Wer sich am Arbeitsplatz ständig überlastet fühlt, sollte eine entsprechende Anzeige beim Arbeitgeber stellen – zur eigenen Absicherung. Die Arbeitsrechtlerin Silke Gottschalk und andere erklären im Gespräch mit Katrin Schreiter beim Redaktionsnetzwerk, was es damit auf sich hat:
„Zunehmender Leistungsdruck, zusätzliche Aufgaben, dünne Personaldecke – es gibt zahlreiche Gründe, warum sich Beschäftigte immer mal wieder überlastet fühlen. Wenn dieses Gefühl jedoch regelmäßig oder permanent auftritt, können Betroffene eine Überlastungsanzeige beziehungsweise Gefährdungsanzeige stellen.
„Das sollten sie sogar, um sich abzusichern“, sagt Rechtsanwältin Silke Gottschalk. „Die Überlastungsanzeige ist ein offizieller Hinweis, den der oder die Beschäftigte an den Arbeitgeber adressiert, weil die Arbeitsanforderungen zu hoch sind und nicht bewältigt werden können.“ Das könne eine konkrete Situation betreffen, aber auch den Job-Alltag.
Rechtlich gesehen, seien die Betroffenen sogar verpflichtet, Sorge für die eigene Sicherheit und Gesundheit zu tragen und den Arbeitgeber unverzüglich über diese Gefährdung zu informieren. „Die Hinweispflicht ergibt sich aus dem Arbeitsschutzgesetz, Paragraf 15 und 16", erklärt Gottschalk.
„Andererseits schützt eine Anzeige vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Denn sie dient als Haftungsfreistellung“, erläutert die Juristin weiter. Das heißt: „Der oder die Beschäftigte kann nicht für auftretende Schäden beispielsweise bei Kunden verantwortlich gemacht werden.“ Und: Eine Abmahnung oder die Kündigung wären in diesem Zusammenhang somit unwirksam.
Aktuelle statistische Erhebungen gebe es nicht, aber nach Angaben der Gewerkschaften, gebe es Überlastungsanzeigen zunehmend in Bereichen, in denen Fachkräfte fehlen und der Arbeitgeber bestehende Aufgaben auf das vorhandene Personal verteile, vor allem in Pflegeeinrichtungen, Kliniken oder Kindertagesstätten.
Überlastung schriftlich melden
Wie stellt man die Überlastungsanzeige? „Am besten schriftlich“, rät Gottschalk. Die Anzeige sollte mit Datum und Namen versehen sein. „Außerdem gehört eine genaue Beschreibung der Belastung am Arbeitsplatz und der jeweiligen Risiken dazu.“ Auch sei es wichtig zu schildern, was man selbst bereits unternommen habe, um die Situation zu verbessern. „Am Ende folgt die Aufforderung, unverzügliche Abhilfe zu schaffen.“
Wie muss der Arbeitgeber darauf reagieren? „Er hat gegenüber seiner Beschäftigten eine Fürsorgepflicht, die sich aus den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten ergibt“, weiß Gottschalk. „Sie bedeutet vor allem eine Pflicht zur Fürsorge für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch, Paragraf 611a, 241, Absatz 2 und 618 geregelt ist.“
Anzeige ist kein Freibrief
Zudem habe der Arbeitgeber ein Direktionsrecht, „das ihn berechtigt, die Arbeit der Beschäftigten zu bestimmen, aber auch so zu gestalten, dass keine Schäden entstehen“, erklärt die Rechtsanwältin. „Im besten Fall greift er die Überlastungsanzeige auf, geht der Sache auf den Grund und verbessert die Umstände.“
Arbeitssucht: Wann Fleiß und Leistungswille gefährlich werden
Work, work, work – 10 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland neigen dazu, suchthaft zu arbeiten. Zwei Workaholics erklären, wie sie ihre Arbeitssucht erleben – und wie sie es geschafft haben, aus dem Teufelskreis auszubrechen.
Was kann passieren, wenn der Arbeitgeber nicht reagiert? Gottschalk: „Das könnte für ihn weitreichende Folgen haben, bis hin zu Schadensersatzforderungen und Schmerzensgeld.“
Allerdings sei die Überlastungsanzeige kein Freibrief, betont die Arbeitsrechtlerin. Die Anzeige berechtige nicht zu pflichtwidrigem Handeln. „Auch entbindet sie die Beschäftigten nicht von ihren Pflichten zur sorgfältigen Arbeitsleistung.“
Nicht einschüchtern lassen
Beschäftigte riskieren möglicherweise bei der Überlastungsanzeige den Unmut des Arbeitgebers. „Doch wer sich bei seiner Arbeit überlastet fühlt, tut niemandem einen Gefallen, wenn er dies verschweigt“, warnt Tjark Menssen, Sprecher des DGB Rechtsschutz.
Die Anzeige könne Beschäftigte schützen. „Denn passieren Fehler, die unter Umständen auch noch gravierende Schäden zur Folge haben, kann der Beschäftigte die Anzeige anführen, um sich zu entlasten.“
Wichtig in diesem Zusammenhang ist das verankerte Maßregelungsverbot im Bürgerlichen Gesetzbuch, Paragraf 612a. Menssen: „Letztlich darf der Arbeitgeber einen Beschäftigten nicht benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt.“
|