Blog-Artikel

04.09.2014 12:59
Von Natur aus fair?  

Kinder haben im Alter von sechs bis acht Jahren einen scharfen Sinn für Gerechtigkeit. Eine neue Studie zeigt erneut, dass Menschen bereits im Kindesalter einen Sinn Fairness entwickeln. Allerdings ist das Urteil über unfaires Verhalten stark davon abhängig, ob die andere Fremde oder Bekannte oder gar Freunde sind. Psychologen der Universitäten Harvard und Yale zeigten jüngst im Fachblatt PNAS (online), dass diese Parteilichkeit wohl altersabhängig ist. Während Sechsjährige Ungerechtigkeiten in der eigenen Gruppe noch milder bewerten als die von anderen, ist ihr Gerechtigkeitssinn mit acht Jahren mit mehr Objektivität versehen. Sie gehen auch dann gegen Unfairness vor, wenn sie aus den eigenen Reihen kommt.

Wie Werner Bartens in der Süddeutschen Zeitung (19.8.14) berichtete, hatten die Forscher um Jillian Jordan zunächst 32 Sechsjährige untersucht: „Die Kinder wurden nach ihrer Lieblingsfarbe in blaue und gelbe Gruppen eingeteilt, und trugen Hüte der entsprechenden Farbe. Dann schaute jeweils ein Kind zu, wie sechs Süßigkeiten zwischen einem Mitglied der eigenen und der anderen Gruppe geteilt wurden. Empfanden die "Schiedsrichter" die Aufteilung als fair, bekamen beide Empfänger die Naschereien. Wenn sie die Verteilung missbilligten, mussten die Schiedsrichter mit einer eigenen Süßigkeit die Ungerechtigkeit ausgleichen - Bonbons eines unfairen Aufteilers kamen weg.

Bei den Sechsjährigen zeigte sich, dass sie weniger streng gegenüber Mitgliedern der eigenen Gruppe waren, Unfairness bei anderen jedoch streng ahndeten. In einer zweiten Versuchsreihe wurden 32 Achtjährige mit dem identischen Versuch konfrontiert. Jetzt zeigte sich, dass die älteren Kinder weniger bestechlich in ihrem Urteil waren und sich von der Gruppenzugehörigkeit kaum beeinflussen ließen. "Die Sechsjährigen waren noch nachsichtig gegenüber ihresgleichen", sagt Jordan. "Bei den Achtjährigen war hingegen deutlich zu spüren, dass sie auch dann um Gerechtigkeit bemüht waren, wenn es auf ihre eigenen Kosten ging. Sie hatten das Gefühl, dass Egoismus schlecht ist, egal ob er sich bei Mitgliedern der eigenen Gruppe zeigt oder bei Fremden." Bereits im Grundschulalter entwickeln Kinder offenbar so viel Empathie, dass sie andere als unfair behandelte Opfer ansehen können, egal wie fremd sie ihnen sind.

Die Forscher fragen sich, ob das gezeigte Verhalten kulturspezifisch für den Westen ist oder es sich um Normen der Fairness handelt, die es überall auf dem Globus gibt“. Bartens‘ Resümee: „Erneut bestätigt diese Untersuchung, dass sich Mitgefühl und Gerechtigkeitssinn schon bei kleinen Kindern finden und der Mensch nicht "von Natur aus" egoistisch ist, wie manche Ökonomen und Politiker gerne mittels biologistischer Blaupausen behaupten, um ungezügelten Wettbewerb zu rechtfertigen und Egoismus als Tugend darzustellen. Das Gegenteil ist der Fall“.

Das haben auch schon zahlreiche Untersuchungen und Experimente zuvor gezeigt (siehe in „Fairness“, Gütersloher Verlagshaus 2010). Doch es dauert wohl noch Jahrzehnte, ehe sich in der Gesellschaft die Einsicht durchsetzt, dass kooperative Gesellschaften, die auf Fairness gründen, konkurrenten Gesellschaften überlegen sind. Zumal, wenn der Wettbewerb nicht in faire Bedingungen eingebunden ist.

"Fairness" - Das Buch.

Früh übt sich fair

Gesellschaft
  Blog-Artikel
  Blog-Kategorien
  Blog-Archiv