Blog-Artikel

01.08.2016 13:40
Firmen-Fairness im Ausland: Fehlleistung  

Wenn Firmen im Ausland engagiert sind, hört ausgerechnet bei Menschenrechten für viele die Fairness auf. Es gab zahlreiche Schadensereignisse in den letzten Jahren, bei denen Zulieferer deutscher Unternehmen in der Verantwortung stehen. Und damit die deutschen Firmen selbst. Mit deren Achtung der Menschenrechte im Auslandsgeschäft ist es nicht weit her. Im Gegenteil: Die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen spielen dabei eine geringe Rolle.

Nur 31 Prozent der Firmen, die sich an der Umfrage "Human rights at work 2016" beteiligten, setzen die UN-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte um. Das zeigt eine globale Studie der Wirtschaftskanzlei Eversheds International. 43 Prozent der Befragten attestierten den Führungskräften in ihren Firmen ein mangelndes Engagement in Sachen Menschenrechten.

Für die Studie hatte Eversheds weltweit etwa 5000 Unternehmen angeschrieben – adressiert an Vorstandsmitglieder, Personalchefs und Justiziare aus allen Industriebranchen. Gerade mal fünf Prozent der Befragten antworteten überhaupt, was laut Eversheds im Bereich üblicher Rücklaufquoten bei ähnlichen Umfragen liegt.

Für Frank Achilles, Arbeitsrechtler und Partner bei Eversheds Deutschland, belegen die Ergebnisse der Studie, wie „schwach noch die Auseinandersetzung der Unternehmen mit Menschenrechtsthemen ist“. Obwohl doch Katastrophen in Textilfabriken und Verstöße gegen internationale Kernarbeitsnormen seit Jahren Schlagzeilen machten.

Immerhin gaben 47 Prozent der antwortenden Studienteilnehmer an, schon Druck auf ihre Zulieferer ausgeübt zu haben, um die Einhaltung der Menschenrechte zu erreichen. Bei der Umsetzung der UN-Leitlinien sehen dabei 76 Prozent die Rechtsabteilungen der Unternehmen in der Pflicht. Dort sollten die ethischen Risiken gemanagt werden.

Das sieht der Eversheds-Experte Achilles kritisch als Abschieben von Verantwortung. „Anwälte Dinge in Verträge reinschreiben zu lassen und bei Verstößen Strafen anzudrohen“ reiche nicht aus. Vielmehr müssten sich die Unternehmen vor Ort bei den Zulieferern konsequent um die Verbesserung der Produktionsbedingungen kümmern. Achilles: „Es muss Schluss sein mit der Haltung: Solange es den Regeln und Gesetzen in Ländern wie Bangladesch entspricht, ist es uns recht“.

Die Bundesregierung arbeitet zurzeit an einem nationalen Aktionsplan (NAP) zur Umsetzung der Leitlinien. Ein Entwurf, auf den sich mehrere Ministerien geeinigt haben, sorgt für heftige Diskussionen. Während Menschenrechtsorganisationen und Entwicklungshilfswerke fordern, alle Firmen gesetzlich zur menschenrechtlichen Sorgfalt zu verpflichten, setzt der NAP-Entwurf für die Privatwirtschaft nur auf „Erwartungen“ und „Empfehlungen“. Gesetzliche Regelungen werden nur für den Fall angedroht, dass bis zum Jahr 2020 nicht 50 Prozent der Unternehmen ein menschenrechtliches Risikomanagement eingeführt haben. Lediglich bundeseigene Unternehmen sollen laut NAP-Entwurf sofort auf die Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet werden. Das lehnt allerdings das Bundesfinanzministerium ab, wie die FR berichtete.

Deutschland sehe sich beim Thema Menschenrechte zwar gerne in der Vorreiterrolle, werde dabei aber den eigenen Ansprüchen nicht immer gerecht, sagte Arbeitsrechtsexperte Achilles. „Die Politik lässt ihren Worten keine Taten folgen.“ Andere Länder seien da vorbildlicher.

„Auch Deutschland braucht klare gesetzliche Vorgaben, damit alle wissen, woran sie sind“, sagte Achilles. Freiwillige Verpflichtungen seien oft nur „Papiertiger“. Menschenrechtsorganisationen und Entwicklungshilfswerken käme in der Debatte eine besondere Rolle zu. „Sie sind das soziale Gewissen und halten uns den Spiegel vor.“

Da Deutschland ein rohstoffarmes Industrieland ist, müssen Steinkohle für die Stromerzeugung sowie Metalle wie Kupfer, Eisenerz, Stahl und Kobalt für die Elektro- und Automobilindustrie importiert werden. Auch Textilien, Kaffee und Obst zählen dazu. Konflikte deutscher Unternehmen mit den Menschenrechten sind dabei vorprogrammiert, denn sie interessieren sich kaum für deren Einhaltung. Diesen Vorwurf haben die Nichtregierungsorganisationen Misereor und Germanwatch in ihrer Studie "Globales Wirtschaften und Menschenrechte" schon 2014 erhoben.

Mit dem Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte will die Regierung internationale Sozial- und Umweltstandards in Deutschland umsetzen. Dazu gehören beispielsweise die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte. Alle international tätigen Unternehmen sollen künftig Rechenschaft darüber ablegen, wie sie „nachteilige menschenrechtliche Auswirkungen verhüten und mildern“.

Konkret sind die Firmen gehalten, öffentlich zu berichten. Sie sollen aber auch Maßnahmen ergreifen, um die menschenrechtliche Situation zu verbessern. Dabei geht es nicht nur um Arbeitsbedingungen wie Löhne und Arbeitszeiten in ausländischen Fabriken, die im Auftrag deutscher Händler fertigen. Auch Auswirkungen für AnwohnerInnen und Umwelt müssen berücksichtigt werden – etwa wenn eine deutsche Firma am Bau eines Staudamms im Sudan oder in Brasilien beteiligt ist.

Den Aktionsplan hat das Auswärtige Amt nach anderthalbjährigen Konsultationen mit Ministerien, Firmen, deren Verbänden, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen erarbeitet. In Kürze wird er öffentlich zur Diskussion gestellt. Dann soll ihn das Bundeskabinett verabschieden.

Wichtige Schritte bis 2020

Einige der im Plan genannten Berichtspflichten werden für die Unternehmen verbindlich sein, weil Deutschland eine entsprechende EU-Richtlinie umsetzen muss. Bei anderen Regeln spricht das Auswärtige Amt von „prozesshafter Verbindlichkeit“. So sollen die Firmen Managementverfahren einführen, um Verstöße gegen Menschenrechte zu vermeiden.

Ab 2018 will das Auswärtige Amt die Einhaltung regelmäßig überprüfen lassen. Bis 2020 sollen 60 Prozent der deutschen Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten die Vorgaben befolgen. Für den Fall, dass das nicht klappt, werden „weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen“ in Aussicht gestellt. Für Unternehmen im Besitz des Bundes will die Regierung schon vorher verbindliche Regeln vorschreiben.

Warum ist es so mühsam, alle deutsche Unternehmen dazu zu bringen, Menschenrechte und Fairness im eigenen Land und anderswo zu beachten und zu fördern? Weil viele ihr Geld auch ohnedies machen, weil noch zu wenig Konsumenten darauf Wert legen, weil Firmen zwar Produktionsqualitäten und –geschwindigkeiten bis in den letzten Winkel der Erde verfolgen und sicherstellen können, denn sie wollen es. Reicht der Wille nicht zur Förderung von Menschenrechten und Fairness weltweit? Nein, leider nicht. Oftmals nicht mal hierzulande.

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Dokumentation zum Thema aus der Bundespressekonferenz der Bundesregierung vom letzten Mittwoch, den 27.7.2016

>> Frage: Ich würde das Bundesfinanzministerium gerne zum sogenannten Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ fragen, der ab morgen durch die Staatssekretäre beraten wird. Was sagen Sie zu dem Vorwurf von Entwicklungshilfeorganisationen, dass das BMF angeblich bezüglich eines konkreten Datums bremsen würde, ab dem Firmen, die im Ausland produzieren, Menschenrechte einhalten müssen?

von Tiesenhausen-Cave: Ich sage dazu, dass derzeit eine regierungsinterne Ressortabstimmung zu diesem Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ läuft. Es ist gute Praxis, dass das regierungsintern ist und dass ich jetzt auch nicht zu einzelnen Themen inhaltlich Stellung nehme. Es ist ein ganz normaler Prozess der Ressortabstimmung. Dazu gibt es jetzt auch nichts Besonderes zu kommentieren.

Zusatzfrage: Wie wichtig ist es aus Sicht von AA und BMZ, dass so ein Datum festgelegt wird?

Schäfer: Ich finde, Frau von Tiesenhausen hat das schon ganz richtig beschrieben. Ich glaube, es ist wenig hilfreich, dass in einer Phase, in der es überhaupt noch keine Regierungsposition gibt, diese bereits kritisiert wird. Ich glaube, es wäre ganz vernünftig, wenn wir jetzt alle einmal abwarten, was zum Beispiel bei der von Ihnen angesprochenen Runde der Staatssekretäre herauskommt und wir uns dann vielleicht nach der Sommerpause im Lichte der Ergebnisse der regierungsinternen Beratung - natürlich auch der öffentlichen Debatte, einschließlich der mit den NGOs und anderen interessierten beteiligten Stellen - (dazu äußern). Das scheint mir ganz vernünftig zu sein. Dies jetzt schon vor dem eigentlichen Fakt einer Regierungsposition auseinandernehmen zu wollen, ist, glaube ich, ein kleines bisschen früh, vielleicht auch sogar ein bisschen unfair.

Franke: Vielleicht nur eine kurze Ergänzung: Der Entwurf ist, wie eben schon gesagt, in der Ressortabstimmung. Insofern ergänze ich das nicht weiter. Ich schließe mich den Kollegen an.

Frage: Frau von Tiesenhausen, eine Lernfrage: Was sind die bestehenden Auflagen für Unternehmen? Müssen deutsche Unternehmen Menschenrechte einhalten?

von Tiesenhausen-Cave: Ich kann Ihnen etwas zum allgemeinen Schutzstandard für öffentliche Unternehmen sagen. Dieser ist im Bereich Menschenrechte bereits sehr gut ausgeprägt, denn von der öffentlichen Hand beherrschte Unternehmen in Privatrechtsform als auch Unternehmen, die im Alleineigentum des Staates stehen, unterliegen einer unmittelbaren Grundrechtsbindung.

Zusatzfrage: Was ist mit normalen Unternehmen wie Siemens oder Heckler & Koch?

von Tiesenhausen-Cave: Ich würde an das Wirtschaftsministerium für den nicht öffentlichen Bereich verweisen.

Alemany: Deutsche Unternehmen unterliegen der deutschen Gesetzgebung und somit allen Menschenrechtsregeln, die wir auch haben: Arbeitsnormen, soziale Standards, Mindestlohn etc.

Zusatzfrage: Das heißt, wenn Siemens in Afrika irgendetwas macht, dann müssen die sich immer an die deutsche Gesetzgebung halten, als ob sie in Deutschland ein Geschäft machen und dürfen keine Menschenrechte brechen?

Alemany: Wie Sie vielleicht wissen, gibt es verschiedene internationale VN-Regelungen; die kann ich hier gar nicht alle aufzählen. Es gibt zum Beispiel die Nationale Kontaktstelle, die in unserem Ministerium angesiedelt ist. Sollte also irgendwo ein anderes Land oder ein Mitbewerber Grund haben, sich vielleicht wegen der Nicht-Einhaltung von Sozialstandards zu beschweren, kann man das bei der Nationalen Kontaktstelle, die bei uns angesiedelt ist, anmelden und dann findet ein Verfahren mit Hilfe von Mediation statt, wo versucht wird, eine Lösung zu finden. Das finden Sie alles auf unserer Homepage. Es gab schon viele Fälle - ich will jetzt keine einzelnen Firmen nennen -, die mit Hilfe von Mediation gut gelöst werden konnten. Das sind solche internationalen Streitschlichtungen.

Zusatzfrage: Frau von Tiesenhausen, versteht das Bundesfinanzministerium die Auflagen für Unternehmen, sich an Menschenrechte zu halten, als Belastung für die Unternehmen?

von Tiesenhausen-Cave: Ich habe jetzt dem, was wir gerade hier, glaube ich, zusammen mit mehreren Kollegen gesagt haben, nämlich dass es eine Ressortabstimmung zu diesem beabsichtigten Nationalen Aktionsplan gibt, nichts hinzuzufügen. Die inhaltlichen Abstimmungen laufen innerhalb der Regierung.

Schäfer: Da das Thema großes Interesse findet, was uns sehr freut, vielleicht einfach nur zur Einordnung: Dass diese Bundesregierung Bedarf und Anlass gesehen hat, bei dem Thema des Verhaltens von Unternehmen im Ausland - in diesem Fall auch deutschen Unternehmen - Regelungen zu erarbeiten, mögen Sie daran ermessen, dass diese Bundesregierung sich zum ersten Mal überhaupt einem solchen Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ zugewandt hat. Das ist Teil der Koalitionsvereinbarung gewesen und wird jetzt abgearbeitet.
Das Auswärtige Amt hat wegen seiner Federführung für das Thema „Menschenrechte“ auch die Federführung für dieses Thema. Das heißt, die Wirtschaftsabteilung des Auswärtigen Amtes betreibt das zusammen mit den Ressorts - unter anderem mit denen, die gerade hier auch von Ihnen angesprochen waren, Herr Jung - sehr engagiert. Das gemeinsame Ziel der Bundesregierung ist tatsächlich, bis zum Ende dieser Legislaturperiode zum ersten Mal überhaupt - vielleicht nicht zum allerersten Mal, aber jedenfalls beispielsetzend für die Praxis in der Welt - Standards zu etablieren, nach denen wir uns wünschen würden, dass sich deutsche Unternehmen im Ausland verhalten.
Das ist ein wichtiges Anliegen dieser Bundesregierung. Das ist auch ein wichtiges Anliegen des Auswärtigen Amtes. Deshalb werden wir das genauso, wie wir vier Kollegen Ihnen das jetzt geschildert haben, nämlich zunächst regierungsintern und dann auch mit der interessierten Öffentlichkeit, diskutieren. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir in den nächsten Monaten - nicht mehr bis zur Sommerpause, die jetzt schon bald kommt, sondern danach - ganz vernünftige Ergebnisse präsentieren werden, über die Sie sich dann selbstverständlich beugen können. Die können Sie dann gut finden oder kritisieren. Das ist in einem demokratischen Rechtsstaat völlig selbstverständlich. Aber noch haben wir das nicht. Deshalb macht es, glaube ich, keinen Sinn, über Dinge zu diskutieren und schlecht zu finden, die noch gar nicht existieren.

Zusatzfrage: Nur zum Verständnis, Herr Schäfer: Aktionsplan heißt kein Gesetz? Ich verstehe Sie richtig, dass das eher eine Verhaltensempfehlung für Unternehmen wird?

Schäfer: Wir kommen da jetzt schon wieder ganz schnell auf Inhalte. Ich weiß nicht, ob Sie bereits den heutigen Artikel in der „Frankfurter Rundschau“ und auch einige andere dazu in den vergangenen Wochen gelesen haben. Eine der Fragen, mit denen sich die Bundesregierung beschäftigt und die auch zu Recht die Nichtregierungsorganisationen und andere interessierte Öffentlichkeit bewegt, ist die Frage: Welche Art von Durchsetzungskraft bekommen Regelungen, von denen sich die Bundesregierung vorstellen kann, dass sie das Licht der Welt erblicken? Auch da reden wir über ungelegte Eier oder ungeborene Kinder - wie auch immer Sie das bezeichnen wollen. Deshalb bringt es nichts, so lange es diese Position nicht gibt, die, wie ganz viele andere Fragen sehr konstruktiv innerhalb der Ressorts miteinander besprochen werden - manchmal wird da auch vielleicht gestritten; aber das machen wir hinter den Kulissen und nicht vor den Kulissen, wie sich das gehört -, (sich dazu konkret zu äußern.)

Zusatz: Sie müssen doch wissen, ob Sie ein Gesetz anstreben oder nur Empfehlungen aussprechen wollen.

Schäfer: Zunächst ist es ja ein Nationaler Aktionsplan. Ein Nationaler Aktionsplan ist erst einmal kein Gesetz. Aber dass sich als Folge aus der Verabschiedung eines Nationalen Aktionsplans vielleicht irgendwann auch der Bedarf für ein Gesetz ergeben könnte, ist Gegenstand der Gespräche und Beratungen. <<

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