Hat der Wettbewerb eine ethische Funktion? Bundesminister Philipp Rösler von der FDP sagte dieser Tage zur Eröffnung einer Konferenz in Wittenberg: "In der Sozialen Marktwirtschaft übernimmt der Wettbewerb eine zentrale ethische Funktion. Er fördert das Wachstum, das Grundlage für Fortschritt und sozialen Ausgleich ist. Soziale Marktwirtschaft und Wachstum gehen Hand in Hand. Zu den Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft gehört ein verantwortlicher Umgang mit Freiheiten und Vertrauen in marktwirtschaftliche Prozesse. Soziale Marktwirtschaft kann nur erfolgreich sein, wenn alle aktiv an ihrem Gelingen mitwirken. Das gilt für Unternehmer, Beschäftigte, politische Gestalter und Verbraucher gleichermaßen“.
Das ist großer Unsinn. Denn ein Wettbewerb hat keine ethische Funktion. Sondern die muss ihm durch Spielregeln und Kontrolle ihrer Einhaltung verpasst werden. Ein Wettbewerb ohne Spielregeln ist ein rohes Geschehen, wo die einzige Spielregel herrscht, die sich aufdrängt: Der Stärkere setzt sich durch. Und der setzt diese „Regel“.
Wettbewerb fördert auch nicht automatisch Wachstum und in der Folge Fortschritt und sozialen Ausgleich. Wettbewerb kann auch Wachstum hemmen, wenn ungezügelter Wettbewerb zur kurzsichtigen Ausbeute einer wichtigen Ressource führt, so dass Wachstum auf dem entsprechenden Gebiet nicht mehr möglich und auch nicht einfach ersetzbar ist. Hat der Minister noch nie von den „Grenzen des Wachstums“ gelesen oder gehört? Bebaubares Land beispielsweise ist begrenzt. Im Wettbewerb gewinnen derzeit dort diejenigen, die massiv Macht, Geld, Bedrohung und Verdrängung einsetzen. Oder Strukturvorgaben zu ihren Gunsten durch Beziehungen und Lobbyarbeit beeinflussen. Und es gibt Wettbewerb, der Fortschritt behindert. Wie seinerzeit der Wettbewerb um das beste Videoformat bewies. Das VHS-Format gewann; das Betamax und Video2000-Format blieb auf der Strecke, obwohl es technisch die bessere Bildqualität bot. Wie der Wettbewerb im Automobilsektor derzeit beweist: Die kleinen, sparsamen und umweltschonenden Fahrzeuge bleiben auf der Strecke; große, schwere und schnelle Autos gewinnen. Auf Kosten der Ressourcen und der Umwelt. Dass Wettbewerb durch Wachstum sozialen Ausgleich stiftet, ist eine Mär, der nicht nur Philipp Rösler aufsitzt. Er macht sich auch noch zu deren Herold. Wettbewerb stiftet zunächst Gewinner und Verlierer. Und nur, wenn der Gewinner auf faire Weise zu seinem Vorteil gekommen ist und dessen Fairness durch den Verlierer anerkannt werden kann, kann sozialer Ausgleich entstehen. Wenn jedoch der Wettbewerb nach der Art „wer hat, dem wird gegeben“ organisiert ist, werden die sozialen Unterschiede immer mehr verschärft. Sozialen Ausgleich gibt es also nicht durch den Wettbewerb, sondern durch Fairness und faire Regeln, der die Wettbewerber zu einem fairen Spiel veranlasst oder zwingt.
Ergo: Der Bundesminister Philipp Rösler hat eine Chance verpasst, ein wichtiges Thema geistig und ethisch zu durchdringen. Vielleicht fehlt es an ethischer Qualifikation. Vielleicht aber auch an Fairness-Bewusstsein. Wettbewerb ohne Fairness ist wie Musik ohne Pausen, Rhythmen und Takte. Nennt man Lärm.
http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Grenzen_des_Wachstums
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