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13.03.2018 14:00
Wem ist klar, was drin ist?  

„Bei den zahllosen Angeboten unserer globalisierten und digitalisierten Welt den Überblick zu behalten, Rechte zu kennen und durchzusetzen, ist für Verbraucher eine immer größere Herausforderung. Die Politik muss klare Regeln schaffen, damit sich die Verbraucher in allen Alltagsbereichen sicher fühlen. Die Bundesregierung hat in der letzten Wahlperiode diese Verantwortung nicht ernst genommen und Verbraucher alleingelassen“, schreiben Renate Künast und Tabea Rößner in ihrem Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau am 12.2.2018. Sie haben Recht. Fairness im Markt und für die Verbraucher sieht anders aus als was Politik und Konzerne bewerkstelligen.

Die Autorinnen nennen das „Beispiel Supermarkt: Die Einführung eines Tierwohllabels sollte das große Aushängeschild von Minister Schmidt werden. Das allerdings gibt es immer noch nicht. Stattdessen führen Supermärkte eigene Kennzeichnungssysteme ein. Das Ergebnis: Die unterschiedlichen Labels sind kaum zu durchschauen und nicht vergleichbar – kein Mehrwert also für die Verbraucher.

Dasselbe Dilemma bei der Nährwertkennzeichnung: Jahrelang haben Minister der Union eine einheitliche Nährwertampel als Bevormundung abgestempelt und blockiert. Mittlerweile setzen sich die großen Lebensmittelkonzerne selbst für eine Ampelkennzeichnung ein.

Das aber ist eine Mogelpackung, denn sie fordern eine portionsbezogene Bewertung. Damit können Hersteller mit kleinen Portionsgrößen rote Kennzeichnungen ganz einfach umgehen. Die Folge: Ungesunde Lebensmittel sind weiterhin nicht auf den ersten Blick erkennbar, unrealistische Portionsgrößen und keinerlei Vergleichbarkeit der Produkte.

Die Freiwilligkeitsgläubigkeit der letzten Bundesregierung hat nicht den Verbrauchern, sondern vor allem den Unternehmen genutzt. Sie hat mit Runden Tischen und Branchengesprächen auf Eigenverantwortung und Selbstregulierung der Wirtschaft gesetzt, etwa mit dem Bündnis für nachhaltige Kleidung oder der Umsetzung der internationalen Leitprinzipien für Menschenrechte. Dabei konnte sich die Wirtschaft mit eigenen Kampagnen profilieren, den Verbrauchern wurde mit Unmengen von Labels und fehlender Transparenz die Verantwortung für gesellschaftlich gewollte Entwicklungen zugewiesen.

Viele Verbraucher wollen Tierschutz, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Menschenrechte voranbringen. Damit sie ihre Kaufentscheidung im Sinne nachhaltiger und fairer Arbeits- und Produktionsweise auch treffen können, muss Verbraucherpolitik ihnen Transparenz und Wahlfreiheit ermöglichen. Transparenz entsteht aber nicht automatisch durch möglichst viele Herstellerinformationen, sondern erfordert – je komplexer die Produkte und unsere Warenwelt sind – einheitliche Regeln und Gestaltung. Diesem politischen Gestaltungsauftrag hat sich die Bundesregierung verweigert.

Das muss sich ändern. Das gilt auch für die digitale Verbraucherwelt. Algorithmen bestimmen, wer wie viel zahlt, welche Werbung angezeigt wird und welche Kreditbedingungen gelten. Je nach Wohnort und Endgerät können Produkte unterschiedlich teuer sein. Hier sind klare Regeln gegen Diskriminierung und für Transparenz nötig.

Ebenso beim Datenschutz: Persönliche Informationen sind heute Handelsware. Verbraucherpolitik muss dafür sorgen, dass europäische Grundsätze wie voreingestellter Datenschutz auch umgesetzt werden. Beispielsweise indem Standards und Gütezeichen geschaffen und zur Voraussetzung gemacht werden. Damit das neue Smart-TV eben nicht permanent personenbezogene Daten wie die IP-Adresse erfasst und weitergibt, ohne dass die Verbraucher es wissen.

Wo die Politik zu eng mit der Wirtschaft agiert und Leerstellen lässt, sind Verbraucher die Verlierer. Das zeigt der Dieselskandal sehr deutlich. Die Bundesregierung hat weggeschaut, als die Autohersteller ihre eigenen Regeln zur Abgaskontrolle aufgestellt und Dieselbesitzer beim Schadstoffausstoß ihrer Autos betrogen haben.

Nun müssen die Autobesitzer Fahrverbote befürchten. Dabei sind nicht sie, sondern die Hersteller Verursacher des Schadens. Daher muss die Bundesregierung diese in die Pflicht nehmen, für den Schaden aufzukommen. Sie muss Nachrüstungen auf Kosten der Autoindustrie durchsetzen und die Gruppenklage endlich einführen, damit Verbraucher in Zukunft gemeinsam gegen Unternehmen klagen können.

John F. Kennedy hat vor mehr als 55 Jahren vier grundlegende Verbraucherrechte formuliert: Das Recht auf Sicherheit, das Recht auf Information, das Recht auf Wahlfreiheit und das Recht, gehört zu werden. In dieser globalisierten Welt ist genau das wichtiger denn je: das Recht, zu wissen, wer es produziert hat und was drin ist“.

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