Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Arbeitnehmer strittige Anweisungen des Arbeitgebers nicht befolgen müssen, solange kein entsprechendes Urteil vorliegt. Die Entscheidung hat womöglich weitreichende Folgen für alle Arbeitgeber in Deutschland.
Ob es um Sonntags- oder Nachtarbeit, den Umzug in eine Stadt am anderen Ende Deutschlands oder um Vorschriften bei der Garderobe geht: Bisher mussten Arbeitnehmer solche Anweisungen so lange befolgen - auch wenn sie nicht damit einverstanden sind - bis ein Gericht entschieden hat, ob die Forderungen zulässig sind. Ansonsten droht die Kündigung. Nach dem neuen Urteil kann es künftig umgekehrt sein: Erst muss ein Gericht den Weisungen stattgegeben haben, damit sie von Arbeitnehmern verbindlich zu befolgen sind. Arbeitgeber müssen die Zulässigkeit ihrer Weisungen nachweisen, ehe sie wirksam werden.
In dem aktuellen Fall geht es um einen Immobilienkaufmann, der in Dortmund arbeitete. Seine Vorgesetzte entschied jedoch 2015, ihn nach Berlin zu versetzen. Er wollte allerdings nicht umziehen. Auch der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung für den Wechsel des Arbeitsorts und argumentierte, die Firma könne den Angestellten ebenso gut weiter in Dortmund beschäftigen. Die Arbeitgeberin hielt trotzdem an der Entscheidung fest. Als der Immobilienkaufmann seine neue Stelle in Berlin nicht antrat, mahnte sie ihn ab. Im Mai 2015 folgte dann die Kündigung. Der Angestellte klagte dagegen. Er gewann den Prozess in zwei Vorinstanzen.
Das Landesarbeitsgericht Hamm entschied, der Arbeitnehmer sei nicht verpflichtet gewesen, die Stelle in Berlin anzutreten. Die Arbeitgeberin wurde verurteilt, ihm mehr als 20.000 Euro zu zahlen. So viel hätte er zwischen März und September 2015 verdient. Die Beklagte ging in Revision. Deshalb landete der Fall vor dem Bundesarbeitsgericht.
Die Richter bestätigten nun die bisherigen Urteile. Zugleich ziehen sie damit bisherige Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts in Zweifel. Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte 2012 entschieden, Arbeitnehmer müssten Anweisungen so lange folgen, bis ein Gericht festgestellt hat, dass diese unzulässig sind. Die Richter des Fünften Senats müssen nun entscheiden, ob sie an dieser Rechtsprechung festhalten wollen.
Falls nicht, müssten künftig Arbeitgeber nachweisen, dass ihre Weisungen zulässig sind. So lange bräuchten die Angestellten den Forderungen nicht nachzukommen. Sollten sich die Richter jedoch nicht auf eine Rechtsprechung einigen, muss der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts entscheiden. Ein endgültiges Urteil ist dann erst in mehreren Monaten zu erwarten.
BAG Az. 10 AZR 330/16
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