Blog nach Monat: März 2019

18.03.2019 11:39
Fairness für Whistleblower?
Wer Rechtsverstöße in Unternehmen oder Organisationen offenlegt, lebt gefährlich. Whistleblower riskieren, strafrechtlich verfolgt oder entlassen zu werden. Jetzt hat die EU eine Richtlinie zum Schutz vorgestellt.

Illegaler Handel mit Facebook-Daten, manipulierte Abgaswerte bei Diesel-Autos, Geldwäsche und Steuerhinterziehung rund um die Panama Papers: Viele Skandale, die in den vergangenen Jahren große Schlagzeilen und zahlreiche Gerichtsverfahren mit sich brachten, wären möglicherweise unentdeckt geblieben, wenn nicht Insider brisante Informationen öffentlich gemacht hätten. Dafür zahlen Hinweisgeber häufig einen hohen Preis, so EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans.

Neue Richtlinie: drei Richtungen

Zum besseren Schutz von Whistleblowern sieht eine neue Richtlinie der EU-Kommission drei Kanäle vor: Zunächst sollen Hinweisgeber intern die Möglichkeit haben, Rechtsverstöße anzuprangern. Dafür müssen Unternehmen und Behörden vertrauenswürdige Kommunikationswege schaffen - zum Beispiel in Form von Ombudsleuten. Die Regeln betreffen alle Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern oder einem Jahresumsatz von zehn Millionen Euro. Wenn das Unternehmen auf Beschwerden nicht reagiert, sollen Whistleblower sich an staatliche Kontrollbehörden und Bürgerbeauftragte wenden. Im letzten Schritt sei der Gang an die Öffentlichkeit, über Journalisten und Medien legitim, so Timmermans.

Beweislast beim Unternehmen

In diesen Fällen sollen die Hinweisgeber nicht ihre Entlassung fürchten müssen oder andere Formen der Vergeltung. Kommt es doch dazu, muss das Unternehmen beweisen, dass etwa eine Versetzung oder Gehaltseinbußen nichts mit der Veröffentlichung zu tun haben.
Nicht nur für Angestellte
Dieser Schutz soll nicht nur Angestellten gewährt werden, sondern auch Auftragnehmern, Zulieferern, Praktikanten oder Bewerbern, erklärt Justizkomissarin Vera Jourova. Ein Whistleblower sei der Richtlinie zufolge jeder, der interne Informationen über EU-Rechtsverstöße offenlegt, die der Gesellschaft ernsthaft schaden.
Die neue Richtlinie ist zunächst ein Vorschlag der EU-Kommission. Das Europäische Parlament fordert die neuen Regeln bereits seit langem. Schließlich müssen noch die Staats- und Regierungschefs zustimmen, bevor die Mitgliedstaaten den Schutz der Whistleblower in nationales Recht umsetzen müssen. Soweit Samuel Jackisch, ARD-Studio Brüssel

Was ist vorgesehen?

Klare Mechanismen und Pflichten für Arbeitgeber
Alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten oder einem Jahresumsatz von mehr als 10 Mio. EUR müssen ein internes Verfahren für den Umgang mit Meldungen von Hinweisgebern einführen. Auch alle Landes- und Regionalverwaltungen und Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern werden von der neuen Richtlinie erfasst.
Die erforderlichen Schutzmechanismen sollen Folgendes umfassen:
• klare Meldekanäle innerhalb und außerhalb der Organisation, um die Vertraulichkeit zu wahren;
• ein dreigliedriges Meldesystem bestehend aus:
• internen Meldekanälen;
• Meldungen an die zuständigen Behörden – wenn interne Kanäle nicht funktionieren oder nach vernünftigem Ermessen nicht funktionieren können (z. B. wenn die Nutzung interner Kanäle die Wirksamkeit von Untersuchungsmaßnahmen der zuständigen Behörden gefährden könnte);
• Meldungen in der Öffentlichkeit/den Medien – wenn nach der Meldung über andere Kanäle keine geeigneten Maßnahmen ergriffen werden oder wenn eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses oder die Gefahr eines irreparablen Schadens besteht.
• Rückmeldepflichten für Behörden und Unternehmen‚ die innerhalb von drei Monaten auf Meldungen von Missständen reagieren und sie weiterverfolgen müssen.
• Vermeidung von Vergeltungsmaßnahmen und wirksamer Schutz: Jegliche Vergeltungsmaßnahmen sind untersagt und sollen geahndet werden. Wenn ein Hinweisgeber Vergeltungsmaßnahmen erleidet, soll er Zugang zu kostenloser Beratung und angemessenen Abhilfemaßnahmen erhalten (z. B. Maßnahmen gegen Belästigung am Arbeitsplatz oder zur Vermeidung einer Entlassung). Die Beweislast wird in solchen Fällen umgekehrt, sodass die von der Meldung betroffene Person oder Organisation nachweisen muss, dass sie keine Vergeltungsmaßnahmen gegen den Hinweisgeber ergreift. Hinweisgeber werden auch in Gerichtsverfahren geschützt, etwa indem sie von der Haftung für offengelegte Informationen befreit werden.
Wirksame Sicherungsmaßnahmen
Mit dem Vorschlag werden verantwortungsvolle Hinweisgeber geschützt, die tatsächlich im öffentlichen Interesse handeln wollen. Daher enthält der Vorschlag auch Sicherungsmaßnahmen, durch die in böser oder missbräuchlicher Absicht getätigte Meldungen unterbunden und Rufschädigungen vermieden werden sollen. Für die von der Meldung eines Hinweisgebers betroffenen Personen gilt die Unschuldsvermutung, und sie haben das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, ein faires Verfahren und Verteidigung.

"Aus dem ARD-Studio in Brüssel"

"Verlautbarung der EU-Kommission"

"Was ist Whistleblowing und was kann man tun? Die Hinweise der Fairness-Stiftung"

11.03.2019 10:16
Wie Preise fair sein können
Nach dem „Preis der Gerechtigkeit“ fragt Mark Schieritz in der ZEIT vom 11.3.2019. Und fragt: „Sind Sie der Meinung, dass Ihr Paketbote ordentlich bezahlt werden sollte? Die Erzieherin Ihrer Kinder? Der Pfleger, der sich um Ihre Mutter kümmert? Die meisten Menschen werden auf diese Fragen wahrscheinlich mit Ja antworten. Es ist in der Tat moralisch nicht leicht zu begründen, warum jemand, der einen anderen Menschen pflegt, nur halb so viel verdient wie einer, der am Fließband eine Karosserie zusammenbaut.

Insofern ist es eine gute Nachricht, dass sich die Tarifparteien am Wochenende nach langen Verhandlungen auf einen vergleichsweise kräftigen Anstieg der Löhne im öffentlichen Dienst geeinigt haben. Ausgebildete Pflegekräfte beispielsweise erhalten jetzt bis zu 380 Euro mehr brutto im Monat.

Die Länder müssen daher allerdings etwa sieben Milliarden Euro mehr für Personal ausgeben. Und das Geld fällt nicht vom Himmel, sondern kommt aus dem Haushalt und fehlt damit wieder an anderer Stelle. Womit wir beim Kern der Angelegenheit wären: Wenn Paketboten, Erzieher oder Pfleger anständig bezahlt werden sollen, dann muss das wiederum jemand bezahlen. Und das sind am Ende wir alle. Die Versandgebühren steigen, die Steuern, die Beiträge zur Pflegeversicherung.

Anders gesagt: Wer faire Löhne will, der muss auch faire Preise bezahlen. Deshalb ist die Frage nach dem angemessenen Lohn hochpolitisch. In Wahrheit profitiert ein Teil der Bevölkerung durchaus davon, dass der andere Teil für wenig Geld schuftet und zurzeit nur dank staatlicher Zuschüsse genug zum Leben hat.

Wenn die Gehälter im unteren Einkommensbereich kräftig steigen sollten, dann gäbe es keinen Döner für 3,50 Euro mehr und auch keinen Herrenhaarschnitt für zehn Euro. Dann würden diese Dinge teurer.
Wie das in der Praxis aussieht, kann man sich in der Schweiz anschauen. Dort liegt der Mindestlohn für einen ungelernten Arbeiter im Gastgewerbe umgerechnet bei über 3000 Euro im Monat, dafür ist aber eine Pizza in Städten wie Zürich selten unter 20 Euro zu haben, und ein Restaurantbesuch mit der Familie ist auch für Gutverdiener ein Luxus. Das ist der Preis der Gerechtigkeit“.

Wie wäre es also mit: weniger fliegen, weniger verreisen, weniger Fleisch essen, weniger konsumieren. Und dafür mehr bezahlen zugunsten von Löhnen und Gehältern, von denen die Arbeitenden wirklich leben, ihre Mieten bezahlen und für ihre Rente besser vorsorgen können? Es käme allerdings darauf an, dass die dann erhöhten Preise nicht von den Firmenspitzen abkassiert und den Beschäftigten vorenthalten werden. Wer wird für die Fairness sorgen, wenn es gerechte Preise gibt? Hier trennt sich die Spreu vom Weizen und es bleibt nicht aus, dass jede und jeder von uns sich darum kümmern muss, ob die Firmen, deren Produkte und Dienstleistungen wir in Anspruch nehmen, ihre Beschäftigten fair entlohnen.

"Der Preis der Gerechtigkeit"

"Welche Firma handelt fair?"

01.03.2019 07:44
Abzocke mit Kosmetik für Frauen
Bei Rasierprodukten ebenso wie bei Parfüm: Verbraucherschützer haben erneut "Frauenaufschläge" von teilweise über 100 Prozent auf Drogerieprodukte dokumentiert. Dafür erfanden sie sogar eigens eine Feuchtigkeitscreme.

Selbst bei komplett gleichen Drogerieprodukten zahlen Frauen weiterhin oft einen höheren Preis. Das zeigt eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Hamburg. Ihr zufolge waren die Preise bei elf Rasierprodukten aus Drogeriemärkten für die Frauenvariante im Schnitt um 38 Prozent teurer. Die Verbraucherschützer forderten Hersteller und Händler auf, die Preisdiskriminierung von Frauen "in jeglicher Hinsicht zu unterlassen".
Ein Rasierschaum der Marke Isana werde bei Rossmann sogar mit einem Frauenaufschlag von über 100 Prozent verkauft, kritisierten die Verbraucherschützer. Für zwei Eau de Toilette seien in der Stichprobe Aufpreise von 24 Prozent bis 57 Prozent dokumentiert worden.

"Wir haben die Marktstichprobe zum vierten Mal gemacht - und die Preisdifferenz hat sich wenig verändert", bilanzierte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. "Hersteller und Händler nutzen aus, dass Frauen häufiger als Männer bereit sind, für Pflegeprodukte mehr Geld auszugeben, vor allem, wenn sie sich von der Gestaltung der Verpackungen angesprochen fühlen." Frauen seien dadurch doppelt benachteiligt, weil sie durchschnittlich weniger verdienten als Männer.

Die Verbraucherzentrale erfand zusammen mit der Agentur Serviceplan extra ein Produkt, um Verbraucher auf das Phänomen der "Pink Tax" aufmerksam zu machen. Die Feuchtigkeitscreme wurde an zwei Tagen in einem Pop-Up-Store im Hamburger Schanzenviertel angeboten: unter dem Namen "Deep Care Men" mit blauem, kantigen Schriftzug und unter dem Nahmen "Smooth Sensation Sensitive" mit geschwungenem rosa Schriftzug. Das männliche Produkt kostete 4,90 Euro, das weibliche 6,90 Euro. Die Passanten, die beides testeten, seien "teils sichtlich überrascht" gewesen.

Ungerechte Preise für Männer und Frauen werden schon seit Jahren kritisiert. In einer Studie für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes waren 2017 mehr als 1682 im Wesentlichen identische Produkte für Frauen und Männer verglichen worden. Davon unterschieden sich den Angaben zufolge 3,7 Prozent (62 Produktvarianten) beim Preis - 2,2 Prozent waren für Frauen, 1,4 Prozent für Männer teurer. Der Preisaufschlag lag bei durchschnittlich rund fünf Euro.

Als ein Beispiel für solche Produkte waren baugleiche Rasierklingen mit rosa und hellblauer Verpackung genannt worden. Produktvarianten nach Geschlecht mit Preisunterschied machten jedoch "nur einen geringen Anteil am Gesamtsortiment aus und sind damit nicht prägend für die Konsumausgaben bei Produkten insgesamt", hieß es in der Studie.

"Wie Frauen bei Drogerieartikeln abgezockt werden - Verbraucherzentale warnt"

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