Blog nach Monat: September 2023

29.09.2023 12:48
Tesla und Musk - eine Laison für krasse Unfairness
Durch Deutschland muss ein Ruck gehen, darauf können sich gerade alle einigen. Wenn nach Ober-Ruckgebern gesucht wird, fällt oft ein Name: Elon Musk. Der hat mit seiner E-Auto-Schmiede Tesla nicht einfach nur an der Vorherrschaft der traditionellen Autobranche geruckelt, er hat ganze Maßstäbe verrückt: schneller, höher, weiter. Das fasziniert, auch den stern, der vor wenigen Woche Teile einer aufsehenerregenden Musk-Biografie veröffentlicht hat.

Das verschreckt jedoch zugleich viele, die sich fragen: Wollen wir das wirklich, eine amerikanische Start-up-Mentalität, in der es wenig um Mitarbeiter oder Qualitätssicherung geht, alles hingegen um Stückzahlen und um Profit kreist?

Die Antwort liegt wohl in der Mitte: Teslas Dynamik schafft Arbeitsplätze, sie sorgt für Fortschritt. Deswegen gab es auch viel Begeisterung, als der Autobauer in Brandenburg ein Werk eröffnete, das rund 12.000 Jobs schaffen sollte. Die deutsche Politik räumte alle Hindernisse im Tesla-Takt aus dem Weg, Bundeskanzler Olaf Scholz stand zur Eröffnung stolz an der Seite von Musk.

Jedoch ist auch die Schattenseite des Systems Tesla in Brandenburg mittlerweile unübersehbar, wie eine fast einjährige Recherche von stern und RTL News aufdeckt. Valeria Bajaña Bilbao und Kim Lucia Ruoff recherchierten für den Stern undercover in der Tesla-Fabrik. Christian Esser, Manka Heise und Tina Kaiser haben zahlreiche Arbeitsunfälle rekonstruiert, haarsträubende Umweltsünden aufgelistet. Sie zeichnen anhand von Interviews und Dokumenten nach, wie Zweifler in Behörden ignoriert wurden – und wie die Politik wegschaute und selbst schwere Verstöße gegen Arbeitsschutz- und Umweltauflagen hinnahm.

Elektroautohersteller Tesla hat innerhalb von sechs Monaten 190 Arbeitsunfälle in seinem Brandenburger Werk gemeldet - darunter auch schwere und schwerste. Zudem wurden bereits 26 Umwelt-Havarien gemeldet. In der Fabrik des US-Autobauers Tesla in Grünheide (Oder-Spree) kommt es einem Medienbericht zufolge zu deutlich me
hr Arbeitsunfällen als in anderen Autowerken.
Wie der "Stern" am Donnerstag unter Berufung auf Angaben von Behörden und Rettungsdiensten berichtet, seien darunter auch schwere und schwerste Arbeitsunfälle. Kritik gibt es nun auch an der Rolle der brandenburgischen Landesregierung um Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

Laut "Stern" meldete Tesla allein zwischen Juni und November 2022 mindestens 190 Unfälle in Grünheide - also fast einen pro Tag. Arbeitsunfälle, die zu einer mindestens dreitägigen Arbeitsunfähigkeit führen, sind in Deutschland meldepflichtig. Rettungsstellen zufolge sei zudem im ersten Jahr nach der Eröffnung 247 Mal ein Rettungswagen oder Hubschrauber gerufen werden, berichtete das Magazin weiter. Auf die Mitarbeiterzahl umgerechnet seien das dreimal so viele Notfälle wie beispielsweise im Werk von Audi in Ingolstadt.

"Wir sind schon seit längerem besorgt über die Arbeitssicherheit bei Tesla in Grünheide", erklärte der Bezirksleiter der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Dirk Schulze. "Zahlreiche Beschäftigte berichten uns von Unfällen und Gesundheitsbelastungen. In einigen Bereichen führt dies zu Krankenständen von bis zu 40 Prozent." Dem "Stern" sagte Schulze, er habe "die größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt".

Mehr als 10.000 Beschäftigte im Werk
Der Gewerkschafter macht der Tesla-Führungsetage deshalb schwere Vorwürfe: Das Management reagiere "mit Druck auf die Kranken", erklärte er. "Und die noch Gesunden werden angehalten, mit weniger Personal die gleichen Stückzahlen zu produzieren." Angesichts der Medienberichte sei nun zu befürchten, dass Tesla nach den Mitarbeitern suche, die mit der Presse gesprochen haben, anstatt die Missstände zu beheben. Aktuell arbeiten in dem Werk in Brandenburg Unternehmensangaben zufolge mehr als 10.000 Beschäftigte, "perspektivisch sind 22.500 Mitarbeiter möglich", erklärte Tesla. Der Konzern will die Produktionskapazität in dem Werk auf eine Million Autos verdoppeln.

Ministerpräsident Woidke wusste nach eigener Aussage von den Unfällen.

Der Brandenburger Ministerpräsident Woidke sagte dem "Stern", dass er von den häufigen Unfällen im Tesla-Werk wisse. Er sei aber "nicht der Sprecher von Tesla". Derweil reichte das Transparenzportal "FragDenStaat" Klage gegen den SPD-Politiker ein, um Einsicht in Unterlagen einer gemeinsamen Taskforce der Landesregierung mit dem Autobauer zu erhalten. Nach Angaben der Staatskanzlei gibt es seit Ende 2019 regelmäßig Treffen von Ministerien- und Unternehmensvertretern. Die Aktivisten werfen Woidke vor, Informationen zu diesen Treffen unter Verschluss zu halten. Aiko Kempen von "FragDenStaat" sagte dem "Stern": "Die Öffentlichkeit hat das Recht zu erfahren, wie ein Milliardenkonzern Einfluss auf das Land nimmt."

Streit um Arbeitsbedingungen Tesla-Betriebsrat wirft IG-Metall Falschinformation vor
Die vielen Arbeitsunfälle sind derweil nicht das einzige Problem für das US-Unternehmen: Tesla hat in seiner Fabrik seit der Eröffnung vor eineinhalb Jahren 26 Umwelt-Havarien gemeldet. Das geht aus Informationen des Brandenburger Landesamts für Umwelt hervor, über die der "Stern" ebenfalls berichtet und die auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegen.

Zu den Havarien zählen Austritte von 15.000 Liter Lack, 13 Tonnen Aluminium sowie 50 und 150 Liter Diesel. Nach Informationen des Landesumweltamtes wurden Lack und Aluminium fachgerecht oder ordnungsgemäß entsorgt. Bei Diesel sei der Boden in einem Fall ausgekoffert worden. Seit März 2022 gab es zudem acht Brände.

Bei den Vorfällen handelt es sich laut Landesumweltamt um Betriebsstörungen, nicht um Störfälle im Sinn der sogenannten Störfallverordnung. Ein Teil des Geländes liegt im Wasserschutzgebiet. Tesla weist Bedenken zurück.

Minister Vogel (Grüne): "Die Überwachung funktioniert"

Der Autobauer räumte ein, dass es auf dem Fabrikgelände während der Bauarbeiten und seit der Inbetriebnahme mehrere Vorfälle gegeben habe. Bei keinem der Vorfälle habe es sich um einen Störfall nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gehandelt, bei keinem Vorfall sei es zu Umweltschäden gekommen, heißt es bei dem Unternehmen. Wenn nötig, seien Korrekturmaßnahmen umgesetzt worden.

Der Leiter Ökosysteme am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Martin Pusch, sprach von einer grundsätzlich hohen Gefährdung mit Blick auf das Trinkwasser. "Es ist ein hohes Risiko der Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung aufgrund der geringen Rückhaltekapazität des Untergrunds", sagte Pusch der Deutschen Presse-Agentur.
Der Brandenburger Umweltminister Axel Vogel (Grüne) räumte auf Anfrage des "Sterns" ein, dass Probleme auf dem Werksgelände aufgetaucht seien, sah aber keine Gefahr. Auf die Frage, ob er ausschließen könne, dass das Grundwasser unter der Fabrik verseucht ist, sagte er laut "Stern": "Kann ich ausschließen. Die Überwachung funktioniert."

Und das Auto selbst?

Tesla ist der wertvollste Autobauer der Welt. Mit CEO Elon Musk an der Spitze mischt das junge Automobilunternehmen die Branche auf, lässt mit einem Marktwert von rund 580 Milliarden Euro die etablierten Autohersteller zurück. Innovation, ansprechendes Design und günstiger Preis.

Auf diesen Grundpfeilern stützt sich die Aufstieg von Tesla, doch anhaltende Kritik an der Fertigungsqualität lässt manche potentiellen Kunden zurückschrecken. Für den US-Konzern deshalb essenziell: Der Erfolg des Model 3, das im Vergleich zu den Modellen S, X und Y für breite Bevölkerungsgruppen erschwinglich ist.

Der massentaugliche Elektroflitzer legt jedoch den größten Kritikpunkt am US-Unternehmen frei. Zwar besticht das Auto durch Preis und Reichweite, die Qualität lässt allerdings oft zu wünschen übrig. In einem Youtube-Video untersucht der Automobilingenieur Sandy Munro das aktuelle Modell. Schon 2018 nahm er das Model 3 genauer unter die Lupe. Damals habe er sich „fast übergeben, so schlecht war es“. Die Fehler, die ihm vor drei Jahren auffielen, erwartete er eher „bei einem Kia aus den 1990er Jahren“. Auch beim Model 3 aus dem Jahr 2021 fallen dem Autoexperten auf den ersten Blick gravierende Mängel auf.
Model 3: „Das ist nicht akzeptabel“

Tesla-Kunden kritisierten in der Vergangenheit die Lackarbeiten des US-Autobauers scharf. Auch Autoexperte Munro verweist auf die teilweise miserable Lackierung in der Vergangenheit, die Qualität habe sich beim aktuellen Modell verbessert. „Denjenigen, der für die Lackierung verantwortlich war, haben sie wohl gefeuert“, mutmaßt Sandy Munro, der daraufhin die Spaltmaße des Model 3 untersucht.

Mithilfe eines kleinen Werkzeugs misst der Ingenieur den Abstand zwischen Tür und Kotflügel, doch die Mängel an der Beifahrerseite sind auch mit bloßem Auge zu erkennen. Die Lücke dazwischen ist nicht gleichmäßig. Unterhalb des Außenspiegels betrage der Abstand nur einen Millimeter, am unteren Ende der Beifahrertür liege das Spaltmaß bei rund fünf Millimeter, so Munro. Ein Fertigungsfehler, der den Ingenieur erzürnt: „Ich verstehe nicht, warum es noch immer Fertigungsprobleme gibt.“ Der Mangel sei „nicht akzeptabel“, ärgert sich Munro. Und spricht damit wohl vielen Tesla-Kunden aus der Seele, die ähnliche Qualitätsmängel bei ihren Fahrzeugen entdeckten.

Tesla Model 3: Spaltmaße „wie ein Geländewagen“

In der Fahrzeugentwicklung sei es die „einfachste Sache“ eine perfekte Fertigung zu gewährleisten, resümiert der Automobilexperte. In der Verarbeitung sieht Munro bei Tesla dringenden Handlungsbedarf. „So funktioniert das nicht“, prangert er die Mängel bei den Spaltmaßen an. Die Spalten, die an den Türen der Beifahrerseite zu sehen sind, vergleicht Munro mit denen eines Geländewagens. Sein Jeep weise solche Spaltmaße auf, damit man „den Schmutz besser auswaschen“ könne.
Auch für die Rücklichter setzt es Kritik. Diese seien nicht bündig mit der Heckklappe, so dass die Leuchten etwas hervorstehen. Ein Mangel, der wohl bei vielen Automobilherstellern in der Abnahme des Fahrzeugs aufgefallen wäre. Trotz der offensichtlichen Verbesserungsmöglichkeiten stellt Munro dem Model 3 ein gutes Zeugnis aus. Die aktuelle Version sei eine „gigantische Verbesserung im Vergleich zum damaligen Modell“, bilanziert er.

Elon Musk räumt Qualitätsprobleme bei Tesla-Modellen ein

Tesla wächst schnell. Der Absatz der Fahrzeuge steigt, neue Produktionsstätten wie die Gigafactory nahe Berlin befinden sich im Bau. Pro Jahr sollen zukünftig allein in der deutschen Produktionsstätte eine halbe Million Autos vom Band laufen. Doch geht das Wachstum auf Kosten der Qualität? In einem Gespräch mit Sandy Munro gibt Tesla CEO Elon Musk zu, dass die Güte der produzierten Autos schwanke.
Die Qualität sei generell schlechter, wenn Tesla die Produktion schnell hochfahre, so Musk. Es sei dann eine „sehr herausfordernde Aufgabe“, die Autos in perfekter Ausführung auszuliefern. Im Hinblick auf den Preisdruck und eine zuverlässige Endproduktion sei die Fertigung die „Hölle“, merkt der CEO an.
as Tesla herstellt, ist die dümmste und obszönste Variante der Elektromobilität. Einen Drei-Tonnen-Wagen zu bewegen, noch dazu mit extremen Beschleunigungswerten, das kann nicht ökologisch sein und auch nicht sozial", stellte Lohbeck in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" klar.

Was Tesla macht, sei "asozial"

Der Experte kritisierte weiter: "Das ist Energieverschwendung, das ist Ressourcenverschwendung, das ist Platzverschwendung, und das ist asozial. Und das zeigt: Beileibe nicht jedes Elektroauto ist gut und ökologisch." Lohbeck gilt als einer der profiliertesten Mobilitätsexperten Deutschlands. Er arbeitete unter anderem für Greenpeace und entwickelte spritsparende Autos.

Mit Material von Stern, RTL, Merkus, RBB, Focus Online und Süddeutsche Zeitung



25.09.2023 14:45
Bananen sind mitunter Einladungen zur Unfairness
Bananen – umweltfreundlich und unter fairen Arbeitsbedingungen produziert? Was ist von den Nachhaltigkeitssiegeln zu halten?
ZDF-Reporter haben sich auf die Spur von Bananen in deutschen Supermärkten gemacht. In Ecuador und Costa Rica entdecken sie ein System der Angst. Die Siegel werden oft ohne das Einhalten der erforderlichen Standards vergeben werden. Arbeiterinnen und Arbeiter berichten von massiven Arbeitszeitverstößen und ungeschütztem Kontakt mit giftigen Pestiziden – auch bei Betrieben, die mit Nachhaltigkeitssiegeln von großen Zertifizierern ausgezeichnet sind.

Die Dokumentation "Die Spur" im ZDF deckt auf, was sich hinter den Kulissen abspielt: Niedrige Standards, lasche Kontrollen und die mutmaßliche Abhängigkeit der Zertifizierer von der Lebensmittelindustrie. Die Bananen, die wir kaufen, haben oft einen bitteren Beigeschmack. Den Preis zahlen die Menschen vor Ort.

„Wir nutzen eine Vielzahl von Pestiziden“

Zu Hause im Supermarkt gibt es viele schöne Aufkleber. Den WWF-Pandabär. Das Bio-Siegel. Das Siegel „Rainforest Alliance“. „Marken können damit ausdrücken, dass Gutes in ihren Produkten steckt“, verspricht der Werbefilm. Das ZDF-Team startet nach Lateinamerika. Ein Drittel aller Bananen weltweit kommt aus Ecuador. Bei Dole oder Chiquita will man mit dem Fernsehteam nicht sprechen. Es filmt dann eben den üppigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf die Bananen. „Wir nutzen eine Vielzahl von Pestiziden“, plaudert ein Produzent sehr freimütig. Die Arbeiter machen das ohne Atemschutz.
Bananen und Bananen-Republiken

1870 ist das Jahr, in dem die Banane ihre Weltkarriere beginnt. Da entdecken US-Unternehmer die Frucht als Verkaufsschlager. In Lateinamerika entstehen Monokulturen. Korrupte Regierungen spielen mit – und handeln sich den Titel „Bananen-Republik“ ein. Die Regierungen gehen, die Pestizide bleiben. Die Leiterin einer Schule inmitten von Plantagen berichtet von einer weißen Schicht, die sich auf der Haut ihrer Schüler absetzt, wenn die Sprühflugzeuge unterwegs sind. „Wenn sie sprühen, fühlen sich die Kinder schlecht“, sagt die Lehrerin. Die Piloten oben tragen Masken. Die Schüler unten und die Arbeiter in den Plantagen aber nicht.

Welche Chemikalien eingesetzt werden? Mancozeb etwa, in der EU verboten, aber in Ecuador erlaubt. Es beeinflusst die Schilddrüse. Wenn werdende Mütter dem Stoff ausgesetzt sind, zeigen ihre Kinder später Schwächen „bei emotionalen und kognitiven Tests“, erklärt eine Wissenschaftlerin. Kurz: Kopf und Gefühlsleben sind gestört. Krebserregend soll die Chemikalie auch sein. In Bayern empfiehlt die Verbraucherzentrale, sich der Rückstände wegen nach dem Anfassen von Bananenschalen die Hände zu waschen. In Südamerika fliegen Sprühflugzeuge über Kinder und Arbeiter.

„Da werden sogar die Steine grün angestrichen“

Beispiel REWE. Auf Bananen klebt der grüne Frosch von „Rainforest Alliance“, das Siegel schmückt angeblich 40 Prozent der Bananen in Deutschland. Die ZDF-Reporter besuchen den Herstellungsbetrieb in Ecuador. Die Versprechen: weniger Pestizide, gute Arbeitsbedingungen. Eine Arbeiterin, Maria genannt, erzählt Anderes: „Die Bedingungen sind schrecklich“, sagt sie. „Sie lassen uns von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends arbeiten – zahlen aber nur Teilzeit.“ Heißt: Deutlich weniger als die gesetzlich vorgeschriebenen 450 Dollar Mindestlohn.

Die Kontrollen fürs Siegel werden im Regelfall angemeldet. Das ZDF spielt die Audioaufnahme von einem Vorarbeiter ein: „Morgen kommt möglicherweise jemand von ,Rainforest‘“, sagt der – und gibt vor, welche Chemie eingesetzt werden darf: Glyphosat. Und vor allem, welche Pestizide samt Umverpackungen für diesen Tag verschwinden müssen. „Da werden sogar die Steine grün angestrichen“, berichtet ein Gewerkschafter vor Ort.

„Es duscht einen!“

Nächste Station: Costa Rica, ein Viertel der deutschen Bananen kommt von hier. Ein Video von Arbeitern zeigt, wie sie im Sprühnebel der Chemieflugzeuge arbeiten. Dreimal im Monat komme das vor, sagt einer. „Es fliegt über einen hinweg und duscht einen!“ Einer der Betriebe produziert für Aldi. Auch er hat ein „Rainforest Alliance“-Siegel. Aldi will untersuchen – und nimmt die Produkte des Herstellers so lange aus dem Sortiment.

104.289 Bio-Siegel aktuell in Deutschland

Wer also ist diese „Rainforest Alliance“? In den vergangenen zehn Jahren habe die Organisation die Einnahmen auf 90 Millionen Dollar verdoppelt. Millionenspenden kommen von Jacobs, Walmart und Ikea. Das große Geschäft bringen mit 60,3 Prozent aber die Lizenzgebühren – also der Verkauf des Grüner-Frosch-Siegels. Zwei Zahlen dazu: 78 Prozent der Verbraucher in Deutschland gaben schon 2019 an, dass Siegel ihre Kaufentscheidung erleichtern. Im Juni 2023 trugen in Deutschland 104.289 Produkte Bio-Siegel.

Noch gibt es Bananen in jedem Supermarkt. Aber wird das auch in Zukunft so sein?

Entwarnung gibt es nicht, im Gegenteil: "Die Situation ist wirklich dramatisch", sagt Gert Kema von der niederländischen Universität Wageningen, einer der weltweit führenden Bananenforscher. "Gegen diesen neuen Erreger der Panama-Krankheit gibt es kein Mittel. Und gegen weitere Pilze helfen nur riesige Mengen an Fungiziden. Die Banane, die wir kennen, ist extrem bedroht - und ein Nachfolger nicht in Sicht."

Geklonte Pflanzen

Cavendish heißt die Sorte, die zu mehr als 95 Prozent den globalen Bananenhandel dominiert, in Deutschland sogar zu 99 Prozent. Während wilde Bananenpflanzen erbsengroße Samen enthalten können, ist die Cavendish samenlos - die Frucht entwickelt sich ohne Bestäubung.

Die Cavendish-Banane vermehrt sich mithilfe von abgeschnittenen Trieben, die in den Boden gesteckt werden. Damit sind praktisch alle Cavendish-Bananen auf der Welt geklont: Sie sind genetisch gleich. "Bananen sind die schlimmste, verrückteste Monokultur der Welt", sagt Kema.

Über eine Million Tonnen Bananen essen die Deutschen jedes Jahr. Damit haben sie eine Spitzenposition in Europa - mit enormer Preismacht. Denn ein Drittel des gesamten EU-Bananenimports landet auf heimischen Ladentischen, in den Supermärkten und bei den Discountern. In einem gnadenlosen Preiskampf verkommt hier die gelbe Frucht zur Ramschware. Der Preis für Bananen ist seit 20 Jahren nicht gestiegen. Der Film deckt die erstaunlich große Macht deutscher Supermarktketten auf und zeigt, welch dramatische Folgen unser Billigwahn für Arbeiter und Umwelt in den Anbauregionen Lateinamerikas hat.
Trotz möglicher Alternativen greifen die Kunden vor allem zu den Billigangeboten. Entgegen allen Lippenbekenntnissen fristen Bio- und Fair-Trade-Bananen ein Nischendasein. Der über ein Jahr lang recherchierte Film zeigt in eindringlichen Bildern: Die wahre "Bananenrepublik" liegt heutzutage nicht mehr in Lateinamerika, sondern in Deutschland.
Die Banane ist das meistkonsumierte Frischobst der Welt und auch die beliebteste Südfrucht der Deutschen: Rund 18 Kilo werden hierzulande im Schnitt jährlich pro Privathaushalt verzehrt. Obwohl Bananen per Schiff aus Ländern wie Peru, der Dominikanischen Republik, Kolumbien oder Ecuador importiert werden müssen, kosten sie häufig nur halb so viel wie heimische Äpfel. Der Preisdruck wird häufig an die Produzent*innen weitergereicht, und das bei stetig steigenden Produktionskosten.
Herausforderungen

Der Klimawandel mitsamt seinen Folgen ist die größte Herausforderung der Agrarproduktion. Er beeinflusst auch den Bananenanbau massiv: Extreme Hitzewellen, Überschwemmungen oder außergewöhnliche Kälteperioden bedrohen die Ernten. Hinzu kommen Pflanzenkrankheiten wie Fusarium TR4. Diese gefährden nicht nur die Verfügbarkeit der Banane, sondern auch Lebensgrundlagen der Produzent*innen.

Kleinbauernfamilien fürchten um ihre Existenz, da sie dem Preisdruck, der von Exporteuren, Importeuren und Supermärkten ausgeht, oft nicht standhalten können. Das Überleben der Kleinbauernfamilien, die in Konkurrenz mit riesigen Bananenplantagen stehen, ist nicht gesichert.

Arbeiter*innen auf nicht Fairtrade-zertifizierten Bananenplantagen arbeiten oft unter katastrophalen Arbeitsbedingungen. Dazu gehören teilweise Arbeitszeiten von bis zu 15 Stunden und willkürliche Gehaltszahlungen, die meist weit unter dem Mindestlohn liegen. Das liegt unter anderem daran, dass unabhängige Gewerkschaften fehlen – auf vielen konventionellen Bananenplantagen sind diese verboten.

Bananen sind „Pestizid-Weltmeister": Die meisten Verbraucher*innen kaufen am liebsten makellose Bananen. Deshalb werden Pestizide oft großzügig und unkontrolliert eingesetzt – mit enormen Risiken für Mensch und Natur. Dazu gehören gesundheitliche Schäden für Arbeiter*innen bis hin zum Verlust der Biodiversität. Für Fairtrade-Bananen gibt es dagegen strenge Umweltstandards. Dadurch sind auch konventionelle Fairtrade-Bananen nachhaltiger als herkömmliche Bananen.

Warum Fairtrade den Unterschied macht

Der faire Handel unterstützt die Arbeiter*innen auf den Bananenplantagen und setzt sich gleichzeitig für die Bananen-Kleinbauernfamilien ein

Gedüngt wird beim Bio-Bananenanbau wie folgt: >Pflanzenmaterial der abgeschlagenen Pflanzen wird auf der Stelle mit der Machete zerkleinert und sichelformig um den Schößling gelegt »Kompost wir hergestellt »nie wird Dünger unkompostiert aufs Feld gebracht (BCS-Auflage) »der Dünger besteht hauptsächlich aus Kuhmist, Ziegenmist, Schafmist, geschredderten Bananenstengeln (Kalium!), Reisasche, Asche aus Sägespänen, Stroh, Bananenschalen, Kakaoblättern. Zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit wird außerdem der Anbau von Leguminosen von der BCS vorgeschrieben. Dabei handelt es sich um Gandules (Linsenart). Die Pflanzen sollen am Feldrand und in der Plantage stehen. Sie werden außerdem in eigenen Feldern angebaut, dann zerkleinert und dem Kompost zugegeben. Pflanzenschutz: Das Unkraut wird manuell geschnitten »gegen die Blattkrankheit Sigatoka wird alle 10-14 Tage mit Kryphton oder Milagros (Metallsulfate, BCS-zertifiziert) geflogen »zum Schutz gegen Insekten werden Tüten an der Staude angebracht, sobald sich die Blüte zeigt »Gegen Kronenfäule wird eine Tinktur aus Citrex, Zitronensaft (0,1%) und Alaun (10%) mit dem Pinsel aufgebracht »Rund um und in der Packstation wird zur Desinfektion und zum Fernhalten von Insekten, wie z.B. Kakerlaken, Kalk ausgestreut.

Mit Material des ZDF, das Erste, Faire Trade und Querbeet.

20.09.2023 09:53
Fairness muss erzwungen werden – sonst passiert wenig und Unfairness triumphiert
Ohne das Lieferkettengesetz gäbe es vermutlich kaum Bewegung in den Produktions- und Lieferketten in Deutschland, Europa und international. Darauf wurde in diesem Blog schon vielmals aufmerksam gemacht – und das ist auch im "Fairness-Check" zu erkennen. Cordula Rhode hat (in der taz) anlässlich der Fairen Woche in Deutschland einen genaueren Blick auf den aktuellen Stand der Lieferketten und der Notwendigkeit, mit der EU noch mehr für die Fairness in Lieferketten zu sorgen – vor allem auch zugunsten der meisten prekären Beschäftigten:

„Bereits im Februar 2022 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein Gesetz über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen vorgelegt, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Sie soll verbindliche Regelungen in den Bereichen Menschenrechte, Klima und Umwelt treffen. Im Dezember desselben Jahres einigten sich die EU-Länder auf ein Lieferkettengesetz. Im EU-Parlament stimmte im Juni 2023 eine Mehrheit für eine Verschärfung des ursprünglichen Gesetzesvorschlags der EU-Kommission. Nun folgt der Trilog-Prozess, in dem die drei gesetzgebenden EU-Institutionen (Kommission, Parlament und Rat) die endgültige Ausgestaltung der Richtlinie verhandeln. Erfolgt eine Einigung, wird das Gesetz in Kraft treten.

Im Vergleich zum deutschen Lieferkettengesetz (LkSG), das seit dem 1. Januar 2023 gilt, gehen die Forderungen des EU-Gesetzes in vielen Bereichen weiter. Anders als das deutsche Gesetz differenziert zum Beispiel das EU-Gesetz bei der Existenzsicherung zwischen Lohn und Einkommen. „Dies ist von großer Bedeutung, da rund ein Drittel der von uns konsumierten Lebensmittel von kleinbäuerlichen Betrieben produziert werden, die als unabhängige Ateur:innen keinen Lohn bekommen, sondern sich ein Einkommen erwirtschaften“, erläutert Stephanie Seeger vom Weltladen Dachverband. Ihre berufliche Existenz würde durch das neue Gesetz endlich geschützt. Die Umsetzung dieses Rechts wird aber vermutlich nicht einfach: „Bei Verstößen liegt die Beweislast allein bei den Betroffenen, während die ‚Informationsmacht‘ bei den Unternehmen liegt.“ Es scheint eher unwahrscheinlich, dass diese eine:r Kläger:in volle Einsicht in ihre Unterlagen geben würden.

Die Bundesregierung hatte in der Verhandlung im EU-Rat eine Protokollnotiz zur sogenannten „Safe Harbour“-Klausel durchgesetzt und knüpft ihre Zustimmung zu einem EU-Lieferkettengesetz an diese Klausel: Sie würde es Unternehmen etwa erlauben, Produkte oder Produktionsprozesse von externen Prüfern als einwandfrei zertifizieren zu lassen oder sich an bestimmten Brancheninitiativen zu beteiligen. Auf diese Weise müssten sie dann nur noch haften, wenn ihnen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. „Diese Forderung, die einen der wichtigsten Aspekte des geplanten Gesetzes aushebeln würde, wurde aber nicht in den Vorschlag des EU-Parlaments übernommen“, erklärt Stephanie Seeger. Im Trilog werde sich nun zeigen, ob die Bundesregierung weiter auf der Regelung besteht – eine der vielen noch offenen Fragen. „Natürlich wird dieses Gesetz noch zahlreiche Schwachstellen haben“, so die Expertin, „aber es ist gut und wichtig, dass es überhaupt kommen wird.“

Fachleute sehen noch zahlreiche Schlupflöcher für die Unternehmen. Mehr als 140 Organisationen, auch der Weltladen Dachverband, fordern in der „Initiative Lieferkettengesetz“ gemeinsam konsequente und verbindliche Regelungen. Vor vier Jahren wurde die Initiative gegründet, um das damals in Planung befindliche deutsche Lieferkettengesetz im öffentlichen Bewusstsein zu verankern und Einfluss auf die Politik nehmen. „Nachdem dieses Gesetz auf den Weg gebracht war, haben wir uns auf das geplante EU-Gesetz konzentriert“, erzählt Michelle Trimborn, Koordinatorin der Initiative. „Wir hoffen, dass das Gesetz zahlreiche Lücken des deutschen Gesetzes schließen wird.“ Einen der wichtigsten Unterschiede sieht die Initia­tive darin, dass das EU-Gesetz sich nicht auf den Aspekt der klassischen Menschenrechte beschränkt, sondern auch Bestimmungen zu Umwelt- und Klimaschutz fest verankert.

Zahlreiche Beispiele verdeutlichen, wie eng alle drei Themen meist verzahnt sind. So sind in der Produktion von Leder und Schuhen in Ländern wie Indien und Bangladesch minimale Löhne, Kinder- und Tagelohnarbeit der Normalfall. Durch den Kontakt mit vielen Giftstoffen sind die Arbeiter:innen einem hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt, ihnen drohen Haut- und Atemwegserkrankungen, Benzolvergiftungen und Krebs. Eine gesundheitliche Absicherung durch die Arbeitgeber erfolgt im Normalfall nicht, Gewerkschaften oder andere Interessenvertretungen werden in den meisten Herstellerländern gesetzlich verhindert. Auch die Umweltschäden durch hochtoxische Industrieabfälle sind enorm.

Die fertigen Waren, die die Kunden bei großen Unternehmen wie Deichmann und Zalando erwerben, haben also eine lange Lieferkette hinter sich, die bereits in ihren Anfängen weder Menschenrechte noch Umweltschutz berücksichtigt. Nur wenn ein Gesetz wirklich alle Schritte der Produktion reglementiert und nicht, wie das deutsche Gesetz, zwischen direkten und indirekten Zulieferern unterscheidet (für letztere sind Unternehmen nur in wenigen Ausnahmefällen verantwortlich), kann auf Dauer Abhilfe geschaffen werden.

„Wir richten das Augenmerk auch auf die nachgelagerte Wertschöpfungskette, die im Gesetz verankert werden soll“, erklärt Michelle Trimborn. Dies beziehe sich zum Beispiel auf Aspekte wie Abfallentsorgung, aber auch die Verwendung des jeweiligen Produktes. „Auch hier müssen die Unternehmen in die Verantwortung genommen ­werden.““

13.09.2023 10:52
„Fair. Und kein Grad mehr!“
„Fair. Und kein Grad mehr!“ – unter diesem Motto geht die Faire Woche am 15. September – pünktlich zum globalen Klimastreik in die nächste Runde. Gemeinsam rufen die Veranstalter dazu auf, sich dem weltweiten Protest anzuschließen und gemeinsam für Klimagerechtigkeit stark zu machen. Denn ein Blick auf die Extremwetterereignisse des Hitzesommers 2023 verdeutlicht: Der Klimawandel hat schon jetzt enorme Auswirkungen.

„Vor allem im Kaffeeanbau leiden die Menschen unter den Wetterextremen. Viele sind gezwungen, den Anbau aufzugeben oder auszuwandern, auf der Suche nach einem besseren Auskommen. Aber es gibt auch Hoffnung: Ich habe selbst gesehen, welchen Unterschied der Faire Handel für Produzentinnen und Produzenten machen kann“, sagt Maira Elizabeth López, Mitglied der Fairtrade-zertifizierten Kooperative Agraria Norandino aus Peru.

Bis zum 29. September informiert die Faire Woche mit mehr als 2.100 Veranstaltungen, wie der Faire Handel zu mehr Klimagerechtigkeit beiträgt. Organisiert wird die Aktionswoche vom Forum Fairer Handel in Kooperation mit dem Weltladen-Dachverband und Fairtrade Deutschland.

Im Zentrum der Fairen Woche 2023 steht die Forderung nach Klimagerechtigkeit.

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze, Schirmherrin der Aktionswoche, erklärt dazu: „Die Auswirkungen des Klimawandels treffen die Länder des Globalen Südens mit besonderer Härte: So wie jüngst in Indien, wo extreme Monsunregen für Überflutungen und Erdrutsche sorgten oder in Ostafrika, wo die schlimmste Dürre seit 40 Jahren herrscht, Ernten zerstört und das Vieh sterben lässt. Doch anders als bei uns sind viele Menschen in unseren Partnerländern ganz auf sich gestellt, wenn sie solche Katastrophen treffen. Deshalb gehört für mich der Aufbau von sozialen Sicherungssystemen zu einer engagierten und ganzheitlichen Klimapolitik dazu. Dass wir in den Industrieländern unseren fairen Anteil an dieser Aufgabe tragen, ist für mich eine Frage der Gerechtigkeit.“

Fairer Handel ist Teil der Lösung

Der Faire Handel ist Teil der Lösung auf dem Weg zu mehr Klimagerechtigkeit weltweit. „Er macht Kleinbäuerinnen und -bauern widerstandsfähiger gegen die Folgen der Klimakrise und setzt sich für eine gerechte Klimapolitik, die Eindämmung des Klimawandels und zukunftsfähige Produktionsweisen ein“, fasst Andrea Fütterer, Vorstandsvorsitzende des Forum Fairer Handel, zusammen. „Sinkende Erträge infolge der Klimakrise bei gleichzeitig horrend steigenden Lebenshaltungs- und Produktionskosten machen vielen Kleinbäuerinnen und -bauern im Globalen Süden zu schaffen. Faire und verlässliche Handelspartnerschaften eröffnen Zukunftsperspektiven, die im konventionellen Handel immer mehr Menschen verweigert werden“, ergänzt Becki Möbius, Vorständin des Weltladen-Dachverbandes.

Klimagerechtigkeit braucht Handelsgerechtigkeit

„Handelsgerechtigkeit ist für uns die zentrale Grundlage, damit die Menschen am Beginn der Lieferkette dem Klimawandel trotzen können“, konstatiert Fütterer. Denn Anpassungsmaßnahmen – etwa resilientere Anbaupraktiken – und das dafür notwendige Know-how sind mit massiven Kosten verbunden. „Umso wichtiger ist es, dass das EU-Lieferkettengesetz alle Akteure in die Pflicht nimmt, kostendeckende Preise zu zahlen“, fordert Möbius. „Weltläden stehen schon seit 50 Jahren für ein Wirtschaften, bei dem der Mensch und die Natur im Mittelpunkt stehen und nicht der Profit für einige wenige.“ Zudem muss Deutschland seine gerichtlich eingeforderten Klimaverpflichtungen einhalten und internationalen Vereinbarungen zur Eindämmung der Klimakrise nachkommen. Dass die Bundesregierung mit der Bereitstellung von internationalen Klimahilfen in Höhe von rund 6,3 Milliarden Euro frühzeitig ihr für 2025 zugesagtes Ziel erreicht hat, ist ein positives Signal. In Zukunft gilt es, den Beitrag von 6 Milliarden Euro jährlich auszubauen. Aus Sicht der Fair-Handels-Bewegung müssen besonders kleinbäuerliche Kooperativen sowie kleine Handwerksbetriebe unbürokratischen Zugang zu finanziellen Fördermitteln erhalten.

Service
Den Veranstaltungskalender der Fairen Woche finden Sie unter www.faire-woche.de/kalender
Pressekontakte
Katrin Frank, Forum Fairer Handel e.V., Tel.: 030 - 28045259, [email protected]
Hannah Maidorn, Fairtrade Deutschland e.V., Tel.: 0221- 94 20 40 94, [email protected]
Christoph Albuschkat, Weltladen-Dachverband e.V., Tel.: 06131- 68 907-81, [email protected]

Faire Woche 2023: Von A wie Ausstellung bis Z wie Zukunftswerkstatt: Kennzeichnend für die größte Aktionswoche des Fairen Handels in Deutschland ist die große Vielfalt an Veranstaltungen. Es sind niedrigschwellige Mitmachangebote, die alle Menschen dazu einladen, den Fairen Handel kennenzulernen und mehr darüber zu erfahren. Veranstalter der Fairen Woche ist das Forum Fairer Handel e.V. in Kooperation mit Fairtrade Deutschland e.V. und dem Weltladen-Dachverband e.V. Die Faire Woche wird gefördert durch ENGAGEMENT GLOBAL mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, durch Brot für die Welt mit Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes sowie durch MISEREOR.

"Wer verkauft Faires fair?"

11.09.2023 13:02
Fairness und Klugheit gehen anders - Lehrermangel mutwillig provoziert
Das ist nicht zu fassen: In Deutschland fehlen knapp 14.500 Lehrkräfte an den Schulen – und etliche Bundesländer schicken ihre Referendare, befristet eingestellte Lehrkräfte und Honorar-Lehrkräfte während der Sommer-Schulferien in die Arbeitslosigkeit. Beziehungsweise zur Arbeitsagentur, um sich arbeitslos zu melden und wenigstens Bürgergeld zu bekommen. Gewerkschaften finden das nicht nachvollziehbar - vor allem vor dem Hintergrund des dramatischen Lehrkräftemangels. Es ist grotesk – und gegenüber den Lehrenden krass unfair und politisch unklug, um nicht zu sagen: dumm.

Denn es wird die Motivation für den Lehrberuf nicht steigern. Und wer schon mal davon gehört und gelesen hat, wird den Beruf ganz meiden.
Bei Referendaren sieht das so aus: Die zweite Phase der Ausbildung nach dem Studium mit praktischem Einsatz in der Schule, wird auch Vorbereitungsdienst genannt. Dauer je nach Bundesland 12 Monate (z.B. Brandenburg) bis 24 Monate (z.B. Bayern und Thüringen), in den meisten Ländern sind es 18 Monate wie in Baden-Württemberg. Vergütung abhängig von Bundesland und Schulform. Der "Anwärtergrundbetrag" liegt laut GEW zwischen 1.426 € und 1.595 € brutto (Stand Oktober 2021). Von wegen vermindert einsatzfähig wegen Lernprozess: Der Lehrermangel führt oft dazu, dass Referendare volle Leistung bringen müssen.

Der Bundesverband der GEW hat eine Umfrage innerhalb der eigenen Landesverbände gemacht. Laut dieser gibt es unter anderem in Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein keine Gehaltslücke für Referendarinnen bzw. sind sie dort durchgehend beschäftigt. In anderen Bundesländern gibt es kürzere Lücken als die sechs Wochen Sommerferien. In anderen beträgt die Lücke sogar bis zu sechs Monaten. Das liegt an den unterschiedlich langen Referendariaten.

Der deutsche Lehrerverband verurteilt, dass
Referendare mehr oder weniger lang auf Bürgergeld angewiesen sind. Es sei ein leidiges Thema. "Wer an Werktagen und Wochenenden für ein Bundesland gearbeitet hat, ihm und seinen Kindern gedient hat, der hat die Bezahlung der Sommerferien verdient", so der Präsident des Lehrerverbandes Stefan Düll.
"Stattdessen schicken Bundesländer wie beispielsweise Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen die frisch gebackenen Lehrerinnen und Lehrer zunächst in die Arbeitslosigkeit. Wertschätzung sieht anders aus".

Vor dem Hintergrund des dramatischen Lehrkräftemangels sei das Verhalten einiger Bundesländer nicht nachvollziehbar, so der GEW-Bundesverband.
Und der Lehrkräftemangel ist auch in Baden-Württemberg groß. Das Land hat aktuell gleich zwei Werbekampagnen gestartet, um neue Interessenten für den Job zu begeistern. Sowohl das Wissenschaftsministerium als auch das Kultusministerium werben mit Slogans wie: "Lieber Lehramt" und "Lust auf Veränderung? Dann werde Lehrkraft."

Dass die Referendarinnen und Referendare die Sommerferien über auf Bürgergeld angewiesen seien, sei kein Widerspruch dazu. Nach den Sommerferien hätten diese eine lebenslange Jobgarantie, wenn sie ein gewisses Maß an örtlicher Flexibilität zeigen würden. So das Kultusministerium. "Sie erhalten ein sehr attraktives Gehalt, eine private Krankenversicherung, Beihilfe, Familienzuschläge und eine Pension im Alter."
Alles in allem sei das ein hervorragendes Angebot, das auch nicht im Widerspruch dazu stehe, mehr Personen für ein Lehramtsstudium beziehungsweise für eine Tätigkeit als Lehrkraft zu begeistern. Die Werbekampagne koste so viel wie eine einzige Lehrerstelle für etwas mehr als zwei Jahre.

Man spare über die Sommerferien kein Geld ein, da man die Referendarinnen und Referendare nicht entlasse, sondern deren Arbeitsvertrag auslaufe.

Arbeiten ohne Bezahlung

Außerdem dürften die Referendare formal das Schulgebäude während der Sommerferien nicht betreten, weil sie nicht dort angestellt sind. Sie müssten aber, weil vor Schuljahresbeginn schon Konferenzen stattfinden. Und sie müssen unbezahlt im Sommer für die Schule arbeiten, so wie Referendar David Hanke. "Wenn man mit einem vollen Deputat wieder anfängt und dann nachher 25 Stunden in der Woche unterrichten soll, müssen die auch irgendwann vorbereitet werden."

Diese Praktiken der Kultusministerien gibt es schon seit Jahrzehnten. Lehrer und Lehrerinnen und Sparbrötchen der Landeshaushalte – bei gutem Einsatz für Schule, Unterricht, Schüler und Eltern.

Wer mehr Lehrkräfte händeringend sucht, sollte diese Praktiken schleunigst beenden und mehr Wertschätzung signalisieren und umsetzen. Sonst bleiben die Kultuspolitiker und -minister unglaubwürdig. Und der Lehrberuf unattraktiv. Fairness und Klugheit gehen anders.

(mit Material der Tagesschau)

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