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05.05.2022 11:28
Erstmaliger Rassismusmonitor - Jeder Fünfte in Deutschland ist von Rassismus betroffen  

Erstmals hat die Regierung Rassismus in Deutschland in Zahlen gefasst: Fast alle nehmen ihn wahr, vor allem Minderheiten erleben ihn. Erschreckend ist die Zahl jener, die Rassismuskritik als »politische Korrektheit« abtun. Spiegel-Online berichtet heute:

„Vorurteile bei der Wohnungsvergabe, Beleidigungen im Job, einseitige Kontrollen durch die Polizei: Immer wieder berichten Menschen in Deutschland von rassistischen Erfahrungen, viele seien strukturell. Nun hat sich die Bundesregierung erstmals bemüht, konkrete Zahlen zusammentragen. Das Urteil des neuen »Rassismusmonitors« fällt ernüchternd aus: Demnach sind gut 90 Prozent der Menschen im Land der Meinung, dass Deutschland ein Rassismusproblem hat.

Die Auftaktstudie des »Rassismusmonitors«

wurde vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) erhoben. Das Zentrum wurde 2017 gegründet und wird durch den Bundeshaushalt gefördert. Die Studie soll von nun an regelmäßig erscheinen.
Vor allem Jüngere sind sensibilisiert

Die Forschenden hatten neben einer repräsentativen Befragung der Bevölkerung im Alter ab 14 Jahren auch gezielt Angehörige von sechs »rassifizierten Minderheiten« in den Blick genommen: Schwarze Menschen, Muslime, Asiaten, Sinti und Roma, Juden und Osteuropäer. Die Befragten konnten sich dabei sowohl selbst einer dieser Gruppen zuordnen als auch angeben, ob sie von Außenstehenden einer dieser Gruppen zugeordnet werden.

Das macht mich stark!

45 Prozent der Menschen in Deutschland haben laut der Studie schon einmal rassistische Vorfälle beobachtet. Mehr als ein Fünftel der Bevölkerung (etwa 22 Prozent) gibt an, selbst schon von Rassismus betroffen gewesen zu sein. Laut Studie berichten junge Menschen häufiger von direkten Rassismuserfahrungen als Ältere. Das mag mit einem geschärften Problembewusstsein bei den Jüngeren, womöglich aber auch mit mehr Kontakten junger Betroffener zu Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft zusammenhängen.

Abwertung von Rassismuskritik

Unter den »rassifizierten Minderheiten« gaben insgesamt 58 Prozent an, schon einmal selbst Rassismus ausgesetzt gewesen zu sein, wobei der Wert bei den Angehörigen der sechs Minderheiten in der Altersgruppe zwischen 14 und 24 Jahren bei rund 73 Prozent lag, bei den über 65-Jährigen dagegen mit 24,2 Prozent deutlich niedriger.

Dass bestimmte ethnische Gruppen, beziehungsweise Völker intelligenter als andere sind, glauben laut Studie zwar lediglich neun Prozent der Bevölkerung. Der Aussage, dass gewisse ethnische Gruppen oder Völker »von Natur aus fleißiger sind als andere«, stimmte allerdings rund ein Drittel der Befragten zu.

»Rassismus« wird in der Studie definiert als eine Ideologie sowie als eine diskursive und soziale Praxis, in der Menschen aufgrund von äußerlichen Merkmalen in verschiedene Gruppen eingeteilt werden, denen per »Abstammung« verallgemeinerte, unveränderliche Eigenschaften zugeschrieben werden.
»Ein wichtiger Schritt für Veränderung«

Die Forscher kommen zu dem Schluss, Rassismuskritik werde oft dadurch abgewehrt, dass Betroffenen eine Hypersensitivität unterstellt werde. Den Angaben zufolge ist ein Drittel der Bevölkerung der Auffassung, dass Menschen, die sich über Rassismus beschweren, »häufig zu empfindlich« seien. 11,6 Prozent der Befragten stimmten dieser Aussage voll und ganz zu, 21,5 Prozent stimmten ihr eher zu. Ganze 45 Prozent der Befragten hält Rassismuskritik zudem für eine Einschränkung der Meinungsfreiheit im Sinne »politischer Korrektheit«.

»Deutschland weiß um sein Rassismusproblem«, sagte Reem Alabadi-Radovan, Rassismusbeauftragte der Bundesregierung. »Die breite Erkenntnis ist eine gute Nachricht, denn sie ist ein wichtiger Schritt für Veränderung.« Jahrzehntelang sei Rassismus in Deutschland verschwiegen oder gar bestritten worden, das wirke bis heute nach.

Alabadi-Radovan kündigte an, rassistische Strukturen bei Behörden, in der Polizei und in der Arbeitswelt bekämpfen zu wollen. »Wir müssen gemeinsam die wehrhafte Demokratie sein, die den Nährboden von Rassismus austrocknet«, sagte die Staatsministerin“.

Gründer kämpfen mit rassistischen Erfahrungen

Deutschlands Start-up-Szene lebt zu einem beträchtlichen Teil von Unternehmern mit ausländischen Wurzeln. Doch im Umgang mit Behörden, Investoren und Banken klagen viele von ihnen über Diskriminierung. Anton Rainer schreibt ebenfalls heute in Spiegel-Online:
„Wer in Deutschland eine Firma gründet, muss ohnehin nicht wenige Hürden überwinden. Zwischen Behördengängen und Finanzierungsrunden, Förderungsanträgen und Bürokratie ist der Start in die Selbstständigkeit nur etwas für besonders leidgeprüfte Unternehmer. Für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gilt das jedoch besonders.

Unter den jungen Unternehmern und Unternehmerinnen, die im Ausland geboren wurden, hat jeder Dritte im Zuge der Gründung rassistische Erfahrungen gemacht. Bei denen, die in einem anderen Land studierten, liegt der Anteil sogar noch höher: 51 Prozent klagen über Diskriminierung bei Behörden und Ämtern, Banken und Investoren, Vermietern und Kooperationspartnern. Das ergab eine Auswertung des Bundesverbands Deutsche Start-ups und der Friedrich-Naumann-Stiftung, die dem SPIEGEL vorliegt.

Innovativer und besser ausgebildet

Auch Gründer, die in erster oder zweiter Generation in Deutschland aufgewachsen sind, sprechen über Vorurteile: Jeweils 32 Prozent und 17 Prozent erlebten laut Umfrage während der Gründung ihrer Firma Momente, in denen sie aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert wurden – die meisten eingewanderten Gründerinnen und Gründer stammen aus Osteuropa (23 Prozent) und Asien (14 Prozent). Einziger Lichtblick: Der Umgang und Austausch mit anderen Start-ups scheint die jungen Unternehmer und Unternehmerinnen seltener vor derartige Probleme zu stellen.

Für den Start-up-Standort Deutschland sind diese Zahlen enttäuschend, lebt er doch zu einem beträchtlichen Teil von der Innovation seiner Gründer, die ihre Wurzeln teils im Ausland haben. Ohne sie gäbe es hierzulande kein unabhängiges akademisches Netzwerk (ResearchGate), keine Lebensmittellieferungen in unter zehn Minuten (Gorillas) und keinen deutschen Impfstoff aus der mRNA-Forschung (Biontech). »Fehlende Offenheit gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund, deren mangelhafte Netzwerke und unsere Bürokratie sind ein Problem für den Standort Deutschland«, sagt Gesa Miczaika vom Start-up-Verband.

Unzureichende Finanzierung

Das liegt auch an der Bedeutung, die diese Firmen in Deutschland erreicht haben: Unternehmer und Unternehmerinnen mit Migrationserfahrung gründen 22 Prozent der deutschen Start-ups, mehr als die Hälfte von ihnen sind im Ausland geboren. Mit einem Akademikeranteil von 91 Prozent sind vor allem Letztere besonders gut ausgebildet, der Großteil hat einen Abschluss im Bereich Wirtschaft oder einem der begehrten MINT-Fächer.

Dennoch zeigt sich eine große Diskrepanz beim Wettstreit um Kapital: Nur ein Drittel der nach Deutschland eingewanderten Gründer konnte nach eigenen Angaben bisher auf staatliche Fördermittel zurückgreifen – das sind zehn Prozentpunkte weniger als im allgemeinen Durchschnitt. Ähnliche Unterschiede zeigen sich bei der Verteilung von Wagniskapital: Lediglich 15 Prozent der ausländischen Gründer haben bisher eine solche Finanzierung erhalten, gegenüber 20 Prozent im allgemeinen Start-up-Schnitt. Und das obwohl sie diese Form der Finanzierung häufiger anstreben".

mrc/dpa

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