Verbraucher in Deutschland müssen nach Darstellung von Entwicklungsorganisationen weiter davon ausgehen, dass in Schokoladentafeln ausbeuterische Kinderarbeit steckt. Die Entwicklungsorganisation Inkota und das Forum Fairer Handel forderten deshalb am Dienstag in Berlin von der Bundesregierung ein ambitioniertes Lieferkettengesetz, das Unternehmen haftbar macht, wenn sie eine Mitverantwortung für ausbeuterische Kinderarbeit tragen.
Die beiden Organisationen verwiesen auf eine im Auftrag des US-Arbeitsministeriums erstellte und am Montag veröffentlichte Studie, nach der die Schokoladenindustrie ihr Versprechen gebrochen habe, die Kinderarbeit auf Kakaoplantagen bis 2020 um 70 Prozent zu verringern. Demnach arbeiten noch immer rund 1,5 Millionen Kinder unter ausbeuterischen Bedingungen auf Kakaoplantagen in Westafrika, wo rund 70 Prozent des in Deutschland verarbeiteten Kakaos angebaut werden.
Insbesondere der Anteil der Kinder, die gefährlichen Chemikalien ausgesetzt sind, sei in den vergangenen Jahren sogar stark gestiegen, betonen die Entwicklungsorganisationen.
„Die Schokoladenindustrie hat ihr Versprechen gebrochen“, kritisierte Johannes Schorling, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte beim Inkota-Netzwerk. Programme zur Bekämpfung der Kinderarbeit erreichten bisher nur einen kleinen Teil der Bauern, auch weil Unternehmen die hohen Kosten für solche Programme scheuten. „Menschenrechte gibt es aber nicht zum Nulltarif. Unternehmen müssen bereit sein, die nötigen Kosten für die Vermeidung von Kinderarbeit zu tragen – dazu gehört auch die Zahlung eines existenzsichernden Kakaopreises“, so Schorling.
Bereits 2001 hatten Schokoladenhersteller wie Mars und Nestlé im Harkin-Engel-Protokoll versprochen, die schlimmsten Formen der Kinderarbeit bis 2005 zu beenden. Das Ziel wurde in der Zwischenzeit mehrfach revidiert. Aktuell strebt die Industrie eine Reduzierung der Kinderarbeit um 70 Prozent bis 2020 an.
„Armut ist eine der Hauptursachen für Kinderarbeit“, sagt Andrea Fütterer, Vorstandsvorsitzende des Forum Fairer Handel. „Wir brauchen existenzsichernde Preise, die die Produktions- und Lebenshaltungskosten der Kakaobäuerinnen decken. Hier setzt auch der Faire Handel an.“ Weil viele Unternehmen durch die Missachtung von Menschenrechten Wettbewerbsvorteile genießen würden, stießen Fairer-Handel-Akteure jedoch an ihre Grenzen. „Es ist an der Zeit, einheitliche Regeln für alle Unternehmen festzuschreiben“, so Fütterer.
kna/FR 20.10.20
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