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04.06.2009 11:04
Fairness im Bewerbungsverfahren  

In Bewerbungsverfahren wird häufig versucht, Bewerber unter Druck zu setzen. Man glaubt, man könne dann beobachten, wie ein Bewerber unter Stress reagiert und auf diese Weise Erkenntnisse über sein Verhalten in einem stressigen Berufsalltag gewinnen. Doch diese Annahme ist durch nichts belegt und bewiesen, wie Prof. Dr. Karl Westhoff und sein Team erklären. Sie befassen sich mit Eignungsinterviews und den häufigsten Fehlern, die dabei gemacht werden.

So seien die üblichen Bewerbungsgespräche sehr mangelhaft:
- meist spricht der Interviewer mehr als der Kandidat und erfährt daher weniger.
- persönliche Ambitionen des Interviewers, Attraktivität, subjektive Ähnlichkeit, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit des Bewerbers können das Urteil verzerren.
- der Interviewer bildet häufig ein Stereotyp des guten Bewerbers, generalisiert ungerechtfertigt Eindrücke oder konzentriert sich einseitig auf die Informationen, die das eigene Bild bestätigen.
- Interviewer beachten negative Informationen oft stärker als positive. Dies kann in der Einstellung begründet sein, dass es gefährlicher ist, negative Informationen über einen Kandidaten unbeachtet zu lassen.
- Interviewer neigen dazu, ihre Entscheidung bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Gesprächs zu treffen.

Daher empfehlen Westhoff und sein Team strukturierte entscheidungsorientierte Gespräche, die solche Fehler vermeiden helfen. Die Regelhaftigkeit der Interviews soll gleichzeitig sicherstellen, dass in der Auswertung die einzelnen Kandidaten vergleichbar werden.

Kandidaten im Bewerbungsgespräch unter Druck zu setzen, kann auch kontraproduktiv sein, da sich das Unternehmen zugleich so präsentiert, als sähe es in Mitarbeitern Versuchskaninchen und wisse selbst nicht, wie Stress von der Unternehmensführung her gut zu managen sei. Überdies kommt auf diese Weise unfaires Verhalten ins Spiel, wenn das Vorhaben, künstlich im Gespräch Stress zu erzeugen, der Person des Kandidaten unangemessen ist oder Techniken eingesetzt werden, die die Grenze des Respekts überschreiten. Mit dem Bewerbungsgespräch gibt ein Unternehmen seine lebendige und spürbare Visitenkarte ab. Wer sich als faires Unternehmen versteht, muss hier faires Verhalten praktizieren, und bekommt dann auch eher zur Fairness tendierende Mitarbeiter.

Lesehinweis: Karl Westhoff (Hrsg.): Das Entscheidungsorientierte Gespräch als Eignungsinterview. Mit Beiträgen von Oliver Brust, Hagen Flehmig, Carmen Hagemeister, Marie-Luise Kluck, Anna Koch, Claudia Liebert, Anne Schurz, Michael B. Steinborn, Anja Strobel, Karl Westhoff. Pabst Science Publishers 2009, 160 Seiten.

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