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28.04.2022 14:59
Der Klima-Fußabdruck der Modebranche: Da ist Handlungsbedarf!!!  

Erstmals untersuchte eine Studie die ökologischen Auswirkungen der deutschen Modebranche. Den Großteil der Emissionen verursachen die Unternehmen im Ausland, berichtete Louis Leible-Hammerer für die Frankfurter Rundschau:

„Die deutsche Modewirtschaft kann sich mit der Slowakei messen lassen, was den Ausstoß von Treibhausgasen angeht. 38 Millionen Tonnen an Emissionen verursachte sie im Jahr 2019 – nur unwesentlich mehr als das ostmitteleuropäische Land mit seinen 42 Millionen Tonnen. Zu diesem Ergebnis kommt das Fashion Council Germany (FCG), eine Interessenvertretung für Mode „designed in Germany“, so das Selbstverständnis der Organisation. In einer groß angelegten Studie mit dem Titel „German Fashion Footprint“ hat das FCG erstmals eine Datenbasis zu den ökologischen Auswirkungen der heimischen Bekleidungsbranche geschaffen. Eine zentrale Erkenntnis konstatiert Geschäftsführer Scott Lipinski: „Handlungsbedarf – mit drei Ausrufezeichen“.

Im vergangenen Jahr hatte das FCG bereits eine Analyse der Chancen und Risiken, Stärken und Schwächen der deutschen Modeindustrie veröffentlicht. „In diesem Zuge haben wir festgestellt, dass es an Transparenz entlang der Wertschöpfungskette fehlt und Daten als Diskussionsgrundlage mangeln“, erläutert Scott Lipinski. Und so entschied man, eine weitere Studie in Auftrag zu geben, dieses Mal über Umweltaspekte.

Modebranche: Der Strombedarf im Referenzjahr ist höher als der der Niederlande

Um Verzerrungen durch die Corona-Pandemie zu vermeiden, fiel die Wahl auf das Bezugsjahr 2019. Fünf Umweltdimensionen beleuchtet die Erhebung: Ausstoß von Treibhausgasen, Energieverbrauch, Luftverschmutzung, Wasserverbrauch und die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen. Dabei betrachtet der Bericht sowohl die Tätigkeit von Modemarken und Einzelhandel in Deutschland als auch deren Einkäufe in der weltweiten Lieferkette und Ware, die für den Verkauf in Deutschland importiert wurde.

Durchgeführt hat die Untersuchung die Analysefirma Oxford Economics, beauftragt vom FCG. Das Beratungsunternehmen Studio MM04 hat den Prozess konzeptionell begleitet, finanziell ermöglicht wurde die Studie von der deutschen Bundesregierung.


Einige Zahlen: 535 000 Terajoule an Energie hat der deutsche Modesektor 2019 verbraucht, 410 000 Tonnen Kohlenstoffmonoxid (CO) ausgestoßen, 25 000 Quadratkilometer Agrarflächen für Rohstoffe beansprucht. Der Strombedarf im Referenzjahr ist damit höher als der der Niederlande (510 000 Terajoule), das global freigesetzte Kohlenstoffmonoxid der deutschen Modewirtschaft macht 13 Prozent sämtlicher CO-Emissionen in Deutschland aus – beträchtliche Werte. Ein weiterer plastischer Vergleich: Das für die Herstellung von Schuhen und Bekleidung in Anspruch genommene Land ist nicht viel kleiner als die gesamte Fläche Belgiens.

Für Anne Neumann, Referentin für Wirtschaft und Menschenrechte, Textil und Leder bei der entwicklungspolitischen Organisation Inkota, ist die Existenz der Studie ein gutes Zeichen: „Es ist schon eine Errungenschaft, dass ein Lobbyverband solch einen Report herausgibt und sich mit dem globalen Wirken seiner Branche auseinandersetzt.“ Auch methodisch sei er durchdacht. Unglücklich ist aus ihrer Sicht jedoch, dass einzig Umweltaspekte systematisch in Augenschein genommen werden. „Soziale Belange und Menschenrechte spielen in dem Bericht kaum eine Rolle, das ist eine vertane Chance.“

Modebranche: Arbeit unter „miserablen Bedingungen“

Genau diese sozialen Belange sind aber entscheidend. Besonders eklatant ist das Bild bei der Treibhausgasbilanz. Blickt man auf die Zahlen, fällt auf, wie ungleich die Emissionen weltweit verteilt sind. Nur knapp acht Millionen Tonnen CO2-äquivalente Emissionen hat die Modebranche in Deutschland verursacht. Über 30 Millionen Tonnen hingegen wurden durch Einkäufe und Offshore-Produktion im Ausland ausgestoßen. Produziert wird also für den deutschen Markt, mit den negativen Auswirkungen – verschmutzter Umwelt, beeinträchtigter Gesundheit und Lebensqualität – haben aber mehrheitlich Menschen zu kämpfen, die in Ländern des Globalen Südens wie China, Bangladesch und Indien leben. „Eine doppelte Ungerechtigkeit“, bezeichnet Anne Neumann von Inkota diese Praxis: „Die Arbeiter:innen sind von oftmals miserablen Arbeitsbedingungen betroffen, und zusätzlich können sie in ihrer prekären Lage auch keine Resilienz gegenüber Schäden aufbauen.“

Die Herstellung nach Deutschland zurückzuverlagern, kann aber nicht die Lösung sein, hängen doch Arbeitsplätze und damit Existenzen an der Produktion im Ausland. Reshoring, so der Fachausdruck, gehe mit einer sozialen Verantwortung einher, betont Scott Lipinski: „Es ist eine Gratwanderung.“ Die Menschenrechtsexpertin Anne Neumann geht noch weiter: „Reshoring ist sehr kritisch zu sehen. Helfen würden würdigere Arbeitsbedingungen vor Ort. Zum Beispiel, indem Gewerkschaften gestärkt werden und Beschwerdesysteme geschaffen werden, die Arbeiter:innen ermächtigen, Verstöße selbst zu melden.“ Auch Lipinski fordert „mehr Fairness in der Herstellung“ – und ist zuversichtlich: „Heute herrscht in der Branche ein anderes Verständnis von Nachhaltigkeit als noch vor zehn Jahren.“

Modebranche: Bald auch eine Studie zu Sozialstandards?

Wie soll es nun weitergehen? Das FCG will die Entwicklung neuer Ideen und Konzepte für mehr Umweltschutz fördern, indem es Gespräche, Konferenzen und Workshops mit allen relevanten Interessengruppen organisiert.

Wenn es nach Scott Lipinski geht, ist der „German Fashion Footprint“ nur der Anfang – eine erste Grundlage, um weitere Statistiken zu erheben und zu überprüfen, wie sich das Umweltverhalten der deutschen Modebranche über Zeit verändert. Und ein Ausgangspunkt, um künftig auch die Einhaltung von Sozialstandards unter die Lupe zu nehmen – das sei jedenfalls das Ziel“.

Erläuterung
Der LOBBYVERBAND: Den Modestandort Deutschland im globalen Wettbewerb stärken – das ist das erklärte Ziel des Fashion Council Germany (FCG). Vor Augen hat es eine „visionäre, technologische & nachhaltige Zukunft“ der Branche.

Die Organisation engagiert sich für deutsches Modedesign als Kultur- und Wirtschaftsgut, fördert junge Designerinnen und Designer aus der Bundesrepublik und leistet Lobbyarbeit in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur. Interdisziplinäre Dialogförderung gehört ebenso zu den Aufgaben des FCG wie Netzwerken.

Annähernd 200 Fashionunternehmen, Einzelhändler und auch Verlagshäuser und Agenturen sind in dem Verein organisiert, darunter kleinere Labels, aber auch große und bekannte Konzerne wie H&M, Otto oder Hubert Burda Media.

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