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11.12.2018 14:15
Wie krass unfair sind Spielzeuge?  

Wie die Frankfurter Rundschau berichtet, haben sich die Arbeitsbedingungen nicht verbessert, die die Arbeiterschaft bei der Spielzeugherstellung seit Jahrzehnten erleiden muss. Entscheidend ist, dass viele Elemente der Spielzeuge, selbst wenn sie in Europa hergestellt werden, aus China kommen: „Am ersten Arbeitstag kam der Schichtleiter auf die neuen Mitarbeiterinnen zu und gab ihnen Formulare zum Unterschreiben – „beeilt Euch damit!“ Sie sollten bestätigen, an einer Brandschutzschulung teilgenommen zu haben – obwohl es so eine Übung nie gegeben hatte. Stattdessen fing ohne weitere Ausbildung das Schuften an der Spritzgussmaschine an: ohne Atemmaske oder sonstige Sicherheitsausrüstung. „Der Kunststoff verströmt einen beunruhigenden Geruch, wenn er erhitzt wird“, berichten Mitarbeiter aus der Fabrik Loveable Products in der südchinesischen Industriestadt Dongguan. Die stechend riechenden Lösungsmittel wiederum, die beim nächsten Arbeitsschritt zum Einsatz kommen, reizen die Haut. Handschuhe gibt es aber nur auf ausdrückliche Nachfrage beim Chef. Dafür kratzt der Lohn mit rund 500 Euro im Monat auch in China am Existenzminimum.

Loveable Products ist kein Einzelfall, wie aus verdeckten Ermittlungen der Arbeitsrechtsorganisation China Labour Watch zusammen mit der Christlichen Initiative Romero (CIR) in Nürnberg hervorgeht. Freiwillige Helfer der Organisation haben in den vergangenen Monaten in mehreren südchinesischen Spielzeugfabriken angeheuert, um ihre Erfahrungen vor Ort zu dokumentieren. Das Ergebnis: Auch deutsche Markenanbieter wie Ravensburger und Schleich lassen weiter bei Partnern in China herstellen, die sich nicht an alle örtlichen Regeln zu Arbeiterrechten und Arbeitsschutz halten. „Die Spielwarenindustrie hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt“, sagt Maik Pflaum von der CIR. „Das Bewusstsein für die Bedingungen, unter denen das Spielzeug fürs Weihnachtsfest entsteht, ist noch viel zu gering ausgeprägt.“

Die Markenanbieter versuchen stattdessen vor allem, die Preise zu drücken. Dazu spielen sie die ostasiatischen Fabriken gegeneinander aus. „Die Unternehmen sehen ihre Verantwortung nicht“, sagt Studien-Initiator Pflaum. Er fordert die Unternehmen auf, auf einen kleinen Teil ihrer Margen zu verzichten, damit das Spielzeug mit gutem Gewissen Freude bereiten kann.

Die Hersteller verweisen derweil auf ihre Bemühungen, hohe Standards auch bei den Auftragsherstellern sicherzustellen. Ravensburger bestätigt, bei Loveable Products produzieren zu lassen – allerdings nur weniger als zwei von tausend Spielzeugen im Programm. Die meisten Waren des Unternehmens kommen aus Ravensburg und einem Werk in Tschechien, nur rund zehn Prozent stammt aus China. Viele Plastikteile lassen sich praktisch nur in Fernost beziehen, sagt ein Sprecher.

Außerdem ziehen die Marken sich hinter selbst gegründete Organisationen zurück, die in Asien die Arbeitsbedingungen überwachten sollen. Auch der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie verweist auf große gemeinsame Anstrengungen, um hohe Standards sicherzustellen. Die Weltvereinigung der Spielwarenhersteller ICTI nimmt derweil zu dem aktuellen Report Stellung: Er begrüße jede unabhängige Überprüfung und werde berechtigter Kritik sofort nachgehen. Tatsächlich tragen drei der vier Fabriken, die CRI jetzt wegen Regelverstößen anprangert, das Gütesiegel von ICTI. „Die Fälle belegen einmal mehr, wie wirkungslos ein Ansatz ist, der allein auf Fabrikkontrollen basiert“, kommentiert Pflaum.

Die Zulieferstrukturen der Hersteller sind zum Teil sehr kompliziert. Schleich beispielsweise lässt die bekannten Tierfiguren außer am Stammsitz in Schwäbisch Gmünd und in China auch in Portugal, Tschechien, Bosnien, Moldawien, Rumänien und Tunesien fertigen. Mit Loveable arbeite das Unternehmen bereits seit vielen Jahren zusammen, sagt eine Sprecherin.

Wesentlich deutlicher fällt die Kritik derweil an den US-Großkonzernen Disney, Hasbro und Fisher-Price aus. In der Fabrik Wah Tung Toy Products in der Stadt Heyuan sind fehlende Schulungen und laxer Umgang mit Chemikalien ebenfalls ein Problem – doch schlimmer ist aus Sicht der Arbeiterinnen die magere Bezahlung. Sie erhalten auch mit exzessiven Überstunden nur zwischen 300 und 550 Euro Lohn im Monat. Von den 33 Euro, die eine singende Arielle-Badespaß-Puppe in Deutschland kostet, geht nur ungefähr ein Cent an die Arbeiterin in China. „Disney legt den größten Wert auf die Einhaltung aller arbeitsrechtlichen Bestimmungen“, teilte das Unternehmen dazu mit".

Die europaweite Kampagne „Spielsachen fair machen!“ der österreichischen NGO Südwind setzt sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in China ein. Ihre Forderungen reichen vom Recht auf Versammlungsfreiheit für die chinesischen Arbeiter bis zur Offenlegung der Zuliefererketten von Unternehmen. „Unsere Petition an Mattel haben bisher 10.000 Konsumenten unterschrieben. Die großen Spielzeugfirmen setzen chinesische Zulieferbetriebe mit ihrer Einkaufspolitik unter enormen Zeitdruck“, sagt Claudia Bonk, die Leiterin des Projekts.
Chinesische Firmen würden in extrem kurzen Zeiträumen eine große Anzahl an Spielzeug produzieren müssen –, was den Stress der Arbeiter wesentlich erhöhe. Denn wer die Produktionsquote nicht erfüllt, muss mit Lohnabzügen zwischen ein und fünf Euro rechnen. Die Kampagne wendet sich auch gegen den internationalen Spielzeugverband ICTI, der auch für die Zertifizierungen von chinesischen Spielzeugfabriken zuständig ist.

ICTI hat einen Verhaltenskodex für die gesamte Spielzeugbranche entwickelt. Doch bei einer Recherche der NGO Sacom in zwei Spielzeugfabriken wurden trotz Zertifizierung schwere Verstöße gegen die Richtlinien und allgemein anerkannte Menschen- und Arbeitsrechte festgestellt.

Yang Yu arbeitete fünf Jahre in einer chinesischen Spielzeugfabrik. Die junge Frau, die ihren richtigen Namen nicht verraten möchte, ist im Alter von 16 Jahren aus ihrem Heimatdorf in der chinesischen Provinz Hubei in die Stadt gezogen. „Ich habe einen älteren Bruder – meine Eltern hatten nicht genug Geld, um uns beiden eine Ausbildung zu ermöglichen“, sagt sie. Yang habe elf bis zwölf Stunden pro Tag am Fließband gearbeitet. Ihr Lohn schwankte zwischen umgerechnet 120 Euro und 250 Euro im Monat – je nach Saison. „Überstunden waren verpflichtend. Von einer Gewerkschaft hatten wir noch nie etwas gehört.“ Pausen gab es kaum, wer zu oft die Toilette besuchte, wurde ermahnt. Dann drohten Lohnkürzungen oder auch Entlassungen. Kontrollen von außerhalb – auch von der Firma Mattel – gab es zwar. „Doch die wurden angekündigt. Dann gab es eine Versammlung, bei der wir Musterantworten auf anfallende Fragen auswendig lernen mussten“, sagt Yang. Oft wurden Arbeiter bei Kontrollen auch angewiesen, Chemikalien zu verstecken. Mattel will offiziell nicht Stellung nehmen, vielmehr streitet das Unternehmen die Vorwürfe ab.

"Spielsachen fair machen - Eine lohnenswerte Kampagne mit Info, Grafik und Material"

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