Blog nach Monat: Januar 2023

31.01.2023 10:35
Kaum Konkurrenz im Strom- und Gasmarkt - ein Mangel an Fairness und Vielfalt
Einen Mangel an Wettbewerb beklagt der Netzagenturchef Klaus Müller wegen der geringen Auswahl bei Strom und Gas.

Ein Markt ohne Konkurrenz ist kein wirklicher Markt. Das sieht man sehr gut bei den Tankstellenpreisen und Ölkonzernen. Ohne Auswahl ist die Kundschaft einem monolithischen Block von gleichartigen Anbietern und Preisen ausgesetzt, was wie Planwirtschaft wirkt. Wo es keine Konkurrenz gibt, kann es auch keine Fairness zwischen den Anbietern geben, denn sie ist bei Gleichförmigkeitann überflüssig. Allenfalls die Kundschaft steht einer Anbieterfront gegenüber, die verlautbaren kann: "Friss Vogel oder stirb!". Die Konkurrenz ist abgeschafft und damit auch die Freiheit von Angebot und Nachfrage.

Auch Kooperation ist dann verschwunden anstelle eines Anbieter-Klumpens. Unterschiede müssen künstlich geschaffen und behauptet werden durch Beigaben ("hier erhalten Sie auch einen neuen Besen dazu") oder vermeintliche Imagevorteile ("wir sind nach nachaltiger als die nachhaltigen Firmen").

Weniger Angebote und »bescheidene Erfahrungen« beim Anbieterwechsel: Der Chef der Bundesnetzagentur vermisst im Strom- und Gasmarkt zurzeit »vernünftigen Wettbewerbsdruck«. Ohne den bleibt es teuer, warnt Klaus Müller.

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat zu wenig Wettbewerb bei den Strom- und Gaspreisen für Haushaltskunden beklagt. In den Vergleichsportalen sehe er, dass es im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich weniger Angebote gebe, sagte Müller bei einer Veranstaltung der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf.

»Es gibt Stadtwerke, die sich nur noch auf ihr Versorgungsgebiet konzentrieren, die haben sich aus der bundesweiten Versorgung zurückgezogen«, so Müller weiter. »Es ist wichtig, darüber zu diskutieren, was können wir dafür tun, dass mehr Marktakteure, mehr Energieversorger auch jenseits ihres ureigenen Sprengels bundesweit Angebote machen und ich als Verbraucherin und Verbraucher hier eine Wahlmöglichkeit habe.«

Viele Menschen hätten mit einem Anbieterwechsel in den letzten 18 Monaten eine »bescheidene Erfahrung« gemacht, sagte Müller. Er verwies in diesem Zusammenhang auf zahlreiche Vertragskündigungen durch Energiediscounter.

Müller zufolge stellt sich die Frage: »Wo sind eigentlich die Wettbewerbskräfte oder die Wettbewerbsakteure, die dafür sorgen, dass wir auch irgendwann wieder zu sinkenden Gas- und Strompreisen kommen?« Es gebe in Deutschland keine Behörde mehr, die diese Rolle übernehme. Preisaufsicht und -genehmigung seien aus guten Gründen abgeschafft worden und die Bundesnetzagentur sei nicht erpicht darauf, solch eine Aufgabe zu übernehmen.

»Aber wenn das keine Behörde tut, und gleichzeitig womöglich Verbraucherinnen und Verbraucher in den letzten 18 Monaten gelernt haben, derjenige, der wechselt, ist womöglich die oder der Dumme, dann haben wir eine Situation, dass wir kein vernünftiges Wettbewerbsmodell im Strom- und Gasmarkt zurzeit haben.«, so Müller. Es sei überfällig, zu »diskutieren, wie sorgen wir dafür, dass wir zu einem vernünftigen Wettbewerbsdruck kommen, damit letztendlich irgendwann Preise auch wieder sinken können.«

25.01.2023 10:52
Lieferkettengesetz in der Krise durch Lobbyisten der Wirtschaft
Wirtschaftsverbände wollen mit aller Macht ein starkes EU-Lieferkettengesetz verhindern. Bei der Bundesregierung und deutschen Abgeordneten im Europa-Parlament finden sie dabei Gehör. Die übernehmen Forderungen der Lobbyisten sogar wörtlich, wie eine Analyse von Misereor und des Global Policy Forum zeigt. Die Frankfurter Rundschau berichtet:

Einen regelrechten Lobbysturm haben deutsche Wirtschaftsverbände gegen das geplante EU-Lieferkettengesetz entfacht. Mit Erfolg – wie eine Analyse des Global Policy Forum (GPF) und des Hilfswerkes Misereor belegt. Dass der EU-Rat eine deutliche Entschärfung des Kommissionsvorschlages zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten verfolgt, geht demnach vor allem auf das Konto der Bundesregierung. Vorausgegangen waren massive Interventionen von Wirtschaftsverbänden, wie Dokumente belegen, die jetzt nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zugänglich wurden.

Im Februar 2022 hatte die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie präsentiert. Sie soll europäische Unternehmen verpflichten, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden in ihren Wertschöpfungsketten vorzubeugen, und Opfern eine Chance auf Schadensersatz ermöglichen. Die Vorlage der Kommission geht dabei in mehreren Punkten über das seit diesem Januar geltende deutsche Lieferkettengesetz (LKSG) hinaus – zum Missfallen der Wirtschaftslobby.

Lobbyisten sprechen mindestens dreimal im Ministerium vor

In einem Brief vom 11. April vergangenen Jahres baten hochrangige Vertreter:innen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) daher Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) „nachdrücklich, unsere Bedenken bei der Positionierung zum Richtlinienentwurf der Kommission zu berücksichtigen und für den Ansatz des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes zu werben“.

Dabei blieb es nicht – zusätzlichen Nachdruck verliehen Repräsentant:innen von BDI, der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) sowie der IHK Stuttgart ihrem Anliegen im Frühjahr 2022 bei mindestens drei Treffen mit Staatssekretär:innen aus dem Hause Buschmann.

Positionen, die dann offenbar in eine interne „Weisung“ zur deutschen Positionierung in den Ratsverhandlungen eingingen. Denn anders als die EU-Kommission wollen die Mitgliedstaaten nicht alle Stufen der Wertschöpfung menschenrechtlich betrachten, sondern nur eine sogenannte Aktivitätskette in den Blick nehmen. Außen vor blieben dann zum Beispiel Finanzinvestitionen, Waffenexporte oder die Verwendung von Produkten – also beispielsweise der Einsatz giftiger Pestizide.

Wie die Kommission will der Rat zwar Unternehmen verpflichten, Klimaschutzpläne aufzustellen. Die Mitgliedstaaten lehnen aber Sanktionen ab, sollten Firmen ihre Klimaziele nicht einhalten. Auch der von der Kommission verfolgte Ansatz, die Vergütung von Vorständinnen und Vorständen an der Nachhaltigkeit eines Unternehmens auszurichten, findet sich im Ratsbeschluss nicht wieder.

Forderung nach einer „Safe Harbour“-Regelung für Unternehmen

Für Misereor und das GPF sind das „Verwässerungen“, die zu großen Teilen auf die Bundesregierung zurückgehen. Welche Rolle die Wirtschaftsverbände dabei spielten, zeigen Recherchen des Investigativmagazins Correctiv. Demnach gab es zur Weisung vom 2. September 2022 eine Vorgängerversion, die vom 26. Juli des Jahres datiert. Darin hätten die drei Bundesministerien für Wirtschaft, für Arbeit und Soziales sowie für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine viel ambitioniertere Positionierung für die Verhandlung unter den EU-Mitgliedstaaten formuliert.

Erst als Justizminister Buschmann intervenierte und mehrere „Leitungsvorbehalte“ einlegte, wurde die Weisung den Forderungen der Wirtschaft angepasst. Eingang fand dann auch die Forderung nach einer „Safe Harbour“-Regelung für Unternehmen, die bestimmte Zertifizierungen nutzen oder Branchenstandards umsetzen. Eine solche Bestimmung hätte zur Folge, das Unternehmen nur für Schäden haftbar zu machen sind, die sie vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht haben. Diese Tatbestände seien für Opfer ohne Zugang zu unternehmensinternen Unterlagen aber kaum zu belegen, schreiben Karolin Seitz (GPF) und Armin Paasch (Misereor) in ihrer Analyse.

Mit der „Safe Harbour“-Forderung kam die deutsche Seite in den Verhandlungen der Mitgliedstaaten allerdings nicht durch. Die Bundesregierung widersprach dem Ratsbeschluss zwar nicht, kündigte aber in einer Protokollerklärung an, einer Richtlinie ohne „Safe Harbour“-Regelung letztlich nicht zuzustimmen.

Auch im EU-Parlament lässt die Industrielobby nichts unversucht, ein starkes Lieferkettengesetz zu verhindern. Vor allem bei Vertreter:innen der Union und der Europäischen Volkspartei (EVP) finden die Verbände dabei offene Ohren. Noch im März 2021 hatte das EU-Parlament mit den Stimmen der Unionsabgeordneten einen detaillierten Vorschlag für ein EU-Lieferkettengesetz verabschiedet, der noch deutlich schärfer als die Kommissionsvorlage ausfiel.
Minister Buschmann lehnt Treffen mit der Initiative Lieferkettengesetz ab

„Doch der Wind hat sich gedreht“, stellen Paasch und Seitz fest. Im federführenden Rechtsausschuss des EU-Parlaments brachten EVP-Schattenberichterstatter Axel Voss (CDU) und weitere Abgeordnete im November vergangenen Jahres Forderungen ein, „die den Kommissionsvorschlag vollständig entkernen würden“, so die Analyse von GPF und Misereor. Auch soll das Gesetz dem Willen der EVP-Leute nach nur bei Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten greifen und erst von 2033 an gelten. Voss hatte sich zuvor nachweislich 25-mal mit Wirtschaftsvertreter:innen wegen des Lieferkettengesetzes getroffen.

Die Wirtschaft in Zeiten der Krise

Frappierend ist, dass EVP-Mann Voss seine Forderungen offensichtlich zu weiten Teilen aus Positionspapieren und Briefen von Wirtschaftsverbänden übernommen hat, wie eine Gegenüberstellung der Texte zeigt. „Teilweise sogar durch schlichtes Copy and Paste“, heißt es in der Studie von Misereor und GPF.

Grundsätzlich sei es nicht verwerflich, wenn Regierungsvertreterinnen und Abgeordnete sich Anliegen und Positionen von Unternehmen anhörten, so Seitz und Paasch. „Wichtig aber ist, dass diese Perspektive nur eine von mehreren ist.“ Daran kann aber angesichts der dokumentierten Interventionen gezweifelt werden. Während Wirtschaftsleute im Frühjahr 2022 mindestens dreimal im Justizministerium empfangen wurden, lehnte Minister Buschmann eine Gesprächsanfrage der Initiative Lieferkettengesetz nach deren Angaben ab.

23.01.2023 10:35
Weiße Fair Play-Karte beim Pokalspiel in Portugal gezeigt
Das wurde aber auch Zeit: Faires Spiel wird beim Fußball erkannt, angezeigt und belohnt. Spiegel-Online schreibt dazu:

„Neben der Gelben und Roten Karte werden sich Fußballfans zukünftig vielleicht auch an die Weiße Karte gewöhnen müssen. Bislang gibt es sie nur in Portugal – und dort wurde sie jetzt zum ersten Mal gezeigt.

Einige Fans schauten verdutzt, andere applaudierten: Schiedsrichterin Catarina Campos hat bei einem Pokalspiel in Portugal die erste Weiße Karte der Fußballgeschichte gezeigt. Mit der Karte, die es bislang nur in Portugal gibt, wird anders als mit den Farben Rot oder Gelb keine Strafe ausgesprochen, sondern ein Fair-Play-Verhalten honoriert.

Im Pokalspiel der Frauen-Teams von Sporting und Benfica Lissabon hatte eine Spielerin kurz vor der Pause auf der Bank über Unwohlsein geklagt. Die Mannschaftsärzte beider Teams eilten sofort herbei und versorgten die Spielerin, der es schnell wieder besser ging. Campos zog daraufhin die Weiße Karte und deutete auf beide medizinischen Abteilungen. Benfica gewann das Spiel vor 15.032 Zuschauern 5:0.

Weiße Karten sind in Portugal Teil einer Initiative, die »ethische Werte im Sport« fördern soll. Gelbe und Rote Karten wurden bei der WM 1970 in Mexiko eingeführt. Der deutsche Schiedsrichter Kurt Tschenscher, Leiter des Eröffnungsspiels, war der erste Unparteiische, der jemals eine Gelbe Karte im professionellen Fußball zeigte“.

Jetzt kommt es darauf an, die Weiße Karte europa-, deutschland- und weltweit im Fußball einzuführen. Und zu klären, welcher Bonus damit verbunden ist: Ausgleich einer gelben Karte?

Das Problem ist: In seinem Buch "Parlons Football" schlug 2014 Michel Platini (UEFA-Präsident bis 2016) vor, dass die Referees bei anhaltenden Widerworten eines Spielers künftig eine Weiße Karte zücken könnten. Dies hätte dann eine zehnminütige Zeitstrafe zur Folge.
"Die Weiße Karte soll nicht mir der Gelben Karte verwechselt werden, die für Fouls im Spiel bestimmt ist", erklärte der Franzose. Laut Platini habe der "Wahn", Entscheidungen des Schiedsrichters infrage zu stellen, "seuchenartige Ausmaße" angenommen. Zudem schlug der frühere Nationalspieler Veränderungen bei der Spielerwechsel-Regel vor. Trainer sollten zusätzlich zu den bisherigen drei Optionen zweimal in der Halbzeitpause tauschen können, schrieb Platini.

Vielleicht braucht es eine grüne Karte für Fair Play und eine weiße für Renitenz.

10.01.2023 12:30
Ein Ende von Kinderarbeit und Abholzung in der Kakao-Lieferkette ist nicht in Sicht
Neuestes Kakao-Barometer zeigt: Unternehmen müssen höhere Preise für Kakao bezahlen

Zu Weihnachten herrlich gute Schokolade genossen? Leider mit Schattenseiten - immer noch. Höhere Preise für Schokoladen- und Kakaoprodukte gehen leider nur zu Gunsten der Händlerfirmen, nicht der bäuerlichen Erzeuger. Hersteller von Kakao- und Schokoladeprodukten müss(t)en ihren Bäuer*innen (eigentlich) höhere Preise für Kakao bezahlen – ansonsten werden sich die sozialen und ökologischen Probleme des Sektors weiter verschärfen. Das zeigt das diesjährige Kakao-Barometer, welches die aktuellen Entwicklungen in der Kakao-Branche zusammenfasst und vom VOICE Network veröffentlicht wurde.

Der Bericht über die Entwicklung der Kakao-Branche macht deutlich: Kakao-Bäuer*innen sind nach wie vor einer Vielzahl an Problemen ausgesetzt, haben jedoch nicht die finanziellen Ressourcen, dagegen anzukämpfen. In den größten Kakao-Anbaugebieten der Welt wie Ghana, Cote d’Ivoire (Elfenbeinküste) und Indonesien leiden die Familien noch immer unter Kinderarbeit, Geschlechterungleichheit, Unterernährung von Kindern, mangelndem Zugang zu Bildung und unzureichender Gesundheits- und sanitärer Versorgung.

Kleinbäuerliche Familien leiden besonders unter Inflation und Preissteigerung

Zusätzlich verstärkt die Inflation und Preissteigerung den Druck auf die Bäuer*innen in Westafrika. „Früher konnte ich mit dem Verkauf von Kakaobohnen die notwendigen Ausgaben für meine Familie finanzieren. Das ist jetzt sehr schwierig geworden. Die Preise für die Produkte liegen weit über meinen bisherigen Einnahmen. Ich habe Kinder, um die ich mich kümmern muss, und ich kämpfe jetzt darum, ihre Schulgebühren zu bezahlen“, sagte Yao Kouame Martia von der Kakao-Kooperative ECAM im Südwesten von Côte d'Ivoire.

Armut führt zu Abholzung statt Klimaschutz

Ebenso werden Belastungen für Kakaobäuer*innen, die durch Umweltfaktoren wie den Klimawandel entstehen, nicht wirksam angegangen. Es gelang bisher weder Politik noch Unternehmen, den Einsatz von Pestiziden zu reduzieren oder die langfristige Einführung guter landwirtschaftlicher Praktiken zu unterstützen. Stattdessen sehen sich die Bäuer*innen weiterhin gezwungen, den Regenwald abzuholzen, um ihre geringen Erträge zu steigern. (Nationale und internationale) Strategien, die darauf abzielen, die Kakaoproduktion zu steigern und so die Armut der Bäuer*innen zu bekämpfen, lösen diese Probleme langfristig nicht.

Die Nachhaltigkeits-Lüge: Label steigern das Einkommen der Bäuer*innen nicht

Beruhend auf den neuesten Erkenntnissen über Kakaolieferketten zeigt das Barometer, dass Entwicklungszusammenarbeits-Programme zur Produktivitätssteigerung und Diversifizierung langfristig wirkungslos bleiben. Stattdessen müssen echte Anstrengungen unternommen werden, um das Existenzminimum der Bäuer*innen durch höhere Preise zu sichern und ihnen so die finanziellen Möglichkeiten eröffnen, die Umwelt zu schützen. Auch Nachhaltigkeitssiegel wie UTZ/Rainforest und Fair Trade, die heute zwischen einem Drittel und der Hälfte der Kakaoproduktion zertifizieren, reduzieren das Armutsproblem in den meisten Fällen nicht. Stattdessen sind sie meist irreführend: Die Familien von Kakao-Bäuer*innen können in der Regel ihre Grundbedürfnisse nicht decken. Das gilt auch für Bäuer*innen, die für zertifizierte Projekte mit Nachhaltigkeits-Label arbeiten.

Trotz dieser Erkenntnisse betreiben die meisten Kakao-Einkäufer*innen ihr Geschäft immer weiter wie gewohnt. Sie unterstützen zwar Programme der Entwicklungszusammenarbeit, weigern sich jedoch, die Preise anzuheben und so existenzsichernde Löhne zu garantieren. „Produktivitätssteigerungen oder die Vergrößerung der Farmen werden allein nicht ausreichen, um die zahllosen Probleme in der globalen Kakaolieferkette zu lösen“, erklärt Antonie Fountain, Direktorin des VOICE Network. „Ein höherer Preis für Kakao ist unvermeidlich, wenn existenzsichernde Löhne gewährleistet werden sollen.“

Es braucht gesetzliche Verpflichtungen, damit Unternehmen höheren Preise zahlen

Das Barometer kommt zu dem Schluss, dass für ein existenzsicherndes Einkommen der Kakaobäuer*innen Maßnahmen an drei verschiedenen Fronten erforderlich sind: eine verantwortungsvolle Politik öffentlicher Stellen, eine faire Einkaufspraxis des Privatsektors und eine nachhaltige landwirtschaftliche Praxis der Bäuer*innen. In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich jedoch fast alle Bemühungen im Kakaosektor auf die Bäuer*innen selbst konzentriert. Die notwendigen Änderungen der Regierungspolitik und der Einkaufspraktiken, die für die Bekämpfung von Nachhaltigkeitsproblemen erforderlich sind, wurden von Politik und Unternehmen aktiv vermieden.

In diesem Zusammenhang sind die jüngsten Bemühungen der EU, Richtlinien zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht, wie die „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“ (CSDDD) einzuführen, ein begrüßenswerter erster Schritt zur Schaffung einer transparenteren Lieferkette. Die Richtlinien zielen darauf ab, ökologische und soziale Schäden in globalen Lieferketten, einschließlich der Kakao-Branche, einzudämmen. Sie sind eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Unternehmen für ihre Einkaufspraktiken zur Rechenschaft gezogen werden / verantwortlich gemacht werden. Trotz dieser positiven politischen Entwicklungen drängt die Zeit: Unternehmen müssen schon jetzt handeln. Sie müssen höhere Preise zahlen.

Über das Kakao-Barometer

Das Kakao-Barometer wird alle zwei Jahre mit dem Ziel veröffentlicht, einen aktuellen, fairen und übersichtlichen Überblick über die Nachhaltigkeit im Kakaosektor zu geben. Mit dem Barometer betrachtet das VOICE Network, ein Zusammenschluss von über 20 Organisationen – in Deutschland vertreten durch die NGOs Südwind, INKOTA und Solidaridad – den Sektor als Ganzes, verbindet aber auch zusammengefasste und aufgeschlüsselte Unternehmens- und Länderdaten mit klaren Visualisierungen und einer Kontextualisierung von Herausforderungen, Verpflichtungen und Errungenschaften. Das Barometer wird von einem Konsortium zivilgesellschaftlicher Akteure aus der ganzen Welt veröffentlicht und vom VOICE-Netzwerk betreut.

"Das vollständige Barometer (engl.) und die komplette Liste (engl.) der Empfehlungen für Regierungen, Unternehmen und Bäuer*innen finden Sie hier."

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