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04.01.2021 10:28
Bei Problemen mit Amazon wird Amazon zum Problem  

Es geschah Ende 2020. Aus dem Amazon-Fan Rainer Hank - bis zur Rente leitender Wirtschaftsredakteur der FAZ - wurde ein scharfer, enttäuschter Amazon-Kritiker. Und das passsiertes so, wie er in der FAZ am 3.1.2021 schrieb: "In den letzten Wochen des Jahres 2020 habe ich den Glauben an Amazon verloren.

Und das kam so. Einige kurz hintereinander erfolgte Abbuchungen von Anfang November auf meiner Kreditkartenabrechnung, keine großen Beträge, kamen mir spanisch vor. Ich hatte die Befürchtung, ein Betrüger müsse mein Amazon-Konto gehackt haben. Solche Sachen liest man ja; warum sollte ich verschont bleiben. Ich bat meine Bank, das mutmaßlich betrügerisch abgebuchte Geld zurückzufordern. Das funktionierte binnen eines Tages reibungslos.

Tags darauf musste ich feststellen, dass es keinen Hacker gab, ich bloß bei der coronabedingt vielfältigen Online-Bestellerei den Überblick über meine Käufe verloren hatte. So waren mir etwa die Fahrradhandschuhe für 10,97 Euro nicht mehr präsent. Mein Fehler, gewiss – aber ein Fehler, den ich mir durchgehen lasse. Kann passieren.
Amazon ächtete mich

Danach lernte ich Amazon von einer anderen Seite kennen. Wie naiv war es von mir zu meinen, die Sache lasse sich mit einer korrigierenden E-Mail an Amazon aus der Welt schaffen. Erst einmal reagierte das Unternehmen gar nicht. Dann erhielt ich die Mitteilung, mein Amazon-Konto sei gesperrt, angeblich, um mich zu schützen. Einige Tage später wurde ich aufgefordert, ich solle die Nummer einer Kreditkarte angeben, um die Bestellungen zu bezahlen, die aber nicht jene Kreditkarte sein dürfe, von der ursprünglich die Beträge abgebucht worden seien; sie müsse aber gleichwohl auf meinem Amazon-Konto hinterlegt sein. Das werde schwierig, antwortete ich, denn es sei keine andere Kreditkarte hinterlegt, ich könne das aber jetzt gerne nachholen. Nein, das sei nicht möglich, wurde mir einige Tage später mitgeteilt.

Da schwante mir: Die Sache wird sich ziehen. Ich kürze ab: Amazon ächtete mich und schloss mich wochenlang aus der Community aus. Am anderen Ende der Telefon-Hotline traf ich zwar immer auf freundliche Call-Center-Mitarbeiterinnen, die stets versicherten, mein Anliegen weiterzugeben. Doch ohne Erfolg.

Ich wäre bereit gewesen, das Geld persönlich mit Schufa-Zertifikat vorbeizubringen oder als Einschreiben an Jeff Bezos nach Seattle zu schicken. Es nützte alles nichts. Wie Hohn kam es mir vor, dass die in nicht leicht zu verstehendem Deutsch formulierten E-Mails von „Kontospezialist. Amazon.de“ mit dem Hinweis enden: „Unser Ziel: das kundenfreundlichste Unternehmen der Welt zu sein. Ihr Feedback hilft uns dabei.“

Ich höre schon die Häme der Leser: Das kommt davon, wenn man sich auf Amazon verlässt. Und ich höre den Vorwurf: Hier wird ein einmaliger Vorfall, für dessen Eintreten ich auch noch selbst verantwortlich bin, generalisiert und zum Vertrauens-Super-GAU hochstilisiert. Diesen Verdacht zu entkräften half mir – wie stets – das F.A.Z.-Archiv. Dort findet sich genügend Material meiner Leidensgenossen, alle mit dem Tenor: Wehe dem, der den Automatismus von Amazon stört. Der wird bestraft.
Marktmacht ist verführerisch und bequem für den Kunden

Als dilettierender Kartellexperte hätte ich vor diesem ärgerlichen Vorfall stets behauptet, Amazon sei nicht gefährlich trotz seiner inzwischen 80 Prozent Marktanteile im Online-Handel. Denn das Unternehmen nützt seine Macht ganz offensichtlich nicht aus, mir höhere Preise abzuknöpfen. Der Erfolg verdankt sich seiner auf Netzwerkeffekten beruhenden Leistung – mit freundlicher Unterstützung durch die aktuelle Seuche, die es uns verbietet, beim stationären Händler einzukaufen. Doch jetzt sehe ich: Preissetzungsmacht ist nicht der einzige Schaden, den ein Monopolist den Menschen zufügt. Ich wurde Opfer einer Mischung aus Bürokratismus und Desinteresse am einzelnen Kunden.

Der Monopolist braucht sich – allen Marketingsprüchen zum Trotz – nicht mehr besonders anzustrengen. Bei einem Rekordumsatz von hochgerechnet etwa 380 Milliarden Dollar im Jahr 2020 und einem Gewinn allein in den ersten drei Quartalen von 14 Milliarden Dollar kommt es auf den Kunden Hank nun wirklich nicht an. Abwandern wird er nicht, er hat ja keine Alternative".

Das stimmt nun allerdings nicht; es ist nur etwas aufwändiger: etwa 20 mehr Klicks mit dem Finger, etwas mehr Grips-Einatz. Was ist daran wirklich mühsam? Es soll Menschen geben, die mehr tun müssen, um Gewünschtes zu bekommen...

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