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17.12.2009 19:05
Wie viel Transparenz verträgt die Privatsphäre?  

Gläsern ist allen am liebsten: der gläserne Mitarbeiter, der gläserne Kunde, der gläserne Bürger. Wirtschaft und Staat sammeln Daten wie es kaum zu übertreffen ist. Und selbst die EU-Parlamentsverwaltung durchleuchtet ihre Assistenten bis zum Gehtnichtmehr. Sogar Krankheiten, Krankheiten der Angehörigen, der Konsum von Genussmitteln, Medikamenten und der Zeitpunkt der letzten Regelblutung werden per ärztlicher Untersuchung festgestellt.

Vermutlich möchte keiner der Akteure in Wirtschaft und Staat selbst von so viel Durchleuchtung betroffen sein. Bleibt noch das häufig zu hörende Argument: Wer nichts zu verbergen hat, kann auch seine Daten preisgeben. Ein törichtes Argument. Denn wenn jemand ohne Fehl und Tadel lebt, heißt das noch lange nicht, dass er sein Privatleben veröffentlicht sehen möchte. Denn dann wäre es längstens ein Privatleben gewesen. Und was heißt auch, Daten preisgeben. Daten, die überall vorhanden und verknüpfbar sind, sind auch manipulierbar. Schnell lässt sich von findigen, kriminellen Akteuren eine Datenlage konstruieren, die jemand in Misskredit bringt und Rufmord bedeutet. Das kann so überzeugend gemacht werden, dass es aussichtslos erscheint, daran etwas zu ändern, wenn alle Indizien gegen einen Betroffenen zu sprechen scheinen.

Das Datensammeln und die Datenauswertung müssen abgerüstet werden und abrüsten. Sicher gibt es Situationen, in denen Daten zusammen getragen werden müssen, um sinnvolle Angebote zu machen, die Vorbereitung von Straftaten zu verfolgen oder Menschen zu beschützen und zu helfen. Doch erforderliche Transparenz muss durch Fairness begrenzt werden auf das notwendige Mindestmaß. Fairness als Prinzip einer Balance zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre. Was öffentlich von Belang ist, muss öffentlich werden, zumindest überprüft. Dazu gehören aber nicht Krankheiten von Angehörigen, Regelblutungen und andere persönliche Daten von EU-Parlamentsassistenten. Dazu gehört nicht das Geburtsjahr bei Abo-Bestellungen und Internetkäufen. Dazu gehören nicht persönliche Kontakte von Mitarbeitern. Und erst recht nicht das Ausspionieren von Festplatten ohne staatsanwaltliche Anweisung wegen begründeten Verdachts.

Wenn Wirtschaft und Staat mit der Privatsphäre von Menschen nicht rücksichtsvoll umgehen, dürfen sie sich nicht wundern, wenn die Bürger und Kunden ihnen etwas vorgaukeln und sie auf falsche Fährten geraten.

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