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16.08.2023 07:49
Beschwerden gegen Amazon, Ikea und die Autobauer VW, BMW und Mercedes-Benz  

Gegen Amazon, Ikea und die Autobauer VW, BMW und Mercedes-Benz laufen Beschwerden von Menschenrechtsorganisationen.

Seit Anfang des Jahres verpflichtet das Lieferkettengesetz größere Unternehmen dazu, entlang ihrer Lieferketten auf die Einhaltung von Menschenrechten zu achten. Mittlerweile sind beim dafür zuständigen Bundesamt für Ausfuhrkontrolle (Bafa) 14 Beschwerden eingegangen, wie ein Sprecher der Behörde auf RND-Anfrage mitteilte und die Frankfurter Rundschau berichtet (16.9.23). Jede Beschwerde werde nun gründlich und individuell geprüft.

„Das Lieferkettengesetz war Anfang des Jahres in Kraft getreten. Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten müssen nun dafür Sorge tragen, dass Menschenrechte in ihren Lieferketten eingehalten werden, es also beispielsweise nicht zu Kinderarbeit kommt. Zudem sollen bestimmte Umweltstandards erfüllt werden. Kommen sie dem nicht nach, kann das Bafa auf Nachbesserung pochen. Bei schwerwiegenden Verletzungen drohen Bußgelder von bis zu acht Millionen Euro oder bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes. Ab 2024 soll das Gesetz auf Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten ausgeweitet werden.

Nach den ersten Monaten fällt die Bilanz gemischt aus. Unter anderem die Berlin ansässige Menschenrechtsorganisation ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights) hat gegen mehrere Unternehmen Beschwerde eingereicht. Gemeinsam mit dem Frauenrechtsverein Femnet und einer Gewerkschaft aus Bangladesch hat die NGO dabei Amazon und Ikea Deutschland ins Visier genommen. Der Grund: Fabriken in Bangladesch würden nicht ausreichend kontrolliert und gefährdeten somit die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten.

Ikea erklärte auf Anfrage, dass man den Fall sorgfältig untersuche und dabei eng mit dem Bafa in allen Punkten zusammenarbeite. Amazon verwies darauf, dass man sich dem Respekt vor Menschenrechten und Umweltschutz verpflichtet habe – und bei Zulieferern klare Anforderungen bei den Lieferkettenstandards setze.
Vorwurf der Zwangsarbeit

Die Kritik der ECCHR richtet sich aber auch gegen deutsche Autobauer. Die Organisation hat gegen Volkswagen, BMW und Mercedes-Benz Beschwerde eingelegt, weil sie es „versäumt haben, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um die erheblichen Risiken der Zwangsarbeit durch die Gruppe der Uiguren in ihrer chinesischen Produktionskette zu erkennen und zu bekämpfen“, erklärte der Sprecher. Die NGO verweist dabei auch auf einen Bericht der Sheffield Hallam Universität, die bei Autobauern ein großes Risiko sieht, dass es entlang der Lieferkette zu Zwangsarbeit gekommen sein könnte. Mercedes-Benz erklärte auf Anfrage, dass eine solche Beschwerde nicht vorliege, verwies aber mit Blick auf den Sheffield-Bericht darauf, dass man mit Lieferanten in Kontakte stehe und in Fällen von Vorwürfen auf eine Klärung dringe. Auch Volkswagen liegt die Beschwerde nicht vor – ein Konzernsprecher erklärte allerdings, dass man jegliche Form von Zwangsarbeit in allen Geschäftsbereichen klar ablehne. Eine Stellungnahme von BMW stand am Mittwoch noch aus. Der Arbeitgeberverband BDA steht dem Lieferkettengesetz derweil weiter skeptisch gegenüber.

Derweil wird bereits eine EU-weite Regelung vorbereitet. Die sogenannte Richtlinie zu „Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit“ gehen deutlich über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus. Damit wären bereits Betriebe ab 250 beziehungsweise 500 Beschäftigten in der Pflicht, für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz entlang der Wertschöpfungskette zu sorgen“.

Kommentar von Stefan Winter (S. 9):
„Das Lieferkettengesetz ist nötig, weil Firmen Selbstverpflichtungen selten umgesetzt haben und damit mitverantwortlich sind für katastrophale Zustände - etwa in asiatischen Textilfabriken.

Geht es um das Lieferkettengesetz, bekommen viele in der Wirtschaft Schaum vor dem Mund. Es gilt ihnen als Inbegriff wirkungsloser Bürokratiemonster, als Paradebeispiel für gut gemeint und schlecht gemacht. Man kann der Kritik am Gesetz in vielem folgen. Doch an einem Punkt endet das Verständnis: Es ist keineswegs so, dass deutsche Firmen in aller Welt die zu Hause üblichen Werte hochgehalten hätten. Die katastrophalen Zustände in asiatischen Textilfabriken, die maßgeblich zum Lieferkettengesetz führten, sind nur ein Beispiel von vielen, die den Anspruch widerlegen.

Und auf welchem Stand die Wirtschaft wäre, wenn öffentliche Debatten, neue Gesetze und Haftungsrisiken nicht den Druck erhöht hätten, ist eine andere Frage. Die in solchen Fällen gern als Alternative angebotene freiwillige Selbstverpflichtung hat selten funktioniert.

Der Unmut über Missstände staut sich ebenso lange auf, bis er sich in der Gesetzgebung mit Überdruck entlädt. Es geht eben doch nicht ohne. Die Unternehmen haben vielleicht einfach nur das Gesetz bekommen, das sie selbst provoziert hatten“.

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