Der Moderator Günther Jauch bewirbt Einweg-Flaschen als ökologisch. Unter dem Motto: „Die Kreislaufflasche“. Ist das Irreführung? Ja, und damit keine faire Werbekampagne, denn nun gibt es auch heftige Kritik daran und – und eine Gegenkampagne. Die Frankfurter Rundschau dokumentiert das heute (4.5.23) wie folgt:
Immerhin beim Bier ist die Welt noch wie früher, zumindest wenn es um die Flaschen geht: Die Deutschen greifen nach wie vor meist zu Mehrweg. Aber sonst? Beispiel Mineralwasser: 1991 lag die Mehrwegquote noch bei 93 Prozent, heute beträgt sie kaum 43 Prozent. Und Limos gibt es auch immer häufiger in Einwegpullen aus Plastik. Die Bundesregierung will gegensteuern, auch die EU-Kommission.
Aber stimmt das überhaupt: Einweg ist böse, mitverantwortlich für wachsende Müllberge? Darüber ist Streit entbrannt.
Auf der einen Seite steht: der Discounter Lidl mit Fernsehmoderator Günther Jauch. „Es lohnt sich, manchmal etwas genauer hinzusehen“, sagt er in einer Werbekampagne des Discounters für seine Einweg-Plastikflaschen. Das Unternehmen aus Neckarsulm verkauft darin zum Beispiel Wasser der Marke Saskia, nennt sie selbst Kreislaufflasche, behauptet, diese sei eine der ökologischsten Getränkeverpackungen, die es gibt.
Jauch gibt sich skeptisch, investigativ, geht der Frage nach: Wie kann das sein? Antwort: Aus alt werde neu, die Flasche bestehe zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial, sei 50 mal leichter als Glas. Und für ihren Transport seien weniger LKW nötig. Schon seit einigen Tagen hängen allerorten dazu Plakate, laufen Spots im Internet, Radio, Fernsehen.
Mehrweg-Allianz kritisiert Jauch und Lidl für Einwegplastik
Auf der anderen Seite: die „Mehrweg-Allianz“. Zu ihr gehören die Deutsche Umwelthilfe, die Stiftung Initiative Mehrweg sowie Verbände des Getränkegroß- und -einzelhandels und der Privatbrauereien. Die Allianz startete Mittwoch eine Gegenkampagne. Es ist ein Gewinnspiel: „Wir verlosen einen Jahresvorrat an Freigetränken im Wert von 800 Euro. Und das 20 Mal. Egal ob Wasser, Limo, Saft oder Bier – Hauptsache in regionalen Mehrweg-Pfandflaschen!“
Die Allianz hält Lidl entgegen: Mehrwegflaschen aus Glas könnten bis zu 50 Mal wieder befüllt werden. Im Gegensatz dazu würden die 16,4 Milliarden Einwegplastikflaschen, die in Deutschland jährlich geleert werden, nur ein Mal benutzt und direkt zu Abfall. Auch Getränkedosen seien ein Problem: 4,5 Milliarden Stück gingen davon jährlich über die Ladentheken und verbrauchten 76 000 Tonnen Metall. Und nun?
Einweg-Plastikflasche von Lidl entspricht nicht den Anforderungen des Umweltbundesamts
Nachfrage bei Gerhard Kotschik, Experte für Verpackungen beim Umweltbundesamt. Er erklärt: „Lidl hat seine Flasche sehr, sehr optimiert, der Rezyklateinsatz ist hoch.“ So schneide die Flasche in der von Lidl beauftragten Ökobilanz gut ab. Aber die Flasche löse die Probleme nicht. Und das Vorgehen bei der Ökobilanz entspreche nicht den Mindestanforderungen des Umweltbundesamtes.
Es sei eben noch lange nicht gang und gäbe, dass jede Flasche so wie in der Lidl-Werbung wieder zu einer Flasche wird. In Deutschland würden bisher nur um die 45 Prozent aller Einwegflaschen aus Rezyklat produziert. Und selbst beim besten Willen werde das Lidl-Modell auch nie auf alle Einwegflaschen übertragbar sein.
Kein echter Kreislauf bei Einweg-Plastikflasche von Lidl
Damit die Lidl-Flasche zu 100 Prozent aus Rezyklat hergestellt werden kann, müsse immer an anderer Stelle neues Plastik eingesetzt werden. Den perfekten Kreislauf gibt es nicht. Das Problem, so Kotschik, erstens: „Verbraucher bringen nie alle Flaschen zurück. Da gehen welche verloren.“ Zweitens: „Im Recyclingprozess gibt es Materialverluste. Es braucht immer mehr als eine alte Flasche, um daraus eine neue zu machen.“ Sollen in Deutschland immer gleich viele Flaschen produziert werden, muss also irgendjemand neues Plastik nutzen. Entscheidend sei, sagt Kotschik, „möglichst wenig Abfall entstehen zu lassen, ihn zu vermeiden, auch um Ressourcen zu schonen. Dafür ist Mehrweg besser geeignet.“
Eigentlich sollen Mehrwegverpackungen bei bepfandeten Getränken laut Gesetz heute schon 70 Prozent ausmachen. Nur halten sich die Handelskonzerne nicht daran. Zur Rechenschaft gezogen werden sie dafür nicht. Lidl bietet gar keine Getränke in Mehrweg an. Konkurrent Aldi übrigens auch nicht.
Kotschiks Tipp für den Einkauf: „Mit Mehrweg-Flaschen, die in der Region abgefüllt werden, so dass lange Transportwege vermieden wurden, sind Sie auf der sicheren Seite.“
"Günthers Jauchs und Lidls Kreislaufflasche"
|