Darauf mussten wir lange warten und ohne die Androhung einer Klage durch den Europäischen Gerichtshof hätte es die deutsche Politik auf eine noch längere Bank geschoben. Deutschland bringt nun einen Gesetzentwurf zum Schutz für Whistleblower und zur Einrichtung von Meldestellen in Unternehmen und Behörden auf den Weg. Dazu schreibt Markus Decker in der Frankfurter Rundschau heute (S. 13):
„Das Bundeskabinett hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf gebilligt, der Bürgerinnen und Bürger, die Hinweise auf Missstände in Unternehmen oder Behörden geben, besser vor Kündigung und Mobbing schützen soll. Der Entwurf soll nun von Bundestag und Bundesrat beraten und beschlossen werden. Bei der Reform steht Deutschland unter Zeitdruck, denn es droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Eigentlich lief im Dezember eine Frist für die EU-Staaten aus, gemeinsame Regeln zum Schutz sogenannter Whistleblower in nationales Recht umzuwandeln.
Die Hinweise können Gesetzesverstöße gegen Umweltschutzvorgaben oder gegen Sicherheitsvorschriften sein. Die Meldestellen, an die sich die Whistleblower laut Entwurf künftig wenden können, müssen die Identität der Hinweisgeber vertraulich behandeln. Alle Arbeitgeber und Organisationen mit mindestens 50 Beschäftigten sollen eine solche Meldestelle einrichten müssen.
In einem Konzern soll es ausreichen, wenn es eine Meldestelle bei der Konzernmutter gibt. Für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sowie für jeden Hinweisgeber, der Bedenken hat, sich an eine interne Stelle zu wenden, will Justizminister Marco Buschmann (FDP) die Möglichkeit schaffen, beim Bundesamt für Justiz vorstellig zu werden.
Allerdings stößt der Entwurf von verschiedenen Seiten auf Kritik. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände schrieb bei Twitter, Hinweisgeberschutz sei wichtig, und Arbeitgeber könnten Fehler im Unternehmen am schnellsten beseitigen. Der Gesetzentwurf gehe aber „über die EU-Richtlinie hinaus und muss überarbeitet werden“. Konkreter wurde die BDA nicht.
David Werdermann, Projektkoordinator bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte, sagte: „Wer auf ein umfassendes Schutzgesetz für Whistleblowerinnen und Whistleblower gehofft hat, wird enttäuscht. Der Entwurf lässt viele Hinweisgebende im Stich und legt ihnen Steine in den Weg.“
So würden Meldungen nicht geschützt, wenn sie sich auf Fehlverhalten bezögen, das nicht gegen Rechtsvorschriften verstoße. „Dabei kann es auch bei solchem Fehlverhalten ein erhebliches öffentliches Interesse am Bekanntwerden geben“, betonte Werdermann. „Das zeigen etwa Missstände in der Pflege oder rechtsextreme Chats von Polizeibeamten, die oft keinen Straftatbestand erfüllen, aber trotzdem skandalös und schädlich für das Gemeinwohl sind.“
Geheimdienste seien überdies vollständig ausgenommen. Edward Snowden, der weltweite Massenüberwachung ans Licht gebracht habe, wäre demnach in Deutschland nach dem Gesetzentwurf nicht geschützt. „Hier wird angeblichen Sicherheitsinteressen einseitig der Vorrang gegenüber der Presse- und Meinungsfreiheit eingeräumt.“
Schließlich fehle es auch weiterhin an abschreckenden Sanktionen für Unternehmen, wenn sie rechtswidrig gegen Whistleblower und Whistleblowerinnen vorgingen. „Bußgelder sind auf maximal 100 000 Euro beschränkt“, so Werdermann. „Unternehmen wie Volkswagen oder Wirecard bezahlen das aus der Portokasse.“
Die Abwehr gegen ein Whistleblowing-Gesetz aus der Wirtschaft, aber auch Teilen der Behörden und der Justiz ist heftig, sonst hätte sich der Vorgang auch nicht über Jahre hingezogen. Nun beginnt die heiße Phase und die Gegner laufen sich warm. Dabei ist der Entwurf schon so abgemildert, um nicht zu sagen: verwässert, dass keine wirkliche Weichenstellung zu erwarten ist.
"Siehe zur weiteren Kritik am Gesetesentwurf"
Bei Bedarf an Beratung und Hilfe: "Das Whistleblower-Netzwerk"
"Information"
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