Blog nach Monat: Dezember 2022

17.12.2022 15:01
Deutscher Bundestag verabschiedet Hinweisgeberschutzgesetz - anonymes Melden möglich
Der Bundestag hat am Freitag, den 16.12.22 in der letzten Sitzung des Jahres das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedet und damit die EU-Whistleblower-Richtlinie (EU-Direktive 2019/1937) umgesetzt. Besonders erfreulich, dass beim Schutz der Whistleblower nochmals nachgebessert wurde: Meldestellen müssen nun auch anonymen Hinweisen nachgehen und Vorkehrungen treffen, um eine anonyme Kommunikation mit den meldenden Personen zu ermöglichen. Doch was oft vergessen oder absichtlich übersehen wird: interne Hinweisgeber werden oft intern unfair attackiert, also gemobbt. Ein Thema, das beim Thema Mobbing nicht selten mitschwingt und einen Teil der Fairness-Beratung der Fairness-Stiftung auch jenseits juristischer Aspekte ausmacht - dabei spielen emotionale, soziale, psychologische und strategische Elemente eine Rolle: "Fairness-Beratung"

Deutschland hat als 14. EU-Staat die EU-Richtlinie in nationales Recht umsetzt, nachdem in der letzten Woche auch Belgien und Italien diesen Schritt vollzogen haben. Dass nun auch anonyme Meldungen ermöglicht werden müssen, verbessert das Gesetz deutlich. Das erhöht zwar auch die Anforderungen an die Unternehmen, ist aber durchaus leistbar.

Unternehmen, Behörden und Kommunen müssen Meldekanäle einrichten

Für die 17.000 Unternehmen in Deutschland ab 250 Beschäftigten, aber auch öffentliche Einrichtungen und Gemeinden ab 10.000 Einwohnern besteht damit dringender Handlungsbedarf, einen Meldekanal einzurichten. Als Best Practice haben sich hier digitale Hinweisgebersysteme etabliert, da nur diese alle Anforderungen an eine sichere, anonyme und DSGVO-konforme Kommunikation erfüllen. Diese Tools können, wie es der Gesetzgeber vor allem für internationale Konzerne empfiehlt, in mehreren Sprachen aufgesetzt werden und automatisieren auch die vorgeschriebenen Prozesse für die Empfangsbestätigung und die Rückmeldung an die Hinweisgebenden.

Die Antikorruptionsorganisation Transparency Deutschland begrüßt dies sehr, obwohl das beschlossene Gesetz nicht weit genug geht. Dazu erklärt Dr. Sebastian Oelrich, Leiter der Arbeitsgruppe Hinweisgeber von Transparency Deutschland:

„Unser jahrelanger Einsatz für einen gesetzlichen Schutz von Hinweisgebenden zahlt sich heute aus. Menschen, die auf Korruption und andere Missstände hinweisen, stehen derzeit oft im Regen, weil sie ihren Job verlieren, drangsaliert oder sogar juristisch verfolgt werden können. Künftig bekommen diese Hinweisgebenden endlich einen rechtlichen Schutzschirm vor Repressalien sowie Möglichkeiten, ihre Hinweise in und außerhalb von Unternehmen sicher abzugeben.

Unternehmen und Behörden müssen neben der verpflichtenden Einrichtung von Meldestellen nun anonyme Meldewege einführen. Das ist entscheidend, da dadurch die Hemmschwelle zum Melden von Problemen deutlich sinkt. Das zeigt die Erfahrung vieler Unternehmen, die bereits heute teils anonyme Meldewege haben. Fast jeder große Skandal wurde von zunächst anonymen Hinweisgebenden gemeldet. Wir begrüßen sehr, dass die zuständigen Abgeordneten sich in den letzten Monaten intensiv bemüht und unsere Hinweise in der Anhörung zum Teil aufgegriffen haben. Das Gesetz ist jetzt besser als der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung, denn dieser sah vor, dass anonyme Hinweise gar nicht oder nur nachranging ermöglicht und bearbeitet werden sollten.

Gleichzeitig hätte der Schutz von Hinweisgebenden noch deutlich umfassender und besser ausfallen können. In bestimmten Bereichen ist es für potentielle Hinweisgebende schwierig zu beurteilen, ob sie geschützt sind oder nicht. Das liegt daran, dass der Anwendungsbereich des Gesetzes begrenzt und komplex ist. Aus unserer Sicht sollte das Gesetz für sämtliche Rechtsverstöße und sonstiges Fehlverhalten gelten, dessen Meldung oder Offenlegung im öffentlichen Interesse liegt.

Das gilt insbesondere für den Bereich der nationalen Sicherheit und sogenannte Verschlusssachen, die im Gesetz fast vollständig ausgenommen sind. Dabei wissen wir aus der Vergangenheit, dass gerade dort Hinweisgebende für die Aufdeckung großer Missstände besonders wichtig sind und dafür einen besonderen Schutz brauchen.

Auch fehlt es weiterhin an notwendigen Hilfs- und Beratungsangeboten oder einem Schutzfonds für (potentielle) Hinweisgebende. Hier wird weiterhin verkannt, was für ein einschneidendes Ereignis und hohes Risiko eine Hinweisgabe für viele Personen darstellt. Hinweisgebende werden hier leider weiterhin allein gelassen.”

Zum Hintergrund

Korruption erfolgt verdeckt. Korruption wird weniger durch Prüfungshandlungen als durch Hinweisgeber aufgedeckt, die internes Wissen offenbaren und sich damit dem Risiko aussetzen, wegen ihres Handelns benachteiligt zu werden. Die Etablierung von Schutzmechanismen gegen Benachteiligungen würde die Bereitschaft potentieller Hinweisgeber, ihr Wissen zu offenbaren, deutlich erhöhen. Effiziente Korruptionsprävention in Organisationen und Unternehmen, im öffentlichen und privaten Sektor erfordert daher den Schutz der Personen, die durch ihre Hinweise Korruption aufdecken und so die Verfolgung von Korruptionstaten ermöglichen.

Der Begriff "Whistleblowing" hat – aus den USA kommend – inzwischen auch Einzug in Europa gehalten. In Deutschland wird der Begriff "Hinweisgeber" leider noch zu oft mit dem Stigma des Denunzianten belegt. Gleichwohl gibt es in Deutschland inzwischen eine Vielzahl von Hinweisgebersystemen. Länder, Kommunen, Städte und vor allem Unternehmen der Wirtschaft und des öffentlichen Sektors haben interne oder externe Stellen eingerichtet, um Menschen zu ermutigen, Hinweise auf schwerwiegendes Fehlverhalten oder gravierende Missstände zu geben.

Es gibt viele Definitionen für den Begriff des Whistleblowers oder Hinweisgebers. Transparency International Deutschland e.V. verwendet diese Definition:

„Hinweisgeber ist, wer Informationen über wahrgenommenes Fehlverhalten in einer Organisation oder das Risiko eines solchen Verhaltens gegenüber Personen oder Stellen offenlegt, von denen angenommen werden kann, dass diese in der Lage sind, Abhilfe zu schaffen oder sonst angemessen darauf zu reagieren.“

Hinweisgeber sind in Deutschland nur in spezifischen Situationen geschützt, für die Mehrzahl der Beschäftigten ist der Schutz unzureichend. Hinreichend geschützt sind Beschäftige in Unternehmen oder Organisationen, die über ein System verfügen, das Vertraulichkeit gewährleistet (Ombudsanwalt, Vertrauensanwalt, nicht rückverfolgbares internetbasiertes System).

Nicht ausreichend geschützt sind vor allem Personen, die – zum Beispiel mangels einer internen Möglichkeit – einen Hinweis außerhalb ihrer Organisation platzieren wollen, sei es bei einer Behörde oder den Medien. Für dieses externe Whistleblowing gibt es in Deutschland keine klaren Regeln. Es gibt nur die schwer einschätzbare Rechtsprechung der Arbeitsgerichte im jeweiligen Einzelfall, für die der Schutz von Geheimnissen und die Treuepflicht des Arbeitnehmers (oft zu) hohe Bedeutung haben. Aufgrund dieser Rechtsunsicherheit werden Personen davon abgehalten, Missstände gegenüber Stellen aufzudecken, die Abhilfe schaffen oder – wie bei Rechtsverstößen die Ermittlungsbehörden – sonst angemessen darauf reagieren könnten.

"Was ist ein Whistleblower?"

"Wer ist ein Risk-Messenger?"

"Unfaire Geschäftspraktiken und Beschwerdestellen"

"Whistleblower-Netzwerk mit Info und Beratung"

06.12.2022 08:11
Weltweite Studie: Psychische Gewalt und Schikane am Arbeitsplatz stark verbreitet
Beleidigen, bedrohen oder anschreien: Verbale Gewalt am Arbeitsplatz sollten Betroffene offiziell melden, selbst bei kleinsten Vorfällen. Die Ergebnisse einer weltweit angelegten Befragung von drei Organisationen zur Ermittlung des Ausmaßes von Gewalt und Belästigung am Arbeitsplatz sind ernüchternd. So erfuhren mehr als 22 Prozent der Befragten Gewalt oder Schikane am Arbeitsplatz.

Übergriffe und Belästigungen am Arbeitsplatz sind laut einer Studie weltweit stark verbreitet. Mehr als 22 Prozent von fast 75 000 befragten Angestellten und Arbeitnehmern in 121 Ländern hätten 2021 berichtet, mindestens einer Form von Gewalt oder Schikane ausgesetzt gewesen zu sein, hieß es in einem am Montag (Ortszeit) veröffentlichten Bericht der Internationale Arbeitsorganisation, der Stiftung des Risikomanagement-Dienstleisters Lloyds Register und des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Gallup. Es treffe vor allem junge Menschen, Migranten und Frauen.

Laut der Studie sagten ein Drittel der Betroffenen, dass sie mehr als eine Form von Übergriffen am Arbeitsplatz erlebt hätten. 6,3 Prozent gaben an, schon allen drei Formen ausgesetzt gewesen zu sein: also sowohl körperlicher und psychischer als auch sexueller Gewalt und Schikane.

Psychische Gewalt und Mobbing sei die häufigste Form der Übergriffe, von der sowohl Frauen als auch Männer berichtet hätten: 17,9 Prozent der Befragten hätten dies im Laufe ihres Beschäftigungsverhältnisses schon einmal erlebt, hieß es in der Studie. Rund 8,5 Prozent gaben an, körperlicher Gewalt und Belästigung auf der Arbeit ausgesetzt gewesen zu sein - wobei hier eher Männer als Frauen betroffen waren.

Diese Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Schikane am Arbeitsplatz

Rund 6,3 Prozent der Befragten berichteten von sexueller Gewalt und Belästigung, wobei der Anteil der Frauen höher war. Mehr als 60 Prozent der mutmaßlichen Opfer erklärten, dass sie diese Übergriffe mehrmals erlitten hätten. Die meisten Vorfälle hätten sich innerhalb der vergangenen fünf Jahre zugetragen, hieß es.

Zudem kam heraus, dass bei Menschen, die Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, einer Behinderung, ihrer Nationalität, Ethnie, Hautfarbe oder Religion erlebt hätten, die Wahrscheinlichkeit höher sei, auch Übergriffen oder Schikanen am Arbeitsplatz ausgesetzt zu sein, als bei jenen, die nicht auf diese Weise benachteiligt würden.

Statistiken zu Gewalt und Schikane am Arbeitsplatz sind selten

„Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt ist ein allgegenwärtiges und schädliches Phänomen mit tiefgreifenden und kostspieligen Folgen, die von schweren körperlichen und psychischen Konsequenzen für die Gesundheit sowie Verdienstausfällen und zerstörten Karrierewegen bis hin zu ökonomischen Einbußen für Arbeitsstätten und Gesellschaften reichen“, erklärten die drei an der Studie beteiligten Organisationen in ihrem 56 Seiten starken Bericht.

Statistiken zu Gewalt und Schikane am Arbeitsplatz seien rar. Aus diesem Grund habe sich die bei den UN angesiedelte Internationale Arbeitsorganisation mit der Stiftung von Lloyds Register und Gallup zusammengetan, um „die erste globale explorativ angelegte Studie“ vorzunehmen, um Erfahrungen von Menschen zu erfassen. Die Resultate würden den Weg für weitere Forschung ebnen, hieß es. Letztlich solle eine solidere Faktengrundlage zu einer effektiveren Gesetzgebung, Politik und Praxis führen, die Präventivmaßnahmen fördere, besondere Risikofaktoren und tieferliegende Ursachen angehe und sicherstelle, dass Opfer bei der Bewältigung der inakzeptablen Vorkommnisse nicht allein gelassen würden.

RND/AP

"Welche Unfairness am Arbeitsplatz gibt es und was ist dagegen zu tun?"
"Hilfe bei Unfairness mit dem Mobbingscout"

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