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05.04.2013 14:20
Wie Fairness unfair eingesetzt wird  

Auch Fairness lässt sich missbrauchen. Jedenfalls, wenn man in „Fairness“ einen doppelten Boden einzieht und etwas Fairness nennt, was gar nicht Fairness ist. Dazu haben viele inzwischen den Bogen raus und betreiben so Fairness-Washing; etwas, wogegen sich der Fairness-Check richtet. In einem Beitrag von „Focus Money“ (3.4.2013) schildert Jack Nasher, wie man Fairness geschickt gebraucht, um zum eigenen Vorteil einen „Deal“, einen Verhandlungserfolg für sich herbeizuführen.

Jack Nasher schreibt: „Fairness ist einer der wichtigsten Aspekte beim Verhandeln. Menschen aller Kulturen lehnen nützliche Deals ab, weil sie ihnen nicht fair erscheinen. Wer diese Tatsache kennt, der kann sie für sich nutzen. Eine der bekanntesten Simulationen in Verhandlungstrainings ist das ultimatum game. Die Regeln sind sehr einfach: Ihr zugewiesener Partner bekommt 100 Euro. Er muss Ihnen nun ein Angebot machen, wie er das Geld mit Ihnen teilen will. Handeln ist nicht erlaubt, es gibt nur ein einziges Angebot. Wenn Sie zustimmen, wird der Betrag genauso aufgeteilt. Wenn Sie aber ablehnen, bekommt niemand etwas. Was würden Sie tun, wenn Ihr Partner Ihnen einen Euro anbieten würde? Würden Sie ‚ja’ sagen?

Die meisten lehnen es ab: Auch wenn sie dann nichts bekommen, ist es ihnen immer noch lieber, als dass der andere 99 Euro bekommt. Rein ökonomisch betrachtet, ist das Verhalten irrational – lieber 1 Euro als 0 Euro. Die meisten lehnen Angebote unter 20, viele gar solche unter 30 und einige auch solche unter 40 Euro ab. Sie halten sie schlicht und einfach für unfair.

Und das ist der entscheidende Punkt: Fairness ist einer der wichtigsten Aspekte beim Verhandeln. Menschen aller Kulturen lehnen nützliche Deals ab, weil sie ihnen nicht fair erscheinen. Wir interessieren uns nicht nur für unseren persönlichen Nutzen, sondern sind immer auch Verteidiger der Gerechtigkeit. Was wir in einer Verhandlung als fair wahrnehmen und was nicht, hängt nicht nur vom Ergebnis ab, sondern mindestens ebenso stark vom Prozess“. Bis hierhin hat Nasher, Professor für Leadership & Organizational Behavior an der Munich Business School, völlig Recht. Doch dann schreibt er weiter, wie man seinen Verhandlungspartner ansprechen soll:

„Natürlich wollen Sie einen hohen Preis erzielen und ich einen niedrigen Preis zahlen. Wie wäre es, wir finden gemeinsam heraus, was ein fairer Preis ist?“ Dagegen wird niemand etwas sagen. Etwas präziser formuliert: „Ich habe mir im Internet einmal den Durchschnittspreis pro bebautem Quadratmeter für das Frankfurter Ostend angesehen, er liegt bei 3500 Euro. Insofern ist mein Angebot für die 100-Quadratmeter-Wohnung über 350 000 Euro fair.“ Definieren Sie die Verhandlung als eine Suche nach objektiven Kriterien. Statt als Sprachrohr Ihrer eigenen Interessen zu erscheinen, sind Sie nun die Stimme der Fairness. Standardverträge, Standardzinssätze, Schwackeliste: All dies sind objektive Richtlinien – auf den ersten Blick jedenfalls“.

Haben Sie’s gemerkt: Hier kam der erste Trick. Fairness wird angeblich verobjektiviert als gäbe es objektive Kriterien für Fairness. Die liegen aber nicht in der Sache begründet oder in vermeintlich bereits vorliegenden Kriterien – wie hier beispielsweise in durchschnittlichen Quadratmeterpreisen. Was ist, wenn diese Preise eine Verzerrung des Markes widerspiegeln, eine Immobilienblase ausmachen, also als angemessen suggerieren, was eigentlich überteuert ist, weil z.B. die Bausubstanz den Preis nicht trägt, eine Veränderung der Infrastruktur geplant ist, deren Folgen viele noch nicht abschätzen können, wenn seit zwei Jahren der neuerliche Fluglärm über den Villen im Frankfurter Süden, in Sachsenhausen?

Was unfair ist: Die eigenen Interessen kommen gerade nicht auf den Tisch, werden verschleiert. Wo aber beabsichtigte und unbeabsichtigte Intransparenz herrscht, geht es unfair zu. Denn Transparenz ist eine Schwester der Fairness.

Dass die Methodenwahl und die Vorgehensweise, Dinge zu bewerten, für die Fairness-Qualität einer Verhandlung maßgeblich sind, räumt auch Nasher ein: „Denn bei der Bewertung von Unternehmen, die zum Verkauf stehen, etwa gibt es unzählige Methoden, die zu völlig unterschiedlichen Zahlen kommen. Wenn Sie statt einer Multiplikatormethode eine Discounted-Cash-Flow-Analyse ansetzen, haben Sie zwei sehr unterschiedliche Ergebnisse auf dem Tisch.

Wenn der New Yorker Immobilienmogul Donald Trump eines seiner Objekte verkaufen will, dann lässt er seine Analysten verschiedene Szenarien durchrechnen, die auf unterschiedliche Renditen kommen. Er nimmt nur dasjenige mit in die Verhandlung, das die höchste Rendite verspricht, und schreibt mit der Hand noch etwas darauf wie „Ihre Rendite: 20 Prozent im Jahr“. Seine Devise ist, stets das beste objektive Kriterium zu präsentieren und dann völlig vereinfacht darzustellen – die Schriftform macht es deutlich glaubwürdiger.

Wenn sie ein Büro mieten, prüfen Sie, was andere Büros in der Lage pro Quadratmeter kosten. Wenn die Preise zwischen 8 und 20 Euro variieren, dann drucken Sie die günstigsten aus und zeigen Sie sie dem Vermieter. Sie wollen eine neue Matratze kaufen? Von 50 Angeboten, die Sie im Internet finden, sind vielleicht nur drei besser als das des Ladens, in den Sie gehen. Nehmen Sie immer die für Sie besten Vergleichsangebote ausgedruckt mit, ob Sie ein Haus, ein Auto oder einen neuen Toaster kaufen. Damit stehen sie nicht da, wie ein Feilscher in eigener Sache, sondern wie ein Verfechter der Gerechtigkeit“.

Ist das ein faires Vorgehen? Raffiniert sicher, aber fair auch nicht. Fair wäre es, die gefundene und ausgelotete Spannbreite von Preisen und Gewinnen auf den Tisch zu legen und gemeinsam zu bewerten. Und nicht die für mich ungünstigen unter den Tisch fallen zu lassen. Denn dann muss der Andere natürlich die ungünstigere Hälfte auf den Tisch legen und entlarvt damit schon mal, dass ich keine faire, sondern nur eine für sich vorteilhafte Betrachtung im Auge hatte. Das macht skeptisch, auf beiden Seiten. Die weitere Verhandlung ist dann von Misstrauen geprägt. Ein Vertrauensaufbau durch faires Handeln ist vertan. Es wird teurer, nicht preiswerter; es wird stressiger, nicht entspannter; es wird ein Poker-Spiel, keine faire Veranstaltung.

"Der Fairness-Check"

"Fairness als Trick von Jack Nasher in Focus Money"

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