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10.11.2025 10:53
Mobbing ist fester Bestandteil unserer Gesellschaft  

Ein Großteil der Erwachsenen ist schon mal Opfer von Mobbing geworden. Vor allem im Netz ist die Zahl der Betroffenen laut einer Studie deutlich gestiegen. In den vergangenen Jahren hat sich die Lage demnach immer weiter verschärft.

Im Netz, am Arbeitsplatz, in der Freizeit, im Freundeskreis: Ein großer Teil der erwachsenen Bevölkerung hat laut einer Studie Mobbing oder Cybermobbing erlebt. Das berichtet das Bündnis gegen Cybermobbing in Berlin. Rund 37 Prozent der Befragten waren demnach schon einmal "klassischen" Mobbing-Attacken ausgesetzt. Das bedeute einen Anstieg um 12,9 Prozent im Vergleich zur letzten Erhebung 2021 und entspreche rund 19 Millionen Menschen.

Es habe sich gezeigt, dass kaum ein Lebensbereich im privaten wie beruflichen Umfeld verschont bleibe, berichtete das Bündnis. Außerdem zeigt die Studie, dass sich jedes vierte Cybermobbing-Opfer selbst als suizidgefährdet einstuft. Das Bündnis bezieht seine Erkenntnisse aus einer nach eigenen Angaben repräsentativen Studie, bei der kürzlich 2.300 Personen zwischen 18 und 65 Jahren bundesweit online befragt wurden.

Immer noch viele Mobbing-Fälle am Arbeitsplatz

In Bezug auf Mobbing in der Arbeitswelt zeigt die Studie einen Rückgang von 10 Prozent im Vergleich zur letzten Erhebung im Jahr 2021. Dennoch bleibt die Zahl der Mobbing-Vorfälle am Arbeitsplatz hoch. Demnach ereignen sich 43 Prozent aller Mobbingfälle in der Arbeitswelt. Besonders fällt auf, dass in mehr als der Hälfte dieser Fälle Vorgesetzte als Täter oder Mittäter beteiligt sind.

Als Mobbing gilt in der Befragung, wenn jemand gezielt und systematisch Angriffen wie Anfeindungen, Schikane und Diskriminierung ausgesetzt ist - und das wiederholt und über einen längeren Zeitraum. Unter Cybermobbing fallen demnach etwa Belästigung, Beleidigung, Diffamierung, Bloßstellung oder Nötigung über das Internet - über soziale Netzwerke, Mails, Chatrooms, Videos. Eine allgemeingültige Definition für die beide Begriffe gebe es bisher nicht.

Beim Cybermobbing sei von mehr als 7,2 Millionen Opfern auszugehen. Davon waren rund 14 Prozent der Befragten betroffen - das sei eine Zunahme um sogar 21,7 Prozent im Vergleich zu 2021 (damals gaben das 11,5 Prozent an). Die meisten Cybermobbing-Opfer sind zugleich auch Opfer von "klassischem" Mobbing. In beiden Mobbing-Problemfeldern verschärfe sich die Situation nun schon seit der ersten Befragung von 2014 stetig weiter, betont der Vorsitzende des Bündnisses, Uwe Leest. "Mobbing ist ein fester Bestandteil in unserer Gesellschaft."

Cybermobbing-Vorfälle spielen sich demnach mit 62 Prozent überwiegend im privaten Umfeld ab. Bei den Tätern handelt es sich bei beiden Mobbingformen im privaten Umfeld meist um Freunde, auch wenn dieser Täterkreis im Vergleich zur Vorstudie abnahm. Mehr Täter als vor vier Jahren kommen inzwischen aus der Familie, der Nachbarschaft oder Vereinen.

Junge Menschen am stärksten betroffen

Die Studie weist auf die besonders hohe Betroffenheit bei jungen Menschen hin. 45 Prozent der 18- bis 24-Jährigen gaben an, bereits Opfer von Mobbing geworden zu sein, ein Viertel berichtet von Cybermobbing-Erfahrungen. Frauen sind demnach stärker betroffen als Männer: Sie haben ein 1,3-mal höheres Risiko, Opfer von Mobbing zu werden.

Im ARD-Morgenmagazin sprach die Cyberpsychologin Dr. Catarina Katzer über mögliche Gründe, warum jemand zum Cybermobber wird. Laut der Expertin führen sowohl Jugendliche als auch Erwachsene ein "Leben im Dauerkrisenmodus". Deshalb seien Ängste und die psychologische Belastung gestiegen. Außerdem hätten Impulskontrolle und die Problemlösefähigkeit abgenommen. Das wiederum führe zu Wut und die könne sich im Netz gut entladen. Denn dort hätten Täter eine hohe physische und psychische Distanz, was die Hemmschwelle senke, so Katzer. Sie nimmt darum auch Soziale Netzwerke in Pflicht. Ihre Forderung: Einen ständigen Notfallknopf, mit dem Betroffene schnell Hilfe anfordern können.

Und auch das zeigt die Studie: Rund 82 Prozent der Täter waren nach eigenen Angaben zuvor schon mal Opfer von Mobbing im Netz oder im realen Leben. "Wir sehen in der Studie, dass immer mehr Opfer zu Tätern werden. Unrecht wird mit Unrecht vergolten", sagte Leest der Nachrichtenagentur dpa. Bei den jüngeren Erwachsenen zeige sich, dass das gelernte negative Verhalten in Jugend- und Schulzeit häufig übernommen werde ins Arbeitsleben. Ein "erfolgreicher" Täter, der nicht gestoppt wurde, suche sich oft auch mehrere Opfer oder halte nach Mittätern Ausschau.

Hohe Kosten für Mensch und Gesellschaft

Die Auswirkungen auf die Betroffenen sind laut Studienmachern schwerwiegend: 45 Prozent der Mobbing-Opfer berichten von langfristigen psychischen Belastungen, darunter Persönlichkeitsveränderungen und Depressionen. Besonders bei Cybermobbing, das oft kürzere Zeiträume umfasst, können die psychischen Folgen tiefgreifend sein.

Die Studie zeigt auch, dass die Opfer eine klare Haltung gegenüber der Gesetzgebung haben: Fast drei Viertel der Befragten fordern schärfere Gesetze, insbesondere ein spezifisches Mobbing- oder Cybermobbinggesetz. Uwe Leest appelliert: "Wir gemeinsam als Gesellschaft haben die Möglichkeit, dieses Problem kleiner werden zu lassen."

Ein weiterer Aspekt der Studie sind die wirtschaftlichen Folgen von Mobbing: Allein die mit Vorfällen verbundenen Krankheitsfolgekosten für Unternehmen betragen jährlich rund 4,3 Milliarden Euro.

Tagesschau

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