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02.12.2024 14:52
Unfairness gegenüber Menschen mit Handicap - Eine Lösung wäre möglich  

Menschen mit Behinderung finden nur schwer einen Job. 1,6 Millionen Schwerbehinderte in Deutschland haben keinen Arbeitsplatz. In Deutschland sind 1,6 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung nicht auf dem Arbeitsmarkt integriert, zeigt das neue Inklusionsbarometer.

Aktion Mensch kritisiert, dass jedes vierte Unternehmen gar keine Menschen mit Behinderung beschäftigt. Firmen zahlen demnach lieber eine Ausgleichsabgabe, als sich mit dem Thema Inklusion zu beschäftigen.
Menschen mit Behinderung haben am Arbeitsmarkt einer Studie zufolge schlechtere Karten als früher. Aus dieser Gruppe seien im Oktober in Deutschland 177.280 Menschen arbeitslos gewesen und damit sieben Prozent mehr als ein Jahr zuvor, heißt es in einer Untersuchung des Handelsblatt Research Institutes und des Vereins Aktion Mensch. Die Wirtschaftskrise gehe für Menschen mit Behinderung im Hinblick auf Chancengerechtigkeit mit einem deutlichen Rückschritt einher, sagte Christina Marx, Sprecherin von Aktion Mensch.

Bereits im vergangenen Jahr hatte sich die Situation verschärft: 2023 lag die Arbeitslosenquote von Menschen mit Schwerbehinderung den Angaben zufolge bei durchschnittlich 11 Prozent und damit 0,2 Prozentpunkte höher als 2022. Schätzungsweise 46.000 Arbeitgeber hatten keine schwerbehinderten Beschäftigten, obwohl sie sie hätten haben müssen – das waren 1000 mehr als ein Jahr zuvor.

Behinderung am Arbeitsplatz - Inklusion im Berufsleben: Woran hakt es?

Mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland im erwerbsfähigen Alter haben eine Schwerbehinderung, doch nur etwa ein Drittel von ihnen geht einer regulären Beschäftigung nach. Dabei gibt es eigentlich gesetzliche Regelungen.
Ab 20 Mitarbeitenden sind Arbeitgeber verpflichtet, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Das sind den Angaben zufolge rund 179.000 Unternehmen in Deutschland. Erfüllt ein Arbeitgeber die Pflichtquote von fünf Prozent nicht, muss er für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz eine Ausgleichsabgabe bezahlen.

Schlechte Konjunktur sei eine Ausrede, moniert Aktion Mensch

Der Anteil der Unternehmen, die alle Pflichtplätze besetzen, lag 2023 den Angaben zufolge nur bei 38,5 Prozent und damit 0,5 Prozentpunkte niedriger als ein Jahr zuvor. Das sei ein Tiefstwert, heißt es von Aktion Mensch. Insgesamt beschäftigt jedes vierte Unternehmen keine Menschen mit Behinderung. Die Inklusionsbarometer genannte Studie kommt seit 2013 jedes Jahr heraus, sie basiert vor allem auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Die meisten Behinderungen entstehen im Laufe des Lebens, nur drei Prozent sind angeboren.

Die Privatwirtschaft stellt relativ wenige Menschen mit Behinderungen ein. Aktion-Mensch-Sprecherin Marx sagt dazu: „Eine schlechte Konjunktur greift als Erklärung nicht weit genug – schließlich klagt die Wirtschaft zunehmend über den Fachkräfte – wie auch den Arbeitskräftemangel allgemein.“ Unternehmen besetzen die Arbeitsplätze aber nicht mit den vielen gut qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Behinderung, moniert Marx.

Schwerbehinderte werden häufiger gekündigt als noch vor einem Jahr

Kritisch ist der Studie zufolge auch, dass die Firmen ihren schwerbehinderten Beschäftigten häufiger gekündigt haben als zuvor. Gingen beim Integrationsamt im Jahr 2022 noch rund 17.000 Kündigungen ein, so waren es 2023 schon rund 21.000. Kündigt eine Firma einem Menschen mit Behinderung, so muss dies bei dem Amt beantragt haben. Damit die Kündigung gültig wird, ist die Zustimmung des Amts nötig. Vorher wird geprüft, ob nicht doch eine Weiterbeschäftigung möglich ist, etwa mit staatlichen Zuschüssen.

In Deutschland gibt es den Angaben zufolge 3,1 Millionen Menschen mit einer schweren Behinderung, die zwischen 15 und 65 Jahre alt sind – also weitestgehend in einem Alter, in dem sie arbeiten könnten. Rund 1,1 Millionen dieser Menschen sind bei Firmen beschäftigt, die mindestens 20 Angestellte haben. Schätzungsweise rund 200.000 Menschen mit Behinderung sind bei kleineren Firmen tätig. Abzüglich junger Menschen, die noch zur Schule gehen, und älteren Menschen, die schon in Frührente sind, sind es laut Aktion Mensch circa 1,6 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung, die nicht in den Arbeitsmarkt integriert sind.

Der Sozialverband Deutschland zeigte sich besorgt. „Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Wirtschaft über den Fachkräftemangel öffentlich jammern“, sagte der Verbandsvorsitzende Michaela Engelmeier. Aus Bequemlichkeit, Überforderung und anderen vorgeschobenen Gründen nutze die Wirtschaft nicht das vorhandene Potenzial von gut ausgebildeten Menschen mit Behinderung oder Schwerbehinderung. Staat und Politik schauten einfach zu. „Vom allzu oft propagierten echten „inklusiven Arbeitsmarkt“ ist Deutschland bewiesenermaßen noch meilenweit entfernt“, moniert Engelmeier.

Die Caritas sieht es ähnlich kritisch und fordert mehr Rückendeckung aus den Chefetagen. „Arbeitsuchende mit einer Behinderung haben dann Chancen auf einen Job, der ihren Stärken entspricht, wenn die Betriebskultur Diversität und Nichtdiskriminierung großschreibt“, sagt Wolfgang Tyrychter, der Vorsitzende des Caritas-Bundesverbandes Behindertenhilfe und -Psychiatrie.

RND/dpa

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