Blog-Artikel

29.09.2023 12:48
Tesla und Musk - eine Laison für krasse Unfairness  

Durch Deutschland muss ein Ruck gehen, darauf können sich gerade alle einigen. Wenn nach Ober-Ruckgebern gesucht wird, fällt oft ein Name: Elon Musk. Der hat mit seiner E-Auto-Schmiede Tesla nicht einfach nur an der Vorherrschaft der traditionellen Autobranche geruckelt, er hat ganze Maßstäbe verrückt: schneller, höher, weiter. Das fasziniert, auch den stern, der vor wenigen Woche Teile einer aufsehenerregenden Musk-Biografie veröffentlicht hat.

Das verschreckt jedoch zugleich viele, die sich fragen: Wollen wir das wirklich, eine amerikanische Start-up-Mentalität, in der es wenig um Mitarbeiter oder Qualitätssicherung geht, alles hingegen um Stückzahlen und um Profit kreist?

Die Antwort liegt wohl in der Mitte: Teslas Dynamik schafft Arbeitsplätze, sie sorgt für Fortschritt. Deswegen gab es auch viel Begeisterung, als der Autobauer in Brandenburg ein Werk eröffnete, das rund 12.000 Jobs schaffen sollte. Die deutsche Politik räumte alle Hindernisse im Tesla-Takt aus dem Weg, Bundeskanzler Olaf Scholz stand zur Eröffnung stolz an der Seite von Musk.

Jedoch ist auch die Schattenseite des Systems Tesla in Brandenburg mittlerweile unübersehbar, wie eine fast einjährige Recherche von stern und RTL News aufdeckt. Valeria Bajaña Bilbao und Kim Lucia Ruoff recherchierten für den Stern undercover in der Tesla-Fabrik. Christian Esser, Manka Heise und Tina Kaiser haben zahlreiche Arbeitsunfälle rekonstruiert, haarsträubende Umweltsünden aufgelistet. Sie zeichnen anhand von Interviews und Dokumenten nach, wie Zweifler in Behörden ignoriert wurden – und wie die Politik wegschaute und selbst schwere Verstöße gegen Arbeitsschutz- und Umweltauflagen hinnahm.

Elektroautohersteller Tesla hat innerhalb von sechs Monaten 190 Arbeitsunfälle in seinem Brandenburger Werk gemeldet - darunter auch schwere und schwerste. Zudem wurden bereits 26 Umwelt-Havarien gemeldet. In der Fabrik des US-Autobauers Tesla in Grünheide (Oder-Spree) kommt es einem Medienbericht zufolge zu deutlich me
hr Arbeitsunfällen als in anderen Autowerken.
Wie der "Stern" am Donnerstag unter Berufung auf Angaben von Behörden und Rettungsdiensten berichtet, seien darunter auch schwere und schwerste Arbeitsunfälle. Kritik gibt es nun auch an der Rolle der brandenburgischen Landesregierung um Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

Laut "Stern" meldete Tesla allein zwischen Juni und November 2022 mindestens 190 Unfälle in Grünheide - also fast einen pro Tag. Arbeitsunfälle, die zu einer mindestens dreitägigen Arbeitsunfähigkeit führen, sind in Deutschland meldepflichtig. Rettungsstellen zufolge sei zudem im ersten Jahr nach der Eröffnung 247 Mal ein Rettungswagen oder Hubschrauber gerufen werden, berichtete das Magazin weiter. Auf die Mitarbeiterzahl umgerechnet seien das dreimal so viele Notfälle wie beispielsweise im Werk von Audi in Ingolstadt.

"Wir sind schon seit längerem besorgt über die Arbeitssicherheit bei Tesla in Grünheide", erklärte der Bezirksleiter der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Dirk Schulze. "Zahlreiche Beschäftigte berichten uns von Unfällen und Gesundheitsbelastungen. In einigen Bereichen führt dies zu Krankenständen von bis zu 40 Prozent." Dem "Stern" sagte Schulze, er habe "die größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt".

Mehr als 10.000 Beschäftigte im Werk
Der Gewerkschafter macht der Tesla-Führungsetage deshalb schwere Vorwürfe: Das Management reagiere "mit Druck auf die Kranken", erklärte er. "Und die noch Gesunden werden angehalten, mit weniger Personal die gleichen Stückzahlen zu produzieren." Angesichts der Medienberichte sei nun zu befürchten, dass Tesla nach den Mitarbeitern suche, die mit der Presse gesprochen haben, anstatt die Missstände zu beheben. Aktuell arbeiten in dem Werk in Brandenburg Unternehmensangaben zufolge mehr als 10.000 Beschäftigte, "perspektivisch sind 22.500 Mitarbeiter möglich", erklärte Tesla. Der Konzern will die Produktionskapazität in dem Werk auf eine Million Autos verdoppeln.

Ministerpräsident Woidke wusste nach eigener Aussage von den Unfällen.

Der Brandenburger Ministerpräsident Woidke sagte dem "Stern", dass er von den häufigen Unfällen im Tesla-Werk wisse. Er sei aber "nicht der Sprecher von Tesla". Derweil reichte das Transparenzportal "FragDenStaat" Klage gegen den SPD-Politiker ein, um Einsicht in Unterlagen einer gemeinsamen Taskforce der Landesregierung mit dem Autobauer zu erhalten. Nach Angaben der Staatskanzlei gibt es seit Ende 2019 regelmäßig Treffen von Ministerien- und Unternehmensvertretern. Die Aktivisten werfen Woidke vor, Informationen zu diesen Treffen unter Verschluss zu halten. Aiko Kempen von "FragDenStaat" sagte dem "Stern": "Die Öffentlichkeit hat das Recht zu erfahren, wie ein Milliardenkonzern Einfluss auf das Land nimmt."

Streit um Arbeitsbedingungen Tesla-Betriebsrat wirft IG-Metall Falschinformation vor
Die vielen Arbeitsunfälle sind derweil nicht das einzige Problem für das US-Unternehmen: Tesla hat in seiner Fabrik seit der Eröffnung vor eineinhalb Jahren 26 Umwelt-Havarien gemeldet. Das geht aus Informationen des Brandenburger Landesamts für Umwelt hervor, über die der "Stern" ebenfalls berichtet und die auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegen.

Zu den Havarien zählen Austritte von 15.000 Liter Lack, 13 Tonnen Aluminium sowie 50 und 150 Liter Diesel. Nach Informationen des Landesumweltamtes wurden Lack und Aluminium fachgerecht oder ordnungsgemäß entsorgt. Bei Diesel sei der Boden in einem Fall ausgekoffert worden. Seit März 2022 gab es zudem acht Brände.

Bei den Vorfällen handelt es sich laut Landesumweltamt um Betriebsstörungen, nicht um Störfälle im Sinn der sogenannten Störfallverordnung. Ein Teil des Geländes liegt im Wasserschutzgebiet. Tesla weist Bedenken zurück.

Minister Vogel (Grüne): "Die Überwachung funktioniert"

Der Autobauer räumte ein, dass es auf dem Fabrikgelände während der Bauarbeiten und seit der Inbetriebnahme mehrere Vorfälle gegeben habe. Bei keinem der Vorfälle habe es sich um einen Störfall nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gehandelt, bei keinem Vorfall sei es zu Umweltschäden gekommen, heißt es bei dem Unternehmen. Wenn nötig, seien Korrekturmaßnahmen umgesetzt worden.

Der Leiter Ökosysteme am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Martin Pusch, sprach von einer grundsätzlich hohen Gefährdung mit Blick auf das Trinkwasser. "Es ist ein hohes Risiko der Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung aufgrund der geringen Rückhaltekapazität des Untergrunds", sagte Pusch der Deutschen Presse-Agentur.
Der Brandenburger Umweltminister Axel Vogel (Grüne) räumte auf Anfrage des "Sterns" ein, dass Probleme auf dem Werksgelände aufgetaucht seien, sah aber keine Gefahr. Auf die Frage, ob er ausschließen könne, dass das Grundwasser unter der Fabrik verseucht ist, sagte er laut "Stern": "Kann ich ausschließen. Die Überwachung funktioniert."

Und das Auto selbst?

Tesla ist der wertvollste Autobauer der Welt. Mit CEO Elon Musk an der Spitze mischt das junge Automobilunternehmen die Branche auf, lässt mit einem Marktwert von rund 580 Milliarden Euro die etablierten Autohersteller zurück. Innovation, ansprechendes Design und günstiger Preis.

Auf diesen Grundpfeilern stützt sich die Aufstieg von Tesla, doch anhaltende Kritik an der Fertigungsqualität lässt manche potentiellen Kunden zurückschrecken. Für den US-Konzern deshalb essenziell: Der Erfolg des Model 3, das im Vergleich zu den Modellen S, X und Y für breite Bevölkerungsgruppen erschwinglich ist.

Der massentaugliche Elektroflitzer legt jedoch den größten Kritikpunkt am US-Unternehmen frei. Zwar besticht das Auto durch Preis und Reichweite, die Qualität lässt allerdings oft zu wünschen übrig. In einem Youtube-Video untersucht der Automobilingenieur Sandy Munro das aktuelle Modell. Schon 2018 nahm er das Model 3 genauer unter die Lupe. Damals habe er sich „fast übergeben, so schlecht war es“. Die Fehler, die ihm vor drei Jahren auffielen, erwartete er eher „bei einem Kia aus den 1990er Jahren“. Auch beim Model 3 aus dem Jahr 2021 fallen dem Autoexperten auf den ersten Blick gravierende Mängel auf.
Model 3: „Das ist nicht akzeptabel“

Tesla-Kunden kritisierten in der Vergangenheit die Lackarbeiten des US-Autobauers scharf. Auch Autoexperte Munro verweist auf die teilweise miserable Lackierung in der Vergangenheit, die Qualität habe sich beim aktuellen Modell verbessert. „Denjenigen, der für die Lackierung verantwortlich war, haben sie wohl gefeuert“, mutmaßt Sandy Munro, der daraufhin die Spaltmaße des Model 3 untersucht.

Mithilfe eines kleinen Werkzeugs misst der Ingenieur den Abstand zwischen Tür und Kotflügel, doch die Mängel an der Beifahrerseite sind auch mit bloßem Auge zu erkennen. Die Lücke dazwischen ist nicht gleichmäßig. Unterhalb des Außenspiegels betrage der Abstand nur einen Millimeter, am unteren Ende der Beifahrertür liege das Spaltmaß bei rund fünf Millimeter, so Munro. Ein Fertigungsfehler, der den Ingenieur erzürnt: „Ich verstehe nicht, warum es noch immer Fertigungsprobleme gibt.“ Der Mangel sei „nicht akzeptabel“, ärgert sich Munro. Und spricht damit wohl vielen Tesla-Kunden aus der Seele, die ähnliche Qualitätsmängel bei ihren Fahrzeugen entdeckten.

Tesla Model 3: Spaltmaße „wie ein Geländewagen“

In der Fahrzeugentwicklung sei es die „einfachste Sache“ eine perfekte Fertigung zu gewährleisten, resümiert der Automobilexperte. In der Verarbeitung sieht Munro bei Tesla dringenden Handlungsbedarf. „So funktioniert das nicht“, prangert er die Mängel bei den Spaltmaßen an. Die Spalten, die an den Türen der Beifahrerseite zu sehen sind, vergleicht Munro mit denen eines Geländewagens. Sein Jeep weise solche Spaltmaße auf, damit man „den Schmutz besser auswaschen“ könne.
Auch für die Rücklichter setzt es Kritik. Diese seien nicht bündig mit der Heckklappe, so dass die Leuchten etwas hervorstehen. Ein Mangel, der wohl bei vielen Automobilherstellern in der Abnahme des Fahrzeugs aufgefallen wäre. Trotz der offensichtlichen Verbesserungsmöglichkeiten stellt Munro dem Model 3 ein gutes Zeugnis aus. Die aktuelle Version sei eine „gigantische Verbesserung im Vergleich zum damaligen Modell“, bilanziert er.

Elon Musk räumt Qualitätsprobleme bei Tesla-Modellen ein

Tesla wächst schnell. Der Absatz der Fahrzeuge steigt, neue Produktionsstätten wie die Gigafactory nahe Berlin befinden sich im Bau. Pro Jahr sollen zukünftig allein in der deutschen Produktionsstätte eine halbe Million Autos vom Band laufen. Doch geht das Wachstum auf Kosten der Qualität? In einem Gespräch mit Sandy Munro gibt Tesla CEO Elon Musk zu, dass die Güte der produzierten Autos schwanke.
Die Qualität sei generell schlechter, wenn Tesla die Produktion schnell hochfahre, so Musk. Es sei dann eine „sehr herausfordernde Aufgabe“, die Autos in perfekter Ausführung auszuliefern. Im Hinblick auf den Preisdruck und eine zuverlässige Endproduktion sei die Fertigung die „Hölle“, merkt der CEO an.
as Tesla herstellt, ist die dümmste und obszönste Variante der Elektromobilität. Einen Drei-Tonnen-Wagen zu bewegen, noch dazu mit extremen Beschleunigungswerten, das kann nicht ökologisch sein und auch nicht sozial", stellte Lohbeck in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" klar.

Was Tesla macht, sei "asozial"

Der Experte kritisierte weiter: "Das ist Energieverschwendung, das ist Ressourcenverschwendung, das ist Platzverschwendung, und das ist asozial. Und das zeigt: Beileibe nicht jedes Elektroauto ist gut und ökologisch." Lohbeck gilt als einer der profiliertesten Mobilitätsexperten Deutschlands. Er arbeitete unter anderem für Greenpeace und entwickelte spritsparende Autos.

Mit Material von Stern, RTL, Merkus, RBB, Focus Online und Süddeutsche Zeitung


Unternehmen
  Blog-Artikel
  Blog-Kategorien
  Blog-Archiv