Wo ist die Grenze zwischen Rivalität, kleinen Machtkämpfen und Mobbing? Nicht erst gegenwärtig werden zwischen Kindern und Jugendlichen die Grenzen immer häufiger zum Mobbing überschritten. In Italien sprang jüngst eine 14jährige Schülerin vom Balkon in den Tod, die von acht Mitschülerinnen und -schülern zwischen 15 und 17 Jahren heftig unfair attakiert worden war. Sie hatten über die Mitschülerin abwertende Videos und Fotos ins Netz gestellt. In New York erhängte sich eine Zwölfjährige. Auch hier spielte Mobbing durch Internet (Cyber-Mobbing) in der Schule die entscheidende Rolle. In Deutschland gibt jeder sechste Schüler beziehungsweise jede sechste Schülerin an, gemobbt zu werden (=17 %). 19 % der Schüler geben zu, selbst schon andere im Internet unfair attackiert zu haben.
Laut Bündnis gegen Cyberrmobbing e.V. attackieren die meisten aus Langeweile, nur zum Spaß oder weil es auch andere machen. An der Spitze rangieren dabei Beschimpfungen und Beleidigungen, die Verbreitung von Lügen und Gerüchten sowie sich über andere lustig machen oder sie erpressen und bedrohen.
Für einen großen Report hat sich Prof. Franz Petermann, Direktor des Zentrums für Klinische Psychologie der Uni Bremen, eingehend damit beschäftigt. Er erforscht seit Jahren die Entwicklung der Sozialkompetenz bei Kindern und Jugendlichen.
In dem Exklusiv-Interview mit der Zeitschrift „Eltern family“ warnt der Experte, dass das Mobben immer früher einsetze: „Es gibt krasse Formen wie Cyber-Mobbing. Das sind knallharte Verletzungen, die Kinder erfahren. Es tritt auf, sobald die Kinder mit acht, neun oder zehn Jahren über Handys verfügen oder via Internet soziale Netzwerke betreten. Alle Mobbing-Phänomene, die wir haben, verlagern sich jedes Jahr ein bisschen nach vorne.“ Petermann glaubt, „dass Grenzen zu spät gesetzt werden. Das ist das Hauptproblem.“
Mobbing könne man nur verhindern, indem Kinder soziale Regeln lernen und ein Gefühl für Gerechtigkeit und Fairness entwickeln. Petermann: „Bei der Vermittlung von sozialer Kompetenz und moralischer Erziehung haben wir ganz große Defizite. Die Kinder haben kein Gerechtigkeitsgefühl mehr, viele sind einfach Egoisten. Sie werden zu Egoisten erzogen. Für mich ist Mobbing anerzogen!“ Die Frage, wie der Entwicklung entgegnet werden kann, beantwortet er mit Hinweise auf das, was fehlt:„Wir müssen Kindern die Grundprinzipien des sozialen Miteinanders nahebringen: Teilen, Rücksichtnahme, Helfen, Unterstützen, Fairness - all diese Werte, die ins Wackeln gekommen sind. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass sich Kinder auch zurücknehmen können, um anderen eine Chance zu geben.“
Allerdings vergisst Petermann, darauf hin zu weisen, dass schon kleine Kinder eine Fairness-Intuition und ein Gerechtigkeitsgefühl mitbringen. Das zeigen zahlreiche Forschungen. Doch ebenso frühzeitig werden die Fairness-Motive von Kindern irritiert: durch Angst, durch nachteilige Vergleiche, durch Abwertung – beispielsweise in der Schule, durch Ohnmachtserfahrungen und durch das negative Vorbild der Erwachsenen, die sich mit Ellenbogen und unfaire Attacken Vorteile erobern oder verteidigen. Kinder können nicht besser sein als die soziale Umwelt. Sie sind ihr Spiegel. In einer Gesellschaft unfairer Geister wird sich kein fairer Geist dauerhaft entfalten. Im Gegenteil.
Eltern Family, 06-2013 (Helden mobben nicht) Studie über Cybermobbing
http://www.fairness-stiftung.de/Mobbing.htm
Spezielle Sites für junge Menschen & Lehrer Bündnis gegen Cybermobbing e.V.
http://www.jungundjetzt.info
http://www.mips-ev.de/index.htm
http://mobbing.seitenstark.de
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