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01.04.2016 11:55
Fairness der Chancen  

Wenn es um die „Fairness der Chancen“ geht, brauchen wir einen Befähigungsstaat, schreibt Nils Heisterhagen im Debatten-Magazin „The European“. Der Politikwissenschaftler und Volkswirt meint: „Wir haben zu lange keine Debatte mehr über den Staat geführt. Staatsgegnerschaft beherrscht immer noch den Mainstream. Zeit mit einer neuen Idee die Debatte zu erneuern.

Ein Befähigungsstaat ist ein Staat, der sich verpflichtet sieht, alle seine Bürger in den Stand zu setzen, ihr Leben selbstbestimmt führen zu können und auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können. Der Befähigungsstaat hat ein instrumentelles und ein ideelles und ideales Ziel:

Sein instrumentelles Ziel ist die Befähigung aller Mitbürger ungeachtet ihrer Herkunft zu einer Arbeitskraft, die einen Platz auf dem Arbeitsmarkt finden kann. Ziel dieses Befähigungsstaates ist es, dass kein Jugendlicher mehr die Schule ohne Abschluss verlässt und dass jeder Jugendliche eine Ausbildung erhält. Weiterhin ist es das Ziel dieses Befähigungsstaates, dass die Arbeitsmarktpolitik auf Weiterbildung und Qualifizierung ausgerichtet wird und nicht auf die schnelle Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt – mithin geht es darum das Fördern beim „Fördern und Fordern“ der bisherigen Arbeitsmarktpolitik endlich umfassend, systematisch und ambitioniert ernst zu nehmen.

Ideelles und ideales Ziel des Befähigungsstaates ist vor allem die Fairness der Chancen. Wir brauchen einen Befähigungsstaat, weil jedes Kind vergleichbare Bildungschancen haben soll – egal wo es herkommt. Reichtum darf nicht darüber entscheiden, ob Bildungserfolg stattfindet oder nicht. Ziel des Befähigungsstaates ist die Annäherung an eine vergleichbare substanzielle Freiheit. Der Befähigungsstaat basiert auf einem linken Freiheitsbegriff. Ein linker Freiheitsbegriff – so wie ihn etwa der Philosoph Amartya Sen mit seiner Idee der substanziellen Freiheit vorschlägt – hat ein positives Verständnis vom Staat. Freiheit durch den Staat, auch diese gibt es. Freiheit für alle gibt es nur mit einer Politik, die den Staat als Instrument der Steigerung der individuellen Freiheiten ansieht. Eine Politik gegen den Staat – die sich nur auf Deregulierung und steuerpolitische Privilegien versteift – hingegen sorgt nur für eine substanzielle Freiheit für Wenige. Diese substanzielle Freiheit hat zwar die doppelte sozialstaatliche Dimension der Verwirklichung von sozialer Sicherheit – im Sinne der Freiheit von ökonomischer Not – und die Fairness der Chancen. Aber die Alimentierung des Staates bei Arbeitslosigkeit ist eben nur ein Teil. Der wesentlich wichtigere Teil jenes für die substanzielle Freiheit sorgenden und vorsorgenden Staates, ist die Fairness der Chancen. Und diese Fairness der Chancen wird zunächst und zumeist im Bildungssystem entschieden. Deswegen ist der Befähigungsstaat Beförderer der Freiheit und entscheidendes Instrument zur Verwirklichung des Ideals vergleichbarer substanzieller Freiheit“.

"Vollständiger Essay von Nils Heisterhagen"

"Fähigkeiten schaffen - das Konzept von Martha Nussbaum"

"Der Katalog der menschlichen Grundfähigkeiten"

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