche Abhängigkeit.“ Der Datenschutz müsse deshalb endlich zugunsten der Beschäftigten geregelt werden.
Aber erfüllen die Programme überhaupt die Erwartungen der Unternehmen, steigern sie die Produktivität der Beschäftigten? Die Forscherin Sonja Köhne ist skeptisch: „Wenn die Metriken, die verwendet werden, nur Aussagen darüber treffen, wie viele Minuten am Tag eine Person Microsoft-Produkte verwendet hat oder wie schnell sie auf Mails reagiert, dann sagt das über die Produktivität natürlich nicht viel aus.“ Die Unternehmen müssten sich also vor dem Einsatz von People Analytics Tools ganz grundlegend der Frage stellen: Inwieweit ist die Arbeit der Beschäftigten überhaupt in Daten auszudrücken?“

Es fehlt also ein klarer Datenschutz für Beschäftigten, für ihre erzeugten Daten und Beobachtungsmerkmal. Schnell gerät ein Unternehmen ins Unfaire und Ungefähre, wenn mit Softwaretools zur Überwachung leichtsinnig oder absichtlich so umeggangen wird, dass 'gläserne Mitarbeitende' das Ergebnis sind.

25.07.2021 05:49
Menschenrechtsverletzungen in Aluminum-Lieferketten in der Autobranche
Automobilunternehmen müssen mehr tun, um Menschenrechtsverletzungen in ihren Aluminium-Lieferketten und den Bauxitminen, von denen sie beziehen, anzugehen, so Human Rights Watch und Inclusive Development International in einem am 22.7. veröffentlichten Bericht.

Fast ein Fünftel des weltweit verbrauchten Aluminiums im Jahr 2019 ging auf das Konto der Automobilhersteller und laut Prognosen wird sich ihr Aluminiumverbrauch bis 2050 verdoppeln wird. Grund hierfür ist der Übergang zu Elektrofahrzeugen.

Der 63-seitige Bericht, „Aluminum: The Car Industry's Blind Spot - Why Car Companies Should Address the Human Rights Impact of Aluminum Production“ beschreibt die globalen Lieferketten, die Automobilhersteller mit Minen, Raffinerien und Schmelzwerken in Ländern wie Guinea, Ghana, Brasilien, China, Malaysia und Australien verbinden. Auf der Grundlage von Treffen und Korrespondenz mit neun großen Automobilkonzernen - BMW, Daimler, Ford, General Motors, Groupe PSA (jetzt Teil von Stellantis), Renault, Toyota, Volkswagen und Volvo - untersuchten Human Rights Watch und Inclusive Development International, wie die Automobilindustrie mit den menschenrechtlichen Auswirkungen der Aluminiumproduktion umgeht, von der Zerstörung von Ackerland und der Schädigung von Wasserquellen durch Minen und Raffinerien bis hin zu den erheblichen Kohlenstoffemissionen der Aluminiumschmelze. Drei weitere Unternehmen - BYD, Hyundai und Tesla - reagierten nicht auf die Anfragen nach Informationen...

Obwohl sich viele der weltweit führenden Automobilkonzerne öffentlich dazu verpflichtet haben, gegen Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten vorzugehen, haben sie bisher wenig getan, um die Auswirkungen der Aluminiumproduktion auf die Menschenrechte zu bewerten und anzugehen. Stattdessen haben sie die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette bei anderen Materialien priorisiert, die für Elektrofahrzeuge von wesentlicher Bedeutung sind, wie z.B. Kobalt, das für elektrische Batterien benötigt wird.

Da Bauxit über Tage abgebaut wird, nehmen die Minen eine große Fläche ein und zerstören oft Ackerland, das die Lebensgrundlage der lokalen Gemeinden bildet. Bauxitminen können zudem verheerende Auswirkungen auf Flüsse, Bäche und Grundwasserquellen haben, auf die die Gemeinden für ihr Trinkwasser und die Bewässerung angewiesen sind...

Drei deutsche Automobilhersteller - Audi, BMW und Daimler - versuchen, eine verantwortungsvolle Aluminiumbeschaffung zu fördern, indem sie ihre Zulieferer dazu ermutigen, einem von der Industrie geführten Zertifizierungsprogramm, der Aluminum Stewardship Initiative (ASI), beizutreten...

Die Menschenrechtsstandards von ASI sind jedoch nicht ausdifferenziert genug und bieten keine spezifischen Kriterien, um zu beurteilen, wie gut Unternehmen auf wichtige Menschenrechtsfragen reagieren, wie etwa die Umsiedlung von Gemeinden, die durch den Bergbau vertrieben wurden. ASI muss zudem besser sicherstellen, dass die Gemeinden am Prüfungsprozess beteiligt werden und für mehr Transparenz bezüglich der Ergebnisse sorgen.

Einige Automobilkonzerne haben, seit sie von Human Rights Watch und Inclusive Development International kontaktiert wurden, Schritte unternommen, um Aluminium eine höhere Priorität bei der verantwortungsvollen Beschaffung einzuräumen...

21.06.2021 12:37
Strom-Studie: Versorger liefern bis zu 58% weniger Ökostrom als offiziell angegeben
Das geht aus einem neuen Gutachten des Hamburg Instituts im Auftrag des Klimaschutz-Unternehmens LichtBlick hervor. Das Gutachten untersucht die Folgen einer Reform, die im Mai im Bundestag verabschiedet wurde. Das neue Gesetz schafft mehr Transparenz bei der Stromkennzeichnung. Künftig müssen Versorger auf Kundenrechnungen und auf ihren Internetseiten vollständig ausweisen, aus welchen Quellen der Strom für ihre Kund*innen stammt.

Stromkennzeichnung

Das Hamburg Institut zeigt auf, wie sich der Unternehmens-Strommix von 30 Versorgern durch die Neuregelung verändert. So weist zum Beispiel E.ON aktuell einen Ökostrom-Anteil von insgesamt 56 Prozent aus – nach der Reform sind es noch 7 Prozent. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei anderen großen Versorgern: Bei EnBW fällt der Ökostrom-Anteil von 65 auf 13 Prozent, bei Vattenfall von 66 auf 15 Prozent und bei EWE von 51 auf 11 Prozent.

Auch die Angaben zum CO2-Ausstoß werden an den Stromeinkauf angepasst. Damit wird sichtbarer, welchen Klima-Fußabdruck der Strom eines Versorgers hat.
„Die Verantwortung für die jahrelange Verbrauchertäuschung liegt nicht bei den Versorgern, sondern beim Gesetzgeber. Es handelt sich bei der aktuellen Stromkennzeichnung um legales Greenwashing. Das ändert der Gesetzgeber jetzt“, erläutert Ralph Kampwirth, Unternehmenssprecher von LichtBlick. „Mit der Neuregelung wird künftig klar ersichtlich, ob Stromversorger ihren Strom aus Kohle, Atom oder erneuerbaren Quellen beziehen. Das schafft mehr Transparenz für Stromkund*innen.“

Die aktuellen Angaben sind für Verbraucher*innen nicht zu durchschauen und erwecken den Eindruck, ihr Versorger kaufe bereits große Mengen Ökostrom. Grund dafür ist die geltende Kennzeichnungspflicht. Sie vermischt Angaben zum Stromeinkauf des Versorgers mit einem rechnerisch ermittelten Wert, wie viel EEG-Strom Kunden über die Zahlung der EEG-Umlage finanzieren. Diese EEG-Angabe hat allerdings nichts mit der Stromlieferung zu tun.

Mit dieser irreführenden Kennzeichnung ist nach der Novelle Schluss – zumindest beim Unternehmens-Strommix, der den gesamten Stromeinkauf eines Versorgers abbildet. Bei den Angaben zu einzelnen Stromtarifen behält der Gesetzgeber die alte Regelung bei. „Umweltbewusste Verbraucher*innen sollten sich also künftig am Unternehmensmix orientieren, da der das tatsächliche Einkaufsverhalten des Stromversorgers widerspiegelt“, empfiehlt LichtBlick-Sprecher Ralph Kampwirth.

"Mit den größten Energieversorgern und ihren teils sehr kleinen Öko-Anteilen - die Übersicht"

20.05.2021 12:26
Amazon vernichtet offenbar weiterhin Neuware
"Eigentlich soll ein neues Gesetz die Vernichtung von Rücksendungen bei Versandhändlern verhindern. Doch laut Recherchen von Greenpeace setzt Amazon die umstrittene Praxis in Deutschland fort.

Der Onlineriese Amazon vernichtet laut Recherchen der Umweltorganisation Greenpeace auch weiterhin Neuware: Am Standort Winsen in Niedersachsen würden an acht Arbeitsplätzen originalverpackte Produkte für die Vernichtung vorsortiert, berichtete Greenpeace am Donnerstag. Das zeigten Filmaufnahmen eines Greenpeace-Rechercheurs, der mehrere Wochen als Angestellter im Amazon-Logistikzentrum in Winsen gearbeitet habe. Amazon nenne diese Arbeitsplätze »Destroy«-Stationen.
Der Konzern entsorge allein an diesem Standort jede Woche mindestens eine Lkw-Ladung nicht verkaufter Ware, von T-Shirts über Bücher bis hin zu Elektroartikeln, berichtete Greenpeace. Die Umweltorganisation kritisierte, dies geschehe, obwohl im vergangenen Jahr ein Gesetz gegen diese Form von Ressourcenverschwendung in Kraft getreten war. Die sogenannte Obhutspflicht soll verhindern, dass intakte Ware zerstört wird. Doch bisher werde die Obhutspflicht weder umgesetzt noch von den Behörden überwacht.

Amazon: Anteil liege im »Promillebereich«

Amazon erklärte gegenüber der ARD-Sendung »Panorama«, der Konzern arbeite daran, möglichst gar keine Produkte zu vernichten. »Nur wenn wir keine andere Möglichkeit mehr haben, geben wir Artikel zum Recycling oder zur Energierückgewinnung – oder als allerletzte Option – zur Deponierung«, zitierte die ARD am Donnerstag. Es handle sich dabei um wenige Produkte, der Anteil befinde sich im »Promillebereich«.

»Amazon setzt allein auf schnellen Umsatz und hält deshalb den Platz im Regal für wichtiger als das Produkt darin – eine klimaschädliche Ressourcenverschwendung«, kritisierte Greenpeace-Konsumexpertin Viola Wohlgemuth. Der Konzern nutze aus, dass es bisher an einer Rechtsverordnung zur Obhutspflicht fehlt, weshalb keine Strafen verhängt werden".

Was Spiegel Online hier heute zusammenfassend berichtet, lässt tief blicken. "Der Anteil liege im »Promillebereich«, meint Amazon zur Kritik von Panorama und Greenpeace. Ja, wenn das so ist: schmeißen wir doch alles mal weg, was im Promillebereich liegt. Wie das machen wir schon - gemessen am Ressourcenvorlumen der Erde und dem, was die Menschen weltweit so wegschmeißen? Na denn, dann können wir uns ja prima rausreden. Amazon sei dank sind wir auch nicht besser oder? Wenn wir die ganze Erde in Müll und Abfall verwandelt haben, werden wir merken, dass man auf ihr nicht mehr menschlich leben kann.

20.04.2021 13:15
Parship und die Unfairness
Wer beim Online-Partner­ver­mittler Parship seinen Vertrag frist­gerecht wider­ruft, wird trotzdem kräftig zur Kasse gebeten. Das stellt die Verbraucherberung fest und fordert die Mitglieder auf, sich Geld zurückzuholen. Dazu gibt es einen Musterbrief sowie eine Liste vieler erfolgreicher Klagen gegen Parship. Denn "das Unternehmen verlangt von ehemaligen Kunden einen überzogenen Wertersatz. Nach einem aktuellen Urteil des EuGH sollte damit jetzt Schluss sein. Betroffene können ihr Geld zurückholen – mit unserem Musterbrief!", schreibt die Verbraucherberatung. Und weiter:

"Das Wichtigste in Kürze

Die Partnervermittlung Parship verlangt hohe Summen als sogenannten Wertersatz, wenn Kunden ihren Vertrag binnen der möglichen Frist von 14 Tagen widerrufen.
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist der Wertersatz zeitanteilig, also anhand der Tage bis zur Erklärung des Widerrufs zu berechnen.
Betroffene können mit einem kostenlosen Musterbrief der Verbraucherzentrale Geld zurückfordern. Ansprüche gegenüber Parship verjähren nach drei Jahren.

Es geht um Fälle wie diesen: Frau L. widerrief ihre kosten­pflichtige Mitgliedschaft bei der Partnerbörse Parship nach zwölf Tagen und damit innerhalb der vorgeschriebenen Widerrufsfrist von zwei Wochen. Kurz danach erhielt sie zu ihrer Überraschung die Mitteilung, dass sie für zehn in der kurzen Zeit zustande gekommene Kontakte 306,99 Euro als sogenannten Wertersatz zahlen sollte, was 75 Prozent des Preises ihres ursprünglich abgeschlossenen Jahresabonnements von 409,32 Euro entsprach.

Wie Parship den Wertersatz berechnet

Laut Parship kann die Höhe des zu leistenden Wertersatzes wie im Fall von Frau L. bis zu 75 Prozent des Produktpreises für den vom Kunden abgeschlossenen Vertrag betragen. Berechnet wird die Höhe des Wertersatzes nach der Anzahl der bereits genutzten Kontakte auf der Online-Plattform und so schrieb Parship Folgendes an Frau L.:

„Wir garantieren Ihnen das Zustandekommen einer bestimmten Anzahl an Kontakten im Rahmen Ihrer Premium-Mitgliedschaft. Gemäß unseren Regelungen zum Wertersatz bei Widerruf ist die Anzahl der genutzten Kontakte die Basis für die Berechnung des Wertersatzes. Wir berechnen Ihnen also folgenden Wertersatz:

Ihr Produktpreis: 409,32 Euro
Laufzeit Ihres Produkts (Monate): 12
Laufzeitbezogene garantierte Kontakte: 7
Davon zustande gekommene Kontakte: 10
Bereits von Ihnen gezahlt: 409,32 Euro
Rückerstattung: 102,33 Euro

Den von Ihnen zu viel gezahlten Betrag erstatten wir Ihnen in den nächsten Tagen.“

Fordern Sie Ihr Geld zurück

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 8. Oktober 2020 macht der Berechnungsmethode, die wir schon seit Jahren kritisieren, den Garaus. Danach ist für den Wertersatz, den Verbraucher zu zahlen haben, wenn sie ihren Vertrag widerrufen, grundsätzlich die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen zu betrachten und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen.

Für den Fall von Frau L. würde dies bedeuten: Auf Basis der vertraglich vereinbarten Laufzeit ist zunächst der Tagespreis zu ermitteln. Das wären 1,12 Euro (409,32 Euro / 365 Tage). Für die gesamte Nutzungsdauer von zwölf Tagen müsste Frau L. laut EuGH lediglich 13,46 Euro zahlen. Parship forderte hingegen satte 306,99 Euro.

Wenn Sie genauso zur Kasse gebeten wurden wie Frau L., sollten Sie jetzt Ihr Geld von der Partnervermittlung zurückholen. Ermitteln Sie die berechtigte Höhe des Wertersatzes, indem Sie den für Ihren persönlichen Fall gültigen Tagespreis zugrunde legen. Schreiben Sie Parship (bzw. Elitepartner) an und fordern Sie das Unternehmen auf, den unberechtigterweise einbehaltenen Teil des Wertersatzes zurückzuzahlen.

Wichtig: Schicken Sie den Brief per Einschreiben, damit Sie nachweisen können, dass Ihr Schreiben tatsächlich eingegangen ist.

Sie wissen nicht, wie Sie das Schreiben an die Partnervermittlung formulieren sollen? Dann nutzen Sie einfach unseren kostenlosen Musterbrief. Viel Erfolg!

Verbraucher melden uns zurück, dass Parship den unberechtigterweise einbehaltenen Wertersatz tatsächlich ohne lange Diskussionen erstattet. Auf dem Konto von Frau M. gingen beispielsweise 471 Euro ein, nachdem sie unseren Brief an die Partnervermittlung geschickt und eine Frist gesetzt hatte.

Reichen Sie Klage eine

Erfolgt hingegen keine Erstattung innerhalb der Frist, sollten Sie Ihren Anspruch gerichtlich geltend machen. Die Mühe lohnt sich! Schon vor der Entscheidung des EuGH hat das Amtsgericht Hamburg das Unternehmen Parship regelmäßig verpflichtet, Geld an ehemalige Kunden zurückzuzahlen.

Die Spanne reicht von kleineren Beträgen um die 20 Euro bis hin zu höheren Summen von mehreren hundert Euro, die sogar zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozent von der Partnervermittlung beglichen werden müssen. Darüber hinaus musste Parship die Anwalts- und Gerichtskosten für die Verfahren in diesen Fällen komplett tragen".

"Zu Musterbrief und Liste der erfolgreichen Klagen"

30.03.2021 15:20
Greenwashing ist gängige Methode von Unternehmen
In Zeiten von Fridays for Future lohnt es sich für Unternehmen, sich ein grünes Image zu verpassen. Statt aber ernsthaft und vollständig umzudenken, greifen manche Konzerne gerne zum Pinsel und schwurbeln irgendwas von “Nachhaltigkeit hat für uns einen hohen Stellenwert” zusammen. Sie verwenden Werbegeldern um dem Konsumenten einzuhämmern wie umweltfreundlich man doch ist, bis er das ungeprüft glaubt. Das ist Greenwashing! Wir klären hier über die Praktiken auf und zeigen die bekanntesten Greenwashing Beispiele:

- Aldi vs. Plastik – 1 Cent für Obsttüten
- Round Table for sustainable Palmoil
- Primark cares – really?
- H&M Conscious Kollektion
- BCI: Grüne Sklavenarbeit
- Delfin-freundlicher Thunfischfang
- MSC Siegel für nachhaltigen Fischfang
- Green Cruising
- Bekanntestes Greenwashing Beispiel: Krombacher rettet den Regenwald

Mehr dazu auf
"Praxis des Greenwashing"
mit eingehender Erläuterung

und kritischer Check zu den Fairness-Versprechen von mehr als 50 großen Unternehmen und ihren Produkten:
"Über 50 Unternehmen und mehr als 200 Produkte im Fairness-Check"

18.03.2021 08:45
Viele Beschäftigte sind erschöpft - Faire Firmen punkten bei der Mitarbeiterschaft
Eine aktuellen Gallup-Umfrage zufolge fühlt sich jeder dritte Mitarbeiter ausgebrannt. Ein volles Jahr Pandemie hat den Beschäftigten viel abverlangt. Die Folgen: Der Anteil erschöpfter Mitarbeiter steigt dramatisch – und immer mehr denken an einen Jobwechsel. Doch erweist sich: Firmen, die sich vorbildlich um ihre Beschäfttigen kümmern, sie fair behandeln, was auch fürsorgliches Handeln einschließt, können die Bindung mit den Beschäftigten stärken. Firmen, die an den persönlichen Situationen der Beschäftigten eher desinteressiert sind, verlieren die Bindung. Die Angestellten gehen auf innere Distanz und erwägen nach der Pandemie den Arbeitgeberwechsel.

Viele Beschäftigte in Deutschland leiden unter den hohen beruflichen Belastungen in der Coronakrise: Der Anteil der Mitarbeiter, die sich aufgrund der Lage im Unternehmen erschöpft fühlen, ist binnen einem Jahr erheblich gestiegen.
35 Prozent der Befragten hatten im Herbst das Gefühl, aufgrund von Arbeitsstress ausgebrannt zu sein, wie das Beratungsunternehmen Gallup ermittelte. In den beiden Vorjahren waren es 26 Prozent. Die Gefahr für ein Burn-out-Syndrom sei damit deutlich gestiegen, sagte Gallup-Experte Marco Nink zu den Zahlen, die am Donnerstag vorgestellt werden sollten.

Stärkere Bereitschaft zum Jobwechsel

Die Umfrage fördert auch eine zweite Entwicklung zutage: Offenbar nimmt in der Krise die Identifikation mit dem Unternehmen und dem derzeitigen Arbeitsplatz ab. Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind demnach zu einem Jobwechsel bereit. Nur noch 61 Prozent wollen ohne Wenn und Aber in einem Jahr noch bei ihrer derzeitigen Firma arbeiten. Im Vorjahr waren es 73 Prozent, davor 78 Prozent. Besonders wechselwillig sind laut Nink Menschen in Kurzarbeit. »Kurzarbeit geht einher mit einer Eintrübung des Vertrauensverhältnisses und einem kritischeren Bild vom Arbeitgeber.«

Gleichzeitig bekommen viele Unternehmen auch gute Noten für ihre Reaktion auf die Pandemie. Jeweils deutliche Mehrheiten der Befragten sind mit der Geschäftsführung zufrieden, sehen klare Pläne für Schutzmaßnahmen in Bezug auf die Gesundheit und glauben, dass sich ihr Unternehmen für ihr Wohlergehen interessiere. »Die Coronakrise polarisiert die Arbeitnehmerschaft in Deutschland«, sagte Nink. Unternehmen, die sich um ihre Beschäftigten als Mensch und nicht nur als reine Arbeitskraft gekümmert hätten, profitierten von einer hohen emotionalen Mitarbeiterbindung.

Für die Umfrage wurden in der Zeit vom 19. November bis 18. Dezember 2020 insgesamt 1000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 18 Jahren telefonisch befragt.

Mit Material von beb/dpa.

24.02.2021 08:47
Krasse Unfairness gegenüber Steuerzahlern, Regierungen, Natur und klimabewusster Wirtschaft
Ein Vertrag, der verhindert, dass Regierungen dem Klimawandel entgegen wirken, und der Konzerne ermächtigt, extrem viel Steuergeld abzugreifen. Kann es das geben - einen umfassenden korrupten Vertragsskandal? Ja, gibt es, wie Investigative Europe und Buzzfeeds News schreiben:

>>Der kaum bekannte Energiecharta-Vertrag (ECT) könnte die EU-Staaten in den kommenden Jahren hunderte Milliarden Euro kosten und den Kampf gegen die Klimakrise entscheidend verzögern. Das ist das Ergebnis einer monatelangen "Investigate Europe"-Recherche. Unterschrieben haben den Energiecharta-Vertrag Anfang der Neunzigerjahre einst alle EU-Staaten, auch Deutschland.

Einst sollte die Charta Investitionen in neuen Demokratien mit unsicherer Rechtslage schützen. Doch der Vertragstext ist vage formuliert. Deshalb können ihn heute auch Energieunternehmen nutzen, um EU-Staaten vor internationalen Schiedsgerichten auf Milliarden-Entschädigung zu verklagen, wenn Gesetzgeber neue Klimamaßnahmen beschließen. In den kommenden Jahren könnten Europas Staaten Milliarden an Entschädigung zahlen müssen oder aus Angst davor, geplante Klimagesetze aufweichen. Das ist kein fernes Zukunftsszenario. Es hat bereits begonnen.

Die Recherche zeigt,

- dass das Klagepotenzial unter der Energiecharta immens ist. Das berechnete “Investigate Europe” erstmals. Demnach beträgt der Wert der Öl- und Gas-Felder, der Kohlekraftwerke und Kohleminen sowie der Gaskraftwerke, Pipelines und Flüssiggas-Terminals in der EU, Großbritannien sowie der Schweiz, die durch den Energiecharta-Vertrag geschützt werden, 344,6 Milliarden Euro. Je Einwohner entspricht das mehr als 660 Euro.

- dass vor allem der Wert der Ölfelder (126 Milliarden Euro) sowie der Pipelines (148 Milliarden Euro) zu dem hohen Wert fossiler Infrastruktur in Europa beiträgt. Das ist brisant, denn vielerorts in Europa werden momentan neue kostspielige Gas-Pipelines verlegt. Deren Investoren könnten künftig mit Hilfe der Energiecharta klagen, sollten Europas Staate aus dem Gas aussteigen und die Pipelines obsolet werden.

- dass der Energiecharta-Vertrag einseitig ist. Nur Unternehmen können Klagen. Der schwammige Vertragstext legt zudem nicht fest, wie Entschädigungen berechnet werden sollen. Investoren können auch auf entgangene künftige Gewinne klagen. Das kann zu noch höheren Entschädigungsansprüchen führen. Hat ein Schiedsgericht einen Staat verurteilt, kann dieser kaum Einspruch einlegen.

- dass allein die Möglichkeit einer Klage mittels der Energiecharta ausreicht, um von Staaten Entschädigung in Milliardenhöhe zu erhalten. Erst vor wenigen Wochen garantierte die Bundesregierung dem Kohle-Konzern Leag im Rahmen des Kohleausstiegs eine Entschädigung in Milliardenhöhe. Im Gegenzug gab Leag sein Recht auf mit Hilfe der Energiecharta zu klagen.

- dass bereits eine Klagedrohung ausreicht, um die Klimapolitik von Staaten zu beeinflussen. Als die französische Regierung 2017 ein ambitioniertes Ölförderverbot vorbereitete, teilte der kanadische Ölkonzern Vermilion der Regierung mit, dass die Maßnahme gegen die Energiecharta verstoße. Das finale Gesetz enthielt dann deutlich schwächere Regelungen.

- dass mittlerweile in zwei Dritteln der Energiecharta-Fälle Investoren aus der EU gegen EU-Staaten klagen, obwohl der Vertrag einst konstruiert wurde, um Investitionen in Staaten zu schützen mit unsicherer Rechtslage.

- dass EU-Staaten im Umgang mit der Energiecharta uneins. Gemeinsam einigten sie sich zwar darauf, dass eine Vertragsreform notwendig sei und beschlossen Mitte Februar dieses Jahres eine Verhandlungsposition für die EU-Kommission, doch damit sind nicht alle Staaten zufrieden.

- dass Frankreich und Spanien einen Austritt erwägen. Das zeigen Briefe, die Investigate Europe vorliegen.

- dass selbst mit einer gemeinsamen EU-Linie unklar ist, ob eine Reform des Energiecharta-Vertrags gelingt. Denn der müssten alle Vertragsparteien zustimmen. Japan kündigte bereits an, jegliche Änderungen zu blockieren.

- dass ein vollständiger sofortiger Austritt aus der Energiecharta unmöglich ist. Denn laut Vertragstext können Staaten nach Austritt 20 Jahre lang weiter weiter verklagt werden. Italien verließ den Vertrag 2016, wird aber seit 2017 von dem britischen Öl-Konzern Rockhopper verklagt. Die italienische Regierung hatte ein Verbot von küstennaher Ölförderung beschlossen.

- dass an den Schiedsgerichten ein kleiner Zirkel von Anwälten tätig ist, die mitunter in den Verfahren mal als Schiedsrichter und mal als Anwalt fossiler Konzerne arbeiten. Im Gespräch mit “Investigate Europe” nennt ein Schiedsrichter dies unethisch. Die Gehälter der Schiedsrichter sind zudem nahezu unbegrenzt und werden auch aus Steuergeldern bezahlt.

- dass selbst Juristen das System der Schiedsrichter und des Energiecharta-Vertrags längst kritisch sehen. In Gesprächen mit “Investigate Europe” bezeichneten sie dieses als “russisches Roulette” sowie als “historischen Fehler”.

- dass Mitarbeiter in der Verwaltung des Energiecharta-Vertrages, dem sogenannten Sekretariat, enge Verbindungen zu fossilen Konzernen pflegen. Dabei sollen sie im Auftrag der Vertragsstaaten über die Energiecharta wachen, die Modernisierung betreuen sowie um neue Mitgliedsstaaten werben.

- dass die Vertragsstaaten im Dezember 2019 zwar eine “vorübergehende Pause bei der Ausstellung von Einladungen zum Beitritt zum ECT” beschlossen haben, doch unklar ist, ob ein solcher Expansionsstopp tatsächlich erfolgt. Im Budget des Sekretariats für das Jahr 2021 wird weiterhin rund eine halbe Million Euro für Erweiterungspolitik veranschlagt. Momentan befinden sich 13 afrikanische Staaten im Beitrittsprozess. Kritiker warnen, dass sobald diese Staaten Vertragsmitglieder seien, eine “hohe Wahrscheinlichkeit” bestehe, dass sie ebenfalls verklagt werden.<<

Kommentar in der Frankfurter Rundschau von Joachim Wille dazu:

>>Der Eine Anpassung des Vertrags über die Energiecharta an das „Green Deal“-Projekt der EU ist unmöglich. Es ist notwendig, aus dem Vertrag auszusteigen. Energiecharta-Vertrag? Nie gehört. Oder das Kürzel ECT? Auch nicht? So geht es vielen, eigentlich fast allen. Und doch ist der ECT ein großer Stolperstein auf dem Weg in eine klimafreundliche Zukunft der Europäischen Union, der möglichst schnell aus dem Weg geräumt werden muss.
Eigentlich war der Vertrag in den 90ern erfunden worden, um Investitionen westlicher Unternehmen im Ex-Ostblock vor Willkürmaßnahmen dortiger Regierungen zu schützen. Inzwischen nützen Konzerne das Instrument auch, um gegen politische Entscheidungen von EU-Staaten wie Atomausstieg oder Klimaschutz vorzugehen. Bekannteste Beispiele hierzulande: Die Klage von Vattenfall gegen die Abschaltung von zwei AKW und die von RWE gegen den niederländischen Kohleausstieg. Beides potenzielle Milliardengräber - für die Steuerzahler:innen.
Die aktuelle Recherche von Investigate Europe und BuzzFeed News Deutschland zeigt, dass die Bundesregierung offenbar aus Sorge vor einer Energiecharta-Klage eine weit überhöhte Entschädigung an den tschechischen Leag-Konzern zahlt. Das unterstreicht die Notwendigkeit, endlich aus dem ECT auszusteigen. Denn eine Anpassung dieses Vertrags an das „Green Deal“-Projekt der EU ist offensichtlich unmöglich. Der ECT ist ein Black Deal.<<

04.01.2021 10:28
Bei Problemen mit Amazon wird Amazon zum Problem
Es geschah Ende 2020. Aus dem Amazon-Fan Rainer Hank - bis zur Rente leitender Wirtschaftsredakteur der FAZ - wurde ein scharfer, enttäuschter Amazon-Kritiker. Und das passsiertes so, wie er in der FAZ am 3.1.2021 schrieb: "In den letzten Wochen des Jahres 2020 habe ich den Glauben an Amazon verloren.

Und das kam so. Einige kurz hintereinander erfolgte Abbuchungen von Anfang November auf meiner Kreditkartenabrechnung, keine großen Beträge, kamen mir spanisch vor. Ich hatte die Befürchtung, ein Betrüger müsse mein Amazon-Konto gehackt haben. Solche Sachen liest man ja; warum sollte ich verschont bleiben. Ich bat meine Bank, das mutmaßlich betrügerisch abgebuchte Geld zurückzufordern. Das funktionierte binnen eines Tages reibungslos.

Tags darauf musste ich feststellen, dass es keinen Hacker gab, ich bloß bei der coronabedingt vielfältigen Online-Bestellerei den Überblick über meine Käufe verloren hatte. So waren mir etwa die Fahrradhandschuhe für 10,97 Euro nicht mehr präsent. Mein Fehler, gewiss – aber ein Fehler, den ich mir durchgehen lasse. Kann passieren.
Amazon ächtete mich

Danach lernte ich Amazon von einer anderen Seite kennen. Wie naiv war es von mir zu meinen, die Sache lasse sich mit einer korrigierenden E-Mail an Amazon aus der Welt schaffen. Erst einmal reagierte das Unternehmen gar nicht. Dann erhielt ich die Mitteilung, mein Amazon-Konto sei gesperrt, angeblich, um mich zu schützen. Einige Tage später wurde ich aufgefordert, ich solle die Nummer einer Kreditkarte angeben, um die Bestellungen zu bezahlen, die aber nicht jene Kreditkarte sein dürfe, von der ursprünglich die Beträge abgebucht worden seien; sie müsse aber gleichwohl auf meinem Amazon-Konto hinterlegt sein. Das werde schwierig, antwortete ich, denn es sei keine andere Kreditkarte hinterlegt, ich könne das aber jetzt gerne nachholen. Nein, das sei nicht möglich, wurde mir einige Tage später mitgeteilt.

Da schwante mir: Die Sache wird sich ziehen. Ich kürze ab: Amazon ächtete mich und schloss mich wochenlang aus der Community aus. Am anderen Ende der Telefon-Hotline traf ich zwar immer auf freundliche Call-Center-Mitarbeiterinnen, die stets versicherten, mein Anliegen weiterzugeben. Doch ohne Erfolg.

Ich wäre bereit gewesen, das Geld persönlich mit Schufa-Zertifikat vorbeizubringen oder als Einschreiben an Jeff Bezos nach Seattle zu schicken. Es nützte alles nichts. Wie Hohn kam es mir vor, dass die in nicht leicht zu verstehendem Deutsch formulierten E-Mails von „Kontospezialist. Amazon.de“ mit dem Hinweis enden: „Unser Ziel: das kundenfreundlichste Unternehmen der Welt zu sein. Ihr Feedback hilft uns dabei.“

Ich höre schon die Häme der Leser: Das kommt davon, wenn man sich auf Amazon verlässt. Und ich höre den Vorwurf: Hier wird ein einmaliger Vorfall, für dessen Eintreten ich auch noch selbst verantwortlich bin, generalisiert und zum Vertrauens-Super-GAU hochstilisiert. Diesen Verdacht zu entkräften half mir – wie stets – das F.A.Z.-Archiv. Dort findet sich genügend Material meiner Leidensgenossen, alle mit dem Tenor: Wehe dem, der den Automatismus von Amazon stört. Der wird bestraft.
Marktmacht ist verführerisch und bequem für den Kunden

Als dilettierender Kartellexperte hätte ich vor diesem ärgerlichen Vorfall stets behauptet, Amazon sei nicht gefährlich trotz seiner inzwischen 80 Prozent Marktanteile im Online-Handel. Denn das Unternehmen nützt seine Macht ganz offensichtlich nicht aus, mir höhere Preise abzuknöpfen. Der Erfolg verdankt sich seiner auf Netzwerkeffekten beruhenden Leistung – mit freundlicher Unterstützung durch die aktuelle Seuche, die es uns verbietet, beim stationären Händler einzukaufen. Doch jetzt sehe ich: Preissetzungsmacht ist nicht der einzige Schaden, den ein Monopolist den Menschen zufügt. Ich wurde Opfer einer Mischung aus Bürokratismus und Desinteresse am einzelnen Kunden.

Der Monopolist braucht sich – allen Marketingsprüchen zum Trotz – nicht mehr besonders anzustrengen. Bei einem Rekordumsatz von hochgerechnet etwa 380 Milliarden Dollar im Jahr 2020 und einem Gewinn allein in den ersten drei Quartalen von 14 Milliarden Dollar kommt es auf den Kunden Hank nun wirklich nicht an. Abwandern wird er nicht, er hat ja keine Alternative".

Das stimmt nun allerdings nicht; es ist nur etwas aufwändiger: etwa 20 mehr Klicks mit dem Finger, etwas mehr Grips-Einatz. Was ist daran wirklich mühsam? Es soll Menschen geben, die mehr tun müssen, um Gewünschtes zu bekommen...

14.12.2020 09:27
Wie fair ist das Sandmännchen? Faire Kuscheltier und faires Spielzeug durch die Fair Toys Organisation (FTO)
"Das Sandmännchen ist fair", stellt Hannes Koch in der Frankfurter Rundschau heute fest. Und weiter: "Was soll man von dem seit 1959 bei Kindern und Eltern beliebten Gute-Nacht-Begleiter auch sonst denken? Heute kommt die Figur in ihrer Plüsch-Puppen-Variante zwar aus China – über schlechte Qualität, gefährliche Materialien oder miese Arbeitsbedingungen in den Fabriken müsse man sich aber keine Sorgen machen, heißt es bei der Firma Heunec im bayerischen Neustadt unweit Coburg.

Zwei Millionen Plüschtiere und -Puppen lässt das Unternehmen jährlich in China fertigen, auch das Sandmännchen. Dass die Bedingungen dort in Ordnung sind, ist Firmenchefin Barbara Fehn-Dransfeld ein Anliegen. „Unsere Partner in China bestätigen uns, dass sie ihren Beschäftigten beispielsweise deutlich mehr zahlen als die niedrigen, staatlich festgesetzten Mindestlöhne“, sagt die Heunec-Miteigentümerin.

Damit die Spielzeugbranche insgesamt höhere Standards akzeptiert, hat Fehn-Dransfeld die Fair Toys Organisation (FTO) mitgegründet und arbeitet dort im Vereinsvorstand. Beigetreten sind bisher zehn Unternehmen, darunter Fischertechnik und Zapf Creation. Das ist jedoch nur ein Anfang: Der Marktanteil dieser Firmen liegt deutlich unter zehn Prozent der Branche in Deutschland. Mit zweistelligen Millionenumsätzen und 30 Leuten spielt Heunec in der Regionalliga der hiesigen Spielzeugindustrie.

Der existenzsichernde Lohn ist ein wichtiger Punkt im Verhaltenskodex der Organisation. Wer der FTO beitritt, verpflichtet sich dem Ziel, dass die Beschäftigten der ausländischen Zulieferfabriken mehr Geld bekommen als die meist spärlichen Mindestlöhne. Genaue Zahlen enthält der Kodex jedoch nicht. Weitere Regeln besagen beispielsweise: Das Personal soll regelmäßig nicht länger als 48 Stunden wöchentlich arbeiten, ein freier Tag pro Woche ist Pflicht. Gewerkschaften dürfen gegründet werden.
„Die Mitgliedsfirmen sind verpflichtet, sich den Zielen aus dem Verhaltenskodex fortschreitend anzunähern“, erklärt FTO-Initiator Maik Pflaum von der Christlichen Initiative Romero (CIR) in Nürnberg. „Sie müssen konkrete Schritte benennen und diese auch nachweisbar umsetzen.“ Die Organisation beschreibt den Weg, weiß aber, dass es selbst bei den Mitgliedsfirmen durchaus Defizite gebe. „Wer behauptet, Arbeitsrechtsverletzungen zu 100 Prozent ausschließen zu können, ist unehrlich“, heißt es auf ihrer Internetseite.

Fehn-Dransfeld räumt ein Spannungsverhältnis auch in ihrem Unternehmen ein. „Die Entlohnung in den chinesischen Firmen, die Heunec-Produkte fertigen, ist existenzsichernd“, sagt sie einerseits. Andererseits kontrolliert der deutsche Betrieb diese Informationen aus China bisher weder selbst, noch lässt er sie von beauftragten Zertifizierungsorganisationen überprüfen. „Das Thema steht aber auf der Agenda“, sagt Fehn-Dransfeld. In Zukunft wird das nicht mehr reichen. Dann müssen Heunec und andere Firmen genauer hinsehen, die Bedingungen in ihren Lieferketten dokumentieren, sowie Realität und Ziele zur Deckung bringen.

Das macht Arbeit und kostet Geld. Warum unterzieht Heunec sich dieser Mühe? Vor allem ärgere sie sich über die schlechten Arbeitsbedingungen in vielen chinesischen Fabriken, auf die die CIR Jahr für Jahr in ihrem kritischen Branchenreport (siehe Kasten) hinweise, sagt Fehn-Dransfeld. Denn damit drohe mittelbar auch ein schlechtes Licht auf ihren eigenen Betrieb zu fallen. „Die Kunden lesen ja auf unseren Etiketten ‚Made in China‘.“ Die Firmenchefin hat Angst vor einem Imageschaden.

Kann aber – andersherum betrachtet – die hohe ökologische und soziale Qualität zum Verkaufsargument werden? Suchen Verbraucherinnen und Verbraucher gezielt solche Produkte, so dass sich die Mitgliedschaft in der FTO rechnet? Möglich ist das, wie Firmenbeispiele aus der Bekleidungs- und Lebensmittelwirtschaft zeigen. Andererseits ist der Anteil nachhaltiger Produkte im Vergleich zum gesamten Einzelhandelsumsatz noch sehr gering: Mehrheitlich interessieren sich die Konsumenten höchstens theoretisch für den ethischen Mehrwert der gekauften Artikel.

Ob sich das ändert, wird man im Spielzeugmarkt erst in ein paar Jahren erfahren. „Wenn die Unternehmen ihre Zusagen einhalten und die nötige Punktzahl im FTO-Check erreichen, dürfen sie mit dem Logo der FTO an ihren Produkten in den Geschäften werben“, sagt Maik Pflaum. In frühestens zwei Jahren können die Kundinnen und Kunden auf diese Art entscheiden, ob sie fairen Plüschtieren den Vorzug vor konventionell gefertigten geben.

Wichtig erscheint allerdings auch das Marktsegment der öffentlichen Beschaffung. Die Stadt Nürnberg – Ort der alljährlichen Spielzeugmesse – ist schon jetzt FTO-Mitglied. „Ich kann mir gut vorstellen, dass der Nürnberger Stadtrat künftig beschließt, für öffentliche Einrichtungen nur noch Produkte mit dem FTO-Siegel zu kaufen“, vermutet Pflaum, der als parteiloser Abgeordneter der Grünen selbst in dem Gremium sitzt. Andere Kommunen mögen dem Beispiel folgen und für ihre Kindertagesstätten dann ausschließlich faires Spielzeug einkaufen.

Initiativen wie die FTO liegen in jedem Fall im Trend. Mit ihrem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte übt die Bundesregierung sanften Druck auf die Unternehmen aus. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) plädieren außerdem für ein Lieferkettengesetz, damit hiesige Unternehmen die Arbeitsbedingungen in ihren ausländischen Zulieferfabriken verbessern.

Viele Firmen warten ab, manche Wirtschaftsverbände treten auf die Bremse, andere versuchen hingegen, das Beste aus der Entwicklung zu machen. So ist der Bundesverband der Spielwarenindustrie (DVSI), der rund 240 mittlere und große Unternehmen repräsentiert, der FTO schon beigetreten. Und eine Sprecherin des Herstellers Simba-Dickie, eine der Großen der Branche, sagt: „Wir stehen der Fair Toys Organisation offen gegenüber, sind in engem Kontakt und überlegen, dort zukünftig Mitglied zu werden.“"

02.11.2020 12:23
Schokolade-Unternehmen brechen ihr Versprechen
Verbraucher in Deutschland müssen nach Darstellung von Entwicklungsorganisationen weiter davon ausgehen, dass in Schokoladentafeln ausbeuterische Kinderarbeit steckt. Die Entwicklungsorganisation Inkota und das Forum Fairer Handel forderten deshalb am Dienstag in Berlin von der Bundesregierung ein ambitioniertes Lieferkettengesetz, das Unternehmen haftbar macht, wenn sie eine Mitverantwortung für ausbeuterische Kinderarbeit tragen.

Die beiden Organisationen verwiesen auf eine im Auftrag des US-Arbeitsministeriums erstellte und am Montag veröffentlichte Studie, nach der die Schokoladenindustrie ihr Versprechen gebrochen habe, die Kinderarbeit auf Kakaoplantagen bis 2020 um 70 Prozent zu verringern. Demnach arbeiten noch immer rund 1,5 Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen auf Kakaoplantagen in Westafrika, wo rund 70 Prozent des in Deutschland verarbeiteten Kakaos angebaut werden.

Insbesondere der Anteil der Kinder, die gefährlichen Chemikalien ausgesetzt sind, sei in den vergangenen Jahren sogar stark gestiegen, betonen die Entwicklungsorganisationen.

„Die Schokoladenindustrie hat ihr Versprechen gebrochen“, kritisierte Johannes Schorling, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte beim Inkota-Netzwerk. Programme zur Bekämpfung der Kinderarbeit erreichten bisher nur einen kleinen Teil der Bauern, auch weil Unternehmen die hohen Kosten für solche Programme scheuten. „Menschenrechte gibt es aber nicht zum Nulltarif. Unternehmen müssen bereit sein, die nötigen Kosten für die Vermeidung von Kinderarbeit zu tragen – dazu gehört auch die Zahlung eines existenzsichernden Kakaopreises“, so Schorling.

Bereits 2001 hatten Schokoladenhersteller wie Mars und Nestlé im Harkin-Engel-Protokoll versprochen, die schlimmsten Formen der Kinderarbeit bis 2005 zu beenden. Das Ziel wurde in der Zwischenzeit mehrfach revidiert. Aktuell strebt die Industrie eine Reduzierung der Kinderarbeit um 70 Prozent bis 2020 an.

„Armut ist eine der Hauptursachen für Kinderarbeit“, sagt Andrea Fütterer, Vorstandsvorsitzende des Forum Fairer Handel. „Wir brauchen existenzsichernde Preise, die die Produktions- und Lebenshaltungskosten der Kakaobäuerinnen decken. Hier setzt auch der Faire Handel an.“ Weil viele Unternehmen durch die Missachtung von Menschenrechten Wettbewerbsvorteile genießen würden, stießen Fairer-Handel-Akteure jedoch an ihre Grenzen. „Es ist an der Zeit, einheitliche Regeln für alle Unternehmen festzuschreiben“, so Fütterer.

kna/FR 20.10.20

16.10.2020 10:04
Bei Amazon sieht der Vorgesetztes alles - unfaire Arbeitssituation durch Dauerdruck
Amazon ist einer der großen Corona-Gewinner. Die Umsätze steigen rasant und auch die Aktie befindet sich auf einem Rekordniveau: Seit Mitte März hat sich ihr Wert fast verdoppelt. Weniger rosig ist die Situation für viele Beschäftigte: Recherchen zeigen, dass sie engmaschig überwacht werden, damit die Produktivität steigt.

Als Greenpeace zu Umweltproblemen bei Amazon recherchierte, stieß die Organisation auf diese Form der Überwachung und machte die Dokumente dem NDR zugänglich. Sie belegen erstmalig: Amazon kontrolliert permanent die Leistung der Arbeiter.

Dokumente, die dem NDR vorliegen, belegen erstmalig: Amazon kontrolliert permanent die Leistung der Arbeiter. Genutzt wird dafür eine Software des Warenwirtschaftssystems.

Und so funktioniert das Programm zur Leistungskontrolle: Der Amazon-Mitarbeiter scannt jedes Teil, das er einlagert, heraussucht oder in ein Paket packt. Dieser Scan-Vorgang wird sekundengenau aufgezeichnet und einem Vorarbeiter angezeigt. So kann er jeden Arbeitsschritt der Beschäftigten überwachen und sehen, ob ein bestimmter Arbeiter auch genügend Pakete, um die durchschnittliche Rate zu erfüllen. Er sieht auf seinem Display auch, wenn jemand mal für wenige Minuten nicht arbeitet. Geht es insgesamt nicht schnell genug, greift der Vorarbeiter ein.

Vorarbeiter bestätigt ständige Kontrolle
Das bestätigt ein Vorarbeiter, der in einem der Amazon-Versandlager in Deutschland arbeitet und sich gegenüber Panorama anonym äußert: "Dann gucke ich vor Ort, was das Problem ist. Unterhält sich der Mitarbeiter vielleicht zu lange, ist er nicht am Platz, zu oft auf der Toilette?" Amazon schreibt uns, das System helfe "Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beim Anlernen neuer Prozesse" und gebe bei Bedarf "Hilfestellungen".

Ob diese engmaschige, lückenlose Überwachung rechtlich einwandfrei ist, ist aber umstritten. In Niedersachsen läuft deswegen ein Kontrollverfahren der Datenschutzbehörde. Amazon schreibt uns auf Nachfrage: "Nach unserer Einschätzung sind diese Systeme im Einklang mit den Verordnungen und Gesetzen in Deutschland und in der EU." Man nutze das Programm als "Warenwirtschaftssystem, mit dem wir die Abläufe für Kundenbestellungen in unserem Netzwerk planen."

Rate steigt kontinuierlich

Auf dieser Grundlage werden die Arbeiter offenbar verglichen. Obwohl es offiziell keine Akkordarbeit gibt, entsteht so defacto ein starker Druck, so viele Pakete wie möglich zu bearbeiten. Denn: Wer am wenigsten leistet, muss um die Verlängerung des häufig befristeten Vertrags fürchten.

Am Ende entscheide auch die durch die Software gemessene Schnelligkeit, wer beschäftigt wird oder nicht, so der Vorarbeiter. Die Schnellen bleiben, die eher Langsamen müssen gehen. Die Folge: eine kontinuierlich steigende Durchschnitts-Rate, an der sich die Beschäftigten zu orientieren haben. Wer heute noch schnell genug ist, um weiter beschäftigt zu werden, kann schon morgen zu langsam sein - und damit vor dem Aus stehen.

Das Ergebnis, so der Vorarbeiter, führt zu den so genannten "Release Days" - übersetzt etwa "Tage der Freisetzung". An diesen Tagen wird den Mitarbeitern mitgeteilt, ob ihr befristeter Vertrag ausläuft oder verlängert wird. Der Vorarbeiter berichtet: "Man hat die Unterlagen vor sich, die Security steht bereit, falls es Probleme gibt. Denn wenn mehrere Leute gleichzeitig gehen mit schlechter Laune, kann es natürlich auch mal zu verbalen Auseinandersetzungen oder auch zu Handgreiflichkeiten kommen."

Ehemalige Beschäftigte bestätigt Überwachung

Fatma Körugallari hat die Überwachung am eigenen Leib erfahren. Sie hat fast zwei Jahre im großen Versandlager im niedersächsischen Winsen (Luhe) gearbeitet, wurde sogar in den Betriebsrat gewählt. Der Druck war immer zu spüren, erinnert sich die heute 60-Jährige. Wenn die Rate mal fiel, sei sie sofort ermahnt worden. "Ich wurde dann zum Beispiel gefragt, wo ich um eine bestimmte Uhrzeit war", sagt sie.

Kurz nach Weihnachten 2018 hat sie dann erst erfahren, dass ihr nur wenige Tage später endender Vertrag nicht verlängert wird. Zum plötzlichen Abschied habe es lediglich ein kühles Dankeschön und eine Tafel Schokolade gegeben. Amazon möchte diesen Fall nicht kommentieren.

Arbeitssoziologe: Fluktuation und Kontrolle Teil des Amazon-Modells

Für Peter Birke von der Universität Göttingen sind die ständige Überprüfung der Arbeiter und befristete Verträge Teil des Beschäftigungsmodells bei Amazon. "Solange die Leute noch befristet sind, ist die Sanktionsmöglichkeit des Betriebs groß, weil die Beschäftigten ohne Angabe von Gründen nicht weiter angestellt werden müssen", so der Arbeitssoziologe.

von Sebastian Friedrich und Johannes
Jolmes von Panorama für die ARD/1. Programm

"Der TV-Beitrag"

30.07.2020 07:20
Politik will mehr Fairness erzwingen
Die Politik handelt, um mehr Fairness im Umgang mit den Beschäftigten in der Fleischindustrie vorzugeben. Das Bundeskabinett hat Regelungen beschlossen, die die Ausbeutung von Beschäftigten verhindern sollen. Die Frankfurter Rundschau erläutert, wo die Tücken der Bestimmungen liegen und welche Nebenwirkungen zu erwarten sind:

„Die Bundesregierung nimmt die Fleischindustrie an die Leine: Im Kerngeschäft sind Werkverträge künftig verboten, die Wohnsituation der Mitarbeiter muss verbessert werden.

Wie will die Bundesregierung Lohndrückerei und üble Wohnbedingungen für die Arbeitnehmer in der Fleischindustrie künftig unterbinden?

Das wichtigste Element ist das Verbot von Werkverträgen im sogenannten Kerngeschäft der Fleischindustrie (Schlachten, Zerlegen und Verarbeiten des Fleischs) vom 1. Januar 2021 an für Firmen mit mehr als 49 Beschäftigten. Große Metzgereien und Handwerksbetriebe sind von den Bestimmungen ausgenommen.

Sind Werkverträge gleichbedeutend mit Ausbeutung?

Nein. Werkverträge sind ein bewährtes und wichtiges Instrument im unternehmerischen Handeln. Das Grundprinzip: Fachkräfte werden gegen Bezahlung mit dem selbstständigen Erstellen eines „Werks“ beauftragt – das kann eine neue Heizung, Software, eine Skulptur, Mobiliar oder ein Gebäude sein. Die Auftragnehmer müssen dafür das gesamte unternehmerische Risiko tragen. Werkverträge sind aber extrem anfällig für Missbrauch – seit den 1970ern laufen die Auseinandersetzungen über Scheinverträge. Sie werden von Unternehmen genutzt, um Lohnkosten zu drücken.

Warum spielt die Fleischindustrie dabei eine so große Rolle?

Die Tätigkeiten in Schlachthöfen sind extrem hart und arbeitsintensiv. In den Betrieben arbeiten seit der Ost-Erweiterung der EU im Jahr 2004 Tausende Beschäftigte aus Südosteuropa – in Bulgarien und Rumänien ist das Lohnniveau besonders niedrig. Fleischbetriebe wie die Firma Tönnies haben in den vergangenen Jahren Praktiken entwickelt, mit denen Grauzonen ausgenutzt und Arbeitsschutzregelungen umgangen werden. Selbstverpflichtungen wurden nicht eingehalten. Es wurden Ketten von Subunternehmen geschaffen, was dazu führte, dass Tönnies für das, was in seinen Schlachthäusern geschieht, nicht mehr verantwortlich ist. Unter anderem wird der gesetzliche Mindestlohn mit langen Arbeitszeiten ausgehebelt. Hinzu kommt, dass die Arbeiter überteuerte Mieten für eine beengte Unterbringung in oft völlig verwahrlosten Unterkünften zahlen müssen.

Was hat das alles mit der Corona-Pandemie zu tun?

In mehreren Schlachtbetrieben hat es unter den Beschäftigten Infektionen in großer Zahl gegeben. Der Wirtschaftsrat der CDU weist aber darauf hin, dass es zu den Ansteckungen durch Aerosole über eine Distanz von bis zu acht Metern gekommen sei. Dieses Problem werde durch ein Verbot von Werkverträgen und Zeitarbeit nicht gelöst. Für Gewerkschafter ist hingegen klar, dass üble Arbeits- und Wohnbedingungen zur Verbreitung des Virus entscheidend beigetragen haben.

Was wird jetzt anders?

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte am Mittwoch, mit dem neuen Arbeitsschutzkontrollgesetz werde der „Missbrauch von Werkverträgen“ nun beendet: Im Kerngeschäft dürfen nur noch Beschäftigte arbeiten, die bei den Schlachthofbetreibern direkt angestellt sind. Um ein Ausweichen der Unternehmen auf Leiharbeit zu verhindern, ist vom 1. April 2021 an auch Leiharbeit verboten. Die Betriebe müssen Arbeitszeiten digital erfassen, um die Einhaltung des Mindestlohns zu gewährleisten. Das Einhalten der Regeln wird durch verstärkte Kontrollen der Arbeitsschutzbehörden überprüft – und zwar auch in Betrieben anderer Branchen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Betriebsbesichtigungen durch die Gewerbeaufsicht wegen Geldknappheit und Personalnot halbiert.

Werden Fleisch und Wurst künftig teurer?

Der Arbeitsmarktexperte Gerhard Bosch hat im Deutschlandfunk darauf aufmerksam gemacht, dass das Werkvertragssystem den Schlachtbetrieben große Profite ermöglicht habe. Wie sich die Preise für die Verbraucher entwickeln, wird auch ganz maßgeblich durch das Marktgeschehen bestimmt. Bosch rechnet nicht mit einem großen Preissprung. Verbraucherschützer gehen von Aufschlägen im einstelligen Prozentbereich aus. Der starke Wettbewerb im Lebensmitteleinzelhandel kann aber auch bewirken, dass die Gewinne der Fleischindustrie sinken – inklusive der Erträge der Bauern, die Schweine und Rinder züchten.

Was soll in den Unterkünften anders werden?

Heil will neue, generell geltende Mindeststandards für die Ausstattung der Unterkünfte festlegen – auch für Wohnheime außerhalb der Betriebsgelände. Um dies überprüfen zu können, sollen die Unternehmen verpflichtet werden, die Behörden über die Wohn- und Einsatzorte der Arbeitskräfte zu informieren. Anja Piel vom DGB-Vorstand kritisiert, dass eine Absicherung gegen überteuerte Mieten fehle. Hierfür müssten verbindliche Obergrenzen eingeführt werden.

Werden nun alle Schlupflöcher gestopft?

DGB-Vorständin Piel warnt: Es müssten ausdrücklich auch konzerninterne Werkverträge und Leiharbeitskonstruktionen verboten werden. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die Fleischbetriebe künftig einfach mit eigenen Tochterfirmen operierten. Zudem müsse es in den Fleischbetrieben Betriebsräte und tariflich geregelte Arbeitsbedingungen geben. Der Bundesverband der Arbeitgeberverbände (BDA) warnt indes vor einer Überregulierung und verweist auf bereits bestehende Bestimmungen gegen den Missbrauch von Werkverträgen. Zudem habe die Fleischwirtschaft sich bereits bereiterklärt, aus dem Werkvertragssystem auszusteigen. Die Arbeitgeber stören sich auch an dem geplanten Verbot der Zeitarbeit im Kerngeschäft der Schlachthöfe. Verstöße in Zusammenhang mit Zeitarbeit seien nicht bekannt. Die Arbeitgeber halten die zeitlich befristete Beschäftigung für notwendig, um Auftragsspitzen abzufedern“.

In der Frankfurter Rundschau vom 30.7.2020 von Frank-Thomas Wenzel

11.07.2020 15:58
Hunger statt Hilfe - krasse Unfairness gegenüber Bauern und Bevölkerung
Die sehr investigative Journalistin und Autorin Kathrin Hartmann zeigt in der Frankfurter Rundschau, wie die „Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika“ sich in ihren falschen Versprechen verheddert. Und oft das Gegenteil erreicht, was sie zu erreichen vorgibt. Dazu stellt sich eine Studie, herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Brot für die Welt, Fian, Forum Umwelt und Entwicklung und Inkota in Kooperation mit Partnerorganisationen aus Mali, Kenia, Sambia und Tansania vor und ordnet sie wie folgt ein:

„Wenn die Vereinten Nationen am Montag die Zahlen zum Welthunger vorstellen, wird dieser zum fünften Mal in Folge gestiegen sein. In den vergangenen Tagen schon hatte die Welthungerhilfe vor einem massiven Anstieg hungernder Menschen infolge der Corona-Krise gewarnt. Ihre Zahl, so die Hilfsorganisation, könnte auf eine Milliarde Menschen ansteigen – besonders auch in Afrika.

Dort hatte die „Allianz für eine Grüne Revolution Afrika“ (Agra) Großes versprochen: Bis 2020 wollte die privat-öffentliche Initiative die Ernährungsunsicherheit in 20 afrikanischen Ländern halbieren und die Einkommen sowie die Produktivität von 30 Millionen Kleinbäuerinnen und -bauern verdoppeln. Dafür sollte eine „Grüne Revolution“ sorgen – mit lizenziertem Saatgut, synthetischen Düngern und Pestiziden sowie der Integration in globale Lieferketten.
Die Bilanz ist indes fatal: In den 13 Schwerpunktländern ist seit Beginn von Agra die Zahl der Hungernden um ein Drittel auf 130 Millionen Menschen gestiegen. Bei den Grundnahrungsmitteln insgesamt sind die Erträge in den Agra-Schwerpunktländern in zwölf Jahren im Durchschnitt nur um 18 Prozent gestiegen. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 1,5 Prozent – und liegt damit auf einem fast identischen Niveau wie in der Zeit vor Agra.

Die Monokulturen, die Agra durchgesetzt hat, etwa von Mais, haben lokale Sorten wie Sorghum, Hirse, Maniok, Süßkartoffeln und Erdnüsse verdrängt. Das hat die Ernährungsvielfalt eingeschränkt und die Ernährungsunsicherheit verschärft. Zu diesem Ergebnis kommt der Bericht „Falsche Versprechen: Die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (Agra)“, herausgegeben von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Brot für die Welt, Fian, Forum Umwelt und Entwicklung und Inkota in Kooperation mit Partnerorganisationen aus Mali, Kenia, Sambia und Tansania. Jan Urhahn, Agrarexperte bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, nennt sie „ein Armutszeugnis für eine Initiative, die mit ihrem Narrativ der Grünen Revolution erheblichen Einfluss auf die Agrarpolitiken in vielen Ländern hat“.
Die „Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika“ wurde 2006 von der Bill & Melinda-Gates-Stiftung und der Rockefeller Foundation gegründet. Fast eine Milliarde US-Dollar hat Agra an Zuschüssen erhalten – etwa von den USA, Großbritannien, Kanada, den Niederlanden und Norwegen. Auch das deutsche Entwicklungsministerium (BMZ) steuerte zehn Millionen Euro bei. Zu den Geldgebern zählen auch UN-Organisationen und der Düngemittelhersteller Yara.

Im Zentrum von Agra stehe die politische Einflussnahme, um eine „Saatgutpolitik mit regulatorischen Reformen, die Investitionen und Wachstum von Saatgutunternehmen des Privatsektors“ zu ermöglichen, so die Studie. Agra brachte die Regierungen dazu, Subventionsprogramme aufzulegen, damit Bauern Hybridsaatgut, Dünger und Pestizide kaufen können. Diese stammen von Agrarkonzernen wie Bayer, BASF, Corteva Agriscience (eine Fusion von Dow und DuPont), Yara und Cargill. Verkauft werden sie laut Agra über ein Netz von 44 000 Agrarhändlern, das die Allianz mit viel Geld aufgebaut hat.
Der Bericht „Falsche Versprechen“ basiert auf der Studie „Failing Africa’s Farmers: An Impact Assessment of the Alliance for a Green Revolution in Africa“ von Timothy A. Wise von der Tufts University in Massachusetts im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Dafür wurden Länderdaten zu landwirtschaftlicher Produktion und Anbauflächen sowie Zahlen zu Hunger und Armut der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen ausgewertet. Ergänzt wurde die Recherche durch Fallstudien aus Kenia, Mali, Sambia und Tansania. Der Report ist als PDF im Netz zu finden.

524 Millionen Dollar hat Agra in Programme gesteckt – was mit den restlichen 450 Millionen geschah, ist unbekannt. Bis heute hat Agra keine Gesamtauswertung vorgelegt: weder, wie viele kleinbäuerliche Haushalte erreicht wurden, noch Zahlen zu Erträgen,

Einkommenssteigerungen und zur Ernährungssicherheit.

Auch vom Hauptgeldgeber, der Gates-Stiftung, gibt es keine aussagekräftige Evaluierung, obwohl die Organisation auf „messbare Ergebnisse“ setzt. Das Ziel der „Verdopplung der Erträge und Einkommen von 30 Millionen kleinbäuerlicher Haushalte bis 2020“ wurde im Juni von der Agra-Webseite gelöscht. Umso verheerender sind Ergebnisse der Studie. In Sambia flossen 40 Prozent der 12,4 Millionen Dollar in die Ausbildung von Agarchemiehändlern und in ihre Netzwerke. Das staatliche Subventionsprogramm für Inputs verschlang 2017 die Hälfte des Agarhaushaltes. Der sambische Staat schuldet den Agrarhändlern nun 106 Millionen Dollar, weil er ihre Produkte zu Marktpreisen kaufen musste, um sie günstig weiterzugeben. Viele Teilnehmende in Agra-Projekten konnten bereits nach der ersten Ernte die Kredite für Dünger und Saatgut nicht zurückzuzahlen, weil die Maispreise gefallen waren.

In Tansania mussten Bäuerinnen und Bauern Vieh verkaufen, um Schulden zu tilgen, so der Report. Ihnen wurde sogar verboten, Mischkulturen anzulegen. Während Agrarhändler und -konzerne profitieren, ist die Zahl unterernährter Menschen dort um vier Millionen gestiegen. Ebenso in Kenia. Dort durften die Teilnehmenden nicht einmal selbst entscheiden, welches Maissaatgut, welche Dünger und Pestizide sie verwenden. In Ruanda wurde bestraft, wer andere Pflanzen als die aus dem Agra-Programm anbaute.

Einzig Mali ist die Ausnahme: Dort hatten bäuerliche Bewegungen Widerstand gegen Agra geleistet, so dass die Regierung dort das Programm nicht vollständig umsetzte. In Mali garantiert ein Gesetz Bäuerinnen und Bauern das Recht auf eigenes Saatgut. In dem westafrikanischen Land verdoppelte sich die mit Mais bebaute Fläche, ohne traditionelle Nutzpflanzen zu verdrängen: Die Anbaufläche für Hirse und Sorghum ist dreimal so groß, Armut und Hunger sind prozentual stark gesunken.

Schon die erste Grüne Revolution, von der Rockefeller-Stiftung in den 60er und 70er Jahren initiiert, scheiterte: Trotz Ertragssteigerungen nahm die Armut, etwa in Indien, zu. Nun stehe Agra exemplarisch für ein technikfixiertes, inputintensives und autoritäres Agrarmodell, resümiert der Report. Der Ansatz forciere die Ausbreitung von Monokulturen, verletze das Selbstbestimmungsrecht von Bäuerinnen und Bauern und treibe sie in die Abhängigkeit. Agra verschärfe die Folgen des ungerechten Welthandels und stärke die Macht von Agrarkonzernen. Genau jene Ursachen, die für Hunger, Klima- und Biodiversitätskrise verantwortlich seien.

Vor mehr als zehn Jahren stellte der Weltagrarbericht im Auftrag der Weltbank fest, dass dieses Landwirtschaftssystem beendet werden müsse: „Weiter so ist keine Option“, stellten darin mehr als 400 Wissenschaftler fest. Demgegenüber steht die Agarökologie: Diese sorgt laut Studien für Ertragssteigerungen von bis zu 80 Prozent – mit lokal angepasstem Saatgut, niedrigem Wasserverbrauch und ohne synthetischen Dünger und Pestizide. Agra verhindert dieses vielversprechende Modell – auch deshalb, weil die Initiative öffentliches Geld bindet, das für landwirtschaftliche Forschung und Unterstützung von Bäuerinnen und Bauern fehlt.

Deshalb fordern die Studienherausgeber die Geberländer dazu auf, die Unterstützung von Agra zu beenden und das Geld stattdessen in entsprechende Alternativen zu lenken. Es sei „höchste Zeit, Agra nicht weiter auf den Leim zu gehen“, resümiert Urhahn“.

"Kathrin Hartmann über Hunger statt Hilfe in der FR


01.07.2020 08:59
Tariflos Bediener von Robotern sein - Streik lässt Amazon kalt
„Was die Gewerkschaft Verdi für die Mitarbeiter von Amazon fordert: Die Amazon-Mitarbeiter werden bisher nicht tariflich bezahlt. Die Vergütung orientiert sich am Flächentarifvertrag für die Logistikbranche. Verdi verlangt aber die Anerkennung der regionalen Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels - wo deutlich besser bezahlt wird. Außerdem kritisiert die Gewerkschaft, dass Amazon häufig nur befristete Arbeitsverträge schließt. Auch die Arbeitsbedingungen seien nicht akzeptabel. Amazon weigert sich aber konsequent, mit der Gewerkschaft Gespräche über einen Tarifvertrag zu führen.
Der Konzern argumentiert, dass die Mitarbeiter Tätigkeiten der Logistikbranche ausüben und nicht des Einzelhandels.

Amazon biete eine Bezahlung am oberen Ende des Branchenüblichen in der Logistik, zudem gebe es Karriere-Chancen und viele Extras, so der Konzern. Klar ist: Mit einem Tarifvertrag im Einzelhandel würden die Mitarbeiter für Amazon teurer werden und der Konzern müsste sich verbindlich an Regeln halten. Das ist für den Konzern mindestens unbequem und so hält er seit nunmehr sieben Jahren Streiks aus. (…)

Was ist mit Corona-Schutzmaßnahmen? Auch dieses Thema ist der Gewerkschaft ein großes Anliegen. Orhan Akman, bei Verdi verantwortlich für den Einzel- und Versandhandel, wirft dem Konzern vor, dass es immer noch unzureichende Vorkehrungen gegen eine Ansteckung gebe. “Amazon gefährdet die Gesundheit der Beschäftigten zu Gunsten des Konzernprofits”, kritisiert Akman und verweist auf die Coronavirus-Ausbrüche an Amazon-Standorten wie Bad Hersfeld. “Nach unseren Informationen haben sich dort mindestens 30 bis 40 Kolleginnen und Kollegen infiziert. Wie schon im Fall der Ausbreitung von Covid-19 in Winsen (Luhe) mauert die Unternehmensführung auch diesmal und verweigert Aufklärung. Das gefährdet die Sicherheit und Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen, ihrer Familien und die der Anwohnerinnen und Anwohner.”

Die Gewerkschaft fordert gerade in Zeiten von Corona den Abschluss eines Tarifvertrags “Gute und gesunde Arbeit”, um den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Beschäftigten zu gewährleisten.

Der Konzern beteuert, den Gesundheitsschutz in den Logistikzentren großzuschreiben. “Allein in Deutschland haben wir seit Februar 470 Millionen Einheiten Desinfektionsmittel für die Hände, 21 Millionen Paar Handschuhe, 19 Millionen Masken, Gesichtsschilder oder anderen Mund-Nase-Schutz und 39 Millionen Packungen desinfizierende Wischtücher bestellt”, sagte ein Sprecher gegenüber der Deutschen Presse Agentur. Dem Unternehmen zufolge gibt es außerdem eine Maskenpflicht an allen Standorten, zudem habe man Temperaturkontrollen und gestaffelte Schicht- und Pausenzeiten eingeführt sowie die Reinigung verstärkt.

Amazon beteuert regelmäßig, dass die Pakete trotzdem rechtzeitig ausgeliefert werden. Vor allem zu Stoßzeiten wie dem Weihnachtsgeschäft und dem Blackfriday, zu denen die Belegschaft in der Vergangenheit häufig gestreikt hatte, beschäftigt Amazon zusätzliche Springer-Kräfte, um die Ausfälle zu kompensieren. Auch dieses Mal hieß es von Seiten des Unternehmens, dass die Mehrzahl der Mitarbeiter ganz normal arbeite. “Auswirkungen auf unsere Abläufe sehen wir aktuell keine, so dass Kundenbestellungen ganz normal bearbeitet werden.”

Aus: "Redaktionsnetzwerk über Amazon und den Streik"

Auf 3sat heißt es:

„Amazons Erfolg interessiert Stacy Mitchell. Sie leitet ein Forschungszentrum, das die Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft untersucht. Seit 10 Jahren beobachtet sie Amazon, mit unverhohlenem Unbehagen. "Amazon ist wie eine unsichtbare Kraft in vielen Wirtschaftsbereichen", erzählt sie. "Buchhandlungen, Spielzeugläden, Baumärkte. Unsichtbar breitet sich Amazon überall aus." Das Problem dabei: "Jeder neue Arbeitsplatz bei Amazon kostet zwei Arbeitsplätze in bestehenden Unternehmen", erklärt Mitchell.

In den USA kontrolliert Amazon bereits 50% des gesamten Online-Handels. Das Unternehmen ist führend in den Bereichen Kleidung, Elektronik, Bücher, DVDs, Körperpflege- und Schönheitsprodukte.

in immer wichtigeres Geschäftsfeld ist das Unterhaltungsbusiness: Streaming von Filmen und Musik sowie Videospiele. Die Übernahme der Bio-Supermarktkette Whole Foods als Amazons Einstieg ins Lebensmittelgeschäft gilt als geglückt. Versicherungen und Medikamente geraten ins Blickfeld. Im zukunftsträchtigen Cloudgeschäft ist Amazon Marktführer. Die Strategie, so Mitchell, sei "die E-Commerce-Plattform für die ganze Welt zu sein."

Aus: "3sat über Amazon und Mitechells Erkenntnisse"

29.05.2020 11:44
Das war überfällig: Das Cookie-Urteil des BGH
Auf dem Portal sos-Recht begrüßt Rechtsanwalt Carl Christian Müller das neue Urteil des Bundesgerichtshofs zur notwendigen Einwilligung von Websites-Besuchern zur Aktivitätsverfolgung mittels sogenannter Cookies. Der Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht des Portals, informiert und urteilt dazu:

"Der BGH hat heute endlich die Frage zur wirksamen Einwilligung beim Setzen von Cookies entschieden. Demnach bedarf es beim Setzen nicht technisch notwendiger Cookies der aktiven (und informierten Einwilligung) des Webseitenbesuchers. Dem Urteil war eine viel diskutierte Entscheidung des EuGH vorangegangen, in deren Folge mehr und mehr Webseitenbetreiber sogenannte Consent-Banner einsetzen.

Einwilligung in das Setzen von Analyse-Cookies über Opt-Out eingeholt

Der Entscheidung war ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen dem Bundesverband Verbraucherzentrale (vzbv) und dem Unternehmen Planet49 vorangegangen, das über eine Internetseite ein Gewinnspiel anbot. Nach Eingabe der Postleitzahl gelangte der Nutzer auf eine Seite, auf der Name und Anschrift des Nutzers einzutragen waren. Unter den Eingabefeldern für die Adresse befanden sich zwei Checkboxen, in der die Häkchen bereits gesetzt waren (Opt-Out). Mit dem zweiten Ankreuzfeld erklärte der Nutzer sich damit einverstanden, dass der Webseitenbetreiber Cookies auf dem Endgerät des Nutzers setzt, welches eine Auswertung des Surf- und Nutzungsverhaltens auf Websites von Werbepartnern und damit interessengerichtete Werbung ermöglichte.

Überraschung: § 15 Abs. 3 TMG erfordert Opt-In

Einmal mehr begeistert sich der BGH für pragmatische Lösungen und entscheidet gleich mehrere in den letzten Monaten heiß diskutierte Fragen:

§ 15 Abs. 3 TMG gilt weiterhin fort und wird von den Regelungen der DSGVO weder ersetzt noch überlagert.
Darauf, dass die Cookie-Richtlinie noch nicht ins deutsche Recht umgesetzt worden ist, kommt es nicht an, da davon auszugehen, ist, dass der Gesetzgeber die bestehende Rechtslage (also § 15 Abs. 3 TMG) in Deutschland für richtlinienkonform erachtete.
Der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 TMG lässt richtlinienkonforme Auslegung dahingehend zu, dass die Worte "sofern der Nutzer dem nicht widerspricht" bedeuten "der Nutzer muss aktiv ein Häkchen setzen".

Da wird also kurzer Hand mal passend gemacht, was nicht (mehr) passt. Der BGH kommt damit zum Schluss, dass sowohl nach alter Rechtslage, also vor dem Inkrafttreten der DSGVO, als auch nach neuer Rechtslage der Nutzer in das das Setzen von technisch nicht notwendigen Cookies aktiv einwilligen muss(te).

Consent-Cookie-Banner werden Pflicht

Für die Praxis bedeutet dies, dass ein sogenannter Consent-Cookie-Banner für all diejenigen verpflichtend wird, die Analyse- oder Marketing Cookies verwenden. Wer jetzt noch keinen Consent-Banner einsetzt, für den besteht nun Handlungsbedarf. Ein Verstoß gegen Datenschutzverstöße kann nach Auffassung einiger Gerichte im Wege einer Abmahnung etwa durch Wettbewerber verfolgt werden. Mit dem Urteil des BGH können sich Massenabmahner motiviert sehen, entsprechende Abmahnungen auszusprechen. Auch die Datenschutzbehörden können ihr bisher in dieser Frage moderates Vorgehen ändern und nun verstärkt mir entsprechenden Untersagungsverfügungen und Bußgeldern gegen Webseitenbetreiber vorgehen.

28.05.2020
Carl Christian Müller, LL.M.
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

"Das Portal sos-Recht"

05.05.2020 14:13
Schokolade krass unfair - bleibender Skandal
Die Schokoladenindustrie ist bei der Bekämpfung von Kinderarbeit gescheitert, Das berichtet der Spiegel, gestützt auf Studien und Untersuchungen.

"Vor fast 20 Jahren verpflichteten sich Schokoladenhersteller dazu, gefährliche Kinderarbeit auf Kakaoplantagen in Westafrika zu bekämpfen. Jetzt zeigt eine Studie: Das Gegenteil ist der Fall.
Es ist einer der unangenehmsten Widersprüche der westlichen Konsumwelt: Die Schokolade, die hier zu Ostern, Weihnachten und einfach so zwischendurch an Kinder verschenkt wird, beruht auf der Ausbeutung von Kindern in anderen Teilen der Welt.

Auf den Kakaoplantagen weltweit arbeiten Minderjährige: Sie verspritzen Pestizide, jäten Unkraut mit Macheten, tragen schwere Säcke mit den geernteten Bohnen, oft in langen Schichten. Das ist alles seit Langem bekannt, ebenso wie die Abholzung von Regenwald für Kakaoplantagen. Die großen Schokoladenhersteller wie Mondelez, Barry Callebaut, Mars oder Godiva, um nur einige zu nennen, stehen deshalb seit Jahren in der Kritik.

Beim Thema Kinderarbeit haben sie sich - auch um eine gesetzliche Regelung in den USA zu verhindern - im sogenannten Harkin-Engel-Protokoll 2001 verpflichtet, wenigstens die gefährlichsten Formen von Kinderarbeit in den Hauptanbauländern für Kakao, Elfenbeinküste und Ghana, um 70 Prozent zu reduzieren.

Das Ziel sollte zunächst 2015 erreicht werden, dann 2020. Alle fünf Jahre untersucht die Universität von Chicago die Fortschritte im Auftrag des US-Arbeitsministeriums. Die aktuelle Studie soll in den kommenden Wochen vorgestellt werden, der finale Entwurf liegt dem SPIEGEL vor. Er zeigt: Die Konzerne haben nicht nur ihr Ziel verfehlt – die Entwicklung geht sogar in die andere Richtung.

Zwei Millionen Kinder leisten gefährliche Arbeit

Auf mehr als 200 Seiten zeigt das National Opinion Research Center (NORC) der Universität Chicago detailliert auf, dass sich die Lage in den vergangenen Jahren verschlechtert hat. Die Wissenschaftler haben Daten verglichen, die in den Haupterntesaisons 2008/09, 2013/14 und 2018/19 erhoben wurden.

In Ghana und der Elfenbeinküste ist Kinderarbeit ohnehin weitverbreitet, der Report konzentriert sich auf ausbeuterische Kinderarbeit nach Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Dazu zählen übermäßige Arbeitsbelastung und die Ausübung "gefährlicher Tätigkeiten". Die ernüchternden Ergebnisse:
In der Elfenbeinküste und in Ghana sind etwa 2,26 Millionen Kinder in der Kakaoproduktion tätig. Zwischen 2008/09 und 2018/19 stieg der Anteil der Kinder, die in der Kakaoproduktion gefährliche Kinderarbeit verrichten, von 30 auf 41 Prozent – auf insgesamt rund zwei Millionen Kinder.

Als gefährliche Arbeit gelten der Gebrauch scharfer Werkzeuge wie Macheten (35 Prozent der Kinder), das Tragen schwerer Lasten (28 Prozent), Landräumungsarbeiten (18 Prozent) und die Exposition gegenüber Agrochemikalien. Der Anteil der Kinder, die Chemikalien ausgesetzt sind, hat sich in den vergangen zehn Jahren von 5 Prozent auf 24 Prozent fast verfünffacht.
Die Studie stellt hier einen Zusammenhang her mit den Nachhaltigkeitsprogrammen von Unternehmen. Die setzen darauf, die Erträge auch durch den verstärkten Einsatz von Dünger und Pflanzenschutz zu erhöhen – worunter viele Kinder in der Produktion leiden.

Zu den wenigen positiven Entwicklungen gehört, dass mehr Kinder in die Schule gehen als noch vor zehn Jahren. Bei den Fünf- bis Elfjährigen sei der Anteil von 80 Prozent auf 94 Prozent gestiegen, bei den 15- bis 17-Jährigen von 64 auf 79 Prozent.

Klar ist: Auch wenn die großen Kakao- und Schokoladenunternehmen in den vergangenen Jahren rund 215 Millionen Dollar in die Bekämpfung der Kinderarbeit investiert haben, reicht das nicht. Die Unternehmensprogramme, die wenigstens teilweise Erfolge bei der Reduzierung von Kinderarbeit zeigen, erreichen höchstens 15 Prozent der Kakaobauern.

Etelle Higonnet, Kampagnenleiterin der Organisation Mighty Earth, die seit Jahren weltweit gegen die Rodung von Regenwald kämpft, sagt, dass gefährliche Kinderarbeit im Kakaoanbau allgegenwärtig ist. Ebenso übrigens auf Kaffee- und Palmölplantagen auf der ganzen Welt. Higonnet bestätigt, dass einige Schokoladenhersteller versuchen, die Kinderarbeit in Westafrika zu reduzieren - nur seien die Initiativen viel klein. "Die Projekte erreichen vielleicht ein paar Tausend Kinder – im Kakaoanbau in Ghana und der Elfenbeinküste leisten aber fast zwei Millionen Kinder gefährliche Arbeit".
Die Unternehmen hätten in der Vergangenheit gelernt, dass sie damit davonkommen.

Die Lösung ist einfach

Die entwicklungspolitische Organisation Inkota setzt sich seit Jahrzehnten gegen Kinderarbeit und für die Einhaltung von Menschenrechten ein. Angesichts des aktuellen NORC-Berichts fordert der bei Inkota für Wirtschaft und Menschenrechte zuständige Referent Johannes Schorling:
Die Bundesregierung müsse ein Lieferkettengesetz verabschieden, mit dem Unternehmen weltweit zur Einhaltung der Menschenrechte und zur Vermeidung ausbeuterischer Kinderarbeit verpflichtet würden.

Unternehmen müssten ihre Anstrengungen im Kampf gegen Kinderarbeit intensivieren und bereit sein, die Kosten für die Einrichtung von Überwachungssystemen zu tragen.

Unternehmen müssten existenzsichernde Kakaopreise zahlen, um die Armut der Kakaobauernfamilien zu beenden.

Gerade Letzteres zeigt die Studie: Familien, die es sich leisten können, Erntehelfer anzustellen, greifen deutlich seltener auf Kinderarbeit zurück. Die Hauptursache für ausbeuterische Kinderarbeit ist allen Beobachtern zufolge Armut.

Inkota-Referent Schorling weist darauf hin, dass genug Geld vorhanden sei: "Die Ausgaben der Schokoladenindustrie für den Kampf gegen Kinderarbeit in den letzten Jahren entsprechen gerade einmal 0,2 Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes 2019". In Ghana müsste sich das Einkommen einer durchschnittlichen Kakaobauernfamilie Inkota zufolge etwa verdoppeln, um existenzsichernd zu sein. In der Elfenbeinküste müsste es sich demnach sogar fast verdreifachen.
Das bedeutet auch: Steigt der Preis, den die Unternehmen für Kakaobohnen zahlen, müssen weniger Kinder arbeiten.

Laut Berechnungen von Nichtregierungsorganisationen liegt ein existenzsichernder Kakaopreis in der Elfenbeinküste bei fast 3200 Dollar pro Tonne. Aktuell erhalten die Kakaobauern laut Inkota etwa 1500 Dollar pro Tonne.
Eine SPIEGEL-Anfrage für eine Stellungnahme zu dem Bericht haben mehrere Schokoladenhersteller und deren Verbände abgelehnt - sie wollen sich äußern, wenn der NORC-Report offiziell veröffentlicht ist. Sie verweisen aber darauf, dass sie Kinderarbeit nicht tolerieren und weiterhin dagegen vorgehen werden.

Was Hoffnung macht

Immerhin, darauf weisen auch die Unternehmen und die Industrieorganisation World Cocoa Foundation hin: Die Studie zeigt, dass gefährliche Kinderarbeit in den Regionen, in denen die Regierungen, Unternehmen und Hilfsorganisationen genau hinschauen, eingedämmt werden kann. In den Gebieten mit historisch hoher Produktion ist der Anteil gefährlicher Kinderarbeit weitgehend gleichgeblieben. Die Abmachungen im Harkin-Engel-Protokoll könnten also durchaus etwas bewirkt haben – aber viel zu wenig. Und weil der Kakaopreis in den vergangenen Jahren gestiegen ist, sind viele Bauernfamilien in den Anbau eingestiegen – und bei diesen neuen Kakaobauern ist der Anteil von gefährlicher Kinderarbeit besonders hoch.
Für die NORC-Studie befragten die Wissenschaftler die Gemeinden in den Anbaugebieten. Das Ergebnis: Alles, was eine Verbesserung der Lebensgrundlagen und der Einkommen und die Einschulung fördert, hat ein hohes Potenzial, zu verhindern, dass Eltern ihre Kinder in die Kakaoarbeit einbeziehen.

Umso wichtiger wäre es, dass nicht nur die Hauptanbauländer Ghana und Elfenbeinküste im Fokus stehen, sondern auch Großproduzenten in anderen Erdteilen wie Brasilien oder Indonesien. Für die gibt es nicht einmal einen Aktionsplan der Industrie".

Von Nicolai Kwasniewski am 04.05.2020

03.04.2020 17:38
Bereut Adidas den unfairen Mietzahlungsstopp?
Der Sportartikelhersteller Adidas zahlt nach harscher öffentlicher Kritik nun doch seine Mieten und entschuldigt sich für sein Vorpreschen. „Die Entscheidung, von Vermietern unserer Läden die Stundung der Miete für April zu verlangen, wurde von vielen von Ihnen als unsolidarisch empfunden“, heißt es in einem offenen Brief, den Adidas am Mittwoch veröffentlichte und vom Handelsblatt zitiert und wie folgt kommentiert wird.

„Ihre Meinung ist uns wichtig, und Ihre Meinung ist eindeutig: Sie sind von adidas enttäuscht.“ Adidas hatte im Zuge der Corona-Krise angekündigt, die Miete für die geschlossenen Läden in Europa ab April nicht mehr zu bezahlen. Man sei in Gesprächen mit den Vermietern. Daraufhin hatte es zum Teil harsche Kritik aus allen Teilen der Gesellschaft gehagelt - von Vermieterorganisationen über politische Parteien bis hin zu Privatleuten.

Im Internet gab es Boykott-Aufrufe gegen das Unternehmen. Auch die Modekette H&M und der Schuhhändler Deichmann hatten erklärt, die Mietzahlungen einstellen zu wollen.

„Wir haben einen Fehler gemacht und damit viel Vertrauen verspielt. Es wird dauern, Ihr Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Aber wir werden alles dafür tun“, wird in dem Brief beteuert, der am Donnerstag als Anzeige in ausgewählten Medien erscheinen soll.

„Deshalb möchten wir uns bei Ihnen in aller Form entschuldigen. Wir haben unseren Vermietern die Miete für April bezahlt. Fairness und Teamgeist sind seit jeher eng mit Adidas verknüpft und sollen es auch bleiben“, heißt es in dem Brief weiter.

Das Geschäft von Adidas sei in der Coronakrise eingebrochen. „Fast auf der gesamten Welt findet kein normales Geschäft mehr statt. Die Läden sind zu. Das hält selbst ein gesundes Unternehmen wie Adidas nicht lange aus“, heißt es in dem Brief weiter. Das Unternehmen hatte 2019 nach Angaben von Vorstandschef Kasper Rorsted ein Rekordjahr hingelegt. Bei einem Umsatz von 23,6 Milliarden Euro machte Adidas einen Gewinn von fast zwei Milliarden Euro.

Adidas müsse harte Einschnitte machen, auch um die 60.000 Arbeitsplätze des Unternehmens zu sichern, hieß es weiter. Mit den Betriebsräten sei Kurzarbeit vereinbart worden, Führungskräfte übten vorübergehenden Gehaltsverzicht, ein Programm zum Aktienrückkauf sei gestoppt worden.

Gleichzeitig versuchte das Unternehmen, auch in der Krise anderen zu helfen. So würden der Solidarity Response Fund der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Hilfsorganisationen in Deutschland unterstützt. In China habe Adidas medizinische Güter für Mediziner und Pflegepersonal bereitgestellt. Adidas-Partner produzierten auf Adidas-Kosten Gesichtsschutz und Masken für das Gesundheitswesen.

28.03.2020 14:47
Krasse Unfairness in der Corona-Krise durch Unternehmen
Spiegel Online meldet sich zum Vorgehen von Adidas, H&M, Deichmann und C&A kritisch zu Wort, eigene Belastungen auf Vermieter und Steuerzahler abzuwälzen, obwohl es den Firmen gut geht und gewaltige Rücklagen vorhanden sind:

"Für ihre Corona-Krisenpolitik erntet die Große Koalition aktuell viel Lob. Und tatsächlich ist die lange bräsig vor sich hin mäandernde Regierung von einer Gestaltungswut erfasst, die ihresgleichen sucht.

Das Anti-Corona-Gesetz ist durchdrungen vom guten Willen, Wirtschaft und Verbrauchern in einer außergewöhnlichen Phase beizuspringen. Und es ergänzt das ebenso einzigartige Hilfsprogramm der Regierung, die über ihre Förderbank KfW Unternehmen mit Krediten in unbegrenzter Höhe hilft.

Aber die Kollateralschäden dieser Politik werden bereits sichtbar, etwa am Beispiel Adidas. Der Sportartikelausrüster aus Herzogenaurach ist ein deutsches Vorzeigeunternehmen, untrennbar mit den sportlichen Erfolgen dieses Landes in der Nachkriegsgeschichte verwoben. Es hat einen Vorstandschef, Kasper Rorsted, der so erfolgreich, gutaussehend und nahbar daherkommt, wie es seine Kollegen in den anderen Dax-Konzernen wohl niemals hinkriegen werden.

Jetzt hat Rorsted angekündigt, „dass Adidas, wie viele andere Unternehmen auch, vorsorglich Mietzahlungen temporär aussetzt, wo unsere Läden geschlossen sind. Wir sind dazu mit den betreffenden Vermietern in engem Austausch. Das genaue Vorgehen hängt auch von der Rechtslage im jeweiligen Land ab.“

Wie viel Miete der Konzern damit spart, sagt der Konzern nicht. Das Aussetzen der Mietzahlungen gilt vorerst für April. Das muss aber nicht so bleiben, denn: "Wir werden (...) die Lage natürlich weiterhin aufmerksam beobachten und sofern erforderlich weitere Anpassungen vornehmen – und uns darüber hinaus an lokale behördliche Vorgaben halten, die zum Teil ja die Schließung von Einzelhandelsgeschäften vorsehen", wie Adidas weiter auf Anfrage mitteilt.

Adidas hätte viele Möglichkeiten, Geld zu sparen

Dieses Vorgehen, dem sich inzwischen andere Großfilialisten wie H&M und C&A angeschlossen haben, ist verwerflich und gefährlich. Verwerflich, weil Adidas geschäftlich vor Kraft strotzt und sich die Mietzahlungen trotz geschlossener Filialen leisten können müsste – auch wenn die Franken an sündteuren Edeladressen wie New Yorks 5th Avenue oder Hongkongs Causeway Bay zu Hause sind.

Per Ende 2019 setzte das Unternehmen 23,6 Milliarden Euro um, verdiente 2 Milliarden Euro und hielt satte 873?Millionen Euro Cash in der Kasse. Die Aktionäre sollen 3,85?Euro Dividende pro Aktie erhalten, 15 Prozent mehr als im Vorjahr und 38,9 Prozent des Gewinns. Und noch am 7. Januar und erneut am 11. März – also schon im Corona-Zeitalter - kündigte Adidas an, 2020 erneut Aktien im Wert von bis zu einer Milliarde Euro zurückzukaufen. Das muss man sich leisten können.

Adidas hätte also die Möglichkeit, seinen Vermietern trotz geschlossener Filialen weiterhin Mieten zu zahlen – man müsste nur auf die Cash-Reserven zurückgreifen, die Dividende kürzen oder den Aktienrückkauf aussetzen. Jeden Aktionär, der sich darüber beschwert, könnte der drahtige Rorsted mit einem verbalen Handkantenschlag niederstrecken. Das Corona-Argument macht‘s möglich.

Falls es Adidas tatsächlich so dreckig gehen sollte, dass die gestundeten Mietzahlungen dringend gebraucht werden, um Löhne und Pensionen zu zahlen – dann könnte sich der Konzern bei der KfW für einen Überbrückungskredit bewerben.

Davon ist freilich nicht auszugehen. Stattdessen entschließt sich sein Konzern, die Kosten der Pandemie an seine Vermieter weiterzureichen und diese womöglich ihrerseits in Not zu bringen. Damit setzt Adidas genau jene Krisenkette in Gang, die durch die staatlichen Hilfen eigentlich verhindert oder unterbrochen werden sollte. Und das Unternehmen kann sich dabei auch noch auf die Bundesregierung berufen.

Der Preis für derartige Aktionen wird für alle Beteiligten enorm sein. Und für Adidas nicht einmal wirtschaftlich sinnvoll: Schließlich muss der Konzern die Mieten wohl ja zu einem späteren Zeitpunkt nachzahlen. Aber wer weiß, welche finanzwirtschaftlichen Volten die Coronakrise noch macht.

Vielleicht ist aber auch alles ganz anders. Vielleicht legt Adidas' Kassenwart die eingesparten Mieten ja so clever am Kapitalmarkt an – etwa in eigene Aktien –, dass die Rendite daraus höher ist als die Zinsen, die der Konzern begleichen muss, wenn er die April-Miete mit Verzug nachzahlt.

Das ist fraglos eine zynische Vermutung. Aber auch nicht weniger zynisch als das, was Adidas angekündigt hat".

Diese Firmen offenbaren eine krass unfaire Haltung und Vorgehensweisen in der Corona-Krise. Schwere Vergehen an der Fairness an einer Gesellschaft, die ihnen Aufstieg und große Einkommen bis hin zur Kapitalansammlung ermöglicht hat.

"Die Mietverweigerung als Missbrauch staatlicher Unterstützung"


20.02.2020 09:41
Google sabotiert frei unabhängige Reparaturbetriebe
Google benachteiligt systematisch unabhängige Reparaturbetriebe. Das bedroht nicht nur Existenzen sondern auch die Umwelt. Und die Politik? Tut nichts. Schreibt Christina Ax vom Runden Tisch Reparatur in Berlin in der heutigen Frankfurter Rundschau:

„Seit Mitte vergangenen Jahres maßt sich Google an, die Anzeigen freier Reparaturwerkstätten abzuschalten. Hersteller und ihre autorisierten Werkstätten haben dieses Problem nicht. Google behauptet dies sei im Interesse der Verbraucher, weil es unter den Werkstätten schwarze Schafe gebe. Ein mehr als fadenscheiniges Argument, angesichts der vielen Meisterbetriebe, die betroffen sind.

Wegen der marktbeherrschenden Stellung von Google ist das für die Betriebe zum Teil existenzbedrohend. Es gibt keine vergleichbaren Werbeplattformen mit ähnlicher Reichweite.

Schade, dass sich in Deutschland bisher keine Politiker dieser Sache angenommen haben. Dass weder der Wirtschaftsminister noch die FDP den Versuch unternehmen, Google zu stoppen. Sie akzeptieren stillschweigend, dass nicht mehr „der Markt“ sondern Google Angebot und Nachfrage reguliert und darüber entscheidet, wer seine Dienstleistungen in Zukunft noch anbieten darf. In Frankreich dagegen wurde Google vor einigen Wochen von der Wettbewerbsbehörde für ein ähnliches Verhalten mit 150 Millionen Euro Strafe belegt.

Der Hilferuf unabhängiger deutscher Reparaturbetriebe, der vor einiger Zeit an das Kartellamt geschickt und vom Runden Tisch Reparatur in Berlin unterstützt wurde, hat auch keine Wirkung gezeigt. In diesem Fall ging es darum, dass viele unabhängige Werkstätten von wichtigen Herstellern gar nicht oder nur zu überteuerten Preisen mit Ersatzteilen beliefert werden.

Das deutsche Kartellrecht erweist sich als stumpfes Schwert, wenn es darum geht, faire Rahmenbedingungen am Markt zu schaffen oder zu verteidigen. Kein gutes Zeugnis für die Hüter der freien Marktwirtschaft in der Berliner Politik.
Das ist deshalb besonders ärgerlich, weil die Forderung nach einem Recht auf Reparatur auf immer mehr Unterstützer stößt.

Selbst der Green Deal der EU unterstreicht die Bedeutung der Reparatur und längeren Nutzung von Produkten. Doch was nutzt das, wenn die Zahl der Unternehmen mit dem entsprechenden Know-How wegen des Machtmissbrauchs von Google und den großen Herstellern immer weiter schrumpft. Man gewinnt den Eindruck, dass das Kartell der Konzerne vor nichts zurückschreckt, um in Zukunft alleine darüber entscheiden zu können, ob und was repariert werden darf – und von wem“.

Christine Ax ist Ökonomin und Philosophin sowie Vorständin des Runden Tisches Reparatur (www.runder-tisch-reparatur.de)

05.02.2020 09:08
Amazon droht Mitarbeitern mit Entlassung
Hunderte Mitarbeiter kritisieren Amazons Klimapolitik. Sie fordern von Amazon mehr Einsatz für den Klimaschutz - und riskieren damit ihre Jobs. Eine Richtlinie verbietet Mitarbeitern öffentliche Kritik an Unternehmensentscheidungen. Eigentlich ist Amazons Mitarbeitern öffentliche Kritik am Unternehmen untersagt.

Eine Gruppe von 357 Angestellten hält sich jedoch nicht daran: In einem Blog-Eintrag von diesem Sonntag kritisieren die Amazon Employees for Climate Justice (AECJ, Amazon-Angestellte für Klimagerechtigkeit) die Klimaziele des Internetkonzerns als unzureichend. Sie rufen Amazon auf, deutlich ambitioniertere Ziele im Kampf gegen den Klimawandel zu setzen als bisher.

Im September vergangenen Jahres hatte Konzernchef Jeff Bezos mitgeteilt, sein Unternehmen wolle beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle einnehmen und bis zum Jahr 2040 CO2-neutral werden. AECJ fordert nun, dieses Ziel auf 2030 vorzuziehen.

"Als Amazon-Mitarbeiter sind wir nicht nur für den Erfolg des Unternehmens verantwortlich, sondern auch für seine Auswirkungen", sagte Softwareentwicklerin Sarah Tracy. "Es ist unsere moralische Pflicht, uns dafür einzusetzen, und die Änderungen der Kommunikationsregeln halten uns davon ab, dieser Verantwortung nachzukommen."

Tracy und ihre Kollegen unterschrieben den Blogeintrag mit Namen und Job-Titel, obwohl der Konzern ihnen vor Kurzem per Brief mit der Entlassung gedroht hatte, wenn sie weiterhin Kritik öffentlich äußerten. Bereits im vergangenen Jahr hatten mehr als 8000 Beschäftigte einen offenen Brief an Konzernchef Bezos unterzeichnet. Darin forderten sie, dass Amazon seine CO2-Emissionen senkt und seinen Einsatz fossiler Energien beendet.
Amazon ist mit knapp 650.000 Mitarbeitern, so der neueste Stand von 2018, der weltgrößte Internethändler. Der Konzern wird unter anderem für die Belastungen seiner Paketlieferungen für das Klima kritisiert. Amazon nutzt fossile Brennstoffe, um seine Pakete in Flugzeugen und Lkw um die Welt zu transportieren. Der Konzern hat zudem einen gewaltigen Strombedarf, weil er für seine lukrativen Clouddienste große Datenzentren betreibt. In der Kritik steht auch, dass Amazon Anwendungen zu künstlicher Intelligenz (KI) an Firmen aus dem Ölsektor verkaufe.
Amazon will bis 2030 nur noch erneuerbare Energien einsetzen

Amazon teilte nach der erneuten Kritik mit, dass es neben seinem Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden, auch bis 2030 zu 100 Prozent erneuerbare Energien einsetzen wolle. Auf die Vorwürfe zu den externen Kommunikationsrichtlinien entgegnete der Konzern, dass diese nicht neu seien, für alle Angestellten gleichermaßen gelten und denen anderer großer Firmen ähnelten.
Tatsächlich ist es nicht ungewöhnlich, dass Unternehmen ihren Beschäftigten auferlegen, sich öffentlich mit Kritik an Unternehmensentscheidungen zurückzuhalten.

Die Zeitung "Washington Post", die Amazon-Chef Bezos gehört, zitierte in einem Artikel Amazon-Sprecher Drew Herdener mit den Worten, dass Amazon-Angestellte ermutigt würden, ihre Kritik stattdessen auf internen Plattformen zu äußern. Maulkorb nach außen, aber nicht nach innen? Schwer zu glauben.

Jedenfalls kann das 1 Billion teure Unternehmen laut Börsenwert sicher eine deutlich nachhaltige Klimapolitik betreiben. Doch durch das neue Angebot, Waren just in time innerhalb von 24 Stunden nach der Bestellung auszuliefern, hat 150 Millionen Kunden dieses Prime-Abonnement annehmen lassen. Was zu erhöhtem Lieferverkehr mit entsprechenden CO2-Abgasen und Schadstoffen führt.

mit Material von afp vom 27.1.2020

25.01.2020 16:24
Krasses Fairness-Versagen bei #H&M
Wie Fairness-Stiftung und im Fairness-Check beizeiten berichtet hatte, bestätigt sich nun, dass die Kundenservice-Mitarbeiter von H&M ausgeforscht wurden. FAZ und Spiegel berichten auf der Basis der Nachrichtenagentur Reuter:

"Dem Modehändler H&M werden massive Verstöße gegen die Datenschutzrechte von Mitarbeitern seines Kundenzentrums vorgeworfen. Nun droht dem Unternehmen ein Bußgeld. Gegen Hennes & Mauritz (H&M) ist nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Bußgeldverfahren wegen des Verdachts der Ausforschung von Mitarbeitern eingeleitet worden. Der Verdacht massiver Verstöße gegen Datenschutzrechte des Personals habe sich erhärtet, erklärte demnach der Landesdatenschutzbeauftragte in Hamburg, Johannes Caspar, dessen Behörde sich mit dem Fall befasst. Caspar ist für die schwedische Modekette zuständig, weil sie ihren Deutschlandsitz in der Hansestadt hat.

Bei den Vorwürfen gehe es Caspars Behörde zufolge um "umfassende Aufzeichnungen über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", schreibt die "FAZ". So seien "detaillierte und systematische Aufzeichnungen von Vorgesetzten über ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer" entdeckt worden: "Es handelt sich dabei auch um Gesundheitsdaten der Betroffenen, von der Blasenschwäche bis zur Krebserkrankung, sowie um Daten von Personen aus deren sozialen Umfeld wie etwa familiäre Streitigkeiten, Todesfälle oder Urlaubserlebnisse."
https://www.fairness-check.de/HM-im-Fairness-Check.aspx

14.01.2020 11:00
Ist die Speditions- und Transportbranche moralisch verkommen?
„Ermittler entdecken Rekordzahl an Verstößen gegen Arbeitsrecht bei Spediteuren und Kurierdiensten“, schreibt Rasmus Buchsteiner in der Frankfurter Rundschau vom heutigen Tage unter dem Titel „Mehr Ausbeutung bei Leiharbeit“. Buchsteiner weiter:

„Immer häufiger werden gegen Unternehmen aus Spedition, Transport und Logistik Strafverfahren wegen Verstößen gegen gesetzliche Regelungen zum Beispiel in den Bereichen der Leiharbeit und des Mindestlohns eingeleitet. Das geht aus einer Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vorliegt.
Demnach ist die Zahl der Strafverfahren in der Branche von 711 im Jahr 2011 auf 3083 im Jahr 2018 gestiegen. Das entspricht mehr als einer Vervierfachung. Hintergrund waren Betriebsprüfungen durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS). Diese kontrolliert unter anderem die Einhaltung der Gesetze zur Entsendung und Überlassung von Arbeitnehmern.

Seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ist die Behörde auch für dessen Kontrolle zuständig. Überprüft wurden 2018 branchenweit knapp 5000 Betriebe – fast genauso viele wie im Jahr 2012. Die Zahl der verhängten Freiheitsstrafen stieg zwischen 2011 und 2018 von 136 auf 1254, das Volumen der Geldstrafen von 50 500 auf 1,6 Millionen Euro. Zu den untersuchten Firmen zählten auch Post-, Kurier- und Expressdienste.

Laut Arbeitsministerium hatte es bei Post- und Kurierdiensten im Frühjahr 2019 eine bundesweite Schwerpunktüberprüfung gegeben, bei der fast 3000 Zollbeamte 834 Betriebe in Augenschein nahmen. Im Nachgang sind den Angaben zufolge 106 Straf- sowie 184 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden. Dabei ging es unter anderem um vorenthaltene Sozialversicherungsbeiträge, illegalen Aufenthalt in Deutschland sowie die Verletzungen von Melde- und Aufzeichnungspflichten.

Der Arbeitsmarktexperte der Linken im Bundestag, Pascal Meiser, sieht die Bundesregierung angesichts der Zahlen unter Handlungsdruck. „Die Zahlen zeichnen ein trauriges Bild von den Schattenseiten des Transport- und Logistiksektors. Die boomende Paketbranche bildet hier nur die Spitze des Eisberges“, kommentierte der Bundestagsabgeordnete die Zahlen. Wenn bei gleichbleibenden Kontrollen die Zahl der Verstöße gegen geltendes Arbeits- und Sozialrecht immer mehr zunehme, bestätige dies all diejenigen, die von einem wachsenden Maß an krimineller Energie in der Branche sprechen.

„Angesichts der Zunahme des Transportvolumens hilft gegen diese unhaltbaren Zustände nur eine Ausweitung der Kontrollen. Dazu braucht es endlich ausreichend Personal bei den zuständigen Kontrollbehörden“, so Meiser weiter. „Für die Paketzustellung muss zudem endlich, wie für die Briefzustellung, eine Lizenzpflicht eingeführt werden.“ Wer selbst vor illegalen Praktiken nicht zurückschrecke, um seine Beschäftigten auszubeuten, „dem muss diese Lizenz für die Zustellung unser aller Pakete konsequent wieder entzogen werden“.“

Wenn wir uns also über die allseits transportierten Güter freuen, die häufig pünktlich an der Haustür, in der Paketstation, in den Firmen ankommen, sollten wir nicht vergessen: Der Transport war wahrscheinlich am Rande der Legalität, oftmals unfair und mitunter kriminell.

18.12.2019 10:13
Wie Zalando Kollegenkonkurrenz und Mobbing anheizt
Man kann es drehen oder wenden wie man will. Doch das Mitarbeiter-Beurteilungssystem bei Zalando ist eine Anleitung zu innerbetrieblicher, aggressiver Konkurrenz und mitunter zu Mobbing. Der Unterschied zwischen Druck und Sklaventreiberei scheint nur gradueller Natur zu sein. So hält Zalando die Mitarbeiter zu ständiger Leistungssteigerung an, umgekehrt wird daraus eine ständige Lohnkürzung pro Stunde. Wer nach 2, 3, 5 oder 10 Jahren dann nicht marode und krank ist, dürfte ein Überlebender eines Fegefeuers sein oder selbst ein siegreicher Mit-Akteur im System. Menschenverachtend. Stephan Kaufmann, Redakteur der Frankfurter Rundschau, schreibt heute darüber:

„Zalando beurteilt seine Mitarbeiter. Das System dient nicht nur der Kontrolle, sondern ist Mittel einer permanenten Leistungssteigerung.
Der Online-Modehändler Zalando betreibt mittels der Software Zonar ein System zur Beurteilung der Leistung seiner Mitarbeiter, so fand kürzlich eine Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung heraus. Mit dieser Überwachungsmethode hat Zalando (aktueller Slogan: „Free to be“) viel Kritik auf sich gezogen: Das System verfüge über keine klaren Maßstäbe zu Beurteilung der Arbeitsleistung, heißt es. Laut Gewerkschaft Verdi führt es dazu, dass Leistung permanent kontrolliert und Löhne willkürlich festgelegt werden. Verdi-Vorstand Stefanie Nutzenberger warf dem Konzern vor, emotionalen Stress bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auszulösen und sie gegeneinander in Stellung zu bringen. Genau darin dürfte der Sinn von Zonar liegen. Es zeigt, wozu die Leistungskontrolle dient – und was heutzutage überhaupt unter „Leistung“ verstanden wird.
Zonar teilt die an der Bewertung teilnehmenden Mitarbeiter in verschiedene Leistungsstufen ein: schlechte (Low Performer), mittlere und gute (Top Performer). Letztere verdienen sich durch ihre Top Performance reale Lohnzuschläge. Bemerkenswert ist nun, wie Zalando die Leistung misst.

Der Konzern könnte schlicht drei Leistungsklassen festlegen. Zum Beispiel beim Schuhkartons packen nach dem Muster: Ein bis drei Kartons pro Minute packen ist „Low“, sechs bis acht Kartons ist mittel und darüber „Top“. Gemäß dieser Methode wäre es zumindest theoretisch möglich, dass alle Mitarbeiter durch vermehrte Anstrengung die Top-Performer-Kategorie erreichen. Genau das soll aber natürlich nicht sein.
Stattdessen beruht Zonar auf der Beurteilung der Leistung durch Kollegen und Vorgesetzte. Sie bewerten die Leistung der anderen – wie auch sonst? – durch einen gedanklichen Vergleich: Sie bilden aus der betrieblichen Praxis eine Durchschnittsleistung und bewerten ihre Kollegen danach, ob sie darunter oder darüber liegen. Daraus resultiert wie von selbst eine Einteilung in Schwach-, Mittel- und Hochleistungsfähige. „Top“ sind nach dieser Methode dann nicht jene, die viele Kartons packen, sondern jene, die mehr packen als alle anderen.

Man sieht: Das System findet nicht nur Leistungsunterschiede. Es will sie herstellen. Sein Zweck ist zunächst die Einteilung in Low und Top Performer mit entsprechenden Zuschlägen. Dadurch entsteht in der Folge für die Mitarbeiter ein Anreiz, überdurchschnittlich zu sein. Kommen sie dem nach und arbeiten härter, so setzt sich automatisch ein neuer – höherer – betrieblicher Leistungsdurchschnitt durch. Und um Zuschläge zu bekommen, muss man dann wieder darüber liegen. Letztlich dient dieses System also nicht allein der Kontrolle, sondern die Kontrolle ist Mittel einer permanenten Leistungssteigerung.
Damit folgt Zonar der Logik des Akkordlohns, also der Bezahlung nach produzierten Stücken pro Zeiteinheit. Auch hier wird der Anschein erweckt, es würde nach Leistung bezahlt. Ziel des Akkordlohns ist aber nicht die leistungsgerechte Bezahlung. Stattdessen soll die Leistung dauernd erhöht werden, indem das, was als durchschnittliches, normales Arbeitspensum gilt, sich durch die Konkurrenz der Arbeitnehmer dauernd erhöht. Daraus folgt der „Anreiz“ für jeden Mitarbeiter, mehr zu schaffen als die anderen und das bedeutet: heute mehr schaffen als gestern und morgen mehr als heute“.

Wie geschrieben: So hält Zalando die Mitarbeiter zu ständiger Leistungssteigerung an, umgekehrt wird daraus eine ständige Lohnkürzung pro Stunde. Wer nach 2, 3, 5 oder 10 Jahren dann nicht marode und krank ist, dürfte ein Überlebender eines Fegefeuers sein oder selbst ein siegreicher Mit-Akteur im System. Krass unfair.

12.12.2019 10:00
Fairness nur durch ein Gesetz möglich - freiwillig keine Fairness
Enttäuschendes Ergebnis einer Befragung zur Einhaltung von Menschenrechten der im Ausland tätigen deutschen Firmen. Firmen fordern Regulierung durch ein Gesetz.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) wollen gemeinsam Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz erarbeiten, um gegen Kinderarbeit und Armutslöhne im Ausland vorzugehen. Das kündigten beide Minister gestern in Berlin an. Hintergrund sind erste Ergebnisse einer Befragung deutscher Firmen zur Einhaltung menschenrechtlicher Standards bei der Produktion im Ausland.

Nach Angaben von Müller wurden 3000 Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern gebeten, sich diesbezüglich selbst einzuschätzen. Lediglich 464 hätten die Fragebögen beantwortet und lediglich 20 Prozent erfüllten in der Selbsteinschätzung die Vorgaben.

Das belege, "Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel", sagte Müller. Laut Heil wird es zwar noch eine weitere Befragung geben. In der Zwischenzeit würden die Ministerien aber die Eckpunkte erarbeiten. Wenn dann die Befragung bis Mai oder Juni kein deutlich besseres Ergebnis bringe, werde man in die Gesetzgebung gehen. Deutschland wolle faire Lieferketten zudem bei der europäischen Ratspräsidentschaft zum Thema machen.

Müller und Heil hatten vor knapp zwei Wochen bei einer gemeinsamen Reise nach Äthiopien ein Positionspapier zu dem Thema erarbeitet. Deutsche Firmen sollen demnach gegebenenfalls haften müssen, wenn sie mit ausländischen Partner zusammenarbeiten, die weder auf Menschenrechte achten, noch sittenwidrige Löhne zahlen oder sich an ökologische Mindeststandards halten.

Grundlage für die Pläne der Minister ist der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte aus dem Jahr 2016, der Folgendes vorsieht: Wenn weniger als die Hälfte der Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten bis 2020 der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nicht nachkommen, wird "die Bundesregierung weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen prüfen", heißt es darin.

(mit Material der epd)

42 Unternehmen fordern von der Koalition Unterstützung für höhere Umweltstandards, darunter sind auch Tchibo, Nestlé oder Ritter Sport.

Selten fordern Unternehmen schärfere Gesetze, die ihre Geschäfte regulieren. Nun verlangen 42 Firmen, die Koalition möge Menschenrechten und Umweltschutz in ausländischen Zulieferfabriken mehr Geltung verschaffen, indem sie ein „Sorgfaltspflichten-Gesetz“ auf den Weg bringe. Darunter sind viele kleine Händler, die Fairtrade-Produkte anbieten, aber auch Nestlé, Kik, Ritter Sport, Tchibo und Hapag-Lloyd. Politisch ist ebenfalls Bewegung zu erkennen: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte an, einen „Gesetzentwurf zur Einhaltung von Standards in der globalen Produktion“ zu erarbeiten.
Freiwillig passiert wenig

„Die Erfahrung zeigt, dass freiwillige Selbstverpflichtungen allein nicht ausreichen“, heißt es in der Erklärung der Unternehmen. „Es bedarf verbindlicher Sorgfaltspflichten, die von allen angemessen umgesetzt werden.“ Dabei geht es unter anderem um ausreichende Löhne, Gewerkschaftsfreiheit und Arbeitssicherheit in ausländischen Fabriken, die beispielsweise Textilien und Lebensmittel für hiesige Geschäfte herstellen. Anlässlich der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vor 71 Jahren setzen sich auch Dutzende gesellschaftlicher Organisationen, darunter die christlichen Hilfswerke, für ein Lieferkettengesetz ein.

(aus: FR, 9.12.2019)

03.12.2019 11:25
Kommt das Gesetz für Fairness in Lieferketten?
"Kaffee oder Textilien aus Äthiopien, Lithium aus Argentinien, Kakao von der Elfenbeinküste - viele Produkte und Rohstoffe werden unter eigentlich unerträglichen Bedingungen hergestellt. Es geht um Niedrigstlöhne, um fehlenden Arbeitsschutz und die Verschmutzung der Umwelt. Die Bundesregierung will dagegen nun vorgehen - wahrscheinlich mit einem Gesetz". Rasmus Buchsteiner vom Redaktionsnetzwerk Deutschland informiert:

"Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bereiten ein Gesetz gegen Dumping, Ausbeutung und Umweltzerstörung in globalen Lieferketten vor. „Standards im sozialen und ökologischen Bereich umzusetzen - das geht“, sagte Müller bei einem Besuch in einer Textilfabrik in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. In Ländern wie Äthiopien werde eine Jeans für fünf Euro produziert. Existenzsichernde Löhne zu bezahlen, bedeute einen Euro mehr im Einkauf.

Arbeitsminister Heil setzt ebenfalls auf ein Gesetz. „An Verantwortung der deutschen Wirtschaft wird am Ende nichts vorbeigehen“, sagte der SPD-Politiker. „Wir brauchen Fairness in den Lieferketten.“ Das gilt für die Textilwirtschaft, die Kaffeeproduktion und für viele andere Wirtschaftszweige. Derzeit läuft eine Befragung von Unternehmen, mit der herausgefunden werden soll, ob und wie sie international anerkannte soziale und ökologische Mindeststandards in ihren Lieferketten sicherstellen. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen in der kommenden Woche vorliegen.

"Eine Pflicht zum Handeln"

Entwicklungsminister Müller geht davon aus, dass sie nicht zufriedenstellend sein werden. „Deshalb kommen wir jetzt an den Punkt, ein Lieferkettengesetz auf den Weg zu bringen“, so der CSU-Politiker. In einem Positionspapier, das die beiden Minister während ihrer Äthiopien-Reise vorstellten, wird eine Richtung für das mögliche Gesetz aufgezeigt. „Wir wollen eine Pflicht zum Handel, aber keine Übernahme von Garantien“, heißt es in dem Papier. Entscheidend für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht soll sein, dass Unternehmen „alles Erforderliche“ unternehmen, um Verletzungen von Mindeststandards zu verhindern.

„Es geht nicht darum, Mittelständler zu überfordern“, so Arbeitsminister Heil. „Wir werden da verhältnismäßige Möglichkeiten schaffen.“ Im Klartext könnte das heißen: Betriebe mit weniger als rund 500 Beschäftigten würden befreit von der Verpflichtung zur Einhaltung von Mindeststandards – etwa zu fairen Löhnen, Arbeitsschutz, zum Verzicht auf Kinderarbeit und zur Einhaltung ökologischer Standards. So denkt die Regierung nicht daran, von Handwerkern eine Garantie zu verlangen, dass von ihnen verwendete Kupferkabel ohne Ausbeutung von Arbeitnehmern hergestellt worden sind.

Größere Unternehmen müssten jedoch haften, allerdings sollen nach den Plänen der Bundesregierung „nur nachweisliche zurechenbare Handlungen“ zu einer Haftung führen. „Betroffene müssen ihr Recht besser geltend machen können“, heißt es in dem Ministeriumspapier außerdem.
Arbeits- und Entwicklungsministerium verweisen darauf, dass Produkte und Rohstoffe, die aus aller Welt nach Deutschland geliefert werden, zum Teil „unter untragbaren Arbeits- und Umweltbedingungen“ hergestellt würden. Als besonders problematische Beispiele werden in diesem Zusammenhang der Kakaoanbau in der Elfenbeinküste, die Palmölgewinnung in Indonesien, die Textilproduktion unter anderem in Bangladesch oder der Lithiumabbau in Argentinien genannt.

„Wichtig ist, dass wir unseren Wohlstand in Deutschland nicht auf Armut und Ausbeutung in anderen Ländern aufbauen“, sagte Arbeitsminister Heil. Das Thema Fairness in globalen Lieferketten werde die Bundesregierung während ihrer EU-Ratspräsidentschaft auch auf europäischer Ebene vorantreiben. In Großbritannien, Frankreich, den USA, Holland und Australien gibt es bereits gesetzliche Regelungen zur Durchsetzung von Produktionsstandards“.

"Redaktionsnetzwerk Deutschland informiert über die Planung des Lieferkettengesetzes"

23.10.2019 12:04
Was ist ein faires Gehalt? New Pay im Trend
New Pay heißt ein neuer Trend in Unternehmen. Mit New Work stehen heute die herkömmlichen Anreizsysteme und Vergütungsprinzipien zur Diskussion. Wann ist ein Gehalt „fair“? Warum sind Boni keine gute Idee? Wer soll Leistung bewerten? Gehalt ist ein sensibles Thema. Kaum ein Unternehmen traute sich bisher daran, die eigenen Vergütungsstrukturen auf den Prüfstand zu stellen.
Jetzt stellen sich so manche Unternehmen die Fragen, wofür sie ihre Beschäftigten bezahlen, in welcher Form vergütet und wie verteilt werden soll.

Das Autorenteam Sven Franke, Stefanie Hornung, Autorin und Journalistin, und Nadine Nobile hatte mit dem Buch „New Pay – Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle“ diese Diskussion mit Argumenten und Praxisbeispielen befeuert. Und einen neuen Begriff geschaffen: „New Pay“. Grund genug für Helge Weinberg, um ein Gespräch mit Stefanie Hornung zu führen:

„Wenn ich den Austausch auf Twitter und in anderen sozialen Netzwerken betrachte, dann ist das Interesse an New Pay groß. Frage: Was ist eigentlich „New Pay“ genau?

Stefanie Hornung: Wir als Autorenteam haben diesen Begriff schon 2017 verwendet. Damals hatten wir uns Unternehmen angeschaut, die sich mit New Work befassen und uns gefragt, woran es oft hakt und welcher Aspekt zu kurz kommt. Da sind wir schnell beim Gehalt gelandet. Deshalb haben wir eine Blogparade ausgerufen und durch den zugehörigen Hashtag kam New Pay in die Welt. „New Worker“ und Vergütungsberater haben den Begriff sehr schnell aufgegriffen. Für uns ist New Pay kein fertiges Gehaltsmodell von der Stange, sondern ein Veränderungsprozess: Es geht darum, ein Vergütungssystem zu schaffen, das zur Form der Zusammenarbeit in einer Organisation passt.

Warum sollten Unternehmen sich der Mühe unterziehen, neue Gehaltsstrukturen einzuführen?
Weil dies zu größerer Fairness führen kann – ein Aspekt, der für Mitarbeiterbindung eine große Rolle spielt. Wir empfehlen neue Gehaltsstrukturen vor allem dann, wenn Unternehmen vermehrte Unzufriedenheit bei den Beschäftigten wahrnehmen. Die Arbeitswelt und der Wertewandel der Menschen hat sich tendenziell schneller verändert als die Vergütungssysteme, die sehr zementiert sind und teilweise jahrelang nicht angefasst wurden. Wenn mehr Selbstverantwortung und Entscheidungskompetenz von Mitarbeitern gefragt sind, widerspricht das hierarchischen und intransparenten Vergütungsentscheidungen.
Starke Störgefühle haben wir häufig in kleinen und mittleren Unternehmen beobachtet, vor allem, wenn sie Softwareentwickler beschäftigen und sich Arbeitsstrukturen stark wandeln. Da sehen wir heute schon Ansätze von New Pay. In großen Unternehmen hingegen geht die Diskussion jetzt erst richtig los. Dabei gibt es leider keine Blaupause. Vergütung ist ein sehr komplexes Thema.

Welche Werte kennzeichnen das Konzept New Pay?
Bei der Analyse verschiedener Unternehmen für unser Buch sind sieben Prinzipien, die eng mit Ideen von New Work verknüpft sind, immer wieder aufgetaucht: Fairness, Transparenz, Selbstverantwortung, Partizipation, Flexibilität, Wir-Denken und Permanent Beta. Natürlich sind diese Dimensionen nicht in jedem Unternehmen gleich ausgeprägt. Sie können aber als Hilfskonstrukt dienen, um herauszufinden, wo die Organisation steht und welcher Ansatz am besten dazu passt.
Wir sehen das Thema „Fairness“ als zentral an. Im Endeffekt geht es bei einem Vergütungssystem immer darum, dass die Mitarbeiter die Entlohnung als möglichst gerecht empfinden. Da die Transparenz in Unternehmen insgesamt zunimmt, auch getrieben durch soziale Netzwerke und verschiedene Plattformen, kommt es häufiger zu internen Aushandlungsprozessen. Dabei gilt es, sich auf bestimmte Werte zu einigen, die sich dann auch im Vergütungssystem widerspiegeln.

Was ist denn ein faires Gehalt?
Das ist sehr individuell verschieden, aber generell gilt: Wenn es nachvollziehbar und konsistent ist –wenn man also das Verfahren und die Verteilung der Gehaltsfindung einleuchtend erklären kann. Die Gerechtigkeitsforschung zeigt, dass selbst ungleiche Gehälter als gerecht empfunden werden, wenn dies der Fall ist. Ein System, bei dem der beste Verhandlungskünstler am meisten verdient, erfüllt diese Voraussetzung selten. Nachvollziehbarer sind Faktoren wie Ausbildung oder Berufserfahrung. Der Grad an Transparenz kann dabei unterschiedlich sein. Oft genügt es, das Verfahren transparent zu machen. Es hängt allerdings stark von der Unternehmenskultur und dem gewählten Vergütungsansatz ab. Bei Fairness geht es ja um gefühlte Gerechtigkeit: Und da sollten Unternehmen stärker nachfragen, was sich ihre Mitarbeiter darunter vorstellen.

Ich habe in Eurem Buch drei „Zusatzprinzipien“ gefunden, von denen ich zumindest eines als relevanter in Sachen Gehaltsfindung empfunden hätte: „Leistungsorientierung“. Bei vielen Unternehmen steht sie im Vordergrund. Wie sollten diese damit umgehen, etwa im Vertrieb?
Die Leistung der Mitarbeiter ist für Unternehmen natürlich ein wichtiger Aspekt, aber sie lässt sich nur sehr schwer messen. Die Frage dabei ist außerdem, welche Art von Leistung Organisationen priorisieren – Einzelkämpfertum oder Teamleistung. Letzteres spiegelt sich in der Dimension Wir-Denken und damit ist schon klar, dass „New Pay“ mit individuellen Boni schwer vereinbar ist. Die Forschung kommt inzwischen auch zu dem Schluss, dass extrinsische Faktoren wie Boni nur kurzfristig wirken und eher für standardisierte Tätigkeiten geeignet sind.
Es gibt einige Unternehmen, die individuelle Boni zugunsten von Team- und Unternehmensboni abgeschafft haben. Infineon und Bosch waren da die Vorreiter. Es spricht viel dafür: Beispielsweise, dass die Belohnung von sogenannten Leistungsträgern den Rest eines Teams demotiviert. Das gilt auch im Vertrieb. Bosch hat die individuellen Boni im Vertrieb abgeschafft und das hatte keine negativen Auswirkungen auf das Unternehmensergebnis. Vertriebler sind allerdings häufig anders konditioniert, weil sich Leistung da vermeintlich so leicht an den Verkaufszahlen ablesen lässt. Da gilt es, alte Denkmuster aufzubrechen und neue Formen der Anerkennung zu finden. Denn auch das Berufsbild Vertrieb ändert sich: Häufig geht es nicht mehr nur um den Verkauf, sondern auch um Beratung oder gar Co-Creation mit dem Kunden.

Ihr nennt als einen Ansatz von New Pay auch die Leistungsbewertung über Teamfeedback. Ist das wirklich besser als die Einschätzung durch den Vorgesetzten?
Häufig ist es zumindest besser, als allein das jährliche Mitarbeitergespräch dafür heranzuziehen. Feedback durch die Führungskraft ist wichtig, aber sollte es über das Gehalt bestimmen? Es gibt unterschiedliche Ansätze, Leistung zu bewerten – neben der Einschätzung des Chefs eben die der Kollegen oder auch eine Selbsteinschätzung des Mitarbeiters, der vermutlich am besten weiß, was er geleistet hat. Bei manchen Vergütungsansätzen im New-Pay-Umfeld spielt individuelle Leistung gar keine Rolle mehr. Das hat den Nachteil, dass manche Fachkräfte, die am Arbeitsmarkt sehr gesucht sind, möglicherweise schwer zu halten sind. Es ist immer ein Abwägen: Jeder Ansatz hat Vor- und Nachteile. Unternehmen müssen sich entscheiden, welcher Aspekt für sie wichtiger ist.

Wie sollten Unternehmen bei der Einführung neuer Gehaltsstrukturen vorgehen?
Es macht Sinn, erst einmal mit einer Gruppe von Mitarbeitern eine Statusanalyse zu machen. Es geht um Fragen wie: „Was sind die Vorstellungen der Mitarbeiter?“, „Wie passt ein bestimmtes Modell zur Kultur im Team oder im Unternehmen?“ oder „Wo soll sich die Organisation in Sachen Zusammenarbeit in den nächsten Jahren hin entwickeln?“. Man sollte sich überlegen, welche positiven und negativen Effekte zu erwarten sind, wenn man an bestimmten Stellschrauben im Vergütungssystem dreht. Uns sind rund 100 Unternehmen bekannt, die sich auf den Weg zu neuen Gehaltsstrukturen gemacht haben – und es werden immer mehr. Es ist sinnvoll, sich mit denen auszutauschen, die schon ihre Erfahrungen gemacht haben.

Interviewpartnerin:
Die freie Journalistin Stefanie Hornung ist auf die Themen Personalmanagement, New Work und Diversity spezialisiert. Sie beschäftigt sich zudem mit der Zukunft von Journalismus und Corporate Publishing. Stefanie Hornung gehörte viele Jahre als Pressesprecherin zum Team der größten deutschen Personalfachmessen, der Zukunft Personal (heute: Zukunft Personal Europe) sowie der Personal Nord und Süd (heute: Zukunft Personal Nord und Zukunft Personal Süd) und war Chefredakteurin des Online-Portals HRM.de.

Buch:
Sven Franke, Stefanie Hornung und Nadine Nobile; New Pay – Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle; Haufe-Lexware GmbH & Co. KG; Freiburg; 1. Auflage 2019; 285 Seiten; Print: ISBN 978-3-648-11725-5; Preis: 39,95 Euro“

"New Pay auf Human Resources Manager"

20.08.2019 17:56
Ernst gemeint oder Fake: Absage an Shareholder Value durch Konzernbosse
Kommt jetzt Fairness für Kunden, Beschäftigte, Lieferanten und Bürgern – ausgerechnet durch globale Player im Business? Kaum zu glauben. Doch Ines Zöttl, Korrespondentin des SPIEGEL in Washington meldet: „Eine ganze Managergeneration fühlte sich der Gewinnmaximierung verpflichtet. Doch nun lassen Amerikas mächtigste Konzernchefs von dem Ziel ab, vorrangig die Aktionäre zu beglücken. Ihre Kritiker wird das kaum besänftigen.

Diese Revolution hat einer angezettelt, der mitten im Herzen des Establishments sitzt: Jamie Dimon ist sozusagen an der Wall Street aufgewachsen. Vater und Großvater waren Aktienhändler, er selbst hat seine ganze Karriere in der New Yorker Finanzbranche verbracht. Heute führt der 63-Jährige Amerikas größte Bank JPMorgan Chase und verdient jährlich rund 30 Millionen Dollar. Doch seit einiger Zeit scheinen Dimon Zweifel am System befallen zu haben. "Der amerikanische Traum lebt - aber für viele erodiert er", schrieb der Sohn griechischer Einwanderer kürzlich besorgt an die "lieben Mitaktionäre", während der beiliegende Geschäftsbericht einen Rekordgewinn der Bank für 2018 auswies.

Nun haben die Miteigner erneut Post von Dimon bekommen - diesmal als eine zweiseitige Anzeige im Wirtschaftsblatt "Wall Street Journal". Darin verabschiedet sich Amerikas Konzernelite vom Vorrang des "Shareholder Value", dem Konzept, das die Steigerung des Firmenwerts und Aktienkurses zur wichtigsten Aufgabe jeden CEOs erklärt. 181 Topmanager haben die "Erklärung zum Zweck eines Unternehmens" der Vereinigung Business Roundtable unterzeichnet, der Dimon vorsitzt. Mit dabei sind alle, die in der America Inc. Rang und Namen verkörpern.
Amazon-Gründer Jeff Bezos hat genauso unterschrieben wie Tim Cook von Apple oder GM-Chefin Mary Barra. Auch Ford, Coca-Cola, Walmart, Bayer, Siemens, Exxon, SAP, Goldman Sachs und der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock sind mit von der Partie.

"Die Amerikaner verdienen eine Wirtschaft, die allen Menschen ermöglicht, mit harter Arbeit und Kreativität Erfolg zu haben und ein erfülltes und würdevolles Leben zu führen", schreiben sie. Dann geloben die Unterzeichner allen ihren Stakeholdern Fairness: den Kunden, den Beschäftigten, den Lieferanten und den Bürgern. Ach so, und dann wären da ja noch die Aktionäre, denen der letzte Spiegelstrich der Aufzählung gewidmet ist. Für sie will man immerhin einen "langfristigen Wert" ihrer Geldanlage schaffen.

Amerikas Wirtschaft wirft damit ein Mantra auf den Müllhaufen der Geschichte, das eine ganze Managergeneration geprägt hat. 1997 hatten sich die im Roundtable organisierten Unternehmen darauf verpflichtet, künftig "in erster Linie" den Anteilseignern zu dienen. Dabei blieb es zwei Jahrzehnte lang. Die Belange der sonstigen Interessengruppen spielten nach dieser Lesart nur "als Ableitung" der Verpflichtung gegenüber dem Aktionär eine Rolle, ganz so, wie es der Chicagoer Ökonom Milton Friedman empfohlen hatte. Nach dem Konzept des Wirtschaftsnobelpreisträgers beschränkt sich die Aufgabe der Unternehmen darauf, die Gewinne zu maximieren. Dabei müssen sie Gesetze und fundamentale Regeln einhalten, mehr aber auch nicht. Alle anderen gesellschaftlichen oder ethischen Zielsetzungen seien nicht Sache der Firmen, sondern des einzelnen Bürgers und des Staates.

Mehr Haltung zeigen

Die Idee, dass die unternehmerische Gier am Ende zum optimalen Ergebnis für die Volkswirtschaft führt, überzeugt jedoch immer weniger Amerikaner. Mit ihrer Abkehr von der Shareholder-Priorisierung reagierten die Unternehmen "auf den Zeitgeist", glaubt die Historikerin Nancy Koehn von der Harvard Business School. "Sie nehmen wahr, dass Business as usual nicht länger akzeptiert wird", sagte sie der "New York Times".
In einer Studie von 2018 forderten 78 Prozent der Befragten, dass die Unternehmen positiv auf die Gesellschaft wirken sollten. Die Vorstände stehen zunehmend unter Druck, sich zu Fragen wie Einwanderungspolitik oder Rassismus zu positionieren. Viele Millennials verlangen von ihrem Arbeitgeber Haltung. So zirkulierten Google-Mitarbeiter jüngst intern eine Petition, die sich gegen Geschäfte des Cloud-Anbieters mit den US-Einwanderungsbehörden wandte.
Die nun vorgelegten neuen Prinzipien der Unternehmensführung spiegelten besser, "wie Konzerne heute arbeiten können und sollen", sagt der Chef des Konsumgüterherstellers Johnson & Johnson, Alex Gorsky, der ebenfalls unterschrieben hat. "Es unterstreicht die zentrale Rolle, die Unternehmen darin spielen können, unsere Gesellschaft zu verbessern."

Gezielte Kampagne

Allerdings dürfte der Wirtschaft auch daran gelegen sein, sich auf diese Weise aus dem Schussfeld der Wahlkampfschlacht zu bringen. Denn die aussichtsreichen demokratischen Präsidentschaftsbewerber Elizabeth Warren und Bernie Sanders profilieren sich bei ihrer linken Basis mit Kritik an der vermeintlichen Übermacht der Konzerne. Die "rhetorische Umarmung" aller Stakeholder ziele mutmaßlich auch darauf ab, mögliche Reformen bei der Besteuerung und Regulierung der Unternehmen abzuwehren, mutmaßte der frühere Finanzminister Larry Summers in der "Financial Times".

Nicht nur er bezweifelt, dass es den Managern wirklich ernst ist. "Wir brauchen mehr als eine PR-Aktion", erklärt der linke Senator Sanders zu dem Vorstoß. "Wir brauchen einen konkreten Plan." Die Unternehmen müssten Jobs zurück nach Amerika holen, auskömmliche Löhne zahlen, ihre Angriffe gegen Gewerkschaften einstellen und höhere Steuern zahlen.

"Ich bin neugierig, ob irgendein CEO mir ein einziges greifbares Beispiel von etwas schickt, was man aufgrund dieser vermeintlich bahnbrechenden Erklärung stoppen wird", ätzt auch Anand Giridharadas, Autor des elitenkritischen Bestsellers "Winners Take All". Und auch Historikerin Koehn hält es für offen, ob sich die Geschäftspolitik wirklich verändert.

Kritik kommt allerdings auch aus dem anderen Lager. Wer vielen verantwortlich sei, sei am Ende keinem wirklich verpflichtet, warnte der Corporate-Governance-Experte Charles Elson von der University of Delaware in der "Washington Post". Er sieht zwischen dem Ziel des langfristigen Shareholder Value und der Zufriedenheit der Beschäftigten und Kunden keinen Widerspruch.

Tatsächlich haben nicht alle Roundtable-Mitglieder die Erklärung unterschrieben. So fehlen - aus ungenannten Gründen - unter anderem die Chefs der Investmentgesellschaft Blackstone und GE. Vielleicht spielt auch Angst vor dem Zorn der Aktionäre mit. Einige Firmenjuristen seien beim Lesen des Dokuments "zurückgeschreckt", berichtet das Nachrichtenportal Axios, und hätten protestiert. Denn Firmenchefs, die sich nicht nur den Eigentümern, sondern hehren Zielen verschrieben, riskierten eine Verletzung der Treuepflicht gegenüber den Aktionären.

Am Ende setzten sich trotzdem die Reformer durch. Jamie Dimon scheint zu wissen, was er tut. 80 Prozent seines Jahresgehaltes wurden ihm in Aktien seines Unternehmens ausgezahlt“.

Das wird ein spannender Prozess. Mit ihm käme die Fairness praktisch in der Mitte der Geschäftswelt, der globalen Wirtschaft, an.

"Der unglaubliche Bericht aus Washington bei Spiegel Online"

05.07.2019 15:59
25 Jahre Amazon: Ein Händler ohne Gewissen
Warum kaufen eigentlich Menschen bei Amazon?, fragt sich Svenja-Bergt von der taz. Und fragt weiter: " Vor allem im Prime-Programm, wo Kund:innen, vereinfacht gesagt, bezahlen, um einzukaufen?

Stellen wir die unbeantworteten Fragen einen Moment zurück und kümmern uns um wasserdichte Fahrradtaschen. Solche Taschen verkauft der Outdoor-Hersteller Ortlieb, und zwar unter keinen Umständen über Amazon – auch wenn sich nicht ganz verhindern lässt, dass Drittanbieter die Produkte dort anbieten. „Graumarktprodukte“, erläutert das Unternehmen, und dass sich so etwas höchstens verhindern ließe, wenn man jedes Teil umständlich mit elektronischen Trackern ausstattete. Jedenfalls: Amazon wirbt quasi über Ortlieb für sich selbst. Denn wer bei Google etwa nach Fahrradtaschen der Firma sucht, bekommt eine Anzeige von Amazon ausgespielt. Dahinter: Graumarktprodukte. Und solche der Konkurrenz.

Und deshalb bekam Amazon, einen Tag vor dem 25. Firmenjubiläum am Freitag, eine Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof. Dabei geht es nur vordergründig um einen Streit um Markenrechte. Dahinter steht eine viel größere Frage: Was darf sich ein Unternehmen, bei dessen marktbeherrschender Stellung es ein Wunder ist, dass sich nicht das Wort „amazonen“ für „online bestellen“ durchgesetzt hat, eigentlich so erlauben? Also abgesehen von zweifelhaften Steuerpraktiken, ausgebeuteten Mitarbeiter:innen und einer riesigen Datensammlung über die Nutzer:innen? Und 25 Jahre nach der Firmengründung ist das eine der Fragen, die tatsächlich dringend eine Antwort braucht.

Gäbe es irgendwo im Amazon-Firmenuniversum so etwas wie eine Unwichtigkeitsliste, auf der all diejenigen stehen, auf die der Konzern so überhaupt nicht gedenkt Rücksicht zu nehmen, dann stünde Ortlieb wohl ziemlich weit oben. Gemeinsam mit allen anderen Herstellern, die ihre Waren unter keinen Umständen über Amazon selbst oder den Amazon Marketplace – ein Unterschied, der für die meisten Käufer:innen kaum zu erkennen ist – verkauft sehen wollen. Weil sie sich eine besondere Beratung für ihre Kund:innen wünschen, weil ihnen die eigenen Verkaufskanäle ausreichen oder weil sie fürchten, dass ihre Produkte zu Ramschpreisen verkauft werden.

Gesundheitsdaten könnten die Zukunft sein

Auf Platz zwei: Unternehmen, die über Amazon ihre Waren verkaufen. Kooperation führt nicht zu Wohlwollen. Denn läuft etwas gut, ist es für Amazon ganz einfach: das Produkt selbst ins Sortiment nehmen, es vom Algorithmus ordentlich nach oben pushen lassen und dann die Marge einstreichen. Es gibt Berichte von Händlern, deren Amazon-Präsenz unter merkwürdigen Umständen gesperrt wurde. Und die dann, als sie aus dem Chaos aus Entsetzen, Begreifen, Schadensbegrenzung und den Tiefen der Beschwerdekommunikation mit Amazon wieder auftauchten, feststellen mussten: Aha. Die verkaufen die Produkte aus meinem Sortiment jetzt also selbst. Sogar das Bundeskartellamt prüft seit vergangenem Jahr, ob Amazon seine Marktposition gegenüber den Händlern ausnutzt. Und seit diesem Jahr ermitteln auch die österreichischen Behörden.

Es gibt auch noch einen dritten Platz, und da landen die Menschen, die in den Lagerhallen Kopfhörer, Topf-Sets oder Unterwäsche aus den Regalen fischen müssen, die Picker:innen. Gewerkschaften beklagen einen fehlenden Tarifvertrag, schlechte Arbeitsbedingungen und Löhne, die nicht zur Existenzsicherung reichen. Amazon stellt Vergleiche über die marktübliche Bezahlung und Bilder von lachenden Mitarbei­ter:innen beim gemeinsamen Hüpfen im Logistikzentrum dagegen. Dabei ist die Faustregel einfach: Je unwichtiger für den Umsatz, je ersetzbarer, desto weniger achtet der Konzern auf pflegliche Behandlung, egal ob es sich um Händler oder Mitarbeitende handelt.

Doch da ist jemand, der:die nicht ersetzbar ist: die Kund:innen. Amazon hat das schon früh verstanden und unternimmt viel, um Käufer:innen zu halten. Schnelle Lieferungen gehören ebenso dazu wie großzügige Retourenregelungen und natürlich der kostenpflichtige Edel-Tarif Amazon-Prime, der unter anderem diverse Streaming-Dienste gleich mit im Paket hat. Das scheint für viele Kund:innen derart attraktiv zu sein, dass sie im Glücksrausch einfach vergessen, beim Onlinekauf andere Plattformen zu besuchen oder Preise zu vergleichen, das zeigen mehrere Untersuchungen. Eine Unternehmensstrategie, für die es schon ein gewisses Maß an Chuzpe braucht: Oder kann sich jemand einen Supermarkt vorstellen, bei dem die Kund:innen für eine bevorzugte Behandlung einen Mitgliedsbeitrag zahlen müssen, die Nudeln teurer sind als bei der Konkurrenz, aber hey, was soll’s, dafür gibt es ja Orangensaft gratis?

Nun ist es so: Wenn alle Mitarbeiter:innen in den Lagern ausgebeutet und genügend Händler und Hersteller verprellt sind, könnte Amazon auffallen, dass man alleine von Kun­d:innen eben doch nicht leben kann. Wahrscheinlicher ist aber: Sie suchen sich einfach ein neues Geschäftsfeld. Mit dem Einstieg in die Produktion von Serien hat das schon geklappt, und, praktischer Nebeneffekt: Dafür braucht es nicht mal mehr Picker:innen. Gesundheitsdaten könnten die Zukunft sein. Und wer regelmäßig Arztberichte hochlädt, bekommt jährlich einen neuen Fitnesstracker. Klingt abwegig? Fragen Sie mal Amazon".

Siehe auch: https://www.fairness-check.de/Amazon-im-Fairness-Check.aspx#kritik


11.03.2019 10:16
Wie Preise fair sein können
Nach dem „Preis der Gerechtigkeit“ fragt Mark Schieritz in der ZEIT vom 11.3.2019. Und fragt: „Sind Sie der Meinung, dass Ihr Paketbote ordentlich bezahlt werden sollte? Die Erzieherin Ihrer Kinder? Der Pfleger, der sich um Ihre Mutter kümmert? Die meisten Menschen werden auf diese Fragen wahrscheinlich mit Ja antworten. Es ist in der Tat moralisch nicht leicht zu begründen, warum jemand, der einen anderen Menschen pflegt, nur halb so viel verdient wie einer, der am Fließband eine Karosserie zusammenbaut.

Insofern ist es eine gute Nachricht, dass sich die Tarifparteien am Wochenende nach langen Verhandlungen auf einen vergleichsweise kräftigen Anstieg der Löhne im öffentlichen Dienst geeinigt haben. Ausgebildete Pflegekräfte beispielsweise erhalten jetzt bis zu 380 Euro mehr brutto im Monat.

Die Länder müssen daher allerdings etwa sieben Milliarden Euro mehr für Personal ausgeben. Und das Geld fällt nicht vom Himmel, sondern kommt aus dem Haushalt und fehlt damit wieder an anderer Stelle. Womit wir beim Kern der Angelegenheit wären: Wenn Paketboten, Erzieher oder Pfleger anständig bezahlt werden sollen, dann muss das wiederum jemand bezahlen. Und das sind am Ende wir alle. Die Versandgebühren steigen, die Steuern, die Beiträge zur Pflegeversicherung.

Anders gesagt: Wer faire Löhne will, der muss auch faire Preise bezahlen. Deshalb ist die Frage nach dem angemessenen Lohn hochpolitisch. In Wahrheit profitiert ein Teil der Bevölkerung durchaus davon, dass der andere Teil für wenig Geld schuftet und zurzeit nur dank staatlicher Zuschüsse genug zum Leben hat.

Wenn die Gehälter im unteren Einkommensbereich kräftig steigen sollten, dann gäbe es keinen Döner für 3,50 Euro mehr und auch keinen Herrenhaarschnitt für zehn Euro. Dann würden diese Dinge teurer.
Wie das in der Praxis aussieht, kann man sich in der Schweiz anschauen. Dort liegt der Mindestlohn für einen ungelernten Arbeiter im Gastgewerbe umgerechnet bei über 3000 Euro im Monat, dafür ist aber eine Pizza in Städten wie Zürich selten unter 20 Euro zu haben, und ein Restaurantbesuch mit der Familie ist auch für Gutverdiener ein Luxus. Das ist der Preis der Gerechtigkeit“.

Wie wäre es also mit: weniger fliegen, weniger verreisen, weniger Fleisch essen, weniger konsumieren. Und dafür mehr bezahlen zugunsten von Löhnen und Gehältern, von denen die Arbeitenden wirklich leben, ihre Mieten bezahlen und für ihre Rente besser vorsorgen können? Es käme allerdings darauf an, dass die dann erhöhten Preise nicht von den Firmenspitzen abkassiert und den Beschäftigten vorenthalten werden. Wer wird für die Fairness sorgen, wenn es gerechte Preise gibt? Hier trennt sich die Spreu vom Weizen und es bleibt nicht aus, dass jede und jeder von uns sich darum kümmern muss, ob die Firmen, deren Produkte und Dienstleistungen wir in Anspruch nehmen, ihre Beschäftigten fair entlohnen.

"Der Preis der Gerechtigkeit"

"Welche Firma handelt fair?"

01.03.2019 07:44
Abzocke mit Kosmetik für Frauen
Bei Rasierprodukten ebenso wie bei Parfüm: Verbraucherschützer haben erneut "Frauenaufschläge" von teilweise über 100 Prozent auf Drogerieprodukte dokumentiert. Dafür erfanden sie sogar eigens eine Feuchtigkeitscreme.

Selbst bei komplett gleichen Drogerieprodukten zahlen Frauen weiterhin oft einen höheren Preis. Das zeigt eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Hamburg. Ihr zufolge waren die Preise bei elf Rasierprodukten aus Drogeriemärkten für die Frauenvariante im Schnitt um 38 Prozent teurer. Die Verbraucherschützer forderten Hersteller und Händler auf, die Preisdiskriminierung von Frauen "in jeglicher Hinsicht zu unterlassen".
Ein Rasierschaum der Marke Isana werde bei Rossmann sogar mit einem Frauenaufschlag von über 100 Prozent verkauft, kritisierten die Verbraucherschützer. Für zwei Eau de Toilette seien in der Stichprobe Aufpreise von 24 Prozent bis 57 Prozent dokumentiert worden.

"Wir haben die Marktstichprobe zum vierten Mal gemacht - und die Preisdifferenz hat sich wenig verändert", bilanzierte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Hersteller und Händler nutzen aus, dass Frauen häufiger als Männer bereit sind, für Pflegeprodukte mehr Geld auszugeben, vor allem, wenn sie sich von der Gestaltung der Verpackungen angesprochen fühlen." Frauen seien dadurch doppelt benachteiligt, weil sie durchschnittlich weniger verdienten als Männer.

Die Verbraucherzentrale erfand zusammen mit der Agentur Serviceplan extra ein Produkt, um Verbraucher auf das Phänomen der "Pink Tax" aufmerksam zu machen. Die Feuchtigkeitscreme wurde an zwei Tagen in einem Pop-Up-Store im Hamburger Schanzenviertel angeboten: unter dem Namen "Deep Care Men" mit blauem, kantigen Schriftzug und unter dem Nahmen "Smooth Sensation Sensitive" mit geschwungenem rosa Schriftzug. Das männliche Produkt kostete 4,90 Euro, das weibliche 6,90 Euro. Die Passanten, die beides testeten, seien "teils sichtlich überrascht" gewesen.

Ungerechte Preise für Männer und Frauen werden schon seit Jahren kritisiert. In einer Studie für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes waren 2017 mehr als 1682 im Wesentlichen identische Produkte für Frauen und Männer verglichen worden. Davon unterschieden sich den Angaben zufolge 3,7 Prozent (62 Produktvarianten) beim Preis - 2,2 Prozent waren für Frauen, 1,4 Prozent für Männer teurer. Der Preisaufschlag lag bei durchschnittlich rund fünf Euro.

Als ein Beispiel für solche Produkte waren baugleiche Rasierklingen mit rosa und hellblauer Verpackung genannt worden. Produktvarianten nach Geschlecht mit Preisunterschied machten jedoch "nur einen geringen Anteil am Gesamtsortiment aus und sind damit nicht prägend für die Konsumausgaben bei Produkten insgesamt", hieß es in der Studie.

"Wie Frauen bei Drogerieartikeln abgezockt werden - Verbraucherzentale warnt"

15.01.2019 10:39
Tierwohl Premium ist eine Mogelpackung - Ärger über Politik von Julia Klöckner und Lebensmittelhandel
Die großen Bio-Verbände sehen sowohl die neue Fleisch-Kennzeichnung des Einzelhandels als auch das geplante staatliche Tierwohl-Label kritisch. Alicia Lindhoff, Redakteurin der Frankfurter Rundschau schreibt dazu:

"Am Wochenende hatte der Lebensmitteleinzelhandel angekündigt, ab April dieses Jahres flächendeckend ein vierstufiges System zur Kennzeichnung von Haltungsbedingungen einzuführen. Künftig soll ein kompassartiges Label auf allen Fleischprodukten von Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und Rewe anzeigen, aus welcher Haltungsform das Fleisch stammt. Das von der „Initiative Tierwohl“ der Lebensmittelbranche entwickelte Stufensystem reicht von „Stallhaltung“ (rot) bis zu „Premium“ (grün). Unter letztere sollen auch alle Bio-Produkte fallen.

Mit Blick auf ‚Tierwohl‘ sind die Vorschläge der Landwirtschaftsministerin, die jetzt auf dem Tisch liegen, eine Mogelpackung. Peter Röhrig, Geschäftsführer des Bundes für Ökologische Lebensmittelwirtschaft. „Das ärgert uns“, sagt „Bioland“-Sprecher Gerald Wehde. „Damit kommen wir in diesem Kennzeichnungssystem praktisch nicht vor.“ Denn die Kriterien für die sogenannte „Premium“-Stufe lägen deutlich unter den Bio-Standards. So hätten beispielsweise Schweine in der Bio-Landwirtschaft 50 Prozent mehr Platz, als bei der „Premium“-Stufe des Einzelhandels gefordert sei, ergänzt Peter Röhrig, Geschäftsführer des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW).

Außerdem sorge Bio nicht nur für das Tierwohl, sondern auch für Umwelt und Gesundheit. Enttäuschend findet Bioland-Sprecher Wehde die Regelung auch deswegen, weil zu einem früheren Zeitpunkt geplant gewesen sei, eine der vier Kategorien ausschließlich für Bio-Produkte zu öffnen.
Verärgert sind die Verbände zudem darüber, dass es dem Bundeslandwirtschaftsministerium auch zwei Jahre nach den ersten Vorstößen nicht gelungen ist, ein staatliches Tierwohl-Label auf den Weg zu bringen.

Zur jüngsten Meldung, Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) habe sich mit einer Reihe von Verbänden „weitgehend“ auf Kriterien für ein solches Label geeinigt, sagt BÖLW-Geschäftsführer Röhrig: „Mit Blick auf ‚Tierwohl‘ sind die Vorschläge der Landwirtschaftsministerin, die jetzt auf dem Tisch liegen, eine Mogelpackung.“
Bioland-Sprecher Wehde moniert, sowohl der Einzelhandel als auch das Landwirtschaftsministerium belohnten durch ihre Kriterien bereits solche Betriebe, die für ihre Tiere nur minimal mehr täten als es die gesetzlichen Mindeststandards vorgäben: „Dabei müsste etwa in der Schweinehaltung mindestens 40 Prozent mehr Platz und ein Verbot des Schwänzeabschneidens vorgegeben sein.“ Wenn die Bundesregierung ihr eigenes Ziel, 20 Prozent Ökolandbau zu erreichen, ernst nehmen würde,müsste sie Bio als besten Teil des Labels separat kennzeichnen.

Die Bio-Verbände kritisieren außerdem, dass Klöckner den Herstellern freistellen will, ob sie ab 2020/21 am staatlichen Tierwohl-Label teilnehmen wollen. Sie fordern eine Kennzeichnungspflicht wie sie etwa für Eier gilt".

"Der Beitrag in der Frankfurter Rundschau am 15.1.2019"

11.12.2018 14:15
Wie krass unfair sind Spielzeuge?
Wie die Frankfurter Rundschau berichtet, haben sich die Arbeitsbedingungen nicht verbessert, die die Arbeiterschaft bei der Spielzeugherstellung seit Jahrzehnten erleiden muss. Entscheidend ist, dass viele Elemente der Spielzeuge, selbst wenn sie in Europa hergestellt werden, aus China kommen: „Am ersten Arbeitstag kam der Schichtleiter auf die neuen Mitarbeiterinnen zu und gab ihnen Formulare zum Unterschreiben – „beeilt Euch damit!“ Sie sollten bestätigen, an einer Brandschutzschulung teilgenommen zu haben – obwohl es so eine Übung nie gegeben hatte. Stattdessen fing ohne weitere Ausbildung das Schuften an der Spritzgussmaschine an: ohne Atemmaske oder sonstige Sicherheitsausrüstung. „Der Kunststoff verströmt einen beunruhigenden Geruch, wenn er erhitzt wird“, berichten Mitarbeiter aus der Fabrik Loveable Products in der südchinesischen Industriestadt Dongguan. Die stechend riechenden Lösungsmittel wiederum, die beim nächsten Arbeitsschritt zum Einsatz kommen, reizen die Haut. Handschuhe gibt es aber nur auf ausdrückliche Nachfrage beim Chef. Dafür kratzt der Lohn mit rund 500 Euro im Monat auch in China am Existenzminimum.

Loveable Products ist kein Einzelfall, wie aus verdeckten Ermittlungen der Arbeitsrechtsorganisation China Labour Watch zusammen mit der Christlichen Initiative Romero (CIR) in Nürnberg hervorgeht. Freiwillige Helfer der Organisation haben in den vergangenen Monaten in mehreren südchinesischen Spielzeugfabriken angeheuert, um ihre Erfahrungen vor Ort zu dokumentieren. Das Ergebnis: Auch deutsche Markenanbieter wie Ravensburger und Schleich lassen weiter bei Partnern in China herstellen, die sich nicht an alle örtlichen Regeln zu Arbeiterrechten und Arbeitsschutz halten. „Die Spielwarenindustrie hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt“, sagt Maik Pflaum von der CIR. „Das Bewusstsein für die Bedingungen, unter denen das Spielzeug fürs Weihnachtsfest entsteht, ist noch viel zu gering ausgeprägt.“

Die Markenanbieter versuchen stattdessen vor allem, die Preise zu drücken. Dazu spielen sie die ostasiatischen Fabriken gegeneinander aus. „Die Unternehmen sehen ihre Verantwortung nicht“, sagt Studien-Initiator Pflaum. Er fordert die Unternehmen auf, auf einen kleinen Teil ihrer Margen zu verzichten, damit das Spielzeug mit gutem Gewissen Freude bereiten kann.

Die Hersteller verweisen derweil auf ihre Bemühungen, hohe Standards auch bei den Auftragsherstellern sicherzustellen. Ravensburger bestätigt, bei Loveable Products produzieren zu lassen – allerdings nur weniger als zwei von tausend Spielzeugen im Programm. Die meisten Waren des Unternehmens kommen aus Ravensburg und einem Werk in Tschechien, nur rund zehn Prozent stammt aus China. Viele Plastikteile lassen sich praktisch nur in Fernost beziehen, sagt ein Sprecher.

Außerdem ziehen die Marken sich hinter selbst gegründete Organisationen zurück, die in Asien die Arbeitsbedingungen überwachten sollen. Auch der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie verweist auf große gemeinsame Anstrengungen, um hohe Standards sicherzustellen. Die Weltvereinigung der Spielwarenhersteller ICTI nimmt derweil zu dem aktuellen Report Stellung: Er begrüße jede unabhängige Überprüfung und werde berechtigter Kritik sofort nachgehen. Tatsächlich tragen drei der vier Fabriken, die CRI jetzt wegen Regelverstößen anprangert, das Gütesiegel von ICTI. „Die Fälle belegen einmal mehr, wie wirkungslos ein Ansatz ist, der allein auf Fabrikkontrollen basiert“, kommentiert Pflaum.

Die Zulieferstrukturen der Hersteller sind zum Teil sehr kompliziert. Schleich beispielsweise lässt die bekannten Tierfiguren außer am Stammsitz in Schwäbisch Gmünd und in China auch in Portugal, Tschechien, Bosnien, Moldawien, Rumänien und Tunesien fertigen. Mit Loveable arbeite das Unternehmen bereits seit vielen Jahren zusammen, sagt eine Sprecherin.

Wesentlich deutlicher fällt die Kritik derweil an den US-Großkonzernen Disney, Hasbro und Fisher-Price aus. In der Fabrik Wah Tung Toy Products in der Stadt Heyuan sind fehlende Schulungen und laxer Umgang mit Chemikalien ebenfalls ein Problem – doch schlimmer ist aus Sicht der Arbeiterinnen die magere Bezahlung. Sie erhalten auch mit exzessiven Überstunden nur zwischen 300 und 550 Euro Lohn im Monat. Von den 33 Euro, die eine singende Arielle-Badespaß-Puppe in Deutschland kostet, geht nur ungefähr ein Cent an die Arbeiterin in China. „Disney legt den größten Wert auf die Einhaltung aller arbeitsrechtlichen Bestimmungen“, teilte das Unternehmen dazu mit".

Die europaweite Kampagne „Spielsachen fair machen!“ der österreichischen NGO Südwind setzt sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in China ein. Ihre Forderungen reichen vom Recht auf Versammlungsfreiheit für die chinesischen Arbeiter bis zur Offenlegung der Zuliefererketten von Unternehmen. „Unsere Petition an Mattel haben bisher 10.000 Konsumenten unterschrieben. Die großen Spielzeugfirmen setzen chinesische Zulieferbetriebe mit ihrer Einkaufspolitik unter enormen Zeitdruck“, sagt Claudia Bonk, die Leiterin des Projekts.
Chinesische Firmen würden in extrem kurzen Zeiträumen eine große Anzahl an Spielzeug produzieren müssen –, was den Stress der Arbeiter wesentlich erhöhe. Denn wer die Produktionsquote nicht erfüllt, muss mit Lohnabzügen zwischen ein und fünf Euro rechnen. Die Kampagne wendet sich auch gegen den internationalen Spielzeugverband ICTI, der auch für die Zertifizierungen von chinesischen Spielzeugfabriken zuständig ist.

ICTI hat einen Verhaltenskodex für die gesamte Spielzeugbranche entwickelt. Doch bei einer Recherche der NGO Sacom in zwei Spielzeugfabriken wurden trotz Zertifizierung schwere Verstöße gegen die Richtlinien und allgemein anerkannte Menschen- und Arbeitsrechte festgestellt.

Yang Yu arbeitete fünf Jahre in einer chinesischen Spielzeugfabrik. Die junge Frau, die ihren richtigen Namen nicht verraten möchte, ist im Alter von 16 Jahren aus ihrem Heimatdorf in der chinesischen Provinz Hubei in die Stadt gezogen. „Ich habe einen älteren Bruder – meine Eltern hatten nicht genug Geld, um uns beiden eine Ausbildung zu ermöglichen“, sagt sie. Yang habe elf bis zwölf Stunden pro Tag am Fließband gearbeitet. Ihr Lohn schwankte zwischen umgerechnet 120 Euro und 250 Euro im Monat – je nach Saison. „Überstunden waren verpflichtend. Von einer Gewerkschaft hatten wir noch nie etwas gehört.“ Pausen gab es kaum, wer zu oft die Toilette besuchte, wurde ermahnt. Dann drohten Lohnkürzungen oder auch Entlassungen. Kontrollen von außerhalb – auch von der Firma Mattel – gab es zwar. „Doch die wurden angekündigt. Dann gab es eine Versammlung, bei der wir Musterantworten auf anfallende Fragen auswendig lernen mussten“, sagt Yang. Oft wurden Arbeiter bei Kontrollen auch angewiesen, Chemikalien zu verstecken. Mattel will offiziell nicht Stellung nehmen, vielmehr streitet das Unternehmen die Vorwürfe ab.

"Spielsachen fair machen - Eine lohnenswerte Kampagne mit Info, Grafik und Material"

19.11.2018 13:30
Ist verloren, wer Fehler macht? Fairer Umgang hat noch Luft nach oben
Die Fehlerkultur in deutschen Unternehmen wird von Führungskräften offener bewertet, als Mitarbeiter sie erleben. In regelmäßigen Abständen kommen Studienautoren zu dem Schluss, dass es an einer funktionierenden Fehlerkultur in vielen deutschen Unternehmen mangele. Jüngst zeigt eine Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY), dass Kommunikation über Fehler an entscheidenden Punkten häufig nicht stattfindet.

Zwar gaben 66 Prozent der 218 von EY befragten Führungskräfte an, in ihren Unternehmen würde eine offene Diskussionskultur zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten herrschen, aber nur 42 Prozent der 800 befragten Mitarbeiter sehen das genauso. Darüber hinaus geben 18 Prozent der Mitarbeiter an, dass Fehler in ihrem Unternehmen überhaupt nicht besprochen würden.

Verschiedene Studien bemängeln offene Fehlerkultur
Schon im Jahr 2016 kam eine ähnliche Befragung der von Rundstedt & Partner GmbH zu einem ähnlichen Ergebnis: Damals gaben 17 Prozent der befragten Mitarbeiter an, dass Fehler in ihren Unternehmen vertuscht würden. Laut der Studie von 2016 waren es etwa 60 Prozent, die ihre Fehler im Team offen besprechen konnten.

Laut einer Untersuchung, die von der Personalberatung S-Three Mitte 2018 veröffentlicht wurde, befürchten 41 Prozent von 1000 befragten Mitarbeitern und Freelancern bei Fehlern sogar negative Konsequenzen für ihre Karriere. Ein noch größerer Anteil nimmt darüber hinaus an, dass bei Fehlern Verlust von Anerkennung droht.

Fehlerkommunikation scheint auf einer Ebene einfacher als über Hierarchien hinweg. EY-Partner Nelson Taapken meint, „während unter den Mitgliedern eines Teams Fehler durchaus thematisiert werden, gibt es nach oben und unten deutliche Tabus und Kommunikationsbarrieren.“ 57 Prozent der Angestellten nennen die Furcht, als Überbringer der schlechten Botschaft selbst zum Opfer zu werden, als größtes Hindernis für offene Kommunikation, so die EY-Studie. Auf der anderen Seite sehen 54 Prozent der Führungskräfte die Angst vor Gesichtsverlust als wichtigsten Grund für fehlende Fehlerkommunikation. Damit einher gehe die Sorge um die eigene Karriere und Angst vor dem Verlust des eigenen Jobs.

Ähnliche Gründe könnten auch eine Rolle dabei spielen, dass bei Fehlern häufig nicht Fehlerursachen und notwendige Verbesserungen, sondern die Suche nach einem Verantwortlichen oder einem Sündenbock im Vordergrund stehen. Etwa ein Viertel der Befragten aus dem Jahr 2016 habe schon einmal erlebt, dass ihr Vorgesetzter die Schuld für einen Fehler auf andere schiebt und 25 Prozent gaben an, dass eher nach Sündenböcken gesucht wird als nach der eigentlichen Ursache von Fehlern.

Jüngere Mitarbeiter machten demnach sogar häufiger die Erfahrung, dass nicht nach Ursachen oder Lösungen gesucht wird und hätten bei zugegebenen Fehlern häufiger Angst vor Reaktionen von Kollegen oder Vorgesetzten als ältere Mitarbeiter.

Die Studien fordern deshalb einen konstruktiveren Umgang mit Fehlern und eine offenere Kommunikation über Probleme und Fehlerquellen. Denn so könne neben der individuellen Entwicklung und der emotionalen Bindung der Mitarbeiter auch die Arbeitsweise selbst verbessert werden. Der Studie von S-Three zufogle wünschen sich 86 Prozent der Mitarbeiter und Freelancer, dass Fehler zumindest toleriert werden, etwa zwei Drittel wünschen sich außerdem, dass Fehler als Chance für Weiterentwicklung begriffen werden.

Dem Führungsbarometer von Forsa (2018) zufolge hängt eine konstruktive und offene Fehlerkultur außerdem mit Innovationsgeist und einem hohen Engagement der Mitarbeiter und Führungskräfte eines Unternehmens zusammen. Im Führungsbarometer wurden insgesamt elf Kulturfaktoren abgefragt und auf einem Zusammenhang mit dem Engagement der Unternehmen hin untersucht.

Fehlerkultur steht auch in Zusammenhang mit Engagement der Mitarbeiter und mit Innovationskraft. Unternehmen mit hohem Engagement nutzen Fehler demnach häufiger als Quelle für Verbesserung als Unternehmen mit wenig engagierten Führungskräften und Mitarbeitern. Nur zehn Prozent der Unternehmen mit niedrigem Engagement geben an, über eine Innovations- und Fehlerkultur zu verfügen, unter den Unternehmen mit hohem Engagement sind dies 91 Prozent.

Eine mangelhafte Fehlerkultur könne sich negativ auf die Förderung von Ideen auswirken. So vermissen 39 Prozent der von S-Three Befragten Maßnahmen zur Förderung von Ideen und sogar ein Drittel bemängelt, dass innovative Vorschläge zwar gehört, aber kaum umgesetzt werden.

Feedback und Coaching erhöhen Engagement: In Unternehmen mit besonders engagierten Mitarbeitern und Führungskräften würden laut Forsa 95 Prozent der Führungskräfte regelmäßiges Feedback geben und alle Führungskräfte aus Unternehmen mit hohem Engagement verstünden sich als Coach ihrer Mitarbeiter. Zum Vergleich: Im Durchschnitt sei dies nur in 54 Prozent der Unternehmen der Fall. Weiter würden in den Unternehmen mit hohem Engagement häufiger Entscheidungskompetenzen an Mitarbeiter delegiert.

Angst vor schwerwiegenden Folgen für die eigene Karriere, fehlende Offenheit und wenig an Lösungen orientierte Fehlerkultur bis hin zu aktiver Vertuschung von Fehlern. Die Liste der attestierten Probleme in vielen Deutschen Unternehmen ist lang und bisher scheint sich keine eindeutige Verbesserung im Umgang mit Fehlern abzuzeichnen. Dabei deutet vieles darauf hin, dass Unternehmen ihre Innovationskraft mit einer konstruktiven Fehlerkultur ausbauen können.

Siehe auch: "Das Fairness-Forum über: Wie gelingt ein fairer Umgang mit Fehler, Irrtum und Versagen angesichts ständiger Optimierung?"

26.09.2018 17:59
Fairness schafft bei Mitarbeitern Gefühl der Zugehörigkeit
Am Arbeitsplatz ist Fairness besonders wichtig. Das sehen auch die meisten Mitarbeiter in Unternehmen so, wie eine Umfrage bescheinigt. Tatsächlich besteht bei dem Thema aber enormer Nachholebedarf.

Fühlen sich Mitarbeiter dem Unternehmen verbunden, sind sie in der Regel schwerer abzuwerben. Für Arbeitgeber sind loyale Mitarbeiter deshalb ein großes Pfund. Denn gute Mitarbeiter sind nicht leicht und vor allem oft nur teuer zu bekommen. Denn ehe sie eingeführt und gut positioniert sind, vergeht leicht ein halbes Jahr.

Aber wie schafft man ein Gefühl der Zugehörigkeit? Einer YouGov-Umfrage zufolge ist der Mehrheit (58 Prozent) besonders wichtig, dass das Unternehmen alle Mitarbeiter gleich und fair behandelt. Viele denken dabei vor allem an gleiches Gehalt für Männer und Frauen: Gut jeder Dritte (37 Prozent) fand diesen Punkt in Sachen Fairness am wichtigsten.

Der Anteil ist dabei unter Frauen höher als bei den Männern (46 zu 28 Prozent). Jedem Siebten (15 Prozent) unter allen Befragten ist am wichtigsten, dass Verträge fair verhandelt werden - es also zum Beispiel keine sachgrundlosen Befristungen gibt. Ähnlich vielen (14 Prozent) geht es eher darum, dass befördert wird, wer sich besonders verdient gemacht hat.

Auf Platz zwei der Faktoren, die den Befragten für ihr Zugehörigkeitsgefühl wichtig ist, landete Offenheit (16 Prozent), auf Platz drei die Einbeziehung von Mitarbeitern in die Entwicklung des Unternehmens (11 Prozent). Zur Wahl standen auch, dass der Arbeitgeber in öffentlichen Debatten Stellung bezieht und Gutes tut. Dafür entschieden sich je 2 Prozent der Befragten. Vielfalt im Unternehmen war 4 Prozent am wichtigsten.

Auch den Status Quo hat YouGov abgefragt. Demnach fühlt sich derzeit nur jeder Fünfte (21 Prozent) seinem Arbeitgeber gegenüber 100-prozentig zugehörig. Jeder Vierte (26 Prozent) gab an, dass er und sein Arbeitgeber ein gutes Team seien. Und ein weiteres Fünftel (21 Prozent) der Befragten findet, dass es gut zum Arbeitgeber passt.

Im Auftrag des Berufsnetzwerks LinkedIn wurden 1010 Erwerbstätige im Mai 2018 online befragt.

01.09.2018 08:25
Fairness lohnt sich doch
Wenn Betriebe willkürlich den Lohn kürzen, sinken Motivation und Produktivität der Beschäftigten – klar. Weniger offensichtlich hingegen: Beschäftigte werden auch dann unproduktiver, wenn nicht sie, sondern die Kolleginnen und Kollegen unfair behandelt werden. Das stellte jetzt eine Forschungsgruppe um Sabrina Jeworrek am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) fest.

Was passiert mit der eigenen Produktivität, wenn einer Kollegin oder einem Kollegen Ungerechtigkeit widerfährt? Dieser indirekte Einfluss am Arbeitsplatz wurde bisher kaum untersucht. Unfaires Verhalten des Arbeitgebers macht Angestellte unproduktiver – auch dann, wenn sie selbst gar nicht betroffen sind. Das zeigen IWH-Ökonomin Sabrina Jeworrek und Koautoren Matthias Heinz, Vanessa Mertins, Heiner Schumacher sowie Matthias Sutter in einem verhaltensökonomischen Experiment.

Das Experiment simulierte eine unfaire Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Situation: 195 Probanden wurden für zwei Arbeitseinsätze in einem Callcenter angeworben, um eine deutschlandweite Umfrage durchzuführen. Die 3,5 Stunden langen Schichten wurden jeweils zu Beginn mit 40 Euro pro Einsatz vergütet. Die Beschäftigten wurden während ihres Einsatzes im Callcenter zufällig in eine von drei Gruppen eingeteilt, um den indirekten Effekt unfairen Verhaltens messen zu können: In der ersten Gruppe blieb die Personalmenge in der zweiten Schicht unverändert. In einer zweiten Gruppe wurde das Personal um 20% reduziert, den Verbliebenen wurde aber nicht mitgeteilt, dass es sich um Kündigungen handelte. Vielmehr wurde ihnen mitgeteilt, dass für die zweite Schicht schlicht weniger Personal anwesend sein würde. In der dritten Gruppe wurde das Personal ebenfalls um 20% reduziert, die Kündigung aber an die verbliebenen Beschäftigten kommuniziert. „Den Personen in der dritten Gruppe sagten wir außerdem, dass wir ihren Kolleginnen und Kollegen gekündigt haben, damit wir Kosten sparen können, und dass die Auswahl der Personen vollkommen willkürlich war. Wir wollten, dass die Situation möglichst unfair wirkt“, so Ökonomin Jeworrek.

Drei mögliche Szenarien waren zu diesem Zeitpunkt denkbar: „Entweder die Versuchspersonen sind froh, dass sie nicht betroffen sind und machen einfach normal weiter wie bisher. Oder sie leisten sogar besonders gute Arbeit, um ihre Dankbarkeit auszudrücken. Denkbar ist aber ebenso, dass sie das Verhalten des Arbeitgebers als ungerecht wahrnehmen, obwohl sie selbst nicht einmal betroffen sind, und ihre Arbeitsleistung als Folge dessen reduzieren“, so Jeworrek. Letzteres war der Fall: In der dritten Gruppe wurden die Beschäftigten signifikant unproduktiver, die durchschnittliche Anzahl der Anrufe sank um 12%, da die Probanden längere Pausen einlegten und den Arbeitsplatz früher verließen. Der Umstand, dass in der zweiten Vergleichsgruppe ebenfalls 20% weniger Arbeitskräfte beschäftigt waren, schien demgegenüber aber keinen Einfluss auf die Produktivität zu haben.

Einige Wochen später klärten die Ökonomen die Beschäftigten über das Experiment auf und befragten diejenigen, denen nicht gekündigt wurde, zu ihrer Arbeitszufriedenheit: In allen Gruppen waren die Teilnehmenden zufrieden mit Lohn, Atmosphäre und dem Verhalten des Managements gegenüber ihnen selbst. Das Verhalten den Kolleginnen und Kollegen gegenüber stufte die dritte Gruppe allerdings deutlich schlechter ein als die Vergleichsgruppen. Befragt danach, was sie als besonders unsozial empfanden, nannten sie vor allem die willkürliche Auswahl der entlassenen Personen und die Kündigungen per se.

Zuletzt befragte die Forschungsgruppe erfahrene Personalleiterinnen und -leiter. Diese sollten einschätzen, wie sich die Produktivität der Versuchspersonen im Verlauf des Experiments entwickelt hatte. Obwohl die Fachleute das Ergebnis im Durchschnitt sehr gut einschätzten, lagen sie einzeln oft daneben: Ungefähr 60% überschätzten den negativen Effekt auf die Arbeitsleistung, dafür unterschätzten die verbliebenen Befragten den Effekt oder vermuteten gar einen Produktivitätsanstieg.

„Wir vermuten, dass die Kosten von unfairem Verhalten für Arbeitgeber deutlich höher sind als ursprünglich gedacht“, so Jeworrek. „Sparmaßnahmen können ihr Ziel komplett verfehlen, wenn Angestellte durch die Kündigungen ihrer Kolleginnen und Kollegen unproduktiver werden.“ Das bedeutet: Nicht nur Angestellte schätzen eine faire Behandlung – sie lohnt sich auch aus ökonomischer Sicht.

16.08.2018 10:18
Playmobil unfair mobil
"Playmobil führt Kleinkrieg gegen unliebsame Mitarbeiter", schreibt die Frankfurter Rundschau. Und berichtet von "Willkür, Einschüchterungen, Überwachung und Mobbing: Das Betriebsklima bei dem Unternehmen Playmobil ähnelt einem nicht endenden zermürbenden Kleinkrieg.

Vertrauliche Gespräche mit Informanten sind journalistischer Alltag. Sehr unüblich ist dagegen, wenn sich potenzielle Gesprächspartner vorab informieren, ob man auch Journalist ist und nicht ein verkappter Spion im Auftrag bestimmter Manager. Das Management wäre in diesem Fall das des Zirndorfer Playmobil-Herstellers Geobra Brandstätter und wenn die Schilderungen stimmen, wäre der Spionageverdacht gar nicht so abwegig. „Jedes Widerwort bedeutet Gefährdung der beruflichen Existenz“, sagt Bianka Möller zu Lage und Stimmung im Unternehmen. Sie betreut für die IG Metall den fränkischen Mittelständler. Aufmuckende Mitarbeiter würden dort immer wieder eingeschüchtert. Willkür, Bossing und Mobbing seien an der Tagesordnung.

Die erfahrene Gewerkschafterin erzählt von mehreren ohne Angabe von Gründen freigestellten, dann strafversetzten Playmobil-Mitarbeitern, einem heftigen Disput über die Auslegung der Arbeitsstättenverordnung bei Hitze oder systematisches Ausforschen von Gewerkschaftszugehörigkeit. Wer in Zirndorf Weihnachtsgeld beantragt, müsse seinen Gewerkschaftsausweis vorlegen. So bringe der Arbeitgeber namentlich in Erfahrung, wer gewerkschaftlich organisiert ist.

Die IG Metall musste sich bei Playmobil 2016 vor Gericht den Weg in den Betriebsrat klagen. Aneinander gewöhnt haben sich beide Parteien seitdem nicht, wovon viele Anekdoten zeugen. So habe ein Vorgesetzter mit körperlicher Gewalt zu verhindern versucht, dass ein Untergebener zu einem Gespräch in Gesellschaft eines Betriebsrats seines Vertrauens kommt. Derartiger Beistand ist aber völlig rechtens. Beschäftigte einer Abteilung mit hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad seien erst unbegründet freigestellt worden. Nachgereicht worden sei dann eine angebliche Weigerung, Leiharbeiter einzuarbeiten. Richtig hitzig ist es dann vor kurzem geworden.

Von den bundesweit hohen Temperaturen sind auch Franken und Playmobil nicht verschont geblieben, was Betriebsräte der IG Metall zu einem Schreiben veranlasst hat. Erst haben sie sich beim Management für das Aufstellen von Wasserspendern bedankt, dann einen Passus der Arbeitsstättenverordnung zitiert. Demnach stehe Beschäftigten bei Raumtemperaturen über 35 Grad Celsius stündlich eine zehnminütige „Entwärmungsphase“ zu. „Das bedeutet nicht, dass man zu arbeiten aufhört, sondern für diese Zeit in einen kühleren Raum wechselt und dort einfache Tätigkeiten verrichtet“, erklärt Möller.

Der Aufschrei auf den „Hitzezettel“ der Gewerkschafter war groß. Er kam nicht nur vom Management sondern auch vom Gesamtbetriebsrat, in dem die IG Metall nicht das Sagen hat und der offenkundig gespalten ist. Manager und denen wohlgesonnene Betriebsräte warfen IG Metall-Kollegen vor, zu arbeitsrechtswidrigen Hitzepausen aufzurufen, was disziplinarische Folgen haben könne.

Wie groß der Riss im Unternehmen ist, belegt eine andere Korrespondenz. Diesen April haben Playmobil-Betriebsräte die Unternehmensleitung um die „Einführung regelmäßiger Treffen“ gebeten, die es in vergleichbaren Betrieben meist monatlich gibt. „Für regelmäßige gemeinsame Termine sehen wir derzeit keinen Veranlassung“, ließ die Unternehmensleitung wissen. Denn bisherige Aktionen von Betriebsräten seien von Aktionen geprägt gewesen, die weder zum Wohl der Beschäftigten noch des Unternehmens gewesen seien. So würden Betriebsräte versuchen, Gewerkschaftsmitglieder zu werben, gegen den Arbeitgeber intervenieren oder Beschäftigte am Arbeitsplatz besuchen und diese damit von der Arbeit abhalten.

Die Vorwürfe seien der bewusste Versuch einer Skandalisierung und haltlos, entgegnet ein Playmobil-Sprecher im Namen der Geschäftsführung. Zu einzelnen Punkten im Detail Stellung nehmen wolle man nicht. Die Schilderung der Zustände sei einseitig und keine Mehrheitsmeinung im Betrieb. Wer aber mit langjährigen Beschäftigten spricht, muss das bezweifeln. Seit dem Tod von Firmengründer Horst Brandstätter 2015 sei das Betriebsklima viel mitarbeiterfeindlicher geworden, sagt einer, der seit über drei Jahrzehnten für Playmobil arbeitet".

"FR über Playmobil und Brandstätter"

08.08.2018 10:40
Abzocke bei Online-Partnervermittlungen – abgebrühtes Parship
Vorsicht Falle! Das müsste über allen digitalen Partnerbörsen stehen. Denn schnell sind Gebühren fällig, die vorher ungesehen, unbekannt oder unerkennbar waren. Leben Online-Datingportale vor allem von versteckten Gebühren und Berechnungen? Was hat des mit der krassen Unfairness bei Datingportalen, etwas bei Parship, auf sich?

Die Verbraucherzentrale, die Frankfurter Rundschau (FR) und der STERN haben recherchiert. Die FR schreibt: „Angebote zum Online-Dating stehen hierzulande weit oben in der Beliebtheitsskala von liebesbedürftigen Kontaktsuchenden. Dafür stehen hunderte von Onlineportalen im Internet zur Verfügung, die versprechen, alles – von der großen Liebe über unverfängliche Flirts bis hin zu sexuellen Abenteuern – zu vermitteln. Was am Ende dabei herauskommt, steht auf einem anderen Blatt, aber was es kostet, sollte zumindest von vornherein klar sein. Wenn es repräsentativ ist, was das Marktwächterteam Digitale Welt der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) in dutzenden Verbraucherinterviews erfahren und teilweise nachrecherchiert hat, sind nicht nur die Wege der Liebe unergründlich, sondern auch die Gebühren der Onlineportale.

Kostenfallen sind beim Online-Dating die Regel: „Es ist ein großes Ärgernis, dass Verbraucher beim Online-Dating von hohen Kosten überrascht werden“, kritisiert die Chefjuristin der in der Sache federführenden Verbraucherzentrale Bayern, Tatjana Halm.

Kostenfallen beim Online-Dating sind nach der Marktwächter-Studie keine Ausnahme, sondern die Regel. 25 von 26 unter die Lupe genommenen Portalen geben ohne Registrierung keinen Einblick in die Kosten für eine Mitgliedschaft. Man ist also gezwungen, persönliche Daten preiszugeben, um überhaupt zu erfahren, was die Sache kostet – falls das überhaupt jemals klar wird.

Denn wird von einem Portal künstliche Coin-Währung eingesetzt, ist das oft gar nicht mehr abschätzbar. Richtig zur Kasse gebeten wird derjenige, der nach kurzer Mitgliedschaft feststellt, dass das gewählte Portal doch nicht das Richtige ist und den Vertrag widerruft. Dann dürfen Portalbetreiber etwas verlangen, das juristisch Wertersatz genannt wird, das Betroffene aber als Wucherei empfinden.

Die Preisgestaltung von Datingportalen ist oft intransparent, rügen Verbraucherschützer. Branchenüblich sind Abos zwischen sechs Monaten und zwei Jahren, die bei den in einer Verbraucherstudie untersuchten Plattformen auf ein Jahr gerechnet über 1000 Euro kosten können. Bei Kontakten oder einzelnen Dienstleistungen werden aber Extrakosten fällig, die oft weder abschätzbar noch nachvollziehbar sind.

Der Berater einer Verbraucherzentrale schildert die Erfahrungen eines Kunden von Deutschlands größter Partnervermittlung Parship. „Er hat nach ein paar Stunden gemerkt, dass es nichts für ihn ist, hat daher Widerruf erklärt und war geschockt, was er dafür zahlen musste.“ Es waren 373,61 Euro. Ein isolierter Einzelfall war das nicht. Ein anderer Verbraucher hatte sich bei Parship um 16.22 Uhr angemeldet und um 16.52 Uhr wieder abgemeldet. Der Widerruf wurde ihm bestätigt, nebst Rechnung über 223,39 Euro Wertersatz. Der Preis für eine zwölfmonatige Premium-Mitgliedschaft hätte zu diesem Zeitpunkt 333,85 Euro betragen.

Parship findet das rechtlich und auch sonst völlig in Ordnung. Ein Wertersatz werde abhängig von Kontakten berechnet nicht zeitanteilig, was auch gerichtlich erlaubt sei, betont eine Sprecherin. Wie viele solcher Kontakte binnen einer halben Stunde anfallen können, will sie nicht abschätzen. Aus Datenschutzgründen könne man auch keine einzelnen Summen für Wertersatz oder konkrete Fälle kommentieren.

Hätte ein Kurzzeitmitglied in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nach Hinweisen auf die Höhe eines Wertersatzes gesucht, wäre es nicht vorgewarnt gewesen, wobei folgendes Satzungetüm ohnehin nicht jeder versteht. „Haben Sie verlangt, dass die Dienstleistung während der Widerrufsfrist beginnen soll, so haben Sie uns einen angemessenen Betrag zu zahlen, der dem Anteil der bis zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie uns von der Ausübung des Widerrufrechts hinsichtlich dieses Vertrages unterrichten, bereits erbrachten Dienstleistungen im Vergleich zum Gesamtumfang der im Vertrag vorgesehenen Dienstleistung entspricht,“ heißt es in den AGB.

Wer fristgerecht widerruft, muss also einen „angemessenen Betrag“ zahlen, wobei offenbleibt, was angemessen ist. Hier verweist eine Parship-Sprecherin auf eine Webseite mit häufigen Fragen und Antworten. Dort findet sich unter dem Stichwort Wertersatz folgende Erklärung. „Es werden maximal drei Viertel ihres Produktpreises berechnet – ohne Aufschläge für abweichende Zahlungsweisen.“

Ein ausgesprochener Aufreger ist auch, wenn Onlineportale mit Coin-Modellen arbeiten. Dabei erfahren Verbraucher zwar noch, wie viele Euro ein Coin-Paket kostet, aber nicht mehr, wie viele Coins etwa für einen Livecam-Chat berechnet werden. „Coins werden willkürlich abgebucht, der Verbraucher ist dem Anbieter vollkommen ausgeliefert“, stellt Halm klar. Ihre Kollegen haben selbst getestet. Beim gleichen Portal wurden für eine identische Dienstleistung bei mehreren Anläufen jeweils verschiedene Coin-Beträge abgebucht. „Wir haben keine Erklärung außer Abzocke“, sagt ein Tester.

Juristische Grauzone

Ein verbreiteter Fallstrick ist auch das für Verbraucher oft überraschende Umwandeln sogenannter Probeabos in zahlungspflichtige Mitgliedschaften. Das vollzieht sich automatisch ohne ausreichende Vorab-Kennzeichnung, rügen Verbraucherschützer. Probeabos würden als Schnupperabos gegen Einmalzahlung beworben. Selbst erfahrene Internetprofis hätten aber Probleme, auf den Webseiten von Datingportalen den Passus zu finden, der eine fristgerechte Kündigung des Probeabos verlangt, um eine automatische Umwandlung zu verhindern, beschreibt eine Verbraucherschützerin ihre Erfahrungen. Kunden finanziell im Dunkeln tappen zu lassen, sei oft Geschäftsprinzip.

Flirt-Funktion: Facebook setzt auf Online-Dating

Vieles spielt sich dabei in einer juristischen Grauzone ab. Speziell bei automatischer Mitgliedschaft nach einem Probeabo und den Coin-Modellen könnte der Bogen aber auch überspannt sein. „Wir sehen diese Praktiken kritisch und werden möglicherweise einzelne Anbieter abmahnen“, sagt Halm. Beim Thema Wertersatz dagegen haben 2017 das Hanseatische Oberlandesgericht und dieses Jahr auch der Bundesgerichtshof bereits zugunsten von Datingportalen geurteilt“.

Der STERN schreibt: „Wie Millionen andere Menschen hatte auch Christian Stoll gehofft, im Internet die große Liebe zu finden. Deshalb meldete er sich bei "Parship" an, die hierzulande wohl bekannteste Online-Partnervermittlung. "Ich wollte mich auch schnell verlieben, in 11 Minuten, wie sie immer so schön sagen. Stattdessen habe ich in fünf Tagen Mitgliedschaft fast 300 Euro verloren", so der enttäuschte 46-Jährige.

Statt Herzklopfen und Dates bekam Christian Stoll nur das Gefühl, abgezockt worden zu sein. Auch Sabine N. soll über 350 Euro bezahlen. Sie hatte nach acht Tagen ihre Mitgliedschaft widerrufen. "Ich habe gemerkt, dass dieses Matching-System nichts für mich ist, denn man bekommt nur Vorschläge, kann aber selbst nicht suchen. Man ist also darauf angewiesen, wer vorgeschlagen wird", sagt sie.

Wie diesen beiden geht es vielen Nutzern von "Parship": Nachdem sie die Plattform kennen gelernt haben, möchten sie ihre Mitgliedschaft nach wenigen Tagen widerrufen. Dann kommt die Rechnung. Bei der Verbraucherzentrale Hamburg würden sich fast täglich Leute melden, die sich über "Parship" beschweren, so Leiterin Julia Rehberg. Dahinter stecke ein System: Wer fristgerecht widerruft, beendet zwar umgehend die Mitgliedschaft. Für die bis dahin erhaltenen "Leistungen" in Form von Kontakten zu anderen Mitgliedern soll man aber trotzdem zahlen. Parship nennt das: Wertersatz.

40 Euro pro Kontakt

Aus den Werbeversprechen hatte die Plattform auf Christian Stoll einen seriösen Eindruck gemacht. Nachdem er sich zunächst kostenlos angemeldet hatte, stellte er aber fest, dass er so wenig Nutzen hatte: Die Profilbilder potenzieller Kandidatinnen waren verpixelt und Nachrichten konnte er auch nicht schreiben. "Man bekommt als kostenloses Mitglied nicht viel zu sehen. Und so wird man automatisch da hingelenkt, Premiummitglied zu werden. Denn man will ja jemandem schreiben und Kontakt aufnehmen. Und daraufhin habe ich diese Premiummitgliedschaft abgeschlossen", so Stoll.

Der Single wählte die Variante über sechs Monate für Abokosten von 310 Euro. Christian Stoll ging davon aus, dass er nun alle Bilder würde sehen und mit dem Flirten beginnen können. Aber auch für Premium-Mitglieder sind die meisten Fotos verpixelt – es sei denn, der jeweilige Kontakt schaltet das Bild frei. "Nach fünf Tagen hatte ich einfach die Nase voll, denn ich möchte die Bilder sehen." Stoll wusste von dem 14-tägigen Widerrufsrecht und widerrief seine Premiummitgliedschaft. In der Antwort von "Parship" hieß es allerdings, dass er für seine bereits geschlossen Kontakte einen so genannten "Wertersatz" zahlen müsse. In seinem Fall lag der bei mehr als 200 Euro, obwohl er die Online-Partnervermittlung nur wenige Tage genutzt hatte. "Ich fühle mich irgendwie abgezockt", so Christian Stll dazu. "Wofür gibt es ein 14-tägiges Widerrufsrecht, wenn ich davon nicht Gebrauch machen kann, wenn ich trotzdem bezahlen muss?"

Konkret verlangte "Parship" den Wertersatz für die zustande gekommenen Kontakte, die ihm vertraglich garantiert wurden. Aber was ist so ein Kontakt? Wenn ein Mann einer Frau ein Smiley schickt – und diese daraufhin schlicht mit "Danke" antwortet, gilt das als Interaktion. Für "Parship" ist das bereits ein "garantierter Kontakt". Für Christian Stoll hieß das: Fünf Kontakte, fünf Mal kein Erfolg und etwa 40 Euro Kosten pro Kontakt.

Eine derartige Berechnung eines Wertersatzes ist für Verbraucherschützerin Julia Rehberg widerrechtlich: "Die Wertersatz-Berechnung ist in vielen Fällen zu hoch", sagt sie. Der Wertersatz könne nicht nach Kontakten erfolgen, wenn Kunden einen Zeitvertrag abschließen und diesen widerrufen. "Es gibt bei einem Jahr Laufzeit beispielsweise eine Kontaktgarantie von sieben Kontakten. Das heißt, wenn ich sieben Mal irgendjemanden angeschrieben habe, oder mich jemand angeschrieben hat, dann ist diese Garantie erfüllt. Dann soll ich zahlen, und zwar bis zu 75 Prozent des ursprünglich vereinbarten Betrages. Das kann unserer Meinung nach nicht sein, weil man ja einen Laufzeitvertrag abschließt. Also muss man auch nur für die genutzte Zeit zahlen, für die ein, zwei, drei Tage, die man das Angebot genutzt hat." Zum Beispiel: Bei einer Jahresmitgliedschaft über 350 Euro wären die Kosten für einen Tag 96 Cent. Bei einer Kündigung nach fünf Tagen müsste der Nutzer demnach nur 4,80 Euro bezahlen.

Gerichtsurteil: Wertersatz-Forderungen überzogen

Die Verbraucherzentrale hatte bereits 2014 gegen die Wertersatz-Taktik von "Parship" vor dem Landgericht Hamburg geklagt. Der Richter urteilte: Kein Nutzer würde für die Garantie, für 5 bis 7 Kontakte, die auch in einer Absage bestehen können, mehrere hundert Euro investieren. (…) Das Verhältnis der bis zum Widerruf erfolgten Leistungserbringung ist (…) zeitanteilig zu berechnen.

Das Urteil ist allerdings noch immer nicht rechtskräftig, weil "Parship" dagegen in Berufung ging und sich der Prozess seitdem hinzieht. stern TV fragte beim Unternehmen nach, was sie zu den Vorwürfen sagen. Schriftlich antwortete "Parship": Unsere Rechtsauffassung unterscheidet sich ganz klar von der des Landgerichts Hamburg (…) Als seriöse Online-Partnervermittlung entsprechen unsere Widerrufs- und Wertersatzbestimmungen selbstverständlich den geltenden deutschen Gesetzesvorgaben(…)


Julia Rehberg sieht das anders: "Die lange Verfahrensdauer ist natürlich ärgerlich, weil Parship erstmal so weitermachen kann", so Julia Rehberg. "Wir raten Betroffenen deshalb, nicht zu bezahlen. Und wenn schon gezahlt wurde, dann sollten die Leute ruhig auf Erstattung klagen. Das Amtsgericht Hamburg hat den Verbrauchern ja schon Recht gegeben. Man sollte also mutig sein und ruhig klagen." Das Problem sei nämlich, dass die Ansprüche nach drei Jahren verjähren. Wer sich das Geld später wieder holen will, wenn der Prozess für die Verbraucherzentrale gewonnen ist, könnte dennoch leer ausgehen“.

"Die FR zu Online-Partnervermittlungen"

"Die Verbraucherzentrale zu digitalen Partnerbörsen und Urteilen, durch die Nutzer großenteils ihr Geld zurück bekamen"

"Der STERN zu Online Datingportalen"

31.07.2018 10:41
Rewe: Keine Kohle mit der Kohle!
„Die REWE Group setzt sich für den Schutz der Wälder und der dort lebenden Tier- und Pflanzenarten ein.“ Das schreibt der Lebensmittelkonzern im Nachhaltigkeitsbericht 2017 auf der eigenen Webseite. Der Anspruch ist erst einmal löblich.

Doch eine Marktanalyse der Naturschutzorganisation WWF vom Juli 2018 zeigt: Rewe verkauft Grillkohle mit Tropenholz – und ohne das Nachhaltigkeitssiegel FSC. Offenbar ist Rewe gar nicht interessiert daran, woher genau das Holz für seine Kohle kommt. Forschen die deutschen Supermärkte und Discounter nicht nach, handeln die Vertragspartner oft illegal. Diese Nachlässigkeit zerstört Regen- und Trockenwälder in Paraguay und Nigeria.

Und was macht die Politik? Eigentlich gibt es ein EU-Gesetz, das die Tropenwälder schützen soll: die europäische Holzhandelsverordnung. Doch Holzkohle gilt hier als Ausnahme – und wird nicht weiter überprüft. Jetzt sind wir Konsument/innen am Drücker. Rewe will nachhaltig sein – wir verpflichten den Supermarkt-Riesen dazu, seinem Anspruch gerecht zu werden. Aldi hat es schon vorgemacht und seit diesem Jahr auf FSC-zertifizierte Holzkohle umgestellt. Jetzt muss Rewe nachziehen. Schützen Sie den Regenwald davor, auf unseren Grills zu landen – und unterzeichnen Sie jetzt unseren Appell!

"Appell unterzeichnen!"

21.06.2018 18:10
Deutsche Supermärkte: katastrophale Unfairness
Das hat die Internationale Organisation OXFAM festgestellt: "Überall dort, wo Menschen Lebensmittel für Supermärkte in Deutschland und anderen Ländern produzieren, sind Leid und Ausbeutung an der Tagesordnung. Das zeigt der neue Oxfam-Bericht „Die Zeit ist reif“. Der Bericht enthält neben vielen Fallbeispielen einen Supermarkt-Check, in dem die deutschen Supermarktketten miserabel abschneiden.
Weltweit nimmt die Ungleichheit in der Wirtschaft drastische Ausmaße an – auch im Landwirtschafts- und Nahrungsmittelsektor: Supermarktketten dominieren die Märkte. Sie diktieren Lieferanten die Preise und streichen riesige Gewinne ein. Oftmals reichen die Löhne und Einkommen der Arbeiter/innen, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern nicht einmal aus, um ihr Existenzminimum zu decken – also das, was sie für Essen, ein Dach über dem Kopf, Arztbesuche und nötige Rücklagen brauchen. Hinzu kommen Gewalt, Diskriminierung, Pestizideinsatz und Zwangsarbeit.

Aufdeckung von Missständen in Supermarkt-Lieferketten

Oxfams neuer Bericht „Die Zeit ist reif“ hat zahlreiche Beispiele für Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen in den Lieferketten der Supermärkte aufgedeckt.

Der Bericht zeigt jedoch auch, dass Ungleichheit und Ausbeutung im Lebensmittelsektor gestoppt werden können. Vor allem Supermärkte müssen handeln. Sie sollten ihre starke Marktposition dazu nutzen, um den Missständen ein Ende zu setzen. Stattdessen wälzen Supermärkte Kosten auf ihre Lieferanten ab und drücken die Preise. So machen sie eine sozial gerechte und nachhaltige Lebensmittelproduktion nahezu unmöglich.

Deutsche Supermärkte schneiden miserabel ab

Im Oxfam Supermarkt-Check haben wir einige der größten und am schnellsten wachsenden Supermarktketten in Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien und den USA miteinander verglichen. Unsere Bewertungskriterien:
•Transparenz und Rechenschaftspflicht
•Schutz der Rechte von Arbeiter/innen
•Umgang mit Kleinbäuerinnen und Kleinbauern
•Schutz vor Gewalt gegen und Ausbeutung von Frauen

Die Untersuchung zeichnet ein klares Bild: Die „big four“ der deutschen Ketten (Aldi, Edeka, Lidl und Rewe) schneiden im Vergleich zu anderen Supermärkten mit am schlechtesten ab. Während Supermärkte aus Großbritannien und den USA teilweise zweistellige Prozentzahlen erreichten, wurden die deutschen Supermärkte in jeder Kategorie mit null bis acht Prozent der Gesamtpunktzahl bewertet. Bei speziellen Schutzmaßnahmen für Frauen konnte keine der deutschen Ketten Punkte erzielen, beim Schutz von Arbeiter/innen lag die höchste Bewertung bei zwei Prozent.

Die aufgedeckten Missstände und das schockierende Ergebnis des Supermarkt-Checks zeigen, dass Supermärkte ihre Geschäftspolitik grundlegend ändern müssen. Denn eins steht fest: Wirtschaftliche Ausbeutung, Armut und menschliches Leid dürfen keine Zutaten unserer Lebensmittel in Supermarktregalen sein. Die Menschen, die das Essen produzieren, das in unseren Einkaufstüten landet, müssen fair bezahlt, ihre Gesundheit geschützt und ihre Rechte geachtet werden. Deshalb müssen wir Druck machen! Helfen Sie uns, Supermärkte zum Handeln zu bewegen und unterstützen Sie unsere Mitmach-Aktion!"

Zum Ausgangstext
"Die Oxfam-Meldung mit grafischer Übersicht"

Zum Bericht
"Deutsche Zusammenfassung zum Report - 28 Seiten"

Zur Aktion
"Fairness eintüten - Jetzt mitmachen: Supermärkte bewegen – Menschenrechte schützen

Zum Fairness-Check
"Zu Edeka, Rewe, Lidl und Aldi"

06.06.2018 12:40
Für Azubis kaum Fairness?
Auch wenn 99 Prozent der Auszubildenden Fairness und Gerechtigkeit im Betrieb für sehr wichtig halten: nicht mal jeder zweite von ihnen sieht das realisiert. Die Gründe dafür: ein schlechtes Arbeitsklima oder zu viel Stress.

"Nur jeder vierte Auszubildende in Deutschland findet, dass es in seinem Betrieb eindeutig fair und gerecht zugeht. Dabei halten mit 99 Prozent fast alle Befragten Fairness und Gerechtigkeit im Betrieb für sehr wichtig, wie aus einer Umfrage im Auftrag der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hervorgeht. Ein Viertel der Befragten vermisst die Werte Fairness und Gerechtigkeit in seinen Betrieben gänzlich. Nur 47 Prozent sehen faire Arbeitsbedingungen umgesetzt. Gründe dafür sind in den Augen der Befragten oft ein schlechtes Arbeitsklima, ungerechte Bezahlung, Stress oder fehlende Führungsqualitäten der Vorgesetzten.

Dabei erwarten 91 Prozent eine Gleichbehandlung bei der Arbeit. "Damit stimmen Azubis zentralen gewerkschaftlichen Werten in hohem Maße zu", sagte der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske. Viele sind mit ihrer Ausbildungssituation im Großen und Ganzen zufrieden. 87 Prozent der Azubis in Betrieben mit Tarifbindung sind sehr zufrieden, dagegen in Betrieben ohne Tarifbindung nur 72 Prozent. Mit einem Tarifvertrag verbinden 60 Prozent der Befragten bessere Arbeitsbedingungen.

Nach Ansicht der Auszubildenden sollen sich Gewerkschaften vor allem für eine bessere Ausbildungsvergütung (50 Prozent) einsetzen, ebenso für bessere Arbeitsbedingungen (25 Prozent), für gute Arbeitszeitregelungen (16 Prozent) oder etwa für eine persönliche Unterstützung bei Problemen in der Ausbildung (5 Prozent). "Das ist ein klarer Auftrag für uns als Gewerkschaft, zusammen mit den jungen Beschäftigten an diesen Themen zu arbei-ten und Azubis als Gewerkschaftsmitglieder zu gewinnen", so Bsirske."

"ntv zu Fairness für Azubis"

24.05.2018 10:44
Wie fair, sozial und ökologisch sind die Banken in Deutschland?
Zum dritten Mal hat der Fair Finance Guide Deutschland anhand sozialer und ökologischer Kriterien Banken in Deutschland analysiert und verglichen. Angewendet wurden 250 Einzelkriterien zu 13 sozial-ökologischen Themen auf einer Performance-Skala zwischen 0 % und 100 %. Im Vergleich zu den vorherigen Untersuchungen im März 2016 (8) bzw. im November 2016 (10) wurde die Zahl der untersuchten Banken jetzt auf 13 erweitert.

Das zentrale Ergebnis:Die Nachhaltigkeitsrichtlinien von sechs Banken haben sich im Vergleich zur Voruntersuchung und als Folge des Dialogs mit dem Fair Finance Guide Deutschland qualitativ verbessert. Dennoch gibt es aus Sicht der Nichtregierungsorganisationen, die hinter dem Fair Finance Guide stehen, weiterhin inakzeptable Defizite.

Überraschend schlecht schneiden zwei der drei neu untersuchten Banken ab: Die Sparkasse KölnBonn mit der denkbar schlechtesten Performance (0 % von 100%) sowie die Bayern LB auf dem vorletzten Platz (28 % von 100%).

„Die Sparkasse KölnBonn lässt ihre KundInnen komplett darüber im Unklaren, ob die Verwendung der etwa 20 Mrd. Euro Einlagen an nachhaltige Kriterien gebunden ist“, beklagt Antje Schneeweiß von SÜDWIND.

Seit dem Jahr 2018 sind Banken ab einer gewissen Größenordnung erstmalig für das Geschäftsjahr 2017 verpflichtet, über nicht-finanzielle Belange zu berichten (CSR-Berichtspflicht). Zu diesen gehören fünf verpflichtende Themen: Umwelt-, ArbeitnehmerInnen- und Sozialbelange sowie die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.

„Die untersuchten Banken kommen zwar ihrer Berichtspflicht zur unternehmerischen Sozialverantwortung nach, doch fördert dieses Verfahren nicht die Transparenz in Bezug auf soziale und ökologische Aspekte des Kerngeschäftes der Banken“, beklagt Thomas Küchenmeister, geschäftsführender Vorstand der Nichtregierungsorganisation Facing Finance, die den Fair Finance Guide Deutschland koordiniert. Küchenmeister verweist darauf, dass z.B. die Unternehmen der DZ BANK-Gruppe Menschenrechtsaspekten bei den direkten Geschäftstätigkeiten nur eine untergeordnete Rolle zuschreiben.

Ein weiteres Ergebnis: Der Fair Finance Guide Deutschland unterscheidet sich im Vergleich zu Nachhaltigkeitsratingagenturen und ihren Bewertungen deutlich. „Im Vergleich zu Nachhaltigkeitsratingagenturen erweist sich der Fair Finance Guide als kritischer und verfolgt zudem eine komplett transparente Methodik, wohingegen die Nachhaltigkeitsratingagenturen jede Menge Informationen in eine Blackbox kippen, eine Zahl darunterschreiben und diese dann für viel Geld an ihre KundInnen - zu denen auch viele Banken gehören - verkaufen“, kritisiert Thomas Küchenmeister. Zu den positiven Ergebnissen trägt wesentlich der TOP-Neueinsteiger EthikBank bei, der aus dem Stand mit einer Performance von 94 % von möglichen 100 % auf Platz 2 landet.

„Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wissen, ob ihre Bank soziale und ökologische Richtlinien berücksichtigt. Die Verbraucherzentrale Bremen kooperiert daher mit dem Fair Finance Guide und hat die EthikBank unter die Lupe genommen. Die Tochter der Volksbank Eisenberg ist zwar nur eine kleine Anbieterin, konnte sich aber mit ihrer Nachhaltigkeitsausrichtung auf Anhieb in der Spitzengruppe platzieren“, kommentiert Dr. Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen.

Die katholische Pax-Bank, die bei der ersten Untersuchung noch die schlechteste Bewertung erhielt, macht erneut einen großen Sprung (55 % auf 66 %) und landet auf Platz 5, deutlich vor der Commerzbank (39 %), der leicht verbesserten Deutschen Bank (33 %) und der stagnierenden DZ Bank (32 %). “Die klare Verbesserung des Ratings der Pax Bank rührt wesentlich von der gewachsenen Dialogbereitschaft des Instituts, welche sich als entscheidende Grundlage für die Entwicklung der Investitions- und Anlageleitlinien der Pax Bank erwiesen hat”, sagt Mario Dziamski, Gründer der Verbraucherinitiative Rank a Brand e.V.. Auch die evangelische KD-Bank zeigt sich deutlich verbessert.

„Unsere Transparenzinitiative scheint zu wirken, denn im Durchschnitt erhöht sich der qualitative Standard der ESG-Kriterien der untersuchten Banken langsam aber stetig“ resümiert Sarah Guhr, Projektleitern des Fair Finance Guide Deutschland.So hat sich der Durchschnittswert der acht seit Beginn bewerteten Banken trotz mittlerweile gestiegener Anforderungen von 42 % auf 58 % erhöht. Die konventionellen Banken verbesserten sich seit März 2016 insgesamt von 23 % auf 28 %.

„Der Fair Finance Guide konnte besonders in den Bereichen Arbeitsrecht (von 36 % auf 43 %), bei der fossilen Energieerzeugung (von 21 % auf 28 %) sowie dem Thema Bergbau (von 21 % auf 26 %) Verbesserungen feststellen“, unterstreicht Sarah Guhr. Diese Entwicklung sei z.B. den vermehrten Ausschlüssen von Kohlekraftwerksbetreibern bzw. von Kohlebergbau und umweltschädlichen Energiegewinnungsmethoden wie Fracking bzw. Öl- oder Teersande (tar sands) zuzuschreiben, so Sarah Guhr.

Facing Finance und die Kooperationspartner im Fair Finance Guide werden ihre Zusammenarbeit fortsetzen und ausweiten. Zudem ist vorgesehen, anhand von öffentlich zugänglichen Fallstudien kontinuierlich zu prüfen, ob Banken tatsächlich ihre ESG-Richtlinien einhalten.

Ziel des Fair Finance Guide Deutschland bleibt es, für BankkundInnen mehr Transparenz und Vergleichbarkeit in Bezug auf die soziale und ökologische Bilanz deutscher Banken herzustellen und ihnen die Möglichkeit zu geben, die Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle besser beurteilen zu können. Dafür steht das anhand von 250 Kriterien detailliert recherchierte, unabhängige und frei zugängliche ESG-Bewertungsportal zur Verfügung:
"Checken Sie Ihre Bank im ESG-Bewertungsportal"

Der Fair Finance Guide Deutschland ist Teil vom"Netzwerk Fair Finance Guide International", gegründet von Oxfam Novib. Der FFG International umfasst weltweit derzeit neun Länder und vereint über 40 Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, Umweltgruppen und Verbraucherorganisationen.

Fair Finance Guide Deutschland wird von der schwedischen Entwicklungsbehörde Sida und der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen finanziert. Die dem Projekt zugrunde liegende, umfassende Methodik wurde mit Unterstützung der niederländischen Agentur Profundo (www.profundo.nl) entwickelt.

Bei Rückfragen und Interviewwünschen wenden Sie sich bitte an:

Thomas Küchenmeister
FACING FINANCE
0175-4964082
[email protected]

Hintergrundinformationen
"Hintergrundinfo"

13.04.2018 10:17
EU fordert: Mehr Fairness im Supermarkt und für Landwirte
Um mehr Fairness entlang der Lebensmittelkette bemüht sich ein aktueller Vorschlag der EU-Kommission. Die EU-Kommission schlägt europaweit Mindeststandards gegen unfaire Handelspraktiken vor. Damit sollen die EU-Mitgliedsstaaten zukünftig Verstöße gegen die gute Handelspraxis aufklären und Strafen gegen den Lebensmittelhandel verhängen können.

Die EU-Kommission möchte plötzliche Stornierungen, Zahlungsverspätungen, einseitige nachträgliche Vertragsänderungen und Abschläge für verdorbene Ware, die nicht vom Produzenten verantwortet wurde, verbieten. Andere unfaire Handelspraktiken sollen nur dann untersagt werden, wenn sie nicht ausdrücklich im Vertrag festgehalten sind. Dazu gehören Listungsgebühren, die Rückgabe unverkäuflicher Ware und die Beteiligung des Anbieters an Werbemaßnahmen.

Die EU-Kommission begründet ihr Vorgehen gegen unfaire Handelspraktiken mit der schwachen Stellung der Landwirte innerhalb der Lebensmittelkette. Gemeint ist vor allem der Lebensmitteleinzelhandel, aber auch andere Abnehmer mit mehr als 250 Mitarbeitern und 50 Mio. Euro Jahresumsatz, die nach der Definition keine kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mehr sind.

Ziel des Vorschlags sei es, die Einkommen der Landwirte in der EU zu verbessern, da unfaire Handelspraktiken die Gewinnmargen der Erzeuger verkleinerten, erklärte EU-Agrarkommissar Phil Hogan. Es ginge der EU-Kommission darum, in allen EU-Mitgliedsstaaten gemeinsame Mindeststandards festzulegen, um auf dem EU-Binnenmarkt für Chancengleichheit zwischen den Landwirten zu sorgen.

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger über den Vorschlag: „Uns geht es um die Stellung unserer Bäuerinnen und Bauern in der Lebensmittelversorgungskette. Tausende Landwirte stehen nur wenigen Handelsketten in Österreich gegenüber. Wir müssen den Kampf David gegen Goliath entschlossen weiterführen. Der Vorschlag der Kommission ist hier ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“

Auch LK Österreich-Präsident Hermann Schultes betonte: “Der neue EU-Rechtsrahmen soll für Geschäftspraktiken auf Augenhöhe sorgen. So soll es künftig einseitig diktierte Qualitätsstandards, kurzfristige Stornos, Rücksendungen unverkaufter Frischware, Listungsgebühren oder Kostenbeteiligungen für Werbung, die letztlich der Bauer bezahlt, und andere unfaire Geschäftspraktiken nicht mehr geben. In den kommenden Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Rat gilt es, noch einige Nachbesserungen, wie die Größe der von den neuen Regeln betroffenen Unternehmen, zu verankern. So sollen das Größenverhältnis Lieferant zu Abnehmer und nicht fixe Unternehmensgrößen ausschlaggebend sein.”

Das EU-Parlament hatte seit längerer Zeit solche Maßnahmen gefordert. Der Gesetzesvorschlag der Kommission ist laut EU-Abgeordnetem Othmar Karas “überraschend positiv, realistisch und flexibel”. Das Parlament werde ihn prüfen “und sicher einige Änderungen vornehmen”, so Karas. Am kommenden Montag, 16. April, soll der Vorschlag im EU-Agrarrat diskutiert werden.

Das EU-Parlament hatte Mitte 2016 von der EU-Kommission gefordert, Gesetzesvorschläge gegen unlautere Handelspraktiken in der Lebensmittelversorgungskette vorzulegen, um angemessene Einkünfte für Landwirte und eine umfangreiche Auswahl für Verbraucher zu gewährleisten. Die Entschließung war mit 600 Stimmen angenommen wurde, bei 48 Gegenstimmen und 24 Enthaltungen.

Ziel ist, faire und transparente Beziehungen zwischen Erzeugern, Lieferanten und Vertreibern von Lebensmitteln sicherzustellen.

"Die bisher ergriffenen Maßnahmen haben noch keine Wirkung gezeigt. Deshalb machen wir weitere Vorschläge. Es muss mehr für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Erzeugern und Supermärkten getan werden, vor allem, wenn es darum geht, den sogenannten "Angstfaktor" zu minimieren. Außerdem fordern wir die EU-Kommission auf, mehr Instrumente zur Bekämpfung unfairer Handelspraktiken zu schaffen", sagte der Berichterstatter Edward Czesak (EKR, PL).

Fairer Handel sollte auch dazu beitragen, Überproduktion und Verschwendung von Lebensmitteln zu verhindern, so der Entschließungstext, in dem die Abgeordneten verlangen, dringend gegen die großen Unterschiede bei den Einkommen und beim Einfluss der Akteure der Lebensmittelversorgungskette vorzugehen, um die Verhandlungsposition der Landwirte zu verbessern.

In der Entschließung stellte das Parlament fest, dass der Verkauf zu einem nicht kostendeckenden Preis und der Umstand, dass landwirtschaftlich erzeugte Grundnahrungsmittel wie Milchprodukte, Obst und Gemüse von großen Einzelhändlern massiv als Lockangebote missbraucht werden, auf lange Sicht die Nachhaltigkeit der Erzeugung dieser Nahrungsmittel in Europa bedrohen.

Landwirte und KMU leiden unter unlauteren Praktiken besonders stark. Manchmal sind sie dazu gezwungen, nach für sie ungünstig verlaufenen Verhandlungen mit anderen – stärkeren – Akteuren der Lebensmittelversorgungskette mit Verlust zu verkaufen, beispielsweise infolge von Preissenkungen und -nachlässen in den Supermärkten. Auch Endverbraucher sind benachteiligt, da die Produktauswahl sowie ihr Zugang zu neuen und innovativen Erzeugnissen eingeschränkt werden, so die Abgeordneten.

"Angstfaktor" der Produzenten überwinden: Robuste Durchsetzung erforderlich

Freiwillige Maßnahmen und Selbstregulierungsmaßnahmen haben aufgrund ihrer unzureichenden Durchsetzung, der unzulänglichen Beteiligung von Landwirten, Interessenskonflikten zwischen den betroffenen Parteien, Mechanismen zur Streitbeilegung, die den „Angstfaktor“ auf Seite der Produzenten nicht berücksichtigen, und die Tatsache, dass sie sich nicht auf die gesamte Lebensmittelversorgungskette beziehen, bislang nur zu bescheidenen Ergebnissen geführt, unterstreicht das Parlament.

Es vertritt die Auffassung, dass nur mit einem Rechtsrahmen auf EU-Ebene unlautere Handelspraktiken bekämpft werden können und sichergestellt wird, dass Landwirte und Verbraucher in der EU von fairen Verkaufs- und Einkaufsbedingungen profitieren können.

Es ist zudem der Ansicht, dass die "Supply Chain Initiative" und andere freiwillige Systeme auf nationaler Ebene und EU-Ebene weiterentwickelt und gefördert werden sollten, und zwar "als Ergänzung wirkungsvoller und starker Durchsetzungsmechanismen auf der Ebene der Mitgliedstaaten – wobei insbesondere darauf zu achten ist, dass Beschwerden anonym eingereicht werden können und abschreckende Sanktionen eingeführt werden – und in Verbindung mit einer Koordinierung auf EU-Ebene." Die Abgeordneten ermutigen Produktions- und Handelsunternehmen, wozu auch Bauernverbände zählen, sich an diesen Initiativen zu beteiligen.

Sie begrüßen außerdem Aktivitäten wie zum Beispiel die „Initiative Tierwohl“ in Deutschland, mit denen Landwirten dabei geholfen werden soll, bei der Vermarktung ihrer Erzeugnisse deren Vorzüge in den Vordergrund zu stellen.

Zum Hintergrund
Unlautere Handelspraktiken umfassen unter anderem verspätete Zahlungen, einen beschränkten Zugang zum Markt, einseitige oder rückwirkende Änderungen von Vertragsbedingungen, die plötzliche und unbegründete Auflösung von Verträgen, die unlautere Übertragung des kommerziellen Risikos oder die Abwälzung der Transport- und Lagerhaltungskosten auf die Lieferanten.

Es gibt bereits EU-Rechtsvorschriften zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken in den Beziehungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Richtlinie 2005/29/EG), aber keine EU-Rechtsvorschriften zur Bekämpfung unlauterer Praktiken in den Beziehungen zwischen den verschiedenen Akteuren entlang der Lebensmittelversorgungskette. Unlautere Handelspraktiken fallen nur zum Teil unter das Wettbewerbsrecht.

"Die österreichische Bauernzeitung über Fairness im Lebensmittelsektor"

"Europäisches Parlament fordert mehr Fairness in der Lebensmittelkette"

29.03.2018 09:53
Greenwashing: Betrug an Bürgern, Umwelt und Arbeitern
"Der Film „The green lie“ entlarvt das Greenwashing der Konzerne und zeigt dem Konsumenten die Wahrheit hinter angeblich nachhaltigen Produkten. Der Film ist seit 22. März in den Kinos.
Ein Interview der Zeitschrift Enorm mit der Frau hinter dem und im Film: Kathrin Hartmann.

Kathrin Hartmann, geboren 1972, lebt und arbeitet als Journalistin und Autorin in München. Seit vielen Jahren schreibt sie Bücher über Greenwashing und den industriellen Raubbau an der Natur – und seit Gründung von enorm 2010 auch immer wieder Interviews und Texte für unser Magazin. Im Blessing-Verlag ist im Februar Kathrin Hartmanns jüngstes Buch erschienen, „Die Grüne Lüge“ – das Buch zum Film „The Green lie“, den sie gemeinsam mit dem Wiener Dokumentarfilmer Werner Boote gedreht hat.

Kathrin, seit Jahren schreibst du über Greenwashing. Warum jetzt ein Kinofilm?

Hartmann: Das war die Idee von Werner Boote, dem Regisseur des Dokumentarfilms „Plastic Planet“. Wir hatten uns in einer Talkshow des ORF kennen gelernt, es ging um das Thema Nachhaltiger Konsum. Werner mochte wohl, wie ich in der Sendung gegen die Konzerne anging, in jedem Fall schlug er mir danach vor, gemeinsam einen Film über Greenwashing zu machen. Ich bin sehr froh darüber. Schreibend lässt sich das Thema manchmal schwer erklären – und im Film können wir einfach Bilder zeigen und alles wird damit völlig klar. Zum Beispiel in der Szene, in der Werner und ich auf einer riesigen, gespenstisch stillen Fläche abgebrannten Urwalds stehen. Das hat eine ganz andere Kraft, als wenn ich es in Worten beschreiben würde.

Überall auf der Welt versuchen Unternehmen, ihre umweltschädlichen und unfair hergestellten Produkte als grün zu verkaufen. Ihr habt euch aus der Masse an Beispielen in erster Linie das Palmöl herausgesucht. Warum?

Hartmann: Wir haben lange überlegt, ob wir nicht möglichst viele Branchen, Unternehmen oder Länder nennen wollen. Aber das hätte wie eine Auflistung von Einzelfällen und schwarzen Schafen gewirkt. Wir möchten die Strategie von Greenwashing zeigen, die ist ja überall gleich. Wir sind also erst einmal dem Palmöl nach Indonesien hinterhergereist. Damit hat jeder zu tun, es steckt in jedem zweiten Supermarktprodukt – und im Biodiesel. Mit dem Thema Palmöl sind viele große Firmen verbunden, vor allem in der Lebensmittel- und der Konsumgüterindustrie. Die Zerstörungen durch den Anbau in Monokultur sind offensichtlich. Und trotzdem passiert nichts, trotz des Runden Tischs für Nachhaltiges Palmöl und großer Versprechen von Unternehmen. Es gibt einen Haufen von Belegen, dass sich in den vergangenen Jahren gar nichts verbessert hat, obwohl viele Firmen behaupten, nachhaltiges Palmöl zu verwenden. Aber es gibt überhaupt kein nachhaltiges Palmöl.

Eine Schlüsselszene des Films ist diese: Auf einer Messe in Indonesien stellt euch ein Verkäufer ein Herbizid vor, das als grün beworben wird. „Ist es biologisch?“, fragst du ihn. „Nein, nein“, sagt der Mann, „Es ist einfach ein weniger giftig.“ Ist das für dich der Kern von Greenwashing?

Hartmann (lacht): Genau! Natürlich ist nicht alles erfunden und erlogen, was Unternehmen uns als nachhaltiger verkaufen. Aber das, was sie als Verbesserung anpreisen, betrifft nie das Kerngeschäft. Produktion und Gewinn bauen auf der Ausbeutung von Menschen und der Natur auf. Und diese Strategie wird nicht grundsätzlich angefasst.

The Green Lie ist dialogisch angelegt, Werner Boote spielt den Konsumentenvertreter, der gerne den grünen Siegeln vertrauen will, du bist die Expertin, die alles kritisch hinterfragt. Warum habt ihr diese Form gewählt?

Hartmann: Wir führen im Film eine Art Streit in good cop, bad cop-Manier. Werner steht auf der Seite des Zuschauers und sagt: Ich will es richtig machen und nachhaltig einkaufen, aber mich auch nicht verarschen lassen. Und ich bin die, die warnend auf die leeren Versprechen zeigt. Werner macht das ja immer so in seinen Filmen – er stellt sich eine Frage, und fährt dann los, um nach der Antwort zu suchen. Bei „Population Boom“ zum Beispiel war seine Ausgangsfrage: Alle sagen das, aber gibt es wirklich zu viele Menschen auf der Erde? Beim Thema Greenwashing funktioniert dieses Prinzip auch sehr gut. Die Strategien der Unternehmen sind inzwischen so ausgefuchst, dass es sehr schwer ist, als Einzelner dahinter zu blicken. Wir haben im Alltag nicht die Zeit, uns in all diesen Themen zu Experten zu machen, um dann die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Diesen Konflikt zeigen wir im Film.

Der Konsument soll richtig konsumieren, dann wird alles besser – gegen diese klammheimliche Verschiebung der Verantwortung vom Verursacher zum Verbraucher wehrt ihr euch.

Hartmann: Ja, klar! Die Frage ist doch: Wie kann es sein, dass solche Produkte überhaupt im Supermarkt stehen? Warum muss ich mich aktiv dagegen entscheiden, jemanden auszubeuten? Warum werden Produkte nicht einfach so hergestellt, dass sie keinem schaden? Warum kann ich mich darauf nicht verlassen? Und da sind wir dann beim Thema Recht und Gesetz, bei den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Die EU hat ihre Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, nationale Aktionspläne vorzulegen, um die Prinzipien umzusetzen. Das würde bedeuten, dass Unternehmen verbindlich verpflichtet werden, Menschenrechtsverletzung und Umweltzerstörung zu vermeiden _ sie könnten bei Verstößen sogar dafür bestraft werden. Würde das geschehen, hörten so manche Dinge einfach auf. Palmöl ist nur so billig, weil seine Herstellung Rechte verletzt. Aber die Bundesregierung setzt weiter auf das freiwillige Engagement von Unternehmen.

Zu den Bildern zerstörter Landschaften blendet Ihr Zitate von Konzernchefs ein, die den grünen Wandel ihrer Unternehmen preisen. Was für ein Gefühl soll das beim Zuschauer hinterlassen?

Hartmann: Um Greenwashing als solches zu entlarven, braucht man eine gewisse Distanz. Es ist gar nicht schlecht, auch einmal darüber zu lachen, dass der Coca Cola-Vorstand vor einer Wand voller Plastikflaschen die Nachhaltigkeit zum Herzensthema erhebt. Lachen ist gemeinsam mit ein bisschen Wut eine gute Mischung, um zu beschließen: Wir lassen uns das nicht länger gefallen, ihr spinnt ja wohl! Ihr seid die Verbrecher – nicht wir, weil wir anscheinend die falschen Sachen kaufen. Die ganz hinterfotzige Folge von Greenwashing ist ja, das uns suggeriert wird: Ihr seid schuld, Ihr kauft das Zeug doch! Deshalb haben wir ein dauerschlechtes Gewissen und fühlen uns machtlos.

Gegen Ende des Films wirkt Werner Boote erschöpft. Das sei alles so kompliziert, klagt er. Und man wisse gar nicht mehr, was man eigentlich tun solle. Du hältst dagegen …

Hartmann: Wir sollten uns nicht mehr als reine Konsumenten und Verbraucher betrachten, die können nur konsumieren und verbrauchen. Wir sind Bürger. Und haben demokratische Rechte. Die im Übrigen alle von anderen Bürgern vor uns erkämpft wurden. Es hilft nur, zu protestieren. Auf ganz unterschiedliche Weise: Der eine ist gut in einer Partei aufgehoben, der andere engagiert sich lieber in einer NGO, der dritte unterstützt auf lokaler Ebene den Kampf für eine autofreie Innenstadt. Andere werden Mitglieder eines solidarischen Bauernhofs. Es gibt sehr viele Möglichkeiten. Aber das Wichtigste ist: Das Engagement muss sichtbar sein. Einkaufen ist nicht sichtbar. Außerdem vereinzelt es. Ich merke immer wieder, dass sich Viele als absolut wirkungslos empfinden, ihnen fehlt die Gemeinschaftserfahrung. Dass man gemeinsam leichter etwas erreicht. Der erste Schritt kann die nächste Demo sein. Wo man mal wieder spürt: Da sind ja noch Tausende andere, die wollen es auch ganz anders haben!"

"Das Enorm-Interview mit Kathrin Kartmann zur 'grünen Lüge'

14.03.2018 16:58
Wie Adidas Arbeitnehmerrechte missachtet
Das SÜDWIND-Institut wirft Adidas vor, im Fall der gesetzwidrigen Entlassung von mehr als 300 ehemaligen Beschäftigten ihres indonesischen Zulieferers Panarub im Jahr 2012 seinen unternehmerischen Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen zu sein.

Damit hat Adidas gegen die Leitsätze der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) für multinationale Unternehmen verstoßen. SÜDWIND, Mitglied der Kampagne für Saubere Kleidung, wird daher gegen den Adidas-Konzern eine Beschwerde bei der OECD einlegen.

Im Juli 2012 streikten rund 2.000 Beschäftigte der Firma PT Panarub Dwikarya, Teil des zentralen Adidas-Zulieferers Panarub-Gruppe in Indonesien. Sie forderten die Zahlung des seit Januar 2012 geltenden Mindestlohnes sowie ihr Recht auf Vereinigungsfreiheit. Vorausgegangen war im Februar 2012 die Entlassung von mehreren Beschäftigten, die versucht hatten, eine Betriebsgewerkschaft zu gründen. Am 23. Juli 2012 wurden 1.300 Beschäftigte, die sich an dem Streik beteiligt hatten, entlassen. Bis heute haben mehr als 300 der Entlassenen (überwiegend Frauen) keine Abfindung erhalten, obwohl diese gesetzlich verpflichtend ist. Laut indonesischem Arbeitsrecht steht jedem Entlassenen eine Abfindung zu, deren Höhe in Relation zur Dauer ihrer Beschäftigung steht.

Mit der Beschwerde soll Adidas dazu bewegt werden, seinen Einfluss auf Panarub wahrzunehmen und dazu beizutragen, dass die Beschäftigten die ihnen zustehende Abfindung erhalten: Adidas-Schuhe wurden nachweislich in den ersten Monaten des Jahres 2012 in der besagten Fabrik produziert. Adidas ist bis heute (neben einem asiatischen Auftraggeber) einer der größten Kunden von Panarub. „Adidas trägt für die Verletzung von Arbeitsrechten bei der Panarub-Gruppe damit eine Mitverantwortung“ meint Dr. Sabine Ferenschild von SÜDWIND. Mehr noch: Adidas hat sogar aktiv zu dieser Verletzung beigetragen, da das Unternehmen versäumt hat, den Beschäftigten von PT Panarub Dwikarya Zugang zu Abhilfe zu verschaffen. Genau hier setzen die Leitsätze der OECD an: Sie formulieren Empfehlungen für verantwortungsvolles Unternehmenshandeln in einem globalen Kontext.

Die Beschwerde stützt sich auch auf die Beurteilung des Falls durch die Aufsichtsgremien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO): Diese besagt eindeutig, dass die Entlassung der Panarub-Beschäftigten nicht gerechtfertigt war und eine Verletzung des fundamentalen Rechtes der Beschäftigten auf Vereinigungsfreiheit darstellte. „Es gibt bisher kein rechtliches Instrument, mit dem multinationale Unternehmen bei Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten zur Verantwortung gezogen werden können“, so Ferenschild weiter. „Das Beschwerdeverfahren der OECD, das wir nun gemeinsam mit indonesischen und europäischen PartnerInnen anstrengen, kann aber zumindest dazu genutzt werden, dass Adidas zu den Vorwürfen offiziell Stellung nehmen muss.“

"Südwind-Institut"

21.02.2018 13:26
H&M, C&A, 3M - vorher Takko: Billigproduktion mit chinesischen Gefangenen
Ob das stimmt? Der Spiegel berichtet in seiner Ausgabe vom 21.2.2018:
"Fast zwei Jahre verbrachte der Brite Peter Humphrey in einem chinesischen Gefängnis. Nun berichtet er, die Gefangenen dort hätten auch an Produkten bekannter Marken wie H&M oder C&A gearbeitet. Die Firmen reagieren zurückhaltend.

Immer wieder haben westliche Modeketten Probleme mit den Arbeitsstandards ihrer Zulieferfirmen in asiatischen Billiglohnländern. Nun kommt ein weiterer Vorwurf hinzu: Der britische Privatdetektiv Peter Humphrey, der 23 Monate lang im Qingpu Gefängnis in der Nähe von Schanghai eingesperrt war, berichtet in der "Financial Times" von den Haftbedingungen - und belastet dabei auch Modeketten wie H&M und C&A.

"Das Gefängnis war ein Unternehmen, das Industriearbeit verrichtete", schreibt Humphrey. "Vormittags, nachmittags und oft während des Mittagsschlafs 'arbeiteten' die Häftlinge im Gemeinschaftsraum. Unsere Männer haben Verpackungsteile hergestellt. Ich erkannte bekannte Marken - 3M, C&A, H&M. So viel zur sozialen Verantwortung von Unternehmen, obwohl die Unternehmen möglicherweise nicht wussten, dass die Gefängnisarbeit Teil ihrer Lieferkette war."

Gefangene aus chinesischen Zellblöcken hätten Textilien und Komponenten hergestellt, berichtet Humphrey. "Sie marschierten wie Soldaten vor unserem Frühstück und kamen spät am Abend zurück. Die Ausländer, die in meinem Zellenblock arbeiteten, waren Afrikaner und Asiaten, die kein Geld von der Familie hatten und keine andere Möglichkeit, Toilettenartikel und Snacks zu kaufen."

Der Artikel in der ? "Financial Times" erschien bereits vor einigen Tagen. Nun hat das US-Onlineportal ? "Quartz" die Schilderungen aufgegriffen und die genannten Konzerne mit den Vorwürfen konfrontiert.

Demnach verlangt H&M von seinen Zulieferern eine Zusicherung, auf Zwangsarbeit, Gefängnisarbeit und illegale Beschäftigung zu verzichten. "Soweit wir wissen, wurde das nicht verletzt", zitiert "Quartz" einen Konzernsprecher. Man nehme die Informationen aber sehr ernst. Bereits in der Vergangenheit habe das Unternehmen seine chinesischen Zulieferbetriebe daran erinnert, dass der Verzicht auf Gefängnisarbeit nicht verhandelbar sei und Verstöße zu einem Ende der Geschäftsbeziehungen führten.

Auch der Verhaltenskodex für die Zulieferer von C&A ist eigentlich eindeutig und verbietet Gefängnisarbeit ausdrücklich. "Wir überprüfen alle unsere 273 Fabriken unserer Zulieferer in China mindestens jährlich", zitiert "Quartz" einen Sprecher, "und wir haben dabei weder Gefängnisarbeit in unserer chinesischen Lieferkette beobachtet noch sind wir darauf aufmerksam gemacht worden."

Auch die US-Firma 3M, die unter anderem Klebeprodukte herstellt, reagierte auf die Anschuldigungen. Man beteilige sich nicht an ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und habe keine Hinweise darauf, dass Zulieferbetriebe in China Gefängnisarbeit nutzten".

2012 hatte der Spiegel über die Textilkette Takko berichtet, dass das Unternehmen, das europaweit 1247 Filialen (davon 813 in Deutschland) betreibt, in Gefängnissen in China produzieren ließ. Mehr als 50.000 Jacken und Tops habe Takko im vergangenen Jahr bei der Global Fashion Support (GFS), einem Vermittler von Produktionsmöglichkeiten in Asien, bestellt. GFS wiederum habe den Auftrag an Subunternehmer weitergereicht, die die Kleider in Haftanstalten nähen ließen. GFS ist ein Ableger der Hamburger Holding Dr. Rehfeld Fashion AG, Dachgesellschaft mehrerer Modeunternehmen der Marke Broadway NYC.

Mit Spannung werden die begründeten Stellungnahmen der betreffenden Unternehmen erwartet.

16.11.2017 18:15
So klappt’s auch mit dem unfairen Führen: 12 unfaire Führungstipps
Führungskräfte an die Macht – Fairness ist nur was für Weicheier!

Unsere 12 unfairen Führungstipps garantieren 100% Erfolg!

1. Vermeiden Sie grundsätzlich jede Form von Höflichkeit. Ein netter Umgangston, ein freundliches Miteinander wird prinzipiell überbewertet. Meiden Sie Augenkontakt und grüßen Sie nur Personen, die in der Hierarchie über Ihnen stehen. Mitarbeiter, die Sie zu einem Small-Talk nötigen, haben sowieso zu viel Zeit, ignorieren Sie diese.
2. Bedanken Sie sich niemals! Ihre Mitarbeiter verdienen Geld und kein Dankeschön. Wenn Sie unbedingt loben müssen, dann sparen Sie nicht an gleichzeitiger Kritik.
3. Melden Sie Kritik stets sofort zurück. Geben Sie stets und in jeder Situation Feedback. Werden Sie laut und sprechen Sie eine deutliche Sprache. Kritisieren Sie Mitarbeiter stets vor Kollegen und Geschäftspartnern, so geben Sie auch anderen die Gelegenheit von Ihnen zu profitieren.
4. Vermeiden Sie alles was Ihre Mitarbeiter ablenken und als persönlich ansehen könnten. Ignorieren Sie Geburtstage, Jubiläen und Hochzeiten und verzichten Sie auf Weihnachtsgrüße, schließlich sind Sie keine Freunde.
5. Lassen Sie Ihrer Stimmung stets freien Lauf, nur so können andere darauf Rücksicht nehmen.
6. Zeigen Sie durch Ihre Körperhaltung in Mitarbeitergesprächen aktiv und eindeutig was Sie empfinden. Unterbrechen Sie den Mitarbeiter, wenn dieser etwas Falsches sagt und machen Sie ihm deutlich, dass Sie für Gespräche keine Zeit haben. Gehen Sie bei Teambesprechungen ähnlich vor. Stellen Sie am von Ihnen gesetzten Ende die Frage „Es gibt doch sicherlich keine Fragen?“ und verlassen Sie daraufhin unmittelbar und zügig den Raum.
7. Vermeiden Sie quälende Diskussionen und treffen Sie eine Entscheidung. Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern, dass Sie und nur Sie der Entscheider sind, es immer waren und auch immer sein werden.
8. Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern stets deutlich, dass Sie länger arbeiten als diese. Weisen Sie montags darauf hin, dass Sie am Wochenende gearbeitet haben und fragen Sie Ihre Mitarbeiter, sollten diese pünktlich zum Feierabend das Gebäude verlassen, ob diese nur noch halbtags bei Ihnen beschäftigt sind.
9. Fordern Sie Mitarbeiter auch im Urlaub oder nach Feierabend! Regelmäßige E-Mails mit Handlungsaufforderungen lassen Rückschlüsse auf die Motivation Ihrer Mitarbeiter zu.
10. Mischen Sie sich stets in Kundengespräche und Telefonate Ihrer Mitarbeiter ein. Schließlich sind Sie am erfahrensten und wissen es am besten.
11. Das schönste Zimmer, die besten Arbeitsmaterialien gebühren Ihnen. Begründen Sie dies stets mit Ihrer Wichtigkeit oder am besten überhaupt nicht. Zeigen Sie was Sie haben und davon möglichst reichlich. Ihre Mitarbeiter sehen dies als Ansporn.
12. Flexible Arbeitszeiten? Arbeiten im Homeoffice? Mütter im Unternehmen? Nicht mit Ihnen! Zeigen Sie deutlich, dass Sie für Sentimentalitäten nichts übrig haben, schließlich können Sie nicht auf alles Rücksicht nehmen.

Fazit: mit diesen Tipps werden Sie definitiv die Auszeichnung erhalten:
„Unfairste Führungskraft des Monats“.

Dr. Ulrich Wiek

"Auf Dr. Wieks Fairnessblog am 9.10.2017 - mit freundlicher Genehmigung hier zitiert"

05.10.2017 11:10
Landgrabbing auch durch deutsche Unternehmen
Wer von Landgrabbing spricht, denkt meist an Investoren aus den USA und China. Tatsächlich sitzen wird von dort sowie von Malaysia, Singapur, Brasilien und den Vereinigten Arabischen Emiraten Landgrabbing im großen Stil gesteuert. Dazu wird in Schwellen- und Entwicklungsländer Land aufgekauft, um dort Getreide, Spritpflanzen oder Plantagenholz zu produzieren. Oder um zu spekulieren.

Dass auch europäische Akteure an diesen Deals beteiligt sind, belegt die Menschenrechtsorganisation FIAN in einer Studie über Landkonflikte in den Ländern des globalen Südens. Demnach kontrollieren britische Firmen 1,9 Millionen Hektar Land im Ausland, deutsche Unternehmen folgen mit 300?000 Hektar – nach Ländern wie Frankreich, Italien oder Finnland – auf Platz sieben. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Akteure aus Europa oftmals an Landgrabbing beteiligt sind und dass die Politik auf die hiermit verbundenen menschenrechtlichen Probleme bislang kaum angemessene Antworten gefunden hat.

Roman Herre, Agrar-Referent von FIAN Deutschland: „Vor genau zehn Jahren berichteten die Medien erstmals über moderne Landnahmen, auch Landgrabbing genannt. Private und staatliche Investoren sind seitdem ständig auf der Suche nach riesigen Landflächen, um Agrartreibstoffe anzubauen, Nahrungsmittel zu exportieren oder um damit schlicht zu spekulieren. Oftmals werden hierdurch örtliche Gemeinden von ihrem Land vertrieben. Die jüngste Absage von Bundeskanzlerin Merkel an die „klassische Entwicklungshilfe“ und die Ankündigung einer verstärkten Zusammenarbeit mit Konzernen und Finanzinvestoren lassen für die Landwirtschaft wenig Gutes erwarten“.

Die Fallbeispiele von Landgrabbing in Sambia, Uganda, Kongo und Mosambik zeigen, dass großflächige Agrar-Investitionen menschenrechtlich hochsensibel sind. In vielen Ländern sind 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft tätig. Durch den Flächenhunger von Agrarinvestoren verlieren Millionen von Menschen ihre Existenzgrundlage.

Die deutschsprachige Zusammenfassung der Studie „Land Grabbing and Human Rights: The Involvement of European Corporate and Financial Entities in Land Grabbing outside the European Union“ beschreibt eine Vielzahl bislang ausgebliebener Handlungsmöglichkeiten der EU und ihrer Mitgliedstaaten, um das weltweite Landgrabbing zu reduzieren. „Bis heute fehlen viele Grundlagen wie konkrete Handlungsanleitungen für Botschaftspersonal, um Fällen von Landgrabbing aktiv nachzugehen, diese zu dokumentieren und an Regierungen und Parlamente zu übermitteln“, erklärt Brigitte Reisenberger, Geschäftsleiterin von FIAN Österreich. Auch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte müsste laut Reisenberger sehr viel konkreter werden, beispielsweise durch eine systematische Auswertung der zahlreichen Berichte über Landkonflikte sowie die engere Zusammenarbeit mit den Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen.

Wie wenig internationale Finanzinvestoren sich für die sozialen Auswirkungen ihrer Aktivitäten interessieren, zeigt das vielgelobte Beispiel der „UN-Prinzipien für verantwortungsvolle Investitionen“. Eine aktuelle Untersuchung des think tanks E3G kommt zu dem Ergebnis, dass bei knapp 1000 dort beigetretenen Konzernen und Investoren im Schnitt eine Person pro 14 Milliarden US-Dollar verwaltetem Vermögen angestellt wird, die sich um ökologische und soziale Auswirkungen der Investments kümmert. „Es ist absurd anzunehmen, dass auf diese Weise ein relevanter Beitrag gegen Umweltschäden oder Menschenrechtsverstöße geleistet wird“, so Roman Herre weiter. „Die Zahlen belegen die Notwendigkeit einer internationalen Regulierung anstelle freiwilliger Selbstverpflichtungen.“

Internationale Organisationen beklagen, dass das finanzielle Engagement häufig auf Kosten der Bevölkerung geht, denn durch den Flächenhunger der Investoren verlieren Millionen von Menschen ihre Existenzgrundlage. Die in der Studie genannten Beispiele, in denen auch Konsortien aus Deutschland genannt werden, belegen zudem, dass die betroffenen Menschen kaum eine Chance haben, ihre Ansprüche vor Gericht durchzusetzen. FIAN-Agrarreferent Roman Herre beklagt überdies, dass die Absage von Bundeskanzlerin Angela Merkel an die „klassische Entwicklungshilfe“ und die Ankündigung einer verstärkten Zusammenarbeit mit Konzernen und Finanzinvestoren „wenig Gutes erwarten lassen“.

Seit 2000 dokumentiert eine internationale Gruppe, an der auch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) beteiligt ist, größere Landkäufe und benennt die damit verknüpften Absichten der Käufer. Land Matrix heißt das Projekt, und es beziffert (Stand Ende August) den Kauf durch ortsfremde Investoren weltweit auf 49 Millionen Hektar. Das entspricht fast der dreifachen landwirtschaftlichen Fläche Deutschlands.

"FIAN-Studie zu Landgrabbing - deutsch"

"Was ist Landgrabbing? Definition und Situation"

22.09.2017 17:01
Fairer Handel handelt unfair
Die Branche "Fairer Handel" und "Faire Trade" achtet auf gute Bedingungen in der Produktion, aber nicht beim Transport, sagt der Wirtschaftswissenschaftler und Journalist Hermannus Pfeiffer. Er zeigt den Zusammenhang zwischen fairem Handel und unfairen Transporten:

Zu den Fans des fairen Handels gehört auch Bundesentwicklungshilfeminister Gerd Müller. »Als Verbraucherinnen und Verbraucher können Sie sich jeden Tag für eine gerechtere Welt einsetzen«: beim Kauf von fairer Schokolade im Supermarkt, beim Genuss von fairem Kaffee oder beim Einkauf in einem der 800 Weltläden, schreibt der CSU-Politiker in seinem Grußwort für die »Faire Woche«. Ab diesen Freitag wollen das Forum Fairer Handel, Transfair und der Weltladen-Dachverband zwei Wochen lang bundesweit auf etwa 2000 Veranstaltungen über ihre Anliegen informieren.

Aus fairen Produktionsbedingungen kann aber schnell »ein unfaires Produkt« werden, warnt die Gewerkschaft ver.di, »wenn die Transportbedingungen entlang der globalen Lieferkette nicht anständig sind«. Und das sei der Normalfall, sagt der Bundesfachgruppenleiter Maritime Wirtschaft, Torben Seebold.

Ob Kaffee oder Bananen - Bauern, Erntehelfer und Produktionsgenossenschaften erhalten im fairen Handel eine mehr oder weniger angemessene Bezahlung für ihre Arbeit. Doch wer ein Gütesiegel im »fairen Handel« erwirbt, ist entgegen der Bezeichnung üblicherweise nicht verpflichtet, eine entsprechend fair arbeitende Transportkette zu nutzen. Schon die Beförderung vor Ort ist häufig bestenfalls eine Blackbox, ebenso wie die Logistik im Empfängerland. So vertrauen sich faire Kaffeeröster in Deutschland und Österreich bei der Lagerung, Reinigung und Mischung der Rohware gerne dem weltweit führenden Kaffeedienstleister, der Hamburger Neumann Gruppe NKG, an.

Den größten Teil der Strecke zwischen den Bauern im globalen Süden und den Konsumenten im Norden legen Rohstoffe, Halbfertig- und Fertigprodukte per Schiff zurück. Das ist preiswert und günstig. Aber was Schiffstransporte nur selten sind: fair! Zwar gibt es eine Art weltweiten Tarifvertrag zwischen Reedern und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf. Doch die Heuer der Seeleute ist dennoch knapp bemessen und die Arbeitsstandards sind niedrig. Außerdem fahren viele »Totenschiffe« auf den Weltmeeren, die sich um solche Normen überhaupt nicht scheren“. Hinzu kommt, dass die meisten Schiffe mit dreckigem Schweröl angetrieben werden, das gemischt mit Dieselöl als Kraftstoff für Großdieselmotoren dient. Die Nutzung von Schweröl als Betriebsstoff von Schiffsmotoren wird von Umweltverbänden wie dem NABU angeprangert. Die Kritik richtet sich gegen die Verklappung von Sludge und auch gegen den hohen Schadstoffausstoß im Normalbetrieb. Kritisiert werden der hohe Rußausstoß und der Schwefelanteil des Schweröls.

Pfeiffer weiter: „Die in London ansässige Gewerkschaft Nautilus International und ihre schwedische Partnerorganisation SEKO haben daher als Speerspitze der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) die Kampagne »Fairer Transport« gestartet. Alle Seeleute sollen wenigstens in den Genuss des ILO-Tarifvertrages kommen. Dem Fairtrade-Dachverband in London haben die Gewerkschaften vorgeschlagen, einen fairen Schiffstransport in ihre Bedingungen für die Vergabe von Fair-Trade-Siegeln aufzunehmen.

Faire Händler in Deutschland sind skeptisch. Die Missstände im Schiffstransport seien zwar ein heißes Thema. Aber man könne jene alleine nicht ändern. Die GEPA, der wohl größte europäische Importeur fair eingekaufter Lebensmittel und Handwerksprodukte, verschifft laut Firmenangaben lediglich rund 500 Container pro Jahr. »Unsere Einflussmöglichkeit ist schon deswegen sehr begrenzt«, sagt eine Sprecherin. Weiterhelfen, heißt es bei Fairtrade Deutschland, könnten nur veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen.

Solche Argumente greifen aus Sicht von Gewerkschafter Seebold zu kurz. Händler, die Container nach Europa verschiffen, können sich eine Reederei aussuchen. Und eine Unterscheidung in gute und schlechte Transporteure sei in der Praxis machbar.

So gilt Hapag-Lloyd unter Schifffahrtsexperten als »weißes Schaf«: Viele Frachter fahren unter teurer deutscher Flagge, es gibt einen Betriebsrat und die überwiegend philippinischen Seeleute werden qualifiziert. Seebold schlägt wie die ITF ein Siegel »Fairer Transport« vor. Dies sei ein Thema, das eigentlich jeden Verbraucher angeht - nicht allein in der Fairen Woche“.

Nicht fair gehandelte Ware zu kaufen ist allerdings keine wirklich Alternative, denn diese wird nicht nur unfair transportiert, sondern von fairen Produktions- und Arbeitsbedingungen kann da erst recht keine Rede sein.

"Wie und wo der faire Handel unfair wird"

"Ein Schiffsweg, der zu Unfairness führt

16.08.2017 17:21
Im Textilbündnis hakt es mit der Fairness
"Für Fairness und Umweltschutz in der Textilindustrie“ – das Motto des Bundesentwicklungsministers Müller für das von ihm ins Leben gerufene Textilbündnis klang richtig gut. Und machte Hoffnung auf echten Fortschritt. Doch wie schreibt Timot Szent-Ivanyi vom Kölner Stadtanzeiger zu Recht:

„Der Anspruch ist hoch, doch in den Niederungen der Praxis hat sich gezeigt, dass er wohl zu hoch ist: Unter dem Eindruck der Katastrophe von Rana Plaza, bei dem mehr als 1.100 bangladeschische Textilarbeiter starben, rief Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) vor drei Jahren ein „Bündnis für nachhaltige Textilien“ ins Leben. „Wir wollen keine Kleidung auf unserer Haut tragen, für die andernorts Menschenrechte mit Füßen getreten, Menschen ausgebeutet oder vergiftet werden“ sagte der Minister damals und rief Unternehmen und Organisationen auf, gemeinsam an einer Verbesserung der Bedingungen in der Branche zu arbeiten. Nach einigen Startproblemen gewann das Textilbündnis an Fahrt. Doch mittlerweile steckt das Projekt wieder in Schwierigkeiten.

Industrie verweigerte sich fast komplett
Schon am Anfang sah es so aus, als komme der Plan von Müller nicht über schöne Worte hinaus. Das Ministerium startete mit der Idee, die Textilunternehmen zu einer Einhaltung bestimmter sozialer und ökologischer Standards verpflichten zu können. Doch die Industrie verweigerte sich fast komplett. Daraufhin wurden die Anforderungen stark heruntergeschraubt: Jedes teilnehmende Unternehmen darf selbst festlegen, wie und in welchen Schritten es die Arbeitsbedingungen verbessern, die Transparenz erhöhen oder den Einsatz giftiger Chemikalien reduzieren will.

Damit das Bündnis aber nicht vollends zur Farce gerät, prüft ein unabhängiges Institut, ob die jährlich vorzulegenden Maßnahmenpläne hinreichend ambitioniert sind, wobei die Grenzen auch hier fließend sind. Nach dieser Aufweichung erklärte sich die Textilwirtschaft bereit, das Bündnis zu unterstützen. Auf dem Höhepunkt hatte der Zusammenschluss zum Jahreswechsel 2016/17 fast 190 Mitglieder, darunter auch Gewerkschaften, Verbände und nichtstaatliche Entwicklungsorganisationen. Die beteiligten Unternehmen deckten fast 60 Prozent des deutschen Textilmarktes ab“. Allerdings sind es inzwischen tatsächlich nur 81 Unternehmen der Textilwirtschaft. Und nur 17 haben ihre Roadmap veröffentlicht oder hinterlegt, die eine Fortschritt auch überprüfbar machen.

Denn – so Szent-Ivanyi - als es ernst wurde und die Unternehmen Anfang 2017 erstmals konkrete Maßnahmenpläne („Roadmaps“) vorlegen sollten, kamen dem mehrere Dutzend Firmen nicht nach. Sie stiegen aus oder wurden wegen der Verletzung der Bündnis-Regeln ausgeschlossen. Nicht mehr dabei sind Größen der Branche, wie etwa Ernsting's Family, Real, Trigema und Walbusch. „Das Bündnis jetzt zu verlassen, wo die Unternehmen über ein Lippenbekenntnis hinausgehen müssen, zeigt, dass ihr Engagement für Sozial- und Umweltstandards in ihren Lieferketten wohl doch nicht so ernst gemeint war“ sagt Berndt Hinzmann von der Entwicklungsorganisation INKOTA-netzwerk. (…)

Zudem hat sich jetzt herausgestellt, dass nur etwa zwei Drittel der von den Unternehmen für 2017 Jahre eingereichten Maßnahmenpläne vom Prüfinstitut als „plausibel“, also als hinreichend ambitioniert, beurteilt wurden. Die durchgefallenen rund 40 Firmen müssen nun nacharbeiten oder das Bündnis verlassen.

Unternehmen vermindern mit Umweltschutz ihre Wettbewerbsfähigkeit
Im Entwicklungsministerium ist man über die Entwicklung nicht glücklich, doch man spricht von einer wohl notwendigen „Reinigungsphase“, bei der sich die Spreu vom Weizen trenne. Trittbrettfahrer könne man sich jedenfalls nicht leisten, heißt es. Und es wird darauf verwiesen, dass weiterhin große und einflussreiche Unternehmen dabei seien, wie etwa Aldi, Lidl, Tchibo, Adidas, C&A oder H&M.

Doch wie lange sie die Treue halten, ist unklar. Denn die geringe Marktdurchdringung ist für die Unternehmen ein Problem. Wer sich um soziale und ökologische Standards kümmert, produziert teurer und nimmt damit Wettbewerbsnachteile in Kauf. „Warum soll ich das tun, wenn ich dadurch das Geschäft der Konkurrenz fördere“, fragt man sich in den Chefetagen. Fair ist ein Bündnis nach Ansicht von Wirtschaftsvertretern erst, wenn die beteiligten Firmen etwa 75 Prozent des Marktes abdecken.

Funktioniert nationales Bündnis in globalisiertem Handel?
Es gibt aber noch weitere Probleme. Langsam dämmert den Zuständigen, dass die Kritiker vielleicht doch mit ihrem Argument Recht haben, ein nationales Bündnis passe einfach nicht in die globalisierte Welt. Eines der wichtigsten Ziele des Bündnisses, die Bezahlung existenzsichernder Löhne, entpuppt sich nämlich als extrem schwierig. „Hier müssen wir die dicksten Bretter bohren“, sagt einer der Verantwortlichen.

Das überrascht wenig. Nur ein Beispiel: Selbst wenn ein deutsches Unternehmen bereit ist, an den Zulieferer in Pakistan mehr zu zahlen, kommt davon eher nichts bei einer Näherin an. Denn vielleicht hat diese deutsche Firma an der gesamten Produktion der fraglichen Fabrik nur einen Anteil von fünf Prozent, der große Rest geht hingegen an den US-Giganten Wal Mart. Dann kann ein rein deutsches Bündnis hier wenig ausrichten.

Man müsse die „Internationalisierung“ des Bündnisses vorantreiben, ist man bei den Koordinatoren des Vorhabens mittlerweile überzeugt. Ob man dafür aber noch genug Zeit hat, ist höchst unsicher. Es ist schließlich offen, ob der nächste Entwicklungsminister das Projekt, das eng mit Müller verbunden ist, noch weiter betreibt. Die notwendige koordinierende Arbeit der Bündnis-Geschäftsstelle ist jedenfalls bisher nur bis Ende 2018 finanziert“.

Fazit: In ihrer Breite und Vielfalt ist die Textilwirtschaft nicht wirklich willens, für Fairness, Umweltschutz und damit soziale und ökologische Nachhaltigkeit einzutreten. Konkurrenz wird hier zum Hebel und Motiv, der Unfairness und Ökodestruktivität weiter das Tor offen zu halten. Ohne staatliche Rahmensetzung wird es keinen Fortschritt geben. Wie so oft entpuppt sich die Selbstverpflichtung als Maske der Unverbindlichkeit.

"Was das Textilbündnis über seinen Stand der Dinge schreibt"

"Was der Kölner Stadtanzeiger zu den Problemen des Textilbündnisses schreibt"

"Wie FEMNET aktuell das Textilbündnis seht"

"Was Fashion United aktuell zum Textilbündnis kommentiert"

21.07.2017 10:14
Mehr Investitionen in ärmere Länder: nur fair für Menschen und Natur
Die Bundesregierung wirbt für mehr Investitionen von Privatbanken und Unternehmen aus Deutschland in arme Entwicklungsländer – vor allem in Afrika. Doch zahlreiche Beispiele belegen, welch negative Auswirkungen das Streben der Privatwirtschaft nach andauernder Profitsteigerung verursachen kann: Kakaobauern und Kakaobäuerinnen in Westafrika, die von dem Erlös ihres angebauten Kakaos nicht leben können, Waldrodungen für Palmölplantagen in Indonesien oder unmenschliche Arbeitsbedingungen auf den Bananenplantagen in Lateinamerika. Ein privatwirtschaftliches Engagement muss aber menschenrechtlichen und ökologischen Standards genügen, wie sie auch in Deutschland gelten. Das zeigt die Studie „Profit mit Nachhaltigkeit?“ des SÜDWIND-Instituts, in der auf die Chancen und Risiken einer Kooperation mit der Privatwirtschaft zur Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDG) der Agenda 2030 hingewiesen wird.

Es könne nicht sein, dass europäische oder internationale Konzerne in Afrika Standards missachten, die weltweit Gültigkeit haben, beteuerte der deutsche Entwicklungshilfeminister Müller bei einem Treffen mit afrikanischen Partnern drei Wochen vor dem G20-Gipfel in Berlin. Das sagte er vor dem Hintergrund, dass Investitionen von Konzernen und Unternehmen in Entwicklungsländern von der öffentlichen Hand immer mehr gefördert werden. Offen bleibt aber, wie unter der Zielsetzung von Profit- und Umsatzsteigerung garantiert werden kann, dass auch die ärmere Bevölkerung von Kooperationen zwischen Privatwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit profitiert. „Ein stärkeres Engagement des Privatsektors ist angesichts der knappen Ressourcen für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit wichtig und notwendig“ meint auch Dr. Pedro Morazán, Verfasser der Studie. „Die Entwicklungspolitik sollte allerdings dieses Engagement nicht um jeden Preis erkaufen. Die Förderung von Privatinvestitionen darf nicht auf Kosten sozialer und ökologischer Zielsetzungen stattfinden.“

Der Privatsektor ist einer der Gewinner neoliberaler Globalisierung. Daraus erwächst eine strukturelle Verantwortung. Gerade in einer Zeit, in der globale Krisen Ungleichheiten zwischen reichen und armen Ländern verschärfen und die Kluft zwischen Arm und Reich auch in wohlhabenderen Ländern steigt, muss die Politik als regulierende Kraft gestärkt werden. Daher nimmt die SÜDWIND-Studie bestehende Instrumente kritisch unter die Lupe und formuliert Empfehlungen, wie die Privatwirtschaft eine konstruktive Rolle bei der Erreichung der SDG spielen kann. Die Studie untersucht zunächst, wie groß der Bedarf an zusätzlichen Finanzressourcen ist und welche SDG für eine privatwirtschaftliche Beteiligung von besonderer Relevanz sind. Darüber hinaus sollen aber auch Entwicklungspotenziale in den armen Ländern selbst identifiziert werden. Um diese zu stärken braucht es oft andere Rezepte als allein die Mobilisierung ausländischen Kapitals für Investitionen in den Entwicklungsländern.

Privatwirtschaftliches Kapital, das schließlich nicht nur in ärmeren Ländern höheren Profit erzielt als in westlichen Ländern plus staatliche Förderung ohne Ansehen ihrer sozialen und ökologischen Vorteile: Das ist der falsche Weg. Profit darf sein, wenn er nicht zu einer wie immer gearteten Ausnutzung und Benachteiligung ärmerer Länder und Menschen führt. Sondern wenn es einen deutlichen Profit für die Länder und Menschen gibt im Zuwachs an Entwicklung, Bildung, Versorgung und Lebensperspektiven gibt – verbunden mit menschenrechtlichen und ökologischen Standards. Nur das ist fair.

Die Studie wurde von Engagement Global im Auftrag des BMZ und von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen gefördert. Sie steht hier zum Download bereit und kann hier oder über [email protected] bestellt werden.

"Die Studie zum Download"

"Zum Portal des Südwind-Instituts"

21.06.2017 13:50
Menschenrechte sind deutschen Firmen im Ausland nichts wert
Ob in Mexiko, Kolumbien oder Kenia: Wenn deutsche Konzerne im Ausland Geschäfte machen, missachten sie häufig die Menschenrechte. Das zeigt eine neue Studie von Germanwatch und Misereor, die Claus Hecking vom Spiegel zusammenfasst:

Germanwatch und Misereor werfen deutschen Konzernen und der staatseigenen KfW-Bankengruppe vor, sich bei ihren Auslandsgeschäften nicht genug um die Einhaltung von Menschenrechten zu kümmern. Dies geht aus der Studie "Globale Energiewirtschaft und Menschenrechte - Deutsche Unternehmen und Politik auf dem Prüfstand" hervor, die die Umweltschutzorganisation und das kirchliche Hilfswerk am Mittwoch vorstellen.

Demnach sollen Unternehmen wie Siemens, EnBW und Voith sowie die KfW-Bankengruppe und ihre Töchter in insgesamt elf Fällen in Geschäfte verwickelt sein, bei denen Menschenrechte verletzt oder gefährdet werden.

Laut den 2011 verabschiedeten Leitprinzipien der Uno für Wirtschaft und Menschenrechte sollen Staaten darauf hinwirken, dass alle ihnen unterstehenden Wirtschaftsunternehmen bei ihrer gesamten Geschäftstätigkeit die Menschenrechte achten.

"Die deutschen Unternehmen begehen oft nicht selbst die Menschenrechtsverletzungen", sagt Armin Paasch von Misereor, einer der Autoren der Studie. "Aber ihre Verantwortung reicht weiter. Sie müssen achtgeben, mit welchen Unternehmen sie Geschäfte machen und wie ihre Partner mit Menschenrechten umgehen. Da gibt es große Defizite."

Germanwatch und Miseor bezichtigen insgesamt acht deutsche Unternehmen und drei Banken aus der staatlichen KfW-Gruppe einer "Missachtung ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht". Alle genannten Institutionen weisen diesen Vorwurf auf Anfrage zurück.

Die Autoren der Studie nennen unter anderem folgende Fälle:

A. In Honduras lieferte Voith Hydro (ein Joint Venture von Siemens mit dem Maschinenbauer Voith) Turbinen, Generatoren und Steuerungsanlagen an das Wasserkraftprojekt Agua Zarca. Dieses steht seit Jahren in der Kritik, unter anderem wegen Repressalien gegen seine Widersacher. Laut der Studie schüchtern Polizei und Militär Gegner des Projektes ein und unterdrücken sie gewaltsam. Seit 2013 wurden sechs Umweltaktivisten ermordet. Zudem gefährdet das Kraftwerk den Zugang zu einem Fluss, der lokale indigene Völker mit Wasser und Nahrung versorgt. Die honduranische Regierung habe vorab keine rechtmäßige Zustimmung der Menschen vor Ort eingeholt, schreiben die Autoren. Die deutschen Partner verweisen darauf, bei Agua Zarca hätten "zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung alle damals notwendigen Bewertungen und behördlichen Genehmigungen" vorgelegen. Im Übrigen seien die Lieferungen nach Honduras im Frühjahr 2016 gestoppt worden.

B. In Kolumbien verkaufte Siemens dem umstrittenen Staudammprojekt Hidrosogamoso Schaltanlagen und Transformatoren. Beim Dammbau wurden laut Studie Hunderte Menschen und ganze Gemeinden umgesiedelt, teils aber nur unzureichend oder gar nicht entschädigt. Zudem hätten hohe Schwefelwasserstoffwerte im Gewässer die Gesundheit der Anwohner beeinträchtigt. Siemens macht geltend, dass die Vorteile bei dem Projekt letztlich überwögen.

C. In Mexiko versorgte Siemens Windparks mit Transformatoren und einer Schaltanlage. Diese Windparks hätten Hunderte Quadratkilometer Agrarland für eine landwirtschaftliche Nutzung unbrauchbar gemacht; die betroffene indigene Bevölkerung sei im Vorfeld der Vorhaben teils nicht oder nicht zureichend angehört worden. Zudem könne sie den Strom nicht selbst nutzen. Die Polizei und die Betreiber unterdrückten Widerstand mit Repression und Gewalt, heißt es. Siemens weist die Verantwortung von sich, da es selbst nicht am Genehmigungsverfahren für das Projekt beteiligt gewesen sei.

D. Dem Stromversorger EnBW werfen Misereor und Germanwatch vor, dass er rund ein Fünftel seiner Kraftwerkskohle in Kolumbien vom Unternehmen Drummond einkauft. Die Autoren der Studie behaupten, dass Drummond unter anderem jahrelang eine paramilitärische kolumbianische Einheit unterstützt habe, die mehr als 3000 Menschen umbrachte. Dies hätten frühere Täter unter Eid ausgesagt. Während Wettbewerber wie die Essener STEAG, der dänische Energiekonzern Dong oder ENEL aus Italien angesichts dieser Vorwürfe nicht mehr bei Drummond einkauften, mache EnBW weiter. Ein Unternehmenssprecher verweist auf eine positive Entwicklung bei den großen kolumbianischen Kohleproduzenten: "Ein Stopp der Kohlelieferungen wäre unseres Erachtens weder für die Mitarbeiter vor Ort noch für das Land hilfreich."

E. Die KfW und ihre Tochter IPEX prangern die Autoren der Studie vor allem wegen ihrer Finanzierungshilfe von Energieprojekten in Afrika an. So habe die IPEX-Bank Exportkredite für Kessellieferungen zum Bau zweier Kohlekraftwerke in Südafrika bereitgestellt. Die Abgase zumindest eines dieser Kraftwerke bedrohten wegen extrem hoher Schwefeldioxidwerte die Gesundheit der Menschen vor Ort. Dennoch wolle der Betreiber erst fünf Jahre nach der Inbetriebnahme auchgasentschwefelungsanlagen einbauen. Zudem bedrohe der enorme Wasserverbrauch der Meiler die Versorgung der ohnehin schon von Dürren geplagten Region. Beim Bau seien traditionelle Grabstätten zerstört worden. Die betroffene Bevölkerung sei unzureichend konsultiert worden.

F. In Kenia hat die KfW-Bank 60 Millionen Euro Kredit für ein Geothermiekraftwerk bereitgestellt. Laut Studie und einer Untersuchung der Universität Bielefeld wurden dabei vier Massai-Dörfer umgesiedelt und die Betroffenen weder umfassend konsultiert noch ausreichend entschädigt, sodass "die Rechte indigener Völker missachtet" worden seien. Ein KfW-Sprecher erklärt, man halte sich an international anerkannte Maßstäbe. Die KfW nehme die geäußerte Kritik aber sehr ernst und beziehe die Bewertung in die Entscheidungsgrundlagen ein.

Weitere Fälle drehen sich um die KfW-Tochter DEG sowie die Unternehmen RWE, Lahmeyer, Nordex, Andritz und Wintershall. Hier finden Sie die komplette Studie
"Studie Kurzfassung 18 Seiten mit Übersichtskarte zu den Einsatzorten der Firmen"

Eine Übersichtskarte mit den Einsatzorten der Firmen
"Nur die Übersichtkarte"
"Studie Langfassung 160 Seiten"

"Pressefotos und Grafiken"

19.06.2017 11:17
Strittige Weisungen mitunter nicht verbindlich
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Arbeitnehmer strittige Anweisungen des Arbeitgebers nicht befolgen müssen, solange kein entsprechendes Urteil vorliegt. Die Entscheidung hat womöglich weitreichende Folgen für alle Arbeitgeber in Deutschland.

Ob es um Sonntags- oder Nachtarbeit, den Umzug in eine Stadt am anderen Ende Deutschlands oder um Vorschriften bei der Garderobe geht: Bisher mussten Arbeitnehmer solche Anweisungen so lange befolgen - auch wenn sie nicht damit einverstanden sind - bis ein Gericht entschieden hat, ob die Forderungen zulässig sind. Ansonsten droht die Kündigung. Nach dem neuen Urteil kann es künftig umgekehrt sein: Erst muss ein Gericht den Weisungen stattgegeben haben, damit sie von Arbeitnehmern verbindlich zu befolgen sind. Arbeitgeber müssen die Zulässigkeit ihrer Weisungen nachweisen, ehe sie wirksam werden.

In dem aktuellen Fall geht es um einen Immobilienkaufmann, der in Dortmund arbeitete. Seine Vorgesetzte entschied jedoch 2015, ihn nach Berlin zu versetzen. Er wollte allerdings nicht umziehen. Auch der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung für den Wechsel des Arbeitsorts und argumentierte, die Firma könne den Angestellten ebenso gut weiter in Dortmund beschäftigen. Die Arbeitgeberin hielt trotzdem an der Entscheidung fest. Als der Immobilienkaufmann seine neue Stelle in Berlin nicht antrat, mahnte sie ihn ab. Im Mai 2015 folgte dann die Kündigung. Der Angestellte klagte dagegen. Er gewann den Prozess in zwei Vorinstanzen.

Das Landesarbeitsgericht Hamm entschied, der Arbeitnehmer sei nicht verpflichtet gewesen, die Stelle in Berlin anzutreten. Die Arbeitgeberin wurde verurteilt, ihm mehr als 20.000 Euro zu zahlen. So viel hätte er zwischen März und September 2015 verdient. Die Beklagte ging in Revision. Deshalb landete der Fall vor dem Bundesarbeitsgericht.

Die Richter bestätigten nun die bisherigen Urteile. Zugleich ziehen sie damit bisherige Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts in Zweifel. Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte 2012 entschieden, Arbeitnehmer müssten Anweisungen so lange folgen, bis ein Gericht festgestellt hat, dass diese unzulässig sind. Die Richter des Fünften Senats müssen nun entscheiden, ob sie an dieser Rechtsprechung festhalten wollen.

Falls nicht, müssten künftig Arbeitgeber nachweisen, dass ihre Weisungen zulässig sind. So lange bräuchten die Angestellten den Forderungen nicht nachzukommen. Sollten sich die Richter jedoch nicht auf eine Rechtsprechung einigen, muss der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts entscheiden. Ein endgültiges Urteil ist dann erst in mehreren Monaten zu erwarten.

BAG Az. 10 AZR 330/16

12.06.2017 18:48
Was spricht für eine Arbeit, die zufrieden stellt? 6 Faktoren
Sechs Faktoren bestimmen, ob jemand am Arbeitsplatz glücklich ist oder wird. So der globale Personaldienstleister Robert Half in seiner Studie „Die Zeit ist reif: Glücklich arbeiten“ zur Mitarbeiterzufriedenheit. Immerhin 23.000 Arbeitnehmer aus acht Ländern beantworteten Fragen zum Thema Glück im Job und welche Faktoren dafür eine Rolle spielen. Verglichen mit anderen Positionen seien demnach leitende Angestellte am glücklichsten mit ihrem Job. Insgesamt erreichte die Mehrheit aller Befragten auf einer Skala von 0 bis 100 ein Glücks-Niveau von 70, lediglich ein Drittel möchte in den nächsten sechs Monaten den Job wechseln.

Das Ergebnis: Sechs Faktoren für Glück am Arbeitsplatz

Eine allgemeine Glücksformel gibt es nicht, denn jeder Angestellte hat andere Bedürfnisse, Ziele und Vorlieben. Die Verantwortung für die Zufriedenheit liegt sowohl beim Vorgesetzten als auch bei den Mitarbeitern selbst. Dennoch haben sich in der Robert Half-Studie sechs Faktoren herauskristallisiert, die für Arbeitnehmer die Zufriedenheit direkt beeinflussen:
1) Der richtige Job: Die Mitarbeiter sollten zum Unternehmen passen und wissen, was sie erwartet. Deshalb sind eine detaillierte Stellenbeschreibung, gut durchdachte Einstellungsprozesse und gründliche Bewerbungsgespräche wichtig. Die Unternehmensführung solle für die richtigen Anreize sorgen und kontinuierlich nachbessern.
2) Mehr Verantwortung: Die Hälfte der Befragten (51 Prozent) wünscht sich, mehr Einfluss bei der Arbeit auszuüben sowie mehr Raum für Gestaltungsfreiheit (55 Prozent).
3) Ehrliche Wertschätzung: Mitarbeiter wünschen sich regelmäßig konstruktives Feedback und ehrliche Anerkennung der Leistungen. Dies würde lang anhaltende Glücksmomente im Job erzeugen.
4) Sinn: Angestellte sind glücklicher, wenn ihre Arbeit sinnvoll ist und sie dadurch etwas verändern oder sichtlich weiterbringen. Zudem wollen sie stolz auf ihr Unternehmen sein können, dann seien sie dreimal zufriedener, besagt die Studie.
5) Fairness und Respekt: Der faire und respektvolle Umgang miteinander steht laut Studie weit oben auf der Liste der wichtigsten Glücksfaktoren im Unternehmen. Nur sieben Prozent aller Befragten, die ein hohes Maß an Fairness und Respekt erfahren, planen ihren Job in den kommenden Monaten zu wechseln.
5) Ein positives Arbeitsklima: Gute Beziehungen am Arbeitsplatz sorgen auch außerhalb von Teamgrenzen für mehr Spaß, Innovation und bessere Zusammenarbeit. Vorgesetzte, denen es gelingt, eine gute Atmosphäre und ein achtsames und freundliches Klima zu etablieren, können auf motivierte und produktive Mitarbeiter zählen.

Unmerklich ändert sich im Verlauf der Studie das Thema Glück in Zufriedenheit. In der Regel arbeiten Menschen nicht, um dabei glücklich zu sein, sondern um ihr Leben finanzieren zu können. Wenn dann noch Aspekte hinzukommen, die in der Arbeit für Erfüllung, Sinnhaftigkeit und Zufriedenheit sorgen: umso besser. Nur was ist mit der Arbeit, auf die das nicht zutrifft, die aber für die Gesellschaft und jeden Einzelnen gebraucht wird? Wenn die Menschen, die diese Arbeit erledigen (müssen), Wertschätzung und Respekt erfahren würden und in ihrer Arbeit nicht noch durch schlechte Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung, Befristung und schlechte Führungskräfte bedrängt werden würden, könnten auch sie zufriedener, wenn auch selten zufrieden, ihre Arbeit machen.

18.05.2017 16:32
Deutsche Kleidungskonzerne mauern und verbergen ihre unfaire Produktion
Die deutschen Unternehmen KiK und Hugo Boss sind der Aufforderung einer internationalen Koalition von neun Menschenrechtsorganisationen und Gewerk-schaften nicht gefolgt, sich zu Transparenz in ihren Lieferketten zu verpflichten. Das geht aus einer aktuellen Studie der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hervor.

Adidas und Esprit haben sich als einzige deutsche Unternehmen bisher darauf festgelegt, den sogenannten Transparency Pledge bis Ende 2017 umzusetzen. Lidl, Aldi und Tchibo haben erste Schritte eingeleitet und wollen nun zumindest Namen und Adressen ihrer Zulieferfabriken weltweit veröffentlichen. Am 24. April jährt sich der Einsturz des Rana Plaza-Gebäudes in Bangladesch zum vierten Mal. Bei dem Unglück in der Textilfabrik kamen 2013 über 1100 Arbeiter und Arbeiterinnen ums Leben und mehr als 2.000 wurden verletzt. 2012 waren bei Fabrikbränden 350 Menschen in Pakistan und Bangladesch ums Leben gekommen.

03.04.2017 09:52
Korrekte Angabe der Stromquellen erforderlich - Firmen täuschen Verbraucher beim Stromeinkauf
Als Verbraucher will man möglichst sauberen Strom nutzen, um der Umweltzerstörung entgegen zu wirken. Doch das ist nicht so einfach wie es scheint. Denn viele Versorger stellen ihre Stromlieferung sauberer dar, als sie ist. Die Anbieter behaupten in ihrer Öffentlichkeitsarbeit, der von ihnen gelieferte Strom enthalte einen höheren Anteil an erneuerbaren Energien als der bundesweite Durchschnitt. Das ist jedoch nicht der Fall. Das belegt eine Untersuchung, die ein Bündnis aus Deutscher Umwelthilfe, Robin Wood, Greenpeace Energy, EWS Schönau, NATURSTROM und LichtBlick vorgelegt hat.

Wie das Handelsblatt in seiner Ausgabe am 1.4.2017 berichtete, haben Verbraucherschützer bereits Energieversorger wegen "Irreführung der Kunden" abgemahnt. „Verbraucher werden getäuscht, um das angeblich grüne Image der Versorger aufzupolieren“, sagt Gero Lücking, Geschäftsführer Energiewirtschaft von LichtBlick. Für den „Faktencheck Strommix“ wurden 40 von 1.100 Anbietern in Deutschland unter die Lupe genommen. Jeder vierte untersuchte Versorger erweckt den Eindruck, er beschaffe mehr Grünstrom für seine Kunden, als er es tatsächlich tut. „Wir sehen hier nur die Spitze des Eisberges“, so Lücking.

So schreiben zum Beispiel die Stadtwerke Kiel auf ihrer Website zu ihrem Strommix 2015: „Über 47 Prozent unseres Stromes stammte aus regenerativen Quellen“. Zudem „nutzten“ die Stadtwerke angeblich mehr Ökostrom als der Bundesdurchschnitt, der bei 32 Prozent liegt. Tatsächlich kaufen die Kieler nach den Berechnungen in der Untersuchung jedoch nur etwa sechs Prozent grünen Strom für Ihre Kunden ein.

Auch die Stadtwerke Schweinfurt behaupten in einer Pressemitteilung, sie lägen „in Bezug auf den Grünstrom über dem bundesweiten Durchschnitt“. Tatsächlich kauften die Stadtwerke jedoch weniger als 5 Prozent erneuerbare Energie ein. Vergleichbare Darstellungen fanden sich zum Zeitpunkt der Untersuchung auch bei den Stadtwerken Bochum, Düsseldorf, Leipzig, Unna, Dortmund (DEW 21), Fulda (Rhön Energie) und Frankfurt (Mainova) sowie beim Anbieter Energiegut.

Hintergrund ist die gesetzliche Stromkennzeichnung. Sie verpflichtet Versorger dazu, in ihrem Strommix einen Pflichtanteil von bis zu 46 Prozent EEG-Strom auszuweisen. Das Problem: Dieser EEG-Strom wird nicht von den Versorgern eingekauft. Der Strommix der Versorger erscheint also umweltfreundlicher, als er ist. Im Gegenzug wird der Anteil von Kohle- und Atomstrom in den Stromtarifen künstlich kleingerechnet.

„Der Gesetzgeber nimmt bewusst in Kauf, dass die Kennzeichnung von Stromtarifen nicht die Strom-Einkaufspolitik der Anbieter abbildet. Sie können sich auf diese Weise umweltfreundlicher darstellen, als sie sind. Das ist unseriös“, erläutert Dr. Peter Ahmels, Bereichsleiter Energie und Klimaschutz der Deutschen Umwelthilfe.

Um dem Missbrauch einen Riegel vorzuschieben, fordert das Bündnis eine Reform der Stromkennzeichnung. Sie müsse künftig wieder zu 100 Prozent den Stromeinkauf der Versorger abbilden. „Auch für Strom muss gelten: Es darf nur das draufstehen, was drin ist“, so Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation bei Greenpeace Energy. Zusätzlich sollen Stromkunden künftig genauer darüber informiert werden, wie sie unabhängig von der Stromlieferung ihres Versorgers durch die Zahlung der EEG-Umlage den Ausbau der erneuerbaren Energie fördern.

"Ausführliche Dokumentation der Untersuchung mit Faktencheck"

01.08.2016 13:40
Firmen-Fairness im Ausland: Fehlleistung
Wenn Firmen im Ausland engagiert sind, hört ausgerechnet bei Menschenrechten für viele die Fairness auf. Es gab zahlreiche Schadensereignisse in den letzten Jahren, bei denen Zulieferer deutscher Unternehmen in der Verantwortung stehen. Und damit die deutschen Firmen selbst. Mit deren Achtung der Menschenrechte im Auslandsgeschäft ist es nicht weit her. Im Gegenteil: Die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen spielen dabei eine geringe Rolle.

Nur 31 Prozent der Firmen, die sich an der Umfrage "Human rights at work 2016" beteiligten, setzen die UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte um. Das zeigt eine globale Studie der Wirtschaftskanzlei Eversheds International. 43 Prozent der Befragten attestierten den Führungskräften in ihren Firmen ein mangelndes Engagement in Sachen Menschenrechten.

Für die Studie hatte Eversheds weltweit etwa 5000 Unternehmen angeschrieben – adressiert an Vorstandsmitglieder, Personalchefs und Justiziare aus allen Industriebranchen. Gerade mal fünf Prozent der Befragten antworteten überhaupt, was laut Eversheds im Bereich üblicher Rücklaufquoten bei ähnlichen Umfragen liegt.

Für Frank Achilles, Arbeitsrechtler und Partner bei Eversheds Deutschland, belegen die Ergebnisse der Studie, wie „schwach noch die Auseinandersetzung der Unternehmen mit Menschenrechtsthemen ist“. Obwohl doch Katastrophen in Textilfabriken und Verstöße gegen internationale Kernarbeitsnormen seit Jahren Schlagzeilen machten.

Immerhin gaben 47 Prozent der antwortenden Studienteilnehmer an, schon Druck auf ihre Zulieferer ausgeübt zu haben, um die Einhaltung der Menschenrechte zu erreichen. Bei der Umsetzung der UN-Leitlinien sehen dabei 76 Prozent die Rechtsabteilungen der Unternehmen in der Pflicht. Dort sollten die ethischen Risiken gemanagt werden.

Das sieht der Eversheds-Experte Achilles kritisch als Abschieben von Verantwortung. „Anwälte Dinge in Verträge reinschreiben zu lassen und bei Verstößen Strafen anzudrohen“ reiche nicht aus. Vielmehr müssten sich die Unternehmen vor Ort bei den Zulieferern konsequent um die Verbesserung der Produktionsbedingungen kümmern. Achilles: „Es muss Schluss sein mit der Haltung: Solange es den Regeln und Gesetzen in Ländern wie Bangladesch entspricht, ist es uns recht“.

Die Bundesregierung arbeitet zurzeit an einem nationalen Aktionsplan (NAP) zur Umsetzung der Leitlinien. Ein Entwurf, auf den sich mehrere Ministerien geeinigt haben, sorgt für heftige Diskussionen. Während Menschenrechtsorganisationen und Entwicklungshilfswerke fordern, alle Firmen gesetzlich zur menschenrechtlichen Sorgfalt zu verpflichten, setzt der NAP-Entwurf für die Privatwirtschaft nur auf „Erwartungen“ und „Empfehlungen“. Gesetzliche Regelungen werden nur für den Fall angedroht, dass bis zum Jahr 2020 nicht 50 Prozent der Unternehmen ein menschenrechtliches Risikomanagement eingeführt haben. Lediglich bundeseigene Unternehmen sollen laut NAP-Entwurf sofort auf die Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet werden. Das lehnt allerdings das Bundesfinanzministerium ab, wie die FR berichtete.

Deutschland sehe sich beim Thema Menschenrechte zwar gerne in der Vorreiterrolle, werde dabei aber den eigenen Ansprüchen nicht immer gerecht, sagte Arbeitsrechtsexperte Achilles. „Die Politik lässt ihren Worten keine Taten folgen.“ Andere Länder seien da vorbildlicher.

„Auch Deutschland braucht klare gesetzliche Vorgaben, damit alle wissen, woran sie sind“, sagte Achilles. Freiwillige Verpflichtungen seien oft nur „Papiertiger“. Menschenrechtsorganisationen und Entwicklungshilfswerken käme in der Debatte eine besondere Rolle zu. „Sie sind das soziale Gewissen und halten uns den Spiegel vor.“

Da Deutschland ein rohstoffarmes Industrieland ist, müssen Steinkohle für die Stromerzeugung sowie Metalle wie Kupfer, Eisenerz, Stahl und Kobalt für die Elektro- und Automobilindustrie importiert werden. Auch Textilien, Kaffee und Obst zählen dazu. Konflikte deutscher Unternehmen mit den Menschenrechten sind dabei vorprogrammiert, denn sie interessieren sich kaum für deren Einhaltung. Diesen Vorwurf haben die Nichtregierungsorganisationen Misereor und Germanwatch in ihrer Studie "Globales Wirtschaften und Menschenrechte" schon 2014 erhoben.

Mit dem Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte will die Regierung internationale Sozial- und Umweltstandards in Deutschland umsetzen. Dazu gehören beispielsweise die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte. Alle international tätigen Unternehmen sollen künftig Rechenschaft darüber ablegen, wie sie „nachteilige menschenrechtliche Auswirkungen verhüten und mildern“.

Konkret sind die Firmen gehalten, öffentlich zu berichten. Sie sollen aber auch Maßnahmen ergreifen, um die menschenrechtliche Situation zu verbessern. Dabei geht es nicht nur um Arbeitsbedingungen wie Löhne und Arbeitszeiten in ausländischen Fabriken, die im Auftrag deutscher Händler fertigen. Auch Auswirkungen für AnwohnerInnen und Umwelt müssen berücksichtigt werden – etwa wenn eine deutsche Firma am Bau eines Staudamms im Sudan oder in Brasilien beteiligt ist.

Den Aktionsplan hat das Auswärtige Amt nach anderthalbjährigen Konsultationen mit Ministerien, Firmen, deren Verbänden, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen erarbeitet. In Kürze wird er öffentlich zur Diskussion gestellt. Dann soll ihn das Bundeskabinett verabschieden.

Wichtige Schritte bis 2020

Einige der im Plan genannten Berichtspflichten werden für die Unternehmen verbindlich sein, weil Deutschland eine entsprechende EU-Richtlinie umsetzen muss. Bei anderen Regeln spricht das Auswärtige Amt von „prozesshafter Verbindlichkeit“. So sollen die Firmen Managementverfahren einführen, um Verstöße gegen Menschenrechte zu vermeiden.

Ab 2018 will das Auswärtige Amt die Einhaltung regelmäßig überprüfen lassen. Bis 2020 sollen 60 Prozent der deutschen Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten die Vorgaben befolgen. Für den Fall, dass das nicht klappt, werden „weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen“ in Aussicht gestellt. Für Unternehmen im Besitz des Bundes will die Regierung schon vorher verbindliche Regeln vorschreiben.

Warum ist es so mühsam, alle deutsche Unternehmen dazu zu bringen, Menschenrechte und Fairness im eigenen Land und anderswo zu beachten und zu fördern? Weil viele ihr Geld auch ohnedies machen, weil noch zu wenig Konsumenten darauf Wert legen, weil Firmen zwar Produktionsqualitäten und –geschwindigkeiten bis in den letzten Winkel der Erde verfolgen und sicherstellen können, denn sie wollen es. Reicht der Wille nicht zur Förderung von Menschenrechten und Fairness weltweit? Nein, leider nicht. Oftmals nicht mal hierzulande.

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Dokumentation zum Thema aus der Bundespressekonferenz der Bundesregierung vom letzten Mittwoch, den 27.7.2016

>> Frage: Ich würde das Bundesfinanzministerium gerne zum sogenannten Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ fragen, der ab morgen durch die Staatssekretäre beraten wird. Was sagen Sie zu dem Vorwurf von Entwicklungshilfeorganisationen, dass das BMF angeblich bezüglich eines konkreten Datums bremsen würde, ab dem Firmen, die im Ausland produzieren, Menschenrechte einhalten müssen?

von Tiesenhausen-Cave: Ich sage dazu, dass derzeit eine regierungsinterne Ressortabstimmung zu diesem Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ läuft. Es ist gute Praxis, dass das regierungsintern ist und dass ich jetzt auch nicht zu einzelnen Themen inhaltlich Stellung nehme. Es ist ein ganz normaler Prozess der Ressortabstimmung. Dazu gibt es jetzt auch nichts Besonderes zu kommentieren.

Zusatzfrage: Wie wichtig ist es aus Sicht von AA und BMZ, dass so ein Datum festgelegt wird?

Schäfer: Ich finde, Frau von Tiesenhausen hat das schon ganz richtig beschrieben. Ich glaube, es ist wenig hilfreich, dass in einer Phase, in der es überhaupt noch keine Regierungsposition gibt, diese bereits kritisiert wird. Ich glaube, es wäre ganz vernünftig, wenn wir jetzt alle einmal abwarten, was zum Beispiel bei der von Ihnen angesprochenen Runde der Staatssekretäre herauskommt und wir uns dann vielleicht nach der Sommerpause im Lichte der Ergebnisse der regierungsinternen Beratung - natürlich auch der öffentlichen Debatte, einschließlich der mit den NGOs und anderen interessierten beteiligten Stellen - (dazu äußern). Das scheint mir ganz vernünftig zu sein. Dies jetzt schon vor dem eigentlichen Fakt einer Regierungsposition auseinandernehmen zu wollen, ist, glaube ich, ein kleines bisschen früh, vielleicht auch sogar ein bisschen unfair.

Franke: Vielleicht nur eine kurze Ergänzung: Der Entwurf ist, wie eben schon gesagt, in der Ressortabstimmung. Insofern ergänze ich das nicht weiter. Ich schließe mich den Kollegen an.

Frage: Frau von Tiesenhausen, eine Lernfrage: Was sind die bestehenden Auflagen für Unternehmen? Müssen deutsche Unternehmen Menschenrechte einhalten?

von Tiesenhausen-Cave: Ich kann Ihnen etwas zum allgemeinen Schutzstandard für öffentliche Unternehmen sagen. Dieser ist im Bereich Menschenrechte bereits sehr gut ausgeprägt, denn von der öffentlichen Hand beherrschte Unternehmen in Privatrechtsform als auch Unternehmen, die im Alleineigentum des Staates stehen, unterliegen einer unmittelbaren Grundrechtsbindung.

Zusatzfrage: Was ist mit normalen Unternehmen wie Siemens oder Heckler & Koch?

von Tiesenhausen-Cave: Ich würde an das Wirtschaftsministerium für den nicht öffentlichen Bereich verweisen.

Alemany: Deutsche Unternehmen unterliegen der deutschen Gesetzgebung und somit allen Menschenrechtsregeln, die wir auch haben: Arbeitsnormen, soziale Standards, Mindestlohn etc.

Zusatzfrage: Das heißt, wenn Siemens in Afrika irgendetwas macht, dann müssen die sich immer an die deutsche Gesetzgebung halten, als ob sie in Deutschland ein Geschäft machen und dürfen keine Menschenrechte brechen?

Alemany: Wie Sie vielleicht wissen, gibt es verschiedene internationale VN-Regelungen; die kann ich hier gar nicht alle aufzählen. Es gibt zum Beispiel die Nationale Kontaktstelle, die in unserem Ministerium angesiedelt ist. Sollte also irgendwo ein anderes Land oder ein Mitbewerber Grund haben, sich vielleicht wegen der Nicht-Einhaltung von Sozialstandards zu beschweren, kann man das bei der Nationalen Kontaktstelle, die bei uns angesiedelt ist, anmelden und dann findet ein Verfahren mit Hilfe von Mediation statt, wo versucht wird, eine Lösung zu finden. Das finden Sie alles auf unserer Homepage. Es gab schon viele Fälle - ich will jetzt keine einzelnen Firmen nennen -, die mit Hilfe von Mediation gut gelöst werden konnten. Das sind solche internationalen Streitschlichtungen.

Zusatzfrage: Frau von Tiesenhausen, versteht das Bundesfinanzministerium die Auflagen für Unternehmen, sich an Menschenrechte zu halten, als Belastung für die Unternehmen?

von Tiesenhausen-Cave: Ich habe jetzt dem, was wir gerade hier, glaube ich, zusammen mit mehreren Kollegen gesagt haben, nämlich dass es eine Ressortabstimmung zu diesem beabsichtigten Nationalen Aktionsplan gibt, nichts hinzuzufügen. Die inhaltlichen Abstimmungen laufen innerhalb der Regierung.

Schäfer: Da das Thema großes Interesse findet, was uns sehr freut, vielleicht einfach nur zur Einordnung: Dass diese Bundesregierung Bedarf und Anlass gesehen hat, bei dem Thema des Verhaltens von Unternehmen im Ausland - in diesem Fall auch deutschen Unternehmen - Regelungen zu erarbeiten, mögen Sie daran ermessen, dass diese Bundesregierung sich zum ersten Mal überhaupt einem solchen Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ zugewandt hat. Das ist Teil der Koalitionsvereinbarung gewesen und wird jetzt abgearbeitet.
Das Auswärtige Amt hat wegen seiner Federführung für das Thema „Menschenrechte“ auch die Federführung für dieses Thema. Das heißt, die Wirtschaftsabteilung des Auswärtigen Amtes betreibt das zusammen mit den Ressorts - unter anderem mit denen, die gerade hier auch von Ihnen angesprochen waren, Herr Jung - sehr engagiert. Das gemeinsame Ziel der Bundesregierung ist tatsächlich, bis zum Ende dieser Legislaturperiode zum ersten Mal überhaupt - vielleicht nicht zum allerersten Mal, aber jedenfalls beispielsetzend für die Praxis in der Welt - Standards zu etablieren, nach denen wir uns wünschen würden, dass sich deutsche Unternehmen im Ausland verhalten.
Das ist ein wichtiges Anliegen dieser Bundesregierung. Das ist auch ein wichtiges Anliegen des Auswärtigen Amtes. Deshalb werden wir das genauso, wie wir vier Kollegen Ihnen das jetzt geschildert haben, nämlich zunächst regierungsintern und dann auch mit der interessierten Öffentlichkeit, diskutieren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir in den nächsten Monaten - nicht mehr bis zur Sommerpause, die jetzt schon bald kommt, sondern danach - ganz vernünftige Ergebnisse präsentieren werden, über die Sie sich dann selbstverständlich beugen können. Die können Sie dann gut finden oder kritisieren. Das ist in einem demokratischen Rechtsstaat völlig selbstverständlich. Aber noch haben wir das nicht. Deshalb macht es, glaube ich, keinen Sinn, über Dinge zu diskutieren und schlecht zu finden, die noch gar nicht existieren.

Zusatzfrage: Nur zum Verständnis, Herr Schäfer: Aktionsplan heißt kein Gesetz? Ich verstehe Sie richtig, dass das eher eine Verhaltensempfehlung für Unternehmen wird?

Schäfer: Wir kommen da jetzt schon wieder ganz schnell auf Inhalte. Ich weiß nicht, ob Sie bereits den heutigen Artikel in der „Frankfurter Rundschau“ und auch einige andere dazu in den vergangenen Wochen gelesen haben. Eine der Fragen, mit denen sich die Bundesregierung beschäftigt und die auch zu Recht die Nichtregierungsorganisationen und andere interessierte Öffentlichkeit bewegt, ist die Frage: Welche Art von Durchsetzungskraft bekommen Regelungen, von denen sich die Bundesregierung vorstellen kann, dass sie das Licht der Welt erblicken? Auch da reden wir über ungelegte Eier oder ungeborene Kinder - wie auch immer Sie das bezeichnen wollen. Deshalb bringt es nichts, so lange es diese Position nicht gibt, die, wie ganz viele andere Fragen sehr konstruktiv innerhalb der Ressorts miteinander besprochen werden - manchmal wird da auch vielleicht gestritten; aber das machen wir hinter den Kulissen und nicht vor den Kulissen, wie sich das gehört -, (sich dazu konkret zu äußern.)

Zusatz: Sie müssen doch wissen, ob Sie ein Gesetz anstreben oder nur Empfehlungen aussprechen wollen.

Schäfer: Zunächst ist es ja ein Nationaler Aktionsplan. Ein Nationaler Aktionsplan ist erst einmal kein Gesetz. Aber dass sich als Folge aus der Verabschiedung eines Nationalen Aktionsplans vielleicht irgendwann auch der Bedarf für ein Gesetz ergeben könnte, ist Gegenstand der Gespräche und Beratungen. <<

05.07.2016 14:21
Ist Lidl krass unfair und unsozial?
Laut Oxfam zählt Lidl zu den vier Supermarktgiganten in Deutschland. Doch in puncto Verantwortung beim Anbau von Bananen und Ananas habe Lidl großen Nachholbedarf. Oxfam: "Lidl behauptet, alle Bananen und Ananas in seiner Obstabteilung seien „nachhaltig“.

Doch der Alltag auf den Plantagen sieht oft anders aus:
• Plantagenarbeiter/innen und ihre Familien sind giftigen Pestiziden schutzlos ausgeliefert. Sie leiden unter Atemwegsbeschwerden, Übelkeit und Schwindel.
• Das Einkommen von Kleinbäuerinnen und Arbeitern ist so gering, dass sich Familien z.B. Arztbesuche nicht leisten können.
• Plantagenarbeiter/innen, die sich in Gewerkschaften organisieren, werden häufig diskriminiert und sogar entlassen.
• Durch den Einsatz chemischer Substanzen leiden Böden und Wasserqualität. Monokulturen und Pestizide zerstören die biologische Vielfalt".

Im Fairness-Check gibt's für Lidl daher die rote Karte. Und mit einer Kampagne will Oxfam Lidl anstoßen, fairer zu werden. Hier können Sie mitmachen:
"Fit für fair mit Oxfam bei Lidl"

"Lidl im Fairness- Check"

"Und hier gibt's ein ganzes Aktionspaket für 'Fit für fair'"

29.04.2016 12:42
Deichmanns Fairness fragwürdig
Fair ist Deichmann nicht wirklich. Was die Produktion angeht und bisweilen die Qualität. Das ergab der „Deichmann-Check“ in der ARD (Das Erste). Irgendwie muss ja das Massengeschäft profitabel sein. Und das wird es offenbar durch Qualitätsmängel und durch unfaire Produktionsbedingungen für die Arbeiter z.B. in Rumänen und Mazedonien, wo Deichmann produzieren lässt.

Das Reporter-Team der ARD (WDR) stellt dazu fest: „Wir machen uns selbst ein Bild und fahren nach Rumänien. Wir finden eine Fabrik, die für Deichmann produziert. Von den Arbeiterinnen hören wir, dass sie zwar mehr als den Mindestlohn verdienen, aber selbst mit Überstunden kaum über die Runden kämen. Wir stellen fest, ein Einkauf im Discounter ist in unserer Stichprobe sogar teurer als in Deutschland und auch Benzin kostet so viel wie in Deutschland. Doch Deichmann erklärt uns gegenüber, der Lohn sei existenzsichernd. Ein ähnliches Bild in Mazedonien: Auch hier treffen wir Arbeiterinnen, die für Deichmann Schuhe herstellen. Während uns Deichmann versichert, die Arbeiterinnen bekämen einen existenzsichernden Lohn mit einem gewissen frei verfügbaren Einkommen, versteht kein Arbeiter, den wir gesprochen haben, wie Deichmann darauf kommt“.

Im Deichmann Verhaltenskodex heißt es dazu: "Die gezahlten Löhne und Gehälter müssen ausreichend sein, um die grundlegenden Bedürfnisse des Personals zu befriedigen (…) und ein gewisses frei verfügbares Einkommen gewährleisten."

Deichmann hat Marktgewicht und –einfluss. Er ist Europas größter Schuhhändler. Das Familienunternehmen hat Filialen in 24 Ländern und verkaufte letztes Jahr 172 Millionen Paar Schuhe.

Deichmann unterstützt – wie es viele Firmen machen, um ihre Schattenseiten zu überblenden - mit seinem Hilfswerk „Wort und Tat“ viele Bedürftige in der ganzen Welt. Auch in der aktuellen Flüchtlingskrise engagiert sich das Familienunternehmen. Das ist ehrenhaft und sozial.

Doch erst einmal die Arbeiterinnen und Arbeiter so zu entlohnen, dass sie vom Lohn nicht nur ihre Existenz bestreiten, sondern auch für ihr Alter vorsorgen können, wäre der erste soziale Schritt vor dem zweiten. Was in den Produktionsländern immer noch nicht zu Löhnen führt, die Deichmann auch nur geringfügig gefährden würden. Und 80 Cent bis 1,50 Euro mehr pro Schuhpaar bringen weder Konsumenten noch der Firma Probleme. Doch das wäre fair.

"Der ARD-Deichmann-Check in Video und Text"

16.02.2016 15:01
Faire Versöhnung zwischen Alnatura und dm?
Der Streit zwischen dm-Gründer Götz Werner sowie Alnatura-Gründer und Geschäftsführer Götz Rehn, über den in diesem Blog berichtet wurde, soll beigelegt sein. Beigelegt heißt, beide haben sich durch Vermittlung eines Dritten darauf geeinigt, ihre Anwälte anzuweisen, den Streit gütlich beizulegen. Das bestätigte jedenfalls Götz Werner auf Nachfragen der WirtschaftsWoche.

Der Streit war ausgebrochen, weil dm fast die Hälfte der Alnatura-Produkte ausgelistet hatte und Götz Werner die Markenrechte von Alnatura gerichtlich erstreiten wollte. Er war der Auffassung, dass Alnatura erst durch Götz Werner und dm groß und erfolgreich geworden ist.

Die Mitteilung zur Streitbeilegung, über die das Anthroposophie-Zeitschrift „Info3“ berichtet, kam handschriftlich und umfasst nur drei Sätze. „Auf Initiative und Vermittlung von Sekem-Gründer Dr. Ibrahim Abouleish haben sich die Gründer von dm und Alnatura Götz Werner und Götz Rehn versöhnt. Auf dieser Grundlage werden die Anwälte beauftragt, die Auseinandersetzungen vergleichsweise beizulegen“, heißt es laut „Info3“ in dem Papier vom 15. Februar.

Götz Werner ließ die Meldung gegenüber der WirtschaftsWoche und dem Fachblatt "Lebensmittel-Zeitung" bestätigen. Details zu der Einigung seien allerdings noch nicht bekannt, sagte der dm-Sprecher. Ob damit ein Großkonflikt endet, der die Bio-Branche seit Monaten in Atem hält, ist nicht absehbar. Bekanntlich schläft der Teufel im Detail. Da die beiden Unternehmer verschwägert sind, dürfte er Konflikt nicht nur sachliche, finanzielle und strategische Aspekte haben.

"Zu Geschichte und Hintergrund des Streits zwischen dm-Gründer Werner und Alnatura-Geschäftsführer Rehn"

"WirtschaftsWoche zur Streitbeilegung"

"Spiegel zur Streitbeilegung von dm und Alnatura"

"dm im Fairness-Check"

"Alnatura im Fairness-Check"

04.02.2016 11:50
Streit zwischen Rewe, Edeka und Minister Gabriel: was wäre fair?
Rewe klagt. Geht Kaiser’s Tengelmann an Edeka? Nicht, wenn eine Klage von Rewe dagegen vor dem OLG Düsseldorf im Beschwerdeverfahren Erfolg hätte. Denn Rewe findet die Situation krass unfair. Mit einer Ministererlaubnis hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel Edeka die Übernahme von 16.000 Kaiser's-Tengelmann-Supermärkten erlaubt, nachdem sie das Kartellamt untersagt hatte. Aber nur unter Bedingungen: Edeka müsse garantieren, dass die rund 16.000 Arbeitsplätze – viele davon Teilzeit - bei Kaiser's Tengelmann mindestens für fünf Jahre überwiegend sicher seien und dass die Mitarbeiter tariflich bezahlt werden. Das solle durch verbindliche Tarifverträge abgesichert werden. Edeka ist dazu bereit. Rewe war mit seinem Angebot beim Minister abgeblitzt.

Spielt das Gemeinwohl überhaupt eine Rolle?

Eine Ministererlaubnis kann laut Gesetz erteilt werden, wenn es so starke Gemeinwohlgründe gibt, dass diese schwerer wiegen als die negativen Wettbewerbseffekte, die durch eine Fusion zu erwarten wären. Allerdings hat die Monopolkommission erklärt, dass das Arbeitsplatzargument nicht zieht. Denn die Arbeitslosigkeit ist in Deutschland nach wie vor sehr niedrig.

Außerdem würde es nicht zu einer regionalen Ballung von Entlassungen kommen. Schließlich würden die Konsumenten anderswo ihre Lebensmittel einkaufen, so dass dort zusätzliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigt würden. Die Arbeitsplatzverluste wären also relativ gering, sollten die Filialen von Kaiser's Tengelmann nicht an Edeka gehen. Der ohnehin schon der größte Supermarktbetreiber in Deutschland ist.

Konzentrationsprozess schreitet voran

Es ist in Zukunft ohnehin damit zu rechnen, dass es zu weiterer Konzentration und Fusion im Lebensmittelhandel kommen wird. Der wesentliche Wettbewerbsdruck kommt von Discountern wie Lidl und Aldi. Er verstärkt sich noch, weil sie immer mehr Markenartikel ins Sortiment aufnehmen, was vor allem preissensible Kunden anlockt. Hinzu kommt in Großstädten ein zunehmender Wettbewerbsdruck durch Bio-Supermärkte, die sich stark entwickeln und qualitätsbewusste Verbraucher anziehen.

Überlegenes Genossenschaftsmodell

Die Filialen von Kaiser's Tengelmann sind im Lebensmittelhandel ohnehin wenig bedeutend. Die Angebote sind meist teurer als bei der Konkurrenz bei Edeka und Rewe; die Märkte machen keinen attraktiven Eindruck und wohl aus deshalb schrumpften seit einiger Zeit die Marktanteile von Kaiser's Tengelmann. Die Kette ist seit Jahren defizitär. Das Genossenschaftsmodell von Edeka und Rewe ist einer zentralen Steuerung der Supermärkte wie bei Kaiser's Tengelmann deutlich überlegen.

Rewe befürchtet, dass Edeka die Supermärkte von Kaiser's Tengelmann deutlich aufpeppt und mit dem größeren Spielraum für die genossenschaftlichen Filialleiter ähnlich wie bei Rewe mehr Flächenabdeckung gewinnt. Dadurch dürfte Rewe unter erheblichen Konkurrenzdruck geraten. Das würde allerdings auch passieren, wenn Rewe die Märkte übernehmen könnte.

Was wäre fair und gemeinwohlorientiert?

Was wäre in dieser Situation eine faire Ministerentscheidung gewesen? Eine, die wirklich am Gemeinwohl orientiert ist, also von den Bürgern und Verbrauchern her denken. Das heißt: Die Supermärkte von Kaiser's Tengelmann werden orts- und stadtteilspezifisch aufgeteilt zwischen Edeka und Rewe, ggf. kommen auch noch andere Ketten zum Zug. Dabei gelten als Prinzipien: Vermeidung von Supermarkt-Ballung (keine Supermarkt- und Discounter-Ghettos), Konkurrenz der großen Anbieter bei in etwa gleichgroßem Einkommensvolumen der Bürger vor Ort, gute Erreichbarkeit der Märkte für die Verbraucher zu Fuß und mit dem Rad, weniger LKW- und PKW-Verkehr in der Umgebung. Das Verfahren hätte von einer Kommission überwacht werden können, die auch befugt wäre, ein Schiedsurteil zu sprechen. Und nicht zu vergessen: einer Monopolisierung im Lebensmittelhandel vorbeugen.

"Edeka im Fairness-Check"

"Rewe im Fairness-Check"

"Kaiser's im Fairness-Check"

"Ex-Vorsitzender der Monopolkommission Prof. Justus Haucap zur Ministererlaubnis"

"Rewe will gegen Fusion klagen"

01.02.2016 12:33
Trauer um Fairness-Vorbild Graf von Faber-Castell
Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell ist am 21.1.2016 in Houston (USA) nach längerem Krebsleiden gestorben. Der 1941 in Bamberg geborene Vorstandsvorsitzende des internationalen Unternehmens Faber-Castell und Träger des Deutschen Fairness Preises 2007 war eine überzeugende Unternehmerpersönlichkeit in achter Generation des Familienunternehmens von 1761. Mit einer Produktion von ca. zwei Milliarden holzgefassten Stiften pro Jahr ist Faber-Castell der weltgrößte Hersteller von Bunt- und Bleistiften. Das Unternehmen beschäftigt rund 7000 Mitarbeiter in 14 Fertigungsstätten und 23 Vertriebsgesellschaften und hat in über 120 Ländern Handelsvertretungen. Dazu gehört die Faber-Castell-Gesellschaft im brasilianischen São Carlos, die mit einer Produktion von 1,5 Milliarden Stiften pro Jahr die größte Farbstiftfabrik der Welt ist. Anfang der 1990er Jahre entwickelte Faber-Castell die umweltfreundliche Wasserlacktechnologie für Blei- und Farbstifte. 1992 wurde die weltweit erste Produktionsanlage für umweltfreundliche Blei- und Farbstifte in Betrieb genommen. Seit 2000 verpflichtet sich das Unternehmen freiwillig mit einer eigenen Charta, in allen Niederlassungen weltweit die empfohlenen Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen der ILO einzuhalten.

Wie Geschäftserfolg, Nachhaltigkeit und Fairness zusammen gehören

Auf der Firmenwebsite schrieb Graf von Faber-Castell: „Ich halte nichts von kurzfristigem Profitstreben. Die Fähigkeit, nachhaltig ertragreich zu sein, ist für ein Unternehmen, das langfristig erfolgreich sein will, lebensnotwendig. Für mich ist es selbstverständlich, als Unternehmer im doppelten Wortsinn mit Anstand „anständig“ Geld zu verdienen. Der Anstand, der auf Werten wie sozialer und ökologischer Verantwortung, Vertrauen, Ehrlichkeit und fairem Umgang miteinander basiert, ist durchaus mit einem gesunden Streben nach Ertragskraft vereinbar, denn nur ertragreiche Unternehmen können sich soziale und ökologische Leistungen auch erlauben. Unsere gesunde wirtschaftliche Lage und die Anerkennung durch unsere Geschäftspartner sagen mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Umweltaspekte treten auch mit einem einzigartigen Forstprojekt für Holzstift-Brettchen in Brasilien sowie einer Produktionsstätte für Brettchen und Stifte aus ökologisch zertifizierten Holzressourcen in Costa Rica zunehmend in den Vordergrund unternehmerischen Denkens.

Warum Graf von Faber-Castell den Deutschen Fairness Preis bekam

Zu Verleihung des Deutschen Fairness Preises an Graf von Faber-Castell erklärt die Fairness-Stiftung in der Preisurkunde: „Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell unternimmt enorme Anstrengungen, um in einem partizipativen Prozess Mitarbeiter in aller Welt mit Kompetenz, mit Marken- und Kundenbewusstsein sowie mit kommunikativen Fähigkeiten auszustatten. Wer wie die Faber-Castell AG weltweit eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen und der Marke, starke Kundenorientierung und permanente Innovationsfreude bei den Mitarbeitern auslösen und erhalten will, kommt gar nicht darum herum, für eine faire Unternehmens- und Personalführung zu sorgen. Graf von Faber-Castell steht persönlich selbst ein für eine solche Orientierung und Vorgehensweise. Dabei bindet er sich nach wie vor in alle wesentlichen Prozesse selbst ein, interessiert sich für Details und die großen Linien und ist selbst durch nahezu ständiges weltweites Reisen die verkörperte Verbindlichkeit in seinem Unternehmen zwischen allen Stakeholdern. Wer sich so menschenzugewandt und zukunftsorientiert über eine lange Zeit einsetzt, das vorbildliche Sozialengagement seiner Vorfahren in moderne faire und nachhaltige Wertsetzungen für sein Unternehmen übersetzt und lebt, den geschäftlichen Erfolg und die eigene Marke an eine faire, soziale und ökologische Prägung des Unternehmens knüpft, der hat den Deutschen Fairness Preis verdient. Daher ist Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell der würdige Träger des Deutschen Fairness Preises.“

Die Fairness-Stiftung trauert um eine große Unternehmer- und Führungspersönlichkeit, für die Fairness von zentraler und umfassender Bedeutung in der alltäglichen und langfristigen Praxis war. Und verneigt sich in Respekt vor seinem Lebenswerk.

Eine Gedenk- und Traueranzeige der Fairness-Stiftung erschien in Frankfurter Rundschau, Frankfurter Allgemeine und Frankfurter Neue Presse.

"Reportage zur Verleihung des Deutschen Fairness Preises an Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell"

"Faber-Castell"

"Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell zur Nachhaltigkeit und Fairness"

22.01.2016 12:38
Fairness-Fall: dm und Alnatura befehden sich
Neue Runde im Rechtsstreit: dm-Gründer Götz Werner gegen den Alnatura-Chef Götz Rehn. Wie das Landgericht Frankfurt bestätigte, klagt dm-Gründer Götz Werner erneut gegen den Alnatura-Chef Götz Rehn. In erster Instanz war die Klage abgewiesen worden (AZ: 2-06 O 44/15). Das Landgericht Frankfurt bestätigte am Donnerstag einen Bericht des "Handelsblatts", das zuerst darüber berichtet hatte. Werner hat Berufung eingelegt und will nun vor dem Oberlandesgericht Frankfurt klagen. Die einstigen engen Partner scheinen sich gründlich zerstritten zu haben.

Die beiden Manager waren nicht nur 30 Jahre lang erfolgreiche Geschäftspartner. Rehn ist auch Werners Schwager. Werner verlangt von Rehn die Markenrechte an Alnatura. Er argumentiert damit, dass Alnatura erst durch dm erfolgreich geworden sei. Vor einiger Zeit hat dm indes eine eigene Bio-Linie gestartet. Durch die Eigenmarke verspricht sich dm offenbar höhere Margen, meinen Branchenkenner. Das Unternehmen dm kommentiert dies nicht. Der dm-Geschäftsführer Erich Harsch spricht lieber von Kundennutzenmaximierung durch mehr Vielfalt in den Regalen statt von Gewinnmaximierung. Intelligentes Wording war schon immer die Kunst von dm.

Laut „Handelsblatt“ verklagt außerdem das Unternehmen dm auch noch Alnatura vor dem Landgericht Darmstadt: Alnatura will sich nicht mehr an einen Kooperationsvertrag mit dm halten, nachdem die Drogeriekette etwa 200 Produkte des langjährigen Lieferanten aus den Regalen genommen hatte. Die Sprecher von dm und Alnatura bestätigten den Inhalt der Klagen.

Alnatura hat indes den Online-Handel intensiviert und ist eine Vertriebspartnerschaft mit dem größten deutschen Lebensmittelhändler Edeka eingegangen. „Die Alnatura-Produkte werden von den Edeka-Kunden sehr stark nachgefragt. Wir bekommen sehr positive Rückmeldungen“, sagte die Sprecherin. „Auch unser Online-Shop ist gut angelaufen.“

Das Unternehmen Alnatura zeigt sich offen enttäuscht. Ihm zufolge werden bis April 70 Prozent der Alnatura-Produkte bei dm ausgelistet. „Es ist sehr schade, wir haben 30 Jahre sehr eng und erfolgreich zusammengearbeitet“, sagte eine Alnatura-Sprecherin am Donnerstag.
Das Verhältnis zwischen dm und Alnatura sowie zwischen Götz W. Werner und Götz Rehn ist wohl endgültig zerrüttet. Es sei denn, beide bekennende Anthroposophen besinnen sich und ergreifen die Möglichkeit einer fairen Mediation. Im Moment sieht es nicht danach aus.

Vielleicht ruft Götz Werner mal bei der Fairness-Stiftung an. Immerhin hat er 2003 den Deutschen Fairness Preis erhalten. Hat er seine Orientierung vergessen?

"Zoff zwischen dm und Alnatura"

"Werner und Rehn zoffen sich"

"Warum dm Alnatura aus den Regalen wirft"

"dm im Fairness-Check"

"Alnatura im Fairness-Check"

"Deutscher Fairness Ehrenpreis 2003 an Götz Werner"

"Edeka im Fairness-Check"

19.06.2015 11:08
Amazon brutalisiert den Wettbewerb
Amazon unterläuft Gehaltsstrukturen in Deutschland. Baut beziehungsweise unterhält Vertriebszentren in Polen und Tschechien für Lieferungen in das westliche Europa, in denen mitunter 3 € Stundenlohn gezahlt werden.
Amazon bezahlt in Deutschland Mitarbeiter nach dem Tarif von Speditions- und Lagerunternehmen, weil es billiger für Amazon ist. Und streitet sich seit Jahren mit den Gewerkschaften, weil diese darauf bestehen, dass Amazon nach dem höheren Tarif des Einzelhandels bezahlen soll. Wie es dies in den USA macht, wo der Tarif für Einzelhandel niedriger ist als für die Speditions- und Lagerbranche.
Amazon ist Preisbrecher und bedroht kleine Händler. „Heute wird etwa ein Viertel des gesamten deutschen Onlinehandels von Amazon organisiert. Auch kaum ein Verkäufer kommt am US-Konzern vorbei. Der Grund: Amazon fährt eine Niedrigpreisstrategie, ist Preisbrecher für den Verbraucher. Doch was die Kunden freut, ist für Verkäufer bitter.
Für sie bleibt kaum noch etwas übrig. „Handel über Amazon ist Cyberkrieg, in dem nur die Großen überleben“, klagen sie. Das schreibt Christian Bock zu seiner ZDF-Dokumentation zu diesem Thema.
"2014 hat der US-Konzern in Deutschland einen Umsatz von 11,9 Milliarden Dollar erzielt – 1,5 Milliarden mehr als im Vorjahr. Und praktisch jeder kann über die Amazon-Plattform verkaufen: Anmelden, Ware einstellen, fertig – so verspricht es der US-Konzern. Genial einfach – und genial durchdacht. Und auch Amazon hat viel davon, wenn Händler auf dem so genannten "Marketplace" anbieten: Kundendaten, Gratis-Marktforschung, Zugriff auf Waren aller Art.
ZDFzoom-Autor Christian Bock trifft Händler, die sich von Amazon im Stich gelassen fühlen. Etwa, weil der Konzern mit Sperrung droht, wenn der Händler nicht spurt. Oder weil Händler, die ihre Ware allzu billig einstellen, regelmäßig von der Konkurrenz oder sogar von Amazon selbst unterboten werden – Preisroboter, so genannte "Repricer", lassen gerade Anfängern oder kleinen Shops kaum eine Chance“.

Amazon brutalisiert den Wettbewerb und den Konsum. Noch erfreuen sich die Verbraucher an der bequemen Bestell- und Retourenmöglichkeit und den oft günstigen Preisen. Doch wenn die kleinen Händler verschwunden, die Läden in kleinen und mittelgroßen Orten verwaist und die Einkommen der Amazon-Mitarbeiter nicht zum Leben und Konsumieren reichen, dann gibt es ein böses Aufwachen. Denn dann ist mehr als jetzt ein Monopolist entstanden, der Kaufbedingungen und Preise diktieren kann. Das kann niemand wollen.

"ZDF Doku über Amazons brutalen Umgang mit Händlern und Mitarbeitern"

"Amazon im Fairness-Check"

23.03.2015 11:29
Giftfreie Mode – Nur der Anfang ist gemacht!
Beharrlichkeit und öffentlicher Druck zahlen sich aus - dies gilt für die Detox-Kampagne von Greenpeace, wonach sich Modefirmen zum Verzicht auf giftige Chemikalien in der Produktion und Lieferkette bis zum 1.1.2020 verpflichtet haben. Allerdings ist der Weg noch weit.

Greenpeace veröffentlichte am 20. März 2015 den neuesten Stand zum Detox-Catwalk und gibt damit eine kleine Empfehlung für bewussten Einkauf von (giftfreier) Mode.

18 Modefirmen haben sich der Entgiftung-Kampagne angeschlossen und sich zu einer giftfreien Produktion bis zum Jahr 2020 verpflichtet. 16 davon zeigen laut Greenpeace eine glaubwürdige erste Umsetzung ihres Vorhabens. Dies geht von der kompletten Verbannung bestimmter gefährlicher Chemikalien aus der gesamten oder teilweisen Produktion und /oder der transparenten Offenlegung aller Abwasserdaten und der Verpflichtung Verfahren zu nutzen, die laut aktuellen Stand am besten dafür geeignet sind Chemikalien nachzuweisen.
Von diesen 18 Modefirmen haben sich 16 laut Greenpeace als Detox-Trendsetter herausgestellt. Diese sind: Adidas, Benetton, Burberry, C&A, Esprit, G-Star, H&M, Inditex (Zara), Levi Strauss & Co., Limited Brands, Mango, Marks & Spencer, Primark, Puma, Fast Retailing, Valentino.

Nur LiNing und Nike hatten sich zwar auch Detox-Kampagne angeschlossen, denen wirft allerdings Greenpeace Greenwashing vor, da sie bislang noch keine Anzeichen für eine Umsetzung ihrer Verpflichtung vorweisen können. Greenpeace Fazit zu Nike lautet beispielsweise: „Nike nutzt die Branchengruppierung “Zero Discharge of Hazardous Chemicals” (ZDHC) als Deckmantel für die Verschleierung der mangelnden eigenen Bestrebungen zur Entgiftung unserer Kleidung“.

Es gibt allerdings auch einige Schlusslichter in der Modebranche. Diese Firmen weigern sich hartnäckig ihre Kleidung zu entgiften und die Belastung für Mensch und Natur durch ihre Produktion einzuschränken bzw. zu beseitigen. Es handelt sich hierbei um: Giorgio Armani, Bestseller, Only the Brave, Dolce & Gabbana, Gap Inc., Hermès, Vuitton/ Christian Dior, Metersbonwe, PVH (Calvin Klein, Tommy Hilfiger), Vancl und Versace.

Diese haben es offenbar nicht nötig, sich dem Kamgapgne anzuschließen, da ihre Kundschaft auf diese Marken sehr fixiert ist, für manche wie ein Fetisch wirkt, und sich für Preis, Herstellung, soziale und ökologische Aspekte so gut wie gar nicht interessiert. Unfair gegenüber Natur, Mitarbeitern und Bekleidete? Das interessiert diese Kundschaft und ihre Markenfirmen nicht.

Einige der Detox-Trendsetter haben wir im Portal Fairness-Check aufgeführt. Lesen Sie dort welche weiteren positiven Aspekte in Bezug auf Fairness die diese Unternehmen auszeichnen.

Jolanda Humml-Butera

Was Greenpeace und Fairness-Check zu Giften in der Kleiderproduktion bestimmter Firmen sagen:

"Greenpeace über Firmen, die auf Giftstoffe in der Kleiderproduktion verzichten oder nicht verzichten"

"Über Gifte bei Adidas"

"Über Gifte bei C&A"

"Über Gifte bei Esprit"

"Über Gifte bei H&M"

"Über Gifte bei Primarkt"

"Über Gifte bei Nike"

16.01.2015 14:54
Zur Fashion Week Berlin: Primark - das Gegenteil von fairer Mode
Am Montag den 19.1. startet in Berlin parallel zur Modemesse Fashion Week (bis 23.1.) auch die Ethical Fashion Show. Ökologische und soziale Kriterien bei der Produktion soll die dort gezeigte Mode erfüllen. Dieses Ziel verfolgt hat auch das Textilbündnis von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Doch der große Durchbruch blieb ihm bisher versagt. Wer sich im Fairness-Check bei Primark, H&M, C&A, Esprit, KiK und Adidas dazu kundig macht, erkennt schnell warum.

Und Renate Künast, Vorsitzende des Verbraucherschutz-Ausschusses im Bundestag, hält Müllers Vorgehen für falsch. Sie meint: „Ein Textilbündnis nur für Deutschland ist nicht sinnvoll“: Die EU könnte bessere Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie durchsetzen, sagt die Grünen-Politikerin Renate Künast im Interview mit Timot Szent-Ivanyi von der Berliner Zeitung:

„Frau Künast, warum kommt das Textilbündnis des Entwicklungsministers nicht voran?

Um etwas Nettes über Herrn Müller zu sagen: Er hat das richtige Thema adressiert. Ein Großteil der Rohstoffe für die Textilien, die wir hierzulande kaufen können, kommt aus Ländern, in denen es keine demokratischen Prozesse gibt und Menschenrechte nicht beachtet werden. Kinderarbeit, Sklaverei ähnliche Arbeitsbedingungen und ökologische Verwüstungen sind an der Tagesordnung. Möglichkeiten zur Rückverfolgung vom Handel bis zur Rohstoffproduktion bestehen nicht, Herstellerangaben sind kaum zu kontrollieren. Die weitere Verarbeitung, das Färben, Stricken und Nähen, geschieht in Ländern, in denen die Eliten oft kein Interesse am Arbeits- und Umweltschutz und an fairen Mindestlöhnen haben. Es ist also überfällig, sich für die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards einzusetzen.

Nur Lob für Müller?
Natürlich nicht. Obwohl ich schon sagen muss, dass Müller geschickt vorgeht. Er grenzt sich deutlich von seinem Vorgänger Dirk Niebel ab, der die Entwicklungsorganisationen nur noch verprellt hatte. Müller spricht dagegen mit ihnen und gibt vor, sie ernst zu nehmen. Aber mehr als warme Worte kommen da nicht. Viel Aktionismus, wenig Substanz.

Ihre Kritik am Textilbündnis?
Müller hat keinen Weg gefunden, wie man die Probleme löst. Es reicht eben nicht, wohlklingende Papiere zu verfassen, auf denen zugegebenermaßen viele richtige Dinge stehen. Das Ganze muss auch umsetzbar sein. Daran hapert es gewaltig.

Warum?
Ein Textilbündnis oder ein Siegel nur für Deutschland macht doch überhaupt keinen Sinn. Wir haben einen europäischen Binnenmarkt! Was bringt es, wenn sich Hersteller auf irgendwelche Bedingungen allein für Deutschland einlassen, sich aber in den restlichen am Produktionsprozess beteiligten Ländern nicht daran halten müssen? Das funktioniert genauso wenig wie Müllers Plan, das Ganze nur auf freiwilliger Basis einzuführen.

Aber wie verpflichtet man die Unternehmen zur Einhaltung von Standards?
Gute Arbeitsbedingungen sind ein Menschenrecht. Das rechtfertigt, Unternehmen zu zwingen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Über den EU-Binnenmarkt kann zunächst einmal durch eine Transparenzrichtlinie erreicht werden, dass die Firmen die gesamte Lieferkette offen legen müssen. So etwas gibt es bereits, etwa bei den sogenannten Blutdiamanten. Aber auch die Politik muss dann ihre Hausaufgaben machen.

Inwiefern?
Die einzelnen Unternehmen, gerade Mittelständler, sind doch allein gar nicht in der Lage, bestimmte Anforderungen an ihre Zulieferer durchzusetzen und in jedem Einzelfall alles zu kontrollieren. Vielmehr muss die EU ihren gesamten Außenhandel so gestalten, dass von der Baumwollproduktion bis zur Endfertigung die Einhaltung von Standards stets die Grundlage von Entwicklungshilfeprojekten, Krediten oder Handelsabkommen ist. Denn klar ist doch: Die dortigen Regierungen und Parlamente sind in der Verantwortung, dass in ihren Ländern die Menschenrechte eingehalten werden.

Welche Druckmittel gibt es?
Länder wie Bangladesch oder Kambodscha können zollfrei in die EU exportieren, weil sie als ärmste Länder der Welt Steuerprivilegien genießen. Diese Vorteile kann Europa beispielsweise an die Einhaltung der sogenannten Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation ILO knüpfen: Keine Kinderarbeit, keine Sklaverei, Gesundheitsschutz, faire Löhne und die Zulassung von Gewerkschaften.

Bis ein derart umfassender Ansatz wirkt, vergeht einige Zeit. Ist Müllers Idee nicht sinnvoller, erst einmal mit einem Textilsiegel für bestimmte Produkte anzufangen?
So einfach ist das eben nicht. Was soll denn erreicht werden: Geht es darum, die gesamte Textilproduktion auf höhere Standards zu heben oder darum, nur kleine Teile der Produktion zu verbessern und dadurch quasi Premiumprodukte zu produzieren? Ersteres muss im Vordergrund stehen und kann wie gesagt nur auf globaler Ebene gelöst werden. Und für den kleineren Bereich der Öko-Textilien gibt es bereits das strenge GOTS-Siegel, das eine umweltschonende und sozial verantwortliche Herstellung bis hin zu den Rohmaterialien vorschreibt. Dies sollte jetzt als europäisches Siegel für ökologische Produkte anerkannt werden. Ein neues deutsches Siegel ist unsinnig“.

Ergo: Bis zu fairer Kleidung ist es noch ein weiter Weg. Kleine Anbieter jedoch kämpfen sich auf diesem Weg tapfer voran. Für uns alle – und die Mitmenschen.

"Primark im Fairness-Check"

"Tchibo Textil im Fairness-Check"

"H&M im Fairness-Check"

"KiK im Fairness-Check"

"Die Ethical Fashion Show"

mit vielen Anbietern in diesem Segment "Anbieter von fairer Mode"

"Renate Künast zu fairer Mode und zum Schlingern des Textilbündnisses"

09.01.2015 10:34
Trauer um Preisträger Günther Cramer
Die Fairness-Stiftung trauert um Günther Cramer, den Unternehmensgründer, langjähriger Vorstandssprecher und Vorsitzenden des Aufsichtsrats der SMA. Er erhielt zusammen mit seinen Vorstandskollegen Peter Drews, Reiner Wettlaufer und Pierre-Pascal Urbon 2008 den Deutschen Fairness Preis. In der Urkunde, die Kuratoriumsvorsitzender Prof. Dr. Karl-Heinz Brodbeck verlas, heißt es: „Der wirtschaftliche Erfolg der SMA ist eng verbunden mit einer fairen, kooperativen und transparenten Unternehmens- und Führungskultur und ohne diese faire Kultur gar nicht denkbar. Die Mitarbeiter werden aktiv in Entscheidungs- und Strategieprozesse eingebunden. Es gibt – verbunden mit der Entwicklung des Unternehmens – Raum und Förderung für eigene Ideen sowie für die fachliche und persönliche Entwicklung. Es gibt eine permanente aktive Anstrengung, Fragen und Probleme im gemeinsamen Gespräch zu lösen und nicht durch Anweisung. Fehler werden nicht zum Anlass genommen, Jagd auf Schuldige zu machen, sondern analysiert und für eine Verbesserung genutzt. Es zählt das Argument und nicht die Machtposition. Der Vorstand der SMA Solar Technology AG beweist mit seiner fairen und kooperativen Unternehmensführung nicht nur, dass wirtschaftlicher Erfolg und faires Führungshandeln zusammen passen, sondern dass sie zusammen gehören, weil Verstand und Herz der Mitarbeiter die wichtigsten Erfolgsfaktoren eines Unternehmens sind. Die SMA, die auf die selbständige Mitarbeit und Eigeninitiative der Beschäftigten angewiesen ist, realisiert Klugheit und Weitsicht, wenn sie sich an Fairness, Transparenz und Kooperation orientiert“.

Dr. h.c. Günther Cramer war der wesentliche Kopf dieser Unternehmenskultur, die auch in schwierigen Zeiten durchzuhalten die Firma bestrebt ist und war. 2010 diskutierte er anlässlich des 10jährigen Jubiläums der Fairness-Stiftung vor über 300 Gästen mit Prof. Götz W. Werner, Prof. Dr. Gertrud Höhler, Prof. Dr. Ernst Fehr, Prof. Dr. Tania Singer und Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier die Fairness als Grundwert im sozialen Rechtsstaat. Er legte ein beredtes Zeugnis für eine starke Rolle der Fairness in der Unternehmens- und Führungskultur ab.

Günther Cramer war eine charismatische Führungspersönlichkeit, die mit ansteckender Begeisterung und Pioniergeist den weltweiten Erfolg der Solarenergie mit vorantrieb. Er war Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft, Ehrenbürger der Stadt Kassel und Mitgründer des cdw Stiftungsverbundes, Vorsitzender des Vorstands des Kompetenznetzwerk Dezentrale Energietechnologien, Mitgründer des Kasseler Instituts für dezentrale Energietechnologien (ide), Mitglied des Hochschulrats der Universität Kassel, die ihm 2013 die Ehrendoktorwürde verlieh, sowie Preisträger des Umweltpreises der Deutschen Bundesstiftung Umwelt im Jahr 2012.

Günther Cramer starb nach schwerer Krankheit nur drei Wochen nach seinem 62. Geburtstag.

Wir trauern um eine große Unternehmer- und Führungspersönlichkeit, für die Fairness von zentraler Bedeutung in der alltäglichen und langfristigen Praxis war.

Und verneigen uns in Respekt vor seinem Lebenswerk.

Für die Fairness-Stiftung
Prof. Dr. Karl-Heinz Brodbeck, Vorsitzender des Kuratoriums der Fairness-Stiftung
Dr. Norbert Copray, geschäftsführender Direktor der Fairness-Stiftung
Frankfurt am Main, den 9.1.2015

"Der Deutsche Fairness Preis 2008 an Günther Cramer"

18.07.2014 15:18
Unfair eher Karriere machen?
Muss man ein Schwein sein für die Karriere? Aggressionsexperte Jens Weidner glaubt das. Und das Manager Magazin titelt: „Wer immer nur nett ist, kommt mit der Karriere selten voran, sagt. Sein Rat für alle Aufsteiger: Einfach mal ein Schwein sein. Vor allem die Frauen“.

Der Fachhochschulprofessor für Erziehungswissenschaften und Kriminologie hat ein Buch geschrieben: „Hart, aber unfair. Ein gemeiner Ratgeber für Arbeitnehmer“ (Campus. 270 Seiten).
Dazu hat Weidner dem Manager Magazin auch ein Interview gegeben. Darin heißt es: „Ich habe knapp tausend Interviews mit Führungskräften und Menschen im Aufstieg geführt. Kein Karriere-Mann sagt, er sei gegen Gleichberechtigung. Aber wenn ich frage, was sie mit Konkurrentinnen tun, antworten sie: "Wir locken sie in die Frauen-Aggressivitätsfalle." Die geht so: Alles, was bei Männern hoch gelobt wird - Durchsetzungsstärke, Zielorientiertheit, Coolness - wird umgedeutet. Bei einer Frau heißt das dann plötzlich, sie sei hysterisch, verkrampft, habe einen krankhaften Ehrgeiz entwickelt, vielleicht ist der private Kontext ja auch allzu schwierig, wer weiß. Ihr Ruf wird dadurch angekratzt, ihr Status geschwächt“.

Auf die Frage, was dagegen hilft, antwortet Weidner: „Im Berufsleben kann man gern zu 80 Prozent ein feiner Mensch sein. Die übrigen 20 Prozent sollten wir aber durchsetzungsstark, strategisch und bereit sein, pessimistisch anthropologisch zu denken. Den Menschen als des Menschen Wolf zu sehen. Wenn Sie im Berufsleben jedem unterstellen, er meine es gut mit Ihnen, werden Sie permanent enttäuscht und ein Opfer von Machtspielen“. Soll das hart und unfair sein?

Nun wissen wir mittlerweile, dass der Wolf gar kein Wolf ist, wie das in der Metapher gemeint ist. Aber sei’s drum. Schauen wir in das Buch von Weidner.

Da berichtet er unter anderem von einer Lektorin, die von ihrem Lektoratskollegen lächerlich gemacht wird. Als sie deshalb zu heulen beginnt, macht sich der Kollege auch darüber lustig. Jens Weidner beschreibt diese Lektorin als übertrieben dünnhäutig. So demonstriert Weidner seine Denke. Er will Arbeitnehmer konfrontationskompetenter machen und bietet mit seinem Buch eine Art Crash-Kurs für Weicheier, so dass sie die Schattenseiten beruflicher Kommunikation nicht mehr so leicht umhauen können. Er analysiert Kommunikations- und Verhaltensfallen im Job, plädiert für den Abschied vom Duckmäusertum, leitet zu Abwehrstrategien gegenüber unfairen Akteuren an und will so aktiven Opferschutz anbieten.

Vieles, was das Buch enthält, findet sich auch in anderen Büchern zum Thema, ist hier nur sprachlich zugespitzter. Bisweilen schießt er sprachlich über sein Ziel hinaus, pflegt aggressive Bilder und schlägt vor, eine ‚unkaputtbare Kakerlake‘ zu werden. Für das politisch inkorrekte Buch ist Widerstandsfähigkeit alles. Statt „Hart, aber unfair“ wäre „Hart, aber fair“ besser, weil nur faire Akteure den Krieg im Büro deeskalieren. Fairness kann hart sein, couragiert und kompetent. Gegen Unfairness muss niemand unfair werden. Vielleicht meint es Weidner nicht so, wenn er schreibt: „Ethik und Durchsetzungsstärke mit Augenmaß sind kein Widerspruch! Beruflichen Gegenspielern sollten Sie daher mit Respekt, Fairness, aber auch klarer Grenzziehung begegnen“. Also für die Zuspitzung und Vermarktung haut Weidner kräftig auf die Pauke. Empfehlenswert ist die Losung „hart, aber unfair“ trotzdem nicht.

"Das Interview"

"Der Wolf ist dem Wolf kein Wolf"

21.05.2014 10:59
Das Palmöl-Desaster: unfair zu Mensch, Tier und Umwelt
Es steckt in Keksen und süßen Aufstrichen, es steckt in Tiefkühlpizzen und in Waschmitteln, es steckt in Kerzen und im Biosprit: Palmöl. Wegen der rasant ansteigenden Nachfrage, wird in Asien nach wie vor massiv Regenwald gerodet, um neue Palmöl-Monokulturen aufzuziehen. Den Preis zahlen das Klima, die indigene Bevölkerung und bedrohte Tierarten.

Der Versuch, den Palmölanbau und damit Umweltzerstörung einzudämmen sowie Palmöl nachhaltig produzieren bzw. zertifizieren zu lassen, ist bisher weitgehend gescheitert. Entsprechende Angaben sind wenig verlässlich. Das offenbart eine aktuelle Studie „Nachhaltiges Palmöl – Wunsch und Wirklichkeit“ von Brot für die Welt und der Vereinten Evangelischen Mission (VEM), wie die Frankfurter Rundschau heute berichtet: „Experten des Südwind-Instituts haben im Auftrag der beiden kirchlichen Organisationen das RSPO-Siegel unter die Lupe genommen. RSPO steht für „Roundtable on Sustainable Palm Oil“ (Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl), die weltweit größte freiwillige Initiative von Industrie und Zivilgesellschaft. 1439 Mitglieder zählt der RSPO – Erzeuger, Weiterverarbeiter und Händler ebenso wie Banken, Investoren und Nichtregierungsorganisationen.

Fazit der Studie, die der Frankfurter Rundschau vorliegt: Das RSPO-Siegel hält nicht, was es verspricht. Die Südwind-Experten haben für ihre Untersuchung internationale Studien ausgewertet und Interviews mit zahlreichen Akteuren des Palmölmarktes geführt. Demnach werden die RSPO-Prinzipien von Plantagenbetreibern immer wieder gezielt verletzt.

„Die Mitbestimmungsrechte der Bauern, eines der zentralen RSPO-Kriterien, werden am häufigsten verletzt“, bilanziert Carolin Callenius, Ernährungsexpertin von Brot für die Welt, die Ergebnisse der Studie. Darüber hinaus seien RSPO-zertifzierte Plantagen auch in Menschenhandel, Zwangs- und Kinderarbeit verstrickt, heißt es in der Untersuchung mit Verweis auf Erkenntnisse des International Labour Rights Forum in Washington“.

Wie FR-Redakteur Tobias Schwab folgert, ist dem RSPO-Label nicht zu trauen. Die beteiligten Unternehmen und der WWF haben ein Glaubwürdigkeitsproblem: „Sie sollten nun alles tun, um die RSPO-Kriterien zu verschärfen und ihre Einhaltung strikt zu überprüfen. Verstöße müssen umgehend mit dem Ausschluss von Unternehmen sanktioniert werden“. Und für die Verbraucher gilt: „Kritisch nachfragen, Rechenschaft fordern und Alternativen prüfen – nur so sind die Unternehmen zu bewegen“. Anders ist Fairness-Fortschritt in diesem Fall nicht auf die Sprünge zu verhelfen.

Mehr Hintergrund:
Palmöl auf Kosten von Mensch, Tier und Umwelt"

Nachhaltiger Konsum durch Information:
"Ohne Palmöl leben und ernähren"

http://www.fairness-check.de/default.aspx" class="FSLinkorText">"Fairness-Check für nachhaltigen Kaufen"

Noch mehr Hintergrund:
"Was Palmöl anrichtet"


23.09.2013 12:22
Dreckige Wäsche
Textilfirmen mauern gegen kritische Fragen. Kaum eine, die nicht in Bangladesh billigst produzieren lässt. Als im April mehr als 1.000 Frauen und Männer unter den Trümmern einer zusammengebrochenen Firma begraben werden, sind alle entsetzt. In den TV-Nachrichten sagt ein Sprecher: „Die meisten Opfer sind Frauen, die in Textilfabriken arbeiteten“. Mehr als 5000 davon gibt es in Bangladesh. „Bei acht von zehn der meistverkauften Modemarken im Land steht Made in Bangladesch in den T-Shirts, den Hemden, den Hosen“, schreibt die ZEIT.

Auch deutsche Unternehmer lassen in Bangladesh nähen, etwa der „Discounter KiK oder der Massenmodenhersteller NKD aus Oberfranken. Die Chefs dieser Firmen kannten das Risiko. Sie haben die Bilder von Rana Plaza gesehen. Fünf Monate ist das jetzt her. Es gibt in Bangladesch und den Billiglohnländern Asiens noch Tausende unsichere, überfüllte Fabriken wie Rana Plaza. Wie lässt sich das nach dem Unglück rechtfertigen? Wie haben die Bilder des Einsturzes das Denken und Handeln der Textilmanager verändert?“. So konstatiert die ZEIT und will herausfinden, ob von den vollmundigen Ankündigungen etwas umgesetzt wurde. Fünf Monate später recherchiert sie nach:

„Interviewanfrage bei C&A. Das Unternehmen bittet um Verständnis, „dass wir Ihnen zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider kein Interview anbieten können.“ Karl Rieker, ein Textilfabrikant aus Süddeutschland, möchte sich nicht äußern. Esprit lehnt ein Interview ab. H&M stimmt erst einem Gesprächstermin zu, sagt dann aber aus Termingründen ab. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt.

Modemarken leben von ihrem Image. Dieses Image soll in den Köpfen erhalten bleiben, es soll nicht beeinträchtigt werden durch Gedanken an marode Fabriken und Dumpinglöhne. Deshalb gibt es keine Antwort auf die Frage, was sich verändert hat in der Textilindustrie. Und auf die noch wichtigere Frage, ob alles unternommen wurde, damit kein“ zweites Trümmerfeld entsteht mit Hunderten oder Tausenden toten Textilarbeiterinnen, die sich zu Hungerlöhnen verdingen müssen. Interessiert das noch jemand? Spielt es eine Rolle beim Kleiderkauf?

C&A, H&M, KiK, Esprit – das sind auch Unternehmen, die im Fairness-Check gelistet sind. Mit markanten Ergebnissen in Sachen Fairness-Qualität. Lesen Sie selbst:
"Der Fairness-Check"

"Die ZEIT-Reportage"

27.03.2013 11:24
Was ist eindeutig schikanös?
900.000 Euro erstreiten wollte eine städtische Angestellte als Schmerzensgeld wegen jahrelangen Mobbings vor Gericht. Vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf scheiterte sie. Aus Mangel an Beweisen, wie das Gericht urteilte. Es entschied, dass das Verhalten des Arbeitgebers nicht als systematisches Mobbing zu werten sei (Aktenzeichen 17 Sa 602/12). Die Frau könne jahrelanges systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren durch Vorgesetzte bei der Stadt nicht nachweisen können.

Die 52-Jährige Diplomökonomin wollte mit der geforderten Summe ein Zeichen setzen und Wiederholungstäter abschrecken wollen. „Mir geht es darum, dass Mobbing auch mal aufhört hier in Deutschland“, sagte sie vor Gericht. Bislang wurde Mobbing-Opfern in Deutschland in der Regel zwischen 2000 und 5000 Euro zugesprochen. Der Anwalt der Klägerin, Michael Hiesgen, hatte schon im Januar vor Gericht kommentiert: „Diese Summen stellen keine abschreckende Wirkung für Unternehmen dar - noch eher für die Opfer, die für diese Summen jahrelang prozessieren müssen“.

Die Klägerin begründete ihre Klage damit, durch ihre Vorgesetzten jahrelang schikaniert worden zu sein. Sie hätten sie beschimpft und die Ergebnisse ihrer Arbeit als „Null“ bezeichnet, ihr Schulungen verweigert und sie mit einem Sonderauftrag an eine neun Kilometer entfernte Einsatzstelle „entsorgt“.

Angeblich hatte die Klägerin unrichtige Angaben über ihre Arbeitszeit gemacht, weswegen ihr die Stadt gekündigt hatte. Die Kündigung wurde jedoch vom Arbeitsgericht Solingen aufgehoben, weil die Stadt Solingen die Vorwürfe nicht beweisen konnte. Als sie ihren Dienst wieder aufnahm, wurde die Frau mit Prüfungen im Städtischen Klinikum Solingen beauftragt.

Das Landesarbeitsgericht erklärte in seinem Urteil auf eigenwillige Weise, dass länger dauernde Konfliktsituationen zum Arbeitsleben gehören können. „Nicht jede berechtigte oder überzogene Kritik durch den Arbeitgeber stellt eine Persönlichkeitsverletzung dar, zumal die Klägerin selbst Kritik in heftiger Form übte“, so die Düsseldorfer Richter. Mobbing liege erst vor, wenn sich „eindeutig eine schikanöse Tendenz erkennen lässt“. Außerdem habe die Klägerin selbst keinen ausreichenden Beitrag geleistet, um die verhärtete Auseinandersetzung zu entschärfen. Ein Mediationsverfahren hatte sie abgelehnt. Das Gericht hingegen gab bislang keine Hinweise, was eine schikanöse von einer nichtschikanösen Konfliktchronik unterscheide. Es gibt jedoch nach Auffassung der Fairness-Stiftung auch kurzzeitige unfaire Attacken sowie auch getarnte Schikanen, die sich einem Gericht nicht unbedingt erschließen, weil sie sehr administrativ und scheinbar rational daher kommen.

Nach der Urteilsverkündung zeigte sich die Diplomökonomin entsetzt. „Ich kann dieses Urteil nicht nachvollziehen. Mobbing-Opfer haben keine Lobby“, sagte sie. „Es ist ein bedrückendes Gefühl, morgen wieder zur Arbeit zu gehen“. Sie ist nun weiterhin als Rechnungsprüferin für die Stadt Solingen tätig. Mit dem aktuellen Urteil ist sie nun auch in zweiter Instanz gescheitert. Im vergangenen Jahr war sie vor dem Solinger Arbeitsgericht unterlegen. Eine Revision ließ das Düsseldorfer Gericht nicht zu.
http://www.fairness-stiftung.de/Schikanen.htm

07.03.2013 16:25
Die unfairen Steuertricks der Konzerne
Sie machen Milliarden-Gewinne, sie agieren auf der ganzen Welt, doch sie zahlen immer weniger Steuern. Nicht nur Apple, IKEA oder Starbucks – auch deutsche Konzerne wie Eon, Henkel, Axel Springer, Air Berlin, Lufthansa, Bosch, BMW und VW haben ein weitverzweigtes Netz an Finanztöchtern in Steueroasen. Der Schaden für die Gesellschaft ist gigantisch. ZDF-Reporter und -Autor Jo Schück recherchiert dazu konsequent und informativ.

„Bis zu eine Billion Euro im Jahr gehe den EU-Mitgliedsstaaten durch Steuerflucht und – hinterziehung im Jahr verloren“, schätzt der zuständige EU-Kommissar Algirdas Semeta: „Das ist nicht nur ein skandalöser Verlust dringend benötigter Einnahmen, sondern auch eine Gefahr für ein gerechtes Steuersystem.“ Dass internationale Konzerne ihre Gewinne mittels Briefkastenfirmen in Niedrigsteuer-Länder verschieben, dafür hat Bundesfinanzminister Schäuble sogar Verständnis: „Jedes Unternehmen muss versuchen, die steuerlich günstigsten Möglichkeiten herauszukriegen. Wer multinational tätig ist, wird seine Steuerbelastung durch Verlagerung reduzieren. Das ist nicht illegal, sondern legal.“

„Legal? Warum hindert sie niemand daran? ZDFzoom-Reporter Jo Schück folgt der Spur der Steuervermeider. Die Spur führt ihn in die Niederlande. Kaum jemand ahnt, dass unser Nachbar im Westen eine der größten Steueroasen der Welt ist – weil Beteiligungserträge, Lizenzgebühren und Zinseinnahmen für Holdings meist steuerfrei sind. Eine Chance zum Geld sparen, die sich kaum ein Unternehmen entgehen lässt“. 12 Billionen Euro werden jährlich in die Niederlande zu Töchtern der deutschen und weltweiten Unternehmen eingesammelt und verlassen sie mit geringem Abschlag wieder Richtung anderer Steueroasen. Die Niederlande als eine der weltweit größten Durchgangssteueroasen.

„Und das ist nur der Anfang: Briefkastenfirmen in Delaware/USA, Niederlassungen in der Karibik, Steuer-Anwälte in New York – mit diesem Geflecht werden Gewinne niedrig gerechnet und damit Steuern gespart. Auf dem G20-Gipfel in Moskau erfährt ZDFzoom-Reporter Jo Schück von geplanten Gegenmaßnahmen der Politik: Die Finanzminister von Deutschland, Frankreich und England wollen gemeinsam mit der OECD neue Spielregeln für die internationalen Finanzströme entwickeln. Es gehe nur gemeinsam, erklärt OECD-Generalsekretär Ángel Gurría gegenüber ZDFzoom, und sei dennoch unerlässlich: „Heutzutage will jeder Staat sein Haushaltsdefizit reduzieren, jeder will Schulden abbauen, alle bemühen sich. Aber wenn die Basis der Steuereinkommen sehr klein ist, weil die großen Konzerne nicht zahlen, dann hast Du ein Problem, dann musst du den Rest der Bevölkerung besteuern.“

Die legalen, aber unfairen Steuertricks der Konzerne sind eine gewaltige Ursache für die Unfairness der Gesellschaften. Der kleine Mittelstand und die normalen Arbeitnehmer zahlen die Zeche. Und die Politik schaut zu. Wie lange noch?

ZDF Film: Flucht in die Karibik



26.02.2013 12:29
Fairness Opinion: was sie und wann unfair ist
Unfaire Fairness Opinion beim Mappus-Deal zu EnBw? Eine Affäre erlaubt einen Durchblick auf unfaires Finanzgebaren. Wie Eric Schreyer in CFOWorld schreibt:

"Seit Montag dieser Woche ist Stefan Mappus (CDU) wieder in den Schlagzeilen: Peter Hauk, CDU-Fraktionschef in Baden-Württemberg, rät dem ehemaligen Ministerpräsidenten, aus seiner Partei auszutreten. Es geht um die EnBW-Affäre. Im Jahr 2010 hatte das Land Baden-Württemberg 45 Prozent der Aktien des heimischen Stromversorgers EnBW vom französischen Energieversorger EdF zurückgekauft - möglicherweise zu einem überhöhten Preis.

In diesem Zusammenhang wurde eine Fairness Opinion erstellt; ausgerechnet durch Morgan Stanley unter ihrem Deutschlandchef Dirk Notheis, einem engen Freund von Stefan Mappus. Mappus hatte ihm damals gemailt, er habe „gute Lust, aus dem Scheißverein auszutreten“. Abseits des Politischen lohnt sich ein Blick auf die Funktion der Fairness Opinion sowie vor allem auf die Art und Weise, wie sie seinerzeit gehandhabt worden ist.

Fairness Opinion bezeichnet die „ehrliche Meinung“ eines unabhängigen und sachverständigen Dritten zur finanziellen Angemessenheit einer Angebotsleistung. Bei Abschluss des EnBW-Deals gab es keinen allgemein anerkannten Standards für Fairness Opinions. Im September 2007 hatte die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) zwar Grundsätze für Fairness Opinions beschlossen. Aber die DVFA ist nicht unabhängig, weil es in der Regel ihre Mitgliedsunternehmen sind, die mit Fairness Opinions beauftragt werden.

Muss es überhaupt einen Standard geben? Eine sachgerechte Angemessenheitsprüfung ist mithilfe einer investitionstheoretisch fundierten Ermittlung des Grenzpreises aus Sicht des Käufers oder Verkäufers genauso gut möglich.

Aus der öffentlichen Berichterstattung ist zu entnehmen, dass Mappus mit der Verhandlung und Vereinbarung des Rückkaufpreises für die EnBW-Aktien schneller war als Morgan Stanley mit der Erstellung der Fairness Opinion. Dies zeugt von einem falschen Verständnis. Eine Fairness Opinion ist nötig, um eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können; sie dient keinesfalls der nachträglichen Rechtfertigung eines irgendwie zustande gekommenen Transaktionspreises.

Möglicherweise war der von Mappus vereinbarte Kaufpreis höher als angemessen. Die von Morgan Stanley nach den DVFA-Grundsätzen erstellte Fairness Opinion bedient sich laut den Erkenntnissen des Rechnungshofs vergleichsbasierter Bewertungsmethoden (hauptsächlich vier verschiedene EBITDA-Vielfache) und basiert auf „unreflektierten Ertragserwartungen“. Dagegen wäre eine investitionstheoretisch fundierte Entscheidungswertermittlung sachgerecht gewesen, in deren Rahmen das Zielsystem des Landes, wesentliche wirtschaftliche Risiken, vertragsrechtliche Konsequenzen und weitere Kaufpreisindikatoren berücksichtigt worden wären (vgl. Gutachten des Rechnungshofs, S. 14, S. 57ff., S. 62f.).

Wie geht es mit diesem als „modern“ deklarierten Kapitalmarktinstrument der Fairness Opinions weiter? Gegenwärtig haben sie eher den Charakter von Gefälligkeitsgutachten, um das auftraggebende Management von seiner Haftung freizustellen. Die Kosten für diese „Haftungsfreistellung“ trägt das auftraggebende Unternehmen selbst, also letztendlich der Aktionär.

Aber auch bei der Einschaltung eines formal unabhängigen Sachverständigen darf dessen Stellungnahme nicht unreflektiert übernommen werden. Das Management hat die Pflicht, sich von der Unabhängigkeit und der Sachkunde des Gutachters zu überzeugen. Die Fairness Opinion ist kritisch zu hinterfragen und kann nur einer von mehreren Beiträgen zur Entscheidungsfindung sein. Wer eine Kapitalmarkttransaktion plant, ist nicht davon frei, sich ein eigenes Urteil über die Angemessenheit der Transaktion zu bilden".
http://www.cfoworld.de/fairness-opinion-richtig-handhaben

Weitere Quelle: Brösel, Gerrit und Zimmermann, Mario: Projekt „Olympia“ – Mappus „Fair Play“?, in: DER BETRIEB vom 10.08.2012, Heft 32, S. 1-2.

19.02.2013 12:57
Unfaire Gehälter für Manager
Jakob Schlandt, Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Rundschau, hält die hohen Gehälter für Manager unfair. Er schreibt in seinem heutigen Kommentar zu Recht: „Viel Geld für viel Leistung - das ist nur ein Mythos. Es ist an den Aktionären, Managergehälter wieder auf ein maßvolles Niveau zu reduzieren. Natürlich kann man die Debatte über hohe Managergehälter moralisch führen, man sollte sogar. Ethische Debatten bleiben aber zwangsläufig schwammig. Interessanter wird es, an die Gehälter die Maßstäbe der Manager selbst anzulegen: Erhalten sie ein Gehalt, das mit ihrer Leistung übereinstimmt? Anders: Schaffen hoch bezahlte Bosse auch höhere Werte?

Vermutlich nicht. Es gibt Studien, die argumentieren, dass der Einfluss des Vorstands – im Guten wie im Schlechten – überschätzt wird. Der Auf- oder Abstieg eines Unternehmens ist auch vom Top-Management in den meisten Fällen nur schwer zu beeinflussen. Das mag man anekdotisch widerlegen mit Erfolgstypen. Doch gibt es auch viele Nieten auf den Chefsesseln, die hoch bezahlt werden.

Noch stärker in Bedrängnis kommen die Spitzenverdiener durch Untersuchungen, die sich mit der Höhe der Bezahlung und dem Resultat beschäftigt haben. Zum Teil ist sogar herausgekommen, dass die Unternehmen im Vergleich umso schlechter abschneiden, je höher die Bezahlung der Spitzenmanager ist.

Viel Geld für hohe Leistung: Das ist nichts weiter als ein Mythos, den sich die Manager-Kaste hoch bezahlen lässt. Besser gesagt, selbst zuspricht. Manager genehmigen Managern das Gehalt. Das ist unfair für alle anderen: die Mitarbeiter, die Gesellschaft, die Aktionäre. Wenigstens die Anteilseigner könnten daran etwas ändern. Dazu müssten sie aber an einem Strang ziehen“.
http://www.fr-online.de/wirtschaft/kommentar-zu-managergehaeltern-der-mythos,1472780,21872034.html

24.01.2013 11:09
Exzellenter TV-Film "Mobbing" auf ARTE
Freitag, 25.01., 20:15 Uhr auf ARTE: sehenswerter TV-Film „Mobbing“ mit u.a. den Darstellern Susanne Wolff, Tobias Moretti. Ein typischer Fall von Mobbing: Was passiert in einer Beziehung, wenn der Ehemann und Familienvater plötzlich freigestellt wird, einfach zu Hause ist und langsam resigniert? Wer hat Schuld und woran? Das Mobbing-Opfer zieht vor Gericht und die Richter geben ihm schließlich sogar Recht, aber Arbeit und Leben haben sich in der Zwischenzeit grundlegend verändert.

Ein wohnliches Heim, ein sicheres Einkommen, zwei prächtige Kinder, ein großer Freundeskreis: Anja liebt ihr Leben mit Jo, in dem Glück und Zufriedenheit regieren. Der charismatische Jo ist im Kulturreferat der kleinen Stadt für die großen Projekte zuständig und wegen seiner engagierten und zupackenden Art beliebt. Nur die neue Vorgesetzte scheint etwas gegen ihn zu haben.
Anja bemerkt, wie Jos Stimmung von Tag zu Tag gereizter wird. Dann werden ihm sukzessive seine Kompetenzen entzogen und schließlich wird er zum Handlanger degradiert. Die Kollegen wenden sich ab. Der Druck bei der Arbeit überträgt sich auf das Familienleben und beginnt, Jo und Anja zu verändern. Nach einer Intrige seiner Kollegen wird Jo schließlich fristlos entlassen. Er verschweigt Anja jedoch zunächst den Grund dafür.

Angst, aber auch gegenseitiges Misstrauen machen sich in ihrer Partnerschaft breit. Jo reicht beim Arbeitsgericht Einspruch gegen die Kündigung ein, doch der Prozess dauert und dauert. Anjas Umgang mit der belastenden Situation schwankt zwischen Empathie und Hilflosigkeit, Pragmatismus und ohnmächtiger Wut. Denn Jo verschließt sich, ist neuen Ideen gegenüber resistent. Er setzt alles auf eine Karte - das Urteil am Arbeitsgericht.

Ein Fall im Film, der Ähnlichkeiten mit realen Fällen hat. Für Fortbildung, Gespräche und eigenes Nachdenken sehr nützlich.

Kostenlose Fairness-Hotline für Verantwortliche, die sich unfair attackiert fühlen: http://www.fairness-stiftung.de/Hotline.htm
Tel. 01 80 5 - 44 58 85 (14 ct/min aus dt. Festnetz / Mobil max. 0,42/Min.); Montag von 18 bis 19:30 Uhr.
Außerhalb dieser Zeiten in der gebührenpflichtigen Coaching-Line http://www.fairness-stiftung.de/Coachingline.htm

04.09.2012 00:02
Sarah Wiener erhält Deutschen Fairness Preis 2012
Den Deutschen Fairness Preis 2012 hat die Fairness-Stiftung Sarah Wiener zugesprochen. Wie das Kuratorium in Frankfurt am Main bekannt gab, erhält Sarah Wiener die Auszeichnung, weil sie in einer hart umkämpften Branche wie der Gastronomie zeigt: Fairness gegenüber Mitarbeitern, Kunden, Natur, Tier und Umwelt zugleich ist möglich. Diese umfassende Fairness und ihr striktes Engagement haben die Jury der Fairness-Stiftung überzeugt.

Durch ihre Auftritte in den Medien als TV-Köchin und Interviewpartnerin ist Sarah Wiener eine mitreißende Botschafterin für ein neues Verhältnis zwischen Mensch, Tier, Umwelt und Ernährung. Durch ihr ehrenamtlichen Engagement für und mit Kindern sowie für gesunde Ernährung streitet sie für etwas, das hat unsere Gesellschaft dringend nötig hat.

1999 machte Sarah Wiener ihr erstes Restaurant „Das Speisezimmer“ in Berlin-Mitte auf. Bis heute kamen weitere biozertifizierte Restaurants in Berlin, Bremen und Stuttgart hinzu. 2004 wurde die Sarah Wiener GmbH gegründet. Sie betreibt die oben genannten Restaurants sowie einen Event-Catering-Service mit derzeit insgesamt über 160 Mitarbeitern. Seit 2004 ist Sarah Wiener regelmäßig im Fernsehen zu sehen; seit 2007 in ihrer ARTE-Serie: „Kulinarische Abenteuer der Sarah Wiener“.

Seit 2006 ist Sarah Wiener Schirmherrin des Tierzuchtfonds für artgemäße Tierzucht; seit 2007 ist Sarah Wiener Schirmherrin der Aktion „Haushalt ohne Genfood“. 2007 wurde die „Sarah Wiener Stiftung – Für gesunde Kinder und was Vernünftiges zu essen“ ins Leben gerufen. Zu ihren Gründungsmitgliedern zählen außer Wiener unter anderen Alfred Biolek. Seit November 2011 ist Sarah Wiener eine der deutschen Botschafterinnen der UN-Dekade Biologische Vielfalt.

Angesichts einer anhaltenden öffentlichen Debatte um Landwirtschaft, Ernährung, Umgang mit Tieren und Menschen ist diese Preisvergabe ein Signal, den von Sarah Wiener beschrittenen Weg konsequent weiterzugehen und nachzuahmen. Denn in Gastronomie und Ernährungsindustrie sind ist das immer noch ein viel zu selten beschrittener Weg.

Der Deutsche Fairness Preis wird alljährlich von der Fairness-Stiftung vergeben. Er würdigt besonders den Einsatz für Fairness in Wirtschaft und Gesellschaft. Bisherige Preisträger sind unter anderen Prof. Dr. Horst-Eberhard Richter (2011 verstorben), Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell, die Unternehmerfamilie Leibinger (Trumpf Group), Günther Cramer (SMA Technology AG) sowie Thomas Jorberg (GLS Bank). Der Preis wird am 27.10. im Rahmen eines Festaktes in Frankfurt überreicht. Die Laudatio hält Eva Luise Köhler von der „Eva Luise und Horst Köhler Stiftung“.

Wer an der Preisfeier teilnehmen möchte, melde sich bei der Fairness-Stiftung per Kontaktformular: https://www.fairness-stiftung.de/EMailKontaktanfrage.asp

31.05.2012 11:57
Faire Führung stärkt Engagement
Die Führungskräfte sind für die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter entscheidend. Doch es gelingt ihnen nur mäßig, ihre Mitarbeiter emotional zu binden und für den Arbeitseinsatz zu begeistern. Das ist die Erkenntnis der aktuellen Gallup-Studie, die Gallup veröffentlicht hat.

23 Prozent der Beschäftigten haben der Umfrage zufolge innerlich bereits gekündigt. 63 Prozent der Arbeitnehmer leisten Dienst nach Vorschrift und spulen lediglich das Pflichtprogramm ab. Nur 14 Prozent der Angestellten verfügen über eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber und sind bereit, sich freiwillig für dessen Ziele einzusetzen.

Dabei sind neun von zehn Angestellten in Deutschland (92 Prozent) mit der Arbeit zufrieden, die sie ausführen. Für die Mehrheit der Beschäftigten (58 Prozent) steht auch die Vergütung in einem adäquaten Verhältnis zu ihrer Leistung. Dazu Marco Nink, Strategic Consultant bei Gallup: „Diese Zahlen zeigen ganz eindeutig, dass die Gründe für eine mangelnde emotionale Bindung nicht in den Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses liegen. Führungskräfte sind diejenigen, die in der Verantwortung stehen, da sie es sind, die das Arbeitsumfeld durch ihr Führungsverhalten prägen und gestalten“.

Seit Jahren bewegt sich die emotionale Mitarbeiterbindung auf niedrigem Niveau. „Die Folgen, sowohl für die Leistungsfähigkeit der einzelnen Unternehmen als auch für die gesamte Volkswirtschaft, sind erheblich“, so Marco Nink. Denn wer sich nicht emotional an sein Unternehmen gebunden fühlt, zeigt weniger Eigeninitiative, Verantwortungsbewusstsein und Leistungsbereitschaft. So verbuchten im vergangen Jahr Beschäftigte ohne emotionale
Bindung im Schnitt 3,5 Fehltage mehr als emotional hoch gebundene Mitarbeiter. Diese Fehltage kosten die deutsche Wirtschaft 10,5 Milliarden Euro im Jahr. Der aufgrund von innerer Kündigung entstehende gesamtvolkswirtschaftliche Schaden ist erheblich. Er beläuft nach Berechnungen von Gallup jährlich auf eine Summe zwischen 122,3 und 124,0 Milliarden Euro.

Ein Blick auf die vergangenen Jahre zeigt, dass äußere Faktoren, wie eine Verschlechterung oder Verbesserung der Konjunktur, nicht zu nennenswerten Verschiebungen zwischen den drei Bindungsgruppen führten. Marco Nink: „Vielmehr sind die Ursachen für den relativ geringen Anteil emotional hoch gebundener Arbeitnehmer in Deutschland hausgemacht und gehen auf Defizite in der Personalführung zurück.“
Der Aussage „Ich habe in den letzten sieben Tagen für gute Arbeit Anerkennung und Lob bekommen“ stimmten nur vier Prozent der Mitarbeiter ohne emotionale Bindung uneingeschränkt zu. Bei den emotional hoch gebundenen Arbeitnehmern lag dieser Wert bei 79 Prozent. Ähnlich verhält es sich, wenn es um konstruktives Feedback geht (2 Prozent zu 75 Prozent).

Des Weiteren gaben nur fünf Prozent der Beschäftigten ohne emotionale Bindung an, dass sich jemand bei der Arbeit für sie als Mensch interessiert (emotional hoch Gebundene: 93 Prozent). Nur ein Prozent der Mitarbeiter ohne emotionale Bindung erklärt, dass es jemandem im Unternehmen gibt, der die persönliche Entwicklung fördert (emotional hoch Gebundene: 87 Prozent). Nur drei Prozent der emotional nicht gebundenen Mitarbeiter mochten der Aussage uneingeschränkt zustimmen, ihre Meinungen und Ansichten hätten im Unternehmen Gewicht. In der Gruppe der emotional hoch Gebundenen stimmten 93 Prozent ohne Wenn und Aber zu.

Für Marco Nink wird deutlich, „welchen Einfluss das Führungsverhalten, also die Erfüllung der elementaren Bedürfnisse und Erwartungen am Arbeitsplatz, auf die Verbundenheit der Mitarbeiter hat. Gute Führung orientiert sich am Menschen. In jedem Unternehmen lassen sich durch geeignete Maßnahmen Verbesserungen erzielen, denn der Grad der emotionalen Bindung ist unabhängig vom Ausgangsniveau veränderbar. Unternehmen dürfen ihr Humankapital nicht vernachlässigen und müssen dem Führungsverhalten größere Bedeutung beimessen. Der Erfolg eines Unternehmens hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dabei wird ein Aspekt oft übersehen: Die Mitarbeiter.“

Die Frage ist, was sollen Führungskräfte tun, um die Motivation, das Engagement und die emotionale Bindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken oder zu heben? Dazu die Fairness-Stiftung: Anerkennung der Mitarbeiter, ihrer Persönlichkeit, ihrer Zuverlässigkeit, ihrer Leistung, ihre Ergebnisqualität ist der entscheidende Schlüssel dazu. Das ist bereits der erste Schritt auf dem Weg zu hoher Fairness-Qualität der Führungspraxis. Der zweite Schritt ist Transparenz, der dritte Partizipation, der vierte Sinnhaftigkeit der Aufgaben und der fünfte, aber nicht der letzte, ausgeprägte Fairness im Umgang mit Dissensen, Problemen und Konflikten. Führungskräfte, die das praktizieren, werden die 14 Prozent der Angestellten in ihrem Umfeld haben, die über eine hohe emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber verfügen und bereit sind, sich freiwillig für dessen Ziele einzusetzen.

Seit dem Jahr 2001 erstellt Gallup jährlich, anhand von zwölf Fragen zum Arbeitsplatz und - umfeld, den sogenannten Q12®, den Engagement Index für Deutschland. Die Studie gibt Auskunft darüber, wie hoch der Grad der emotionalen Bindung von Mitarbeitern und damit das Engagement und die Motivation bei der Arbeit ist. Für die jüngste Untersuchung wurden 1.323 zufällig ausgewählte Arbeitnehmer ab 18 Jahren von Oktober bis Dezember 2011 telefonisch interviewt. Damit sind die Ergebnisse repräsentativ für die Arbeitnehmerschaft in Deutschland. Gallup Deutschland ist ein forschungsbasiertes Beratungsunternehmen und Spezialist für die Schnittstelle zwischen Ökonomie und Psychologie.

Detaillierte Informationen zum Gallup Engagement Index 2011 unter: http://eu.gallup.com/Berlin/153299/Praesentation-Gallup-Engagement-Index-2011.aspx

30.03.2012 11:02
Apple will Fairness verbessern
Missstände in der Apple-Produktion bei der Herstellerfirma Foxconn haben sich bestätigt, wie eine Untersuchung ergeben hat und wie die Presseagentur AFP heute meldet. Tatbestände sind: zu lange Arbeitszeiten, zu wenig Geld und viele Zwischenfälle. Das ist das Ergebnis einer unabhängigen Inspektion durch die von Apple beauftragte Fair Labor Association (FLA). Foxconn habe zugesagt, die Mängel zu beheben, hieß es. Diese Zusage hat das Unternehmen jedoch schon öfter gemacht, ohne dass entscheidend etwas verändert wurde. Das Unternehmen produziert in seinen riesigen chinesischen Werken unter anderem iPhones und iPad-Tablets.

Schon 2010 hat Apple die Absicht bekannt gegeben, der FLA beizutreten; im Januar diesen Jahres wurde Apple in die FLA aufgenommen. Jetzt sind ernsthafte Prüfungen erfolgt und über 35.000 Arbeiter in drei Foxconn-Fabriken befragt worden. In allen drei sei die FLA-Obergrenze von 60 Arbeitsstunden pro Woche überschritten worden, ebenso wie die in China maximal erlaubte 40-stündige Arbeitswoche plus bis zu 36 Überstunden im Monat. Mehr noch: In heißen Produktionsphasen habe sogar die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit pro Kopf über 60 Stunden gelegen, wie AFP auf der Basis des FLA-Berichts feststellt. Foxconn habe zugesagt, die Arbeitszeiten bis Juli 2013 auf die gesetzlichen Vorgaben zu bringen. "Apple und Foxconn haben sich mit unseren Empfehlungen einverstanden erklärt. Wir werden die Fortschritte prüfen und öffentlich berichten", sagte FLA-Chef Auret van Heerden. Die zugesagten Veränderungen würden das Leben der 1,2 Millionen Foxconn-Beschäftigten erheblich verbessern und einen neuen Standard für chinesische Fabriken setzen, betonte er.

Die FLA berichtet, ein Problem sei allerdings, dass viele Foxconn-Beschäftigte selber länger arbeiten wollen, um mehr Geld zu verdienen. Denn die Gehälter sind sehr niedrig. Fast zwei Drittel der Foxconn-Arbeiter (64 Prozent) sagten in der FLA-Umfrage, sie könnten mit dem Gehalt nicht ihre Grundbedürfnisse finanzieren. Dabei gelten die Einkommen bei Foxconn bereits als überdurchschnittlich in China, was die Jobs sehr begehrt macht. Die FLA werde die Lebenshaltungskosten in den Städten Shenzhen und Chengdu untersuchen, um zu prüfen, ob die Gehälter ausreichend seien. Foxconn versprach deswegen laut FLA, die entgangenen Arbeitsstunden auszugleichen. Zudem sollen erheblich mehr Mitarbeiter eingestellt werden, es würden zusätzliche Wohn- und Kantinenkapazitäten aufgebaut.

Der US-Konzern hatte seit mehreren Jahren bereits eigene Kontrollen bei Zulieferern gemacht, die ebenfalls viele Mängel aufdeckten. Die Arbeitsbedingungen bei Foxconn waren immer wieder scharf kritisiert worden. Doch die Änderungen ließen auf sich warten. Auch an den unfairen Überstunden-Regelung hat sich bislang nichts geändert. Denn nur abgeschlossene 30-Minuten-Blöcke würden vergütet, erklärte FLA. Wer nach diesen Bestimmungen 28 Minuten arbeite bekomme gar keine Überstunden bezahlt, bei 58 Minuten gebe es nur zusätzliches Geld für eine halbe Stunde.

Von mehr als 43 Prozent der Befragten haben Zwischenfälle selbst erlebt oder beobachtet: von Handverletzungen bis hin zu Unfällen mit Fabrikfahrzeugen. Bei Foxconn seien bisher nur Zwischenfälle registriert worden, die zu einer Unterbrechung der Produktion führten. Das werde sich ab sofort ändern: Jetzt soll jede Verletzung notiert werden. Zugleich bescheinigte die FLA Foxconn Fortschritte bei der Prävention von Aluminiumstaub-Explosionen. Im vergangenen Jahr waren bei zwei solcher Detonationen in der iPad-Produktion 4 Menschen getötet und 77 verletzt worden.

Vor allem in den USA wurde zuletzt angesichts des Apple-Geldbergs von rund 100 Milliarden Dollar heftig über die "menschlichen Kosten" von iPhone und iPad diskutiert. Apple-Chef Tim Cook hatte diese Woche auf seiner China-Reise auch ein iPhone-Werk von Foxconn besucht. Cook kennt die Fabriken gut: Er war lange für das Tagesgeschäft zuständig und hatte auch die Zuliefererkette neu aufgebaut. Neben Apple gehören auch bekannte Anbieter wie Amazon, Dell, Nintendo, Hewlett-Packard, Samsung, IBM, Lenovo, Motorola, Sony und Toshiba zu den Foxconn-Kunden.

Im Fairness-Blog wurde bereits Anfang Februar 2012 über die Missstände bei Apple bzw. Foxconn berichtet: http://www.fairness-stiftung.de/FSBlogEintrag.aspx?EID=145. Die Fairness-Stiftung bleibt dran am Thema.
Der Druck zur Änderung kommt vor allem aus dem drohenden Imageverlust bei Kunden und eigenen Mitarbeitern, der das Apple-Image macht mindestens die Hälfte der Motivation für Kauf und Mitarbeit aus.

Ein User, der bereits in China war, kommentiert im Netz: „Ich habe eher den Eindruck, dieser Bericht stellt das Ganze sehr positiv dar. Ich kenne natürlich nicht alle Hintergründe, aber das, was da beschrieben wird, ist eher die Ausnahme. Wenn alle Betriebe so arbeiten würden, könnte man China schon fast mit Europa gleich setzen. So ist es aber nicht. Bei den meisten Zulieferern von Foxconn dürfte es noch weitaus schlimmer aussehen. Als ich das erste Mal in unserer Fabrik und bei unseren lokalen Zulieferern war, hatte ich auch eine Gänsehaut“.
http://www.fairlabor.org/
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-medien/fla-untersuchung-unter-welchen-bedingungen-chinesen-bei-foxconn-arbeiten/6456126.html
http://www.apfeltalk.de/forum/content/3171-apple-fair-labor.html
http://www.apfeltalk.de/forum/content/3350-fla-bericht-foxconn.html


01.03.2012 16:16
Innovative Unfairness für Billiglohn
Das Schlupfloch zu Billigstlöhnen: Werkverträge und Subunternehmen. Auf diesen unfairen Trick verfallen immer mehr Firmen, vor allem Einzelhändler. Die Billigstlöhne werden durch immer mehr Mindestlöhne erschwert und verhindert, die die Tarifparteien untereinander aushandeln und die vom Staat sanktioniert wird. Das Schlupfloch für die Unternehmen sind Werkverträge und Subunternehmen.

Insbesondere Einzelhändler haben in den vergangenen Jahren systematisch Werkverträge als Mittel für Niedrigstlöhne und zur Umgehung von Mindestlöhnen missbraucht. Früher räumten Leiharbeiter billig die Regale ein. Nachdem für sie ein Mindestlohn eingeführt wurde, war die ‚Methode Leiharbeiter‘ weitgehend hinfällig.

Nun fanden die Arbeitgeber mit den Werkverträgen ein neues Schlupfloch. Im Ergebnis erhalten die Berufstätigen dann einen Lohn von 3 bis 7 € pro Stunde. Davon kann niemand leben. Und da viele Tätigkeiten in die Rand- und Nachtstunden fallen sowie zu Überstunden führen und die Beschäftigung wegen der Befristung meistens prekär ist, kommt der gesundheitliche Ruin noch hinzu.

So etwa die Firma SIG Instore Logistics. Der Dienstleister bezahlt seine Beschäftigten nach dem Tarifvertrag des 2010 gegründeten Verbandes Instore und Logistik Services (ILS). Dessen 16 Unternehmen mit 50.000 Beschäftigten decken nach eigenen Angaben rund die Hälfte des Marktes ab, auf dem insgesamt an die 120 Dienstleister tätig sind. Da der Subunternehmer die Verantwortung für einen ganzen Betriebsbereich übernimmt und seinen Mitarbeitern gegenüber allein weisungsbefugt ist, gelten diese nicht als Leiharbeiter. So kann der Leiharbeit-Mindestlohn umgangen werden.

In ihrer Werbung heißt das bei der Firma „Warenverräumung ohne SIG RETAIL Prozess-Analyse. Erfahrene und umsetzungsstarke Teams verräumen auf Stundenbasis Neu- und Bestandsware“. Und weiter: „Um den Vermarktungserfolg von Produkten und Dienstleistungen nachhaltig zu steigern, bieten wir unseren Kunden als eines der führenden Dienstleistungsunternehmen in Europa maßgeschneiderte und branchenunabhängige Outsourcinglösungen an. Dabei reicht unser Produktportfolio von innovativen Vertriebsdienstleistungen für Markenunternehmen bis hin zu optimierten Instore-Logistik-Prozessen für den Handel“.

Kein Anzeigenblättchen, keine Jobbörse ohne Stellenausschreibungen der Firma. Gesucht vor allem: Praktikanten, Studenten, Mini-Jobber, Teilzeitkräfte auf Abruf.

Jedoch sind Werkverträge verboten, wo Beschäftige nach Weisung arbeiten und in die Arbeitsprozesse einer Firma eingebunden sind. Damit dieser Nachweis nicht möglich ist, begründen viele Firmen Schein-Werkverträge.
Damit es so nicht kommt, gibt es Nachhilfe für die Unternehmen. Da lernen Unternehmer wie sie Gehälter drücken können trotz Mindestlohn und Tarifvertrag. Da werden sogar Gebäudereiniger zu Künstlern - aus dem geputzten Fenster wird ein Werk, das per Werkvertrag bezahlt wird.

Zu diesem Zweck hatte sich die Spitze der deutschen Wirtschaft am 9. September 2011 im Holiday Inn (Düsseldorf) versammelte: Die Deutsche Bahn, Bosch und BMW, Metro, Porsche, Siemens und BASF, die Zeitarbeitsunternehmen Manpower und Randstad sowie die Unternehmensberatung KPMG. Auf dem Programm standen neue Tricks wie: „Freie Industriedienstleistungen als Alternative zur regulierten Zeitarbeit.“ 130 Topmanager folgten der Anleitung zum Lohndumping mit neuen Mitteln. Inzwischen werden mit (Schein-)Werkverträgen komplette Arbeitsschichten bei Subunternehmern eingekauft.

Rechtliche Bestimmungen scheinen kein Hindernis zu sein. Die vorgeschriebenen sogenannten getrennten Arbeitsbereiche werden durch gestrichelte Linien in der Werkhalle markiert. Maschinen stundenweise an den Subunternehmer vermietet. Damit wird angeblich den gesetzlichen Auflagen entsprochen, die für Werkverträge mit Subunternehmern gelten. Selbst Edelkaufhäuser wie das Berliner KaDeWe beschäftigten an ihren Kassen nicht mehr Stamm- oder Leiharbeiter, sondern sogenannte Werkvertragler.

Im BMW-Werk Regensburg wurden in den vergangenen vier Jahren Leiharbeiter mit knapp zwölf Euro pro Stunde entlohnt. Am Fließband aber standen ebenso Werkvertragler mit einem Stundenlohn von 7,81 Euro. Unter den 12 000 Mitarbeitern des Bosch-Werks in Stuttgart befinden sich laut Gewerkschaft nur 60 Leiharbeiter, dafür aber 2 000 Kollegen von Subunternehmen, die über Werkverträge dort tätig sind.

Auch Real, Rewe, Edeka und Rossmann nutzen das Modell Werkvertrag.
Bei Rossmann heißt es in der Internetwerbung: „Wir sind und bleiben flexibel und das verbindet. Teamgeist, Wertschätzung und Mitarbeiterorientierung stehen in unserem Fokus und sind für uns selbstverständlich. Das beste Beispiel für unsere Unternehmenskultur ist das Vorbild des Unternehmers Dirk Roßmann. Jeden Tag aufs Neue profitieren wir von der aktiven Unternehmensführung des Dirk Roßmann. Sein soziales Engagement ist aufrichtig und macht ihn zu einem vorbildlichen, anerkannten und hoch geschätzten Unternehmer“. Leider kommen etliche Mitarbeiter bei Subunternehmen und Werkvertraglicher nicht in den Genuss der so schön beschriebenen Firmenkultur.

Bei Real können sich die schlecht entlohnten Werkvertragler und Subunternehmensmitarbeiter gleich bei den Tafeln fast kostenlos mit Lebensmitteln eindecken, die sie nächtens bei Real ein- und ausgeräumt haben: „Die Förderung der lokal engagierten „Tafeln“ gehört für real,- zu den wichtigsten sozialen Kooperationen des Unternehmens“. Leider sind auch bei Real viele Rowdies von der positiv beschriebenen Unternehmenskultur ausgeschlossen: „Unternehmensverantwortung ist nicht nur nach außen gerichtet, sondern schließt auch die Mitarbeiter und kulturelle Veränderungen mit ein. Im Bereich der Aus- und Weiterbildung kann real,- bereits viel vorweisen. Mitarbeiter werden durch E-Learning und Fachseminare weiter qualifiziert und bis in Führungspositionen gefördert. Und die Personalpolitik soll familien- und frauenfreundlicher werden“. Schönes Image. Es mangelt an Glaubwürdigkeit.

Wer Billigpersonal einsetzt, riskiert seinen Ruf. Billigpersonal und Umgehungstricks zur Vermeidung von Mindestlöhnen gelten zu Recht als unfaire Aktionen. Wie sagte Stefan Genth (FR 25.2.2012), Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes HDE, so schön: „Ein großer Discounter macht die Anlieferung inzwischen wieder in Eigenregie, weil er mit der Qualität nicht zufrieden war. Hinzu kommt: Vor dem Hintergrund der Berichterstattung über Werkverträge werden auch die anderen Unternehmen überlegen, ob sie dieses Instrument zurückführen“.

Dabei können die Verbraucher mithelfen. Und um die Unternehmen einen Bogen machen, deren unfaires und moralwidriges Handeln ruchbar ist und wird.

Aktualisierung: http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1709180/Ausbeutung-mit-Werkvertraegen#/beitrag/video/1709180/Ausbeutung-mit-Werkvertraegen vom 14.8.2012
http://www.fr-online.de/arbeit---soziales/billige-arbeitskraefte-regale-einraeumen-fuer-5-70-euro,1473632,11621792.html
http://www.fr-online.de/arbeit---soziales/unternehmer-nutzen-werkvertraege-manager-lernen-lohndumping,1473632,11621040.html
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-08/lohndumping-leiharbeit
http://www.derwesten.de/nachrichten/nrw-startet-bundesratsinitiative-gegen-schein-werkvertraege-id6350863.html
http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.einzelhandel-razzia-bei-handelskonzernen-wegen-scheinwerkvertraegen.8cca0abd-25b2-42c1-b041-d90ae614d9e6.html
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/10/0,3672,8467882,00.html
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/074/1707482.pdf

04.02.2012 13:04
Apple verbreitet grausige Unfairness
Apple ist hipp. iPhone, iPod, iPad, iMac – glänzende Produkte mit grausiger Vorgeschichte. Design hui – Produktion pfui. So der Erkenntnisstand kritischer Beobachter, Journalisten, ehemaliger Führungskräfte und von Organisationen.

Für Apple produziert Foxconn. Zu seinen Lebzeiten fand Steve Jobs die „Arbeitsbedingungen beim weltgrößten Elektronikhersteller Foxconn“ als „ziemlich nett“ bezeichnet, als durch eine Selbstmordserie der Arbeiter dort ein Fanal durch die Weltpresse ging. Foxconn selbst erhöhte die Löhne um etwa 30 %, doch an den Arbeitsbedingungen hat sich nichts Nennenswert geändert. Zudem wurde im Juni 2010 bekannt, dass Foxconn entweder alle oder einige der Werke in China schließen wolle, da man ausschließlich wegen der geringen Löhne nach China gegangen sei und dieser Standortvorteil im Falle der Umsetzung der angekündigten Lohnerhöhungen nun entfalle. Die taiwanische Firma Foxconn arbeitet vornehmlich auf dem chinesischen Festland und ist einer der größten Hersteller von Elektronik- und Computerteilen weltweit. Es produziert unter anderen auch für HP und Dell, ist Haupthersteller für Intel. Außerdem stellt es im Auftrag auch die Spielekonsolen Nintendo DS, Wii, Xbox 360 und die PlayStation her.

Aufgrund der „unethischen bis illegalen“ Arbeitsbedingungen war Foxconn 2011 für den Public Eye Award nominiert, mit welchem Konzerne ausgezeichnet werden, welche sich laut den Initianten besonders verantwortungslos gegenüber Mensch und Umwelt verhalten. Die von Greenpeace unterstütze Preisverleihung kam 2011 zu dem Schluss, dass der psychische und physische Druck auf junge chinesische Wanderarbeiter und Studentinnen weiter bestehe.

In einem Untersuchungsbericht von mehreren Universitäten aus Taiwan und China auf Basis von Gesprächen mit 1.800 Arbeitern bei Foxconn kamen die Wissenschaftler unter anderem zu dem Schluss, dass die Arbeiter bei Foxconn gezwungen werden, 80 bis 100 Überstunden pro Monat zu leisten (gesetzliche Grenze wäre bei 36) und eine erhebliche Zahl von Arbeitsunfällen nicht behandelt werde.
Apple soll für die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und eine Serie von tödlichen Arbeitsunfällen bei seinen Auftragsherstellern in China mitverantwortlich sein. Das berichtet die New York Times unter Berufung auf den früheren Foxconn-Manager Li Mingqi, der bis April 2011 bei dem Unternehmen tätig war. Li, der Foxconn wegen seiner Entlassung verklagt, war in der Leitung einer Foxconn-Fabrik in Chengdu, wo bei einer Explosion im Mai 2011 drei Menschen starben und 15 verletzt wurden. Auch ehemalige Apple-Manager haben sich entsprechend geäußert, so die Zeitung.

Li sagte: "Apple kümmerte sich um nichts anderes als die Erhöhung der Produktqualität und sinkende Herstellungskosten. Das Wohl der Arbeiter hat nichts mit ihren Interessen zu tun", sagte er. "Wir wissen seit über vier Jahren von missbräuchlichen Arbeitsbedingungen in einigen Fabriken, und sie laufen weiter", sagte ein ehemaliger Apple-Manager der New York Times, der wegen einer Vertraulichkeitsvereinbarung anonym bleiben wollte. "Warum? Weil sich dieses System für uns lohnt. Die Auftragshersteller würden schon morgen alles ändern, wenn Apple es ihnen sagen würde, dann hätten sie keine andere Wahl." Wenn die Produktqualität infrage gestellt sei, würde Apple dagegen sofort handeln, sagte der Manager. "Wäre die Hälfte der iPhones defekt, glauben sie, Apple würde das über vier Jahre laufen lassen?"

Die empfindlichste und verletzbarste, aber auch wertvollste Seite von Apple ist das Image, ist der Mythos von Apple. Das haben auch die Manager gespürt. Und deswegen ist Apple der Fair Labor Association gegen Kinderarbeit beigetreten. Außerdem wurde eine Zuliefererliste veröffentlicht. Weil viele Familienmitglieder von Angestellten bei Apple das gehört hatten, kamen die Mitarbeiter in Erklärungsnot. Niemand will sich für seine Firma schämen müssen. Niemand will gigantische Gewinne mit gigantischen Menschenrechtsverletzungen erzeugen. Der Druck bei Apple nahm und nimmt zu, die Dinge zu ändern. Aber die Veränderungen sind im Vergleich mit den Missständen noch im Mikrobereich.

Jetzt müssen die Kunden und iFans reagieren: Nachkauf eines Apple-Geräts deutlich aufschieben, Apples Verantwortung in Blogs, im Chat und auf Facebook mehr zum Thema machen, eine Liste in Facebook aufmachen „Wir kaufen ein Apple-Produkt, wenn Apple alle Missstände bei der Produktion seiner Geräte abgestellt hat“.
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/it/0,2828,815552,00.html
http://www.chip.de/news/Apple-Ausbeutung-bei-Foxconn-als-Standortvorteil_54010781.html
http://www.golem.de/1201/89340.html
http://www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/0,1518,698214,00.html
http://www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/firmen/firmenliste/apple
http://www.zdnet.de/news/41533231/foxconn-erwaegt-angeblich-abzug-aus-china.htm
http://news.flanders-china.be/research-report-describes-foxconn-as-%E2%80%9Clabor-camp%E2%80%9D
http://de.wikipedia.org/wiki/Foxconn


05.12.2011 17:56
Geschwindelte Nachhaltigkeit
Die Deutsche Bank zählt neben der Commerzbank, UniCredit/HVB und den Landesbanken WestLB und LBBW zu den weltweit sechs Banken, die am stärksten Milliardensummen in die klimaschädliche Kohle investieren. Auch die Allianz ist mit dabei. Dies geht aus der Studie „Bankrolling Climate Change“ hervor.

Kern der Studie ist ein Ranking von 93 Banken, die weltweit mit den größten Beträgen an der Finanzierung von Kohleprojekten beteiligt sind. Mit einem Kohleportfolio von 16,5 Milliarden Euro führt die US-Bank JP Morgan Chase das Ranking an. Die Deutsche Bank folgt mit einem Engagement von 11,5 Milliarden Euro an weltweit sechster Stelle. Betrachtet man nur das Engagement im Kohlebergbau, steht die Deutsche Bank weltweit sogar an zweiter Stelle. Insgesamt fallen in dem Ranking 20 deutsche Banken als Klimasünder auf.

Heffa Schücking von urgewald, Hauptautorin der Studie, sagt dazu: „Wir haben die Kohlefinanzierung untersucht, weil Kohlekraftwerke die größte Quelle für CO2-Emissionen sind, Erschreckenderweise zeigt unsere Untersuchung, dass sich die Kohlefinanzierung seit Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls fast verdoppelt hat, obwohl die katastrophalen Folgen des Klimawandels immer offensichtlicher werden“.

Mehr als peinlich und gar nicht gemeinwohlorientiert: die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau sowie zahlreiche Kreditinstitute aus dem Sparkassen- und Genossenschaftssektor gehören mit dazu.
Dem Nachhaltigkeitsschwindel auf der Spur: „Wir haben ganz bewusst die Investitionstätigkeit der Banken seit dem Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls im Jahr 2005 untersucht: Seitdem kann es keinerlei Entschuldigung mehr geben, noch weiter in Kohle zu investieren. Unsere Zahlen belegen, dass die Nachhaltigkeitserklärungen deutscher Banken zum Thema Klima nur heiße Luft sind“, sagte Schücking. So bezeichnet sich die Deutsche Bank als „Klimabotschafter“, die Unicredit/HVB „bekräftigt ihr Engagement zur Erreichung der im Kyoto-Protokoll erreichten Ziele“, und die Commerzbank schreibt auf ihrer Webpage: „Klimawandel erfordert entschlossenes Handeln.“

Besonders absurd erscheint das Geschäftsgebaren der KfW. Die staatliche Bank, die aus Klimaschutzgründen beispielsweise Solaranlagen oder Wärmedämmungen fördert, ist mit insgesamt rund 540 Millionen Euro im Kohlesektor engagiert. Dabei heißt es auf der Webpage der KfW: „Dem Klimawandel nichts entgegenzusetzen und weiterzumachen wie bisher (...) würde fundamental gegen Menschheitsinteressen verstoßen. Nur grundlegendes, schnelles und gemeinsames Umsteuern kann die schlimmsten Folgen verhindern.“

Die KfW und andere staatliche Förderbanken verteidigen ihr Engagement im Kohlesektor häufig mit der Begründung, sie investierten in Kraftwerke mit besonders hohem Wirkungsgrad. Unterschlagen wird dabei jedoch, dass es sich häufig um gigantisch dimensionierte Kraftwerke handelt und dass selbst das modernste Kohlekraftwerk in seinem Lebenszyklus Hunderte Millionen Tonnen CO2 freisetzt. So wird allein das von der KfW unterstützte 4.800 MW Kohlekraftwerk Kusile in Südafrika, den CO2 Ausstoß des südafrikanischen Energiesektors um fast 13 Prozent steigern.

Mit der Studie liegt erstmals eine umfassende Untersuchung darüber vor, wie international führende Banken zum Klimaproblem beitragen. „Nun können sich die Banken nicht mehr hinter schönen Klimaworten verstecken, sondern ihre Kohle-Portfolios sind erstmals vergleichbar“, so Schücking. Die Studie wurde gemeinsam von der deutschen NGO urgewald, den beiden NGOs groundWork und Earthlife Africa aus Südafrika und dem internationalen NGO-Netzwerk BankTrack mit Sitz in Nijmegen veröffentlicht.

Mit der Studie wollen die Organisationen nun Druck auf die Banken ausüben. „Pläne für neue Kohlekraftwerke und Kohleminen treffen weltweit auf entschlossenen Widerstand. Dieser Widerstand richtet sich zunehmend auch gegen Banken. Wer also neue Kohlekraftwerke finanziert, holt sich den Protest vor die eigene Bankzentrale“, erläutert Mona Bricke von der Anti-Kohlekampagne der klima-allianz deutschland, einem Netzwerk von mehr als 110 deutschen Verbänden, Kirchen und NGOs. „Wenn Banken verantwortliche Klimaakteure werden wollen, müssen sie aufhören, Kohle zu finanzieren und ihr Portfolio hin zu Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz ändern“, so Bricke.
http://urgewald.org/sites/default/files/media/_pages/bankrollingcchintergrund.pdf

14.11.2011 00:47
BP: Ein korrupter, krimineller, skrupelloser Akteur?

Der Ölkonzern BP (Marken Aral und Castrol) zieht über die Erde und beutet alles aus, was sich ausbeuten lässt. Boden, Wasser, Luft und - Gesellschaften. Er kennt keine Grenzen. Und wo welche sind, werden Betrug, Korruption, Lügen und Extremlobbyismus eingesetzt, um sie zu überwinden. Nicht nur moralfrei, sondern moralfeindlich wird hier gewirtschaftet, skrupellos.

Das sind Erkenntnisse, die sich im Anschluss einer aufwändigen und umfassenden Dokumentation aufdrängen. Die Dokumentation des Journalisten Greg Palast betrifft zwei Jahrzehnte Recherche bis in die Gegenwart, bis in die Zeit nach der Explosion der Öhlplattform "Deepwater Horizon" vor Mexiko. Alle Maßnahmen und Versprechen, solchem Treiben Einhalt zu gebieten, sind bereits wieder aufgehoben und der BP-Konzern geht vor, wie zuvor und wie es ihm beliebt.

Bereits ein Jahr nach der Explosion der Ölbohrplattform erklärte BP: "Das meiste Öl sei verschwunden. Die Gefahr sei gebannt. Doch die Realität sieht anders aus".
So der Greg Palast. Und die Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko war und ist nicht die einzige ist, für die BP die Verantwortung trägt. BP sorgt permanent für Umwelt- und Sozialkatastropen weltweit, die auch politische Missstände zur Voraussetzung und zur Folge haben.

Doch sehen Sie selbst: http://www.youtube.com/watch?v=tgtoIZi6Pjw

Ein krasser unfairer Weltakteur bei der Arbeit. In Deutschland ist das Unternehmen mit den Marken Aral, BP und Castrol vertreten.

Und er ist das größte Unternehmen, das in der Nordsee und Anrainerstaaten die Ölproduktion betreibt und weiter vorantreibt: http://www.deutschebp.de/genericarticle.do?categoryId=2010149&contentId=7071813

Erdölsuche und Erdölförderung haben auch ein grundsätzliches Problem: "Im Dezember 2009 wurde der Öffentlichkeit bekannt, dass bei der Erdöl- und Erdgasförderung jährlich Millionen Tonnen radioaktiv verseuchter Rückstände anfallen, für dessen Entsorgung größtenteils der Nachweis fehlt.[10] Im Rahmen der Förderung an die Erdoberfläche gepumpte Schlämme und Abwässer enthalten NORM-Stoffe (Naturally occurring radioactive material), u. a. das hochgiftige und extrem langlebige Radium 226 sowie Polonium 210. Die spezifische Aktivität der Abfälle beträgt zwischen 0,1 und 15.000 Becquerel (Bq) pro Gramm. In Deutschland, wo etwa 1000 bis 2000 Tonnen Trockenmasse im Jahr anfallen, ist das Material laut der Strahlenschutzverordnung von 2001 bereits ab einem Bq pro Gramm überwachungsbedürftig und müsste gesondert entsorgt werden. Die Umsetzung dieser Verordnung wurde der Eigenverantwortung der Industrie überlassen, wodurch die Abfälle letztlich über Jahrzehnte hinweg sorglos und unsachgemäß beseitigt wurden. Es sind Fälle dokumentiert, in welchen Abfälle mit durchschnittlich 40 Bq/g ohne jede Kennzeichnung auf einem Betriebsgelände gelagert wurden und auch nicht für den Transport besonders gekennzeichnet werden sollten.[11]

In Ländern mit größeren geförderten Mengen von Öl oder Gas entstehen deutlich mehr Abfälle als in Deutschland, jedoch existiert in keinem Land eine unabhängige, kontinuierliche und lückenlose Erfassung und Überwachung der kontaminierten Rückstände aus der Öl- und Gasproduktion. Die Industrie geht mit dem Material unterschiedlich um: In Kasachstan sind weite Landstriche durch diese Abfälle verseucht, in Großbritannien werden die radioaktiven Rückstände in die Nordsee geleitet.[10][11] In den Vereinigten Staaten gibt es in fast allen Bundesstaaten aufgrund der radioaktiven Altlasten aus der Erdölförderung zunehmend Probleme. In Martha, einer Gemeinde in Kentucky, hat das Unternehmen Ashland Inc. tausende kontaminierte Förderrohre an Farmer, Kindergärten und Schulen verkauft, ohne diese über die Kontamination zu informieren. Es wurden bis zu 1100 Mikroröntgen pro Stunde gemessen, so dass die Grundschule und einige Wohnhäuser nach Entdeckung der Strahlung sofort geräumt werden mussten.[12]"
http://de.wikipedia.org/wiki/Erd%C3%B6l#Radioaktiver_Abfall


01.09.2011 12:46
Der Deutsche Fairness Preis 2011 geht an Thomas Jorberg von der GLS-Bank
Thomas Jorberg, Vorstandssprecher der GLS Bank, erhält den diesjährigen Deutschen Fairness Preis. Das gab die Fairness-Stiftung in Frankfurt am Main bekannt. Das Kuratorium der Fairness-Stiftung hat ihm den Preis wegen seiner Verdienste um die faire Führung der GLS Bank gegenüber den Kunden, den Mitgliedern, den Mitarbeitern, der Umwelt und der Gesellschaft zugesprochen.

Thomas Jorberg ist nach Bankausbildung und Tätigkeit bei der GLS Bank und einer Volksbank sowie nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Abschluss "Diplom-Ökonom" seit 1986 bei der GLS Bank tätig. Seit 1993 ist er deren Vorstandsmitglied und seit 2003 deren Vorstandssprecher. Seit 2005 ist er zudem Aufsichtsratsvorsitzender der Elektrizitätswerke Schönau Verwaltungs GmbH sowie seit 2009 Aufsichtsratsmitglied der Hannoverschen Kassen. Jorberg ist Gründungsmitglied und gehört zum Steering Committee der 2009 ins Leben gerufenen G.A.B.V. (Global Alliance for Banking on Values), einem internationalen Bündnis sozial-ökologisch orientierter Banken für Nachhaltigkeit im Finanzmarkt.

"Gerade angesichts der Turbulenzen und der Verwerfungen im Finanzmarkt, in dem die meisten Akteure wenig Lernfortschritt erkennen lassen, ist diese Preisvergabe auch ein politisches Signal", sagt Norbert Copray, Direktor der Fairness-Stiftung. Es sei immer noch ungewöhnlich, dass eine Bank in allen Geschäftsfeldern für Fairness engagiert ist. Und dass dies durch den Vorstandssprecher repräsentiert und engagiert betrieben wird, was auch zum Erfolg der Bank beitrage, sei beispielgebend für die ganze Branche.

Der Deutsche Fairness Preis wird alljährlich von der Fairness-Stiftung vergeben. Er würdigt besonders den Einsatz für Fairness in Wirtschaft und Gesellschaft. Bisherige Preisträger sind unter anderen Prof. Dr. Horst-Eberhard Richter, Anton Wolfgang Graf von Faber-Castell, die Unternehmerfamilie Leibinger (Trumpf Group) und Günther Cramer (SMA Technology AG). Thomas Jorberg wird der Preis am 29.10. im Rahmen eines Festaktes in Frankfurt überreicht. Die Laudatio hält Gabriele Fischer, Verlegerin und Chefredakteurin der Zeitschrift brand eins.

www.gls-bank.de

www.brandeins.de

08.02.2011 11:02
Wirklich kein faires Geschäft
Fair ist gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Von Anfang an. Das ist die Forderung sozialkritischer Menschen. Aber nicht nur. Das ist auch eine der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation, kurz ILO genannt. Da heißt es im Abkommen 100 vom 23. Mai 1953 in Art. 1b: „Der Ausdruck „Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit" bezieht sich auf Entgeltsätze, die ohne Rücksicht auf den Unterschied des Geschlechts festgesetzt sind“. So formuliert vor über 55 Jahren. Auch diesem Abkommen ist die Bundesrepublik Deutschland mit seiner Wiederaufnahme in die ILO 1951 beigetreten. Und nach mehr als 55 Jahren gibt es hinsichtlich Männern und Frauen immer noch nicht flächendeckend gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Die Entlohnung von Männern und Frauen liegt im Schnitt zwischen 10 und 30 % zu Lasten der Frauen.

Doch seit 15 Jahren wurde selbst diese Situation durch die Leih- und Zeitarbeit übertroffen. Häufig verdienen Leih- und Zeitarbeiter nur halb so viel oder etwas mehr als halb so viel wie die Mitarbeiter der Stammbelegschaft. 15 % weniger Geld als die Stammmitarbeiter bei gleicher Arbeit ist die Regel. Und das, obwohl die Zeitarbeiter, wie der Begriff schon sagt, ein deutlich höheres Risiko tragen. Weniger als die Hälfte von ihnen arbeitet länger als 6 Monate, viele nur 3 Monate am selben Arbeitsplatz. Lange Anfahrten sind die Regel. Mobilität und Flexibilität sind extrem ausgeprägte Anforderungen.

Das Geschäft mit der Leiharbeit ist für die Zeitarbeitsfirmen lukrativ. Denn sie verdienen ordentlich, zumal, wenn größere Kontingente von Leiharbeitern vermittelt werden. Die Firmen wiederum können mit der Zeitarbeit die Löhne der Stammbelegschaft drücken oder mit deren angedrohter Ausweitung Zugeständnisse der Stammmitarbeiter erpressen.

Die Wirtschaftsredakteurin der Frankfurter Rundschau, Eva Roth, schreibt richtigerweise: „Die Arbeitgeberverbände warnen eindringlich vor einer Equal-Pay-Regelung. Dadurch würden Leiharbeiter teurer als Festangestellte, weil die Zeitarbeitsfirma ja auch was verdienen will, lautet ein Argument. Das stimmt. Doch zurzeit liegt die doppelte Last bei den Beschäftigten: Sie erhalten weniger Geld und haben einen unsicheren Job. Die Unternehmen haben dagegen den doppelten Vorteil: billige Arbeitskräfte und Flexibilität. Das ist kein faires Geschäft.“

Wirklich kein faires Geschäft! SEPP58 kommentiert dazu aus eigener Erfahrung: „Bei Tarifverhandlungen werden Leiharbeiter als Druckmittel eingesetzt! (…) Unter jedem Leiharbeitstarifvertrag, der Equal pay verhindert, stehen die Namen der Gewerkschaften VERDI, IGM usw.. Sie, die Gewerkschaften, haben aus Rücksicht auf die SPD die Leiharbeitnehmer den Seelenverkäufern zum Fraß vorgeworfen“.

Ein fairer Vertrag sieht anders aus. Der verteilt Vor- und Nachteile ausgewogen auf die Vertragspartner, um gemeinsam Vorteile für beide gleichermaßen zu sichern. Den Unternehmen die Flexibilität und Mobilität der Leiharbeiter, den Stammmitarbeitern die Unterstützung durch Zeitarbeiter in Spitzenzeiten der Auftragslage, den Leiharbeitern die Beschäftigung zu menschenwürdigem und gleichem Lohn jenseits der Arbeitslosigkeit und der Sozialbedürftigkeit, den Zeitarbeitsfirmen Verdienste aus Vermittlungs- und Betreuungsarbeit. Wer hier einen der Partner übervorteilt, sägt nicht nur an der Sozialpartnerschaft, sondern auch am inneren Frieden. Zur sozialen Gerechtigkeit gehört gleicher Lohn für gleiche Arbeit – gleich.
http://www.ilo.org/ilolex/german/docs/gc100.htm http://www.fr-online.de/politik/meinung/kein-faires-geschaeft/-/1472602/7165140/-/index.html


05.10.2010 15:20
Warum Arbeitnehmer im Herbst krank sein wollen
1,7 Millionen Arbeitnehmer erwägen, sich im Herbst 2010 krank schreiben zu lassen. Etliche von ihnen wollen so auf Unfairness reagieren und ihren Unmut abreagieren. Andere rechnen mit psychischen Problemen oder haben sie schon und wollen durch Krankschreibung einer Erholungs- und Karenzphase erreichen. Und schließlich will ein beträchtlicher Teil der Arbeitsnehmer auf diese Weise Konflikten aus dem Wege gehen, die sich vor allem mit Blick auf das Jahresende zuspitzen und schlecht auszuhalten sind. Das sind Erkenntnisse einer repräsentativen Studie von tns emnid. Experten bewerten die Aussagen als erschütternd.

Erschütternd ist jedoch: Die Arbeitnehmer dokumentieren in der Umfrage, wie schlecht es um das Betriebsklima und die Fairness-Qualität in den Unternehmen steht. Denn mit der beabsichtigten Krankschreibung reagieren sie auf Unfairness, schlechte Arbeitsbedingungen, psychisch unerträgliche Belastung und Konflikte. Das zeigt
1. vielen Mitarbeitern fehlt es an Mut, Kompetenz und Übung, selbst für die Änderung der Umstände einzutreten, in denen sie arbeiten. Krankschreibung ist Ausdruck von empfundener Ohnmacht, die als letztes Mittel der Machtausübung und des Machtausgleichs eingesetzt wird.
2. vielen Unternehmen fehlt es an Kompetenz und Ernsthaftigkeit, für faire und zuträgliche Arbeitsplätze zu sorgen. Sie investieren in Technik, in Prozesse, in Innovationen, in Werbung, aber nur wenig in ihre eigene Kompetenz, Konflikte am Arbeitsplatz fair und motivierend zu bewältigen, Belastungen auszugleichen und Mitarbeiter fairnesskompetener zu machen.

Solche Verbesserungen sind auch nicht mal eben im Vorübergehen zu erreichen oder mit der Ernennung eines Antimobbingbeauftragten. Vielmehr braucht es entschiedenen, klaren und dauerhaften Willen der oberen Führungsebene, um unter Einbezug ihrer selbst mehr Fairness-Kompetenz in das Unternehmen zu bringen. Wie man sieht, spart das Kosten, Demotivation und Ansehensverluste. In einem fairen Unternehmen mit fairer Führungs- und Mitarbeiterkultur gibt es im Herbst keine Krankheitsplanung der Mitarbeiter.


12.08.2010 11:49
Wenn Arbeit krank macht
Dauerdruck, Hektik und geringe Ressourcen: Deutsche Arbeitnehmer reagieren mit psychischen Beschwerden und Erkrankungen auf den kaum noch zu bewältigenden Stress in den Unternehmen. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes betrugen die Krankheitskosten durch psychische und Verhaltensstörungen im Jahr 2008 knapp 28,7 Milliarden Euro. Für gut die Hälfte dieser Kosten waren nur zwei Diagnosen verantwortlich: 9,4 Milliarden Euro wurden für Demenzerkrankungen und 5,2 Milliarden Euro für Depressionen ausgegeben. Vor allem für die Behandlung von Frauen fiel ein Großteil der Kosten an, da Frauen häufiger als Männer unter einer dieser beiden Erkrankungen leiden.

Die Ergebnisse der Krankheitskostenrechnung des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass die Kosten durch psychische Erkrankungen von 2002 bis 2008 besonders stark gestiegen sind: Bei den Behandlungskosten von Frauen machte sich eine Plus von rund drei Milliarden Euro bemerkbar, bei Männern ein Plus von zwei Milliarden. Das entspricht einem Zuwachs von 20 beziehungsweise 26 Prozent. Insgesamt sind die Krankheitskosten seit 2002 um 16 Prozent gestiegen.

Deutschlands Arbeitnehmer nehmen immer mehr Antidepressiva ein. So eine Sonderauswertung des TK-Gesundheitsreports. Demnach hat sich das Volumen der verschriebenen Antidepressiva unter Deutschlands Beschäftigten in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Statistisch erhielt 2009 jeder Berufstätige durchschnittlich für acht Tage Medikamente zur Behandlung von Depressionen. Das bedeutet einen Anstieg von 113 Prozent im Vergleich zum Jahr 2000.

Seelische Erkrankungen bedeuten längere Fehlzeiten als bei physischen Erkrankungen. Und für die Firmen kommt es dadurch zu 4,1 Milliarden Euro Kosten bzw. nicht realisierten Umsätzen. Doch das scheint kein Grund für die Unternehmen zu sein, für gesundheitsförderliche und damit faire Arbeitsumstände zu sorgen. Viele haben den Zusammenhang zwischen psychischen Arbeitsbedingungen, Leistungsfähigkeit und psychischen Beeinträchtigungen auch noch nicht erkannt. Krankenkassen versuchen mit Gesundheitsförderung dem Trend entgegen zu wirken. Mit geringem Erfolg. An der extremen Arbeitsverdichtung, hohen Beschleunigung und unmittelbaren Dauerverfügbarkeit hat sich nichts geändert. Die Firmenleitungen müssten erkennen, dass sie mit einer gesundheitsförderlichen Arbeitskultur nicht nur an Fairness-Qualität, sondern auch an Performance gewinnen. Aber dafür wird nur selten und wenig Geld in die Hand genommen.

Und dann soll die nächste „Gesundheitsreform“ der schwarz-gelben Regierung auch noch die Unternehmen aus der weiteren Zunahme von Krankenkassenkosten entlassen und sie einseitig den Versicherten aufbürden. Als würden Arbeitsumstände, ehrgeizige Ziele und eine verbesserungsbedürftige Führungs- und Unternehmenskultur nicht selbst zu steigenden Krankheitskosten beitragen.


02.06.2010 11:51
Unfairness im Bekleidungshandel
Ist Textildiscounthändler KiK unfair, sogar krass unfair? Eine Sendung von Panorama (ARD/NDR) zeigte unlängst "Innenansichten" einer Billigkette, die wie kaum ein anderes Unternehmen expandiert. In mehr als 2.800 Ladengeschäften werden Klamotten zu Schleuderpreisen angeboten. Für 30 € kann man sich komplett einkleiden. Der Film zeigte, wie die Billigpreise zustande kommen - und wie Menschen dafür teuer bezahlen müssen. Das gilt für die Verkäuferinnen, Regalräumer und Putzleute hierzulande, das gilt für Näherinnen und Näher in Bangladesh. In einer ausführlichen Studie hat die Aktion Saubere Kleidung die Einzelheiten untersucht und dokumentiert, die auch in den Film eingegangen sind.

Im Blog zum Film schreibt Gudrun:
„Ich bin erschüttert. Ich arbeite seit fast 2 Jahren bei Tedi, die Arbeitsbedingungen sind fast das gleiche. Ich habe 4,91 € netto und Herr Heinig ist nun auch bei uns der Chef. Ich bin auch dafür das die Missstände aufgedeckt werden müssen, und bin auch bereit da mitzuwirken. Mein Vertrag läuft in Kürze aus, ich werde Ihn nicht verlängern! Durch die ganze Zustände und Machschaften komme ich nicht mehr zur Ruhe. Kaum eine Nacht kann ich mal durchschlafen. Das ganze Unternehmen besteht nur aus Lügen und Intrigen.“

Stefan Heinig ist zusammen mit Familie Haub (Tengelmann Group) Gesellschafter der HH Holding, die wiederum KiK und andere Geschäfte betreibt. Unter dieses Dach wurden jetzt auch die Woolworth-Geschäfte geholt und werden vermutlich im Laufe der Zeit mit KiK verschmolzen.

Stefan Heinig sieht die Vorwürfe und Kritik als haltlos an und verteidigt die niedrigen Löhne bei KiK: http://www.welt.de/wirtschaft/article3425870/Der-KiK-Chef-sagt-warum-weniger-Lohn-besser-ist.html.
Auf die Idee, seinen Mitarbeitern Gehälter zu zahlen, die ihnen ein menschenwürdiges Dasein durch eigene Arbeit ermöglichen, scheint er nicht zu kommen. Die Schuld liegt beim Staat, der Steuern und Abgaben benötigt, nicht beim Unternehmen, das mit der Arbeit anderer Geld verdient.

Gleichzeitig sponsert KiK mit Milliarden Fußballvereine (Arminia Bielefeld 2002-2004; Werder Bremen 2005/06; Hansa Rostock 2007/08 sowie zeitgleich VfL Bochum), die Handball-Nationalmannschaft 2009, die österreichischen Fußballschiedsrichter, den Boxsport und den Eishockeyclub EHC Dortmund mit Millionensummen. Könnten stattdessen nicht Mitarbeiterinnen hierzulande und Näherinnen in Bangladesh besser bezahlt werden? Und auch Werbe-Ikone Verono Pooth kostet Millionen Euro.
http://www3.ndr.de/sendungen/panorama_die_reporter/panorama430.html
http://panorama.blog.ndr.de/2010/04/07/die-kik-methoden/
http://www.saubere-kleidung.de/
http://www.saubere-kleidung.de/downloads/publikationen/2008-01_Brosch-Lidl-KiK_de.pdf

Stefan Heinig von KiK bestreit die Kritik. Besser wäre es, er macht KiK transparenter und die Unternehmenskultur fairer. Und die Käufer und Käuferinnen werden kritischer, was die niedrigen Preise auf Kosten von Menschen angeht. Von vierzig Stunden Arbeit muss ein Mensch leben können; Teilzeitarbeit braucht eine analoge Gehaltsstruktur. Niemand würde leiden müssen, wenn man sich erst ab 50 € komplett neu einkleiden könnte.

27.04.2010 12:40
Unsinn über Soft Skills
Soft Skills hätten keinen positiven Effekt auf den Start am Arbeitsmarkt. Verbreitet die FAZ vom 24.4.2010 auf Seite C4. Dabei stützt sich die Autorin Anne Theiss auf eine Diplomarbeit, diedie Diplomsozialwissenschaftlerin Judith Offerhaus zum Abschluss ihres Studiums an der LMU München eingereicht und wofür diese den Preis der „Gesellschaft für Hochschulforschung“ bekommen hat. Zeitungsbeitrag und die Schlussfolgerung der Diplomantin aus ihrer Umfrage lassen tief blicken. Sie wirken wie die Erfüllung bestellter Erkenntnis von interessierter Seite.

Judith Offerhaus hatte festgestellt, dass Hochschulabsolventen, die ein höheres Niveau an Schlüsselqualifikationen z.B. durch entsprechende Trainings, Seminare und Praktika aufwiesen, keinen günstigeren Start am Arbeitsmarkt hatten. Und zwar unabhängig vom Fach. Daraus folgert Offerhaus kurzschlüssig und überheblich: „Die allgemeine Rhetorik geht dahin, die Schlüsselqualifikationen über alles zu loben. Ich halte diese aufgeblähte Diskussion für wenig zielführend“. Richtigerweise stellt sie allerdings fest, dass man Soft Skills am besten nach dem Prinzip „learning by donig“ erwirbt und nicht anhand von Alltagspraxis abgekoppelter Seminare.

Richtigerweise bedeutet das Ergebnis von Offerhaus: Firmen und Manager, die Mitarbeiter einstellen, messen den Soft Skills nach wie vor eine geringe Bedeutung bei. Sie haben noch nicht begriffen, dass ohne Kooperations-, Team-, Kommunikations- und Fairness-Kompetenz eine noch so ausgezeichnete Fachkompetenz nicht wirklich ihr Potenzial entfalten wird, auch wenn der Augenschein das vortäuscht. Das zeigt sich auch bei Beförderungen: Passgenaue Soft Skills-Praxis und eine exzellente Führungsqualität von Mitarbeitern zählen nach wie vor weniger als Erfolge, die sich in Zahlen, Umsätzen und Renditen ausdrücken lassen. Das Ergebnis: In der Kundenorientierung hängt Deutschland meilenweit hinter Japan hinter her. Bei den Innovationen sind die Ergebnisse mäßig, dafür die Marketingausgaben erheblich. Die Kooperationsdichte und die Fairnessqualität ist in den Firmen nur sehr spärlich ausgeprägt und daher die Motivation der Mitarbeiter niedriger als in anderen Gesellschaften.

Schlüsselqualifikationen erwirbt man am besten durch vertiefte Reflexion von Erfahrungen im Umgang mit Kollegen, Kunden, Lieferanten, Partnern und Dienstleistern. Dazu braucht es jedoch Wissensimpulse, sonst köchelt man im eigenen Saft. Dazu braucht es Provokationen, sonst bleibt man in seiner Komfortzone und bei einem sehr selbstzufriedenen Selbstbild. Dazu braucht es Training und Übung, sonst ist jeder Versuch, seine Soft Skills auszubauen, eine Operation am offenen Herzen. Das gelingt im Coaching, im Training, im Workshop. Also: „learning by doing“, aber nicht: das lernt sich nebenher von selbst. Der Überzeugung sind etliche Führungskräfte; mitunter zum Entsetzen der Mitarbeiter. Niemand sollte sich durch das Fazit von Offerhaus abschrecken lassen, so früh und so kontinuierlich wie möglich Schlüsselqualifikationen fundiert zu entwickeln. Wenn es die anstellenden Rekruting-Manager der Unternehmen den Bewerbern nicht hoch anrechnen, werden es spätere Mitarbeiter auf jeden Fall danken, wenn jemand eine Führungsposition erreicht oder hat.

04.02.2010 15:12
Wo Fairness keine Chance hat
Macht Macht heuchlerisch? Das jedenfalls belegen Beobachtungen, Analysen und Experimente in der Wirtschaftsforschung, auf die sich Adam Galinsky, Ökonomie-Professor an der Kolleg School of Management der Northwestern-Universität in Evanston/Illinois bezieht. Seine These: Wer das Gefühl hat, seine Machtposition zu Recht innezuhaben, neigt eher zum Heucheln. So fordern beispielsweise Manager für ihren Mitarbeitern in Krisenzeiten Gehaltskürzungen, bestehen aber selbst trotz Krise auf Boniauszahlungen in voller Höhe. Je mehr Macht Menschen haben und spüren, desto stärker fühlen sie sich im Recht, ohne Rücksicht auf moralische Standards eigene Bedürfnisse auszuleben.

Der Ex-Präsident des Schweizer Art Directors Club und heutige Bestsellerautor Martin Suter sieht im Wohlergehen eines Unternehmens nur das Abfallprodukt des Karrierestrebens von Managern. Die Fixierung auf den Shareholder Value hat Manager auf reine Kostenreduktion geprägt, denn damit sind Erträge am leichtesten zu steigern. Und Kostenreduktion heißt, Mitarbeiter entlasten, Ressourcen verknappen, Arbeit verdichten. So sind laut Suter Leute in Führungspositionen gekommen und reich geworden ohne jegliche soziale Kompetenz. Spezialisten der Geldvermehrung, die den sozialen, menschlichen und kulturellen Anforderungen nicht wirklich gewachsen scheinen.

Wenn Manager macht- und geldfixiert sind, ist für Fairness kein Platz. Denn alles andere wird dem eigenen Machterhalt, der eigenen Bedürfnisverwirklichung und der eigenen Geldvermehrung mit kostenreduzierender Renditesteigerung untergeordnet. In solchen Kontexten verkommt Fairness zur reinen Marketingmasche, wenn sie überhaupt Erwähnung findet. Was meist nicht der Fall ist.

11.01.2010 14:59
Wenn Transparenz Fairness ist
Transparenz ist in Zeiten der Wirtschaftskrise für die meisten Arbeitnehmer entscheidend. Diese erwarten über 66 Prozent von 1.000 Befragten von ihrer Führung. Vor allem die nicht leitenden Angestellten erwarten zu über 71 Prozent von ihrer Führungskräften vordringlich Transparenz.

An zweiter Stelle steht für die Mitarbeiter, bei der Suche von Problemlösungen einbezogen zu werden. Über 55 Prozent der befragten Arbeitnehmer halten dies für besonders wichtig. Weil Facharbeiter sehr skeptisch, was ihre Zukunftsaussichten betrifft, erwarten sie, dass das Führungspersonal frühzeitig und klar notwendigen Personalabbau kommuniziert.

Immerhin ein Drittel (32,8%) votieren dafür, dass ihr Chef in schwierigen Zeiten selbst durch Mehrarbeit oder Lohnverzicht mit gutem Beispiel vorangeht. Vergleichsweise wenig punkten Vorgesetzte dagegen mit Ruhe und Gelassenheit (18,7%), persönlicher Zuwendung (17,8%) sowie Lob oder Durchhalteparolen (13,2%).

Die aktuelle repräsentative Umfrage von Rundstedt HR Partners GmbH zeigt, dass in schwierigen Zeiten unter Fairness vor allem Transparenz verstanden wird. Und dass sie den Mitarbeitern wichtiger ist als alles andere. Denn nur sie versetzt sie in die Lage, emotional und strategisch rechtzeitig für sich zu sorgen beziehungsweise sich mit Vorschlägen und Leistungen einzubringen. Wenn alles andere dem untergeordnet wird – wie beispielsweise Gelassenheit, Zuwendung, Lob – dann gilt: Transparenz wird als Fairness angesehen. Das Gegenteil wie Taktieren, Undurchsichtigkeit und Beschwichtigungen gelten als unfair und zermürben, was in kritischen Zeiten besonders wichtig ist: Vertrauen und Motivation.

13.11.2009 10:44
Mit Fairness nach vorn
Ein höheres Leistungsniveau entwickelt sich, wo Führungskräfte ihren Mitarbeitern Fairness und Vertrauen entgegenbringen. Das ist ein Ergebnis der Experimente von Armin Falk, Professor an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn. Er widerlegte mit einem einfachen Rollenspiel diejenigen, die unterstellen, dass man Engagement am besten erzwingt, indem man den Mitarbeiter nur streng genug kontrolliert.
Dabei wurden zwei Vergleichsgruppen mit Chefs und Mitarbeitern eingesetzt. In der ersten Gruppe legte der Chef einen Lohn fest und stellte es seinen Mitarbeitern frei, wie viel sie dafür arbeiten. In der zweiten Gruppe gab es für die Entlohnung detaillierte Arbeitsvorgaben und rigide Anwesenheitsbestimmungen. Am Ende des Experiments war das Leistungsniveau bei den Mitarbeitern höher, die Mitarbeiter nicht eingeschränkt wurden. Die befragten Mitarbeiter gaben an, dass sie die Einschränkung als Misstrauen empfanden und darauf mit Leistungszurückhaltung reagierten.

Armin Falk geht jedoch nicht davon aus, dass sich diese Erkenntnis bei Managern schnell durchsetzt. Gegenüber spiegel online sagte Falk: "Es kling paradox, aber das Experiment liefert sowohl den liberalen als auch den kontrollorientierten Managern eine absolut einleuchtende Erklärung dafür, ihren Führungsstil beizubehalten". Denn die liberalen Manager registrieren eine höhere Motivation, weil ihre Mitarbeiter das ihnen entgegengebrachte Vertrauen rechtfertigen wollten. Die autoritären Manager allerdings sehen sich in ihrem Misstrauen bestätigt, weil die Mitarbeiter auf Vorgaben mit Leistungsreduktion reagierten. Falk: "Auf Grund der persönlichen Erfahrungen wird deshalb jeder seinen Führungsstil beibehalten. Die Wenigsten dagegen werden sich auf ein neues, für sie unbekanntes Terrain begeben."

Das ist der entscheidende Punkt. Die Forschung kann helfen zu erkennen , dass sich Fairness und Vertrauen für das Unternehmen auszahlen. Mitarbeiter mit Respekt zu behandeln, ist nicht nur moralisch wünschbar, sondern ökonomisch sinnvoll. Aber damit sich in dieser Perspektive Führungshandeln entwickelt, bedarf es der Unterstützung der Manager, um Unsicherheiten mit ungewohnten Vorgehensweisen und mit eigenen inneren Kontrollbedürfnissen zu bewältigen. Außerdem bringt es nichts, Fairness und Vertrauen in naiver Form zu praktizieren, um sich dann im Nachhinein selbst das Scheitern damit zu bestätigen und zum stark kontrollierenden Führungsstil zurück zu kehren. Fairnesskompetenz als Führungskompetenz ist indessen lernbar und kann der Ausgangspunkt für Leistungsverbesserung, gutes Betriebsklima und demzufolge reibungslosere Kooperation sein.
http://www.fairness-stiftung.de/Fairnesskompetenz.htm


16.10.2009 13:12
Fairness heißt: Zweite Chance
Ist juristische Härte fair? Pfandbons von 1,30 €, eine Frikadelle nebst zwei Brötchenhälften und jetzt sechs Maultaschen: Unternehmen und Gerichte machen von sich reden, weil sie einfach Beschäftigten kündigen oder Kündigungen bestätigen, wenn mit geringfügigen Sachen vermeintlich betrügerisch umgegangen wurde.

Jetzt wurde einer 58-jährige Konstanzer Altenpflegerin vom Arbeitsgericht bestätigt, dass sie zu Recht gekündigt worden sei – nach 17 Jahren Betriebszugehörigkeit. Es handelte sich um Essensreste, von denen sich die Mitarbeiterin etwas mitgenommen hatte, die sonst vorschriftsmäßig im Müll gelandet wären. Die städtische Konstanzer Spitalstiftung betrachtet die Mitnahme der Maultaschen als Diebstahl. Das Vertrauensverhältnis sei zerstört, eine Weiterbeschäftigung nicht möglich, heißt es seitens des Arbeitsgebers. Das Gericht argumentierte, die Klägerin habe gegen eine ausdrückliche Anweisung des Arbeitgebers verstoßen. Der habe untersagt, sich vom Essen der Heimbewohner zu bedienen. Reste müssten in die Küche zurückgehen. Für das Personal werde täglich eine Extra-Verpflegung zum Preis von 3,35 Euro angeboten. Eine Abmahnung kam für die Spitalstiftung nicht in Frage. Sie hatte allerdings der Pflegerin eine Abfindung von 25 000 Euro angeboten, wenn sie die Kündigung akzeptiert. Das lehnte die Frau jedoch ab. Sie wollte ihren Teilzeitjob behalten.

Gewerkschaftsvertreter vermuten, dass man aus anderen Gründen die Frau auf jeden Fall loswerden wolle und daher keinen anderen Weg gewählt hat.

Tatsächlich sind dieser und ähnliche Fälle auffällig, weil es jenseits der Kündigung offenbar keinen anderen Weg gibt, mit einem Vertrauensbruch umzugehen. Doch wer viele Jahre in einem Unternehmen gearbeitet hat, muss in jedem Fall mindestens eine vertrauenswürdige Person gewesen sein, sonst hätte man nicht jahrelang miteinander gearbeitet. Und wenn in einem Vertrauensverhältnis ein Fehlverhalten passiert, dann gehört es zur Fairness, den Schaden im Vertrauensverhältnis zu reparieren und nicht gleich das ganze Verhältnis für gescheitert zu erklären. Das machen Menschen in der Regel auch nicht in Partnerschaften oder Geschäftsleute in langfristigen Geschäftsbeziehungen.

Was die Arbeitnehmer getan haben, liegt im Bagatellbereich und wird zu einem Elefanten im Vertrauensladen aufgeblasen. Hier geht es also darum, Exempel zu statuieren, Recht vor Vertrauen und Fairness walten zu lassen. Denn einem Arbeitgeber steht es sehr gut zu Gesicht, wenn er nach einem langen Beschäftigungsverhältnis im Fall eines Vertrauensbruchs das Gespräch sucht, dem Mitarbeiter Regeln und nächste Schritte zur erneuten Vertrauensbildung und damit ihm Orientierung und eine zweite Chance gibt. Jeder und jede hat eine zweite Chance verdient. Existenzgefährdende Konsequenzen sind nicht fair, wenn es nicht eine zweite Chance zur Heilung des Vertrauensbruchs und zur Bewährung gibt.

31.07.2009 14:57
Fairness ist Stabilitätsfaktor in Krisenzeiten
In Krisenzeiten stabil zu sein: das ist für Unternehmen entscheidend wichtig. Überdurchschnittlich stabil sind Firmen mit einer ethisch anspruchsvollen Verantwortungs- und Führungskultur. Das ist keine Sonntagsrede und kein frommer Wunsch: das ist das empirische Ergebnis einer Studie von Jens Rowold und Lars Borgmann (Universität Münster).

Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit, Sorge um die Mitarbeiter und faires Entscheidungsverhalten steigern die Arbeitszufriedenheit und das Commitment der Mitarbeiter signifikant, so Erkenntnisse der Studie.

Drei Ergebnisse haben die Wissenschaftler selbst überrascht: Ethische Mitarbeiterführung ist
- in Profit-Unternehmen häufiger anzutreffen als in Nonprofit-Organisationen
- auf allen Hierarchieebenen ähnlich häufig
- in größeren Abteilungen stärker ausgeprägt als in kleineren.

Die Erkenntnisse sind insofern wichtig, als dass viele Führungskräfte und auch Mitarbeiter mit den Vorurteilen hausieren gehen, in Krisenzeiten gewinnt ein Unternehmen vor allem durch Härte, Kommandostil und Ignoranz von Fairness und Ethik. Das ist mitnichten der Fall. Ebenso wenig sind nichtkommerzielle Organisationen ethischer ausgerichtet als Unternehmen, obwohl dieser Eindruck in den Medien gern verbreitet.

Eine faire und ethisch fundierte Unternehmens- und Führungskultur ist in Krisenzeiten ein maßgeblicher Stabilitätsfaktor. Und Ausreden, dafür sei eine Firma, eine Organisation, eine Abteilung zu groß oder zu differenziert, sind grundlos. Mit professionellem Vorgehen lässt sich in jeder Organisation Fairnesskompetenz etablieren und entfalten. Zum Wohl der Firma und der Mitarbeiter gleichermaßen.


Details der Studie in: Harald A. Mieg (Hrsg.): Verantwortung in/durch Unternehmen.
Wirtschaftspsychologie Nr. 2/2009, Pabst Science Publishers

04.06.2009 11:04
Fairness im Bewerbungsverfahren
In Bewerbungsverfahren wird häufig versucht, Bewerber unter Druck zu setzen. Man glaubt, man könne dann beobachten, wie ein Bewerber unter Stress reagiert und auf diese Weise Erkenntnisse über sein Verhalten in einem stressigen Berufsalltag gewinnen. Doch diese Annahme ist durch nichts belegt und bewiesen, wie Prof. Dr. Karl Westhoff und sein Team erklären. Sie befassen sich mit Eignungsinterviews und den häufigsten Fehlern, die dabei gemacht werden.

So seien die üblichen Bewerbungsgespräche sehr mangelhaft:
- meist spricht der Interviewer mehr als der Kandidat und erfährt daher weniger.
- persönliche Ambitionen des Interviewers, Attraktivität, subjektive Ähnlichkeit, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit des Bewerbers können das Urteil verzerren.
- der Interviewer bildet häufig ein Stereotyp des guten Bewerbers, generalisiert ungerechtfertigt Eindrücke oder konzentriert sich einseitig auf die Informationen, die das eigene Bild bestätigen.
- Interviewer beachten negative Informationen oft stärker als positive. Dies kann in der Einstellung begründet sein, dass es gefährlicher ist, negative Informationen über einen Kandidaten unbeachtet zu lassen.
- Interviewer neigen dazu, ihre Entscheidung bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Gesprächs zu treffen.

Daher empfehlen Westhoff und sein Team strukturierte entscheidungsorientierte Gespräche, die solche Fehler vermeiden helfen. Die Regelhaftigkeit der Interviews soll gleichzeitig sicherstellen, dass in der Auswertung die einzelnen Kandidaten vergleichbar werden.

Kandidaten im Bewerbungsgespräch unter Druck zu setzen, kann auch kontraproduktiv sein, da sich das Unternehmen zugleich so präsentiert, als sähe es in Mitarbeitern Versuchskaninchen und wisse selbst nicht, wie Stress von der Unternehmensführung her gut zu managen sei. Überdies kommt auf diese Weise unfaires Verhalten ins Spiel, wenn das Vorhaben, künstlich im Gespräch Stress zu erzeugen, der Person des Kandidaten unangemessen ist oder Techniken eingesetzt werden, die die Grenze des Respekts überschreiten. Mit dem Bewerbungsgespräch gibt ein Unternehmen seine lebendige und spürbare Visitenkarte ab. Wer sich als faires Unternehmen versteht, muss hier faires Verhalten praktizieren, und bekommt dann auch eher zur Fairness tendierende Mitarbeiter.

Lesehinweis: Karl Westhoff (Hrsg.): Das Entscheidungsorientierte Gespräch als Eignungsinterview. Mit Beiträgen von Oliver Brust, Hagen Flehmig, Carmen Hagemeister, Marie-Luise Kluck, Anna Koch, Claudia Liebert, Anne Schurz, Michael B. Steinborn, Anja Strobel, Karl Westhoff. Pabst Science Publishers 2009, 160 Seiten.


05.03.2009 10:10
Faire Unternehmen stärken Stresskompetenz
Eine gute Verbindung zwischen Firma und Arbeitnehmern ist bares Geld wert. Für beide Seiten. Denn wenn sich Arbeitnehmer mit ihrer Firma auch emotional verbunden fühlen, nimmt die Lebensqualität messbar zu. Hohe Belastungen werden dann als weniger stressig erlebt. Die Gesundheit wird weniger in Mitleidenschaft gezogen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Professoren Dr. Klaus-Helmut Schmidt (Dortmund) und Dr. Jürgen Wegge (Dresden) bei Verwaltungsangestellten, Call-Center Agenten und Altenpflegekräften.

Was trägt zu einer guten emotionalen Verbindung zwischen einem Unternehmen und Beschäftigten bei, die stressige Situationen besser bestehen lässt? Die Untersuchung nennt:
• größere Autonomie für den Einzelnen
• damit verbunden größere Handlungsspielräume
• ganzheitliche, weniger fragmentierte Tätigkeiten
• soziale Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte
• Loyalität und Rückendeckung aus der Unternehmensführung
• faire Bezahlung.

Führungskräfte bzw. Unternehmen können also von sich aus eine ganze Menge dazu beitragen, die emotionale Beziehung zwischen der Firma und den Beschäftigten zu stärken und damit die Stresskompetenz der Mitarbeiter deutlich erhöhen. Im Umkehrschluss: Sie können auch entscheidend dazu beitragen, kaum oder gar keine positive Beziehung zwischen Arbeitnehmern und Unternehmen entstehen zu lassen und dadurch Beschäftigte krank zu machen und zu verschleißen sowie die Firma zu schwächen. Nur eine bewusste Entscheidung für eine faire und unterstützende Unternehmenskultur, die systematisch und professionell umgesetzt wird, stärkt die Mitarbeiterschaft und damit die Firma.

Die Studie: Elke Rohmann, Michael Jürgen Herner, Detlef Fetchenhauer (Hg.): Sozialpsychologische Beiträge zur Positiven Psychologie. Pabst, Lengerich/Berlin 2009. 380 Seiten.

30.09.2008 16:29
Mehr Fairness im Mittelstand?
Mehr Verlässlichkeit, Weitsicht, Fairness und Veränderungsbereitschaft sind nach Ansicht der Mittelständler in Deutschland bei den Unternehmerpersönlichkeiten von Nöten. So eines der Ergebnisse einer exklusiven Studie „Unternehmerische Verantwortung“ der Commerzbank AG zur Sicht der mittelständigen Wirtschaft, bei der 4.000 Unternehmen Mitte 2008 durch TNS Infratest befragt wurden. Auch gebe es Defizite bei der Risikobereitschaft und Bescheidenheit, wobei diese Werte nach Ansicht der befragten Mittelständler weniger wichtig seien. Der Charakter der mittelständischen Firmen verändert sich der Studie zu Folge immer dann, wenn die Unternehmensführung wechselt (69 %), es wirtschaftliche Engpässe und Krisen gibt (67 %), eine Beteiligungsfinanzierung eingefädelt wird (60 %) oder sich die Absatzmärkte verändern (60 %). 40 % der Firmen müssen in den nächsten zehn Jahren eine Nachfolge stemmen. Damit in der Gesellschaft unternehmerische Tugenden stärker verankert werden, wünschen sich die Mittelständler, dass diese Werte in der Erziehung eine größere Rolle spielen (95 %). Sie fordern: In der Bildung müsse Wirtschaft und Unternehmertum wichtiger werden (93 %), die Medien müssten ein attraktiveres Bild vom Unternehmertum zeigen (78 %) und die Unternehmer müssten sich selbst gesellschaftlich mehr engagieren und zeigen (75 %). Um die Reputation der mittelständischen Wirtschaft zu erhöhen, wollen die Befragten künftig in den Medien präsenter sein (75 %).
Was aber sind unternehmerische Tugenden? Mehr als die Hälfte der Mittelständler (56 %) sagt, dass die Firmen im Geschäftsalltag stärker als bisher auf ethisches Handeln achten müssten, und immerhin 46 % fordern, der Mittelstand müsse sich stärker als bisher sozial oder kulturell engagieren. Sind damit die unternehmerischen Tugenden angesprochen? Risikobereitschaft gepaart mit Verantwortungsfähigkeit, Fairness gepaart mit Entscheidungskompetenz, Innovationsfreue gepaart mit Verlässlichkeit – das sind unternehmerische Tugenden, die allerdings jedem Bürger und jeder Bürgerin gut zu Gesicht stehen. Sind die Mittelständler denn bereit, sich für eine Steigerung von Fairness, Verlässlichkeit und Veränderungsbereitschaft bei sich und in ihrem Unternehmen mehr als bisher zu engagieren? Sind sie dazu auch bereit, wenn es Geld und Engagement kostet?
http://www.fairness-stiftung.de/FS-SiegelFairePartner.htm

10.06.2008 17:01
Fairness-Abkommen versinkt im Kampf
Neues von der Fairness-Front. Vor einigen Wochen startete die IG Metall ihre Kampagne "Leiharbeit fair gestalten" gestartet (unser Blog berichtetet darüber unter "Fairness-Abkommen"). Der IG Metall-Bezirk Frankfurt hat mit den Zeitarbeitsverbänden IGZ und BZA ein "Fairness-Abkommen" geschlossen, mit dem Mindestbedingungen für Zeitarbeits-Beschäftigte festgeschrieben werden sollen.

Der Versuch, auch andere Zeitarbeitsunternehmen auf dieses Abkommen zu verpflichten, stieß bald auf den Widerstand des Arbeitgeberverbands Mittelständischer Personaldienstleister (AMP), der beim Landgericht Frankfurt eine Einstweilige Verfügung erwirkte, mit der der IG Metall untersagt werden soll, Zeitarbeitsfirmen unter Androhung von Aktionen gegen sie zur Unterzeichnung dieses Abkommens aufzufordern (AZ: 2-06 O 253/08).

Die Fairness-Stiftung sah es kritisch, mit der notwendigen Zustimmung von Betriebsräten zum Einsatz von Zeitarbeitsfirmen in den Unternehmen ein Fairness-Abkommen zu erzwingen. Zwang passt nicht zu fairer Partnerschaft.

Nun hat der Leiter des IG Metall-Bezirks Frankfurt, Armin Schild, sich wegen der Einstweiligen Verfügung kämpferisch gezeigt: "Es freut uns, dass der getroffene Hund bellt und die Kampagne der IG Metall Wirkung zeigt", sagte Schild. "Es bleibt dabei, wir reichen den Arbeitgebern der Branche, die zur Fairness bereit sind, die Hand. Das gilt auch für AMP-Mitglieder. Aber wir werden auf keinen Fall unfaire Zeitarbeit akzeptieren", erklärte Schild.

Das ist die andere Seite: Mit unfairen Bedingungen für Zeitarbeiter, die wiederum die Gehaltsstruktur und das Arbeitspensum der Festangestellten drücken, zwingen die Unternehmen die Mitarbeiter in schlechtere Arbeitsverhältnisse. Auch das schafft keine faire Partnerschaft zwischen Arbeitsgeber und -nehmern, sondern Kampf und Misstrauen.

Ein Fairness-Abkommen, das seinen Namen verdient, entsteht aus der Einsicht in die wechselseitige Abhängigkeit zu Gunsten einer erfolgreichen Zukunftsstrategie. So weit sind die Partner nicht. Noch stehen die Signale auf Kampf, nicht auf Fairness.



01.06.2008 15:54
Fairness-Abkommen auf der Kippe
Fairness lässt sich nicht erpressen. Das ist widersinnig. So sah es die Fairness-Stiftung schon am 11.4.08 in Bezug auf das Fairness-Abkommen der Gewerkschaften mit den Zeitarbeitsfirmen. So sah es nun auch der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und erwirkte
beim Landgericht Frankfurt/Main gegen die IG Metall eine mit 250.000 € strafbewehrte einstweilige Verfügung. Die IG Metall hatte im April dieses Jahres Zeitarbeitsunternehmen mit der Androhung, dem Einsatz von Zeitarbeitsfirmen in den Unternehmen seitens der Betriebsräte nicht mehr zuzustimmen, die Zeitarbeitsfirmen zu Fairness-Abkommen veranlasst. In einer einstweiligen Verfügung vom 21. Mai 2008 hat das Landgericht Frankfurt der IG Metall mit einem Ordnungsgeld von 250.000 € untersagt, weiterhin in dieser Form an Zeitarbeitsunternehmen heranzutreten. Der Präsident des Arbeitsgeberverbandes Peter Mumme, sagte: „Wir haben uns als einziger Zeitarbeitsverband erfolgreich gegen die Zumutung zur Wehr gesetzt, dass die IG Metall mehr als 8.000 Unternehmern und Unternehmerinnen mit nach meinem Empfinden erpresserischen Methoden die Bedingungen diktieren will, mit denen Vertragsbeziehungen zu Mitarbeitern und Kunden geregelt werden."
Die Fairness-Stiftung fragte am 11.4.08: „Ob das fair ist: zu einem Abkommen genötigt werden und mit einem Abkommen Wettbewerbsvorteile sichern?“ Und war zugleich skeptisch, dass das Fairness-Abkommen wirklich Fairness bedeutet. Und empfahl: „auf lange Sicht kommen Unternehmen und Gewerkschaften nur kooperativ, aber weniger konfrontativ weiter. Da kann man sich das teure Hick-Hack gleich sparen und mit fairem Vorgehen Zeit, Geld und Ansehen sparen.“

Nun wäre es Sache des AMP, auf die Gewerkschaften zuzugehen, um eine kooperative Vorgehensweise zu finden. Denn der Kerngedanke „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist Fairness-Abkommen gilt nach wie vor, denn die Zeitarbeitnehmer tragen schon größere Risiken als andere Arbeitnehmer. Und die Arbeitgeber haben die Vorteile der Flexibilität, Mobilität und reduzierter Kosten auf ihrer Seite.


23.11.2007 12:13
Kennen Sie das BOHICA-Syndrom?
Kennen Sie das BOHICA-Syndrom? Es ist ein Akronym für "Bend Over, Here It Comes Again" (Da kommt's schon wieder, geht in Deckung). Und meint, wenn sich Mitarbeiter in mental gebückter Haltung einem neuen Reorganisationsprozess oder Change Management entziehen. Unter dem Motto: Das ist die 3. Welle in 2 Jahren und werden wir auch überleben. Wie lange läuft der Vertrag vom Vorstand noch?

Restrukturierungen, Fusionen, Zukäufe, harte Strategiewechsel: da macht sich bei den Führungskräften und Mitarbeitern Changezynismus breit, der auch die wohlfeilen Formulierungen von Synergieeffekten, Neuausrichtung und optimierter Performance nur noch sarkastisch kommentiert.

Eine Studie der UNI Mainz hat festgestellt, dass Veränderungsprozessen ausgewichen und abwehrender Zynismus aufbaut wird, wenn
1. vorhergehende Veränderungen als nicht erfolgreich erlebt wurden,
2. der Grund für das Scheitern in Kompetenzmängeln oder zu geringem Engagement der Verantwortlichen gesehen wurde.

Entscheidend ist das Vertrauen, dass das Top-Management im Vorfeld einer Veränderung erworben hat und durch die Herangehensweise unter Beweis stellt. Wenn Veränderungen mit einer schicksalhaften Automatik einhergehen, dass Budgets verkleinert, Teams auseinander gerissen, Stellen abgebaut, Positionen neu ausgewürfelt und Leistungsanforderungen um ein Mehrfaches gesteigert werden, dann ist der Zynismus nicht aufzuhalten. Denn die Angst von Menschen vor Arbeits-, Ansehens-, Einkommens- und Zugehörigkeitsverlust ist stärker als alle Versprechen, die keiner prüfen kann. Daher ist Fairness der maßgebliche Faktor, der Vertrauen in das Spitzenführungsteam und Erfolg der Veränderung garantiert. Nur wird dafür meistens weder ausreichend Zeit noch Geld investiert. Was sehr kurzsichtig ist!

14.08.2007 19:49
Fairness fördert Fusionserfolg
In einer von der Körber-Stiftung prämierten Studie kommt Ilka Gleibs zu dem Ergebnis, dass es für die Identifikation mit einem neuen Unternehmen wichtig ist, ob der Fusionsprozess als fair wahrgenommen wurde.

"Fusionen sind mittlerweile ja ein alltägliches Phänomen", beobachtet die Psychologin Ilka Gleibs von der Friedrich- Schiller-Universität Jena. Kaum vergehe ein Tag, an dem nicht von einer Fusion in der Wirtschaft berichtet wird. "Doch aus finanzieller Sicht scheitert mehr als die Hälfte dieser Fusionen", weiß die Doktorandin.

Die Gründe dafür, so vermutet Ilka Gleibs, liegen zumindest teilweise im mangelnden Integrationsmanagement. "Bei Fusionen werden Menschen zusammengeführt, die statt - wie bisher - in Konkurrenz zu stehen, plötzlich ein gemeinsames Ziel verfolgen."

Ausschlaggebend für die Identifikation mit der neuen Organisation sei unter anderem die im Fusionsprozess wahrgenommene Fairness. "Je mehr die Betroffenen das Gefühl haben, dass ihre alte Organisation fair behandelt wurde, desto eher sind sie auch bereit, sich mit der neuen Organisation zu identifizieren", so die Jenaer Psychologin.

Für die Praxis bedeute dies, dass Beteiligte von Fusionen immer wieder die Möglichkeit haben sollten, ihre Vorstellungen und negative emotionale Reaktionen zu artikulieren. "Nur so lässt sich Problemen, Ängsten und Widerständen, die während des gesamten Veränderungsprozesses auftreten, entgegenwirken."

21.03.2007 14:40
Durch Praktika unfair behandelt
Unternehmerverbände trommeln wieder: Es gibt einen extremen Kapazitzätsengpass in etlichen Unternehmen angesichts der stark anziehenden Auftragslage. Es fehlt an Ingenieuren, Vertrieblern usw, aber auch an einfach Beschäftigten. Die Unternehmen wollen am liebsten qualifzierte Fachkräfte aus dem Ausland einstellen dürfen. Auf diese Weise umgehen sie ihre Investitionen in die Ausbildung und Beschäftigung junger Leute und in die Fortbildung der älteren Arbeitnehmer.

Denn was bestritten wird, ist Fakt: Seit Sommer 2006 arbeitete Serpil S. donnerstags in der Filiale von Douglas in Frankfurt am Main. In einem Praktikum im Rahmen der Hauptschulkooperation mit Unternehmen erwies sich die Jugendliche als passable Mitarbeiterin; sie wurde sogar zu Sonderschichten in der Weihnachtszeit angeworben. Jetzt hat sie sich als Azubi beworben und bekam eine Absage. Douglas stelle nur Realschüler mit mindestens 2,0 Notendurchschnitt ein, meint das Unternehmen. Serpil: "Die nutzen uns nur aus".

Das ist kein Einzelfall. Auch Hochschulabsolventen schlagen sich trotz guter Noten und Auszeichnungen jahrelang mit Billigpraktika durch, ausgenutzt von Firmen als Billigkräfte. Wer so mit den jungen Menschen in unserer Gesellschaft umgeht, wer so das Potenzial junger Leute behandelt, verdient keine Erlaubnis, Fachkräfte aus dem Ausland einzustellen.

Ein Vorschlag zur organisierten Fairness: Pro ausländischer Fachkraft, die eigens aus dem Ausland angeworben wurde, muss jedes Unternehmen zwei Auszubildende oder Trainees oder einen älteren Arbeitsnehmer über 49 Jahren einstellen. Wer das nicht kann oder will, zahlt eine Abgabe in einen Fond, aus dem staatliche Weiterbildung für junge oder ältere Menschen finanziert wird. Oder gibt es bessere Vorschläge?
http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/lokalnachrichten/frankfurt/?em_cnt=1099305&

22.02.2007 10:40
Süße Verführung zum Gen-Food?
Imker und Honigliebhaber sind in Aufruhr. Durch die Aussaat gentechnisch veränderter Maissaat – Maislinie Mon 810 der Firma Monsanto – kommt es zur Verunreinigung des Honigs.

Da Bienen in einem Radius von bis zu 3 km die Pollen abfliegen, kann es dazu kommen, dass Pollen gentechnisch veränderter Maispflanzen in den Honig gelangen, wenn der Mais nicht vor dem Blühen geerntet wird. Imker haben daher im Eilverfahren eine Unterlassungsklage gegen die Überwachungsbehörden der Länder eingereicht, zumal es nach ihrer Auffassung keine Zulassung für Mon 810 in Deutschland gebe.

In Ungarn und Österreich ist der Anbau sogar ausdrücklich untersagt. Forschungen in Ungarn hatten ergeben, dass die Pollen des Gen-Maises zu ungewöhnlich hohem Raupensterben geführt haben. Untersuchungen in den USA ergaben, dass Tiere wie der Monarchfalter, der gar nicht von der genmanipulierten Pflanze betroffen sein sollte, schwer geschädigt werden. Erst die Tiere, dann der Mensch?
http://www.bienen-gentechnik.de/ http://www.keine-gentechnik.de/bibliothek/zulassung/dossier-mon-810-mais.html http://www.transgen.de/zulassung/gvo/15.doku.html

19.02.2007 19:18
Atomindustrie ohne Vertrauenskapitel
Wie wirken die Erklärungen der Atomindustrie auf Sie? Die Atomindustrie hat eine gigantische Glaubwürdigkeitslücke. Zäh sind die Erklärungen von Vattenfall Europe, die nach zwei Atommeilern in Forsmark (Schweden) – davon schrammte einer haarscharf an einer Katastrophe vorbei - nun auch einen seiner Reaktoren im Kernkraftwerk Ringhals aus Sicherheitsgründen heruntergefahren hat. Auch Oskarshamn meldet Probleme. Das dritte schwedische Atomkraftwerk Oskarshamn, das der Tochtergesellschaft OKG von E.ON gehört, meldete Probleme mit Lecks im Kühlwassersystem. Die Zeitung "Göteborgs-Posten" am selben Tag berichtete, die Atomaufsichtsbehörde SKI habe Vattenfall offiziell wegen Vernachlässigung der Sicherheit in Ringhals kritisiert. So habe man den ältesten der vier Reaktoren im Januar 14 Tage weiterlaufen lassen, obwohl Probleme am Kühlsystem für Reaktor 1 bekannt gewesen seien. Und seit 154 Tagen ist Biblis wegen Sicherheitsmängeln vom Netz, ohne dass dies das Stromangebot wesentlich beeinflusst hätten, wie stets von der Atomindustrie behauptet.

Am Wochenende ist die Atomindustrie mit einer Anzeige als Sonderbeilage in vielen Zeitungen mal wieder in die Öffentlichkeit gegangen. Die Stromerzeugung durch Atomkraft sei frei von Kohlendioxid heißt es da. Das stimmt, aber was ist danach und davor?

Die Brennelemente müssen hergestellt werden. Und wenn sie abgebrannt sind, muss man den Abfall aufwändig behandeln. Der ganze Prozess benötigt soviel zusätzliche Energie aus fossilen Quellen, dass für jede Kilowattstunde Atomstrom über 50 Gramm des Treibhausgases Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben werden. Bei 167,4 Terawattstunden, die im Jahr 2006 in deutschen AKW erzeugt wurden, sind das immerhin über acht Millionen Tonnen. Und um den plutoniumhaltigen Abfall sicher entsorgen und lagern zu können, braucht man einen langen Atem: 24.000 Jahre beträgt die Halbwertzeit von Plutonium, vom dem schon Promille eines Gramms in der Atemluft eines Menschen genügen, um ihn für immer krank zu machen. 24.000 Jahre hat noch kein einziger Staat jemals auf der Erde existiert. Und schließlich: die Begrenztheit der Uranvorräte. Es gibt weltweit 435 AKW. Für die würden die bekannten Lagerstätten 40 Jahre reichen.

Die Strategie der Atomindustrie, nicht immer alle Karten auf den Tisch zu legen, Störungen zu beschönigen oder so lange es geht zu verheimlichen, sich im Energiemix von Biomasse, Wasser-, Wind- und Solarenergie zu verstecken und ein Märchen von der Treibhausgas-Einsparung durch Atomstrom aufzutischen, versetzt dem kaum vorhandenen Vertrauenskapital in der Bevölkerung den Todesstoß. Das haben sie sich verdient.

13.02.2007 16:35
Gen-Food: Aus Landwirtschaft wird Agrochemie
Wollen Sie Gen-Food essen? Gen-Kartoffeln oder Gen-Mais in Soßen, Pudding und Gebäck? Ich nicht! Gegen das althergebrachte Kreuzen von Pflanzen habe ich nichts. Da haben die Menschen eine langgeprüfte und ausgereifte Erfahrung, und wenn auf diese Weise bestimmte Merkmale einer Pflanze mit der einer anderen kombiniert oder ausgeglichen werden können, dann vollzieht der Mensch oftmals nur systematisch und absichtlich, was die Natur kennt, seit sie existiert.

Doch der Eingriff in die DNA, in die Gen-Struktur zum Zweck der Manipulation, damit beispielsweise eine Pflanze gegen hochgiftiges Pflanzengift immun ist, das dann nur die unerwünschten Pflanzen trifft, ist ein extremes, weltweites Experiment an der Menschheit mit offenem Ausgang. Die Freisetzung von Plutonium, von Quecksilber, von Asbest oder DDT in den siebziger Jahren - in Vietnam, Kambodscha, Indien usw. immer noch hier und da im Einsatz - ist dazu eine Analogie.

Gen-Technik dieser Art ist völlig überflüssig, macht die Bauern von Pharma- und Agrokonzernen abhängig - z.B. kann gentechnisch veränderter Mais nicht einfach durch Bauern selbst vermehrt, sondern muss neu angekauft werden und ist die falsche Richtung. Mit der Natur arbeiten, naturnah wirtschaften, gegen den Fortschritt von der Industriealisierung zur Chemisierung der Lebensmittel: das ist die Zukunft für Natur und Mensch. Daher: Ich will genfrei, was ich esse. Und Sie?
http://www.greenpeace.de/themen/gentechnik/anbau_genpflanzen/gen_mais_anbau_in_deutschland/


02.02.2007 10:26
Kinderarbeit bei OTTO trotz Ethik-Kontrollen
Große Aufregung beim Otto-Konzern, seiner Tochtergesellschaft Heine und schwerer Imageschaden bei sozial- und ethikbewussten Konsumenten. Der Stern hat in seiner neuesten Ausgabe aufgedeckt, dass Blusen im Angebot des Heine-Versandkatalogs von Kindern in Indien unter elendigen Bedingungen bestickt werden. Die Kinder leben in slumartigen Behausungen in Kellerwerkstätten, bekommen kein Geld, sondern lediglich das Wohn- und Aufenthaltsrecht an diesen Orten, an denen sie gleichzeitig auch die Blusen besticken. Manche waren von ihren Eltern in die Zwangsarbeit verkauft worden und mussten 14 Stunden am Tag arbeiten.

Der Otto-Versand ist mehrfach für sozial- und ethikorientierte Orientierung ausgezeichnet worden, und zwar bis an den Anfang der Lieferantenketten. Dass trotz scharfer Kontrollen und großer Anstrengungen Kinderarbeit - und dann unter diesen Bedingungen - möglich ist, zeigt, wie schwer es ist, mit Kontrollsystemen eine faire Unternehmenskultur zu implementieren und zu behaupten.

Die Otto-Gruppe hat mittlerweile die Kinder aus den Kellern geholt und an einen Ort gebracht, wo sie eine ordentliche Ausbildung erhalten. Die Blusen aus dem Heine-Katalog sind derzeit nicht lieferbar. Die Geschäftsbeziehung zum Lieferanten, der den Auftrag vergeben hatte, wurde beendet.

Wenn man schon durch Kontrolle und Leitlinien Misständen nicht völlig verhindern kann, so ehrt die rasche und radikale Maßnahme den OTTO-Versand. Noch mehr ehren würde ihn, wenn er in die ethische Bildung investieren und zur ethischen Urteilsfähigkeit weltweit beitragen würde.
http://www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/581567.html?q=Otto

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