Zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Staaten berichtet die Frankfurter Rundschau (21.7.25, S.11) von einer Studie, die gravierende soziale und ökologischen Folgen voraussieht. Ein Drift zu mehr Unfairness zwischen Europa und Südamerika:
"Geplant ist eine der weltweit größten Freihandelszonen mit mehr als 700 Millionen Menschen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht von der „größten Handels- und Investitionspartnerschaft“ der Welt: Jetzt rückt der Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und den südamerikanischen Mercosur-Staaten näher.
Brüssel will die juristisch überprüfte Fassung der Vereinbarung mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay noch im Juli veröffentlichen. Dann müssen der Rat der EU-Länder und das EU-Parlament zustimmen, damit das Abkommen in Kraft treten kann. Bis Dezember, so der ambitionierte Plan, soll der Pakt unter der dänischen Ratspräsidentschaft offiziell ratifiziert werden.
Vor den Folgen des Vertrags warnen nun die Nichtregierungsorganisationen Powershift, Brot für die Welt und Misereor. Das Abkommen würde nicht nur Regenwälder, Artenvielfalt, Klima und Menschenrechte gefährden, sondern auch ein neues Klagerecht gegen die Nachhaltigkeitsgesetze des europäischen Green Deal schaffen – zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der drei NGOs, die der FR vorab vorliegt.
Im Kern geht's beim Pakt um den Abbau von Handelsschranken. Für 91 Prozent aller zwischen EU und Mercosur gehandelten Waren sollen die Zölle abgeschafft werden. Laut EU-Kommission würden sich für europäische Exporteure jährliche Einsparungen von rund vier Milliarden Euro ergeben.
Thomas Fritz von Powershift, Mitautor der Studie, sieht durch die ausgehandelten Vereinbarungen in Südamerika einseitig Viehzucht, industrielle Zuckerplantagen, Sojafelder sowie den Bergbau begünstigt. „Genau diese Branchen sind in den Ländern hauptverantwortlich für die Zerstörung von Regenwäldern, Trockensavannen, Vertreibungen indigener Gemeinschaften und Pestizidvergiftungen“, sagt Fritz. Zur Schaffung von Jobs und einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung leisteten sie hingegen kaum einen Beitrag, so der Report.
Beispiel Rindfleischhandel: Würde die vereinbarte Zollquote für Exporte in die EU ausgeschöpft, könnte sich der Bedarf für Weiden im Mercosur um 3,6 Millionen Hektar erhöhen, heißt es in der Untersuchung. Ein Großteil der Rinderweiden entstehe durch Rodungen im Amazonasgebiet.
Eigentlich hatte die EU bei den Ende 2024 abgeschlossenen Nachverhandlungen des Pakts strengere ökosoziale Regeln angestrebt. Das Gegenteil sei aber eingetreten, so die Autoren. „Das Abkommen enthält immer noch keine Sanktionsmöglichkeiten gegen Nachhaltigkeitsverstöße, wohl aber gegen Nachhaltigkeitsvorgaben der EU“, kritisiert Armin Paasch (Misereor). Der neu geschaffene Ausgleichsmechanismus gewähre den Mercosur-Staaten sogar ein Recht auf Kompensation, wenn EU-Gesetze wie die Entwaldungsverordnung ihre Handelsvorteile einschränken sollten.
Der Freihandelspakt drohe zudem, das wirtschaftliche Gefälle zwischen EU und Mercosur noch zu vertiefen, befürchten die NGOs mit Blick auf Automobil-, Maschinenbau- und Textilindustrie in den lateinamerikanischen Staaten, die unter verstärkten Wettbewerbsdruck durch EU-Anbieter geraten würden. „Damit droht in Südamerika eine weitere Deindustrialisierung, die Vernichtung von Arbeitsplätzen und mehr soziale Ungleichheit, die zum Erstarken rechtspopulistischer Parteien etwa in Argentinien und Brasilien beigetragen hat“, warnt Handelsexperte Sven Hilbig (Brot für die Welt).
Auch deshalb appellieren die NGOs an die Bundesregierung und das EU-Parlament, den Vertragstext nicht zu unterzeichnen, und fordern Nachverhandlungen, um die „sozialökologischen Risiken zu minimieren“.
Gegen das Abkommen in der vorliegenden Form sind auch einige EU-Staaten wie Frankreich, Polen und Italien. Sie begründen das mit dem Schutz der eigenen Landwirtschaft. Die EU-Kommission könnte allerdings einen Verfahrenstrick anwenden und die Vereinbarung in einen politischen und einen Handelsteil splitten. Die nationalen Parlamente würden damit umgangen und im Rat wäre für den Handelspakt nur eine qualifizierte Mehrheit nötig".
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